Stormwitch - Die Tochter der Sturmgöttin - Romina Gold - E-Book

Stormwitch - Die Tochter der Sturmgöttin E-Book

Romina Gold

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Beschreibung

Eine zauberhafte Geschichte über Zeitreisen und die Magie einer Liebe, die Jahrhunderte überdauert. Salem Village, 1692 Ausgestoßen vom Stamm ihrer Mutter und verachtet von den Weißen lebt die junge Taimah verborgen in den Wäldern von Salem, wo sie als Heilerin Frauen in Not hilft. Als die Hexenprozesse beginnen, ist sie eine der Ersten, die der schwarzen Magie beschuldigt und gnadenlos von Hexenjägern verfolgt wird. Den sicheren Feuertod bereits vor Augen, wünscht sich Taimah nichts sehnlicher, als dieser schrecklichen Zeit zu entfliehen. Und tatsächlich wird sie von ihren magischen Kräften ins Jahr 1850 getragen, direkt in die Arme des attraktiven Henry Farrington, in dem sie bald mehr sieht als nur ihren Beschützer. Obwohl sie sich nun in Sicherheit befindet, verzehrt sich Taimahs Herz nach etwas Wertvollem, das sie in Salem zurücklassen musste. Tief in ihrem Inneren weiß sie, dass sie mit Henry nur glücklich werden kann, wenn sie noch einmal in ihre Vergangenheit zurückkehrt, mitten ins Zentrum einer lebensgefährlichen Hexenjagd.

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhaltsverzeichnis

Über dieses Buch

Über die Autorin

Titel

Ein paar Worte vorab

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Epilog

Leseprobe Trügerische Sicherheit (Count on Me 1)

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Impressum

Über dieses Buch

Wenn eine Liebe Jahrhunderte überdauert.

Salem Village, 1692

Ausgestoßen vom Stamm ihrer Mutter und verachtet von den Weißen lebt die junge Taimah verborgen in den Wäldern von Salem, wo sie als Heilerin Frauen in Not hilft. Als die Hexenprozesse beginnen, ist sie eine der Ersten, die der schwarzen Magie beschuldigt und gnadenlos von Hexenjägern verfolgt wird.

Den sicheren Feuertod bereits vor Augen, wünscht sich Taimah nichts sehnlicher, als dieser schrecklichen Zeit zu entfliehen. Und tatsächlich wird sie von ihren magischen Kräften ins Jahr 1850 getragen.

Doch die Menschen haben sich nicht geändert, auch in der Zukunft wird Taimah wegen ihrer Herkunft diskriminiert. Während sie um Akzeptanz und Anerkennung ringt, verzehrt sich ihr Herz nach etwas Wertvollem, das sie in Salem zurücklassen musste.

Eine zauberhafte Geschichte über Zeitreisen und die Magie einer Liebe, die Jahrhunderte überdauert.

Über die Autorin

Bereits als Jugendliche fand Romina Gold ihre selbsterschaffene Fantasiewelt spannender als das reale Leben. Damals begann sie, ihre Geschichten aufzuschreiben. Ihre Träume hat sie sich bis heute ebenso bewahrt wie die Leidenschaft fürs Schreiben.

Rominas Bücher sind eine Mischung aus Romantik und Abenteuer, mit denen sie ihren Lesern eine unterhaltsame Auszeit schenken möchte. Ihre schriftstellerische Bandbreite reicht von rasanten Thrillern über dramatische Beziehungsromane bis hin zu zauberhafter Fantasy, jedoch immer garniert mit einer wundervollen Liebesgeschichte.

Die Autorin lebt mit Mann und Hund im sonnigen Südwesten Deutschlands. Ihr Erlebnishunger sowie ihr Faible für fremde Länder finden sich in ihren Romanen ebenso wieder wie ihr Glaube an die wahre Liebe.

Titel

Stormwitch

Die Tochter der Sturmgöttin

Eine romantische Fantasygeschichte von

Romina Gold

Ein paar Worte vorab

Meine lieben Leserinnen und Leser,

diejenigen von euch, die meine Bücher kennen, wissen, dass ich hauptsächlich Romantische Thriller und zeitgenössische Liebesromane schreibe. Mit dieser romantischen Fantasygeschichte schlage ich eine etwas andere Richtung ein, weil mir die Themen Diskriminierung und Ausgrenzung ganz besonders am Herzen liegen und sie auch heute noch – sieben Jahre nach der Erstveröffentlichung – aktueller denn je sind. Wie ihr es von meinen Romanen gewohnt seid, kommen Spannung und Romantik auch in diesem Werk nicht zu kurz.

Stormwitch – Die Tochter der Sturmgöttin ist eine komplett überarbeitete Neuauflage von Blättertanz, einem Teil der vierbändigen Reihe Seasons of Magic, die 2018 im Carlsen Verlag erschienen ist.

Nachdem ich vom Verlag meine Rechte zurückerhalten hatte, habe ich umfassende Änderungen an der Geschichte vorgenommen, sodass sie nun als Einzelband gelesen werden kann. Lediglich die Grundidee von einer Heilkundigen, die nicht den Vorstellungen ihrer Zeit entspricht, deshalb von Hexenjägern verfolgt wird und mithilfe ihrer Magie in die Zukunft springt, habe ich beibehalten. Ebenso wie ich zwecks Authentizität die herabwürdigende Ausdrucksweise dieser Epoche verwendet habe.

Die Romanidee basiert auf den Ereignissen der Hexenprozesse von Salem, Massachusetts, im Jahr 1692, die von dem Erweckungsprediger Samuel Parris und seiner Familie ausgelöst wurden. Daher werden einige Personen, die damals tatsächlich gelebt haben, in diesem Buch erwähnt. Ich habe mir die künstlerische Freiheit gestattet, die Geschehnisse für den Roman passend auszuschmücken.

Nun wünsche ich euch fantastische Lesestunden mit dieser zauberhaften Geschichte über Zeitreisen und die Magie einer Liebe, die Jahrhunderte überdauert.

Eure Romina

Prolog

Salem Village, Neuengland, Sommer 1692

TAIMAH

Ich gab eine Handvoll Blätter des Streifenfarns in den köchelnden Sud, aus dem ich eine Tinktur gegen Hauterkrankungen herstellte, und rührte um. Früher am Tag war Mary Foxworth mit ihren Kindern bei mir gewesen. Die beiden Mädchen litten an einem Ausschlag, den sie sich vermutlich beim Kontakt mit Giftsumach zugezogen hatten. Ich hatte sie behandelt und Mary den Rest meines Vorrats mitgegeben. Lächelnd dachte ich an die junge Frau. Ich freute mich jedes Mal über ihren Besuch, unterhielt mich gern mit ihr und hörte mir den neuesten Dorfklatsch an. Sie war eine freundliche und sanfte Person, die es mit ihrem jähzornigen Mann nicht leicht hatte.

Mich wunderte, dass überhaupt noch jemand zu mir kam, denn seit dem Frühjahr waren die Einwohner von Salem Village von bösen Geistern besessen. Aus heiterem Himmel hatten sie damit begonnen, sich gegenseitig der Hexerei zu beschuldigen. Ehemals gute Nachbarn belauerten sich nun misstrauisch, langjährige Freundschaften waren zerbrochen und man ging sich nach Möglichkeit aus dem Weg. Über dem Ort hing eine von Angst getränkte Stimmung wie eine bedrohliche Gewitterwolke. Hatten die Anschuldigungen anfangs nur die Menschen getroffen, die am Rand der Gemeinschaft standen, so wurden mittlerweile auch redliche Bürger aus ihren Häusern geholt und ins Gefängnis geworfen. Der Reverend, Samuel Parris, schürte diese Hexenjagd zusätzlich in seinen stundenlangen flammenden Predigten und verwirrte damit selbst den letzten klaren Verstand.

Zu Beginn der warmen Monate waren zwei Richter aus Salem Town im Dorf eingetroffen, hatten Gerichtsverhandlungen abgehalten und Todesurteile gesprochen. Einmal hatte ich aus der Ferne die Erhängten gesehen, die auf einem kleinen Hügel gleich hinter dem Marktplatz hingerichtet worden waren.

Ich vertrieb dieses grausame Bild aus meinen Gedanken und wandte mich erneut dem blubbernden Kessel zu. Gewöhnlich übte diese Tätigkeit eine beruhigende Wirkung auf mich aus, heute jedoch war ich von einer ungewohnten Nervosität erfüllt. Die drückende Hitze dieses Sommertags lag wie eine klebrige Schicht über der Landschaft, kein Lüftchen bewegte sich und selbst die Nähe zum Wasser brachte keinerlei Abkühlung.

Um der stickigen Wärme in der Hütte zu entgehen, trat ich ins Freie und lehnte mich an den Stamm des Ahorns, dessen Krone meine Unterkunft beschattete. Es war eine sternenhelle Nacht, der Vollmond spiegelte sich im See, ebenso wie die Kiefern, die bis ans Ufer heranreichten. Trotz dieser Idylle lag etwas Trügerisches in der Luft. Der Wald war viel zu ruhig. Kein Rascheln im Unterholz, das von kleinen Tieren stammte, keine Rufe von Nachtvögeln oder das Rauschen ihrer Schwingen. Es schien, als hätte jegliches Leben den Atem angehalten. Ein Frösteln überlief mich, für das ich keine Erklärung fand. Normalerweise entspannte ich mich bei dem Kontakt mit dem Ahorn. Seit ich denken konnte, fühlte ich eine besondere Verbindung zu Bäumen und suchte immer wieder ihre Nähe. Manchmal kam es mir sogar vor, als ginge ihre Kraft und Stärke auf mich über, sobald ich sie berührte.

Ich warf einen Blick in den Weidenkorb, den ich an einem tief hängenden Ast angebracht hatte, dessen Blätter das kostbare Gut darin verbargen und schützten. Anschließend trat ich aus dem Schatten der Krone, schlenderte hinunter ans Seeufer und drehte mich zu der Hütte um.

Seit ich vor zwei Sommern vom Stamm meiner Mutter hatte fliehen müssen, wohnte ich in dieser Behausung in der Nähe eines uralten Kultplatzes, dessen Zentrum ein grauer Granitblock mit eingeritzten Stammessymbolen bildete. Das Volk, das seine Rituale hier abgehalten hatte, war von den Weißen und ihren eingeschleppten Krankheiten vor Langem ausgerottet worden, der Platz seitdem in Vergessenheit geraten, obwohl er, nur durch ein Waldstück getrennt, nicht weit von Salem Village entfernt lag.

Meine Hoffnung, mit den Bewohnern des Ortes friedlich zusammenleben zu können, hatte sich nicht erfüllt. Als Tochter eines Weißen und einer Indianerin war ich bei ihnen unerwünscht. Der Reverend bekreuzigte sich, sobald er meiner ansichtig wurde, mit einer Miene, als hätte mich die Hölle ausgespuckt, Mütter scheuchten ihre Kinder in die Häuser und die Gassenjungen warfen mit Steinen nach mir. Nur hier, in dieser Abgeschiedenheit, konnte ich meiner Tätigkeit als Heilerin nachgehen. Rasch verdrängte ich die bitteren Erinnerungen an die Ungerechtigkeiten und Ablehnungen, die ich in meinem Leben erfahren hatte, bevor mich dieses Gefühl, ungewollt und wertlos zu sein, einmal mehr überkam.

Ein Geräusch schreckte mich auf, das nicht in diesen Wald gehörte. Männerstimmen! Und zwar viele Männerstimmen, die laut und aufgeregt durcheinanderriefen. Jetzt hörte ich auch ihre Schritte, sie stampften wie eine Horde Bisons. Und sie kamen direkt auf mich zu!

Als der Schein von Fackeln durchs Blattwerk drang, wollte ich zu meiner Hütte laufen und mich darin verstecken, doch mein Instinkt hielt mich davon ab. Dort würden sie als Erstes nach mir suchen. Im Wald war ich sicherer, außerdem kannte ich mich hier besser aus als die Dorfbewohner, ich konnte mich lautlos bewegen und zur Not hatte ich mein Jagdmesser, mit dem ich umzugehen wusste. Meine Hand legte sich auf die Waffe, die an meiner Hüfte hing.

Ich vergewisserte mich noch einmal, aus welcher Richtung die Männer kamen, dann huschte ich auf den Wald zu, weg von meinem Zuhause und allem, was mir lieb und teuer war. Ich tauchte ins Unterholz ein, schlängelte mich zwischen Baumstämmen hindurch und duckte mich, um Ästen und Zweigen auszuweichen.

Nach einer Weile erreichte ich den Bachlauf, der den Zufluss zum See bildete. Ich blieb stehen, holte mehrmals tief Luft und versuchte, über das Plätschern des Wassers hinweg die Männer zu hören. Ihre Stimmen klangen leiser als zuvor. Vermutlich trieben sie sich an meiner Hütte herum, suchten nach mir oder zerstörten meine Habseligkeiten. Es war nicht das erste Mal, dass mir so etwas passierte. Doch dieses Mal waren es keine betrunkenen Kerle, die ihren Übermut an mir abkühlen wollten, das wusste ich nur zu gut. Diese Gestalten waren Hexenjäger! Ich hätte schon längst die Flucht ergreifen und den Ort hinter mir lassen sollen, schließlich erlebte ich seit Monaten, wie die Menschen in Salem Village miteinander umgingen. Die Außenseiter hatte man als Erste der Hexerei bezichtigt, daher war es dumm von mir gewesen zu glauben, sie würden ausgerechnet mich verschonen. Ich war kein Mitglied ihrer Dorfgemeinschaft, und sie hatten mir schon vor Beginn der Hexenjagd Argwohn, Ablehnung, ja sogar Hass entgegengebracht. Mit einem Mal kam mir der Grund meines Verweilens in dieser Hütte so unsinnig vor. Mein Hoffen, er würde zu mir zurückkommen, mich von hier wegholen … Voller Sehnsucht krampfte sich mein Herz zusammen.

Es knackte hinter mir. Panisch warf ich einen Blick über die Schulter. Zwei schemenhafte Gestalten traten aus den Schatten der Bäume, nur wenige Yards von mir entfernt.

»Da ist die Hexe!«, rief einer.

Ich wirbelte herum und rannte los, kam jedoch nur ein paar Schritte weit, bevor sich eine Faust um meinen langen Zopf schloss und daran riss. Schmerz schoss über meine Kopfhaut, gleichzeitig geriet ich aus dem Tritt. Als ich stürzte, schrie ich auf. Ein schwerer Körper warf sich auf mich und drückte mich tief in die Tannennadeln und das Moos des Waldbodens. Sein erdiger Geruch mischte sich mit dem Schweißgestank des Mannes. Mit aller Kraft wehrte ich mich, wand mich unter dem Kerl und versuchte, an mein Messer heranzukommen. Doch vergeblich, denn der zweite Mann kam seinem Kumpan zu Hilfe und packte meine strampelnden Beine. Obwohl ich keine schwache Frau war, hatte ich gegen die beiden keine Chance. Sie rissen mich hoch, fassten mich an den Armen und zerrten mich mit sich.

Es dauerte nicht lange, bis wir uns dem Kultplatz und meiner Hütte näherten.

»Die Hexe, wir haben sie!«, rief einer der Kerle.

Mehrere Gestalten traten aus dem Wald heraus und versammelten sich auf dem freien Platz vor meiner Unterkunft.

»Bringt sie her!«, befahl ein großer, hagerer Mann in schwarzer Kleidung.

Das flackernde Licht der Fackeln huschte über sein Gesicht, und ich erkannte die dämonenhafte Fratze von Samuel Parris. Ein eisiger Schauder überlief mich. Obwohl ich nicht dem christlichen Glauben angehörte, hatte ich genügend Predigten von Missionaren gehört, um mir ein Bild vom Teufel machen zu können. Reverend Parris' Äußeres entsprach meiner Vorstellung so sehr, dass ich im Stillen sämtliche Schutzgeister um Beistand anflehte.

»Sie muss brennen!«, erscholl es aus der Gruppe.

»Jawohl! Brennen muss sie«, bestätigte ein anderer.

»Lasst es uns hier tun. Jetzt gleich!«

»Ja!«

»Brenne Hexe!«

Aufgeregt schrien alle durcheinander, dabei umringten sie mich und rückten immer dichter an mich heran.

Sie wollen mich töten! Die Erkenntnis rüttelte mich auf, mein Lebenswille erwachte mit unbändiger Kraft. Ich wand mich, versuchte, mich aus den Griffen der beiden Männer zu befreien, trat einem von ihnen vors Schienbein. Seine Finger lockerten sich und gaben meinen Arm frei. Mein zweiter Gegner jedoch war viel größer und kräftiger als ich. Obwohl ich nach ihm schlug, kam ich nicht von ihm los. Ein junger Kerl stürzte sich auf mich und knallte mir seine Faust auf den Kopf. Schmerz durchzuckte mich, bunte Sterne blitzten vor meinen Augen auf. Ich taumelte gegen den Hünen, der mich festhielt.

»Halte ein, Satansweib!«, dröhnte Parris' Stimme über den Tumult hinweg. »Ich befehle es dir!« Er kam auf mich zu, dabei streckte er mir ein großes silbernes Kreuz entgegen, das an einer Kette um seinen Hals hing.

Beinahe wäre ich vor ihm und dem wahnsinnigen Glitzern in seinen Augen zurückgewichen.

»Ich bin keine Hexe«, sagte ich mit allem Mut, den ich aufbringen konnte, trotzdem zitterte meine Stimme.

»Schweig!«, donnerte er. »Du bist die Brut einer Heidin, die einen rechtschaffenen weißen Mann verhext hatte, damit er mit ihr Unzucht trieb. Du bist schlimmer als eine Hexe, du bist das manifestierte Böse.«

Ich schnappte nach Luft, doch bevor ich etwas zu meiner Verteidigung hervorbrachte, geiferte er bereits weiter.

»Du versteckst dich hier im Wald, braust Zaubertränke, mit denen du deine abscheuliche Saat in unsere Frauen und Kinder pflanzt. Du hast meine Tochter und meine Nichte verhext!«

Die Anklage traf mich wie eine Ohrfeige. Vor einigen Monaten hatten sich seine Tochter Elizabeth und seine Nichte Abigail plötzlich merkwürdig verhalten. Angst vor Fremden gezeigt, ihre Körper verrenkt und in einer unbekannten Sprache gesprochen. Da kein Arzt einen Grund für dieses Benehmen fand, kam das Gerücht auf, sie wären vom Teufel besessen. Das war der Beginn dieser Hexenjagd gewesen.

»Dein dämonisches Wirken endet heute!«, fuhr Parris fort. »Bindet sie an den Baum.« Er deutete auf den Ahorn.

»Nein!«, schrie ich gellend. »Ich habe nie jemandem etwas angetan. Meine Tränke dienen der Heilung. Ihr habt doch selbst schon davon Gebrauch gemacht.«

»Schweig still, elende Lügnerin!« Parris trat dicht vor mich.

Bei dem Hass, der in seinem Blick loderte, wurde mir klar, dass ich soeben das Falsche gesagt hatte. Blitzschnell stieß er die Hand mit dem Kreuz in Richtung meines Gesichts, sodass ich instinktiv zurückwich. »Seht, die Hexe hat Angst vor dem gesegneten Kreuz! Sie scheut den Kontakt mit unseren heiligen Reliquien!« Speichel flog von seinen schmalen Lippen und traf mich. Angeekelt kniff ich die Augen zu. »Bindet sie endlich an den Stamm.« Mit einer herrischen Geste zeigte er erneut auf den Ahorn. »George und William, sammelt Holz.«

Nein, nicht mein Ahorn! Ich bäumte mich auf, kämpfte gegen die Hände, die mich festhielten, dabei beteuerte ich einmal mehr, dass ich niemals jemandem ein Leid angetan hatte. Ich flehte jeden der Männer um mein Leben an, rief ihnen in Erinnerung, wie ich ihren Frauen und Kindern geholfen hatte, doch kein Einziger zeigte eine Regung. Selbst Mary Foxworths Ehemann nicht, obwohl sie vor wenigen Stunden erst bei mir gewesen war. Sie waren genauso besessen von der Furcht vor Hexen wie ihr Anführer.

Gnadenlos zerrten sie mich an der offenstehenden Tür meiner Hütte vorbei, wo noch immer die Tinktur köchelte. Der Schein des kleinen Feuers unter dem Kessel erregte die Aufmerksamkeit eines Mannes.

»Reverend«, sagte er, wobei er in Richtung meiner Unterkunft nickte. »Die Hexe hat schon Feuer gemacht.« Er grinste dreckig. »Damit hat sie uns eine Menge Arbeit gespart.«

Parris' Blick wanderte von seinem Helfer zu meiner Hütte und dann zu mir. Seine Mundwinkel hoben sich, das Glitzern in seinen Augen verstärkte sich. »Sperrt sie in die Hütte«, befahl er.

Ehe ich reagieren konnte, wurde ich über die Schwelle gestoßen. Jemand trat mir in den Rücken, sodass ich das Gleichgewicht verlor, taumelte und auf die Knie fiel. Ein Mann stürmte an mir vorbei, riss den Kessel von der Feuerstelle und verteilte mit einem Knüppel die Glut im Raum. Ich stemmte mich hoch, wollte fliehen, bekam jedoch einen weiteren Stoß in den Rücken, der mich wieder zu Boden warf. Ein Schlag traf meinen Kopf, der mich fast besinnungslos machte. Während ich darum kämpfte, nicht das Bewusstsein zu verlieren, flog eine Fackel herein, die direkt neben mir landete. Dann wurde die Tür zugeschlagen.

Mit letzter Kraft robbte ich von den gierigen Flammen weg, die nur um Haaresbreite an meinem Körper vorbeizüngelten. Der Holzboden verfärbte sich bereits durch die Hitze, gleich würde er anfangen zu kokeln. Ich kam taumelnd auf die Beine und lehnte mich an eine Wand. Rote Schlieren tanzten vor meinen Augen, beißender Rauch stieg mir in die Nase. Einige der Glutbrocken waren auf meinem Bett gelandet, hatten Löcher in die Decke gebrannt und das Laub, das die Holzpritsche polsterte, entzündet. Ich stolperte auf den Tonkrug mit Wasser zu und bekam ihn zu fassen. Es gelang mir, die kleinen Feuerherde zu löschen, den letzten Schwall kippte ich über die Fackel. Sie erlosch, trotzdem erfüllte weiterhin das Prasseln von trockenem Holz den Raum. Panisch schaute ich mich um, vor Angst und Entsetzen liefen mir Tränen die Wangen hinab. Einzelne Glutbrocken von der Feuerstelle, die auf dem Boden lagen, glommen zwar noch, sie waren jedoch nicht der Grund für dieses Geräusch. Mein Blick blieb an der Tür hängen. Zwischen den Spalten der Bretter schimmerte flackerndes Licht hindurch, und das Knistern über meinem Kopf stammte von den Dachschindeln.

Sekundenlang war ich wie gelähmt. Erst als brennende Holzstückchen auf mich herabrieselten, löste sich meine Starre. Mittlerweile drangen Rauchschwaden durch sämtliche Ritzen, der beißende Geruch reizte mich zum Husten und trieb mir neue Tränen in die Augen. In einem letzten verzweifelten Befreiungsversuch stürzte ich zur Tür und riss sie auf. Direkt davor schlugen Flammen aus einem Reisighaufen, feurige Funken stiegen in den Nachthimmel auf. Mein einziger Fluchtweg hatte sich in eine lodernde Feuerwand verwandelt, meine Hütte war zu einem Gefängnis geworden, in dem ich sterben würde.

Langsam wich ich in die Raummitte zurück, während ich wie gebannt auf die Feuersbrunst starrte. Die Flammen gaukelten mir Trugbilder vor. Einen singenden Schamanen, im Herbstwind tanzende Blätter, das Gesicht meiner Mutter. Grauer Rauch drang in Schwaden herein, waberte um meine Füße und stieg rasch höher, füllte die Hütte ebenso wie meine Lunge. Ich hustete, rang nach Atem und sog heiße Luft ein, die mich innerlich zu verbrennen drohte.

Ich will keinen qualvollen Feuertod sterben! Meine Verzweiflung schlug um in Hass auf diese Männer, die sich anmaßten, über mich zu richten. Eine Woge rot glühenden Zorns wallte in mir hoch, ein wütender Schrei brach aus mir heraus.

Im selben Moment fühlte ich mich wie eines der Blätter, die ein tosender Sturm vom Baum riss und herumwirbelte. Nein, ich fühlte mich nicht nur so, ich befand mich inmitten eines Sogs aus bunten Herbstblättern, die immer höher stiegen und mich mit sich trugen, als wäre ich schwerelos. Das Dach meiner Hütte löste sich in einem goldenen Funkenregen auf, die Sterne flimmerten, der Vollmond stürzte auf mich herunter und ertrank im See. Als sein Licht erlosch, umhüllte mich Schwärze.

Kapitel 1

Danvers, Massachusetts, Sommer 1850

TAIMAH

Ich schlug die Augen auf und sah mich umschlossen von feurigem, wallendem Rot. Sollte tatsächlich der Tag des Jüngsten Gerichts gekommen sein, wie es die Prediger der Weißen ständig verkündeten? Und eine Ungläubige wie ich schmorte jetzt in der Hölle? Voller Angst vor der verzehrenden Hitze des Fegefeuers fuhr ich hoch. Mein Körper schmerzte bei der hastigen Bewegung, hämmernde Kopfschmerzen vernebelten meine Sicht. Ich fühlte mich wie damals, als mich eine Horde Burschen aus Salem Village im Wald entdeckt, gejagt und verprügelt hatte. Wäre nicht dieser uralte Baum auf mich gestürzt, hätten sie mich vermutlich im See ersäuft wie eine Katze. Wie durch ein Wunder war ich genau in der Gabelung zweier starker Äste zu liegen gekommen. Zweige und Laub hatten sich wie ein schützendes Dach über mich gewölbt. Ich hörte bis heute das hämische Lachen der Bande und ihre Freudenrufe darüber, dass die dreckige Rothaut zur Hölle gefahren war. Mein Magen krampfte sich zusammen, wie jedes Mal, wenn ich an dieses Erlebnis dachte.

Ich schüttelte die böse Erinnerung ab und streckte eine Hand aus. Zaghaft berührte ich den Stoff, denn mittlerweile hatte ich erkannt, dass ich in einem Himmelbett lag, das an drei Seiten von roten Vorhängen umgeben war. Ein Luftzug versetzte das dünne Material in sanfte Schwingungen, das Gewebe erinnerte mich an das seidige Fell eines Otters. Fasziniert ließ ich meine Fingerspitzen darüber gleiten. Bezüge in der gleichen schimmernden Farbe umhüllten die Bettdecke sowie mehrere Kissen. Die Matratze war sehr bequem. Was für ein Unterschied zu der harten Pritsche in meiner Hütte oder dem Waldboden.

Wieso liege ich in einem fremden Bett? Wo bin ich? Diese Gedanken holten mich unsanft ins Jetzt und verjagten den Rest meiner Benommenheit. Still verharrte ich und lauschte. Als sich nichts rührte, schlug ich die Decke zurück, rutschte bis an die Bettkante und schob den Vorhang ein Stückchen zur Seite. Gedämpftes Licht offenbarte mir ein Zimmer mit wuchtigen Möbeln und hellen Wänden, die mit geschwungenen dunklen Linien überzogen waren. So etwas hatte ich nie zuvor gesehen.

Ich setzte die Füße auf den Boden und stand auf. Mir war schwindlig und meine Augen besaßen nicht ihre übliche Schärfe, dennoch erkannte ich einen Mann, der etwa drei Schritte von mir entfernt in einem Sessel lehnte. Sein Kopf war auf seine Brust gesunken. Wer ist das? Hatte Parris ihn abgestellt, um mich zu bewachen? Panisch sah ich mich nach einem Fluchtweg um. Da war eine Tür! Ich wollte darauf zugehen, schwankte jedoch und fand gerade noch an einem der Bettpfosten Halt. Ein stechender Schmerz schoss durch meine Schläfe. Bei dem Schmerzenslaut, der mir entschlüpfte, schrak der Mann auf.

»Bleiben Sie liegen, Miss«, sagte er. »Sie hatten einen Unfall.«

Ich ignorierte seine Worte. »Wer seid Ihr?«

»Henry Farrington der Dritte«, stellte er sich vor.

»Der Dritte? Worin?«

Er lachte leise, ein angenehmer, dunkler Laut. »Der dritte Henry in der Familie. Mein Vater und mein Großvater führten ebenfalls diesen Vornamen.« Seine Aussprache klang merkwürdig, ganz anders als die der Menschen, mit denen ich es üblicherweise zu tun hatte.

Als er aufstand und auf mich zukam, wich ich erschrocken zurück, stieß gegen das Bett und setzte mich unfreiwillig auf die Matratze. Dabei bemerkte ich, dass ich ein weißes Nachthemd trug.

»Was ist geschehen? Wo sind meine Kleider?«, fuhr ich auf.

Er blieb vor mir stehen und hob beschwichtigend die Hände. »Ihre Kleidung war verschmutzt, deshalb habe ich Sie umgezogen.«

»Ihr habt mich umgezogen?« Das wurde ja immer besser. Im ersten Moment wollte ich aufspringen und weglaufen, stattdessen griff ich nach der Decke, unter der ich gelegen hatte, und wickelte sie um meinen Körper. Zu groß war meine Neugier, wie ich hierhergekommen war. »Was meint Ihr mit Unfall, Sir?«, fragte ich.

»Ihr? Und Sir? Ich bitte Sie, Miss, nicht so förmlich.« Henry Farrington setzte sich wieder in den Sessel und hantierte an der Lampe, die auf dem kleinen Tisch daneben stand. Das Licht wurde heller.

»Wie habt Ihr … äh … haben Sie das gemacht?« Am liebsten wäre ich aufgestanden und hätte mir die eigenartig geformte Leuchte näher angesehen.

»Ich habe den Docht höher gedreht.« Er lächelte mich an. »Wollen Sie mir nicht sagen, wie Sie heißen?«

Da ich seine Erklärung nicht verstand, beantwortete ich seine Frage. »Taimah … Porter.« Spontan entschied ich, den Nachnamen meines Vaters zu verwenden, etwas, das ich üblicherweise vermied, da dieser Mann nie eine Rolle in meinem Leben gespielt hatte. Henry Farrington der Dritte würde noch früh genug herausfinden, dass ich keine Weiße war, und dann wäre es ohnehin vorbei mit seiner Freundlichkeit.

»Taimah. Das ist ein außergewöhnlicher Name.«

Ich hätte ihm die Bedeutung des Vornamens verraten können, der sich am ehesten mit dem Begriff Donnerschlag übersetzen ließ, doch ich schwieg. »Mhm. Bitte, Mr. Farrington, ich will wissen, wie ich hierhergekommen bin«, sagte ich stattdessen.

»Das wüsste ich auch gern. Ich habe Sie in meinem Garten gefunden.«

»Im Garten gefunden?«, wiederholte ich verwirrt. »Was wollte ich dort?«

»Die gleiche Frage stelle ich mir seit Stunden. Glücklicherweise war ich nach Mitternacht noch einmal draußen, sonst wären Sie erst am Morgen von meiner Haushälterin entdeckt worden. Sie lagen auf dem Rasen neben dem Rosenbeet, bewusstlos und mit einer blutenden Kopfverletzung. Ich habe Sie ins Haus gebracht, Ihnen die nasse Kleidung ausgezogen, die Wunde versorgt und Sie ins Bett gelegt.«

Ich fasste an meinen Kopf und ertastete den Verband. »Wieso war mein Kleid nass?«

»Es hat die ganze Nacht geregnet.«

Das wunderte mich, denn es herrschte seit Wochen Trockenheit in Salem Village. Ich kannte die Natur gut genug, um zu wissen, dass es auch in den nächsten Tagen nicht regnen würde. Ein anderer Gedanke kam mir. »Wo ist Ihre Frau?«

»Ich lebe allein.«

Eigentlich hätte mich diese Aussage erschrecken müssen, doch er war bisher um mein Wohl besorgt gewesen und würde mir bestimmt nichts antun. Um meinen Ruf sorgte ich mich wenig, als Halbblut stand ich ohnehin außerhalb der Gesellschaft. Die Weißen verachteten mich und beim Stamm meiner Mutter war ich nur geduldet.

»Von wem ist das Nachthemd?« Ich zupfte an dem Spitzenkragen, der mir bis an die Ohren reichte und mich an Hals und Kinn kitzelte.

»Es gehörte meiner verstorbenen Mutter.«

Er war schätzungsweise Ende zwanzig und es tat mir leid, dass er seine Mutter so früh verloren hatte. »Wo bin ich hier?«

»In Danvers.«

»Danvers? Das kenne ich nicht. Wo genau liegt dieser Ort?«

»Im Essex County.«

Ratlos sah ich ihn an.

»Ostküste, Massachusetts.«

Mit diesen Begriffen konnte ich etwas anfangen. Zögerlich nickte ich.

»Woher kommen Sie?«, fragte Henry Farrington.

»Aus Salem Village.«

Nachdenklich runzelte er die Stirn. »Wenn ich mich recht erinnere, hieß die Stadt früher einmal so, aber ich kann mich auch irren. Ich lebe erst seit wenigen Jahren hier. Haben dort nicht diese Hexenprozesse von Salem stattgefunden?«

Vor Schreck entfuhr mir ein Keuchen, als die Erinnerungen auf mich einstürzten. Parris mit seinen Mordbuben … Die brennende Hütte … Meine panische Angst vor einem qualvollen Tod in den Flammen.

Der Drang, aus diesem Raum zu fliehen, packte mich. Ich warf die Decke von mir, sprang auf und schaute mich gehetzt um. Eines der Fenster stand offen, das perlgraue Licht der Morgendämmerung hob sich als helles Rechteck von den dunklen Wänden ab. Darauf lief ich zu. In diesem Moment war es mir egal, dass ich nur ein Nachthemd trug und ein Mann mich so sah.

Rasch kniete ich mich auf die gepolsterte Sitzfensterbank und beugte mich hinaus. Ich zuckte zurück, als ich mir der Höhe bewusst wurde, in der ich mich befand. Das Gebäude hatte mehrere Stockwerke und ich konnte direkt in die Wipfel einer kleinen Baumgruppe sehen. Nach dem ersten Schreck nahm ich weitere Details wahr. In der lauen Brise lag der Duft von Sommerregen, ein rosiger Hauch am Himmel kündete den nahenden Sonnenaufgang an. Tief unter mir erstreckte sich eine ausgedehnte Grasfläche in Richtung Osten bis an den Waldrand und zur anderen Seite bis zum Seeufer. Das Gewässer kam mir vertraut vor. Die Form der Uferlinie, die hohen Bäume, die bis dicht ans Wasser reichten, der Bachlauf. Doch das konnte nicht sein. An meinem See hatte es kein Haus dieser Art gegeben. Wo war meine Hütte?

Ich fuhr zu Henry Farrington herum. »Geben Sie mir meine Kleidung und meine Schuhe.«

»Warum?«

»Weil ich raus will. Ich muss meine Hütte suchen.«

Er sah mich besorgt an, dann schüttelte er langsam den Kopf. »Das halte ich für keine gute Idee. Sie waren stundenlang ohne Bewusstsein. Es ist besser, wenn Sie erst mal wieder zu Kräften kommen, bevor Sie draußen herumlaufen.« Mr. Farrington stand auf, kam zu mir, fasste mich sanft am Arm und führte mich zum Bett zurück. »Setzen Sie sich.«

Kraftlos sank ich auf die Matratze, erfüllt von einer Schwäche, die ich gar nicht an mir kannte.

Er trat an den Nachttisch, goss Wasser aus einem Krug in ein Glas und reichte es mir. Ich zitterte so sehr, dass ich es nur mit Mühe festhalten konnte. Mr. Farrington legte seine Hand auf meine und half mir beim Trinken. Anschließend setzte er sich wieder in seinen Sessel.

Allmählich fasste ich mich und schließlich sah ich ihn an. »Danke.«

»Können Sie sich an irgendetwas erinnern?«, fragte er. »An die Stunden vor Ihrem Unfall?«

Flammen … Das Knistern von trockenem Holz … Der Rauch, der mich umhüllte, in meinen Augen brannte und mir das Atmen schwer machte … Buntes Herbstlaub im Sommer. O ja, ich wusste, was passiert war, aber ich würde mich hüten, mit ihm darüber zu sprechen. Henry Farrington der Dritte gehörte eindeutig zu diesen Leuten, denen Indianer ein Dorn im Auge waren. Das verrieten mir sein vornehmes Verhalten und ebenso das noble Haus, in dem er lebte.

Ich verfluchte mich, weil ich so naiv gewesen war und ihm meinen richtigen Namen genannt hatte. Er brauchte nur mit Parris zu reden und mein Leben wäre erneut in Gefahr. Vielleicht machte er sogar gemeinsame Sache mit den Hexenjägern, immerhin hatte er versucht, mich mit einem falschen Ortsnamen zu täuschen.

»Ich kann mich an überhaupt nichts erinnern«, log ich.

»Sie haben von einer Hütte gesprochen.«

Mich überlief es eiskalt. Wieso hatte ich meinen Mund nicht gehalten? »Habe ich das?«

»Ja, vor wenigen Minuten erst.«

»Ich bin durcheinander und mein Kopf tut weh.«

»Das kommt von der Wunde, sie hat heftig geblutet. Gleich am Morgen werde ich nach dem Arzt schicken.«

Ein weißer Quacksalber fehlte mir gerade noch. »Das ist nicht nötig.«

»Miss Porter, solange Sie sich in meiner Obhut befinden, sorge ich für Sie und Ihre Gesundheit.«

Seine Worte erstaunten mich, denn sie klangen aufrichtig. Außer meiner Mutter hatte sich bisher kaum jemand darum gekümmert, ob es mir gut ging. Vermutlich wollte er mich in Sicherheit wiegen. Forschend musterte ich ihn und suchte in seiner Miene nach einer bösen Absicht, fand jedoch nur Besorgnis darin.

»Ich möchte mein Kleid zurück und mich umziehen«, sagte ich.

»Ihre Kleidung ist nass und schmutzig. Es wäre ohnehin klüger, wenn Sie im Bett blieben, bis der Arzt Sie untersucht hat.«

Finster zog ich die Brauen zusammen und starrte ihn an. Schließlich gab er seufzend nach. »Ich hole Ihnen etwas anderes zum Anziehen.«

Mein Retter verließ den Raum. Sobald die Tür hinter ihm ins Schloss fiel, nutzte ich die Gelegenheit und betrachtete das Zimmer genauer. Nur gelegentlich hatte ich die Häuser der Weißen betreten, doch Henry Farringtons Einrichtung übertraf alles, was ich bisher gesehen hatte. Massive Möbel aus dunklem Holz, verziert mit kunstvollen Schnitzereien und goldglänzenden Metallbeschlägen, ein Bett mit vier gedrechselten Säulen, die den roten Himmel trugen, sowie zwei Sessel mit gepolsterten Lederbezügen, zwischen denen ein rundes Tischchen stand. Unter der Sitzgruppe lag ein Teppich aus einem schimmernden Material, der ähnlich verschlungene Muster wie die Wand aufwies. Er war warm und weich, fast wie junges Gras im Sonnenschein.

Die Lampe auf dem Tisch interessierte mich besonders, ich ging hinüber und berührte die lange Glasröhre. Erschrocken zuckte ich zurück, denn das Glas war heiß. Die Flamme tanzte auf einem Docht, doch ich sah kein Wachs wie bei einer Kerze oder eine mit Fett gefüllte Schale wie bei einem Talglicht. An einer Seite befand sich ein Rädchen aus Metall. Neugierig drehte ich es. Das Licht wurde heller, genau wie vorhin, als Mr. Farrington daran gedreht hatte. Nun konnte ich weitere Details im Raum erkennen. Die Muster an den Wänden zogen meinen Blick an, ich trat näher und fuhr mit einem Finger die feinen dunklen Linien nach, die sich über den sandfarbenen Untergrund schlängelten. Das Material fühlte sich ähnlich an wie die Vorhänge, die das Bett umgaben.

Die Tür öffnete sich, Henry Farrington kam mit der Kleidung zurück.

»Was sind das für Muster?«, fragte ich und tippte gegen die Wand.

»Man nennt es Tapete.«

»Tapete?«

Er stellte sich neben mich. »Das ist eine Wandverkleidung aus Seide.«

Seide kannte ich von den Kleidern, die manche der feinen Damen trugen, doch dass man mit einem solch teuren Material ganze Räume schmückte, wollte mir nicht in den Kopf. Mr. Farrington musste unsagbar reich sein.

»Wieso brennt die Lampe?«, fragte ich weiter. »Ohne Wachs.«

Er lachte erneut auf diese angenehm leise Art. »Sie sind außerordentlich neugierig, Miss Porter.«

»Ich habe so etwas noch nie gesehen.«

»Das ist eine Petroleumlampe.« Er legte die Kleidungsstücke, die er auf einem Arm trug, über eine Sessellehne, dann ging er zu der Leuchte. »In dem Behälter befindet sich Petroleum, das ist eine brennbare Flüssigkeit«, begann er und erklärte mir, wie die Lampe funktionierte. Anschließend deutete er auf die Kleidung. »Diese Sachen werden Ihnen hoffentlich passen. Sie sind von meiner Schwester.«

»Haben Sie nicht gesagt, Sie leben allein?«

Seine freundliche Miene verdüsterte sich. »Emily ist tot«, murmelte er.

Beinahe hätte ich ihn gefragt, was seiner Schwester und seiner Mutter widerfahren war, doch ich unterließ es. Dafür war jetzt keine Zeit. Ich musste Parris und seinen Hexenjägern entkommen, bevor sie erfuhren, wo ich mich aufhielt.

»Drehen Sie sich um«, verlangte ich.

»Sie können sich hinter dem Paravent umziehen.« Erneut legte er sich die Kleidungsstücke über den Arm, ergriff die Petroleumlampe und durchquerte den Raum.

Ich folgte ihm zu einer Stellwand, einem mit bemaltem Stoff bespannten Holzrahmen. Dahinter befanden sich ein Stuhl und ein an der Wand befestigtes Regal, auf dem er die Lampe abstellte. Dann ließ er mich allein.

Interessiert betrachtete ich die Kleidung näher. Das weiße ärmellose Teil reichte mir bis zu den Knien, ähnlich wie die Hirschlederkleider, die ich trug, nur war der Baumwollstoff sehr dünn. Glaubte er tatsächlich, ich würde so etwas anziehen? Hielt er mich für eine Wilde, die nicht wusste, was sich schickte? Ärgerlich wandte ich mich den anderen Sachen zu. Zwischen mehreren Unterröcken fand ich ein dunkelgrün- und blaugemustertes Kleid mit kurzen Ärmeln. Das genügte für meine Zwecke. Ich zog das Nachthemd aus, hob das Gewand hoch, schob mir den voluminösen Rock über den Kopf und wollte ihn herunterziehen. Innerhalb von Sekunden hatte ich mich vollständig in der Stofffülle verheddert.

»Man schlüpft in diese Art Kleidung nicht mit dem Kopf voran«, vernahm ich Henry Farringtons Stimme. Ein Hauch Belustigung schwang darin mit.

Fluchend riss ich das Kleid herunter, presste es gegen meinen Körper und schaute um den Paravent herum. »Beobachten Sie mich etwa?«, fauchte ich.

»Die Lampe.« Er schmunzelte. »Ich habe Ihren Schatten gesehen.«

Enttäuschung stieg in mir auf. Er war respektlos wie alle Weißen und amüsierte sich auf meine Kosten. »Bringen Sie mir meine Sachen, das ist keine Kleidung für mich.«

Er seufzte. »Wie ich Ihnen bereits erklärt habe, sind Ihre Sachen nass, Miss Porter. Sie müssen in Emilys Kleid hineinsteigen, die Knöpfe befinden sich auf der Rückseite. Ich helfe Ihnen beim Schließen, wenn Sie soweit sind.«

Ungeduldig wandte ich mich erneut dem Kleidungsstück zu und befolgte seine Anweisung, obwohl ich wenig Lust darauf verspürte, dass er mir beim Anziehen behilflich war. Doch ich hatte keine Zeit für Schamhaftigkeit, es gab Wichtigeres zu tun.

»Ich bin fertig«, sagte ich, nachdem ich den Stoff hochgezogen hatte und in die Ärmel geschlüpft war.

Henry Farrington kam zu mir. »Warum tragen Sie das Unterkleid nicht?«

»Das da?« Ich deutete auf das dünne Gewand, das zusammengeknüllt auf dem Stuhl lag.

»Ja. Man trägt es unter der Tageskleidung. Und ebenso die Unterröcke.«

Die Weißen lebten wirklich kompliziert. Jetzt im Sommer waren so viele Schichten Kleidung unnötig. »Beim nächsten Mal. Schließen Sie bitte die Knöpfe.«

Ich strich mein langes Haar nach vorn und hielt es vor der Brust zusammen. Seine Hände arbeiteten sich von meiner Taille bis zum Nacken hinauf, dabei streiften seine Finger mehrmals meine bloße Haut. Bei der zarten Berührung rieselte ein wohliges Kribbeln an meinem Rückgrat entlang. Dieses Gefühl war mir unbekannt und löste Verwirrung in mir aus.

»Ich bin fertig«, sagte er schließlich.

Seine Äußerung riss mich aus meinen Gedanken, rasch brachte ich etwas Abstand zwischen uns und sah an mir hinunter. Das Kleid passte mir nicht richtig, es spannte ein wenig über meinen Brüsten und der Rock endete oberhalb meiner Knöchel. Wie die meisten Angehörigen meines Stammes war auch ich hochgewachsen und größer als viele weiße Frauen. Wortlos schob ich mich an Henry Farrington vorbei und strebte auf die Zimmertür zu.

»Warten Sie, Miss, Sie haben die Schuhe vergessen«, rief er mir hinterher.

Ich winkte ab, öffnete die Tür und betrat einen Flur, dessen Wände und Decke mit rötlichem Wurzelholz verkleidet waren. Zwei Wandlampen erhellten den Gang und beleuchteten den Absatz der Eichenholztreppe, die in elegantem Schwung nach unten führte. Ich rannte hinab in die Eingangshalle. Durch die Buntglasfenster in der oberen Hälfte des zweiflügeligen Portals schimmerte das erste Morgenlicht und malte farbige Muster auf den Steinboden. Gern hätte ich mir das Haus näher angesehen, doch der Wunsch, endlich herauszufinden, was geschehen war, trieb mich vor die Tür.

Von der breiten Veranda ging es mehrere Stufen hinab zu einem mit Bruchsteinen gepflasterten Weg, der sich an dem Gebäude entlang zog und von gepflegten Rasenflächen gesäumt wurde. Mich interessierte jedoch nur der See. Ich lief darauf zu, genoss die feuchte Kühle des Grases an meinen Füßen und mir wurde bewusst, wie knapp ich dem Feuertod entkommen war. Pures Glück durchströmte mich, für einen Moment fühlte ich mich lebendiger denn je.

Am Ufer blieb ich stehen. Von hier aus konnte ich das Anwesen überblicken. Nie zuvor hatte ich etwas so Prachtvolles gesehen. Die weiße Fassade des Holzhauses strahlte im Morgenlicht, das sich in den hohen Fensterreihen fing. Über dem Erdgeschoss mit der umlaufenden Veranda erhoben sich zwei weitere Stockwerke, das Dach war mit grauem Schiefer gedeckt und ein Türmchen krönte das Ganze. Dunkelbraune Fensterläden sowie die Haustür in der gleichen Farbe hoben sich von dem weißen Anstrich ab. Nur wenige Yards vom Haus entfernt befand sich ein lang gezogenes Stallgebäude mit angrenzendem Paddock.

Henry Farrington stieg soeben die Verandatreppe herab. Das erinnerte mich daran, dass ich ins Freie gelaufen war, um nach meiner Hütte zu suchen. Erneut wandte ich mich dem See zu. Ich erkannte die kleine Sandbank, auf die ich mein Kanu zog, damit es nicht abgetrieben wurde. Das Kanu war verschwunden. Ob es die Hexenjäger gestohlen hatten? Ich rannte ein Stück am Ufer entlang, bis ich den Bachlauf erreichte, der in den See mündete. Dies war zweifellos das Gewässer, an dem ich lebte. Verwirrt drehte ich mich einmal um meine Achse. Dort, wo meine Hütte stehen müsste, erhob sich Farringtons Anwesen. Entweder bescherte mir die Kopfwunde diese Trugbilder oder ich war in die Glücklichen Jagdgründe eingegangen.

»Miss Porter.« Mr. Farrington hatte mich eingeholt, sein Blick war voller Besorgnis. »Sie sollten in Ihrem Zustand nicht so viel herumlaufen.«

»Mir geht es gut.«

»Sie sind verletzt.«

»Das ist nur eine Schramme.«

»Bitte tun Sie Ihren Unfall nicht leichtfertig ab. Sie waren die halbe Nacht bewusstlos.«

Momentan interessierte mich mein Befinden wenig. Wo war mein Ahornbaum? Ich kannte seinen Standplatz genau, fand ihn selbst in der dunkelsten Nachtstunde, aber an der Stelle wuchs nun eine Gruppe Weißbirken. Langsam näherte ich mich und legte meine Hand an einen der Stämme. Nichts geschah. Bisher hatte ich die solide Kraft der Bäume immer gespürt, ihre Energie hatte mich durchdrungen wie ihr Wurzelwerk das Erdreich. Enttäuscht lehnte ich mich dagegen und schloss die Augen.

Als ich sie wieder öffnete, fiel mein Blick auf einen großen Felsblock in der Nähe. Obwohl er von dichtem Efeu überwuchert war, erkannte ich die vertraute Form. Er sah genauso aus wie der Ritualstein, der auf dem Platz vor meiner Hütte stand. Mit einem Keuchen hastete ich darauf zu, sank davor auf die Knie und riss an den Efeuranken, bis ich das Gestein an einer Stelle freigelegt hatte. Die eingeritzten Stammessymbole waren mir nur zu bekannt.

Angsterfüllt sprang ich auf und wich mehrere Schritte zurück. Das war verkehrt. Alles war verkehrt! Wie kam dieser Stein hierher? Oder - besser gesagt - wie kam Henry Farringtons Haus an meinen See? Verwirrung und Verzweiflung mischten sich mit meiner Panik, nach Atem ringend stützte ich mich am Stamm einer Birke ab. Schlagartig kam Sturm auf, von einem Tosen begleitet, das sämtliche Geräusche übertönte. Eisige Böen peitschten durch die Äste und Zweige, gelbes Laub rieselte zu Boden. Mit letzter Kraft taumelte ich weg von dem Baum. Schwindel erfasste mich und stürzte mich in einen dunklen Strudel.

Kapitel 2

HENRY

Schockiert starrte ich auf Taimah Porter, die ohnmächtig zusammengebrochen war. Als sie wie eine Besessene an dem Efeu gezerrt hatte, wollte ich zu ihr gehen und sie davon abhalten, doch auf einmal war sie mit schreckverzerrter Miene aufgesprungen. Im selben Moment war ein Sturm aufgekommen, der die uralten Birken bog wie junge Bäumchen. Die grünen Blätter verfärbten sich in Sekundenschnelle, lösten sich von den Zweigen und wirbelten um Miss Porter herum. Sie stand inmitten dieses Strudels, das Gesicht dem Himmel zugewandt, ihr hüftlanges Haar tanzte wie schwarze Schleier um ihren Körper. In dem Augenblick, als sie das Bewusstsein verlor, legte sich der Wind, die Blätter schwebten zur Erde und bedeckten das Gras mit einer goldgelben Decke. Schlagartig erwärmte sich die kalte Luft wieder.

Ich rannte zu ihr, kniete mich neben sie und drehte sie vorsichtig auf die Seite. Der Verband hatte sich gelöst und die Kopfwunde blutete. Während ich noch zögerte, ob ich sie ins Haus tragen sollte oder besser nicht bewegte, kam sie zu sich.

Langsam setzte sie sich auf, strich ihr wirres Haar glatt und sah sich um.

»Herbstblätter«, murmelte sie, nahm eines der gelben Birkenblätter in die Hand und lächelte.

Ihr seltsames Verhalten ergab für mich keinen Sinn, daher schob ich es auf die Kopfverletzung.

»Können Sie aufstehen?«, fragte ich.

Miss Porter erhob sich geschmeidig, ehe ich ihr behilflich sein konnte. Blut lief über ihre Stirn, doch sie schien es nicht zu bemerken. Ich holte mein Taschentuch heraus und reichte es ihr. Irritiert sah sie mich an.

»Die Wunde blutet wieder.«

»Ach so. Danke.« Sie nahm das Tuch und drückte es dagegen.

Erneut ging sie zu dem Stein, blieb davor stehen und starrte ihn an. Ich trat neben sie, um zu sehen, was sie derart fesselte. Der mannshohe Felsblock hatte mich nie zuvor interessiert. Mein Vater wollte auf dem Gelände eine Pferdezucht aufbauen und hatte das Anwesen wegen der saftigen Weideflächen und der Nähe zum See gekauft. Doch leider war es ihm nicht mehr vergönnt gewesen, seinen Lebenstraum zu verwirklichen. Tiefe Trauer erfüllte mich, wie jedes Mal, wenn ich an ihn, meine Mutter oder Emily dachte. Zusammen mit der Trauer stellte sich wie immer ein Schuldgefühl ein. Wieso hatte ich das Unglück überlebt? Ich hätte an ihrer Stelle sein sollen.

Schnell verdrängte ich diese Gedanken und konzentrierte mich auf die junge Frau an meiner Seite. In ihrem schimmernden Haar hing ein Birkenblatt. Ich griff danach und zog es heraus. Bei meiner Berührung fuhr sie herum, ihre rechte Hand legte sich an ihre Hüfte, als würde sie nach einer Waffe fassen wollen. Mir fiel das Messer ein, das sie bei sich trug, als ich sie in der Nacht gefunden hatte.

»Ich wollte Sie nicht erschrecken, bitte entschuldigen Sie.« Als Beweis für meine redlichen Absichten hob ich das Blatt hoch, das ich zwischen zwei Fingern hielt.

Sie nahm es mir mit einer bedächtigen Bewegung aus der Hand und betrachtete es.

»Erstaunlich, wie schnell es sich verfärbt hat«, sagte ich. »Vor wenigen Minuten waren alle Blätter noch grün.« Die eisige Sturmböe musste dieses Phänomen ausgelöst haben. Es war die einzig logische Erklärung.

Miss Porter ignorierte meine Äußerung, beugte sich vor und berührte den Felsblock. Erst jetzt bemerkte ich die Steinritzungen darauf. Während meines Studiums hatte ich in der Universitätsbibliothek Bücher mit Zeichnungen von Höhlenmalereien gesehen, die diesen Motiven ähnelten. Neugierig näherte ich mich und beobachtete, wie Taimah Porter mit einem Finger die Konturen eines spiralförmigen Motivs nachfuhr.

»Wie ist der Ritualstein hierhergekommen?«, murmelte sie.

Ich zuckte mit den Schultern. Diese Frau und ihre Fragen gaben mir ständig neue Rätsel auf. »Was meinen Sie mit hierhergekommen? Der Stein stand bereits an dem Platz, als meine Familie das Anwesen gekauft hat.«

»Dann trügt mich meine Erinnerung nicht. Der Stein, der See, der Wald, alles ist, wie es immer war, nur dieses Haus gehört hier nicht her.« Taimah Porter nahm den Blick von meinem Zuhause und sah mich an. »Wo ist meine Hütte?«

Ich unterdrückte ein Kopfschütteln. Gewiss lag es an der Kopfwunde, dass sie so durcheinander war. »Bitte gehen Sie zurück in Ihr Zimmer, Miss«, sagte ich in bestimmtem Ton. »Sie brauchen Ruhe. Die Wunde scheint doch ernster zu sein, als ich zuerst dachte. Sobald meine Haushälterin eintrifft, werde ich nach dem Arzt schicken.«

Erneut ignorierte sie meine Worte, stattdessen ging sie zum See, hob den Rock ihres Kleides hoch und watete in das Gewässer. Mir verschlug es vor Schreck den Atem. Sollte sie ausrutschen oder ein weiteres Mal das Bewusstsein verlieren, würde ich ihr nicht helfen können.

»Kommen Sie sofort da raus, Miss Porter!«, rief ich und verfluchte den angsterfüllten Klang in meiner Stimme.

Taimah Porter schöpfte eine Handvoll Wasser und tauchte ihre Zungenspitze hinein.

»Das ist mein See«, hörte ich sie laut und deutlich sagen.

Ich schüttelte den Kopf, weil mich ihre Bemerkung ebenso irritierte wie ihr seltsames Benehmen.

---ENDE DER LESEPROBE---


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