Stressfrei Segeln - Duncan Wells - E-Book

Stressfrei Segeln E-Book

Duncan Wells

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Beschreibung

Auf einem Segelboot gibt es jede Menge zu tun. Was auf einer großen Yacht mit viel Personal auf mehrere Hände verteilt werden kann, muss von einer kleinen Besatzung alles selbst erledigt werden. Deshalb ist es wichtig, alle Manöver möglichst effektiv und ohne großen Kraftaufwand durchzuführen. Dieses Buch zeigt Ihnen, wie Sie die wichtigsten Manöver für Fahrtensegler auch mit kleiner Crew oder Einhand bewältigen können. Autor Duncan Wells, Segelausbilder bei der Royal Yachting Association und Inhaber einer Segelschule, erklärt Ihnen Schritt für Schritt anhand zahlreicher Fotos, Illustrationen und 21 per QR-Code oder Web-URL erreichbarer Videos, wie Sie sowohl als Bootseigner als auch als Charterer Ihr Schiff jederzeit bei den unterschiedlichsten Wind- und Strömungsverhältnissen sicher im Griff haben. So vermeiden Sie Unfälle und Ärger an Bord und können den Segleralltag an Bord künftig viel entspannter genießen!

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Seitenzahl: 225

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Duncan Wells

StressfreiSegeln

Perfekte Manöver für Einhandsegler und kleine Crews

Für Sally, Katie und Ellie

© Duncan Wells 2015, originally published by Bloomsbury Publishing UKDie englische Originalausgabe mit dem Titel »Stress-Free Sailing« erschien bei Bloomsbury Publishing Plc, London.

6., überarbeitete Auflage 2022

Die Rechte für die deutsche Ausgabe liegen beim Verlag Delius Klasing & Co. KG, Bielefeld

Folgende Ausgaben dieses Werkes sind verfügbar:

ISBN 978-3-667-11818-9 (Print)

ISBN 978-3-667-12261-2 (Epub)

Aus dem Englischen von Egmont M. Friedl

Lektorat: Felix Wagner

Titelfoto: Klaus Andrews

Fotos: Alle Fotos stammen von Duncan Wells, sofern nicht anders angegeben.

Umschlaggestaltung: Gabriele Engel

Layout: Susan McIntyre

Satz: Bernd Pettke · Digitale Dienste, Bielefeld

Datenkonvertierung E-Book: Bookwire - Gesellschaft zum Vertrieb digitaler Medien mbH

Die in diesem Buch enthaltenen Angaben, Erläuterungen und Empfehlungen sind vom Autor mit größter Sorgfalt zusammengestellt und geprüft worden. Eine Garantie für die Richtigkeit der Angaben kann aber nicht gegeben werden. Autor und Verlag übernehmen keinerlei Haftung für Schäden und Unfälle.

Alle Rechte vorbehalten! Ohne ausdrückliche Erlaubnis des Verlages darf das Werk weder komplett noch teilweise vervielfältigt oder an Dritte weitergegeben werden.

www.delius-klasing.de

Inhalt

Danksagung

Vorwort

1Wie und warum

Warum jeder Segler Einhand-Techniken beherrschen sollte

Die Yachten für die Praxistests

2Ordnung und Fertigkeiten

Tauwerk

Belegen

Vertäuen

Knoten

Bootshaken

Eine Klampe teilen

Lange Landleinen

Seglers Schuhwerk

Sauberkeit an allen Orten

Fachbegriffe

3Den eigenen Liegeplatz einrichten

Festmacher

Vorwärts oder rückwärts

4Von einem Liegeplatz ablegen

Wind und Tidenstrom

Radeffekt

Einsatz der Fender

Plan B

Strömung an Rumpf und Ruder

Rückwärts aus der Box

Vorwärts aus der Box

Bug oder Heck mit der Spring abdrücken

Zusammenfassung

5An einem Liegeplatz anlegen

Die Ansteuerung

Dwars laufen

Bug voraus anlegen

Heck voraus anlegen

Bug voraus, erschwerte Bedingungen

Heck voraus, erschwerte Bedingungen

Kurzer Fingersteg

Keine Klampen, nur Ringe und Bügel am Steg?

Box mit Dalben

Im Päckchen

Römisch-katholisch anlegen

Kurze Fingerstege und Bügel oder Ringe statt Klampen

6Segeln, beidrehen und reffen

Segeltrimm und Handling

Im Kreis segeln

Beidrehen

Reffen

7An einer Boje an- und ablegen

Die kontrollierte Ansteuerung

Boje mit fester Belegleine und Schwimmer

Boje ohne Belegleine

8Ankern

Markierungen an Kette und Trosse

Die wichtigsten Tipps für sicheres Ankern

Einen Warpanker einsetzen

Bahama-Muring

Landfeste ausbringen

Anker am Strand ausbringen

Anker unklar?

9Wetterkunde

Warm- und Kaltfront

Wind an Land und auf See

10Schwerwettersegeln

Die richtigen Segel

Segeldruckpunkt nach innen bringen

Segelbalance

Luvgierigkeit

Sturmklar an und unter Deck

Sturm

Wann beidrehen?

11Navigation

Messungen mit Körpereinsatz

Entfernungen

Gezeitenstrom ausnutzen

Mondphasen

Navigation mit dem Tablet

12Mensch-über-Bord-Manöver

Zurück zum MOB

Notruf absetzen

Mensch-über-Bord-Manöver üben

Auskühlung und Gefahr in kaltem Wasser

Bewusstloser MOB

Bergesysteme

Verhaltensregeln für einen nicht ohnmächtigen MOB

Epilog

Stichwortverzeichnis

Steuerbord-Fahrwassertonne in der Morgensonne

Danksagung

Allen voran möchte ich Duncan Kent danken, ohne den es dieses Buch nicht gäbe. Vor einigen Jahren hatten meine Anfragen bei den britischen Segelmagazinen nicht gerade Stürme der Begeisterung ausgelöst, doch Duncan war es, der als Chefredakteur von Sailing Today schließlich einwilligte: »Okay, ich gebe dir jeden Monat zwei Seiten, um über Seemannschaft und Manöver zu schreiben.« Er war es auch, der mich bei einem Treffen der Yachtjournalisten in Trinity House Janet Murphy von Bloomsbury Publishing vorstellte.

Erst wollte ich Janet zu einer Veröffentlichung von »Just a Sharp Scratch« bewegen, meinem Bericht wie mir eine defekte Notsignalrakete fast das Leben kostete, als sie in meinen Bauch schoss und wie ich den Vorfall, sehr zum Verwundern der Ärzte, überlebte. Dieses Projekt bleibt noch in der Warteschleife, denn Janet war mehr an meinen Artikeln über Techniken für kleine Crews und Einhandsegler interessiert, die mittlerweile in Yachting Monthly erschienen, und gab mir den Auftrag zu dem nun vorliegenden Buch.

Mein Dank geht auch an John Goode, der für mich Vorträge auf der Londoner Bootsmesse arrangierte ebenso wie an die liebenswerte Jenny Clark bei Bloomsbury, die meine Texte präzise und einfühlsam überarbeitet und eindeutig verbessert hat. Es wundert mich nur, dass sie mir diesen Satz nicht gestrichen hat.

Dank auch an all die anderen, die eingesprungen sind und geholfen haben – die Unterstützung zu diesem Buch war einfach fantastisch. Welche Manöver ich mit DOROTHY LEE auch ausprobierte, viele fragten nach, machten mit, halfen aus. Ihnen allen bin ich für immer dankbar.

So danke ich:

•Barrie Neilson von Sailing Holidays, den ich um Aufnahmen bat, wie im Mittelmeer angelegt wird. Er sagte nur: »Komm doch mit uns, wenn wir im Mai nach Korfu segeln, und wir machen alles klar für die Aufnahmen, die du brauchst.« – Fantastisch!

•Clinton Lyon von der Gillingham Marina, der mich überall herumführte, um Liegeplätze zu fotografieren. Dank an Peter und Christine von der MANDURAH, ebenso wie an David und Ros von der DEMON OF ARUN, die mich ihre Anlegetechniken in der Box fotografieren ließen.

•Universal Marina, wo man all meinen Wünschen nachkam, das ein oder andere an langen Schwimmstegen und Liegeplätzen auszuprobieren.

•Justin Hill von der Universal Marina

•Marina Chantereyne in Cherbourg

•Alan Barwell für den Austausch über Knotenkunde, besonders über den Prusik-Knoten, der mich wiederum den Klemheist-Knoten entdecken ließ.

•John Lewis Partnership Sailing Club, an dessen Yachten ich mit meinem Boot selbst in prekären Winkeln festmachen durfte.

•Allen Eignern, die mich zum Segeln mitnahmen oder deren Boote ich zur Erprobung mit unterschiedlichst angeordneten Festmachern schmücken durfte:

Victor und Pat von der LAYLA ANN,

David von der ELINOR,

Sue und Matthew von der SOUTHERN CROSS,

Ken und Barbara von der CAPRICORN,

und ganz besonders Giles und Pauline von der QUINT-ESSENCE und ihrer Segelschule Ocean Adventures für die großartige Unterstützung.

•Alex Whitworth, der mich immer auf der rechten Bahn hält.

•Allen Freunden, die mit mir gekommen sind, Kameras gehalten oder ausgelöst haben und mit Rat und Tat zur Seite standen: Robert Chippett, Tony Hutson, Vladimir Chorbadzchiev, Richard Strange, Jan Bek, Jonathan Otter, Steve Barber, Jar Vahey, Andrew Rogers und Keith Bater. Nicht zu vergessen Andy Hobbs, der sein RIB zu Verfügung stellte und uns gelegentlich mit dem eindruckvollsten Foto-Boot der Welt begleitete, einer 23 Meter langen Princess. Die Fotos von der Flybridge aus sind so gut wie Luftaufnahmen!

•Steve Dunning, Derek Manning, Rick Buettner und Lesley France für ihre Hilfe bei den Fotoaufnahmen.

•Richard Glen für seine wertvollen Hinweise zum Bergen eines Spinnakers.

Schließlich danke ich meiner Familie, die mir die Zeit gönnt, in See zu stechen und all diese Erfahrungen zu machen.

Klassische Yawl mit Gaffelrigg – einhand gesegelt

Vorwort

Dieses Buch ist anders. Nicht nur, weil völlig neue Einhand-Techniken zum An- und Ablegen selbst an kurzen, wackeligen Fingerstegen, in der Box sowie an der Boje gezeigt werden, sondern weil es auch die MOB Lifesavers von Duncan Wells (www.moblifesavers.com) vorstellt, mit denen ein Über-Bord-Gefallener zurück an Deck geholt werden kann und viele dieser Techniken sogar als Video gezeigt werden. Darauf verweisen an vielen Stellen im Buch das Symbol und der Satz: Scannen Sie diesen QR-Code, um ein Video zu sehen. Mit einem Smartphone oder Tablet und einer kostenlosen QR-App kann der Code eingescannt und das Video sofort gestartet werden. Alternativ können die Videos auch auf der Website www.delius-klasing.de/stressfrei-segeln aufgerufen werden.

Kurz zu mir selbst: Ich bin 65 Jahre alt und habe immer noch nicht herausgefunden, was ich einmal werden möchte. Ich fing in der Werbung an, arbeitete dann 35 Jahre lang als Synchronsprecher. In Jugendzeiten hatten wir eine Jolle, die zweimal im Jahr gesegelt wurde, ich lernte windsurfen, Freunde hatten ein sechs Meter langes Motorboot, mit dem wir auf Flüssen und dem Meer rund um Salcombe unterwegs waren. Ich hatte immer geschworen, eines Tages eine Princess Motoryacht zu kaufen, tat das nach vielen Jahren auch und führte die Familie so an den Yachtsport heran.

Als Teenager hing ich zur Genüge an der Luvkante der ein oder anderen Regattayacht, wurde mit Schokoriegeln bei Laune gehalten und konnte beobachten, wie der Skipper und seine Crew aus Experten oft genug unter Spinnaker in den Wind schossen, bis dieser zerriss. Das freute uns Neulinge immer besonders, denn damit war es vorbei mit den nervigen Sonnenschüssen.

Bevor ich mit der eigenen Familie in See stach, legte ich die Prüfung zum Day Skipper ab. Die Begeisterung für das Motorboot hielt sich jedoch in Grenzen, also tauschte ich es gegen eine Segelyacht ein, ließ einige Meilen im Kielwasser zurück und machte die Ausbildung zum Yachtmaster. Später wurde ich selbst Ausbilder bei der RYA und gründete meine eigene Segelschule, Westview Sailing. Ich sage oft, dass ich nur deshalb Ausbilder geworden bin, weil ich viel zu viel vom Stoff vergessen würde, wenn mich das Unterrichten nicht bei der Stange hielte.

Bei Filmaufnahmen im April 2006 schoss mir eine defekte Signalrakete durch den Bauch. Eigentlich wollte ich den korrekten Umgang mit Notsignalen demonstrieren – neun Monate im Krankenhaus waren die Folge. Der Signalkörper schoss auch durch meine rechte Hand, die aber wunderbar geflickt werden konnte. Wer mich heute sieht, merkt nichts Ungewöhnliches mehr – von meinem extremen Übergewicht einmal abgesehen. Der eigene Körper und die britische Krankenversicherung vermögen es, Wunder zu vollbringen.

Nun aber hoffe ich, dass Sie diesem Buch viel Nützliches entnehmen können. Ich selbst verwende die gezeigten Techniken jedesmal, wenn ich segeln gehe, freue mich aber auch über Verbesserungsvorschläge und Anregungen.

Duncan Wells

1

Wie und warum

Kein Meister ist je vom Himmel gefallen, und so finde ich es tröstlich in Segeln über sieben Meere von Eric Hiscock zu lesen: »Dass ich mein Boot an einem Mittwoch gekauft habe, an einem Donnerstag losgesegelt bin und am Freitag Schiffbruch erlitten habe, ist traurig, aber leider wahr.« Selbst Joshua Slocum schrammte an einen anderen, als er seine SPRAY aus dem Hafen steuerte, um zu einer dreijährigen Weltumsegelung aufzubrechen. Auch unsere Helden mussten aus Fehlern lernen, genau wie wir.

Ich habe kein Salzwasser im Blut, ebenso wenig verfüge ich über Unsummen an Geld. Folglich musste ich bei meinen Booten immer Vorsicht walten lassen und das, was ich anschaffte, habe ich versucht pfleglich zu behandeln. Viele Bücher der Blauwassersegler geben wertvolle Tipps, welche Ausrüstung sich bewährt hat, was man benötigt und was nicht. So sind die Bücher von Lin und Larry Pardey von unschätzbarem Wert, genauso wie auch Annie Hills Mit kleinem Geld auf große Fahrt. Ich ziehe oft Eric Hiscocks Segeln in Küstengewässern zurate, doch wer vom großen Ausstieg träumt, sollte unbedingt Bill und Laurel Coopers Sell up and Sail lesen. Besonders gefällt mir, was Lin und Larry Pardey angehenden Blauwasserseglern ans Herz legen: »Go small, go simple, go now.« – »Besser klein, besser einfach, besser nicht lange warten.«

Allerdings sollte man nie von vornherein groß ausposaunen, dass man um die Welt segeln oder auf großen Törn gehen wird, es sei denn, man hat beim OSTAR-Rennen gemeldet oder bei einer entsprechenden Regatta als Crew angeheuert. Wer da draußen plötzlich zur Einsicht gelangt, doch lieber auf festem Boden zu bleiben, steht sonst schnell etwas dämlich da. Auf Anhieb fällt mir ein halbes Dutzend Boote ein, das auf große Fahrt gehen wollten, aber immer noch fest vertäut im Hamble ruht. Weltumsegler und Mittelmeerträumer, die ihren Aufbruch immer weiter in die Zukunft verschieben. Wer also um die Welt möchte, sollte erzählen, bis Lissabon zu segeln und kann dann immer noch entscheiden. Ein einigermaßen entferntes Ziel sollte man angeben, denn weranderen erzählt, nur eine Runde um die Bojen zu drehen, bekommt schnell die Rettungskräfte hinterhergeschickt, wenn er zum Fünf-Uhr-Tee nicht zurück ist. Doch greifen wir nicht zu weit vor.

Ich weiß, dass ich den erfahrenen Seglern unter Ihnen nichts grundsätzlich Neues präsentieren werde, vielleicht werde ich aber Vergessenes auffrischen und neue Aspekte ins Blickfeld rücken. Dem Neuling hoffe ich wertvolle Tipps an die Hand zu geben, um die Zeit auf dem Wasser noch angenehmer zu gestalten. Ich gehe davon aus, dass wir alle das Segeln an sich beherrschen und konzentriere mich auf die Techniken und Vorrichtungen, die dabei helfen können, Stresssituationen an Bord zu vermeiden. Auf alle Fragen weiß auch ich keine Antwort, und sicher führen immer mehrere Wege zum Ziel. Ich kann nur versichern, dass ich alles hier Gezeigte selbst ausprobiert habe und es sich für mich bewährt hat.

Zu meinen Schülern pflegte ich immer zu sagen, Segeln ist nichts anderes als von einer potenziellen Katastrophe in die nächste zu schlingern. Was wir vermeiden müssen, ist der Stress bei der ganzen Sache. Mittlerweile sage ich, Segeln kann uns vor eine mögliche Katastrophe nach der nächsten stellen, doch je erfahrener wir werden und je seemännischer unsere Herangehensweise wird, umso geringer wird die Wahrscheinlichkeit, dass wirklich etwas passiert. In diesem Sinne wollen wir beginnen.

Warum jeder Segler Einhand-Techniken beherrschen sollte

Jedem, der sich ernsthaft dem Segeln verschrieben hat, rate ich Einhand-Praktiken zu üben, denn so sicher, wie das Amen in der Kirche ist, wird man sich eines Tages allein an Bord befinden. Das kann gleich zu Anfang sein, nachdem man die gesamte Familie vergrault hat oder erst später, wenn auch der letzte Angehörige beginnt, Entschuldigungen vorzuschieben. Was hilft uns also, mehr Vertrauen im Umgang mit dem eigenen Boot zu erlangen? Nicht zu vergessen, dass das Gute an mehr Kompetenz und Vertrauen auch ist, dass es die Crew bestärkt und wir sie vielleicht dazu bringen können, länger mit uns zu segeln oder zumindest so lange, bis andere Dinge für sie wichtiger werden. Als Vater von zwei Töchtern kann ich nur sagen, dass der entscheidende Tag derjenige war, an dem ich ein Paar ungewohnt große Turnschuhe vor der Tür entdeckte. Dagegen kann Segeln kaum ankommen. Natürlich war nicht auszuschließen, dass man die ungewohnt großen Turnschuhe eines Tages mit an Bord einladen würde, doch von großem Erfolg war das nie gekrönt. Meine Tochter war ausschließlich damit beschäftigt, ihren Freundinnen zu simsen, wie cool ihr Mr. Turnschuh war. Der sonnte sich unterdessen untätig wie ein Sack Stroh in Bewunderung – als Crew unbrauchbar, alle beide.

Bestes Beispiel

Dieser Mann hat seine Familie eingeladen, ein Wochenende mit ihm auf einem Charterboot zu verbringen. Zuvor hat er einen neun Tage währenden Intensivkurs mit praktischem und theoretischem Teil zum Day Skipper absolviert. Hier steht er also und sagt uns, dass wir ihm unser Leben draußen auf See anvertrauen können.

Dieses Selbstvertrauen rührt von den fünf Tagen praktischer Ausbildung her, an der noch vier weitere einsatzwillige Kandidaten teilnahmen und von einem Ausbilder, der einem stets sagte, was zu tun sei. Daraufhin will der frischgebackene Skipper mit seiner eigenen Dreier-Crew los – seiner Frau und zwei Kindern. Die wissen allesamt überhaupt nicht, wie ihnen geschieht, und jetzt ist kein Ausbilder mehr an seiner Seite.

Das Ergebnis ist eine halb zu Tode erschreckte Crew, die wahrscheinlich das letzte Mal an Bord war. Oft sehe ich Stegnachbarn ganz allein in meinen Heimathafen einlaufen. »Heute ohne Anhang?« frage ich dann. »Ja, weißt du, letztes Mal war’s doch etwas stressig, das kam nicht so gut bei ihr an«, höre ich nur allzu oft.

Ich möchte darauf hinweisen, dass eine ordentliche Segelausbildung von unschätzbarem Wert ist. Jeder sollte so beginnen. Auch ich habe so angefangen, erst den Theoriekurs für den RYA-Day Skipper, dann den praktischen Teil und immer so weiter bis zum Yachtmaster.

Nur wer allein zurechtkommen kann, muss sich nicht sorgen. Einhandsegeln bedeutet autark zu sein, das Boot in jeder Situation zu beherrschen, ohne sich dabei auf die Hilfe anderer verlassen zu müssen. Wie viel leichter und angenehmer wird es dann erst, andere mit einzubeziehen, denn Einhand-Techniken zu beherrschen, bedeutet nicht unbedingt, allein an Bord zu sein. Es erlaubt aber, dass sich der Partner um die Kinder unter Deck kümmern kann, ein Essen zubereiten kann, dass wir allein klarkommen, wenn die Crew seekrank ist oder sich nach großer Anstrengung ausruhen möchte.

Welches Manöver kommt einem als erstes in den Sinn? Richtig, das An- und Ablegen. Hier starten wir mit unseren Einhand-Techniken. Diese Manöver finden natürlich immer unter allgemeiner Beobachtung statt, denn selbst wenn die Marina völlig verwaist erscheint, so muss nur irgendetwas schiefgehen und ringsum tauchen Köpfe aus Niedergängen auf, Fender werden eiligst klargemacht, um das eigene Boot vor der um sich greifenden Gefahr zu bewahren, zu der Sie selbst geworden sind.

Als erstes gilt: Nicht laut werden, niemanden anschreien, nicht unnötig Vollgas oder wie wild Bugstrahlruder geben. Auch »Liebling« mit gereitztem Unterton zu rufen, hilft jetzt nicht mehr. Wer plötzlich Bordwand an Bordwand an seinem Nachbarn liegt, sollte beide Boote mit einer kurzen Leine mittschiffs verbinden, damit der Tidenstrom das eigene Boot nicht weiter abtreiben lässt und so tun, als wäre alles in bester Ordnung und als hätte man absolute Kontrolle.

Das klappt nicht immer: Spätestens wenn durch das ungewollte Aufbrummen längsseits am Nachbarboot die Drinks vom Tisch kippen, wird es schwierig. Mit kühlem Kopf meistert man haarige Situationen jedoch am ehesten.

Wenn es bei mir mal nicht so klappt, wie es sollte, dann steige ich immer mit einer Leine in der einen und der Kamera in der anderen Hand vom Boot und beginne eifrig Aufnahmen zu machen. Abgesehen davon, dass ich sie vielleicht für einen künftigen Artikel verwenden kann, sieht es dann nämlich so aus, als ob mein Boot in voller Absicht so verquer an meinem Nachbarn festgemacht ist. Ich lasse mir eben nicht gern etwas anmerken. Je professioneller die Kamera aussieht, umso besser – und falls Mitsegler an Bord sind, können sie gleich als Statisten posieren. Dann treidele ich das Boot mit den Festmachern zurück an seinen richtigen Platz. Führen Sie dabei die Leine immer erst unter einer Klampe herum, um richtig dichtholen zu können, wenn Sie etwas Schweres wie ein Boot verholen wollen und es möglichst mühelos aussehen soll.

Von Techniken für kleine Crews oder Einhandsegler zu sprechen, kann etwas verwirrend sein. Einhand bedeutet, dass nur eine Person an Bord ist; bei einer kleinen Crew ist mindestens noch jemand an Bord, der wiederum zwei Hände haben sollte. Ein Paar Hände zusätzlich macht einen gewaltigen Unterschied. Zunächst werde ich reine Einhand-Techniken zeigen. Hat man die gemeistert, sind entsprechende Situationen zu zweit schon wesentlich einfacher, eigentlich sind sie dann nur noch ein Kinderspiel.

Ob allein oder mit kleiner Crew: Wir müssen sorgfältig planen, richtig vorbereitet sein und voraussehen können, was passieren wird. Beim Planen legen wir lediglich fest, was wir machen wollen. Die richtige Vorbereitung ist entscheidend. Bereiten Sie für einen reibungslosen Ablauf alles bis ins kleinste Detail vor. Wenn bei mir etwas nicht klappt, liegt es immer an mangelnder Vorbereitung. Abläufe im Vorhinein erkennen zu können ergibt sich zum einen aus guter Vorbereitung – man hat sich vorbereitet und alles gut durchgedacht –, zum anderen stellt sich diese Fähigkeit mit zunehmender Erfahrung ein.

Die Yachten für die Praxistests

Ich habe einige sehr unterschiedliche Boote für die Tests verwendet und die gezeigten Techniken bei verschiedenstem Wind und Tidenstrom auf allen getestet. Selbst wenn Ihr Boot andere Eigenschaften aufweist und sich die äußeren Bedingungen unterscheiden, glaube ich, dass die Techniken für Sie funktionieren werden. Und sollten sie eins zu eins angewendet nicht gleich perfekt klappen, rate ich dazu, mit kleinen Änderungen zu experimentieren und die Technik noch zu verfeinern. Zumindest hoffe ich, dass genügend Anregungen entstehen.

Als Beispiel für eine moderne Yacht diente uns eine neue Dufour 375 namens LAYLA ANN. Sie hat eine geringe Verdrängung und einen sehr hohen Freibord. Man steigt tief hinunter bis auf den Steg. Zurück an Bord zu kommen, kann bei dieser Höhe bereits schwerfallen – ein Fendertritt wäre hier empfehlenswert. Nach meinen Regeln wird grundsätzlich nicht von Bord gesprungen und bestimmt nicht von LAYLA ANN. Am anderen Ende der Skala haben wir die Techniken auf einigen traditionellen Langkielern getestet.

Diese Yachten kamen zum Einsatz:

•LAYLA ANN, Dufour 375: Kielbombe, Saildrive, Balanceruder, Freibord 120 cm

•DOROTHY LEE, Hallberg Rassy 352: gemäßigter Finnkiel, Wellenanlage, Ruder am Skeg, Freibord 110 cm, hohe Verdrängung

•QUINTESSENCE, Bavaria 42: gemäßigter Flügelkiel, Wellenanlage, Balanceruder, Freibord 120 cm

•CAPRICORN, Beneteau 321: gemäßigter Tiefgang, Finnkiel mit Ballastbombe, Wellenanlage, Balanceruder, Freibord 110 cm

•ELINOR, Contessa 26: Langkiel, Freibord 60 cm

•SOUTHERN CROSS, Rustler 36: Langkiel, Freibord 80 cm

Vier der Testboote: SOUTHERN CROSS, ELINOR, LAYLA ANN, QUINTESSENCE (im Uhrzeigersinn von oben links)

2

Ordnung und Fertigkeiten

Wer eine Yacht allein oder mit kleiner Crew beherrschen möchte, muss über eine Vielzahl von Kenntnissen und Fähigkeiten verfügen, um das Bordleben zu vereinfachen. Dabei sind oft die schnellsten und effektivsten Methoden gefragt, um eine bestimmte Aufgabe zu bewältigen. Beginnen möchte ich mit den grundlegenden Fertigkeiten, die man benötigt. Richtiger Umgang mit Tauwerk ist an Bord immer wichtig.

Tauwerk

Auf Segelbooten gibt es jede Menge Tauwerk. Mit Schoten und Fallen bedient man die Segel, mit anderen Leinen macht man das Boot fest. Welche Arten von Tauwerk gibt es, was setzt man wofür ein, und wie unterscheiden sich diese?

Pflege von Tauwerk

Grundsätzlich sollte Tauwerk vor UV-Strahlung geschützt aufbewahrt werden. Meine Fockschoten aus geflochtenem Polyester hängen allerdings das ganze Jahr über am Bugkorb. Obwohl sie das schon seit zehn Jahren tun, scheinen sie immer noch in gutem Zustand zu sein. Sie sind sehr UV-resistent, wie auch aus der Tabelle ersichtlich ist. Polypropylen bleicht dagegen in der Sonne schnell aus und wird spröde. Das laufende Gut ist natürlich immer der Sonne ausgesetzt, ohne dass man etwas dagegen tun kann, außer es regelmäßig auf Abnutzung und Abrieb zu überprüfen.

Festmacher

Früher hieß es immer, Festmacher sollten aus Polyamid (Nylon) sein, weil es mehr Reck hat. Doch das ist nicht wirklich nötig, und Polyester ist viel widerstandsfähiger. Aus diesem Grund sind auch die mit einem Augspleiß fertig konfektionierten Festmacher meist aus Polyester. Neuerdings werden geflochtene Festmacher, die eine größere Elastizität bieten, mit einem Kern aus Polyester und einem lose geflochtenen Mantel aus Polyester angeboten.

1Geflochtene Leine aus Polyester speziell für Festmacher: viel Reck und sehr abriebfest

2Dreischäftig geschlagene Leine aus Polyester für Festmacher

3Geflochtene Leine aus Polyester für Fallen und Schoten

4Doppelt geflochtene Leine aus Polyester für Fallen und Schoten

5Quadratgeflochtene Leine aus Polyamid für Ankertrossen

6Geflochtene Leine aus Polypropylen für Sport- und Sicherheitsausrüstung

7Geschlagene Leine aus Polypropylen, das wie Hanf aussieht

8Einfach geflochtene Leine aus Dyneema für Fallen und Schoten

9Doppelt geflochtene Leine mit einem Kern aus Dyneema und einem Mantel aus Polyester für Fallen und Schoten

Moderne Polyesterleinen liegen gut in der Hand, kinken allerdings leicht. Ein schöner Anblick sind sie aber allemal.

Aufschießen und AufhängenNasse Leinen trocknen schneller, wenn man sie aufhängt.

Hier hat sich jemand eine praktische Vorrichtung zum Aufhängen der Leinen in der Backskiste geschaffen. Auf diese Art kann das Wasser aus den Leinen abtropfen und sich in der Bilge sammeln. Außerdem ist diese Methode viel ordentlicher, als die Leinenbunde übereinander zu stapeln.

Tauwerk reinigen

In Nordeuropa regnet es zum Glück häufig genug, damit das Salz regelmäßig aus dem stehenden Gut gewaschen wird. Einmal im Jahr stecke ich meine geflochtenen Polyester-Fockschoten in die Waschmaschine. Das kann man nach Expertenmeinung machen, sofern man ein Pflegeprogramm einstellt. Ich gebe die Fockschoten in einen Kissenbezug, den ich zuknote, damit die Leinen nicht in der Waschmaschine umherschlagen. Verwenden Sie Feinwaschmittel, um die Leinen besonders geschmeidig zu machen.

Beim Umgang mit Tauwerk merkt man schnell, dass sich Leinen an allen möglichen Gegenständen verhaken können. Sie verdrehen sich und kinken, wenn sie nicht sorgfältig aufgeschossen oder ausgelegt werden. Als Einhandsegler muss man besonders sorgsam sein, denn nichts kann soviel Zeit kosten wie unklare Leinen. Man steht am Bug und will die Fockschoten abschlagen, aufschießen und am Bugkorb aufhängen, da kinkt die Leine und läuft nicht mehr durch den Block an der Genuaschiene. Jetzt muss man nach achtern und aufklaren. Auch bei bester Vorbereitung hat Tauwerk die Eigenschaft sich zu verheddern. Wir müssen daher alles in unserer Macht stehende tun, damit die Leinen klar laufen können. Gute Vorbereitung ist der Schlüssel dazu.

Klar zum Ausrauschen

Eine Leine, die klar laufen soll, kann an Deck gelegt werden. Vergewissern Sie sich, dass keine Knoten oder Verdrehungen in der Leine sind und legen Sie sie, wie ich zu sagen pflege, richtig herum. Dabei kommt das Ende nach unten, das man zuletzt braucht. So wird die Leine immer klar laufen. Das kann man bei Reffleinen, Fallen, der Großschot und einfach bei jeder Leine anwenden, die ungehindert ausrauschen können muss.

Man kann eine Leine auch in Achten auf dem Deck auslegen. Wieder kommt das zuletzt benötigte Ende nach unten, und man legt die Leine von Hand achtförmig darüber. Dazu kann auch eine Winsch oder das Ankerspill zu Hilfe genommen werden – siehe Abbildung gegenüber.

Mit dem Ende zuerst und somit richtig herum abgelegte Leinen.

Auf größeren Yachten werden die langen Leinen immer in Achten ausgelegt, weil das die zuverlässigste Methode ist. Legt man Tauwerk einfach irgendwie übereinander, kann es durcheinander geraten und dann nicht mehr frei laufen. Beim Auslegen in Achten kann das nicht passieren. Zudem ist es seemännischer, eine Leine sozum Ausrauschen vorzubereiten.

Tipp

Ein Knoten schwächt eine Leine viel mehr als ein Spleiß

Macht man einen Knoten, schwächt man die Leine dadurch erheblich. Mit einem Palstek am Ende einer Leine gehen 40 % der Festigkeit verloren. Spleißt man dagegen ein Auge, sind es nur 10 %.

So beginnt man, eine Leine in Achten auszulegen.

Läuft klar: fertig ausgelegte Leine.

Aufschießen in Achten mithilfe einer Winsch oder des Ankerspills

Führen Sie die Leine gegen den Uhrzeigersinn um die Winschtrommel und über ihre linke Hand. Das zuletzt benötigte Ende der Leine liegt auf Deck.

Legen Sie die Leine im Uhrzeigersinn um ihre Hand herum und zurück zur Winschtrommel. Dort geht es wieder gegen den Uhrzeigersinn herum. So entsteht ein Bund in Achten.

Perfekt aufgeschossener Seilbund, der klar ausrauschen kann.

Aufschießen ohne Kinken

Es gibt zwei Arten, einen Seilbund aufzuschießen – die Segler-Methode und die Kletterer-Methode. Bei der Kletterer-Methode ist das Risiko einer Wuhling am geringsten, wenn der Bund an Deck abgelegt wird.

Die Segler-Methode

Beginnen Sie immer mit dem Ende, das einen Spleiß oder Schäkel hat. Es sollte der Ordnung halber innen liegen. Machen Sie die Buchten mindestens so groß wie in den Abbildungen. Alle Leinen müssen im Uhrzeigersinn aufgeschossen werden, egal ob geschlagenes oder geflochtenes Tauwerk. Schießt man gegen den Schlag auf, besteht die Gefahr, die Kardeele zu öffnen. Korrekt aufgeschossen hat der Bund keine Spannungen, fühlt sich richtig an und hängt in ordentlichen Buchten.

Beginnen Sie den Bund mit dem Augspleiß an der Innenseite.

Schießen Sie die Leine im Uhrzeigersinn und in gleich großen Buchten auf.

Damit ein Bund aus geschlagenem Tauwerk ordentlich liegt, verdreht man die Leine beim Aufschießen der einzelnen Buchten mit einer halben Drehung der Hand. Man spürt, dass sich die Leine von selbst so verdrehen möchte, also folgt man der Richtung dieses Twists. Mit dem Ende legt man einige Wicklungen um die Buchten und steht nun vor der Frage, wie man den Bund abschließt. Es gibt die Navy-Methode, die klassische Methode und die Segler-Methode (siehe Abbildungen).

Beim Aufschießen von geflochtenen Leinen merkt man, dass sie sich oft ganz von allein in Achten legen. Kämpfen Sie nicht dagegen an, lassen Sie die Buchten vielmehr die Form annehmen, die sie möchten.

Geflochtene Leinen legen sich oft von allein in Achten.

Navy-Methode, klassische Methode, Segler-Methode – man beachte, dass der klassische Seilbund nicht sehr schön hängt.

Klassische Methode