Syrianna Band I+II - Uwe Balzereit - E-Book

Syrianna Band I+II E-Book

Uwe Balzereit

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Beschreibung

Seit Anfang der Zeit gab es ein Volk, dessen Name heute nirgend mehr zu lesen ist. Als sich die Ländereien und Meere formten, begann dieses Volk schon all sein Wissen zu sammeln. Sie waren die Begründer und Erschaffer der Magie, die in allen Welten heute Einzug gehalten hatte. Um dieses Wissen zu schützen, übergaben sie es einem uralten Geschöpf. Einem Adler. In ihm ruhte die Seele des größten Magiers, der jemals in diesem Universum existierte. Der Prophezeiung zufolge heißt es, dass er sich nur dann zeigt, wenn die Not am größten ist. Niemand wusste genau wann und wer das sein sollte. Syrianna, einst ein unscheinbares Mädchen wurde diese Ehre zuteil. Eine der Bewacherin des Adlers Salith zu sein.

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Für Jessica

INHALTSVERZEICHNIS

Zurück

Land in Sicht

Malyn

Begegnungen

In Gefangenschaft

Ein hinterhältiger Plan

Greng

Grausame Folter

Gefährliches Bündnis

Eine Waffe gegen das Böse

Flucht nach Mohawyn

Feldzug

Reise nach Yahrion

Auf offenem Meer

Gestrandet

Rückweg

Inhaltsverzeichnis

Syrianna - Band I

Zurück

Land in Sicht

Malyn

Begegnungen

In Gefangenschaft

Ein hinterhältiger Plan

Greng

Grausame Folter

Gefährliches Bündnis

Eine Waffe gegen das Böse

Flucht nach Mohawyn

Feldzug

Reise nach Yahrion

Auf offenem Meer

Gestrandet

Rückweg

Syrianna - Band II

Dunkle Zeichen

DIE JAGD BEGINNT

DIE ZWEI SCHWESTERN

ELDAR

ERINNERUNGEN

Areidon und die Elfen

Neue Magie

Die Festung der Flüche

Wiedersehen

Vereinte Kräfte

Prophezeiung

Pergen

Verirrt

Syrianna

Band I

Die Welt von Arida

Uwe Balzereit

ZURÜCK

Fauchend erlosch das magische Tor hinter Syrianna. Eben noch hatte sie neben Dylan gestanden und seine Nähe gespürt. Er fehlte ihr jetzt schon. Sicher kämpfte er bereits erbittert gegen Zoria und alles, was Arida bedrohte.

Heute, Monate nach ihrer Flucht aus den Südlanden, stand sie nun wieder im Hafen des Sandmeers und musste zurück nach Isir, um ihre Schwestern aus den Fängen von Gomar zu befreien.

Unzählige Schiffe mit unterschiedlichsten Flaggen lagen hier vor Anker. Die meisten von ihnen waren Handelsschiffe, aber auch Seestreitkräfte mit Soldaten und Kriegsgerät waren zu erkennen.

Nirgends konnte sie die Banner von Isir erkennen, zu ihrem Glück, denn ganz sicher waren Gomar genauso wie auch Königin Kisdra längst hinter ihr her. Zumindest sollte sie sich schleunigst um eine Überfahrt kümmern. Von Milad nach Isir waren es ebenfalls noch viele Wochen Wegstrecke und sie konnte keine Straßen benutzen, da sicher beide Königreiche sie dort suchen würden.

War dieses Unterfangen aussichtslos? Sie fragte sich, was Dylan an ihrer Stelle tun würde. Gern hätte sie ihn begleitet, doch die Rettung ihrer Schwestern duldete keinen Aufschub.

Ihre Begegnung mit dem Magier hatte vieles in ihr verändert. Syrianna war von einem Gefühl berührt worden, dass sie bis dato nicht kannte: Wunderschön und doch zugleich schmerzhaft.

Aber ihre Aufgabe hier war einfach zu wichtig, denn nicht nur die Zukunft der Länder Milad und Isir stand auf dem Spiel, sondern auch die von Arida und der restlichen Welt.

In ihre Überlegungen versunken bemerkte Syrianna nicht, dass sie vor einem Wirtshaus haltgemacht hatte. Zögernd trat sie ein. Ein Hauch von abgestandenem Bier, faulem Essen und altem Schweiß schlug ihr entgegen. In der Ecke saß ein Barde und sang eher schlecht als recht alte Weisen. Eine Gruppe Matrosen stritt um den Gewinn eines Würfelspiels, die anderen Gäste saßen nur da und starrten mürrisch in ihren Bierkrug.

Sofort richteten sich alle Augen auf Syrianna. Sie tat, als bemerke sie es nicht, hielt auf den kleinen Tresen zu, an dem einigen Matrosen

Der Soldat neben ihr beäugte sie lüstern. Nachdem Syrianna einen tiefen Zug von dem Wein genommen hatte, wandte sie sich ihm zu. Sie konnte seine Erregung spüren. Sein Atem stank nach billigem Bier. Angewidert trat sie noch etwas näher an ihn heran. Blitzartig, so schnell konnte niemand im Raum ihre Bewegungen nachverfolgen, schlug der Kopf des Mannes hart auf den Tresen auf und er sackte zu Boden. Syrianna drehte sich zurück zu ihrem Krug und tat, als sei nichts passiert. Kurz darauf schwollen die Töne in der Schenke wieder an. Es wurde von vorn gewürfelt und erneut gestritten. Sie sprach zwei Matrosen an, die augenblicklich zusammenzuckten und sich von ihr abwenden wollten, nachdem sie das Geschehen von weitem beobachtet hatten. »Hey, kommt, trinkt mit mir! Ich tue Euch schon nichts.« Dann bestellte sie Bier bei dem Wirt.

Zögernd wagten die beiden es, sich ihr zu nähern, nahmen das Bier und prosteten ihr zu. Samlin, ein Matrose, ungefähr um die zwanzig Jahre jung, fand den Mut, sie anzusprechen. »Wer seid Ihr, Frau?«

»Mein Name ist Syrianna und ich suche eine Möglichkeit zur Überfahrt nach Milad. Ursprünglich wollte ich mich mit meinem Vater hier treffen, der ist aber offenbar schon ohne mich abgereist. Vermutlich standen wieder gute Geschäfte in Aussicht. Viel zu oft muss ich ihm allein hinterher reisen.«

Nun meldete sich auch der zweite Matrose Merin zu Worte. »Das trifft sich gut, Syrianna, wir fahren morgen nach Milad. Dort hinten am Tisch sitzt unser Kapitän. Wenn Ihr uns noch eine Runde ausgeben wollt, könnte ich mich für Euch einsetzen und ihn bitten, eine Passage für Euch einzuräumen.«

Syrianna nickte nur leicht etwas mit leicht grimmiger Miene. »Gut, dann soll es so sein. Geht zu ihm und meldet mich an!« Kurzerhand bestellte sie noch einmal dasselbe beim Wirt für die Männer. Merin erhob sich daraufhin und eilte zu seinem Kapitän. Einen Moment lang diskutierten die beiden, dann nickte der Kapitän und Merin kam freudestrahlend an den Tresen zurück. »Ihr seid willkommen an Bord! Unser Schiff ist die „Area“, eine schnelle Barke. Wir legen morgen noch vor dem Mittag ab. Seid also pünktlich. Die Überfahrt wird Euch fünf Goldstücke kosten und Ihr helft für die Dauer der Reise mit an Deck.«

Syrianna drückte Merin seinen neuen Krug Bier in die Hand und verließ ohne ein weiteres Wort das Wirtshaus. Sie hatte bekommen, was sie wollte. Im Hafen suchte sie die „Area“, legte sich in der Nähe hinter ein Bündel Taue, die hier zu Hauf lagen und schloss entspannt die Augen.

Am Morgen wurde sie unsanft geweckt. Zwei Hafenarbeiter stießen sie grob an. »Was lungerst du hier rum? Verschwinde oder ich hole den Hafenmeister und der bringt dich für den Rest des Tages in den Kerker!«

Schnell stand Syrianna auf und eilte zur „Area“. Hier wurde bereits alles für die Abfahrt vorbereitet. Unzählige Stimmen gaben laute Anweisungen und große Paletten voller Waren wurden mit einem Kran verladen.

Am Heck des Schiffes konnte sie Samlin und Merin ausmachen. Sie eilte zu den beiden Männern und die führten Syrianna dann auf direktem Weg zum Kapitän. Dieser musterte sie stumm von oben bis unten. »Du bist die Tochter eines Händlers?« Er schüttelte den Kopf. »Du siehst eher aus, als würdest du dich mit Männern umhertreiben und hättest dich mit dem Wein vermählt.« Er lachte schallend.

Wütend schaute Syrianna den Kapitän an. Der jedoch hielt ihr nur einen Spiegel vor, in dem ihr eine fast schon verwahrloste Person entgegenblickte, die nur noch entfernt etwas mit ihrem einstigen Aussehen gemein hatte. »Verschwinde, reinige dich! So kann ich dich nicht mitnehmen!«

Wenig später hatte sie sich gewaschen und ihre Kleider in Ordnung gebracht. Zögernd klopfte sie an die Kajüte des Kapitäns. Scharf rief er sie herein und schaute dann von seinen Listen und Karten auf. Sichtlich verwundert blickte er nun genauer. »So so. Du bist tatsächlich dasselbe Mädchen wie noch vorhin? So gefällst du mir schon viel besser. Nun gib mir die fünf Goldstücke für die Überfahrt.« Er streckte ihr die Hand entgegen und wortlos ließ Syrianna die Münzen hinein gleiten. Prüfend blickte der Kapitän das Gold an, schließlich steckte er es in eine kleine Kassette auf seinem Tisch.

»Geh nach oben! Das Deck muss sauber sein vor der Ausfahrt!« Sofort vertiefte er sich wieder in seine Listen und beachtete sie nicht weiter.

Syrianna verstand, dass das Gespräch beendet war. Er war ein komischer Kauz, dieser Kapitän, aber ihr sollte das egal sein. Also ging sie ihrer Aufgabe nach.

Einige Stunden später trat der Kapitän aus seiner Kajüte, um die Leinen zu lösen. Er betrachtete das Deck und Syrianna, wie sie emsig das Holz schrubbte. Anerkennend nickte er ihr zu, dann verschwand er auch schon wieder.

Zusehends rückte die Küste von Arida in immer weitere Ferne und schließlich waren sie nur noch von Wasser umgeben. Möwen kreischten zwischen den Segeln und die Stricke und Taue knarzten laut, wann immer das Schiff durch die Wellen rollte.

Syrianna musste mit den anderen Matrosen unter Deck schlafen und ihr Schlafplatz glich einer einfachen Holzkiste. Genauso sparsam wie der Komfort unter Deck fiel auch das Abendmahl aus. Es gab nichts weiter als Zwieback und ein Stück getrocknetes Fleisch. Mit schmerzenden Knien kauerte sie sich nach dem Essen auf die Pritsche und schlief augenblicklich ein.

Die Zeit verging schnell. Jeden Tag derselbe Trott. Einer der Matrosen kam ihr einmal zu nahe, was er daraufhin sichtlich bereute. Sein geschwollenes Auge und ein fehlender Zahn waren am kommenden Morgen auch allen anderen Beweis genug dafür, dass man sich mit Syrianna besser nicht anlegen sollte. Somit verlief die restliche Überfahrt für sie sehr ruhig.

Eines Nachts wurde sie wach, weil das Schiff stark wankte, während von draußen tosender Lärm zu vernehmen war, da wurden auch schon die Luke zu den Kojen aufgerissen und alle Gefolgsleute an Deck befohlen. Kurze Zeit später stürzte ein Schwall eiskaltes Wasser auf Syrianna herab, so dass sie kaum noch atmen konnte. Die „Area“ lag schwer im Sturm.

Die Matrosen mussten in Windeseile die Segel bergen. Merin mühte sich mit zwei weiteren Männern ab, ein Sturmsegel zu setzen. Der Hauptmast, von dem noch immer nicht alle Segel eingeholt waren, ächzte unter der Windlast und gab ein gefährliches Knarren von sich.

Syrianna erkannte in den Augen der Besatzung, dass es nicht gut stand um das Schiff, als eine riesige Welle sie von den Füßen warf. Hart schlug sie gegen die Bordwand und sah gerade noch im Augenwinkel, wie zwei Matrosen über Bord gingen. Bereits Sekunden später waren sie in der tosenden See verschwunden.

Jetzt vernahm sie auch die Stimme des Kapitäns, hörte, wie er Anweisungen brüllte. Mit einem langgezogenen Schrei fiel ein Mann aus den Rahen und schlug direkt vor Syrianna auf den harten Holzboden auf. Merkwürdig verdreht und mit offenen leeren Augen lag der Mann vor ihr. Blut sickerte zwischen die Planken.

Syrianna besann sich und beschwor alles, was sie gelernt hatte, herauf. Sie lenkte all ihre Kraft in das Schiff, welches sich daraufhin wie von Geisterhand so schnell vorwärts bewegte, dass jedes Stück Holz ächzte und stöhnte. Trotzdem ließ sie das Schiff immer schneller werden. Der Kapitän starrte sie mit aufgerissenen Augen an und verstand nicht, was hier mit seinem Schiff passierte. Brecher über Brecher überspülten sie, doch Syrianna hielt den Kurs und steuerte die schmale Barke durch das Unwetter. Erst gefühlte Stunden später ließ der Wind endlich nach und sie wurden von warmem Regen empfangen. Dann brach der Mond durch die Wolken. Er beleuchtete das gesamte Schiff mit seinem fast blauen kalten Licht. Sie waren gerettet. Völlig entkräfte ließ Syrianna von dem Schiff ab. Augenblicklich sackte der Bug wieder nach vorn und sie trieben ruhig in der nun wider spiegelglatten See. Sie schlief auf der Stelle ein und spürte gar nicht mehr, wie jemand sie mit einem Segeltuch bedeckte.

LAND IN SICHT

Mit schmerzenden Knochen und pochendem Kopf wachte Syrianna auf. Um sie herum standen der Kapitän sowie einige Matrosen. Erst verstand sie nicht, warum sie hier mitten auf dem Deck lag, dann aber kamen die Erinnerungen an den Sturm und daran, dass sie die „Area“ aus dem Unwetter heraus gelenkt hatte.

Der Kapitän half ihr auf und reichte, ihr etwas zu trinken. »Komm zum Mittag zu mir in die Kajüte! Wir haben zu reden.« Damit ließ er Syrianna stehen.

Alle machten sich wieder wie gewohnt an ihre Aufgaben an Deck, doch sobald Syrianna außer Sicht war, tuschelten die Männer und sie hörte nur noch Worte wie »Hexe«, »Unglück« oder »Tod«. Ein Großteil der ungebildeten Mannschaft hatte schlichtweg Angst vor Syrianna und die vielen Runen, mit denen ihre Haut bedeckt war, machten es nicht besser. Syrianna aber störte all dies nicht. Sie ging ihrer Arbeit nach und zum Mittag klopfte sie, wie gefordert, an die Kajüte des Kapitäns. Diesmal öffnete er selbst die Tür und ließ Syrianna eintreten.

In der geräumigen, aber auch niedrigen Kabine brannten jetzt Kerzen und ein Tisch war voll mit Speisen und einer glitzernden Karaffe Wein gedeckt. Freundlich bat er Syrianna, Platz zu nehmen. Ihr Auftritt in der vergangenen Nacht hatte offenbar Spuren hinterlassen und sie ahnte, dass er etwas von ihr wollte.

»Du bist eine Magierin?« Der Kapitän kam umgehend zur Sache. »Nein, das bin ich nicht. Auch wenn ich ein paar wenige magische Fähigkeiten habe, um mich Magierin zu nennen, genügen sie nicht.

Mein Vater hat auf seinen Reisen viele Bücher mit magischen Sprüchen erstanden und ich habe sie gelesen und einiges davon ausprobiert.«

Der Kapitän hob seinen Becher und prostete ihr zu. »Jemanden wie dich kann ich sehr gut gebrauchen hier auf meinem Schiff. Mit deinen Kräften könnten wir beide viel Geld machen und immer voll beladen über die Meere fahren. Denke darüber nach!«

Syrianna tat, als sei sie interessiert, obwohl sie mit Sicherheit niemals die Absicht hatte, auf dem Schiff zu bleiben. »Ich werde darüber nachdenken.«

»Ich nehme an,« der Kapitän sah ihr ernst in die Augen, »du weißt, was mit wilden Ma21 giern in Milad geschieht? Es wäre doch sicher ein Jammer, wenn Königin Kisdra und ihre Häscher von dir erfahren würden?«

Erschrocken blickte Syrianna auf. »Ihr droht mir?«

Der alte Seemann hob beschwichtigend und mit gespielter Abwehr die Hände. »Nein, nein! Das ist keine Drohung. Verstehe es als Hinweis und denk ganz in Ruhe über meinen Vorschlag nach. Es soll nicht zu deinem Schaden sein. Heute Nacht legen wir in Reawyn an. Bis dahin brauche ich eine Antwort von dir. Und nun geh! Unser Gespräch ist beendet.« Ruckartig stand er auf und verwies sie der Kabine.

Syrianna hatte sehr wohl verstanden, dass der Mann sie dazu benutzen wollte, seine Goldkisten prall zu füllen. In Gedanken spielte sie, kaum dass sie allein stand, einen Fluchtplan nach dem anderen durch. Auch wenn sie somit einen dritten Verfolger in Milad hatte, musste sie das Risiko eingehen.

Spät in der Nacht hörte sie die Glocke immer wieder dreimal schlagen, das Zeichen dafür, dass Land in Sicht kam. Leise wie eine Katze schlich sie sich an Deck. Es dauerte, bis sie am Horizont die Leuchtfeuer von Reawyn erkennen konnte.

Nach und nach kam Leben in das Schiff. Einige der Männer klettern die Rahen hoch, um die Segel zu raffen. Alles wurde bereit gemacht. Syrianna nutze die Gunst der Stunde. Am Bug kroch sie auf den Fockmast und ließ sich an der Galionsfigur leise in das kalte Wasser gleiten. Dann stieß sie sich vom Rumpf des Schiffes ab und schwamm langsam, ohne das geringste Geräusch zu verursachen, in Richtung Land, immer mit einem Auge das Schiff und mit dem anderen die Leuchtfeuer beobachtend. Langsam wurden ihr die Arme lahm. Sie schmerzten vor Anstrengung. Schon im Kindesalter hatte sie schwimmen gelernt und selbst als sie noch in Milad im Kisdras Palast war, war sie, wenn sie mit ihren Schwestern schwamm, immer die erste am ausgemachten Ziel. Dies hier aber war etwas völlig anderes. Sie spürte, wie die Strömung sie zurück ins Meer zog.

Auch die „Area“ war kaum noch in der Dunkelheit zu erkennen. Syrianna ließ sich treiben, um Kraft zu sparen. Gerade als sie Ausschau hielt nach den Leuchtfeuern bemerkte sie, wie sie im Wasser etwas berührte. Erstaunt versuchte sie zu erkennen, was das gewesen war, aber es war einfach zu dunkel. Dann wieder, jetzt stärker, wurde sie fast schon nach vorn geschoben. Etwas Großes stieß sie so heftig in die Seite, dass ihr kurz die Luft wegblieb. Panik kam in ihr auf. In diesen Gewässern lauerten Kreaturen, die schon ganzen Schiffe auf den Meeresgrund gezogen hatten. Sie nahm alle ihre Kräfte zusammen und schwamm in Richtung Land. Doch Augenblicke später wurde sie erneut regelrecht im Wasser herumgeworfen. Syrianna verlor langsam den Mut, das nahe Land unbeschadet zu erreichen. Sie ließ sich wieder treiben und versuchte, sich auf das Wesen zu konzentrieren, das hier um sie herum schwamm.

Sie zitterte vor Angst und Kälte. Sollte sie wirklich die Beute eines Meeresungeheuers werden? Sie suchte im Wasser nach dem Tier. Ihre Gedanken riefen es. Dann! Plötzlich war es, als könnte sie unter Wasser sehen!

Sie beobachtete ihre Beine, wie sie im Wasser strampelten. Vor Aufregung schluckte sie etwas Wasser, beruhigte sich aber sofort wieder und konzentrierte sich. Immer wieder redete sie in Gedanken auf das Tier ein, sie in Frieden zu lassen und bedeutete ihm, dass sie nur an Land wollte.

Eine Antwort in Bildern durchströmte sie und die Sicht verschwand, als eine vom Tier aus gehende Welle sie traf, mit der es von ihr abdrehte und verschwand. Erleichtert atmete Syrianna auf. Sie war sich nicht sicher, was gerade tatsächlich passiert war, doch sie war sich sicher, dass sie auf irgendeine Weise mit dem Wesen gesprochen hatte. Davon angespornt, dem Tier entkommen zu sein, setzte sie nochmal alle Kräfte ein und schwamm Zug um Zug in Richtung Ufer.

Die Sonne ging auf. Die Brandung schob sie zwar immer und immer wieder in Richtung Land, allerdings waren hier nichts als schroffe Felsen, an denen sie sich verletzte. Wenn sie auch nur mit einer größeren Welle an eine der Klippen gestoßen würde, hätte sie das Land nicht lebend erreicht. Immer auf der Hut und sich Stück für Stück von dem Gestein abstoßend schaffte sie es schließlich wie durch ein Wunder nahezu unbeschadet ans Ufer. Sie hatte sich mehrere kleine Schürfwunden zugezogen, doch waren diese nicht wirklich gefährlich. Ihre Beine zittern, als sie versuchte, sich aufzurichten. Ihre Energie war verbraucht. Mit letzter Kraft schlich sie in das vor fremden Blicken schützende kleine Wäldchen vor ihr. Hier schlief sie sofort an dem ersten Baum, den sie erreicht hatte, ein.

MALYN

Als Syrianna die Augen aufschlug, stand die Sonne bereits hoch am Himmel. Die vielen Blessuren, die sie sich beim Aufprall an den schroffen Felsen zugezogen hatte, waren nun mit einer blutigen Kruste bedeckt und ihre Kleidung an mehreren Stellen zerrissen. Erschrocken griff sie neben sich nach ihrer Tasche. Sie schien unbeschadet.

Vorsichtig wickelte Syrianna das Ei aus der Tasche und untersuchte es auf etwaige Schäden, doch nicht eine einzige Schramme war auf seiner glatten, schwarz-bläulich schimmernden Schale zu erkennen. Geduldig folgte sie mit den Augen den vielen Linien, die das Ei umgaben. Es war, als folgte man einem Labyrinth. Sie spürte ein leichtes Pulsieren aus dem Ei und etwas gab ihr Kraft. Syriannas Schmerzen verebbten und fast augenblicklich fühlte sie sich frisch und erholt. Salith hatte sie geheilt! In Gedanken bedankte Syrianna sich bei dem Adler, bevor sie notdürftig ihre Kleider flickte. Dann, leise und vorsichtig erforschte sie die Umgebung. Die Strömung hatte sie offenbar weit von ihrem eigentlichen Ziel abgetrieben und sie musste fast einen Tag von Reawyn weg sein. Allerdings dachte sich Syrianna, würde sich dieser Umstand auch nicht unbedingt nachteilig auswirken, denn so musste sie nicht durch die belebte Hafenstadt. Sie wusste, dass Isir in nordwestlicher Richtung lag und orientierte sich an der Sonne, während sie sich langsam einen Weg durch den angrenzenden Wald bahnte. Syrianna ahnte, dass sie eine schwierige Reise vor sich hatte, um unentdeckt durch Milad zu kommen, denn auf Hilfe brauchte sie nicht zu hoffen. Sie kannte in Milad und auch in Isir niemanden, da sie und ihre Schwestern beinahe ihr ganzes Leben von der Welt und den Menschen ferngehalten wurden.

Sie ertastete das Gold und die wenige Münzen aus Arida in ihren Taschen und warf sie fort, denn damit hier zu bezahlen wäre einfach zu gefährlich. Das Gold hingegen konnte ihr helfen, Proviant und in der Not ein Dach über dem Kopf zu haben. Wie weit sie damit auskommen würde, wusste sie nicht. Nach einigen Tagen abseits der großen Straßen und Wege kam sie an ein kleines Dorf. Direkt an einem kleinen Bachlauf erbaut standen die wenigen Häuser, deren niedrige weiße Mauern schon von weitem strahlten.

Syrianna schlich vorsichtig durch das Gebüsch und wäre fast über ein kleines Mädchen gestolpert, das eine Horde Gänse über die Wiese trieb.

Erschrocken starrte das kleine Mädchen sie an. Syrianna hockte sich hin und streichelte sanft über den Kopf des Mädchens. In Gedanken sprach sie dem Kind freundlich zu, dass es keine Angst zu haben brauche, sie nur ein hungriges Mädchen sei, das noch einen weiten Weg vor sich hätte. »Wie ist dein Name?« Schüchtern und zurückhaltend antwortet das Kind leise: »Malyn.

Malyn ist mein Name.« Syrianna lächelte. »Malyn, kannst du mir helfen und mich zu deiner Mutter oder zu deinem Vater bringen? Ich brauche ein Lager für die Nacht.«

Malyn lief sofort los in Richtung des ersten Bauernhauses. Ihre kleinen Füße flogen nur so durch das kühle feuchte Gras. Sie drehte sich kurz um und winkte Syrianna zu, dass sie ihr folgen möge.

Wenig später standen sie vor einer noch nicht sehr alten Frau, der aber die tägliche schwere Arbeit deutlich in das vom Wetter gegerbten Gesicht geschrieben stand. Syrianna stellte sich höflich vor, bat um etwas zu essen und ein Nachtlager.

»Kannst du bezahlen? Wenn nicht, musst du mit anpacken und deine Forderungen abarbeiten!«, antwortete die Frau mürrisch. Syrianna beschloss, dafür zu arbeiten, denn hier würde ihr Gold sicher zu sehr auffallen und das wollte sie auf gar keinen Fall. Also tat sie bis zum Sonnenuntergang, was ihr aufgetragen wurde. Sie half auf dem Feld und im Stall. Die Frau reichte ihr später eine Schüssel karge Suppe nebst einem Stück Brot und warf im Stall etwas Stroh in eine Ecke. »Hier kannst du schlafen. Frühstück bekommst du, sobald du die Kühe und Ziegen gemolken und auf die Weide getrieben hast.« Mit diesen Worten ließ sie Syrianna allein stehen. Diese tastete sich nun im Dunkeln vor zu dem Strohlager und stieß sich dabei an einem Balken, der ihr den Weg versperrte. Fluchend ging sie in die Knie und rieb sich den Kopf. Wieso hatte die Bäuerin ihr nicht wenigstens ein Licht dagelassen?

Ihr fiel etwas ein. In Gedanken sprach sie einen kurzen Zauberspruch und schon schwebte ein kleiner glühender Punkt vor ihrem Gesicht, der genügte, um das Lager auszuleuchten. Ihre Tasche mit dem Ei legte sie sich als Kopfkissen bereit und ihr großer Umhang würde als Bettdecke dienen.

Gerade als sie das Licht wieder löschen wollte, entdeckte sie plötzlich Malyn neben sich. Ihre kleinen dunkelbraunen Knopfaugen funkelten aufgeregt. »Bist du eine Zauberin oder eine Fee?« Syrianna schmunzelte. »Nein, kleine Malyn, das bin ich nicht. Das ist nur ein Trick, den ich auf meinen Reisen gelernt habe. Komm, setz dich zu mir, ich zeige ihn dir!«

Malyn machte einen Schritt auf Syrianna zu, hielt dann jedoch abrupt inne. »Nein, besser nicht. Ich denke, dass Mutter das nicht gefällt und ich Ärger bekomme. Sie weiß nämlich nicht, dass ich hier bin.«

Syrianna legte verschwörerisch den Finger auf ihre Lippen. »Dann soll es unser Geheimnis bleiben.« Sie zwinkerte dem Mädchen lustig zu und schon saßen sie dicht nebeneinander.

Malyn blickte sie nun erwartungsvoll an und nach nur drei Versuchen gelang es ihr über sich selbst staunend, eine Leuchtkugel zu erschaffen. Auch Syrianna war beeindruckt. Malyn konnte höchstens sechs, vielleicht auch sieben Jahre jung sein, lernte aber unheimlich schnell. Immer und immer wieder ließ das Mädchen die Kugel verschwinden und wieder aufblitzen. Für sie war es ein Spiel und jedes Mal brach sie dabei in Gelächter aus vor 30 Freude, was die Tiere im Stall mit lauten Rufen und unruhigem Getrampel untermalten. Syrianna versuchte verzweifelt, Malyn zur Ruhe zu bewegen, denn ihre Mutter durfte doch von alldem nichts erfahren. Aber das Kind jauchzte und ließ sich kaum stören.

Immer wieder blitze das Licht auf. Es wurde mit jedem Versuch heller und heller. Syrianna erschrak. Das konnte doch nicht sein! Woher nahm das Kind diese Kraft?

Sie zog Malyn an den Armen zu Boden und ihre Augen trafen sich in dem Licht der Kugel, die das Mädchen gerade wieder neu erschaffen hatte. »Kind, sei vorsichtig! Das ist kein normales Licht. Dieses Licht brennt wie das Feuer von Kerzen. Schnell kann etwas passieren und wir wollten doch, dass es unser kleines Geheimnis bleibt.«

Irritiert schaute Malyn zu der Lichtkugel, die noch immer über ihnen schwebte. Syrianna spürte die Kraft, die nun in dem Mädchen ruhte. Sie kannte diese Kraft und augenblicklich schweiften ihre Gedanken zurück nach Arida. Zu Dylan. Ja, Dylan hatte ähnlich starke Kräfte. In diesem Kind schlummerten demnach ebenfalls außergewöhnliche Fähigkeiten. Wenn man es lesen und schreiben lehrte und in Magie unterrichtete, würde Malyn eines Tages vielleicht eine sehr mächtige Magierin werden. Syrianna schauderte bei dem Gedanken an die möglichen Gefahren, wenn das Kind in falsche Hände geriet und für dunkle Zwecke benutzt wurde. Ein Plan keimte in ihr auf.

Malyn riss sie aus ihren Gedanken. »Syrianna! Hilf mir!« Wie Syrianna befürchtet hatte, hatte einer der niedrigen Balken im Stall durch die Lichtkugel Feuer gefangen. Rauch breitete sich aus, die Tiere schlugen Alarm und das Mädchen versuchte panisch, den Zauber zu beenden. Aber die Kugel leuchtete nur noch stärker.

Schnell griff Syrianna ein. Sie zog Malyn wieder zu Boden. »Konzentriere dich! Atme! Denke an Wasser, an Kälte. Schnell!« Sie hatte noch gar nicht ganz zu Ende gesprochen, da war sie auch schon von oben bis unten durchnässt. Malyn hatte den Brand gelöscht. In demselben Moment stürzte ihre Mutter in den Stall und das Mädchen versteckte sich ängstlich und laut schluchzend hinter Syrianna.

»Was geht hier vor? Wieso machst du hier Feuer? Bist du denn von allen guten Geistern verlassen?! Und was macht meine Tochter hier?«

Sie trat auf Malyn zu und hob einen Knüppel, um auf das Mädchen einzuschlagen. Syrianna Griff beherzt ein und hielt den Arm der Frau auf. »Es war allein meine Schuld, Frau! Ich habe das Feuer versehentlich entzündet. Malyn hat Wasser geholt und das Feuer gelöscht. Sie trifft keine Schuld und verdient es nicht, dafür geschlagen zu werden!«

Wütend schaute die Frau Syrianna an. »Die Kühe geben so verstört doch morgen keine Milch! Wer bezahlt mir den Schaden?«, schrie sie nun.

Malyn klammerte sich noch fester an Syriannas Kleid hinter ihren Rücken. Syrianna löste sanft ihren Griff und schob sie zu ihrer Mutter. »Sie war nur neugierig und wollte nach mir sehen. Es tut mir leid, was passiert ist.« Sie reichte ihr eines der Goldstücke. »Hier, nehmt das. Das sollte den Schaden ersetzen.«

Malyns Mutter schaute sprachlos und mit hochgezogenen Brauen erst auf das Gold, dann wieder zu Syrianna. »Nun gut. Bei Tagesanbruch aber bist du fort und kommst niemals wieder! Und du«, sie zeigte barsch auf Malyn, »wasch dich und geh in deine Kammer. Wir reden morgen!«

Sofort lief das Mädchen los, drehte sich nur noch einmal kurz zu Syrianna um, lächelte ihr zu und war dann verschwunden.

»Hast du verstanden? Niemals wieder!«, ereiferte sich noch einmal die Bäuerin, bevor sie ihrer Tochter folgte. Stumm nickte Syrianna ihr hinterher.

Noch bevor sich die ersten Vögel regten, sammelte Syrianna ihre Sachen zusammen und machte sich daran, das Dorf zu verlassen.

Auf ihrem Weg durch das niedrige Stalltor stieß sie auf Malyn. »Was tust du denn hier?«, fragte Syrianna erstaunt.

Wortlos umarmte das Mädchen sie und sprach in Gedanken zu ihr. »Danke, dass du mir geholfen hast. Ich werde dich niemals vergessen.«

Syrianna erwiderte lächelnd die Umarmung des Mädchens. »Ich dich auch nicht, kleine Malyn. Und wer weiß, vielleicht sehen wir uns ja schon bald wieder.« Sie schob den Riegel der alten Holztür beiseite und trat hinaus. Am Horizont zeichnete sich das erste Tageslicht ab und als sie sich noch einmal nach Malyn umdrehte, war das Mädchen verschwunden.

BEGEGNUNGEN

Lange noch nachdem sie die kleine Siedlung längst verlassen hatte, musste Syrianna an Malyn denken. Es war zwar keine Seltenheit, dass Kinder ein gewisses Maß an Magie entwickelten, das Talent dieses Kindes jedoch war außergewöhnlich. Ihr fiel die Geschichte von Zoria ein, die ebenfalls als gewöhnliches Bauernmädchen aufwuchs und dann zu etwas wurde, das den Frieden in ganz Arida gefährdete. Ihre Gedanken wanderten weiter zu Dylan und Sven, den Zwergen und Kenlad. Ob sie wohl erfolgreich gegen Zoria gekämpft hatten? Lebte Dylan noch? Sie sehnte sich sehr nach seinen Umarmungen und den zärtlichen Küssen, nach seiner Art mit ihr zu reden. Aber sie konnte nicht bei ihm bleiben. Sie musste zuerst ihre Schwestern aus den Fängen des dunklen Herrschers retten. Im Schatten von zwei riesigen Eichen machte sie Rast. Malyn hatte ihr Brot und Käse zugesteck und vermutlich würde sie den Knüppel von ihrer Mutter zu spüren bekommen, wenn diese davon erfuhr. Malyn hatte ein gutes Herz.

Eine Weile schaute Syrianna einfach nur in den Himmel und beobachtete zwei Adler, die ihre Kreise über ihrem Kopf zogen. Wahrscheinlich spürten sie die Anwesenheit von Salith. Ihr als eine der auserwählten Schwestern würde er sich vielleicht zeigen und sie erwartete gespannt den Tag. Ihr ganzes Leben lang wurden sie darauf trainiert und musste lernen, zu verzichten. Sie hatte keine Kindheit wie Malyn oder andere Kinder, durfte aber Lesen und Schreiben lernen. Das war ein Privileg, keine Frage! Doch wie gern wäre sie mit den anderen Kindern einfach losgezogen und hätten die Gegend erkundet oder Spiele gespielt? Stattdessen lernte sie mit ihren Schwestern verschiedene Sprachen, kämpfen, Bogenschießen und andere Kampfsportarten. Sie wurden unterrichtet in der Geschichte von Salith. Syrianna kannte Isir und Milad bisher nur aus Büchern und von den großen Karten, die im Palast von Kisdra in der großen Bibliothek hingen. Jetzt wo sie Milad mit eigenen Augen sah, erkannte sie, was sie versäumt hatte: Sei es das satte Grün der riesigen Wiesen, an denen sie vorbeigekommen war, oder die dichten Wälder, durch die sie schlich. Auch die kleinen Siedlungen waren ihr neu und ein Erlebnis. Syrianna spürte nicht wie sie einschlief. Etwas näherte sich unbemerkt. Kaum größer als ein Zwerg, dafür aber viel schmaler, mit auffällig großer Nase und großen blauen Augen trat ein Wesen an Syrianna heran und betrachtete sie mit der rechten Hand auf einen Stock gestützt, der Ähnlichkeit mit einer langen Wurzel hatte.

Hin und wieder fasste es sich an den kurzen weißen Bart und machte dann mit seinem Stock eine einzige bogenartige Bewegung über Syrianna. Wie aus dem Nichts erschienen Bilder von Reitern, ein Drache, Zwerge und eine gigantische Festung. Aufmerksam betrachtete das Wesen all diese Bilder, bevor es das Ei, welches Syrianna mit sich führte, eingehender studierte. Ein leises Lächeln huschte über sein von Furchen und Falten übersätes Gesicht. Dann, mit einem weiteren Streich über Syriannas Haupt lösten sich die Bilder in Luft auf. Das Wesen murmelte etwas wie in einem Gespräch mit sich selbst in fremder Sprache, zeigte auf eine Stelle im Boden und war verschwunden.

Syrianna bekam von alldem nichts mit. Sie erwachte kurz darauf und wunderte sich nur über die Träume, die sie heimgesucht hatten. Ihr war, als hätte sie die ganze Geschichte der letzten Monate nochmal durchlebt. Syrianna schüttelte die Gedanken ab, schalt sich selbst für die leichtsinnig ungeschützte Rast und machte sich wieder auf den Weg. Auch wenn die Sonne bereits tief am Himmel stand, würde sie noch ein gutes Stück vorankommen.

Am frühen Abend betrat sie einen dichten Wald. Der Duft von trockenem Laub und dem Harz der Nadelbäumen stieg ihr in die Nase. Nach wenigen Schritten hinein empfing sie eine unheimliche Ruhe. Nur gelegentlich hörte sie das Knarzen der Bäume, die sich im Wind aneinander schmiegten. Ein Specht bemühte sich um Würmer im Holz und vereinzelt konnte sie das Wild ausmachen, das sich durch kleine brechende Äste im Unterholz verriet. Einige der Bäume waren so groß und breit, dass Syrianna sie nicht einmal umarmen konnte. Tiefer im Wald verschwand das schon abnehmende Tageslicht noch weiter, sodass sie beschloss, sich ein Nachtlager zu suchen. Eine Höhle oder auch nur ein umgekippter Baum würden ihr völlig genügen. Kaum hatte sie diesen Gedanken zu Ende gedacht, spürte sie, wie erste Regentropfen durch das dichte Blätterdach drangen. Eilig suchte sie nach einem Unterschlupf, doch schon bald rann das Wasser nur so an ihrem Rücken herunter, dass es ihr eine Gänsehaut bescherte. Kälte stellte sich ein und mit zitterndem Körper suchte sie angestrengt die kaum noch beleuchtete Gegend ab. »Da! War da ein Licht?«, sprach sie zu sich selbst.

Sie dachte schon, ihre Augen hätten ihr einen Streich gespielt, als sie es erneut sah. In der Ferne zwischen den Bäumen blitze immer wieder ein kleines Licht auf. Entschlossen hielt sie darauf zu. Tiefe Löcher im Boden und ausladende Äste versperrten ihr den Weg und machten das Weitergehen in diesem Halbdunkel sehr gefährlich.

Plötzlich erlosch das Licht vor ihr. Syrianna fluchte laut. »Das war doch eben noch hier! Was zum...« Dann stieß sie sich an etwas, das sich nach einigem Tasten mit den Händen wie eine Holzwand anfühlte. Sie besann sich und wob eine ihrer kleinen Lichtkugeln.

Sie stand vor einer Hütte! Aus ihrem Inneren drang kein Licht hinaus, aber sie war sicher, sich den Schein nicht nur eingebildet zu haben. Ihre Hände ertasteten einen Riegel und sie schob ihn zaghaft beiseite. Mit einem leisen Quietschen öffnete sich die alte verzogene Holztür der Hütte.

Es roch muffig nach abgestandener Luft. Der einzelne Raum, den sie nun betrat, war spärlich mit etwas Stroh in der Ecke und einem kleinen, aus Holzbohlen gefertigtem Tisch neben einer kargen Feuerstelle eingerichtet. Mehr hatte der fensterlose Raum nicht zu bieten, aber es war trocken.

Syrianna entdeckte eine große Talgkerze, ließ eilig ihre Lichtkugel über den Docht schweben und entzündete so die Kerze. Nun konnte sie sich richtig umsehen, fand jedoch noch immer keine Erklärung dafür, woher das Licht gekommen war, das sie gesehen hatte.

Die Feuerstelle war kalt. Hier brannte schon lange kein Feuer mehr, aber daneben war genügend trockenes Holz gestapelt. Somit entfachte sie in dem kleinen Ofen die Flammen und fand Kräuter für einen heißen Tee, der gegen die Kälte half. Sie entkleidete sich und hing ihre Sachen zum trocknen auf. Wenig später hockte Syrianna vor dem Ofen und schlürfte an ihrem heißen Becher. Auf einer alten Pferdedecke auf dem Strohlager nickte sie schon bald ein. Kaum dass sie eingeschlafen war öffnete sich die Holztür und der kleine Mann von heute Mittag trat lautlos in die Hütte. Abermals hob er seinen Stab über Syrianna und abermals erstrahlten viele verschiedene Bilder, die er studierte.

Nachdem er die Bilder hatte wieder verschwinden lassen und bevor er dieses Mal ging, ließ er noch einen Laib Brot, Speck und Käse sowie einige trockene Kleidungstücke zurück, in deren Taschen es laut klimperte. Dann schrieb er mit dem Stab ein Symbol und löste sich in Luft auf.

Ausgeruht wachte Syrianna auf. Erstaunt riss sie die Augen auf und blickte auf all die Sachen, die vor ihr lagen. »Träume ich? Woher kommt das alles?«, murmelte sie verwundert.

Sie untersuchte die Kleider, legte sie eilig an und trat dann mit dem Proviant in den Händen hinaus vor die Tür und ging ein paar Schritte. Von dem geheimnisvollen Gönner aber war keine Spur mehr zu sehen.

Durch das dichte Laub brachen erste Sonnenstrahlen und eine Vielzahl Vögel sangen laut in den Zweigen der Bäume. Das schlechte Wetter der vergangenen Nacht war einem strahlenden Morgen gewichen.

Lange noch grübelte sie, woher die Sachen gekommen waren und weshalb ihr wiederholt dieser Traum von allem, was in Arida geschehen war, nachhing. Vermisste sie Dylan so sehr, dass sie so intensiv von Arida träumte?

Syrianna riss sich aus den Gedanken. Vor ihr war der schmale Pfad, dem sie gefolgt war, verschwunden. Leise mit sich selbst schimpfend ging sie den Weg zurück. Bis zur Hütte konnte es ja nicht weit sein, doch sie irrte zwei/dreimal umher und schlug jedes Mal eine neue Richtung ein. Die Hütte war nicht zu sehen. Es schien fast, als habe der Erdboden sie einfach verschlungen. Dann erkannte sie den Weg wieder, auf dem sie hergekommen war. »Irgendetwas geht hier vor, nur was?«, fragte sich Syrianna. Sie folgte dem Pfad bis in die Abendstunden hinein ohne einer einzigen Menschenseele zu begegnen oder auch nur das Ende des Waldes zu erkennen.