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Seid Anfang der Zeit gab es ein Volk, dessen Name heute nirgend mehr zu lesen ist. Als sich die Ländereien und Meere formten, begann dieses Volk schon all sein Wissen zu sammeln. Sie waren die Begründer und Erschaffer der Magie, die in allen Welten heute Einzug gehalten hatte. Um dieses Wissen zu schützen, übergaben sie es einem uralten Geschöpf. Einem Adler. In ihm ruhte die Seele des größten Magiers, der jemals in diesem Universum existierte. Der Prophezeiung zufolge heißt es, dass er sich nur dann zeigt, wenn die Not am größten ist. Niemand wusste genau wann und wer das sein sollte .Syrianna, einst ein unscheinbares Mädchen wurde diese Ehre zuteil. Eine der Bewacherin des Adlers Salith zu sein.
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Seitenzahl: 174
Veröffentlichungsjahr: 2019
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Das Buch
Von Anbeginn der Zeit gab es ein Volk, dessen Name heute nirgends mehr zu lesen ist. Schon als sich die Ländereien und Meere formten, begann ebendieses Volk, all sein Wissen zu bündeln. Sie waren die Begründer und Erschaffer jener Magie, die längst in allen Welten Einzug gehalten hat. Um dieses Wissen zu schützen, übergaben sie es einem uralten Geschöpf, einem Adler. In ihm ruhte die Seele des größten Magiers, der jemals im Universum existierte. Der Prophezeiung zufolge hieß es, dass er sich nur zeigt, wenn die Not am größten ist. Niemand wusste genau, wann das sein sollte. Syrianna, einem einst unscheinbaren Mädchen wurde die Ehre zuteil, eine der Bewacherinnen des Adlers Salith zu sein…
Der Autor:
Uwe Balzereit, 1969 in Schwerin geboren, ist Vater von 3 Kindern und wohnt in der kleinen Stadt Güstrow in Mecklenburg Vorpommern. Inspiriert durch seine eigenen Lagerfeuergeschichten in Ferien- und Jugendfilmcamps brachte er die dort erzählten Abenteuer vom „Magierbund“ nun zu Papier.
Einband: www.gregor-reisch.de Lektorat und Satz: www.mandy-kommoss.de
www.magierbund.de
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Land in Sicht
Malyn
Begegnungen
In Gefangenschaft
Ein hinterhältiger Plan
Greng
Grausame Folter
Gefährliches Bündnis
Eine Waffe gegen das Böse
Flucht nach Mohawyn
Feldzug
Reise nach Yahrion
Auf offenem Meer
Gestrandet
Rückweg
Für Jessica
Fauchend erlosch das magische Tor hinter Syrianna. Eben noch hatte sie neben Dylan gestanden und seine Nähe gespürt. Er fehlte ihr jetzt schon. Sicher kämpfte er bereits erbittert gegen Zoria und alles, was Arida bedrohte.
Heute, Monate nach ihrer Flucht aus den Südlanden, stand sie nun wieder im Hafen des Sandmeers und musste zurück nach Isir, um ihre Schwestern aus den Fängen von Gomar zu befreien.
Unzählige Schiffe mit unterschiedlichsten Flaggen lagen hier vor Anker. Die meisten von ihnen waren Handelsschiffe, aber auch Seestreitkräfte mit Soldaten und Kriegsgerät waren zu erkennen.
Nirgends konnte sie die Banner von Isir erkennen, zu ihrem Glück, denn ganz sicher waren Gomar genauso wie auch Königin Kisdra längst hinter ihr her. Zumindest sollte sie sich schleunigst um eine Überfahrt kümmern. Von Milad nach Isir waren es ebenfalls noch viele Wochen Wegstrecke und sie konnte keine Straßen benutzen, da sicher beide Königreiche sie dort suchen würden.
War dieses Unterfangen aussichtslos? Sie fragte sich, was Dylan an ihrer Stelle tun würde. Gern hätte sie ihn begleitet, doch die Rettung ihrer Schwestern duldete keinen Aufschub.
Ihre Begegnung mit dem Magier hatte vieles in ihr verändert. Syrianna war von einem Gefühl berührt worden, dass sie bis dato nicht kannte: Wunderschön und doch zugleich schmerzhaft.
Aber ihre Aufgabe hier war einfach zu wichtig, denn nicht nur die Zukunft der Länder Milad und Isir stand auf dem Spiel, sondern auch die von Arida und der restlichen Welt.
In ihre Überlegungen versunken bemerkte Syrianna nicht, dass sie vor einem Wirtshaus haltgemacht hatte. Zögernd trat sie ein.
Ein Hauch von abgestandenem Bier, faulem Essen und altem Schweiß schlug ihr entgegen. In der Ecke saß ein Barde und sang eher schlecht als recht alte Weisen. Eine Gruppe Matrosen stritt um den Gewinn eines Würfelspiels, die anderen Gäste saßen nur da und starrten mürrisch in ihren Bierkrug.
Sofort richteten sich alle Augen auf Syrianna. Sie tat, als bemerke sie es nicht, hielt auf den kleinen Tresen zu, an dem einigen Matrosen saßen und bestellte sich einen Becher Wein.
Der Soldat neben ihr beäugte sie lüstern. Nachdem Syrianna einen tiefen Zug von dem Wein genommen hatte, wandte sie sich ihm zu. Sie konnte seine Erregung spüren. Sein Atem stank nach billigem Bier. Angewidert trat sie noch etwas näher an ihn heran. Blitzartig, so schnell konnte niemand im Raum ihre Bewegungen nachverfolgen, schlug der Kopf des Mannes hart auf den Tresen auf und er sackte zu Boden. Syrianna drehte sich zurück zu ihrem Krug und tat, als sei nichts passiert.
Kurz darauf schwollen die Töne in der Schenke wieder an. Es wurde von vorn gewürfelt und erneut gestritten. Sie sprach zwei Matrosen an, die augenblicklich zusammenzuckten und sich von ihr abwenden wollten, nachdem sie das Geschehen von weitem beobachtet hatten. »Hey, kommt, trinkt mit mir! Ich tue Euch schon nichts.« Dann bestellte sie Bier bei dem Wirt.
Zögernd wagten die beiden es, sich ihr zu nähern, nahmen das Bier und prosteten ihr zu. Samlin, ein Matrose, ungefähr um die zwanzig Jahre jung, fand den Mut, sie anzusprechen. »Wer seid Ihr, Frau?«
»Mein Name ist Syrianna und ich suche eine Möglichkeit zur Überfahrt nach Milad. Ursprünglich wollte ich mich mit meinem Vater hier treffen, der ist aber offenbar schon ohne mich abgereist. Vermutlich standen wieder gute Geschäfte in Aussicht. Viel zu oft muss ich ihm allein hinterher reisen.«
Nun meldete sich auch der zweite Matrose Merin zu Worte. »Das trifft sich gut, Syrianna, wir fahren morgen nach Milad. Dort hinten am Tisch sitzt unser Kapitän. Wenn Ihr uns noch eine Runde ausgeben wollt, könnte ich mich für Euch einsetzen und ihn bitten, eine Passage für Euch einzuräumen.«
Syrianna nickte nur leicht etwas mit leicht grimmiger Miene. »Gut, dann soll es so sein. Geht zu ihm und meldet mich an!« Kurzerhand bestellte sie noch einmal dasselbe beim Wirt für die Männer.
Merin erhob sich daraufhin und eilte zu seinem Kapitän. Einen Moment lang diskutierten die beiden, dann nickte der Kapitän und Merin kam freudestrahlend an den Tresen zurück. »Ihr seid willkommen an Bord! Unser Schiff ist die „Area“, eine schnelle Barke. Wir legen morgen noch vor dem Mittag ab. Seid also pünktlich. Die Überfahrt wird Euch fünf Goldstücke kosten und Ihr helft für die Dauer der Reise mit an Deck.«
Syrianna drückte Merin seinen neuen Krug Bier in die Hand und verließ ohne ein weiteres Wort das Wirtshaus. Sie hatte bekommen, was sie wollte.
Im Hafen suchte sie die „Area“, legte sich in der Nähe hinter ein Bündel Taue, die hier zu Hauf lagen und schloss entspannt die Augen.
Am Morgen wurde sie unsanft geweckt. Zwei Hafenarbeiter stießen sie grob an. »Was lungerst du hier rum? Verschwinde oder ich hole den Hafenmeister und der bringt dich für den Rest des Tages in den Kerker!«
Schnell stand Syrianna auf und eilte zur „Area“. Hier wurde bereits alles für die Abfahrt vorbereitet. Unzählige Stimmen gaben laute Anweisungen und große Paletten voller Waren wurden mit einem Kran verladen.
Am Heck des Schiffes konnte sie Samlin und Merin ausmachen. Sie eilte zu den beiden Männern und die führten Syrianna dann auf direktem Weg zum Kapitän.
Dieser musterte sie stumm von oben bis unten. »Du bist die Tochter eines Händlers?« Er schüttelte den Kopf. »Du siehst eher aus, als würdest du dich mit Männern umhertreiben und hättest dich mit dem Wein vermählt.« Er lachte schallend.
Wütend schaute Syrianna den Kapitän an. Der jedoch hielt ihr nur einen Spiegel vor, in dem ihr eine fast schon verwahrloste Person entgegenblickte, die nur noch entfernt etwas mit ihrem einstigen Aussehen gemein hatte. »Verschwinde, reinige dich! So kann ich dich nicht mitnehmen!«
Wenig später hatte sie sich gewaschen und ihre Kleider in Ordnung gebracht. Zögernd klopfte sie an die Kajüte des Kapitäns. Scharf rief er sie herein und schaute dann von seinen Listen und Karten auf. Sichtlich verwundert blickte er nun genauer. »So so. Du bist tatsächlich dasselbe Mädchen wie noch vorhin? So gefällst du mir schon viel besser. Nun gib mir die fünf Goldstücke für die Überfahrt.« Er streckte ihr die Hand entgegen und wortlos ließ Syrianna die Münzen hinein gleiten. Prüfend blickte der Kapitän das Gold an, schließlich steckte er es in eine kleine Kassette auf seinem Tisch.
»Geh nach oben! Das Deck muss sauber sein vor der Ausfahrt!« Sofort vertiefte er sich wieder in seine Listen und beachtete sie nicht weiter.
Syrianna verstand, dass das Gespräch beendet war. Er war ein komischer Kauz, dieser Kapitän, aber ihr sollte das egal sein. Also ging sie ihrer Aufgabe nach.
Einige Stunden später trat der Kapitän aus seiner Kajüte, um die Leinen zu lösen. Er betrachtete das Deck und Syrianna, wie sie emsig das Holz schrubbte. Anerkennend nickte er ihr zu, dann verschwand er auch schon wieder.
Zusehends rückte die Küste von Arida in immer weitere Ferne und schließlich waren sie nur noch von Wasser umgeben. Möwen kreischten zwischen den Segeln und die Stricke und Taue knarzten laut, wann immer das Schiff durch die Wellen rollte.
Syrianna musste mit den anderen Matrosen unter Deck schlafen und ihr Schlafplatz glich einer einfachen Holzkiste. Genauso sparsam wie der Komfort unter Deck fiel auch das Abendmahl aus. Es gab nichts weiter als Zwieback und ein Stück getrocknetes Fleisch. Mit schmerzenden Knien kauerte sie sich nach dem Essen auf die Pritsche und schlief augenblicklich ein.
Die Zeit verging schnell. Jeden Tag derselbe Trott. Einer der Matrosen kam ihr einmal zunahe, was er daraufhin sichtlich bereute. Sein geschwollenes Auge und ein fehlender Zahn waren am kommenden Morgen auch allen anderen Beweis genug dafür, dass man sich mit Syrianna besser nicht anlegen sollte. Somit verlief die restliche Überfahrt für sie sehr ruhig.
Eines Nachts wurde sie wach, weil das Schiff stark wankte, während von draußen tosender Lärm zu vernehmen war, da wurden auch schon die Luke zu den Kojen aufgerissen und alle Gefolgsleute an Deck befohlen. Kurze Zeit später stürzte ein Schwall eiskaltes Wasser auf Syrianna herab, so dass sie kaum noch atmen konnte. Die „Area“ lag schwer im Sturm.
Die Matrosen mussten in Windeseile die Segel bergen. Merin mühte sich mit zwei weiteren Männern ab, ein Sturmsegel zu setzen. Der Hauptmast, von dem noch immer nicht alle Segel eingeholt waren, ächzte unter der Windlast und gab ein gefährliches Knarren von sich.
Syrianna erkannte in den Augen der Besatzung, dass es nicht gut stand um das Schiff, als eine riesige Welle sie von den Füßen warf. Hart schlug sie gegen die Bordwand und sah gerade noch im Augenwinkel, wie zwei Matrosen über Bord gingen. Bereits Sekunden später waren sie in der tosenden See verschwunden.
Jetzt vernahm sie auch die Stimme des Kapitäns, hörte, wie er Anweisungen brüllte. Mit einem langgezogenen Schrei fiel ein Mann aus den Rahen und schlug direkt vor Syrianna auf den harten Holzboden auf. Merkwürdig verdreht und mit offenen leeren Augen lag der Mann vor ihr. Blut sickerte zwischen die Planken.
Syrianna besann sich und beschwor alles, was sie gelernt hatte, herauf. Sie lenkte all ihre Kraft in das Schiff, welches sich daraufhin wie von Geisterhand so schnell vorwärts bewegte, dass jedes Stück Holz ächzte und stöhnte. Trotzdem ließ sie das Schiff immer schneller werden. Der Kapitän starrte sie mit aufgerissenen Augen an und verstand nicht, was hier mit seinem Schiff passierte. Brecher über Brecher überspülten sie, doch Syrianna hielt den Kurs und steuerte die schmale Barke durch das Unwetter.
Erst gefühlte Stunden später ließ der Wind endlich nach und sie wurden von warmem Regen empfangen. Dann brach der Mond durch die Wolken. Er beleuchtete das gesamte Schiff mit seinem fast blauen kalten Licht. Sie waren gerettet.
Völlig entkräfte ließ Syrianna von dem Schiff ab. Augenblicklich sackte der Bug wieder nach vorn und sie trieben ruhig in der nun wider spiegelglatten See.
Sie schlief auf der Stelle ein und spürte gar nicht mehr, wie jemand sie mit einem Segeltuch bedeckte.
Mit schmerzenden Knochen und pochendem Kopf wachte Syrianna auf. Um sie herum standen der Kapitän sowie einige Matrosen. Erst verstand sie nicht, warum sie hier mitten auf dem Deck lag, dann aber kamen die Erinnerungen an den Sturm und daran, dass sie die „Area“ aus dem Unwetter heraus gelenkt hatte.
Der Kapitän half ihr auf und reichte ihr etwas zu trinken. »Komm zum Mittag zu mir in die Kajüte! Wir haben zu reden.« Damit ließ er Syrianna stehen.
Alle machten sich wieder wie gewohnt an ihre Aufgaben an Deck, doch sobald Syrianna außer Sicht war, tuschelten die Männer und sie hörte nur noch Worte wie »Hexe«, »Unglück« oder »Tod«. Ein Großteil der ungebildeten Mannschaft hatte schlichtweg Angst vor Syrianna und die vielen Runen, mit denen ihre Haut bedeckt war, machten es nicht besser.
Syrianna aber störte all dies nicht. Sie ging ihrer Arbeit nach und zum Mittag klopfte sie, wie gefordert, an die Kajüte des Kapitäns. Diesmal öffnete er selbst die Tür und ließ Syrianna eintreten.
In der geräumigen, aber auch niedrigen Kabine brannten jetzt Kerzen und ein Tisch war voll mit Speisen und einer glitzernden Karaffe Wein gedeckt. Freundlich bat er Syrianna, Platz zu nehmen. Ihr Auftritt in der vergangenen Nacht hatte offenbar Spuren hinterlassen und sie ahnte, dass er etwas von ihr wollte.
»Du bist eine Magierin?« Der Kapitän kam umgehend zur Sache.
»Nein, das bin ich nicht. Auch wenn ich ein paar wenige magische Fähigkeiten habe, um mich Magierin zu nennen, genügen sie nicht. Mein Vater hat auf seinen Reisen viele Bücher mit magischen Sprüchen erstanden und ich habe sie gelesen und einiges davon ausprobiert.«
Der Kapitän hob seinen Becher und prostete ihr zu. »Jemanden wie dich kann ich sehr gut gebrauchen hier auf meinem Schiff. Mit deinen Kräften könnten wir beide viel Geld machen und immer voll beladen über die Meere fahren. Denke darüber nach!«
Syrianna tat, als sei sie interessiert, obwohl sie mit Sicherheit niemals die Absicht hatte, auf dem Schiff zu bleiben. »Ich werde darüber nachdenken.«
»Ich nehme an,« der Kapitän sah ihr ernst in die Augen, »du weißt, was mit wilden Magiern in Milad geschieht? Es wäre doch sicher ein Jammer, wenn Königin Kisdra und ihre Häscher von dir erfahren würden?«
Erschrocken blickte Syrianna auf. »Ihr droht mir?«
Der alte Seemann hob beschwichtigend und mit gespielter Abwehr die Hände. »Nein, nein! Das ist keine Drohung. Verstehe es als Hinweis und denk ganz in Ruhe über meinen Vorschlag nach. Es soll nicht zu deinem Schaden sein. Heute Nacht legen wir in Reawyn an. Bis dahin brauche ich eine Antwort von dir. Und nun geh! Unser Gespräch ist beendet.« Ruckartig stand er auf und verwies sie der Kabine.
Syrianna hatte sehr wohl verstanden, dass der Mann sie dazu benutzen wollte, seine Goldkisten prall zu füllen. In Gedanken spielte sie, kaum dass sie allein stand, einen Fluchtplan nach dem anderen durch. Auch wenn sie somit einen dritten Verfolger in Milad hatte, musste sie das Risiko eingehen.
Spät in der Nacht hörte sie die Glocke immer wieder dreimal schlagen, das Zeichen dafür, dass Land in Sicht kam. Leise wie eine Katze schlich sie sich an Deck. Es dauerte, bis sie am Horizont die Leuchtfeuer von Reawyn erkennen konnte.
Nach und nach kam Leben in das Schiff. Einige der Männer klettern die Rahen hoch, um die Segel zu raffen. Alles wurde bereit gemacht.
Syrianna nutze die Gunst der Stunde. Am Bug kroch sie auf den Fockmast und ließ sich an der Galionsfigur leise in das kalte Wasser gleiten. Dann stieß sie sich vom Rumpf des Schiffes ab und schwamm langsam, ohne das geringste Geräusch zu verursachen, in Richtung Land, immer mit einem Auge das Schiff und mit dem anderen die Leuchtfeuer beobachtend.
Langsam wurden ihr die Arme lahm. Sie schmerzten vor Anstrengung. Schon im Kindesalter hatte sie schwimmen gelernt und selbst als sie noch in Milad im Kisdras Palast war, war sie, wenn sie mit ihren Schwestern schwamm, immer die erste am ausgemachten Ziel. Dies hier aber war etwas völlig anderes. Sie spürte, wie die Strömung sie zurück ins Meer zog.
Auch die „Area“ war kaum noch in der Dunkelheit zu erkennen. Syrianna ließ sich treiben, um Kraft zu sparen.
Gerade als sie Ausschau hielt nach den Leuchtfeuern bemerkte sie, wie sie im Wasser etwas berührte. Erstaunt versuchte sie zu erkennen, was das gewesen war, aber es war einfach zu dunkel. Dann wieder, jetzt stärker, wurde sie fast schon nach vorn geschoben. Etwas Großes stieß sie so heftig in die Seite, dass ihr kurz die Luft wegblieb. Panik kam in ihr auf. In diesen Gewässern lauerten Kreaturen, die schon ganzen Schiffe auf den Meeresgrund gezogen hatten. Sie nahm alle ihre Kräfte zusammen und schwamm in Richtung Land. Doch Augenblicke später wurde sie erneut regelrecht im Wasser herumgeworfen. Syrianna verlor langsam den Mut, das nahe Land unbeschadet zu erreichen. Sie ließ sich wieder treiben und versuchte, sich auf das Wesen zu konzentrieren, das hier um sie herum schwamm.
Sie zitterte vor Angst und Kälte. Sollte sie wirklich die Beute eines Meeresungeheuers werden? Sie suchte im Wasser nach dem Tier. Ihre Gedanken riefen es. Dann! Plötzlich war es, als könnte sie unter Wasser sehen!
Sie beobachtete ihre Beine, wie sie im Wasser strampelten. Vor Aufregung schluckte sie etwas Wasser, beruhigte sich aber sofort wieder und konzentrierte sich. Immer wieder redete sie in Gedanken auf das Tier ein, sie in Frieden zu lassen und bedeutete ihm, dass sie nur an Land wollte.
Eine Antwort in Bildern durchströmte sie und die Sicht verschwand, als eine vom Tier ausgehende Welle sie traf, mit der es von ihr abdrehte und verschwand. Erleichtert atmete Syrianna auf. Sie war sich nicht sicher, was gerade tatsächlich passiert war, doch sie war sich sicher, dass sie auf irgendeine Weise mit dem Wesen gesprochen hatte. Davon angespornt, dem Tier entkommen zu sein, setzte sie nochmal alle Kräfte ein und schwamm Zug um Zug in Richtung Ufer.
Die Sonne ging auf. Die Brandung schob sie zwar immer und immer wieder in Richtung Land, allerdings waren hier nichts als schroffe Felsen, an denen sie sich verletzte. Wenn sie auch nur mit einer größeren Welle an eine der Klippen gestoßen würde, hätte sie das Land nicht lebend erreicht.
Immer auf der Hut und sich Stück für Stück von dem Gestein abstoßend schaffte sie es schließlich wie durch ein Wunder nahezu unbeschadet ans Ufer. Sie hatte sich mehrere kleine Schürfwunden zugezogen, doch waren diese nicht wirklich gefährlich. Ihre Beine zittern, als sie versuchte, sich aufzurichten. Ihre Energie war verbraucht. Mit letzter Kraft schlich sie in das vor fremden Blicken schützende kleine Wäldchen vor ihr. Hier schlief sie sofort an dem ersten Baum, den sie erreicht hatte, ein.
Als Syrianna die Augen aufschlug, stand die Sonne bereits hoch am Himmel. Die vielen Blessuren, die sie sich beim Aufprall an den schroffen Felsen zugezogen hatte, waren nun mit einer blutigen Kruste bedeckt und ihre Kleidung an mehreren Stellen zerrissen. Erschrocken griff sie neben sich nach ihrer Tasche. Sie schien unbeschadet. Vorsichtig wickelte Syrianna das Ei aus der Tasche und untersuchte es auf etwaige Schäden, doch nicht eine einzige Schramme war auf seiner glatten, schwarz-bläulich schimmernden Schale zu erkennen. Geduldig folgte sie mit den Augen den vielen Linien, die das Ei umgaben. Es war, als folgte man einem Labyrinth. Sie spürte ein leichtes Pulsieren aus dem Ei und etwas gab ihr Kraft. Syriannas Schmerzen verebbten und fast augenblicklich fühlte sie sich frisch und erholt. Salith hatte sie geheilt! In Gedanken bedankte Syrianna sich bei dem Adler, bevor sie notdürftig ihre Kleider flickte.
Dann, leise und vorsichtig erforschte sie die Umgebung. Die Strömung hatte sie offenbar weit von ihrem eigentlichen Ziel abgetrieben und sie musste fast einen Tag von Reawyn weg sein. Allerdings dachte sich Syrianna, würde sich dieser Umstand auch nicht unbedingt nachteilig auswirken, denn so musste sie nicht durch die belebte Hafenstadt. Sie wusste, dass Isir in nordwestlicher Richtung lag und orientierte sich an der Sonne, während sie sich langsam einen Weg durch den angrenzenden Wald bahnte.
Syrianna ahnte, dass sie eine schwierige Reise vor sich hatte, um unentdeckt durch Milad zu kommen, denn auf Hilfe brauchte sie nicht zu hoffen. Sie kannte in Milad und auch in Isir niemanden, da sie und ihre Schwestern beinahe ihr ganzes Leben von der Welt und den Menschen ferngehalten wurden.
Sie ertastete das Gold und die wenige Münzen aus Arida in ihren Taschen und warf sie fort, denn damit hier zu bezahlen wäre einfach zu gefährlich. Das Gold hingegen konnte ihr helfen, Proviant und in der Not ein Dach über dem Kopf zu haben. Wie weit sie damit auskommen würde, wusste sie nicht.
Nach einigen Tagen abseits der großen Straßen und Wege kam sie an ein kleines Dorf. Direkt an einem kleinen Bachlauf erbaut standen die wenigen Häuser, deren niedrige weiße Mauern schon von weitem strahlten.
Syrianna schlich vorsichtig durch das Gebüsch und wäre fast über ein kleines Mädchen gestolpert, das eine Horde Gänse über die Wiese trieb.
Erschrocken starrte das kleine Mädchen sie an. Syrianna hockte sich hin und streichelte sanft über den Kopf des Mädchens. In Gedanken sprach sie dem Kind freundlich zu, dass es keine Angst zu haben brauche, sie nur ein hungriges Mädchen sei, das noch einen weiten Weg vor sich hätte.
»Wie ist dein Name?« Schüchtern und zurückhaltend antwortet das Kind leise: »Malyn. Malyn ist mein Name.« Syrianna lächelte. »Malyn, kannst du mir helfen und mich zu deiner Mutter oder zu deinem Vater bringen? Ich brauche ein Lager für die Nacht.«
Malyn lief sofort los in Richtung des ersten Bauernhauses. Ihre kleinen Füße flogen nur so durch das kühle feuchte Gras. Sie drehte sich kurz um und winkte Syrianna zu, dass sie ihr folgen möge.