Täler voller Wunder - Philipp Zwyssig - E-Book

Täler voller Wunder E-Book

Philipp Zwyssig

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Beschreibung

Weit davon entfernt, abgeschottete und in sich geschlossene Gesellschaften zu sein, waren die katholisch gebliebenen Ort- und Talschaften im frühneuzeitlichen Graubünden in großräumige Austauschprozesse eingebunden. Der Band zeigt auf, dass daraus eine alpine Kulturlandschaft resultierte, die mit der Qualität des Sakralen behaftet schien: auf engstem Raum entstanden vielfältige kirchliche Heils- und Heilungsangebote, die Gottes wundertätiges Eingreifen ins irdische Geschehen zu einer alltäglichen Erfahrung werden ließen. Für die Menschen bedeutete dies ein Zugewinn an Handlungsoptionen, denn sie konnten aus diesen vielfältigen religiösen Angeboten jene auswählen, die ihnen zur Alltagsbewältigung in der alpinen Bergwelt am effizientesten erschienen. Indem deutlich wird, wie mit irdischen Mitteln (Kirchenbau, Ablassurkunden, Sachsakramentalien) das Sakrale in der Welt verankert und über Wunder erfahrbar gemacht, zugleich aber mit der Sakralität der Heilsvermittlung auch ausgesprochen profane Macht- und Geltungsansprüche der Kirche artikuliert werden konnten, leistet das Fallbeispiel der Drei Bünde einen Beitrag zum besseren Verständnis jener Mechanismen, die die einzelnen katholischen Kultgemeinschaften in der Frühen Neuzeit - so unterschiedlich diese auch sein mochten - zu einer universalen Heils- und Kirchengemeinschaft verflochten.

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Seitenzahl: 1152

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Philipp Zwyssig

 

Täler voller Wunder

Eine katholische Verflechtungsgeschichte der Drei Bünde und des Veltlins (17. und 18. Jahrhundert)

 

 

 

Band 5 der »Kulturgeschichten. Studien zur Frühen Neuzeit«,

herausgegeben von Arndt Brendecke, Peter Burschel, Ulrike Gleixner und Daniela Hacke

 

Publiziert mit Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung

 

© 2018 by Didymos-Verlag, Affalterbach

www.didymos-verlag.de · [email protected]

 

Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne schriftliche Zustimmung des Verlages unzulässig. Insbesondere vorbehalten sind die Rechte, auch auszugsweise, für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Speicherungen in elektronische Systeme sowie jegliche Formen der tontechnischen und photomechanischen Wiedergabe. Mit dem Erwerb dieses E-Books erhält der Käufer lediglich die Nutzungsrechte für den persönlichen Gebrauch auf eigenem Lesegerät.

 

Coverabbildung: Frontispiz von Wilhelm Gumppenbergs Atlas Marianus (Ingolstadt 1657). Stiftsbibliothek St. Gallen, SGST 1409

Gestaltung: Finken & Bumiller, Stuttgart

Satz: Böckmanns Medienproduktion, Waiblingen

 

ISBN 978-3-939020-46-2 (Buch)

ISBN 978-3-939020-92-9 (E-Book)

Inhalt

Vorwort

1. Einleitung

1.1. Täler voller Wunder? Thematische Annäherung

1.2. Lokale Religion, hybride Glaubensformen und der »lange Arm Roms«: Erkenntnisse und Perspektiven der Forschung zum frühneuzeitlichen Katholizismus

1.3. Katholische Verflechtungsgeschichte: Entwurf eines integrativen Erklärungsmodells

1.4. Der rätische Alpenraum als Fallbeispiel: Inhalt, Quellengrundlage und Aufbau der Studie

2. Translokaler Katholizismus: Akteure und kommunikative Praktiken

2.1. Translokaler Katholizismus: Begriffliche Annäherung

2.2. Intensivierte Verflechtung: Die grenzüberschreitenden Beziehungsgeflechte von Bündnispolitik und rätischer Mission

2.2.1. Politisch-symbolische Verflechtung: Königliche Stifter und Schenker

2.2.2. Finanzielle Verflechtung: Die rätische Mission

2.2.3. Kulturelle Verflechtung: Ländliches Schulwesen und volkssprachliche Schriftkultur

2.2.4. Institutionelle Verflechtung: Missionsfakultäten und Bruderschaftsprivilegien

2.2.5. Fazit: Intensivierte Verflechtung

2.3. Verdichtete Kommunikation: Akteure und Praktiken der grenzüberschreitenden Informationsbeschaffung

2.3.1. Informanten und Agenten

2.3.1.1. Netzwerke der römischen Amtskirche

2.3.1.2. Ordensnetzwerke

2.3.1.3. Landsmannschaftliche Netzwerke und Agenten in Rom

2.3.2. Diskurse und Semantiken

2.3.2.1. Vormauer und Einfallstor nach Italien: Semantiken des konfessionellen Grenzraums

2.3.2.2. Häretische Seuche und Hexerei:Semantiken der religiösen Vielfalt

2.3.2.3. Das Schisma der Bündner Katholiken: Semantiken lokaler katholischer Kirchlichkeit

2.3.3. Fazit: Verdichtete Kommunikationszusammenhänge

2.4. Segen und Fluch der Verflechtung: Neue Handlungsspielräume, neue Konflikte

2.4.1. Alte Freiheiten, neue Handlungsspielräume: Konfessionelle Argumentationslogiken im Dienste der gemeindekirchlichen Autonomie

2.4.2. Verfluchte Verflechtung? Blutige Konflikte um fremde Kapuziner und heimische Weltpriester

2.4.3. Fazit: Zwischen Autonomie und Abhängigkeit

2.5. Der translokale Katholizismus an der Grenze zu Italien: Ein Fazit

3. Barocke Gnadenlandschaften: Aneignungen und Deutungen eines konfessionellen Grenzraums

3.1. Barocke Gnadenlandschaften: Begriffliche Annäherung

3.2. Praktiken der Sakralisierung: Sakrale Durchdringung von Raum und Zeit

3.2.1. Bau und Ausstattung von Kirchen

3.2.1.1. Mit den eigenen Händen: Akteure des Kirchenbaus

3.2.1.2. Mit Almosen und fremden Geldern: Lokale und grenzüberschreitende Mobilisierung von Kapital für den Sakralbau

3.2.1.3. Gott als Architekt? – Sakralisierung durch Kirchenbau

3.2.2. Transfers von Reliquien, Gnadenbildern und Heilsmitteln

3.2.2.1. Wege in die Alpentäler: Grenzüberschreitende Bezugssysteme sakraler Objekte

3.2.2.2. Das Ausgreifen in die Lebenswelt: »Fremde« Objekte als Mittel der Sakralisierung

3.2.3. Die Erforschung einer geheiligten Vergangenheit

3.2.3.1. Von Apostel Petrus gegründet: Die Diözese Chur als terra sancta

3.2.3.2. Eigene und italienische Heilige im Veltlin: Kulturell-religiöse Abgrenzung vom protestantischen Norden

3.2.4. Prozessionen und Bittgänge

3.2.5. Fazit: Sakralisierung im rätischen Alpenraum

3.3. Strategien der Sakralisierung: Die kirchliche Heilsvermittlung sicht- und erlebbar machen

3.3.1. »Sie sind jenen in Städten ebenbürtig«: Kirchenbau als Missionsstrategie

3.3.2. Türme bis zum Himmel: Gnadenorte als konfessionelle Grenzmarker und Orte der Bekehrung

3.3.3. Rom in den Alpen: Das Gnadenterritorium der römisch-katholischen Kirche

3.3.4. Das Heilige Land in den Alpen: Wo das Heilige heimisch ist

3.3.5. Fazit: Aneignung und Deutung eines konfessionellen Grenzraums

3.4. Topographie der Gnade: Pluralisierung und Dezentralisierung in der Kultlandschaft vom 17. zum 18. Jahrhundert

3.5. Sakrale Verdichtung – Verstärkte Grenze: Ein Fazit

4. Ökonomien des (Un)Heils: Religiöse Erfahrungswelten und Ambivalenzen im Umgang mit dem Sakralen

4.1. Von religiösen Märkten zu Ökonomien des Heils: Begriffliche Annäherung

4.2. Ökonomien des Heils: Gnadenerfahrungen und die lebensweltliche Immanenz des Sakralen

4.2.1. An den Himmel appellieren: Heils- und Heilungsbedürfnisse in der alpinen Lebenswelt

4.2.2. Dem Himmel darbieten: Die Ökonomie der Gnade

4.2.3. Vom Himmel erhört: Gnadenerfahrungen der Laien

4.2.4. Fazit: Ökonomien des Heils – Das Sakrale in der Lebenswelt

4.3. Ökonomien des Unheils: Dynamiken und Ambivalenzen des Sakralen

4.3.1. Lokale Kultaneignung: Rivalität auf dem Markt der Wunder und neue Handlungschancen für Laien

4.3.1.1. Die Verehrung des seligen Luigi Gonzaga in Sazzo und die Heilkraft des Lampenöls

4.3.1.2. Die Statue der Mater Dolorosa von Disentis und die Wiederbelebung totgeborener Kinder

4.3.1.3. Die Grablege des Francesco Maria da Vigevano in Savognin und der Reliquienkult um im Ruf der Heiligkeit verstorbene Ordensgeistliche im Veltlin

4.3.2. Gottes Macht oder Teufels Werk? Die Ambivalenz des Sakralen in der tridentinisch erneuerten Kirche

4.3.3. Fazit: Die Ökonomie des Unheils – Entgrenzung und Einhegung des Sakralen

4.4. Vielfältige katholische Glaubenswelten: Ein Fazit

5. Schlussbetrachtung: Die verflochtene Logik der Wunder

Glossar

Abkürzungsverzeichnis

Quellen- und Literaturverzeichnis

1. Archivquellen

2. Gedruckte Quellen

3. Quelleneditionen

4. Fachliteratur

Bildnachweis

Tafeln

Vorwort

Wenn in den Wundergeschichten, die in der vorliegenden Studie untersucht werden, davon die Rede ist, dass sich ein sehnlichst erwünschtes Ereignis – sei es die Heilung einer Krankheit, sei es das Auffinden eines verlorenen Gegenstandes – tatsächlich eingestellt hat, dann wird die Erklärung dafür nicht etwa im Verdienst des Begünstigten, sondern in einer schicksalshaften, von jenseitigen Mächten bestimmten Fügung gesucht und gefunden. Selbstverständlich ist es so, dass es für die Niederschrift eines Buches wie des vorliegenden, bei dem es sich um die leicht überarbeitete Fassung meiner 2016 an der Philosophisch-historischen Fakultät der Universität Bern eingereichten und verteidigten Dissertation handelt, ein hohes Maß an Eigeninitiative, Motivation und Durchhaltewillen vonseiten des Autors braucht. Und doch ist auch für den erfolgreichen Abschluss einer individuellen, über Jahre laufenden Denk-, Recherche- und Schreibarbeit eine ganze Reihe von kaum durch den Einzelnen beeinflussbaren glücklichen Fügungen unabdingbar, wie ich aus eigener Erfahrung kenne. Zu erwähnen ist hier an erster Stelle die Tatsache, dass mein Doktorvater Christian Windler dort Potenzial erkannt und freigelegt hat, wo ich es selbst nicht zu vermuten gewagt hätte. Ihm gebührt denn auch der größte Dank – für die langjährige Förderung meiner wissenschaftlichen Neugier, für die optimalen Arbeitsbedingungen und dafür, dass er mir bei der Umsetzung des Dissertationsvorhabens die gewünschten Freiheiten gelassen hat. Großen Dank schulde ich auch Kim Siebenhüner, deren wertvollen Kommentare anlässlich der Forschungskolloquien mir stets Garanten für neue Denkanstöße waren. Sie hat sich dankenswerterweise für die Zweitbegutachtung bereit erklärt. Stefan Rebenich danke ich für die Leitung der Doktorprüfung.

Ohne finanzielle Unterstützung von verschiedensten Seiten wäre eine ununterbrochene Arbeit am vorliegenden Buch nicht möglich gewesen. Zu danken habe ich dem Schweizerischen Nationalfonds für eine zweieinhalbjährige Projektstelle sowie für den Publikationskostenbeitrag. Ebenfalls zu Dank verpflichtet bin ich der Janggen-Pöhn-Stiftung für ein Stipendium zu Beginn und der Dr. Joséphine de Kármán-Stiftung für ein ebensolches in der Endphase der Dissertation. Arndt Brendecke, Peter Burschel, Ulrike Gleixner und Daniela Hacke danke ich für die Aufnahme meines Buches in ihre Reihe »Kulturgeschichten. Studien zur Frühen Neuzeit«, Thomas Richter vom Didymos-Verlag für die geduldige Betreuung der Drucklegung.

Einerseits stellvertretend für die vielen Mitarbeiter von Archiven und Bibliotheken, die mir stets zuvorkommend bei meinen Recherchen behilflich waren, andererseits weil ihnen ein besonderer Dank für das große Interesse gebührt, das sie meiner Arbeit entgegengebracht haben, seien hier Albert Fischer, Archivar des Bistums Chur, sowie Christian Schweizer, Provinzarchivar der Schweizer Kapuziner, speziell erwähnt. Besonderen Dank schulde ich außerdem Adrian Collenberg vom Staatsarchiv Graubünden für die Korrektur meiner Übersetzungen aus dem Rätoromanischen, Pascal Bircher für die Hilfe bei der Erstellung der Karte und Silja Widmer für die Bearbeitung der Fotos.

In einer Arbeit wie der vorliegenden steckt viel Zeit und Energie. Umso wichtiger war es für mich, sie in einem Umfeld schreiben zu können, das in vielerlei Hinsicht bereichernd war. Ich meine damit ganz besonders meine Kolleginnen und Kollegen am Historischen Institut der Universität Bern, die, wie Nadine Amsler, Daniel Sidler und Nadir Weber, das Dissertationsprojekt seit der Planungsphase eng begleitet haben oder die sich, wie Nadja Ackermann, Andreas Affolter, Maud Harivel, John Jordan, Claudia Ravazzolo, Florian Schmitz, Gabi Schopf und ganz besonders Silja Widmer, inner- und außerhalb der Universität als anregende Gesprächspartner erwiesen haben. Dank den vielen schönen Begegnungen war mir die Abteilung für Neuere Geschichte der Universität Bern Arbeitsort und Zufluchtsort zugleich. Ein besonderer Dank gebührt Meike Knittel, die sich die Mühe gemacht hat, alle Kapitel meiner Arbeit in einer ersten Version aufmerksam gegenzulesen. Samuel Weber hat Teile des Manuskripts lektoriert. Seinen Kommentaren und seiner profunden Kenntnis der italienischen und römischen Geschichte verdankt die Studie viel.

Der letzte Dank führt mich zurück zu den Ursprüngen. Ungeachtet aller Entbehrungen auf dem heimischen Hof haben mich meine Eltern und meine Brüder auf einem durchaus nicht selbstverständlichen Bildungsweg immer bedingungslos unterstützt. Ohne diesen uneingeschränkten und selbstlosen Rückhalt wäre die vorliegende Arbeit nicht zustande gekommen. In tiefer Dankbarkeit widme ich dieses Buch meiner Familie.

Bern, im Januar 2018

Philipp Zwyssig

1. Einleitung

1.1. Täler voller Wunder? Thematische Annäherung

Im Jahr 1654 lag die Frau von Giovanni Pietro Toscano aus Mesocco mit schweren Geburtswehen im Bett, ohne dass sie entbinden konnte. Weil sie sich bereits dem Tod nahe wähnte, ließ sie den Priester Antonio Maria Laus († 1664) zu sich rufen, der ihr die Beichte abnahm und sie dem heiligen Filippo Neri empfahl. Augenblicklich danach gebar sie Zwillinge, was von den Zeugen als wahres Wunder gedeutet wurde.1 Ob auch der Kapuziner Francesco Maria da Vigevano († 1692) zu Lebzeiten solche Wunder bewirkt hat, ist nicht bekannt. Sicher ist dagegen, dass nur ein Tag nach seinem Tod am 10. Juni 1692 in Savognin ein bis dahin blindes Mädchen wie durch ein Wunder wieder sehen konnte, was auf die himmlische Fürsprache des Kapuziners zurückgeführt wurde.2 Den Erkenntnissen der volkskundlichen Grundlagenforschung zufolge waren dies nur zwei von unzähligen Wundern, die sich im 17. und 18. Jahrhundert in den Drei Bünden zugetragen haben sollen. Die von 1938 bis 1955 schweizweit durchgeführte Inventarisierung von Votivgaben hat nämlich ergeben, dass es in Graubünden vergleichsweise viele Kirchen und Kapellen gab, für die wundersame Gebetserhörungen dokumentiert sind.3 Und tatsächlich legen die in der vorliegenden Arbeit aus einem breiten Quellenfundus zusammengetragenen Hinweise auf mirakulöse Begebenheiten den Schluss nahe, dass es sich bei den Tälern der Drei Bünde mitsamt ihren Untertanengebieten im Süden um Täler voller Wunder gehandelt haben muss (siehe die Karte, Abb. 1).

Wie kam es, dass im rätischen Alpenraum des 17. und 18. Jahrhunderts so viele Wunder geschahen? Auf diese Frage möchte die vorliegende Studie eine Antwort geben. Gleichwohl sollen nicht diese Wunder an sich im Zentrum der Untersuchung stehen. Welche Arten von Wundern die frühneuzeitlichen Menschen kannten, welche Weltbilder ihnen zugrunde lagen und wie sich der Umgang mit ihnen vom Mittelalter bis zum Beginn der Moderne veränderte, hat die Forschung in den letzten Jahrzehnten akribisch herausgearbeitet.4 Dass Wunder, verstanden als »mit der Naturkausalität nicht erklärbare Ereignisse«5, eine zentrale Rolle spielten in einer Welt, die als von Gott erschaffen und gelenkt verstanden wurde,6 ist weder überraschend noch fehlt eine Fülle an Forschungsliteratur, die dies belegt.7 Blickt man aber etwas genauer auf die Gesellschaften, in denen sich Wunder ereigneten, so stellt man fest, dass die Existenzgrundlage beziehungsweise der Wahrheitsgehalt von Wundern doppelt verankert war: einmal im Himmel und einmal auf der Erde. Im Himmel, weil Wunder Ausdruck des göttlichen Eingreifens in die Welt waren; auf der Erde, weil sich kirchliche Institutionen ausbildeten, die den Menschen Mittel und Wege zur Wundererfahrung aufzeigten (Sakramente, Sakramentalien, Gebete etc.), weil sich kulturelle Praktiken der Interpretation und Dokumentation von mirakulösen Ereignissen etablierten (Votivgaben, Mirakelbücher, Prodigiensammlungen etc.) und weil Kriege, Hungersnöte, Krankheiten und andere prekäre Alltagserfahrungen die Menschen stark auf ein wundertätiges Eingreifen einer höheren Macht hoffen ließen.8 Es brauchte also bestimmte irdische Rahmenbedingungen, damit sich die Wundertätigkeit Gottes in einer gewissen Regelmäßigkeit offenbaren konnte: Es brauchte Kirchen, die sich als Vermittler der »Gnaden- und Wunderkraft«9 Gottes in Szene setzten, ebenso wie für Wunder empfängliche Laien, und es brauchte außerdem eine religiöse Kultur, die die individuelle Wundererfahrung ins Zentrum stellte. Vor dem Hintergrund dieser Zusammenhänge wird verständlich, dass eine historische Untersuchung, die Wunder und Wundererfahrungen zum Ausgangspunkt nimmt, weit mehr leisten kann als eine bloße Geschichte des Wunderglaubens: Sie vermag das Gesamtbild einer auf religiösen Grundsätzen und Denkmustern beruhenden (vormodernen) Gesellschaft zu schärfen.10

Genau darum soll es in der vorliegenden Arbeit gehen: Um das differenzierte Gesamtbild einer katholischen Gesellschaft im Alpenraum, genauer gesagt in den Drei Bünden und den ihnen unterstellten Talschaften Veltlin, Bormio und Chiavenna. Dieses Bild blieb in der bisherigen Forschung ziemlich einseitig auf den lokalen historischen Kontext sowie auf die kirchenrechtlichen Besonderheiten eingeschränkt.11 Nur am Rande wurde auf personelle, kulturelle und kirchenpolitische Beziehungen zu Frankreich, Österreich, dem Herzogtum Mailand und der Eidgenossenschaft hingewiesen,12 der Einfluss der römischen Kurie blieb fast ganz ausgeklammert.13 Dies erstaunt umso mehr, als außer Frage steht, dass die katholische Kirche im nachtridentinischen Verständnis eine über territoriale Grenzen hinweg verflochtene und von der römischen Kurie maßgeblich mitbestimmte Kultgemeinschaft sein wollte. Dass dieses Selbstverständnis nicht ohne Auswirkungen auf Kultur und Religiosität einer lokalen katholischen Gesellschaft blieb, ist plausibel, wurde in der neueren historischen Forschung aber kaum thematisiert.14 Angesichts dessen setzt sich die vorliegende Arbeit zum Ziel, am Beispiel des rätischen Alpenraums eine katholische Verflechtungsgeschichte zu schreiben, das heißt auf die für eine katholische Gesellschaft der Frühen Neuzeit so typischen Formen der großräumigen Vernetzung hinzuweisen.

Dass eine solche Verflechtungsgeschichte gerade für die Eigenheiten der katholischen Gesellschaft der Drei Bünde großes Erklärungspotenzial haben kann, zeigen die beiden eingangs erwähnten Wundertäter. Antonio Maria Laus und Francesco Maria da Vigevano wiesen zwar ganz unterschiedliche Hintergründe auf: Der eine war ein Weltpriester, der andere gehörte dem Orden der Kapuziner an; der erste stammte aus dem Bündner Südtal Misox, der zweite war Italiener und somit ein Landesfremder. Dennoch gab es ein Element, das die beiden Figuren miteinander verband: Beider Leben war geprägt vom Wechsel zwischen unterschiedlichen Lebenswelten und dem Versuch, eine Mittlerposition zwischen verschiedenen kulturellen, kirchlichen und politischen Einflusssphären einzunehmen. Antonio Maria Laus studierte ab 1636 am Collegio Urbano in Rom, trat dort dem Oratorium des Filippo Neri bei, wurde danach von der Propagandakongregation als »apostolischer Missionar« in seine Heimat beordert und wurde schließlich zum Domherrn des Churer Hochstifts ernannt.15 Er pflegte regelmäßige Briefkontakte mit dem päpstlichen Nuntius in Luzern, mit dem Sekretär der Kurienkongregation de Propaganda Fide sowie mit dem Vorsteher des römischen Oratoriums und reiste mehrere Male nach Rom, um an der Kurie persönlich die Erfolge seiner Mission im Misox zu schildern. Francesco Maria da Vigevano aus der Mailänder Kapuzinerprovinz war seit den 1630er-Jahren bis zu seinem Tod 1692 als Missionar im Oberhalbstein tätig, reiste aber zeitweilig in seine Heimatprovinz sowie nach Innsbruck und Rom, wo er an den Höfen die Anliegen der Kapuzinermission und der Bündner Katholiken zur Sprache brachte.16 Diese biografischen Fakten wären für die Fragestellung dieser Arbeit nicht weiter relevant, hätten die beiden Figuren mit ihren Vermittlungsleistungen nicht einen entscheidenden Einfluss auf die Frömmigkeitskultur in den von ihnen betreuten Gemeinden beziehungsweise Talschaften ausgeübt. Francesco Maria da Vigevano ließ in fast allen Ortschaften im Oberhalbstein neue Kirchen errichten, die er dank Spenden aus Mailand kostbar ausstattete. Er beschaffte Heiligenreliquien bei italienischen Bischöfen, gründete Laienbruderschaften und übersetzte den italienischen Katechismus von Roberto Bellarmino (1542–1621) ins Rätoromanische17. Schon zu Lebzeiten von den Oberhalbsteinern als eine heiligmäßige Person angesehen, stand er nach seinem Tod aufgrund der ihm zugeschriebenen Wunder im Mittelpunkt eines lokalen Gnadenkultes; und noch heute zeugt eine an der Frontseite der Kirche St. Martin in Savognin angebrachte Gedenktafel (Abb. 28) von der großen Verehrung, die der Kapuziner genoss. Nicht minder beliebt dürfte Antonio Maria Laus bei den Katholiken im Misox gewesen sein. Auch ihm wurde ein Lebenswandel eines Heiligen bescheinigt.18 Die Frömmigkeitskultur prägte er entscheidend mit, indem er Oratorien nach römischem Vorbild gründete, Kirchen erbaute sowie in Rom Reliquien und die beim Volk äußerst beliebten, vom Papst gesegneten und mit einem Ablass versehenen Devotionalien (Rosenkränze, Kreuzchen, Agnus Dei etc.) besorgte. Damit nahm Laus Einfluss nicht nur auf die kirchengebundene Glaubenspraxis, sondern ebenso auf die alltägliche, in den eigenen vier Wänden praktizierte Laienfrömmigkeit. Die Religiosität der Bündner Katholiken, ihre lokalspezifischen Kulte und selbst ihre individuellen religiösen (Wunder-)Erfahrungen waren folglich zu einem guten Teil mitbestimmt von den grenzübergreifenden Austausch- und Transferprozessen, welche Francesco Maria da Vigevano, Antonio Maria Laus und andere Protagonisten in Gang setzten. Anders als es die kirchenrechtliche Autonomie der Bündner und Veltliner Kirchgemeinden a priori vermuten lässt,19 machten sich auf der Ebene der gelebten Religiosität womöglich bisher nicht beachtete, weit über den lokalen Kontext hinausreichende kulturelle, institutionelle und finanzielle Verflechtungen bemerkbar. Sie und ihre Auswirkungen auf die lokale Glaubenswelt im 17. und 18. Jahrhundert sollen im Zentrum der vorliegenden Studie stehen. Ihre Untersuchung setzt eine Zusammenführung verschiedener Forschungsfelder voraus, die sich in der neueren Forschung zum frühneuzeitlichen Katholizismus etabliert haben, bisher aber weitgehend ohne gegenseitige Bezugnahme geblieben sind.

1.2. Lokale Religion, hybride Glaubensformen und der »lange Arm Roms«: Erkenntnisse und Perspektiven der Forschung zum frühneuzeitlichen Katholizismus

Während Mirakelgeschichten und andere Zeugnisse von Gebetserhörungen lange Zeit fast ausschließlich von der »religiösen Volkskunde«20 als Objekte der Forschung betrachtet wurden, hat sich das Interesse an religiösen Wundern in den letzten Jahrzehnten auch in der Geschichtswissenschaft Bahn gebrochen. Historiker haben erkannt, dass sich aus Wundergeschichten, obgleich sie stets narrativen Konventionen und Erzählintentionen folgten,21 Einsichten in die praktizierte Religiosität und die religiöse Alltagswelt frühneuzeitlicher Individuen gewinnen lassen.22 Gewichtigen Anteil an diesem neuerwachten Forschungsinteresse hatte die Auseinandersetzung mit der von Heinz Schilling und Wolfgang Reinhard formulierten Konfessionalisierungsthese.23 In bewusster Abgrenzung zu deren obrigkeitszentrierten Perspektive auf die Normierung und Uniformierung religiöser Verhaltensweisen formierten sich Forschungsfelder, die den unbestrittenen (qualitativen) Wandel von Kirchlichkeit und Religiosität in der Frühen Neuzeit dort nachzuvollziehen versuchten, wo er sich tatsächlich auch praktisch bemerkbar machte, nämlich in den einzelnen Kirchgemeinden und in den Lebens- und Erfahrungswelten der Menschen.24

Diese forschungsgeschichtliche Entwicklung führte zunächst zu einem besseren Verständnis der (kollektiven) Glaubenspraxis. Für Spanien, Frankreich, Italien und den süddeutschen Raum ist aufgezeigt worden, dass veräußerlichte Formen der Glaubensmanifestation auch in der nachtridentinischen Ära allgegenwärtig waren,25 obschon im Zuge der katholischen Reform universale und verinnerlichte religiöse Wissensbestände über die orts- und objektgebundene Religiosität gestellt wurden.26 Lokalspezifische Heiligenpatronate, Festtage, Prozessionen und Bruderschaften waren nach wie vor fester Bestandteil der religiösen Kultur und gehörten zur Selbstvergewisserung kommunaler Gemeinwesen dazu. In diese kommunale Religiosität miteinbezogen wurden neben den jeweiligen Pfarrkirchen und örtlichen Heiligtümern mitunter auch Kapellen und religiöse Kleindenkmäler (Wegkreuze, Bildstöcke etc.), ferner auch die Natur, etwa in Form sogenannter »heiliger Bäume«.27 Damit prägten örtliche Besonderheiten und weit zurückreichende Kulttraditionen das religiöse Leben in den Kirchgemeinden, ungeachtet der universalisierenden Tendenzen des nachtridentinischen Katholizismus. Vor diesem Hintergrund hat man der tridentinisch erneuerten Kirche ein »Vollzugsdefizit«28, der lokalen Gesellschaft dagegen einen von der Kirchengeschichte ebenso wie von der Konfessionalisierungsforschung unterschätzten Einfluss auf die Ausbildung einer »katholischen« beziehungsweise »konfessionellen Identität«29 bescheinigt. Darüber noch hinausgehend haben Studien zur sogenannten »Volksfrömmigkeit«30 auf Formen der »Widerständigkeit«31 des »Volkes« gegen »obrigkeitlich verordneten Glaubenszwang«32 und religiöse Disziplinierung aufmerksam gemacht, sodass sich insgesamt ein Bild eines spannungsreichen Verhältnisses zwischen dem auf Gemeindeebene praktizierten Glauben und den von der römischen Konfessionskirche vertretenen Frömmigkeitsidealen ergab. Während diese Schlussfolgerung vor allem aus der Untersuchung kollektiver Glaubensmanifestationen resultierte, relativierten kulturhistorische Studien zur (individuellen) religiösen Alltagspraxis indessen die grundsätzliche Unvereinbarkeit von älteren lokalen und neuen, tendenziell universalen Formen katholischer Religiosität. Zwei Themenkomplexe haben sich als erkenntnisleitend herausgestellt: die katholische Mission und die kultische Verehrung von als heilig erachteten, aber nicht (oder noch nicht) heiliggesprochenen Personen.

Forschungen zur sogenannten »inneren« (also innerkatholischen) Mission haben zunächst ans Licht gebracht, wie akribisch sich Akteure des tridentinisch erneuerten Katholizismus mit der Religiosität der ländlichen Bevölkerung in Europa auseinandergesetzt haben. Insbesondere die Jesuiten eigneten sich einen reichhaltigen Wissensbestand über lokalspezifische Glaubensvorstellungen und Frömmigkeitstraditionen an.33 Indem sie von »unseren Indianern« sprachen, deuteten sie an, dass ihnen die Glaubenswelt auf dem Lande teilweise ebenso fremd vorkam wie diejenige nichtchristlicher Religionen, die sie von den Missionen in Übersee kannten.34 Wie in China oder in Nord- und Südamerika versuchten sie bestmöglich auf die lokalen religiösen Eigenheiten Rücksicht zu nehmen, um die reformkatholischen Frömmigkeitsideale der Laienbevölkerung vermitteln zu können. Das von der Missionsforschung neuerdings vielfach besprochene Ergebnis waren hybride und synkretistische Glaubensformen, hervorgegangen aus Strategien der »Aneignung« von und »Anpassung« an lokale religiöse Traditionen.35 Vor diesem Hintergrund schien es angebracht, von einer Vielfalt des Katholischen beziehungsweise vom Christentum als »lokaler Religion«36 auszugehen und die »traditionelle Sicht einer geschlossenen, einheitlichen, von oben gelenkten […] römischen (›papistischen‹) Kirche«37 aufzugeben. Folgerichtig ist die neueste Forschung dazu übergegangen, die frühneuzeitlichen Konfessionskirchen weniger als starre, homogene Blöcke zu beschreiben, sondern vielmehr auf die Heterogenität der Konfessionskulturen38 sowie auf religiöse Grenzüberschreitungen verschiedenster Art39 aufmerksam zu machen.

Den Blick für die Lokalität und Hybridität religiöser Praktiken geschärft haben zweitens auch Studien zu katholischen Kulten, in deren Mittelpunkt charismatische, als heilig erachtete Personen aus dem nahen Umfeld standen. Wie sie zeigen konnten, gab es in der Frühen Neuzeit neben den offiziellen Heiligen- und Seligenverehrungen eine Vielzahl lokalspezifischer Personenkulte.40 Dabei lag meistens ein in der lokalen Gesellschaft verankertes, (spät)mittelalterliches Verständnis von Heiligkeit vor, das im Sinne einer »instrumentellen Heilserwartung«41 die Heiligmäßigkeit einer Person daran maß, inwiefern sie als Vermittler zum Transzendenten aufzutreten fähig war. Das entscheidende Kriterium für die Heiligkeit war nicht so sehr die tugendhafte und »christusnahe«42 Lebensführung, wie es das nachtridentinische Heiligkeitsmodell eigentlich vorsah,43 sondern vielmehr die konkrete Wirkmächtigkeit der Heilsvermittlung, etwa die Fähigkeit, mit jenseitiger Hilfe Krankheiten heilen zu können. Nach dem Tod dieser »lebenden Heiligen« war die Verehrung kaum von den kirchlich approbierten Heiligenkulten zu unterscheiden: Es zirkulierten Reliquien, die Grabstätten wurden zum Pilgerort und zuweilen fanden die entsprechenden Kultpraktiken sogar ihren Platz im kirchlich-liturgischen Rahmen.44 Trotz eines regelrechten Aktionismus unter Papst Urban VIII. (1623–1644), der strenge Richtlinien für die Verehrung heiligmäßiger Personen erließ und die Nuntien ermahnte, Missbräuche dem Heiligen Offizium anzuzeigen,45 duldete die römische Kirche solche lokalen Kulte um »im Ruf der Heiligkeit« (fama sanctitatis) stehende Figuren oft stillschweigend, sodass in der Frühen Neuzeit parallel zu kirchlich sanktionierten immer auch nicht oder nur bedingt kirchengebundene katholische Kultformen existierten.

In seiner praktizierten Form war der katholische Glaube in der Frühen Neuzeit damit stets lokal eingebettet, das heißt er orientierte sich an orts- und gesellschaftsspezifischen Frömmigkeitstraditionen, Bedürfnislagen und (religiösen) Normvorstellungen. Diese lokalen Spielarten katholischer Religiosität haben in der neueren Forschung zu Recht große Aufmerksamkeit gefunden, weil sie aufzuzeigen vermochten, dass die nachtridentinische Glaubenswelt mitnichten ausschließlich das Resultat einer obrigkeitlich initiierten religiösen Disziplinierung war, wie dies vor allem Kirchen- und Konfessionalisierungshistoriker angenommen hatten.46 Allerdings hat der eine oder andere Historiker dabei die lokalen Komponenten in der Glaubenspraxis zulasten universal-katholischer Elemente überzeichnet. Zuweilen wurde vergessen, dass in der vor Ort praktizierten Religiosität auch romgebundene Kulte und Glaubenspraktiken eine zentrale Rolle spielten. Viele frühneuzeitliche Katholiken, wie stark sie sich auch mit dem religiösen Brauchtum ihrer unmittelbaren Lebenswelt identifizieren mochten, betrachteten den Papst (in zunehmendem Maße) als oberste Instanz der kirchlichen Heilsvermittlung; den von ihm gesegneten Sakramentalien schrieben sie eine besonders hohe Heils- und Heilungswirkung zu. Eine Pilgerreise nach Rom war nach wie vor – und vielleicht sogar wie nie zuvor47 – ein anzustrebendes Ziel eines erfüllten religiösen Lebens;48 die Nachfrage nach päpstlichen Ablässen49 und römischen Katakombenheiligen50 war enorm hoch.51 Der katholische Glaube in der Frühen Neuzeit war damit nicht nur lokal eingebettet, sondern zugleich auch translokal verflochten, das heißt er war eingebunden in ein gesamtkatholisches, von Rom ausgehendes System der Heilsvermittlung, ermöglicht durch eine grundlegende »Neujustierung symbolischer Ressourcen am päpstlichen Hof«52, die sich seit dem späten 16. Jahrhundert in einem intensiver werdenden informellen und materiellen Austausch zwischen dem römischen Zentrum und den »lokalen Kirchen«53 bemerkbar machte.

Schon früher als andere Fürstenhöfe bildete die päpstliche Kurie innovative, weitgehend zentralisierte Verfahren zur Durchsetzung von Herrschafts- und Kontrollansprüchen auch über territoriale Grenzen hinweg aus. Sie tat dies, indem sie das Potenzial nutzte, das in der Doppelrolle von weltlicher Herrschaft und spirituellem Primat steckte.54 Das unter Sixtus V. (1585–1590) neugeordnete Kongregationswesen verstärkte den römischen Zugriff auf die lokalen Kirchen (zunächst in Italien), etwa mittels Prüfungsverfahren zur Ernennung von Bischöfen und strikten Dispensregelungen für deren Residenzpflicht.55 Papst Gregor XV. (1621–1623) unterstellte die weltweite Missionstätigkeit – zumindest dem Anspruch nach – der römischen Kontrolle;56 Urban VIII. (1623–1644) etablierte die 1588 gegründete Ritenkongregation als über allen Lokalkirchen stehende Autorität von Heiligsprechungen;57 und das seit 1542 bestehende Heilige Offizium wachte streng über die papsttreue Auslegung der Glaubenslehre, indem es von Rom abhängige lokale Inquisitionstribunale einrichtete58. Mit diesem institutionellen Ausgreifen in die Kirchenprovinzen hinein setzte eine kommunikative Verdichtung zwischen dem römischen Zentrum und den Außenposten der römisch-katholischen Kirche ein, die zwar nur ansatzweise erforscht ist,59 die aber so manche Berührungspunkte mit den zeitgleichen, von Markus Friedrich jüngst untersuchten Zentralisierungstendenzen im Jesuitenorden aufweisen dürfte. Der »lange Arm Roms«zeigte sich demnach in »bürokratischen«60 Verfahren der Informationsbeschaffung und im Anspruch der Ordenskurie, möglichst genau über die Verhältnisse in den Provinzen informiert zu sein. Neben der praktischen Funktion, nämlich der Schaffung einer wissensbasierten Entscheidungsgrundlage, besaß das zentralisierte Sammeln und Verwalten von Information auch eine »symbolische Dimension«61: Gegenüber untergeordneten Hierarchiestufen ließ sich so der römische Suprematieanspruch bekräftigen, etwa indem vorgegeben wurde, über welche Instanzenwege, mit welcher Regelmäßigkeit und in welcher Form sich diese zwingend an die römische Kurie zu wenden hatten.62

Wenngleich also außer Frage steht, dass Rom im Verlauf des 17. Jahrhunderts den Zugriff auf die kirchliche Peripherie mit neugeschaffenen Institutionen intensivierte, sind Zweifel an der Reichweite dieser Zentralisierungsbestrebungen angebracht.63 Wie Christian Windler am Beispiel der Persienmission aufzeigt, waren die Kurienkongregationen nur dann in der Lage, ihren Suprematieanspruch auch wirklich geltend zu machen, wenn sie von den Akteuren in der Peripherie de facto angegangen wurden. Andernfalls waren die Handlungsfreiheiten weitab von Rom beträchtlich, »sogar in Schlüsselfragen der Orthodoxie und Orthopraxie«64. Der »lange Arm Roms«, um bei der Metapher von Markus Friedrich zu bleiben, vermochte sich also nur in die Kirchenprovinzen zu erstrecken, falls ihm die Akteure vor Ort – seien es Bischöfe, Missionare oder Pfarrgemeinden – die Hand dazu reichten.65 Zweckdienlich schien diesen Akteuren die Appellation an die römischen Institutionen vor allem dann, wenn sich damit die eigenen Interessen gegen den Widerstand lokaler Konkurrenten durchsetzen ließen. Analog zu weltlichen Herrschaftsverbänden schmälerte die vom Zentrum ausgehende Herrschaftsintensivierung damit die Handlungsmacht subalterner Akteure und Instanzen keineswegs, sondern eröffnete ihnen gleichsam neue Handlungsspielräume.66 Angesichts dessen ist auch für die kirchlichen Zentrum-Peripherie-Beziehungen von vielschichtigen Verflechtungen zwischen unterschiedlichen Handlungsebenen auszugehen. Während in weltlichen Herrschaftsverbänden solche Verflechtungen über die Distanz vor allem personeller Natur waren,67 kannte die Papstkirche als religiöse Institution weitere Mittel der großräumigen Verflechtung. Weil ihre Wirkweisen bisher kaum bekannt sind, setzt sich die vorliegende Studie zum Ziel, die vielschichtigen Beziehungsstränge zwischen Rom als dem Zentrum der katholischen Christenheit und den lokalen Kultgemeinschaften auszuleuchten. Erkenntnisinteresse und analytisches Instrumentarium einer solchermaßen erweiterten katholischen Verflechtungsgeschichte gilt es nachfolgend zu skizzieren.

1.3. Katholische Verflechtungsgeschichte: Entwurf eines integrativen Erklärungsmodells

Katholische Verflechtungen sollen in der vorliegenden Arbeit jene Beziehungen von einer gewissen Dauer und Verbindlichkeit heißen, die mittels typisch katholischer Ressourcen die verschiedenen lokalen Glieder der römisch-katholischen Kirche zu einem erkennbaren Zusammengehörenden verbanden. Art und Intensität dieser Beziehungen lassen sich zunächst durchaus mit dem von Wolfgang Reinhard für den Kirchenstaat entwickelten Verflechtungsmodell beschreiben.68 Verflechtungen stellten sich demnach ein über personale Bindungen wie Verwandtschaft, Freundschaft, Patronage oder Landsmannschaft und verfestigten sich über materiellen und immateriellen Austausch innerhalb dieser Beziehungsnetze. Nimmt man aber das Papsttum nicht nur als Herrschaftsverband, sondern als weit über Italien hinausreichende religiöse Kultgemeinschaft in den Blick, so muss dieser personale Verflechtungsansatz um zwei wesentliche Aspekte ergänzt werden.69 Erstens muss der Bindungstyp der Patronage auch auf Institutionen ausgedehnt werden, denn auch Kurienkongregationen wie die Propaganda Fide konnten gegenüber untergeordneten Akteuren oder lokalen Kultgemeinschaften als Patron auftreten.70 Zweitens ist zu bedenken, dass die durch Einzelpersonen oder Gruppen hergestellten Verflechtungen auf der symbolischen Ebene auch über die effektive Dauer des anfänglichen Beziehungsverhältnisses hinaus wirksam bleiben konnten:71 Während personale Beziehungskanäle an die Kurie etwa für die Beschaffung von Reliquien aus den römischen Katakomben oder für die vom Papst gewährten Ablässe und Bruderschaftsprivilegien zweifelsohne unabdingbar waren, traten diese personalen Verflechtungen in der kultischen Handlung mit ebendiesen Reliquien und Ablässen in den Hintergrund. Was dabei auf lange Sicht jedoch evident blieb, war der symbolische Aspekt der Rombindung: Gerade die Ablässe machten den Einfluss Roms auch in der entferntesten Provinz deutlich, denn die Gnade des Sündenstrafennachlasses konnte nur der Papst gewähren, entsprechende Ablässe ausstellen nur die von ihm dazu eingesetzten Kirchengremien.72 Diesbezüglich haben wir es also mit spezifisch katholischen Formen der Verflechtung zu tun, die im ekklesiologisch-theologischen Profil der tridentinisch erneuerten Kirche73 begründet lagen: In ihrer heilsvermittelnden Position bestätigt, verfügte die nachtridentinische Kirche über einen reichen Schatz an Gnadenmitteln (Thesaurus ecclesiae), mit dessen Hilfe sie in der Lage war, die verstreuten Kultgemeinschaften in die katholische Gesamtkirche einzubinden. Diese Vorgänge der Verflechtung, die daran beteiligten Akteure sowie die Auswirkungen dieser Verflechtungsprozesse auf die lokalen Kultgemeinschaften werden in der vorliegenden Studie untersucht.

Eine katholische Verflechtungsgeschichte, wie sie mit der vorliegenden Arbeit geschrieben werden soll, kommt dem Versuch gleich, die in der neueren Forschung vor allem in ihren lokalen Zusammenhängen untersuchten »Frömmigkeitskulturen«74, verstanden als Ensemble von Glaubensvorstellungen, Glaubenspraktiken und materieller Kultur, in ein integratives Erklärungsmodell einzupassen. Integrativ soll das Erklärungsmodell aus zwei Gründen heißen:75 Auf der analytischen Ebene sollen erstens kulturgeschichtliche Betrachtungen zur lebensweltlichen Bedingtheit von Religiosität zusammengeführt werden mit bisher an Außen- und Herrschaftsbeziehungen erprobten Beschreibungen von grenzüberschreitenden »Interdependenzgeflechten«76(Integrativ I). Zweitens wird auf einer inhaltlichen Ebene von einer sich durchaus auch räumlich manifestierenden Integration lokaler Kultgemeinschaften in ein von Rom ausgehendes, gesamtkatholisches System der Heilsvermittlung ausgegangen (Integrativ II). Aus dieser doppelten Fokussierung ergeben sich Konsequenzen für die Anlage der Studie, die es in den nachfolgenden Abschnitten zu erläutern gilt.

Integrativ I

Der Rahmen der Untersuchung ist insofern eng gesteckt, als letztlich die Grundtendenzen des kirchlich-religiösen Lebens und Erlebens in einem geographisch kleinräumigen Gemeinwesen im Alpenraum im Zentrum stehen. Um diese lokale Glaubenswelt besser zu verstehen, genügt es jedoch nicht, nur nach den lokalspezifischen Traditionen und den lebensweltlichen Kontexten zu fragen: Studien insbesondere aus dem Forschungsfeld der neueren Missionsgeschichte haben nämlich gezeigt, dass katholische Glaubensformen in der Frühen Neuzeit stets sowohl von lokalen Kultpraktiken als auch von den innovativen Frömmigkeitsstilen der tridentinisch erneuerten Kirche geprägt waren. Über die lokalen Zutaten dieser Mischformen weiß die historische Forschung recht viel, zumal mehrfach schon rekonstruiert wurde, an welche lokalen religiösen Weltbilder sich Jesuiten, Kapuziner oder andere katholische Reformakteure anpassten.77 Demgegenüber möchte die vorliegende Arbeit stärker auch die universal-katholischen Elemente in den Fokus rücken und fragen, wie diese die lokalen Frömmigkeitskulturen mitformten. Interessieren soll einerseits der Versuch kirchlicher Akteure, die religiöse Kultur im rätischen Alpenraum mittels Symbolressourcen der Papstkirche an das römische Kultverständnis anzugleichen. Andererseits sollen die Handlungsspielräume lokaler Akteure, die analog zu weltlichen auch in kirchlichen Zentrum-Peripherie-Konstellationen bestanden, Beachtung finden. Konkret ist zu fragen, inwiefern es vonseiten der lokalen Kultgemeinschaften nicht auch ganz bewusst zu einer Übernahme von nachtridentinischen Frömmigkeitsstilen kam. Hierfür muss geklärt werden, welchen Mehrwert die kultische wie institutionelle Anbindung an die römische Kirche mit sich bringen konnte: Welchen Nutzen vermochten die Bündner und Veltliner Katholiken aus ihrer Zugehörigkeit zu einer sich als universal verstehenden und von Rom maßgeblich mitbestimmten Kultgemeinschaft zu ziehen? Inwiefern fanden sie darin Mittel und Wege, um ihre Heils- und Heilungsbedürfnisse zu befriedigen, für die es auf engstem Raum auch alternative Angebote aus Medizin, »Volksmagie«78 und nicht zuletzt vonseiten der protestantischen Kirche gab? Was mit solchen Fragen zur Diskussion steht, ist die von verschiedenen – nicht bloß von kirchlichen oder obrigkeitlichen – Akteursgruppen angestrebte Einbindung in eine konfessionell definierte Kirchlichkeit, womit gleichzeitig die Frage aufgeworfen wird, ob Phänomene der kulturell-religiösen Grenzziehung in der Frühen Neuzeit womöglich nicht doch wichtiger und tiefgreifender waren, als dies die neuere Forschung zur »Interkonfessionalität« und »Transkonfessionalität«79 behauptet hat – auch und gerade in einem bikonfessionellen Gemeinwesen wie den Drei Bünden.

Eine solche Fragestellung verlangt einen Untersuchungsgegenstand, mit dem sowohl lokale Praktiken des Sakralen als auch die römisch-katholische Kirche als heilsvermittelnde Institution ins Blickfeld geraten. Möglich wird dies mit den sogenannten »Gnadenorten«, mit jenen Kirchen und Kapellen also, »bei denen Gebetserhörungen dokumentiert sind durch Votiv- und Weihegaben oder Mirakelbilder, -bücher, -protokolle, [und] auch Ablasstermine«80. An Gnadenorten manifestieren sich individuelle Erfahrungen mit dem Sakralen, was noch etwas deutlicher aus den äquivalenten französischen und italienischen Begriffsbildungen »sanctuaire« und »santuario« hervorgeht.81 Ein »Heiligtum«, oder eben ein »santuario«, zeichnet sich demnach aus durch eine außergewöhnliche Qualität des Sakralen82, die bezeugt ist durch Wunder, die dort geschehen oder dokumentiert sind. Ein »santuario« wird von den Menschen aus freien Stücken83 und mit einem ganz bestimmten Ziel aufgesucht,84 meistens »in der Hoffnung, dass sich ein Wunder manifestiert«85, oder aus Dankbarkeit für eine bereits erfahrene Gnade.86 Die Dokumentationen von Gnadenorten geben folglich Aufschluss über die individuellen Beziehungen der Gläubigen zum Transzendenten, über die religiösen Praktiken, mit denen diese Beziehungen eingegangen, aufrechterhalten und aktualisiert wurden, und nicht zuletzt über die Heils- und Heilungsbedürfnisse der Menschen.87 Gleichzeitig werden an Gnadenorten kirchliche Umgangsformen mit dem Sakralen sichtbar. Viele Gnadenorte wurden von Ordensgeistlichen errichtet, betreut und mit Wundern beworben.88 Darüber hinaus waren die größeren unter ihnen mit von Rom gewährten geistlichen Privilegien, allen voran mit Ablässen, ferner mit Reliquien römischer Märtyrer oder mit Zweigstellen römischer Erzbruderschaften ausgestattet.89 Gnadenorte sind daher, wie Alexandra Walsham betont, nicht nur aus heutiger Sicht als Schnittstellen zwischen der vor- und der nachtridentinischen Religiosität zu betrachten, sondern sie wurden bereits von den Vorkämpfern der katholischen Reform dazu benutzt, um die instrumentellen Heilserwartungen älterer Formen von Kirchlichkeit in das reformkatholische Kultangebot zu integrieren.90 Sie eignen sich deshalb besonders gut, um die Eingebundenheit lokaler Glaubenswelten in die römisch-katholische Gesamtkirche zu untersuchen.

Es ist nicht das Ziel dieser Arbeit, eine Geschichte der Gnadenorte im rätischen Alpenraum zu schreiben. Es soll nicht um die historische Entwicklung einzelner Gnadenorte, auch nicht um ihre Stellung innerhalb der lokalen Kirchenorganisation gehen.91 Vielmehr dienen die vielen Gnadenstätten in den Drei Bünden und im Veltlin als Ausgangspunkt für die Untersuchung lokaler, aber trotzdem in weiträumige Bezugssysteme eingebundener Kultpraktiken. Was diese Kultpraktiken anbelangt, so haben die Quellenrecherchen ergeben, dass die Gnadenorte als Orte der Wunderbezeugung zwar von zentraler Bedeutung waren, darüber hinaus sich aber die Gnadenerlebnisse und die mit ihnen verbundenen religiösen Handlungen größtenteils in der alltäglichen Lebenswelt abspielten. In Anbetracht dessen muss das gehäufte Aufkommen und die »ausgesprochen dezentrale Struktur der Gnadenorte«92 im rätischen Alpenraum seit der Zeit um 1600 auch mit Veränderungen in der räumlichen Konzeption von Sakralität93 zu erklären versucht werden.

Integrativ II

Die Blütezeit der Gnaden- und Wallfahrtsorte von ca. 1600 bis zum ausgehenden 18. Jahrhundert,94 die zugleich den Untersuchungszeitraum dieser Studie absteckt, fiel bezeichnenderweise mit dem »Auftreten neuer Vorstellungen der Beziehungen zwischen Himmel und Erde«95 zusammen. Dieser Wandel im religiösen Weltbild machte sich, so eine der Hauptthesen der vorliegenden Studie, in einer zunehmenden sakralen Durchdringung der Lebenswelt bemerkbar: Im Verlaufe des 17. Jahrhunderts griff die Sphäre des Sakralen96 über die Gotteshäuser hinaus, was individuelle Erfahrungen mit dem Transzendenten auch im Alltag möglich machte. Wir haben es hier mit einer räumlichen Konzeption von Sakralität zu tun, die aus der »Katholischen Reform«97 hervorging und die auf der Vorstellung beruhte, dass sich (überall) innerhalb der katholischen Einflusssphäre ein besonderes Beziehungsfeld zwischen Himmel und Erde aufspannt, in dem Gott erfahr- und erlebbar wird. Räume waren und sind, wie die neuere sozial- und kulturwissenschaftliche Forschung mit Nachdruck betont, keine physischen Tatsachen, sondern sie sind als sozial generiert und praktiziert zu verstehen.98 Vorstellungen und Wahrnehmungen von Raum formieren sich nach zeittypischen Ordnungsvorstellungen und in bestimmten sozialen und kulturellen Kontexten.99 Räume können, müssen sich aber nicht entlang geographischer oder politischer Demarkationslinien entfalten. Folglich ist es naheliegend, dass auch die römische Konfessionskirche mit ihrer theologisch-dogmatischen Weltsicht und ihrer hierarchischen Ordnungsstruktur ein ihr eigenes Raumverständnis aufwies und Räume konstituierte, die sich über alle lokalen Kirchenglieder hinweg erstreckten.100 Wir werden im Verlaufe der Untersuchung sehen, dass die Sakralität, also die sicht- und erlebbare Präsenz des Göttlichen auf Erden, ein konstitutives Element dieser reformkatholischen Raumauffassung war: Nur dort, wo die heilsvermittelnde Kirche präsent war, konnte sich ihr zufolge das Eingreifen Gottes in die Welt manifestieren, sodass von Gott bewirkte Wunder implizit das Gnadenterritorium beziehungsweise den Einflussbereich der Papstkirche absteckten. Es ist daher sinnvoll, sich die in der Zeit nach dem Konzil von Trient angestrebte Einbindung »kirchlicher Peripherien«101 auch als Integration in diese Sphäre des Sakralen vorzustellen. Oder anders formuliert: Es gilt in Betracht zu ziehen, dass die Schaffung einer als sakral wahrgenommenen Lebenswelt, in der von Gott bewirkte Wunder zur religiösen Alltagserfahrung dazugehörten, von römischer Seite bewusst als Strategie der (räumlichen) Einbindung von katholisch-konfessionellen Rand- und Grenzzonen eingesetzt wurde. In diesem Sinne ist die katholische Verflechtung als räumliches Ineinandergreifen und somit als kulturell-religiöses Pendant zur »territorialen Integration«102 frühneuzeitlicher Staatsgebilde zu verstehen.

Räumliche Konstellationen wie die eben bezeichnete sind nicht starr, sondern Dynamiken unterworfen, wie insbesondere Susanne Rau in ihrem methodisch-theoretischen Aufriss einer historischen Raumanalyse betont: Räume verändern sich »unter dem Einfluss von Menschen, die sich diese Räume aneignen, sie gestalten, anders anordnen, gegebenenfalls auch wieder auflösen«, wobei es »bei räumlichen Dynamiken […] immer auch um Fragen der Macht (wer ist an solchen Prozessen beteiligt?) und der Durchsetzung«103 geht. Für die Untersuchung räumlicher Verflechtungsprozesse katholischen Zuschnitts bedeutet dies, dass wir in einem ersten Schritt diejenigen Akteure identifizieren müssen, die die katholische Gesellschaft und Kultur im rätischen Alpenraum mitzubestimmen und mitzuformen in der Lage waren (2. Translokaler Katholizismus):104 Welche Rolle spielten von Rom eingesetzte Institutionen und Akteure? Inwiefern zeigten katholische Fürstenhäuser Interesse an den lokalen religiösen Verhältnissen? Und welche Handlungsmacht besaßen die örtlichen Pfarrgemeinden? Nachdem dies geklärt ist, kann in einem zweiten Schritt nachgezeichnet werden, wie im Zusammenspiel dieser Akteure materielle und symbolische Güter (Gotteshäuser, Reliquien, Gnadenbilder, Ablässe etc.) zu Räumen angeordnet wurden, in denen sich das Eingreifen Gottes in die Welt manifestieren konnte (3. Barocke Gnadenlandschaften). Zu fragen ist dabei zunächst nach der konfessionspolitischen Relevanz dieser räumlichen Aneignungs- und Gestaltungsprozesse: Inwieweit konnte die römisch-katholische Kirche so ihre heilsvermittelnde Macht inszenieren? Und inwiefern ließ sich dadurch das konfessionelle Grenzgebiet stärker in die römisch-katholische Amtskirche einbinden? Daran anschließend sollen in einem dritten und letzten Schritt die Rückwirkungen dieser derart gestalteten Räume auf die Menschen und ihr religiöses Handeln in den Mittelpunkt rücken (4. Ökonomien des [Un]Heils): Welchen Nutzen zogen die Gläubigen aus der Einbindung in die als sakral erscheinende römisch-katholischen Einflusssphäre? Wie eigneten sie sich diese sakralen Lebensräume an und inwiefern waren sie dadurch in der Lage, die barocke Gnadenlandschaft mitzugestalten? Im Verbund werden diese drei analytischen Perspektiven zu einem Gesamtbild der katholischen Gesellschaft im rätischen Alpenraum führen, das die Kirche als heilsvermittelnde Institution ebenso wie die praktizierte Laienreligiosität, nebst kirchenpolitischen Entwicklungen auch die Frömmigkeitskultur und schließlich sowohl die lokalen Kultgemeinschaften als auch externe Einflusssphären berücksichtigt.

1.4. Der rätische Alpenraum als Fallbeispiel: Inhalt, Quellengrundlage und Aufbau der Studie

Im Vergleich zu anderen Regionen wies der rätische Alpenraum in der Frühen Neuzeit einige Besonderheiten auf, die ihn als paradigmatischen Testfall für historische Erklärungsmodelle geradezu prädestinieren. Dies gilt erstens für die politische Ordnung, die seit dem landesrechtlichen Zusammenschluss des Gotteshausbundes, des Grauen Bundes und des Zehngerichtenbundes zu den sogenannten Drei Bünden 1524 zwar gemeinsame Institutionen kannte (Bundestage, Beitage, Syndikatur für die gemeinsamen Untertanengebiete), gleichzeitig aber den einzelnen Gerichtsgemeinden weitgehende Selbstverwaltungskompetenzen zubilligte, womit hier ein nahezu idealtypisches Exempel eines kommunalistisch-republikanischen Gemeinwesens vorliegt.105 Dies gilt zweitens auch für die »starke Konfessionalisierung von Glaubenspraxis und Politik«, die sich trotz »weitgehend fehlender Staatsbildung«106 in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts bemerkbar machte und der Historikerzunft die Grenzen des obrigkeitszentrierten Konfessionalisierungsparadigmas aufgezeigt hat. Auch für die in der vorliegenden Arbeit zur Diskussion stehende Frage nach den Möglichkeiten und Grenzen der Einbindung lokaler Gesellschaften in die gesamtkatholische Kultgemeinschaft erweist sich der rätische Alpenraum als ideales Fallbeispiel, und dies aus nachfolgend bezeichneten, Kirche und Konfession betreffenden Eigentümlichkeiten.

Die Rechte zur Ernennung von Pfarrern sowie die Verwaltung des Kirchenvermögens lagen in den Drei Bünden seit den zweiten Ilanzer Bundesartikeln von 1526 faktisch bei den Gemeinden. Damit hatte sich die bereits im Spätmittelalter abzeichnende Kommunalisierungstendenz im kirchlichen Bereich verfassungsrechtlich festgeschrieben.107 Im gleichen Zug erfolgte die weitgehende Ablösung der bischöflichen Herrschafts- und Jurisdiktionsrechte; die Besetzung von Kirchenämtern mit Landesfremden wurde verboten. Auch im Veltlin regelten die Gemeinden das kirchliche Leben nahezu autonom, zumal die herrschenden Drei Bünde den Zugriffsmöglichkeiten des Bischofs von Como Schranken setzten.108 Insgesamt war im rätischen Alpenraum damit die Kontrolle über Kirchenressourcen ausgesprochen dezentral und lokal organisiert, was sich auch in einer »massiven Vermehrung der Zahl der Kirchgemeinden in der Frühen Neuzeit«109 niederschlug.

Vergleichsweise früh kam es in den Drei Bünden zu einer rechtlichen Anerkennung der konfessionellen Koexistenz. Ein Bundestagsbeschluss im März 1526 hielt fest, dass es grundsätzlich »jedermann« innerhalb der Drei Bünde freistehe, sich für eine der beiden Konfessionen (nicht aber für das Täufertum oder andere »Sekten«) zu entscheiden.110 Diese rechtliche Garantie begünstigte ein rasches Ausbreiten der evangelischen Bewegung, sodass bis um 1600 annähernd zwei Drittel der Gemeinden protestantisch wurden.111 Katholisch blieben die Gemeinden im Misox, Calancatal, Valsertal und Oberhalbstein, mehrheitlich auch im Val Lumnezia und im Albulatal. Im Domleschg waren die Gemeinden Cazis und Tomils von Protestanten umgeben; Ilanz und Waltensburg bildeten protestantische Inseln inmitten der katholischen Surselva. Im Puschlav (Poschiavo) und in der Umgebung von Chur bildeten sich gemischtkonfessionelle Gemeinden aus. Im Verlaufe des 16. Jahrhunderts entstand so insgesamt eine heterogene Konfessionslandschaft, in der Kontakte mit der anderen Konfession zum Alltag dazugehörten – ein Umstand, der den Drei Bünden die Aufmerksamkeit der päpstlichen Kurie garantierte.

Im Veltlin und den beiden Grafschaften Bormio und Chiavenna, die seit der Eroberung von 1512 von den Drei Bünden als Untertanengebiete verwaltet wurden, scheiterte die versuchte Einführung der Bikonfessionalität am starken Widerstand der lokalen Elite, die sich auch und gerade über die katholische Konfession von der Bündner Herrschaft abzugrenzen versuchte. Daraus entwickelte sich die konfliktreiche Konstellation, dass ein von protestantischen Gemeinden dominiertes Gemeinwesen über katholische Untertanen regierte.112 1620 kam es zum sogenannten Veltliner Protestantenmord, in dessen Folge das Veltlin seine Unabhängigkeit proklamierte. 1639 wurden die Herrschaftsverhältnisse zwar wiederhergestellt, zugleich aber die protestantische Konfession im ganzen Veltlin verboten, was aus römisch-katholischer Sicht die Bündner Untertanengebiete zur letzten Bastion des Katholizismus vor dem protestantischen Norden werden ließ.113

Neben der päpstlichen Kurie zeigten auch die katholischen Großmächte ein reges Interesse an den Vorgängen im rätischen Alpenraum. Bedingt war dies zum einen durch dessen geostrategische Bedeutung: Die Bündner Pässe bildeten eine der wichtigsten Nord-Süd-Verbindungen und ermöglichten insbesondere für die Habsburger schnelle Truppenverschiebungen von den deutschen in die italienischen Reichsteile.114 Andererseits war die Intervention fremder Fürsten zu einem guten Teil konfessionspolitisch motiviert: So inszenierte sich Spanien als Schutzmacht der katholischen Veltliner und auch Frankreich war stets bemüht, die konfessionelle Regeltreue der eigenen Außenpolitik unter Beweis zu stellen. Dies führte zu einem auch auf der religiös-symbolischen Ebene ausgetragenen Wettstreit um (politischen) Einfluss im rätischen Alpenraum, der seinen Höhepunkt in den kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Frankreich und Spanien im Veltlin – einem Nebenschauplatz des Dreißigjährigen Krieges – erlebte.115

Externe Einflüsse waren schließlich auch ausschlaggebend für die Gegenreformation und die katholische Reform im Bistum Chur. So kam etwa die (allerdings nur teilweise und kurzzeitige) Restitution der bischöflichen Jurisdiktionsrechte 1623 unter militärischem Druck Österreichs zustande.116 Und für erste Reformen von Seelsorge und Domkapitel zeichneten im letzten Viertel des 16. Jahrhunderts der Mailänder Erzbischof Carlo Borromeo sowie die päpstlichen Nuntien verantwortlich. Durch die Missionsarbeit der unter dem Patronat der Kurienkongregation de Propaganda Fide stehenden Kapuziner aus den italienischen Ordensprovinzen änderte sich zudem das kirchliche Leben in den Pfarreien grundlegend.117

In Bezug auf die kirchlich-religiösen Verhältnisse im rätischen Alpenraum lassen sich in dieser kursorischen Gesamtschau zwei auf den ersten Blick gegenläufige Grundtendenzen erkennen: eine dezentrale, selbstbestimmte Organisation des kirchlichen Lebens auf der einen Seite, eine weitgehende Einflussnahme externer Akteure und Institutionen auf der anderen Seite. Dass nicht die eine oder andere Kraft allein die katholische Kultur und Gesellschaft zu prägen vermochte, dürfte klar sein. Frömmigkeitskultur und Glaubenspraxis im rätischen Alpenraum sind irgendwo in diesem Kräftefeld zwischen lokaler Selbstbezogenheit und externen Einflussfaktoren anzusiedeln. Wo genau, ist eine empirische Frage, der es in den drei Hauptteilen der vorliegenden Arbeit nachzugehen gilt.

Im ersten Hauptkapitel »Translokaler Katholizismus« (2.) werden wir sehen, dass weder die katholische Kultur und Gesellschaft im Allgemeinen noch die mit weitreichenden Befugnissen ausgestatteten Kirchgemeinden im Besonderen selbstreferentielle Systeme waren. Durch die Auswertung bisher noch nicht systematisch erforschter römischer Quellenbestände (vor allem im Archiv der Propaganda Fide118) sowie des Aktenmaterials der Mailänder und Brescianer Kapuzinermission119 wird es möglich sein, die ganze Bandbreite großräumiger Vernetzungen auszuloten (2.2.). Sodann wird gezeigt, dass sich seit dem ersten Viertel des 17. Jahrhunderts eine zunehmende kommunikative Verdichtung zwischen Rom und dem rätischen Alpenraum einstellte (2.3.). Durch die so aufgebauten Kommunikationszusammenhänge entstanden neue Interdependenzen, die für lokale Akteure einerseits neue Handlungschancen boten, gleichzeitig aber die angestammten Mechanismen (etwa der Pfarrwahl) vor große Herausforderungen stellten (2.4.).

Im zweiten Hauptkapitel »Barocke Gnadenlandschaften« (3.) richtet sich der Blick auf die Frömmigkeitskultur, die sich unter dem Vorzeichen der großräumigen Verflechtung im rätischen Alpenraum zu formieren begann. In zeitgenössischen Abhandlungen über einzelne Wallfahrtsorte und Heiligenkulte, in Bruderschafts-, Andachts- und Liederbüchern120 sowie in anderen Erzeugnissen lokalen Erzählguts121 lassen sich Glaubensmanifestationen entdecken, die teils für dauerhafte, teils für temporäre Verbindungen zwischen Himmel und Erde sorgten und so ein sakrales Umfeld schufen, in dem die Wahrscheinlichkeit eines göttlichen Gnadenerweises – sei es eine mirakulöse Heilung, sei es ein anderes Wunder – besonders hoch schien (3.2.). Es wird zu zeigen sein, dass diese sakrale Vereinnahmung der Landschaft alles andere als interessenfrei vor sich ging: Kapuziner, Jesuiten und andere Verfechter des tridentinisch erneuerten Katholizismus versuchten so einerseits, die ostentative Präsenz der römischen Bekenntniskirche im gemischtkonfessionellen rätischen Alpenraum zu erhöhen und die katholisch gebliebenen Täler noch stärker in den kulturellen Einflussbereich des katholischen Italiens zu ziehen. Andererseits bot eine sakralisierte Landschaft, in welcher sich allenthalben von Gott bewirkte Wunder zutrugen, eine geeignete Bühne für die innerkatholische Mission – das heißt für die Vermittlung von konfessionell festgelegten Frömmigkeitsidealen (3.3.).

Dass es trotz dieser konfessionspolitischen Absichten verfehlt wäre, die Ausgestaltung der barocken Gnadenlandschaft allein kirchlichen Akteuren zuzuschreiben, zeigt das dritte Hauptkapitel »Ökonomien des (Un)Heils« (4.). Die hierfür ausgewerteten Mirakelgeschichten – überliefert einerseits in gedruckten Mirakelbüchen122, andererseits in Akten von Informativprozessen123 – geben Einblicke in die praktizierte Religiosität der Laien, in ihre spirituellen Bedürfnisse und in die Möglichkeiten, prekäre Lebenssituationen mit religiösen Praktiken zu bewältigen. Zu fragen ist einerseits, inwiefern sich diese Möglichkeiten im rätischen Alpenraum aufgrund der verstärkten Einbindung in das Gnadenterritorium der römischen Kirche vervielfältigten und welche Dynamiken sich dabei einstellten (4.2.). Andererseits soll der Umgang der Institution Kirche mit lokalen Adaptionen von wunderversprechenden Kultformen interessieren, zumal diese die kirchliche Deutungshoheit über das Sakrale tendenziell infrage zu stellen drohten (4.3.). Denn wie gut auch immer sich die Kirche in der barocken Gnadenlandschaft als heilsvermittelnde Institution zu inszenieren vermochte, waren Wunder (der zeitgenössischen Weltdeutung zufolge) am Ende dennoch allein von der göttlichen Fügung abhängig und konnten sich potenziell auch in Bereichen und in Verbindung mit Personen oder Gegenständen einstellen, für die die kirchliche Lehrmeinung keine solche vorsah. Für die um eine formalisierte Kontrolle des Sakralen bemühte nachtridentinische Kirche offenbarte sich darin die ganze Ambivalenz einer barocken Frömmigkeitskultur, die einerseits der alltäglichen Lebenswelt ein demonstrativ katholisch-konfessionelles Gepräge zu verleihen vermochte, andererseits aber gerade dadurch den Bereich des Sakralen in der Tendenz über den kontrollierbaren Bereich der Gotteshäuser hinaus erweiterte.

Das Bild, das in der vorliegenden Arbeit von der katholischen Gesellschaft im rätischen Alpenraum gezeichnet wird, ist ein Bild voller Kontraste und Divergenzen, voller scheinbarer Widersprüche und Gegenläufigkeiten, deren scharfe Konturen bei genauer Betrachtung mehr und mehr verschwimmen: Obwohl sich die Einflussnahme auswärtiger Akteure und Institutionen im Verlaufe des 17. und 18. Jahrhunderts intensivierte, werden wir sehen, dass dies nicht zwangsläufig zu einer Einschränkung lokaler Handlungsspielräume führte, im Gegenteil: Den örtlichen Kultgemeinschaften konnten sich unter Umständen neue Wege eröffnen, die eigenen Interessen gegen lokale Widerstände, insbesondere gegen den zuständigen Bischof, durchzusetzen. Auf der anderen Seite werden wir erkennen, dass die von Vertretern des erneuerten Katholizismus angestrebte Sakralisierung der Lebenswelt zwar das Deutungsmonopol der Kirche über das Sakrale partiell verwässerte, gleichzeitig aber auf diese Weise eine stärkere Einbindung des rätischen Alpenraums in die römische Amtskirche möglich wurde. Und schließlich werden wir feststellen, dass es trotz – oder vielleicht gerade wegen – der ostentativ bewusst gemachten konfessionellen Andersartigkeit und kulturell-religiösen Abgrenzung der Konfessionskirchen immer auch Lebensrealitäten gab, bei denen die Überschreitung und Durchlässigkeit konfessioneller Grenzen zum Alltag dazugehörten. Was diese dialektischen Wechselbeziehungen betrifft, so ist das in der vorliegenden Arbeit skizzierte Bild vom rätischen Alpenraum nicht unähnlich den Gemälden Caravaggios (1571–1610), die mit dem kontrastreichen Wechsel von Licht und Dunkelheit einzelne Wesensmerkmale des Dargestellten deutlich hervortreten lassen, dabei jedoch immer auch Ambivalenzen vor Augen führen, etwa, wenn durch den Einfall des Lichts dem nur allzu Profanen eine Aura des Sakralen verliehen wird.124 Gerade solche Ambivalenzen waren – jetzt über die Barockmalerei hinaus gedacht – für eine Institution wie die katholische Kirche, die als irdische Institution im Sinne des Prinzips extra ecclesiam nulla salus für sich beanspruchte, jenseitiges Heil vermitteln zu können, bezeichnend. Indem in der vorliegenden Arbeit deutlich wird, wie mit profanen Mitteln (etwa Kirchenbau, Beschaffung von Gnadenbildern, Ausstellung von Ablässen etc.) das Sakrale in der Welt verankert und über Wunder erfahrbar gemacht, zugleich aber mit der Sakralität der Heilsvermittlung auch ausgesprochen profane Macht- und Geltungsansprüche der Kirche artikuliert werden konnten, kann das Fallbeispiel des rätischen Alpenraums einen Beitrag leisten zum besseren Verständnis jener Mechanismen, die die einzelnen katholischen Kultgemeinschaften in der Frühen Neuzeit – so unterschiedlich diese auch sein mochten – zu einer universalen Kirchengemeinschaft verflochten.

1PAL, APF vol. 34, fol. 283–287: Antonio Maria Laus und Taddeo Bolzoni an die Propagandakongregation, Rätien [sic], 09.03.1654, hier fol. 283 f.

2PfASav, B 1/13: Memora [sic] per il M[olto] R[everendo] P[adre] Francesco Maria da Vigevano Predicatore Capuccino di quelle cosse [sic], che sono sucesse [sic] dopo la sua morte, che fù l’anno 1692 alli 10 di Giugno et sepolto alli 11 del sodetto, [1692–1698].

3Laut Baumann, Bestandesaufnahme, 26 f., weist nur gerade das Tessin eine höhere, und Freiburg eine ähnlich hohe Dichte an sogenannten Gnadenorten auf. Wie noch zu zeigen sein wird, erlauben die erhalten gebliebenen Votivgaben aber nur ungefähre Rückschlüsse auf die tatsächliche Bedeutung von Wunderglauben und Wunderpraktiken.

4Zur historischen Entwicklung des christlichen Wunders siehe Angenendt, Das Wunder; Signori, Wunder; zur geistesgeschichtlichen Einordnung des frühneuzeitlichen Wunderverständnisses siehe Daston/Park, Wunder; Daston, Marvelous Facts. Zum Wunderglauben katholischer Spielart und zum Umgang der Kirche damit siehe Walsham, Miracles; Wirtz, Wunder; Vidal, Miracles; Parigi, Rationalization of Miracles.

5Thiessen, Kapuziner, 330.

6Vgl. Scribner, Reformation and Desacralisation.

7Vismara Chiappa, Miracoli settecenteschi; Habermas, Wallfahrt; Sangalli, Miracoli a Milano; Burkardt, Les clients des saints; Sodano, Il miracolo; Mauelshagen, Wunderkammer; Hitz, Campell; Lobenwein, Wallfahrt, insbes. 92–98; Brugger, Gedruckte Gnade.

8Mit der Arbeit von Balzamo, Les miracles, liegt neuerdings eine Studie vor, die auf überzeugende Weise die meisten dieser Aspekte berücksichtigt. Alle anderen soeben genannten Untersuchungen beschränken sich auf einen Teilbereich, etwa auf den kirchlichen Umgang mit Wundern oder auf die Heilsbedürfnisse und Wundererlebnisse der Menschen.

9Troeltsch, Art. »Kirche, III. Dogmatisch«, Sp. 1150, versteht die Vermittlung der »Gnaden- und Wunderkraft« als Grundelement aller christlichen Kirchen, unabhängig von ihrer Konfession.

10Eindrücklich gezeigt hat dies auch Luzzatto, Padre Pio, für das 20. Jahrhundert.

11Insbesondere bei Saulle Hippenmeyer, Nachbarschaft. U. Pfister, Konfessionskirchen, kommt das Verdienst zu, erstmals einen umfassenden Überblick über das konfessionelle Zeitalter in Graubünden vorgelegt zu haben, wobei die neusten Erkenntnisse der sozial- und kulturgeschichtlich erweiterten Konfessionalisierungsforschung miteingeflossen sind. Pfisters Fokus liegt auf der organisatorischen Ausbildung von Konfessionskirchen, der konfessionalisierten Glaubenspraxis, der Kirchenzucht und den Konfessionskonflikten. Über den lokalen Kontext hinausreichende Beziehungsstränge kommen dabei (quellenbedingt) nur am Rande zur Sprache (so etwa ebd., 247–253). Gleiches gilt für die nach wie vor detailreichste Studie zum Bistum Chur im 16. und 17. Jahrhundert von Fischer, Reformatio, wenngleich sich hier viele Hinweise auf solche grenzübergreifende Beziehungen finden lassen. Ältere Studien verfolgten primär einen ereignis- oder kirchengeschichtlichen Zugang mit starkem Fokus auf die kirchenrechtlichen und religiös-kulturellen Besonderheiten (insbes. die zahlreichen Studien von Iso Müller und Felici Maissen; siehe neben vielen anderen I. Müller, Abtei Disentis, 3 Bde.; F. Maissen, Drei Bünde). Ähnliches lässt sich für die Veltliner Geschichtsschreibung sagen, wobei hier stärker das kirchliche Leben in den einzelnen Pfarreien sowie die sogenannte »Volksreligiosität« thematisiert wurden (siehe u. a. Xeres, »Popoli pieghevoli […]«; Damiani, L’oratorio; Masa, Fra curati cattolici).

12Ansätze dazu finden sich bei I. Müller, Barocke Geistigkeit, insbes. 277–282; ders., Zum österreichischen Einfluss.

13Lediglich die Einflussnahme der Luzerner Nuntiatur auf die Kirchenpolitik des Churer Hochstifts fand in der Forschung punktuell Beachtung, etwa bei Fischer, Reformatio, 148–161, und U. Pfister, Konfessionskirchen, 161–168.

14Eine bemerkenswerte Ausnahme liegt für den schweizerischen Raum mit der Studie von Achermann, Die Katakombenheiligen, vor.

15Vgl. F. Maissen, Studenten am Kollegium de Propaganda Fide, 221 f. Die Verleihung des Kanonikats erfolgte gegen den Willen des Churer Bischofs und ist mit Laus’ guten Beziehungen zum Nuntius in Luzern und zur Propagandakongregation zu erklären (vgl. ders., Die drei Bünde, 291).

16Vgl. Willi, Kapuziner-Mission, 191; Zwyssig, Pfarreiseelsorge, 94 f.

17[Francesco Maria da Vigevano], Ductrina Christiana Curta fatgia per commond da N[oss] S[ignur] Papa Clemens VIII dal Eminent[issi]m Sig[nu]r Cardinal Roberto Bellarmin […], Chur 1703. Vgl. dazu Fischer, Reformatio, 394–396; Brunold, Geschichte der Pfarrei Savognin, 186.

18PAL, APF vol. 34, fol. 241 f.: Giovanni Giovanucci an N. N. (Kongregationskardinal), Rom, 05.07.1653: »[…] D. Antonio Maria Laus, qual mostra che arde di charità verso la santa fede, e conversion delle anime, e che è huomo santo […].«

19Vgl. Saulle Hippenmeyer, Nachbarschaft; U. Pfister, Konfessionskirchen, 39–54.

20Hersche, Religiöse Volkskunde.

21Habermas, Wunder; Brugger, Figuren; dies., Gedruckte Gnade.

22Siehe etwa Cousin, Le miracle et le quotidien; Thiessen, Kapuziner, insbes. 330–363; Sodano, Il miracolo.

23Für die Hauptthesen und Themenfelder der Konfessionalisierungsforschung sei hier auf den Sammelband von Reinhard/Schilling, Die katholische Konfessionalisierung, verwiesen (dort insbes. die Beiträge der beiden Herausgeber). Laut Hersche, Muße und Verschwendung, 63, hat sich das Konfessionalisierungsparadigma »als das größte Hindernis zur adäquaten Erkenntnis des frühneuzeitlichen Katholizismus im Barockzeitalter« erwiesen. Weniger scharfe Kritiken haben u. a. Greyerz, Religion und Kultur, 65–79, Holzem, Religion und Lebensformen, ders., Katholische Konfessionalisierung, und U. Pfister, Konfessionskirchen, 17–31, formuliert. Als Überblick über diese forschungsgeschichtliche Entwicklung eignet sich Holzem, Katholische Religiosität; für eine Forschungsbilanz siehe ferner die Sammelbände Büttgen/Duhamelle (Hrsg.), Religion ou confession; Brockmann (Hrsg.), Konfessionalisierungsparadigma.

24Impulsgebend war dabei vor allem der analytische Begriff der »Konfessionskultur«, der zunächst von Kaufmann, Dreißigjähriger Krieg, für den Protestantismus konzipiert wurde. In seiner konfessionsübergreifenden Erweiterung half er, »Akteure in ihren lebensweltlichen und symbolisch-kommunikativen Bezügen jenseits der schematischen Konfrontation von ›oben‹ und ›unten‹, ›Elite‹ und ›Volk‹, ›Staat‹ und ›Untertanen‹ bzw. ›Kirche‹« zu erfassen (Th. Maissen, Konfessionskulturen, 241).

25Christian, Local Religion; Luria, Territories of Grace, 106–202; Sallmann, Naples et ses saints, 65–95; Hersche, Italien im Barockzeitalter, 197–212; Brückner, Devotio und Patronage; Johnson, Magistrates, 271–291. Für den schweizerischen Raum dürfte Ähnliches gelten, doch ist er in dieser Hinsicht bislang kaum erforscht. Der Dissertation von Daniel Sidler, Heiligkeit aushandeln, kommt hier das Verdienst zu, erstmals einen innereidgenössischen Überblick über die katholische Frömmigkeitskultur vom 16. zum 18. Jahrhundert vorgelegt zu haben.

26U. Pfister, Konfessionskirchen, 21, spricht von einer »steigenden Bedeutung des Wortes in der Glaubenspraxis«, die eng verbunden war mit einem »wachsenden Gewicht moralischer Handlungsanforderungen an die einzelnen Gläubigen«.

27Vgl. Forster, Catholic Revival, insbes. 72–75.

28Hersche, Muße und Verschwendung, 62. Siehe dazu auch ebd., 668–674. Während Hersche eine Rezeption der Konzilsbeschlüsse von Trient auf der Ebene der Diözesen und Gemeinden überhaupt verneint, geht die neuste Forschung von »kreativen Aneignungen« aus, »die bis zur völligen Umdeutung der ursprünglichen Beschlüsse gehen können« (Wassilowsky, Das Konzil von Trient, 17). Ausführlich dazu auch Fattori, Benedetto XIV.

29Forster, Catholic Revival, 12 f.

30Der Begriff »Volksfrömmigkeit« war Gegenstand intensiver Debatten (vgl. Smolinsky, Volksfrömmigkeit; Zardin, La »religione popolare«; Holzem, »Volksfrömmigkeit«). Einen ausgezeichneten Überblick über die »Frömmigkeitsforschung« gibt Lobenwein, Wallfahrt, 11–29.

31Smolinsky, Volksfrömmigkeit, 14.

32 Neugebauer-Wölk, Konstituierung historischer Religionsforschung, 8.

33Siehe dazu die klassische Studie von Châtellier, La religion des pauvres; ferner Majorana, Missionarius; Jendorff, Römischer Katholizismus, 125–128; Dompnier, L’histoire des missions; ders., Ricerche recenti. Für den schweizerischen Raum siehe Sieber, Jesuitische Missionierung, insbes. 152–193.

34Vgl. Prosperi, Tribunali, 551–649; Dompnier, La Compagnie de Jésus; ders., La France, 522–632; Sieber, Jesuitische Missionierung, 25–27.

35Die Literatur über die Missionsstrategien (»Akkommodation«, »Akkulturation« etc.) ist mittlerweile kaum mehr zu überblicken. Für eine neuere, wissenschaftstheoretisch orientiere Synthese, die bemerkenswerterweise auch die bisher kaum beachtete protestantische Mission miteinbezieht, siehe Gerbner, Theorizing Conversion. Stellvertretend für eine Fülle an innovativen Studien zur außereuropäischen Mission seien hier erwähnt: Standaert, Interweaving of Rituals; Leavelle, The Catholic Calumet; Amsler, Lord of Heaven. Für den europäischen Kontext siehe Sieber, Jesuitische Missionierung. Dass auch die innerkatholische »Alltagsreligiosität als Feld hybrider Praktiken und Weltdeutungen« verstanden werden muss, betont nachdrücklich Thiessen, Konfessionelle Identitäten, 122, die dabei evident werdende »Macht der Schwachen« ders., Intendierte Randständigkeit.

36Christian, Local Religion; Menegon, Christianity as a Local Religion. Siehe ferner die Beiträge in Martin/Nicholas (Hrsg.), Native Americans, Christianity.

37Hersche, Muße und Verschwendung, 112.

38Peter Hersche (ebd., 112–152) spricht von »verschiedene[n] Katholizismen«. Ähnlich argumentierte schon R. Reinhardt, Katholizismus und Katholizismen. Zum Begriff der »Konfessionskultur« siehe oben, Anm. 24.

39Siehe dazu die Beiträge in Greyerz et al. (Hrsg.), Interkonfessionalität; Pietsch/Stollberg-Rilinger (Hrsg.), Konfessionelle Ambiguität; ferner Siebenhüner, Glaubenswechsel; Greyerz, Religion, Magie und Konfession. Forschungsleitend waren vor allem Studien zu Konversionen und zum alltäglichen Umgang mit den »unsichtbaren Grenzen« (François, Die unsichtbare Grenze) in paritätischen Gesellschaften. Stellvertretend für eine Fülle an Literatur seien hier erwähnt Luria, Sacred Boundaries; Kaplan, Divided by Faith; Corpis, Crossing the boundaries.

40Vgl. Zarri, Le sante vive; dies., »Affetata santità«; Dinzelbacher, Heilige oder Hexen, 119–128; Burkardt, False Living Saint; Gentilcore, Healers and Healing, 156–176; Walsham, Miracles, 208–211; Mat’a, Heiligkeit und Betrügerei; Pellegrino (Hrsg.), Ordini religiosi; Brambilla, Corpi invasi, insbes. 61–66; Sidler, Heiligkeit aushandeln. Insbesondere seit der Öffnung des Archivs der römischen Inquisition haben zahlreiche Studien zu den Inquisitionsprozessen die Kenntnis solcher Personenkulte enorm bereichert, siehe etwa Malena, L’eresia; Modica, Infetta dottrina.

41Holzem, »Volksfrömmigkeit«, 263.

42Burschel »Imitatio sanctorum«, 250; ders., Sterben und Unsterblichkeit, 217.

43Vgl. Zarri, »Affetata santità«, 53–57.

44Vgl. Sallmann, Naples et ses saints, insbes. 132, 331–367; Sodano, Il miracolo, 129–145; Ditchfield, »Coping with the Beati Moderni«, 436 f.; Copeland, Maria Maddalena de’ Pazzi, 66–82.

45Vgl. Gotor, beati del papa; Fiorelli, I sentieri dell’inquisitore, 48–55.

46Auf die obrigkeitliche Perspektive des Konfessionalisierungsparadigmas wurde bereits oben hingewiesen. Hier ist noch zu ergänzen, dass auch die italienische Forschung (v. a. zum Konzil von Trient, zur katholischen Reform in der Erzdiözese Mailand und zur Inquisition) den Fokus auf die »Disziplinierung« legte (siehe u. a. Niccoli, La vita religiosa, 123–161; Prodi, Il paradigma tridentino, 125–151; Prosperi, Eresie e devozioni, insbes. 335–370; Zardin, Carlo Borromeo).

47Laut Dompnier, Fortdauer der katholischen Reform, 243, lockten die Jubeljahre im 17. Jahrhundert bis zu 700 000 Pilger (im Jahr 1675) nach Rom – eine bis dahin nie erreichte Zahl. Siehe dazu auch Julia, L’accoglienza dei pellegrini, 828, dort mit Pilgerzahlen für das ospizio della Santissima Trinità di Pellegrini.

48Siehe Fosi, Fasto e decadenza, 799–803, sowie die Beiträge zu Rompilgern aus den Niederlanden, der Franche-Comté, aus Deutschland, Portugal und Frankreich in Boutry/Julia (Hrsg.), Pèlerins et pèlerinages. Für Beispiele aus dem rätischen Alpenraum siehe I. Müller, Bündner Fern-Wallfahrten, 34–41.

49Seit 1652 wurden die in Rom ausgestellten Ablassurkunden für Laienbruderschaften in einem zentralen Register erfasst. Die Auswertung dieser Quelle durch französische Historiker hat ergeben, dass die meisten Ablässe (bis zu 600 pro Jahr) in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts ausgestellt wurden (Froeschlé-Chopard, Indulgences et confréries, 79–85; dies., Dieu pour tous, 168–171). In geographischer Hinsicht konnte ein Ausgreifen über den mediterranen Raum hinaus beobachtet werden: Während im 17. Jahrhundert bis zu 80 Prozent der ausgestellten Ablassurkunden nach Frankreich, Spanien und Italien gingen, verschob sich der Fokus im 18. Jahrhundert auf Mittel- und Osteuropa. Man hat dies mit dem Verlauf der katholischen Erneuerung zu erklären versucht (vgl. ebd.).

50Vgl. Achermann, Die Katakombenheiligen; Johnson, Holy Fabrications; Baciocchi/Duhamelle (Hrsg.), Reliques romaines.

51Wie Dompnier, Fortdauer der katholischen Reform, 216, treffend bemerkt, entwickelte sich Rom erst im 17. Jahrhundert »tatsächlich zum Haupt der katholischen Christenheit«. Zu den Reliquien und Ablässen als Mittel der großräumigen Vernetzung fügt er an (ebd., 245): »Die Verbreitung von Reliquien und die Erteilung von Ablässen innerhalb der gesamten katholischen Christenheit verstärkten das Band zwischen den lokalen Kirchen und Rom. Dieser Prozess geschah nicht sichtbar, spielte sich aber im Hintergrund viel deutlicher ab, als es die Beziehungen auf institutioneller Ebene vermitteln konnten.«

52Zunckel, Ritus, 189.

53Tusor/Sanfilippo (Hrsg.), Papacy and the Local Churches.

54Die klassische Studie von Paolo Prodi, Il sovrano pontefice, spricht von einer »Klerikalisierung« des Kurienpersonals, die paradoxerweise zu einer zunehmenden Säkularisierung der Herrschafts- und Verwaltungsstrukturen geführt habe. Allerdings lassen neuere Studien Zweifel aufkommen, ob diese Normvorstellung überhaupt je an Praxisrelevanz gewonnen hat (vgl. insbes. Visceglia, Burocrazia). Neuere Studien betonen vor allem die personalen Verflechtungen des römischen Ausgreifens (siehe u. a. die Beiträge in Büchel/Reinhardt [Hrsg.], Modell Rom; Reinhard [Hrsg.], Römische Mikropolitik; Emich, Territoriale Integration).

55Zu diesen institutionellen Entwicklungen im Papsttum siehe Dompnier, Fortdauer der katholischen Reform, 232–240; Bireley, Refashioning of Catholicism, 63–69.

56Zu diesem Zweck wurde 1622 die Kurienkongregation de Propaganda Fide gegründet (vgl. Metzler, Foundation).

57Vgl. Papa, Le cause di canonizzazione, 61–63; Gotor, fabbrica dei santi; ders., beati del papa, insbes. 285–295; Copeland, Sanctity, insbes. 227–231; Rosa, Curia romana, 135–152; Emich, Roma locuta. Neben den Kanonisationsprozessen war die Ritenkongregation mit der verbindlichen Regelung des katholischen Ritus (Gottesdienst) betraut.

58Vgl. Seidel Menchi, Erasmus als Ketzer; Prosperi, Tribunali, insbes. 135–153; Siebenhüner, Bigamie und Inquisition, insbes. 22–27; für weiterführende Literatur siehe Zwyssig, Italien.

59Immerhin sind dank den Studien von Giovanni Pizzorusso die Grundzüge der grenzüberschreitenden Informations- und Wissensgenerierung der Kurienkongregation