Tante Dimity und das verzauberte Cottage - Nancy Atherton - E-Book
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Tante Dimity und das verzauberte Cottage E-Book

Nancy Atherton

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Beschreibung

Es ist Sommer in Finch, und das kleine englische Dörfchen kann sich über einen neuen Einwohner freuen, denn endlich hat jemand das lange leer stehende Cottage Weidenkätzchen gemietet. Jedoch erweist sich der neue Bewohner Crispin Windle als recht störrischer Zeitgenosse, der sich nicht in die Dorfgemeinschaft einbringen will. Lori lässt sich davon nicht einschüchtern und arrangiert ein zufälliges Treffen. Dabei entdecken die beiden eine geheimnisvolle überwucherte Ruine. Was hat es damit auf sich? Lori bittet Tante Dimity um Rat und kommt einem dunklen Kapitel in der Geschichte des Dorfs auf die Spur ...

Ein zauberhafter Wohlfühlkrimi für gemütliche Lesestunden. Jetzt als eBook und Taschenbuch bei beTHRILLED - mörderisch gute Unterhaltung.

"Kein anderer Krimi ist so liebenswert wie ein Tante-Dimity-Abenteuer!" (Kirkus Reviews)

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Inhalt

Cover

Grußwort des Verlags

Über dieses Buch

Titel

Widmung

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Epilog

Rezepte

Über die Autorin

Weitere Titel der Autorin

Impressum

Leseprobe

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Über dieses Buch

Es ist Sommer in Finch, und das kleine englische Dörfchen kann sich über einen neuen Einwohner freuen, denn endlich hat jemand das lange leer stehende Cottage Weidenkätzchen gemietet. Jedoch erweist sich der neue Bewohner Crispin Windle als recht störrischer Zeitgenosse, der sich nicht in die Dorfgemeinschaft einbringen will. Lori lässt sich davon nicht einschüchtern und arrangiert ein zufälliges Treffen. Dabei entdecken die beiden eine geheimnisvolle überwucherte Ruine. Was hat es damit auf sich? Lori bittet Tante Dimity um Rat und kommt einem dunklen Kapitel in der Geschichte des Dorfs auf die Spur ...

Nancy Atherton

Aus dem Amerikanischen von Barbara Röhl

Für Michael Atherton und Cindy Walter,

das verzauberte Paar

Kapitel 1

Niemand hätte den Little Deeping mit dem mächtigen Mississippi oder dem Nil verwechselt. Als kleinerer Nebenfluss der Themse war sein Quellgebiet eine bescheidene Wiese mit Pfützen, die aus einer plätschernden Quelle stammten. Gespeist von der Schneeschmelze, von Regenfällen und einem glitzernden Netz schmaler, namenloser Wasserläufe, erreichte der Bach als reißender Strom die Cotswolds, eine ländliche Oase, die von zahllosen Reiseführern als eine der malerischsten Landschaften Englands beschrieben wird.

Obwohl nie jemand einen Schaufeldampfer über den Little Deeping gelenkt oder eine Pyramide neben ihm errichtet hatte, war der Fluss seit Jahrhunderten ein Dreh- und Angelpunkt menschlicher Aktivität. Römer hatten Villen an ihm erbaut, Angelsachsen hatten Opfergaben in seinen Tiefen versenkt, und Wikinger hatten ihn mit ihren Drachenbooten erkundet. Im Mittelalter hatte man an einem mit Weiden bestandenen Flussabschnitt, der an dem kleinen Cotswolds-Dorf Finch vorbeifloss, eine einbogige Packesel-Brücke errichtet.

Mit seiner Buckelbücke, der normannischen Kirche und den Gebäuden aus goldfarbenem Stein war Finch äußerst malerisch. Seine Cottages und kleinen Läden umstanden den Dorfanger, ein lang gestrecktes, von einer Kopfsteinstraße umgebenes Oval, auf dem buschiges Gras wuchs. Der Pub, der Gemüseladen und der Gemischtwarenladen hoben sich als Silhouette vor einer ansteigenden Landschaft aus dunklen Wäldern und einem Flickenteppich aus Feldern ab, während hinter der Teestube, dem Pfarrhaus und der alten Dorfschule, die seit vielen Jahren als Gemeindesaal diente, die Auen begannen, die zum Flussufer hin sanft abfielen.

Finch lag in einer Biegung des Little Deeping, als schmiegte es sich in eine wässrige Armbeuge. Die Einwohner von Finch waren sich einig darüber, dass der Fluss nach einem nassen Winter lästig werden konnte, denn er pflegte die unhöfliche Gewohnheit, dann über die Ufer zu treten. Niemand hatte große Lust, überflutete Keller auszuschöpfen oder Treibgut aus nassen Gärten wegzuräumen, und die Farmer in der Gegend seufzten betrübt, wenn sie zusehen mussten, wie das strudelnde Wasser ihre gepflegten Felder überschwemmte.

Größtenteils jedoch betrachtete man den Little Deeping als Pluspunkt für die Gemeinde. Eine Vorschrift, nach der gefangene Fische sofort wieder freizulassen waren, hinderte die Angler von Finch daran, die Forellen, die sie an Land zogen, zum Abendessen zu verspeisen, kratzte aber nicht an ihrer Begeisterung für den Sport. Vogelkunde war so beliebt, dass fast jeder Dorfbewohner ein Fernglas zur Hand hatte, um die Reiher, Blesshühner und Stockenten, die am Little Deeping nisteten, sowie wie die gefiederten Freunde zu beobachten, die nur auf der Durchreise waren.

Der Fluss war zu kalt und seine Strömung zu stark, um Gelegenheitsschwimmer zu locken, doch ein paar abgehärtete Seelen wagten an heißen Sommertagen den Sprung.

So angenehm es war, eine müßige Stunde am Wasser zu verbringen, verloren die Dorfbewohner doch nie die Rolle aus dem Auge, die der Little Deeping bei der Förderung der hiesigen Wirtschaft spielte. Obwohl Opfergaben aus der Mode gekommen und die römischen Villen den Weg der Wikingerschiffe und Packpferd-Karawanen gegangen waren, hatte die zunehmende Beliebtheit von Wassersportarten eine kleine, aber stetige Flut von Kajak-‍, Kanu- und Paddelboot-Enthusiasten ins Dorf geführt. Der Zustrom der Freiluftfans war nicht überwältigend, reichte jedoch aus, um Finchs kleinen, zweizylindrischen Wirtschaftsmotor auf vollen Touren laufen zu lassen.

Eine bedeutende Anzahl feuchter und sonnenverbrannter Besucher kehrte nach einem langen Tag auf dem Fluss im Pub der Peacocks ein, um ein erfrischendes Bier zu trinken. Andere schwelgten in Sallys Teestube in ihrem köstlichen Gebäck. Mit ihren bunt zusammengewürfelten Tischen und Stühlen und den Teekannen und dem Geschirr, die ebenfalls nicht zusammenpassten, wirkte die Teestube ebenso unkompliziert wie entzückend.

Viele Besucher stockten ihr mitgebrachtes Picknick mit frischem Obst aus dem Gemüseladen auf, und noch mehr durchstreiften auf der Suche nach Sonnencreme, Insektenschutzmittel, Energieriegeln, Bungee-Schnur und allem, was sie sonst noch vergessen hatten, die Gänge von Taxman's Emporium, Finchs grandios benanntem Gemischtwarenladen. Wie die Dorfbewohner gern sagten, hielt der Fluss Finchs Geschäftsleben über Wasser.

Im Pub, der Teestube und im Emporium wurde auch eine äußerst begrenzte Palette von Produkten angeboten, die von lokalen Kleinunternehmern hergestellt wurden. Miranda Morrow, Finchs ortsansässige Hexe und renommierte Homöopathin, war auf eine Linie von Salben mit Kräuterauszügen spezialisiert, die sie aus den im eigenen Treibhaus gezogenen Heilpflanzen gewann. Felicity Hobson, eine pensionierte Lehrerin, verkaufte den Honig aus den Bienenkörben in ihrem Garten in Gläsern mit handgeschriebenen Etiketten. Elspeth Binney, Opal Taylor, Millicent Scroggins und Selena Buxton, ein betriebsames Quartett von Rentnerinnen mit künstlerischen Neigungen, produzierten einen stetigen Strom von Miniatur-Gemälden, die Flussszenen und besondere Landmarken des Dorfes darstellten. Die Souvenirs brachten kein Vermögen ein, ergänzten aber manch schmales Einkommen durch ein willkommenes Taschengeld.

Auch andere Unternehmen im Umkreis von Finch sahen dank der Verlockung des Flusses steigende Kundenzahlen. Broschüren, die für den hiesigen Reitstall warben, verlockten hartgesottene Frischluftfreunde, einem Vormittag am Fluss einen Nachmittag im Sattel folgen zu lassen und die Reitwege rund um Anscombe Manor zu erkunden, wo die Reitschule lag.

Emma Harris, die das Herrenhaus zusammen mit ihrem Mann Derek und ihrem großen Familienkreis bewohnte, hatte sich inzwischen an den Anblick von Autos mit tropfenden Kanus, Kajaks oder Paddelbooten auf dem Gepäckträger gewöhnt, die die geschwungene Auffahrt zum Haus hochkamen.

Die Kirche St. George's war weder wirklich eine Firma, noch hätte man sie als »Kleinunternehmen« bezeichnen können, doch auch sie profitierte von der Beliebtheit des Flusses. Eine erfreuliche Anzahl Freiluft-Abenteurer kam in die Kirche geschlendert, um die mittelalterlichen Wandmalereien zu bewundern oder einfach an einem mit Aktivitäten vollgepackten Urlaubstag einen ruhigen, besinnlichen Moment zu genießen. Ein paar kehrten auch ein, um nach einem von etwas zu viel Action erfüllten Tag Dank für ihre sichere Rückkehr zu sagen. Und kaum jemand davon ging, ohne ein Pfund oder mehr in den Opferstock zu werfen, entweder als Bezahlung für einen der von Lilian Bunting, der gelehrten Pfarrersfrau, verfassten Reiseführer oder als freundlichen Beitrag zur Instandhaltung der Kirche.

Während sich die große Mehrheit der Besucher von Finch tadellos benahm, machten sich ein paar schwarze Schafe zum Narren, nachdem sie länger im Pub gesessen hatten, als gut für sie war. Finch war viel zu klein für einen eigenen Dorfpolizisten und erst recht für ein Polizeirevier, doch seine Bewohner verfügten über zwei Geheimwaffen, auf die sie sich verlassen konnten, um Widerspenstige zur Ordnung zu rufen.

Die erste Verteidigungslinie bildete Peggy Taxman, eine beherzte Dame, die nicht ganz im Scherz als ungekrönte Kaiserin von Finch bekannt war. Peggy Taxman herrschte unangefochten über das Emporium, den Gemüseladen, die Poststelle und jede Komitee-Sitzung, die je in der alten Dorfschule stattgefunden hatte. Nachdem alle Dorfbewohner schon bei zahlreichen Gelegenheiten Zielscheibe von Peggys Wortkanonaden gewesen waren, vertrauten sie darauf, dass ihre beeindruckende Körperfülle, die gebieterische Art und Donnerstimme alle bis auf die kampflustigsten Plagegeister einschüchtern und augenblicklich ernüchtern würden.

Doch wenn Peggys stechender Blick und ihr lautes Schimpfen die gewünschte Wirkung verfehlten, ließ der Anblick Tommy Prescotts, der auf sie zuhielt, selbst die rauflustigsten Missetäter kuschen. Tommy war ein dreißigjähriger Armee-Veteran, der kürzlich nach Finch zu seinem Onkel gezogen war, dem allseits geachteten Allround-Handwerker Mr. Barlow.

Tommy war so groß, dass er sich fast vor jeder Tür in Finch bücken musste, um sich nicht den Kopf zu stoßen, und an seiner breitschultrigen, muskulösen Gestalt saß kein Gramm Fett. Bei einem Kampfeinsatz in Übersee hatte er durch eine Straßenbombe den linken Unterschenkel verloren, doch eine geniale Prothese erlaubte ihm, ein Fitnessprogramm zu verfolgen, das ihn in beeindruckender Weise in Form hielt.

Wer Tommy kannte, wusste, dass er in seinem Leben schon zu viel Gewalt gesehen hatte, um selbst Gewalt anzuwenden. Doch wer zum ersten Mal vor ihm stand, tat sein Bestes, um sich nicht mit ihm anzulegen. Wenn Tommy Prescott streitlustige Betrunkene aufforderte, in der Teestube eine Kanne starken Kaffee mit ihm zu trinken, wurden sie plötzlich lammfromm.

Meine Familie und ich brauchten uns allerdings nicht darauf zu verlassen, dass Peggy Taxman oder Tommy Prescott Betrunkene von unserer Türschwelle vertrieben, denn besagte Schwelle lag in sicherer Entfernung zum Pub. Wir lebten zwei Meilen außerhalb von Finch an einer schmalen, kurvenreichen und mit hohen Hecken bestandenen Straße. Wir brauchten uns auch keine Sorgen zu machen, der Little Deeping könnte in unseren Keller eindringen, da zwischen dem Fluss und dem honigfarbenen Cottage, in dem wir zu Hause waren, mehrere Morgen Ackerland lagen.

Obwohl mein Mann Bill und ich Amerikaner waren, ebenso wie unsere Zwillingssöhne und unsere Tochter, lebten wir schon seit über zehn Jahren in England. Bill leitete in einem Hightech-Büro mit Aussicht auf den Dorfanger die europäische Niederlassung der angesehenen Bostoner Anwaltskanzlei seiner Familie. Will und Rob, die elf waren, besuchten im nahen Marktflecken Upper Deeping die Morningside School; und ich jonglierte meine anspruchsvollen Aufgaben als Ehefrau, Mutter, Freundin, Nachbarin, überragende Klatschbase und Ehrenamtlerin in der Gemeinde.

Unsere Tochter Bess navigierte gerade die gefährlichen Wasser des Trotzalters. Bill und ich waren entzückt, als sie lernte, einen Ball zu werfen, aber nicht ganz so erfreut, als sie ihr neu erworbenes Können anwandte, um bei den Mahlzeiten händeweise Essen über den Tisch zu schleudern. Wenn wir sie mit einer Schachtel Buntstifte allein ließen, erklärte sie die Wände im Wohnzimmer zu ihrem Malbuch. Wenn sie die Kindersicherungen, die wir im ganzen Cottage installiert hatten, nicht öffnen konnte, führte das zu gigantischen Wutausbrüchen, die unseren seidig glänzenden schwarzen Kater in die Flucht schlugen.

Wenn Bess nicht gerade einen Trotzanfall hatte oder ihre Umgebung verwüstete, war sie allerdings ein kleiner Sonnenschein. Ihr Lächeln konnte das Herz des mürrischsten Griesgrams erweichen, ihr rasch wachsender Wortschatz erfüllte uns mit Stolz, und ihr Staunen angesichts der Welt erweckte dieses Gefühl auch in uns wieder neu. Und das Beste – jedenfalls aus der Sicht eines erschöpften Elternteils – war, dass sie schlief wie eine Weltmeisterin. Solange wir nicht über Gebühr von ihrem normalen Ablauf abwichen, konnte man sich darauf verlassen, dass sie nachts elf Stunden schlummerte und über Tag ein zweistündiges Nickerchen einlegte. Unserer Meinung nach war das ein unbezahlbares Geschenk.

Obwohl der Little Deeping nicht gerade vor unserer Türschwelle lag, betrachteten wir ihn als »unseren« Fluss. Bei unseren Spaziergängen am Ufer quakte Bess energisch, sobald eine Entenfamilie in Sicht paddelte, und winkte jedem Menschen, der vorbeischipperte, freundlich zu. Bill und ich waren jedoch immer auf der Hut, wenn unsere Tochter dem Fluss nahe kam. Sich selbst überlassen, hätte unser furchtloses Mädchen versucht, die Stromschnellen ohne Kajak zu überwinden.

Unsere Söhne durchstreiften gern zu Fuß mit uns das Flussufer, doch lieber ritten sie auf ihren grauen Ponys Thunder und Storm an ihm entlang. Die Besucher von Finch waren so entzückt über den Anblick eineiiger Zwillinge auf passenden Ponys, dass Will und Rob daran gewöhnt waren, fotografiert zu werden. Wenn die Fotografen höflich waren, zügelten die Jungen an einem besonders malerischen Stück Flussufer ihre Ponys. Wenn sie allerdings aufdringlich wurden, kehrten die Jungs ihnen den Rücken zu – und die Kruppen ihrer Ponys.

Will und Rob waren in Finch sehr beliebt, aber Bess vergötterten die Dorfbewohner – eine verständliche Vorliebe angesichts der Knappheit an Kleinkindern in einem Dorf, das in erster Linie von Rentnern und Berufstätigen mittleren Alters bevölkert wurde. Hätten wir Bess erlaubt, alle Plätzchen zu essen, die die Dorfbewohner für sie backten, hätte sie doppelt so viel gewogen wie ihre Brüder; und sie konnte kaum zwei Schritte auf dem Dorfanger tun, ohne von einem ihrer Fans auf den Arm genommen zu werden. Ihr ergebenster Bewunderer war jedoch Bills Vater.

William Arthur Willis senior war ein vornehmer, altmodischer Gentleman, der unser Glück vollständig gemacht hatte, als er sich von seinem Posten an der Spitze der Familienkanzlei zurückgezogen hatte und nach England übergesiedelt war, um seine Rolle als einziger noch lebender Großelternteil seiner Enkel anzutreten. Willis seniors auf patrizische Art gutes Aussehen, seine makellosen Umgangsformen und sein ordentlich gefülltes Bankkonto hatten ihn zum begehrtesten Witwer in Finch gemacht, bis er sein eigenes Leben komplettiert hatte, indem er die bekannte botanische Künstlerin Amelia Thistle heiratete.

Willis senior und Amelia lebten ein Stück weiter an unserer Straße in Fairworth House, einem eleganten georgianischen Herrenhaus, das von einem bescheidenen, zwanzig Morgen großen Anwesen umgeben war. Das schmiedeeiserne Tor, das den Eingang zu ihrer baumbestandenen Auffahrt bewachte, lag nur ein kurzes Stück von Finchs Buckelbrücke entfernt.

Amelia liebte es, am Fluss spazieren zu gehen und die Wildblumen zu zeichnen, die an seinen Ufern wuchsen. Willis senior, der es wiederum liebte, dort zu sein, wo Amelia war, begleitete sie oft und schleppte für sie galant Klappstuhl, Skizzenbuch und Farbkasten sowie ein Picknick, das sie im Schatten ihrer Lieblingsweide zu verzehren pflegten.

Der Little Deeping war stets eine wohlwollende Präsenz in meinem Leben und dem aller Menschen, die ich kannte, gewesen. Selbst der Unbeweglichste konnte sich an seiner Schönheit erfreuen und Trost in seinem beruhigenden Murmeln finden. Da schien ein gelegentliches Hochwasser ein kleiner Preis für die Freude zu sein, die er so vielen Menschen bereitete.

Bis ein Fremder aus einem verzauberten Cottage mir die Augen für eine Tragödie öffnete, die Finch bewusst vergessen hatte, hatte ich keine Ahnung, dass der Fluss ein so erschütterndes Geheimnis hütete.

Kapitel 2

Es war ein herrlicher Samstagmorgen Ende Mai. Die Sonne schien strahlend von einem makellos klaren blauen Himmel, Schlüsselblumen wippten in der milden Brise, und Vögel schossen geschäftig zwischen den Hecken umher und versorgten ihre Jungen, die lautstark nach Futter verlangten. Der Little Deeping hatte seinen Panzer aus Eisschollen abgelegt, und nach einem düsteren, von Krankheit und haarsträubendem Wetter verdorbenen Winter waren die guten Leute von Finch wieder gesund und munter und bereit, den herrlichen Frühling zu genießen.

Besonders dankbar waren die Dorfbewohner für das schöne Wetter, da sich vor ihren äußerst wachsamen Blicken bald ein bedeutsames Ereignis abspielen würde. Sturm und Gewitter hätten ihre Stimmung gedämpft, obwohl sie deswegen nicht zu Hause geblieben wären. Niemand, der hier etwas zu melden hatte, wäre auf die Idee gekommen, eine Gelegenheit zu versäumen, die für die nächsten Wochen, wenn nicht Monate, Wasser auf die Klatschmühlen sein würde.

Bill und ich nannten dieses Phänomen die »Möbelwagen-Wache«, und soweit wir wussten, existierte es ausschließlich in Finch. Das Prozedere war einfach: Immer, wenn jemand in unser Dorf zog, gingen unsere Nachbarn an sorgfältig ausgewählten Aussichtspunkten in Stellung, um die Parade von Besitztümern zu mustern, die vom Möbelwagen zur Haustür des Neuankömmlings getragen wurden.

Um nicht übermäßig neugierig zu wirken, verbargen die Dorfbewohner ihre wahren, klammheimlichen Absichten hinter unschuldigen Tätigkeiten. Manche führten Hunde aus, andere besserten den Anstrich ihrer Haustüren aus, und wieder andere pflegten ihre Blumenkästen, inspizierten das Obst in den Kisten vor dem Gemüseladen und gingen ihren liebsten Freiluft-Hobbys nach. Sobald allerdings der Möbelwagen in Sicht rumpelte, würden sich aller Augen auf ihn richten.

Meine Nachbarn gehörten zweifellos zu den neugierigsten Menschen auf dem Planeten, doch wenn sie an der Möbelwagen-Wache teilnahmen, schnüffelten sie nicht einfach um des Spionierens willen. Die Erfahrung hatte sie gelehrt, dass eine einzige Person eine enorme Wirkung auf ein kleines Dorf ausüben konnte, ob zum Guten oder Schlechten. Sie argumentierten sehr vernünftig, dass sie umso besser auf den Einfluss vorbereitet wären, den er oder sie ausüben würde, je mehr sie im Voraus über den neuen Dorfbewohner wussten.

Würden die Neuen gute Nachbarn sein? Würden sie sich bei den Kuchenverkäufen, Blumenausstellungen, Schäferhund-Prüfungen, Gemeindefesten und den unzähligen anderen Veranstaltungen, die dem Dorf Leben einhauchten, nützlich machen? Oder würden sie sich als Parasiten erweisen, die ihr Cottage als Wochenendhaus nutzten und nichts zur Gemeinschaft beitrugen? Die Dorfbewohner waren fest davon überzeugt, dass die Besitztümer eines Neuankömmlings ihnen eine ziemlich gute Vorstellung von seinem Charakter vermitteln konnten.

Ihr neuestes Opfer würde ins Cottage Weidenkätzchen einziehen, das kleine Haus kurz vor der Buckelbrücke. Der Mann hieß Crispin Windle und war leider sehr geheimnisvoll.

Marigold Edwards, die wunderbar indiskrete Immobilienmaklerin, die alle Objekte in Finch betreute, hatte nicht viel über Mr. Windle zu sagen gewusst. Die Dorfbewohner waren wahre Meister darin, Marigold nützliche Informationen zu entlocken, doch nachdem sie ihr in der Teestube eine Kanne Earl Grey, im Pub einen halben Liter Cider und im Emporium zwei Tüten Chips spendiert hatten, mussten sogar sie ihre Niederlage eingestehen.

Trotzdem, oder vielleicht gerade wegen Marigolds Unvermögen, etwas über Mr. Windle auszuplaudern, hatte seine Ankunft ein außergewöhnlich hohes Aktivitätsniveau rund um den Dorfanger ausgelöst. Christine und Dick Peacock, die normalerweise in ihrem Pub Drinks und herzhafte Mahlzeiten servierten, saßen bequem in den Lehnstühlen, die sie zu beiden Seiten des Eingangs zum Pub aufgestellt hatten, und wandten die Gesichter der Sonne zu, als würden sie einfach die Wärme genießen.

Felicity Hobson strickte auf der Bank am Kriegerdenkmal fleißig, während ihr Mann James, unser ortsansässiger Sondengänger, seinen Metalldetektor in weiten Bögen über das büschlige Gras führte. Jasper Taxman, Peggys sanftmütiger Gefährte, baute langsam und methodisch eine Auswahl bunt verpackter Snacks im Schaufenster des Emporiums auf, und George Wetherhead, der schüchternste Mann von Finch, betrachtete das Anschlagbrett am alten Schulhaus.

Wie Jasper Taxman hatte Tilly Barlow sich entschieden, im Haus zu bleiben. Obwohl sie wirkte, als läse sie in einem Buch, hatte Tilly noch keine Seite umgeblättert, seit sie sich ans Erkerfenster des Hauses gesetzt hatte, das sie mit ihrem Mann und dessen Neffen bewohnte. Mr. Barlow, der Schnüffeleien hasste, war nirgendwo zu sehen.

Elspeth Binney, Opal Taylor, Millicent Scroggins und Selena Buxton, die mein Mann »Vaters emsige Mägde« getauft hatte, weil sie Willis senior vor seiner Heirat mit Amelia so ergeben gewesen waren, standen an vier Staffeleien und betrieben Freilichtmalerei. Sie trugen weite Malerkittel und spähten unter ihren breiten Hutkrempen eifrig zum Cottage Weidenkätzchen hinüber, als wetteiferten sie darum, die vielen Facetten seines Charmes auf ihren Leinwänden einzufangen.

Homer, Elspeth Binneys struppiger kleiner Terrier, rannte kreuz und quer über den Anger, um seine Hundefreunde zu besuchen und vor ihren Besitzern mit seinem Stummelschwanz zu wedeln. Homer war kein besonderer Anblick – Bill fand, dass er einem Mopp ähnelte –‍, aber er war der geselligste Hund, dem ich je begegnet war.

Elspeth behauptete, bei einem ihrer Spaziergänge sei Homer aus einer Hecke gesprungen, habe den Schwarm schackernder Elstern vertrieben, der ihr den Weg versperrt hatte, und sie sicher bis zu ihrer Haustür begleitet. Homers galante Art hatte ihr Herz erobert. Sie hatte zwar ihr Bestes getan, um seinen Besitzer zu finden, war aber überglücklich gewesen, als niemand Anspruch auf ihn erhoben hatte. Sie hatte ihn Homer genannt, weil sie das Gefühl hatte, dass er großartige Geschichten erzählt hätte, wenn er denn sprechen könnte.

Während Elspeths zärtliche Blicke Homer folgten, ging der Rest der Dorfbewohner den üblichen Tätigkeiten an einem Möbelwagen-Tag nach – sie besserten die Holzteile an ihren Cottages aus, gingen mit ihren Hunden spazieren oder jäteten ihre Blumenkästen. Je länger sich der Vormittag hinzog, desto gemächlicher arbeiteten sie und legten häufiger Pausen ein, um miteinander oder mit jedem, der zufällig vorbeikam, zu plaudern. Sie sahen auch immer öfter auf die Uhr, denn Crispin Windle schien spät dran zu sein.

Ich war es zufrieden zu bleiben, wo ich war, denn ich saß in der Teestube mit meinen Freunden Charles Bellingham und Grant Tavistock an einem Tisch vor dem großen, nach vorn gehenden Fenster, von wo wir das Cottage Weidenkätzchen bestens im Blick hatten. Charles hatte rechts von mir Platz genommen und Grant links, doch der Stuhl gegenüber war unbesetzt. Kein Dorfbewohner, der richtig im Kopf war, würde freiwillig mit dem Rücken zum Fenster sitzen, wenn auf dem Dorfanger so viel zu sehen war.

Grant und Charles betrieben in ihrem Zuhause in Crabtree Cottage eine florierende Firma, die sich mit Restauration und Kunstschätzung beschäftigte, aber sie hatten nie zu viel Arbeit, um an einer Möbelwagen-Wache teilzunehmen. Der große, korpulente und kahlköpfige Charles war der extrovertiertere der beiden. Der kleinere Grant, der schlank und mit einem üppigen grau melierten Haarschopf gesegnet war, neigte stärker als Charles dazu nachzudenken, bevor er sprach.

Ich war praktisch frei, ihre Gesellschaft zu genießen. Bill arbeitete in seinem Büro, die Jungs waren in der Reitschule, und Bess spielte auf dem Anger Fangen mit Tommy Prescott. Der junge Riese musste seine langen Schritte zügeln, um Bess nicht allzu schnell zu fangen, aber er schien sich genauso gut zu amüsieren wie sie.

Zu meinem großen Entzücken und zur Freude aller anderen in Finch hatte sich Tommy kürzlich mit Bree Pym verlobt, der dreiundzwanzigjährigen Neuseeländerin, die ein Stück weiter an meiner Straße in einem Haus lebte, das sie von ihren Urgroßtanten geerbt hatte, den verstorbenen und schmerzlich vermissten Pym-Schwestern. Brees vorheriger Verlobter hatte sie ein paar Wochen vor Weihnachten verlassen, aber man war allgemein der Meinung, dass am Ende alles gut geworden war. Unserer – und auch ihrer – Ansicht nach ging es ihr mit Tommy an ihrer Seite tausend Mal besser.

Trotzdem hatte Bree ihren Verehrer nun im Stich gelassen, um am Nebentisch mit der alten Mrs. Craven und Miranda Morrow zusammenzusitzen. Annabelle Craven war eine ältliche Witwe, die den größten Teil ihrer wachen Stunden damit verbrachte, exquisite, handgenähte Quilts zu fertigen, doch sie hatte ihre Arbeit ruhen lassen, um an der Wache teilzunehmen. Sie trug ihr gewohntes Tweed-Kostüm und hatte sich das lange Haar im Nacken zu einem dünnen Knoten zusammengesteckt. Miranda Morrow hatte ihre rotblonden Haare zu einem schlichten französischen Dutt frisiert und zu diesem Anlass ein leichtes gelbes Kleid angezogen. Nichts an ihrem sommersprossigen Gesicht und ihrer properen Erscheinung ließ ahnen, dass sie praktizierende Hexe war.

Bree Pym war eine zierliche, aber robuste junge Frau mit einem herzförmigen Gesicht, strahlenden braunen Augen und kurzem Stachelhaar. Obwohl sie brünett geboren war, konnte ihre Haarfarbe je nach ihrer Stimmung zwischen Knallblau und Kirschrot schwanken.

Bree war in Finch eine aufsehenerregende Erscheinung; nicht nur wegen ihrer Jugend, ihres Kiwi-Akzents und ihres sich ständig verändernden Haares, sondern auch, weil sie einen Ring im linken Nasenflügel und eine große Menge Tattoos an den Armen hatte. Für das heutige Ereignis hatte sie sich in stabile Hiking-Sandalen, kakifarbene Shorts und ein tiefviolettes Tanktop gekleidet, das die gleiche Farbe hatte wie die Spitzen ihres braunen Stachelhaars.

Auch ich trug kakifarbene Shorts, aber meine besaßen nicht annähernd so viele Taschen wie ihre; meine Sneakers waren weniger stabil als Brees Sandalen, und meine Baumwollbluse war weniger auffällig als ihr Tanktop. Mein braunes, lockiges Haar hatte zwar inzwischen ein paar graue Strähnen, doch die waren das Werk von Mutter Natur und kamen nicht aus der Flasche.

Wir sechs nippten selbstzufrieden an unseren jeweiligen Teetassen, denn wir wussten, dass wir uns die besten Plätze gesichert hatten. Da die Teestube schräg gegenüber dem Cottage Weidenkätzchen lag, würde das Fenster uns eine einmalige Aussicht auf Crispin Windles Besitztümer bieten. Falls Mr. Windles Handschrift nicht mikroskopisch klein war, würden wir sogar in der Lage sein, die Aufschriften auf seinen Umzugskartons zu lesen.

»Das Cottage Weidenkätzchen wirkt ein wenig einsam«, merkte Grant an, »als wartete es sehnsüchtig auf Mr. Windle.«

Ich nickte zustimmend. Das Cottage war nicht heruntergekommen, aber ihm fehlten die kleinen Details, die ein Haus zu einem Heim machten. In den Fenstern hingen keine Vorhänge, die Blumenkästen waren leer, und aus dem Kamin stieg kein Rauch auf. Der Türklopfer aus Messing hatte seinen Glanz verloren, und dürres Unkraut hatte sich auf der ungefegten, unbenutzten Türschwelle breitgemacht.

»Es ist wie Dornröschen, das auf ihren Prinzen wartet«, meinte Charles.

»Dornröschen hat nicht auf ihren Prinzen gewartet«, wandte Grant ein. »Sie hat geschlafen.«

»Wenn du unbedingt alles wörtlich nehmen willst«, gab Charles zurück, »muss ich darauf hinweisen, dass ein Cottage nicht in der Lage ist, sehnsüchtig zu warten. Sicher, es kann verlassen aussehen, doch es kann keine Sehnsucht empfinden.«

»Ich nehme vielleicht alles wörtlich«, entgegnete Grant, »aber niemand kann mir vorwerfen, pedantisch zu sein.«

»Beruhigt euch, Jungs«, schimpfte ich. »Wenn ihr nicht brav zusammen spielt, schicke ich euch nach Hause.«

»Ja, Mama«, murmelte Charles.

Ich ignorierte ihn. »Das Cottage Weidenkätzchen erinnert mich an etwas, was Mr. Barlow einmal zu mir gesagt hat«, fuhr ich fort. »Er hat mir erklärt, dass Häuser gern bewohnt sind. Wenn man sie zu lange sich selbst überlässt, erklärte er mir, gehen sie zugrunde.«

»Das Cottage Weidenkätzchen steht nicht lange genug leer, um zugrunde zu gehen«, meinte Grant. »Tilly Trout hat noch vor einem Monat dort gewohnt, bis sie Mr. Barlow geheiratet hat und in sein Haus gezogen ist. Trotzdem könnte es ein wenig auf Vordermann gebracht werden.«

»Könnten wir das nicht alle gebrauchen?«, fragte Charles und warf einen betonten Blick auf das zerknitterte Revers an Grants weißem Leinenjackett.

Grant strich es glatt und sprach mich an. »Was weißt du über unseren neuen Nachbarn, Lori? Charles und ich waren in London, als Marigold Edwards gestern in Finch ihre Runde gemacht hat. Wir haben unsere Chance verpasst, die schwatzhafteste Immobilienmaklerin der Welt ins Verhör zu nehmen, aber du musst doch eine oder zwei Informationen über Mr. Windle haben.«

»Ein wenig habe ich gehört«, räumte ich ein, »allerdings nicht so viel, wie man meinen sollte.«

»Zum Beispiel?«, fragte Grant.

»Millicent Scroggins hat Marigold dazu gebracht, ihr Mr. Windles Namen und seine geschätzte Ankunftszeit zu verraten«, erklärte ich.

»Seine schlecht geschätzte Ankunftszeit«, warf Charles ein und tippte ungeduldig auf seine Armbanduhr. »Wir haben schon nach halb elf. Er sollte doch um neun hier sein, oder?«

»Du kannst Marigold nicht die Schuld an Mr. Windles Unpünktlichkeit geben«, meinte Grant. »Der arme Mann steckt wahrscheinlich im Verkehr fest.«

»Ich hoffe, er hatte keinen Unfall«, sagte ich.

»Ich auch«, stimmte Charles mir zu. »Natürlich. Ich würde niemandem einen Unfall wünschen, aber ihr müsst zugeben, dass eine Massenkarambolage eine akzeptable Ausrede dafür wäre, zu spät zu kommen.«

»Irgendwie bezweifle ich, dass er das Bedürfnis haben wird, uns eine Erklärung zu geben«, erwiderte Grant.

»Das lernt er schon noch«, sagte Charles unbekümmert.

»Was hast du sonst noch über Mr. Windle herausgefunden?«, wollte Grant von mir wissen.

»Marigold hat Sally Cook erzählt, dass Mr. Windle alleinstehend ist«, erklärte ich. »Opal Taylor hat sie verraten, dass er Professor im Ruhestand ist. Und Elspeth Binney gegenüber erwähnte sie, dass er aus Derbyshire stammt.« Ich zuckte mit den Schultern. »Das ist alles.«

»Das ist alles?«, rief Charles aus. »Nichts über sein Alter, sein Aussehen, sein Einkommen, seine Hobbys oder sein Fachgebiet?«

»Nichts«, bekräftigte ich.

»Vielleicht hat Marigold ja den Wert der Diskretion erkannt«, meinte Grant.

»Keine Chance«, entgegnete ich. »Wie sich herausgestellt hat, ist Marigold Crispin Windle nie persönlich begegnet. Sie hat nicht einmal mit ihm telefoniert. Sie hat Dick Peacock erklärt, sie hätte die ganze Transaktion über Mittelsleute abgewickelt. Sie konnte nicht allzu viel über ihren Klienten ausplaudern, weil sie nicht viel zu erzählen hatte.«

»Das hättest du uns von Anfang an sagen sollen«, meinte Charles vorwurfsvoll.

»Ich war ja dabei«, erwiderte ich.

»Mr. Windle klingt vielversprechend«, fand Grant. »Ein pensionierter, unverheirateter Professor aus Derbyshire wird wahrscheinlich keine wilden Partys feiern und Bierflaschen auf den Dorfanger werfen.«

Charles nickte. »Stimmt. Vielleicht ist er ja sogar bereit, uns mit einer Reihe von Vorträgen über sein Fachgebiet zu erfreuen. Er müsste sich im alten Schulhaus zu Hause fühlen.«

»Ich bezweifle, dass das alte Schulhaus die geringste Ähnlichkeit mit seinem ehemaligen Arbeitsplatz hat«, wandte Grant ein.

»Dann ist es eben eine nette Abwechslung für ihn«, schoss Charles zurück.

»Wäre es nicht wunderbar, wenn er Astronomie unterrichten würde?«, schaltete ich mich ein. »Ich wollte schon immer mehr über den Nachthimmel erfahren.«

»Oder Geologie«, meinte Grant. »Ich habe neulich am Flussufer einen wunderschönen Stein entdeckt und würde gern wissen, worum es sich handelt.«

»Katzengold«, sagte Charles halblaut.

»Ich hätte nichts gegen Literatur einzuwenden«, versetzte ich schnell, um weiteren Streit zu verhindern. »Oder Architektur. Oder Ingenieurswesen.«

»Ingenieurswesen?«, fragte Grant erstaunt.

»Ich weiß gern, wie etwas funktioniert«, gab ich zurück. »Du nicht?«

»Doch, schon«, räumte er ein. »Aber Literatur wäre mir lieber, besonders wenn Mr. Windle eine angenehme Stimme besitzt. Ich höre gern zu, wenn Gedichte rezitiert werden, doch nur, wenn der Vortragende eine angenehme Stimme hat.«

Sally Cook tauchte an unserem Tisch auf und brachte eine Platte, die hoch mit den Frucht-Scones beladen war, die wir bestellt hatten. Die Besitzerin der Teestube war klein und rundlich und sprudelte vor Energie über, was sie im Morgengrauen aus dem Bett trieb, um mit dem täglichen Backen zu beginnen. Sie hatte strahlende blaue Augen und trug das weiße Haar in einem gestuften Kurzhaarschnitt, der ihr rosiges Gesicht vorteilhaft zur Geltung brachte.

Sally hatte sich eine traditionelle Bäckerschürze umgebunden, um die geblümte Bluse und die weite blaue Hose vor Spritzern zu schützen, aber ich entdeckte nur einen kleinen Mehlfleck darauf. Bei dem Gedanken daran, wie meine eigene Schürze aussah, nachdem ich einen Tag lang zu Hause gebacken hatte, hätte ich am liebsten vor Scham den Kopf eingezogen.

»Von wem redet ihr, Grant?«, erkundigte sie sich. »Wer hat eine angenehme Stimme?«

»Unser neuer Nachbar, hoffentlich«, gab er zurück.

»Warum?«, fragte Sally.

»Weil ich gern höre, wie ein ehemaliger Akademiker mit einer schönen Stimme Gedichte vorträgt«, erklärte Grant.

»Wir hatten diskutiert, was Mr. Windles Fachgebiet sein könnte«, erklärte ich. »Literatur ist eben eine der Möglichkeiten.«

»Ihr könnt raten, wenn ihr wollt«, sagte Sally, »aber eins kann ich euch mit Sicherheit vorhersagen.«

»Und was?«, hakte Charles eifrig nach.

»Crispin Windle wird sich innerhalb der nächsten sechs Monate verlieben«, verkündete Sally.

Mir klappte die Kinnlade herunter, Grant zog die Augenbrauen hoch, und Charles kicherte.

»Warum sind Sie sich so sicher, dass Mr. Windle sich verlieben wird?«, erkundigte sich Grant.

»Weil das Cottage Weidenkätzchen verzaubert ist«, antwortete Sally wichtig.

Kapitel 3

»Das Cottage Weidenkätzchen? Verzaubert?« Charles lachte schallend. »Sie machen wohl Witze!«

Sallys rosiges Gesicht lief zu einer Rotschattierung an, die eher tiefste Beleidigung als Verlegenheit ausdrückte.

»Sie müssen Charles verzeihen«, warf Grant hastig ein und versetzte seinem Partner unter dem Tisch einen Tritt. »Er meinte eigentlich, woher Sie wissen, dass das Cottage verzaubert ist.«

»Das ist doch sonnenklar.« Sally drehte Charles, der sich das Schienbein rieb, den Rücken zu. »Amelia Thistle zieht ins Cottage Weidenkätzchen, und ehe man sich's versieht, tritt sie mit deinem Schwiegervater vor den Traualtar, Lori. Dann zieht Tilly Trout ein, und zack, heiratet sie Mr. Barlow. Ein Cottage, zwei Bewohnerinnen, zwei Hochzeiten? Kommt mir wie Zauberei vor.«

»Ich habe kein Problem damit, an romantische Magie zu glauben«, meinte Miranda Morrow vom Nebentisch aus. Sie, Bree Pym und die alte Mrs. Craven hatten ihr Gespräch unterbrochen, um unseres mitzuhören, etwas, was in der Teestube und so ziemlich überall in Finch häufig vorkam.

»Ja, aber du bist auch eine Hexe, Miranda«, entgegnete Charles und warf Grant einen nachtragenden Blick zu. »Von dir erwartet man, dass du an ... ähm, ungewöhnliche Phänomene glaubst.«

»Doch ganz undenkbar ist das nicht, oder?«, meinte Mrs. Craven nachdenklich. »Man braucht keine Hexe zu sein, um zu glauben, dass manche Gebäude eine besondere Atmosphäre besitzen. Ich spüre das jedes Mal, wenn ich eine Kathedrale betrete. Die Römer nannten das ›genius loci‹ –den Geist eines Ortes. Vielleicht wird das Cottage Weidenkätzchen ja von einem romantischen Geist bewohnt.«

»Ich sehe schon, dass ich heute Vormittag die Stimme der Vernunft spielen muss.« Charles seufzte leidgeprüft.

Grant verdrehte die Augen.

Charles nahm einen besonders fruchtigen Frucht-Scone von der Platte, legte ihn auf seinen Teller und sprach dann weiter. »Selbst wenn ich an magische Cottages glauben würde, was ich nicht tue, wie ich euch versichern kann, ist Ihre Stichprobe zu wenig repräsentativ, um etwas zu beweisen. Können Sie abgesehen von Amelia und Tilly irgendwelche anderen ehemaligen Bewohner des Cottages anführen, die in Finch die wahre Liebe gefunden haben? Natürlich nicht, denn die existieren nicht.«

»Außerdem«, meinte ich und nahm die Beine zur Seite, um einem tadelnden Tritt von Grant auszuweichen, »hat Tilly die wahre Liebe nicht gefunden, als sie hier lebte. Sie wohnte noch in Oxford, als sie sich in Mr. Barlow verliebt hat.«

»Stimmt nicht«, meldete sich Bree Pym zu Wort.

»Huch?«, murmelte ich überrumpelt.

Bree warf einen Blick über die Schulter, als wollte sie sich vergewissern, dass niemand sonst in der Teestube lauschte – eine bestenfalls schwache Hoffnung –, und fuhr dann fort. »Tilly hielt große Stücke auf Mr. Barlow, bevor sie nach Finch zog«, erklärte sie dann gewichtig, »aber sie war nicht verliebt in ihn.«

»Nicht?«, fragte ich ausdruckslos.

»Natürlich nicht«, warf Sally ein. »Wenn sie verliebt in ihn gewesen wäre, hätte sie sich nicht mit dem Cottage Weidenkätzchen abgegeben, oder? Dann hätte sie ihn gleich geheiratet und wäre zu ihm gezogen.«

»Da hat Sally nicht unrecht«, meinte Grant.

»Schon möglich«, räumte Charles ein und musterte Bree nachdenklich, »aber unsere junge Freundin hier scheint mehr zu wissen, als sie zugibt. Heraus damit, mein Mädchen! Erzählen Sie uns alles!«

Bree senkte die Stimme und fuhr in vertraulichem Flüsterton fort. »Ich weiß ganz genau, dass Mr. Barlow Tilly zwei Anträge gemacht hat, als sie noch in Oxford lebte, und sie zweimal abgelehnt hat. Erst nachdem sie nach Finch gezogen war, hat sie Ja gesagt.«

»Und Ihre Quelle ist?«, verlangte Charles zu wissen, während er dicke Sahne auf seinem Scone verteilte.

»Tommy«, erklärte Bree. Sie sprach von ihrem Verlobten. »Tilly hat es ihm anvertraut und er es mir.«

»Klingt einleuchtend.« Grant nahm sich ebenfalls einen Scone von der Platte. »Da Tommy Mr. Barlows Neffe ist, ist er Tillys angeheirateter Neffe. Ich vermute, Tanten führen manchmal vertrauliche Gespräche mit ihren Neffen.«

»Aber verraten Verlobte einander Geheimnisse?«, fragte Charles.

»Meiner schon«, gab Bree fröhlich zurück.

»Das ist das Erste, was ich über Mr. Barlows wiederholte Heiratsanträge höre«, sagte ich. Ich war ein wenig pikiert, weil Bree dieses pikante Stück Tratsch nicht mit mir geteilt hatte, sobald es ihr zu Ohren gekommen war.

»Tut mir leid, Lori«, meinte Bree. »Tilly hat Tommy gebeten, die Sache für sich zu behalten, um Mr. Barlow nicht aufzuregen. Du weißt ja, was er von Klatsch hält.«

»Gar nichts«, warf Grant ein, »womit er in Finch allein steht.«

»Das erklärt auch, warum er jetzt in St. George's ist und die Angel an der Tür zur Sakristei repariert«, bemerkte Charles, »während wir alle auf Mr. Windle warten.«

Bree nickte. »Genau. Tommy hat mir von den abgelehnten Anträgen erzählt, weil er weiß, dass er mir vertrauen kann.«

Tiefes Schweigen senkte sich über die beiden Tische. Charles ließ den Blick langsam über die anderen Gäste der Teestube schweifen. Die meisten saßen, die Teetassen auf halbem Weg zum Mund, wie erstarrt da. Sie hatten die Ohren in unsere Richtung gespitzt, und ihre Mienen wirkten andächtig konzentriert.

»Meine liebe Bree«, erwiderte er behutsam, »es versteht sich von selbst, dass wir niemals etwas verraten würden, was uns anvertraut wird, doch Sie haben vergessen, die bescheidene Größe und exzellente Akustik der Teestube zu berücksichtigen.« Er wandte sich um und legte ihr tröstend eine Hand auf die Schulter. »Tut mir leid, Ihnen das sagen zu müssen, aber Sie haben die Katze so weit aus dem Sack gelassen, dass sie das Dorf wahrscheinlich schon halb umrundet hat.«

»Oh.« Bree wirkte beinahe komisch verdutzt. »Ja, wahrscheinlich. Ich war so gefesselt von dem, was Sally über das Cottage Weidenkätzchen gesagt hat, dass ich nicht überlegt ...« Sie verstummte und sah durch das Fenster zu ihrem Verlobten, der mit den Peacocks plauderte, während Bess mit Christine Peacocks Schnürsenkeln spielte. »Ich glaube nicht, dass es Tommy allzu viel ausmachen wird. Was meinen Sie?«

»Wenn sich Tommy Prescott mit dir in Finch niederlassen will«, erklärte ich, »wird er sich daran gewöhnen müssen, dass jeder, der hier wohnt, alles über alle anderen weiß, die hier leben.«

»An Ihrer Stelle würde ich mir mehr Gedanken über Mr. Barlow als über Tommy machen«, riet Charles ihr wenig hilfreich. »Ihr Sie liebender Verlobter wird Ihnen alles verzeihen, meine Teuerste, aber Mr. Barlow hat vielleicht etwas dagegen, im Dorf als der Mann bekannt zu werden, der von seiner Zukünftigen zweimal abgewiesen worden ist.«

»Ich hoffe, er ist Tilly nicht böse«, meinte Bree nervös. »Ich würde es hassen, an ihrem ersten Ehestreit schuld zu sein.«

Bree hatte mehr Gründe als die meisten, Wert auf Mr. Barlows gute Meinung zu legen. Als sie damals nach Finch gekommen war, hatte er sie unter seine Fittiche genommen, sie alle Kniffe gelehrt, die er als Allround-Handwerker auf Lager hatte, und ein bis dahin verborgenes Talent als Ehestifter gezeigt, als er seinen Lieblingsneffen eingeladen hatte, zu ihm zu ziehen. Mr. Barlow hatte nämlich gefunden, dass Tommy Prescott der Richtige für Bree war.

»Mr. Barlow kommt schon darüber hinweg«, erwiderte ich beruhigend. »Er mag ja etwas gegen Klatsch haben, doch er kennt schließlich Finch und kann keine Wunder erwarten. Wahrscheinlich wird es ihn verblüffen, dass ihr drei es geschafft habt, die Geschichte so lange für euch zu behalten.«

»Ich bin jedenfalls erstaunt«, gab Charles zu.

Bree seufzte. »Ich hoffe, du behältst recht, Lori.«

»Ich jedenfalls bin Ihnen dankbar, Bree«, erklärte Grant. »Dank Ihres Insiderwissens können wir jetzt bestätigen, dass Amelia und Tilly sich verliebt haben, als sie im Cottage Weidenkätzchen lebten.«

»Seht ihr?«, fragte Sally triumphierend. »Die Magie des Hauses wirkt vielleicht nicht bei jedem, doch wenn Crispin Windle auch nur einen Funken Romantik in sich hat, wird das Cottage dafür sorgen, dass er in Finch die wahre Liebe findet.« Sie hielt zwei mollige Finger hoch. »Einmal ist eine glückliche Fügung, zweimal ist Zufall, aber dreimal ...« Sie hob einen dritten Finger und nickte wissend. »Wenn es dreimal passiert, muss Magie dahinterstecken.«

»Wenn Sie es sagen«, erklärte Charles und klang zutiefst unüberzeugt.

»Das sage ich allerdings«, gab Sally zurück. »Und wenn Sie einen Funken Romantik in sich hätten, würden Sie das auch glauben, Charles.« Sie warf ihm einen vernichtenden Blick zu und kehrte in die Küche zurück.

»Abergläubischer Unsinn«, meinte er wegwerfend. »Verzauberte Cottages? Ha! Was denn noch? Magische Teekannen?«

»Sie klingen schon wie Mr. Barlow«, bemerkte Miranda Morrow.

»Ein hohes Lob«, gab Charles zurück. »Mr. Barlow ist ein intelligenter und vernünftiger Mann. Er würde nie auf ein Märchen von einem verzauberten Cottage hereinfallen.«

»Hast du Lust, auf das Märchen zu wetten?« Grant streckte die Hand aus. »Zehn Pence darauf, dass unser neuer Nachbar innerhalb der nächsten sechs Monate die wahre Liebe findet.«

»Angenommen.« Charles streckte den Arm über den Tisch aus, ergriff Grants Hand und warf dann einen Blick auf seine Armbanduhr. »Wo bleibt der elende Kerl? Er müsste schon ewig hier sein.«

Grant spähte an ihm vorbei. »Kommt Zeit, kommt Möbelwagen«, antwortete er. »Schaut nicht hin, Freunde, aber ich glaube, die Hauptattraktion geht gleich los.«

Ich reckte den Hals und sah, dass sich ein Meer von Köpfen zum gegenüberliegenden Ende des Angers wandte, wo auf dem Kopfsteinpflaster eine rötlich braune Limousine vor einem kastenförmigen Laster herfuhr.

Crispin Windle war endlich da.

Kapitel 4

Nach einer kurzen Pause, in der sich bis auf die braune Limousine, den Laster und ein paar wedelnde Hundeschwänze nichts rührte, gingen die Hundespaziergänger weiter, die Blumenkästen-Gärtner griffen nach ihren Schaufeln, die Mägde beugten sich über ihre Staffeleien, und wie auf ein Stichwort hin nahmen alle die Tätigkeiten wieder auf, denen sie vor Crispin Windles sehnsüchtig erwartetem Eintreffen nachgegangen waren.