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Salwaa, dritte Tochter des Emirs von Bhakem, macht sich für die letzten Semester ihres Studiums auf den Weg nach Granada, wo sie - laut der Prophezeiung - auf ihren zukünftigen Mann treffen soll. Der Bruder ihrer Kommilitonin Sofia entspricht allerdings, da er nicht nur laut der Vorhersage, sondern auch im realen Leben Matador ist, so gar nicht ihren Vorstellungen. Zudem muss sie auch auf Sofia aufpassen als diese in Gefahr schwebt und auch Alejandro bedroht ist.
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Veröffentlichungsjahr: 2024
Inhaltsverzeichnis
Prolog
1. Kapitel
Kapitel 2
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Epilog
Impressum
Salwaa sah sich in ihrer Wohnung um. In der nächsten Woche würde ihr Masterstudium hier in Granada starten. Sie wollte in Andalusien ihren Abschluss machen um sich unter der Regierung ihres Bruders später um die Tourismusbelange ihres Heimatlandes Bhakem, um die Imageförderung des Emirates zu kümmern. Sie hatte unter anderem auch schon in Österreich studiert und dort ihren Bachelor gemacht, doch sie hatte dort das warme Klima vermisst und sich darum für Granada entschieden um ihren finalen Abschluss zu machen - darum und wegen der Geschichte Andalusiens.
Ihre Eltern hatten natürlich für einen Leibwächter gesorgt, der in der Nachbarwohnung wohnte. Die war durch eine Tür mit ihrer Wohnung verbunden und sie verband mit dem jungen Mann aus der Familie Hares eine herzliche Freundschaft. Die Hares’s stellten viele ihrer Leibwächter und -wächterinnen. Er hatte mit ihr Tourismus studiert, auch schon in Österreich und ebenso wie sie einen Bachelor. Er teilte ihre Begabung für Sprachen, interessierte sich im Gegensatz zu ihr allerdings eher für Landwirtschaft, Viehzucht und andere eher agrarwirtschaftliche Themen. Trotzdem versicherte er ihr, dass ihm auch das Tourismusstudium Spaß mache und sie sich keine Sorgen machen solle.
Salwaa hoffte, dass ihr Bodyguard irgendwann die Gelegenheit kriegen würde seinen wirklichen Neigungen zu folgen. Wenn sie nach Bhakem heimkehrten, würde sie darüber mit ihrem Bruder und ihrem Vater reden. Er hatte es definitiv verdient und was sie dazu tun konnte, das würde sie tun.
Sie machte sich fertig und klopfte dann an die Zwischentür. Heute war ein erstes „Willkommenstreffen“ geplant zu dem man sie zwei eingeladen hatte und sie würden gleich aufbrechen müssen.
Die Tür öffnete sich. „Zu Diensten, Hoheit.“ sagte er mit einem Zwinkern. Spielerisch gab Salwaa ihm einen Stoß. „Du weißt genau, dass ich hier nicht die Prinzessin bin, sondern einfach nur „Studentin Salwaa al Marouwani aus den Emiraten… aus irgendeinem Emirat, mit einer ganz normalen Familie… vielleicht aus dem gehobenen Bürgertum, aber nicht mehr…“
Der junge Mann seufzte. „Manchmal kommt die Wahrheit schneller raus als man hofft… warten wir es ab. Aber jetzt lass uns gehen.“
Er hielt ihr galant den Arm hin und verließ mit ihr das Haus um zur kleinen Tapas-Bar zu laufen in der das Treffen stattfinden würde.
„Der Stierkämpfer wird bekehrt von der weisen Erzählerin. Des stolzen Picadors Herz wird sie erobern unter der Sonne von El-Andaluz. Das Geschenk des Höchsten wird auch ihr Beschützer sein.“ Das war die Prophezeiung die Salwaa al Marouwani, Prinzessin von Bhakem von Qamar, der mit der Gabe der Vorhersehung begnadeten langjährigen Dienerin im Palast auf den Weg bekommen hatte.
Als ob sie wirklich jemals einen Stierkämpfer daten würde! Salwaa hatte Grundsätze – und Tiere waren ihr wichtig. Wie ihre Brüder hatte sie in Bhakem einen Jagdfalken, aber auch zwei Kartäuserkatzen die sie mit der Hand aufgezogen hatte und ihren Hund, einen kleinen weißen West Highland White Terrier namens Sukar, den sie aus dem Tierheim geholt hatte und der sich mit den beiden Katzen wirklich gut verstand.
Mit einem Lächeln hob sie Sharqon, die eine Kartäuserkatze, die gerade um ihre Beine strich, hoch und schaute aus dem Fenster ihres Appartements im Stadtviertel Albaicín.
Genau genommen gehörte die Wohnung ihrem Bruder Maher und dessen Frau, beziehungsweise der JATT-Group, einem Unternehmen mit vielen Beteiligungen, einer Reederei, großem Immobilien-Zweig und guten Verbindungen zu den Beduinen in Salwaas Heimat. Allerdings hatte nicht Maher selbst das Unternehmen aufgebaut, sondern der vor einigen Jahren verunglückte zweite Sohn des Emirs Abdullah Qadir, Jamal. Für ihn stand auch das „J“ – und die drei anderen Buchstaben standen für die drei Menschen die er als seine Wunschfamilie angesehen hatte und die er irgendwie genetisch auch bekommen hatte…
Eigentlich war Jamal offiziell mit einer Griechin namens Michaelia liiert gewesen, verliebt hatte er sich allerdings in deren Schwester Anastasia. Wegen Qamars Prophezeiungen allerdings wissend, dass diese für seinen jüngsten Bruder Maher bestimmt war, hatte er dafür gesorgt, dass die Zwillinge Theodoros und Theodora, die Michaelia zur Welt gebracht hatte, genetisch die Kinder von Anastasia und ihm waren. JATT stand für Jamal, Anastasia, Theodora und Theodoros und an seine „Angebetete“ und seine Kinder war das Unternehmen dann auch im Testament gegangen. Mit Anastasias und Mahers Heirat hatte Maher die Leitung übernommen, während Anastasia – eine begnadete Designerin und Schnittdirektrice – sich weiter in der kleinen Lederfabrik von Kostas Galanis ihrer beruflichen Berufung widmete.
Albaicín war Salwaas Wunsch-Wohnviertel gewesen und Jamal, der viele der Prophezeiungen schon vor allen anderen gekannt hatte, schien sich dieses gedacht zu haben als er dieses Wohnhaus in dem Viertel mit etwas arabischem Flair am Fuße der Alhambra gekauft hatte.
Es war Anfang September und bald würden die ersten Vorlesungen an der Universidad de Granada starten. Salwaa hatte sich für Tourismus eingeschrieben und beabsichtigte auch ein, zwei Seminare in Geschichte zu belegen. Ihr Traum war es später den Tourismus in ihrer Heimat zu koordinieren.
Gemeinsam mit ihrer Schwester Wafaa wollte sie, Salwaa, einen nachhaltigen, schonenden Tourismus etablieren und hier in Granada dazu lernen, wie man die „Reize“ des Orients nutzen konnte.
Wafaa, die jetzt glücklich in Venetien lebte – mit ihrem Mann und ihrer Adoptivtochter, aber auch dem Neugeborenen, einem Sohn namens Marco Domenico – in Venedig und in der Nähe von Treviso auf dem Landgut ihrer „Schwiegermutter“, wie sie selbst die Mutter der verstorbenen ersten Frau von Casanova Precci, ihrem Mann immer bezeichnete. Wafaa war Umweltexpertin, arbeitete bei Casanova im Amt für Wasserwirtschaft und lebte ihre künstlerische Ader jedes Jahr aus indem sie für den Premium-Grappa aus dem Betrieb von Maria Greco, ihrer Schwiegermutter, extravagante Flaschen und ausgefallene Etiketten entwarf.
Ihre Familie fehlte Salwaa ein wenig – obwohl – sie musste bei dem Gedanken fast lächeln – ein Anruf in Athen reichte und ihr Bruder Maher würde einen Privatjet schicken der sie abholte und auch nur für das Wochenende zu ihm und Anastasia oder zu Wafaa und Casanova brachte
Die Studenten des Studiengangs Tourismus hatten sich schon vorab getroffen und in einem kleinen Lokal namens ibericos&ALHAMBRA bei Tapas und einem netten Abendessen Bekanntschaft geschlossen.
Mit einer ihrer zukünftigen Kommilitoninnen - Sofia y Garcia Alvarez – hatte Salwaa sich dabei wirklich gut verstanden. Sofia interessierte sich für weltweiten Tourismus, insbesondere allerdings für mediterranen – ökologisch vertretbaren – Tourismus. Salwaa lächelte innerlich bei dem Gedanken daran. Sie würde die ein wenig abenteuerlustige, aber trotzdem bodenständige und heimatliebende Spanierin vielleicht mit Helios Petridis, dem Leiter der Tourismus-Sparte der JATT-Group bekannt machen.
Salwaa saß in der Vorlesung über Tourismus-Marketing. Einiges von dem was durchgenommen wurde hatte sie schon vorab in Dubai aber auch an der Wiener Privatuniversität Schloss Seeburg und an der Fachhochschule Salzburg gelernt, wo sie ihren Bachelor gemacht hatte.
Die deutsche Sprache zum Studieren in Österreich hatte sie mit ihrer Zwillingsschwester Jasmin gelernt. Diese war entschlossen die „Männerdomäne“ in den Emiraten – Ölförderung und -vermarktung – in Bhakem für sich zu erobern und später ihrem Bruder Karim, wenn er Emir war – in diesem Bereich zu dienen. Dazu war sie nach Clausthal Zellerfeld im Harz gegangen, da es dort auch um Gewinnung von Bodenschätzen allgemein ging.
Jasmin hatte dafür mit ihr Spanisch gelernt. Die al-Marouwanis waren insgesamt recht sprachbegabt. Jeder beherrschte neben Arabisch und Englisch mindestens drei oder vier Sprachen fließend.
„Wieso muss man noch Marketing machen? Die Leute wollen doch eh verreisen!“ meldete sich gerade Eberardo Fausto, ein bulliger Kommilitone. Salwaa wechselte einen bezeichnenden Blick mit der neben ihr sitzenden Sofia.
„Wie kann man nur so hohl sein?“ murmelte die nur und verdrehte die Augen. Salwaa grinste.
Abends waren sie in einer Bar wo sie die zu ihren Getränken kostenlos gereichten Tapas genossen. Die Osterwoche stand bevor und Sofia würde in die Sierra Morena fahren, wo das Landgut der Garcias lag.
„Kommst du über das verlängerte Wochenende mit zu meiner Familie? Wir haben eine große Granja, eine Farm dort wo wir Rinder züchten. Mein Bruder Alejandro Jonatán, der in den Niederlanden an der Wageningen University Landwirtschaft studiert kommt zu Besuch. Unser Vater feiert seinen 50. Geburtstag und Alejandro hat sich extra frei genommen. Außerdem schreibt er gerade an seiner Masterarbeit.“ fragte Sofia unvermittelt. „Das ist der Geburtstag deines Vaters. Ich kann da nicht einfach mit dir auftauchen!“ protestierte Salwaa. „Unsinn! Ich habe schon gefragt! Meine Eltern interessieren sich auch für unsere Freunde und Alejandro bringt seine Freundin Sanne mit. Mal ehrlich Salwaa, ich bin nur so gut, weil du mich mitziehst! Bei Professor Sanchez verstehe ich oft nur die Hälfte und dann erklärst du mir das und ich kapiere es! Du gibst mir Nachhilfe in Wirtschaftsmathe und ich möchte meinen Eltern meine beste Freundin vorstellen. Meine Eltern freuen sich schon dich kennen zu lernen und du bist schon praktisch fest eingeplant.“
Salwaa seufzte belustigt. Sofia war ziemlich direkt, aber dabei lustig und sympathisch. „Na gut, ich komme mit.“, antwortete sie. Ihre Freundin umarmte sie lachend.
Am nächsten Tag beschloss Salwaa sich ein geeignetes Abendkleid für den Anlass zu kaufen. Gemeinsam mit Sofia betrat sie das Brautmodengeschäft Esthefan Novias. Sie wusste, mit den Designerkleidern von GB-Design würde sie zu sehr auffallen. Niemand wusste, dass sie eine Prinzessin aus den Emiraten war. Und das sollte möglichst so bleiben. Für ihre Kommilitonen war Salwaa die Tochter eines reichen Geschäftsmannes aus dem Orient.
Die Verkäuferin gab sich Mühe und am Ende hatte Salwaa drei wirklich schöne Kleider gefunden. Gemeinsam mit Sofia holte sie sich danach einige Tortillas und Empanadas und lud ihre Freundin kurzerhand in ihr Appartement ein.
„Wow… also meine Familie ist ja schon ziemlich reich, aber um hier so eine Wohnung in Albaicín zu haben… deine Familie muss wirklich auf einem anderen Level leben…“ murmelte Sofia eingeschüchtert.
Salwaa schluckte. War es ein Fehler gewesen Sofia zu zeigen wie sie in Granada lebte? Kurz entschlossen lachte sie allerdings und antwortete: „Unsinn! Die Wohnung hat irgendwann mal mein ältester Bruder gekauft. Er ist zwar verunglückt, aber hat alles seinen Kindern und seiner … na ja… Geliebten vererbt und die haben mir die Wohnung zur Verfügung gestellt. Wir halten in unserer Familie zusammen…“
Kapitel 3
Freitag nach der letzten Vorlesung stiegen sie in Salwaas Golf. Anders als ihre Geschwister war sie jemand der nicht gern mit Sportwagen fuhr. „Wir können auch mit dem Zug fahren und mein Bruder holt uns vom Bahnhof ab!“ hatte Sofia zwar gemeint, doch Salwaa hatte abgelehnt. Sie war gern unabhängig. Wenn sie sich bei den Garcias nicht wohl fühlte, wollte sie sich freundlich verabschieden und einfach nach Granada zurückkehren.
„Ah, Donna Sofia, schön, dass Sie da sind. Ihr Vater erwartet Sie schon!” begrüßte ein Angestellter der Granja sie. Ein wenig überrascht sah Salwaa auf das große Herrenhaus. Der Angestellte grinste. Er hinderte Salwaa daran ihr Gepäck selbst aus dem Kofferraum zu holen. „Lassen Sie nur, Señora, um das Gepäck kümmere ich mich schon. Gehen Sie nur mit Donna Sofia den Hidalgo begrüßen!“ So war ihr nur geblieben Sukar, den kleinen Terrier, den sie nicht hatte in Granada lassen wollen, aus der Transportbox zu holen. Um die beiden Katzen würde die Hausmeisterin sich über das Wochenende kümmern. Die Kartäuser-Katzen waren ansonsten sehr ruhig und beschäftigten sich gern selbst.
Sofia hatte nur: „Danke Camillo!“ gerufen und zog Salwaa mit sich ins Haus. „Papa, ich bin da!“ rufend rannte sie durch die Eingangshalle. Eine Tür wurde geöffnet. „Ah, mein kleiner Sonnenschein!“ hörte Salwaa einen durchtrainierten Mann mit graumelierten Haaren sagen. Sofia warf sich in seine Arme. „Oh Papa, es ist so schön zuhause zu sein!“ Der Mann lachte. „Ja, aber du wolltest ja unbedingt in die weite Welt hinaus und Tourismus studieren. Dabei will Adolfo dich schon seit zwei Jahren heiraten und fragt andauernd, wann du fertig bist. Er kommt morgen. Vielleicht wollt ihr dann eure Verlobung endlich verkünden?“
Salwaa sah, wie Sofia zusammenzuckte. „Ähm… Papa, lass mich doch erstmal das Studium zu Ende machen…“ Der Hidalgo seufzte. „Ihr würdet so gut zusammen passen, Sofia! Und wenn du Adolfo heiratest könnten die Granja der Hernandez und unsere Granja zusammenarbeiten.“
Salwaa räusperte sich. Don Garcia sah zu ihr. „Oh, Sie müssen verzeihen, Señora Marouwani, aber der kleine Wirbelwind hier wollte begrüßt werden. Herzlich willkommen in unserem Heim. Ich freue mich, dass Sie unsere Einladung und meine Einladung zu meinem Geburtstag angenommen haben. Die Freunde meiner Kinder sind Freunde der Familie!“ Salwaa lächelte. „Danke, Don Garcia, sowohl für die Einladung als auch das herzliche Willkommen.“, erwiderte sie.
In diesem Moment betrat ein Pärchen die Eingangshalle. „Alejandro!“ jubelte Sofia und fiel dem jungen Mann um den Hals.
Salwaa beobachtete die vier anderen Personen. Sofia freute sich sichtlich ihren Bruder zu sehen, der Hidalgo lächelte und Salwaa konnte Stolz in seinen Augen erkennen. Die Blondine in hellblauem Hosenanzug mit aufwändiger Hochsteckfrisur schaute einfach nur blasiert umher. Offenbar war auch die Begleitung von Alejandro das erste Mal auf der Granja – und ganz offensichtlich hatte sie sich die Ausstattung wesentlich feudaler vorgestellt.
Salwaa gefiel die schlicht ausgestattete Eingangshalle. Sie war allerdings auch sehr gern auf dem griechischen Landgut von guten Freunden ihres Bruders Maher oder besser ihrer Schwägerin Anastasia oder dem Weingut von Maria Greco, der „Schwiegermutter“ ihrer Schwester Wafaa in Venetien. Kein Bruder und keine Schwester von ihr, kein Schwager, keine Schwägerin, die oder der nicht schon einmal Urlaub auf einem der Landgüter gemacht hatte und nicht begeistert von der Wärme und Herzlichkeit der Gastgeber, der Landschaft und allem Drum und Dran gewesen wäre.
„Kunnen we niet naar een goed hotel gaan?” hörte Salwaa die Blondine in einem etwas nörgelnden Ton sagen. Sie überlegte. Die Frau sprach offenbar niederländisch und wenn sie das mit ihren Deutschkenntnissen richtig interpretierte, wollte die Blondine offenbar in ein Hotel, weil ihr das Herrenhaus der Granja zu einfach erschien.
Sukar knurrte leise. Er schien die Blondine oder Sofias Bruder – oder auch beide – nicht zu mögen. Beim Hidalgo, Sofias Vater hatte er keinen Laut von sich gegeben. Beruhigend streichelte sie ihn.
„Wij overnachten hier in het landhuis, Sanne, net als alle familieleden!“ antwortete der dunkelhaarige südländische Alejandro. Salwaa grinste innerlich. Ganz offensichtlich hatte Sofias Bruder seiner blonden arroganten Begleiterin Bescheid gegeben.
Wie gut, dass sie nicht in das „Beuteschema“ dieses Kerls fiel. Der stand augenscheinlich auf „blond, blauäugig ...“ und – wenn schon nicht blöd, dann wenigstens dummdreist und arrogant. Wobei… ein wenig verwegen sah Sofias Bruder ja schon aus… interessant…
„Alejandro! Schön, dass du da bist. Sofia ist auch gerade gekommen.“, begrüßte der Hidalgo seinen Sohn. Der erwiderte die Begrüßung ebenso herzlich, dann wandte er sich seiner Begleiterin zu. „Vater, darf ich dir meine Freundin Sanne Koster vorstellen?“ dann – an die Blondine gewandt, sagte er: „Sanne: Dit is mijn vader, Don Joaquin Rafael y Garcia Marquez.” Mit aufgesetztem Lächeln begrüßte die den Hidalgo in Englisch.
Das Lächeln des spanischen Landadeligen kühlte merklich ab. „Schön Sie kennen zu lernen, Miss Koster.“, antwortete er – ebenfalls in Englisch, bevor er Salwaa vorstellte. Danach wechselte er allerdings wieder ins Spanische, als er seinem Sohn berichtete: „Sie ist eine Kommilitonin und die beste Freundin deiner Schwester. Sie kommt aus den Emiraten und spricht übrigens fließend Spanisch!“ Ein abfälliger Blick traf Sanne Koster.
„Na ja, sie studiert ja auch hier – Sanne studiert Lebensmitteltechnologie in Wageningen. Übrigens hättest du Tourismus auch dort studieren können, Sofia!“
„Ich wollte aber in Spanien bleiben! Und nur weil Adolfo ein Schulfreund von dir ist…“ „Lass gut sein!“ unterbrach Alejandro seine Schwester unwirsch.
Der junge Spanier wandte sich an Salwaa: „Und was hat Sie ausgerechnet nach Granada verschlagen?“ Sie lächelte flüchtig. „Die Kultur… ich wollte sehen was von den Einflüssen meiner Heimatkultur noch da ist – und bevor Sie fragen: Ja, ich hätte auch in Venedig studieren und auf dem Landgut der Schwiegermutter meiner älteren Schwester oder direkt bei ihr und ihrem Mann und den Kindern im Palazzo leben können und dort sogar zwei Varianten von Tourismus studieren können: „Hospitality Innovation and e-Tourism“ oder „International Trade and Tourism“. Ersteres wäre sogar in Englisch gewesen. Ich hätte mit meiner Zwillingsschwester in den Harz gehen oder in Athen etwas vergleichbares studieren können. Und ja, in meiner Familie gibt es offenbar eine gewisse Begabung für Sprachen.“
Verblüfft sah Alejandro Garcia die junge Araberin an. „Sie sprechen ja wirklich fließend Spanisch! Was beherrschen Sie noch?“ Er wirkte wirklich interessiert. „Arabisch, zwei Beduinendialekte, die sich deutlich unterscheiden, Englisch, Deutsch, Französisch, Italienisch und hinlänglich Griechisch.“ antwortete Salwaa achselzuckend. „Ich bin beeindruckt.“ Um die Mundwinkel von Sofias Bruder zuckte es leicht spöttisch.
„Dann ist es ziemlich leicht Sie zu beeindrucken… aber kein Wunder…“ Salwaas Blick glitt zu Sanne Koster.
Der Hidalgo räusperte sich. Salwaa sah sich zu ihm um und bemerkte die Belustigung. „Ich denke, Luisa sollte Señora Marouwani und Miss Koster die Zimmer zeigen. Camillo hat sicher schon die Koffer in die Zimmer gebracht.“
Beim Abendessen lernte Salwaa auch Donna Isabella, Sofias Mutter kennen. Die Frau war Veterinärin und für die Rinder der Granjas zuständig. Die Unterhaltung wurde in Spanisch geführt, wodurch Sanne Koster außen vor war und mit beleidigter Miene missmutig die Suppe löffelte und im Hauptgang herumstocherte.
„Das Olivenöl im Salat ist sehr gut. Wo kriegt man das?“ fragte Salwaa überrascht. „Oh, Sie haben einen feinen Gaumen, meine Liebe.“ Donna Isabella war sichtlich begeistert. Salwaa lachte leise. „Na ja… meine Nichte Theodora, die Tochter meines ältesten Bruders ist schon seit mehreren Jahren total verliebt in ihren Astianax. Und der hat auch Landwirtschaft studiert – allerdings in Griechenland, wo er lebt. Familie Ampelourgos produziert ebenfalls Olivenöl und bisher habe ich mir immer was von Christo und Atalandi schicken lassen.“ Und schon waren Donna Isabella, Sofia und Salwaa am diskutieren - über Rezepte, Olivenöl, Essig…
„Ich bin Isabella, Salwaa! Lassen wir beide doch dieses Donna und Señora beiseite!“ sagte Sofias Mutter. Die beiden Frauen tranken Brüderschaft und besiegelten so ihre neue Freundschaft. „Ich muss dir unbedingt die Kochbücher – oder ja, es sind eher Hefte – übersetzen, die meine Nichte Theodora und ihre angehende Schwiegermutter Atalandi jedes Jahr rausbringen. Vielleicht rücken die beiden auch ihre „besten Rezepte“ raus. Das Stifado ist richtig lecker.“ kam von Salwaa und Isabella war sichtlich begeistert.
„Ze vinden mij niet leuk! Praat tenminste met mij!” nörgelte Sanne Koster. „Was meint deine Freundin, Alejandro?“ fragte Don Joaquin. „Könnten wir vielleicht Englisch reden? Sanne kann kein Spanisch und fühlt sich ausgegrenzt.“
„Hast du verstanden was sie gesagt hat?“ wandte sich Donna Isabella flüsternd an Salwaa. „Nicht genau,“ raunte die zurück, „irgendwas von wegen: „Die finden mich nicht… leuk…“ keine Ahnung was „leuk“ heißt und dann irgendwas „mit mir“ dies „praat tenminste“ habe ich auch nicht verstanden.“
„Ist bei Ihnen alles in Ordnung, Miss Koster?“ fragte die Dame des Hauses kühl in Englisch. „Ja, Mrs. Garcia.“ antwortete die Blondine mit aufgesetztem Lächeln. „Dürfte ich fragen, was Sie meinem Sohn gesagt haben? Ein wenig konnte ich ja hineininterpretieren, aber…“
Statt der blonden Niederländerin antwortete Alejandro ein wenig ungehalten: „Sanne meinte, dass sie das Gefühl hat ihr mögt sie nicht und bat, dass wenigstens ich mich mit ihr unterhalte!“
„Gut, dann reden wir jetzt bitte Englisch. Das beherrscht hier ja jeder…“ Don Joaquin hatte etwas verächtlich geklungen.
Nach dem Essen zog Sanne Koster sich auf ihr Zimmer zurück. Sie erzählte etwas von Kopfschmerzen.
Alejandro folgte ihr, merklich verärgert.
Salwaa, Sofia und deren Eltern dagegen unterhielten sich noch angeregt – und auch ihr Vater bot dem Gast das „Du“ an.
Es war spät geworden als Salwaa sich in das hübsche kleine Zimmer mit Rundbogenfenster zurückgezogen hatte.
Recht früh am Morgen wurde sie durch die schrille Stimme Sanne Kosters geweckt: “Wat betekent ‘mislukken’? Je verpest mijn toekomst! Ik moet een diploma halen! Anders onterven mijn ouders mij en krijgt mijn stomme zus alles en kan ik ook niet om die Spaanse boerenkloot heen!”
Salwaa runzelte die Stirn. Mit wem redete die Blondine? Und was verpestete jemand ihr? Auf jeden Fall ging es um ein Diplom.
„Hoeveel moet ik betalen om iemand het examen voor mij te laten schrijven, meneer Mujer?” hörte Salwaa die Frau weiterreden. Wenn sie das richtig verstand, fragte Sanne Koster ernsthaft eine Person namens Mujer wieviel sie jemandem zahlen müsse damit eine Prüfung geschrieben würde – vermutlich von jemand anderem.
Kopfschüttelnd fragte sie sich, wie man nur so unverschämt und unverfroren sein und zu betrügen versuchen konnte. Wobei…, wenn sie sich richtig erinnerte hatte sie das auch in Dubai, wo sie ihr Studium begonnen hatte, mitbekommen. Einige der Studentinnen aus reichem Elternhaus brauchten nur einen Abschluss um ihren „Marktwert“ zu erhöhen und hatten sich dementsprechend nicht wirklich Mühe beim Studium gegeben. Aber dass die Freundin vom Bruder ihrer Kommilitonin betrügen wollte das ärgerte sie doch.
Gut, dieser Alejandro war in ihren Augen ein arroganter Idiot und vielleicht hatte er die Blondine verdient, aber so eine Schwiegertochter hatten Isabella und Joaquin definitiv nicht verdient.
Salwaa duschte sich eilig, dann ging sie hinunter. Joaquin, Isabella, Alejandro und auch Sofia saßen schon am Tisch. Ein wenig verlegen entschuldigte Salwaa sich für die Verspätung, doch der Hausherr lachte. „Ach Mädchen, die Landluft macht schon mal müde, vor allem wenn man aus der Stadt kommt. Setz dich und greif zu!“
Isabella war ganz begeistert als sie Sukar, den kleinen Terrier erblickte, der auch sofort zu ihr lief als sie ihn lockte.