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Carmen Ullrich

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Beschreibung

Prinzessin Wafaa, die zweitälteste Tochter des Emirs von Bhakem hat eine katastrophale politische Ehe hinter sich und will nur noch vergessen. Sich ihrem Studium der Ökologie widmend tritt sie ein Praktikum in Venedig an. Hier hofft sie ihrer Vergangenheit entfliehen zu können. Durch eine Intrige von unerwarteter Seite vergisst sie mehr als sie je zu vergessen gedachte, kann sich aber so unbelastet auf die Liebe einlassen. Der venezianische Nobile Casanova Precci, seit einigen Jahren Witwer und alleinerziehender Vater, wartet vergebens auf seine Praktikantin und trifft bei seiner Schwiegermutter auf eine geheimnisvolle Schönheit die nicht nur sein Herz, sondern auch das seiner kleinen Tochter im Sturm erobert. Derweil macht sich Theodoros, Prinzessin Wafaas Neffe in Griechenland Sorgen; wieso postet die Tante nichts in den sozialen Medien?

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Veröffentlichungsjahr: 2023

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Carmen Ullrich

Tausend Tränen und ein Lächeln zur Liebe

Inhaltsverzeichnis

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Impressum

Prolog

Emir Abdullah Qadir von Bhakem und seine zweite Frau, Ibtisam, verabschiedeten ihre gemeinsame Tochter Wafaa auf dem Flughafen. Die Zweitälteste der Kinder des Emirs studierte Ökologie mit dem Schwerpunkt Wasserschutz. Die Prinzessin wusste, dass ihre Eltern sich Sorgen um sie machten, was sie etwas gereizt reagieren ließ. In ihrem Leben war in den letzten drei Jahren genug schief gegangen. Mit Schaudern dachte sie an ihre kurze Ehe. Sie hatte sich damals bereit erklärt, wie ihre älteste Schwester Shams, eine politische Ehe einzugehen, die ihr Vater arrangiert hatte um die Stabilität in den Emiraten zu gewährleisten. Anders als bei ihrer Halbschwester war diese Ehe die Hölle gewesen. Ihr Ehemann, Prinz Haroun, hatte sie stetig zurecht gewiesen, klein gemacht, getadelt und als das nicht so wirkte wie beabsichtigt, schließlich zu Gewalt, körperlicher Gewalt gegriffen. Er hatte sich ihr nicht nur nachts, sondern auch tagsüber aufgedrängt und irgendwann sogar zugeschlagen. Sie war eingesperrt worden, Post an ihre Eltern hatte diese nie erreicht und Anrufe aus und nach Bhakem oder mit ihrer Familie hatte sie nur im Beisein von Haroun oder seiner Schwester Manal führen dürfen. Sie wusste selbst, dass diese zwei Jahre in der Ehehölle sie hart gemacht hatten, misstrauisch, unnahbar. In Bhakem hatte sie vor ihrer Ehe ein sehr freundschaftliches, fast familiäres Verhältnis zu vielen langjährigen Mitarbeitern der Familie gehabt - zu den Sekretären ihres Vaters und ihrer älteren Brüder, dem Hofschneider und anderen - doch das Personal ihres Mannes hatte sie in seinem Auftrag bespitzelt und alles sofort detailliert ihrem "Herrn und Meister" berichtet. Sie war sich bis heute nicht mal sicher ob sie das aus Angst oder kranker Bewunderung für Haroun getan hatten.

Nach ihrer Scheidung hatte sie dann angefangen Ökologie zu studieren - teils auch aus Trotz, denn ihr Exmann war ein Angeber, der gern mit seinen Prestigeobjekten prahlte, die jeden Funken von Natur- und Umweltschutz entbehrten. Luxushotels mit riesigen Badewannen, Yachten mit mehr PS als notwendig... innerlich schüttelte sie immer noch fassungslos den Kopf. Ihr Schwerpunkt "Gewässerschutz" war nur die sichere Möglichkeit der überbesorgten Fürsorge ihrer Eltern zu entkommen. Sie hatte seit ihrer Rückkehr nach Hause jeden Moment diese Sorge gespürt. Ihr Vater hatte sie bei ihrer Studienwahl immer unterstützt. Er war es auch gewesen von dem der Vorschlag gekommen war, sie solle sich doch auf die Praktikantenstelle in Venedig bewerben, die der "Magistrato alle acque" ausgeschrieben hatte. Es ging um die Auswirkungen des M.O.S.E-Projekt und die langfristigen Folgen des Hochwasserschutzsystems. Wafaa wusste, dass ihr Vater seinen Einfluss hatte spielen lassen um sicher zu stellen, dass sie diese Stelle bekam und hatte seit einem guten halben Jahr bereits Italienisch gelernt. Sie hatte eine Begabung für Sprachen und war so schon recht gut. Ansonsten würde ihr perfektes Englisch ihr helfen.

Um den Marco-Polo-Flughafen nutzen zu können konnte sie nur eins der kleineren Flugzeuge aus der Flotte der Familie nutzen, was ihr aber nicht viel ausmachte. Luxuriös würde sie trotzdem reisen. Außerdem hatte sie sich bereit erklärt vorher noch eine Woche in Athen zu verbringen. Dort lebte ihr älterer Bruder Maher mit seiner Frau Anastasia und den inzwischen drei Kindern. Die Zwillinge der beiden, eigentlich die Kinder des tödlich verunglückten zweitältesten Sohnes des Emirs und - offiziell - seiner damaligen Geliebten Michaelia, bei der es sich um Anastasias Schwester gehandelt hatte - feierten ihren zwölften Geburtstag. Ihre Eltern hatten sie gebeten den beiden ihre Geburtstagswünsche und die -geschenke zu überbringen, da der Emir wichtige andere Verpflichtungen hatte. "Und denk daran, Theo und Thea daran zu erinnern, dass sie sich in den Weihnachtsferien nichts vornehmen!" erinnerte ihre Mutter - nebenbei auch Mahers Mutter - sie liebevoll. "Und grüß Anastasia und Maher herzlich von uns!" Wafaa nickte. Höflich, aber sehr distanziert - was früher nie der Fall gewesen wäre - verabschiedete sie sich von ihren Eltern und stieg ohne sich noch einmal umzusehen in das Flugzeug.

"Ich mache mir Sorgen um unsere Tochter, Abdullah." flüsterte Königin Ibtisam traurig. Der Emir lächelte leicht. "Meine Schöne, wir wissen nicht was in ihrer zweijährigen Ehe passiert ist und wieso unser ehemaliger kleiner Wirbelwind, der in jedem nur das Gute gesehen hatte und nett und freundlich zu jedermann war, jetzt so kühl, unnahbar und fast schon arrogant geworden ist, aber es wird sich alles finden." beruhigte ihr Mann sie. Versonnen lächelten die beiden sich an. Auf die Prophezeiungen von Qamar, einer langjährigen Palastangestellten war Verlass, das hatte die Vergangenheit bewiesen. Prinzessin Shams war glücklich mit Prinz Hadi von Bheran verheiratet, Karim, der Kronprinz hatte mit Georgina sein Glück gefunden, der dritte Sohn Zaki mit Diana in London und Maher, der jüngste Sohn des Emirs mit Anastasia in Athen. Auch die Prophezeiung über Jamal, seinen zweiten Sohn war - wenn auch tragisch für ihn selbst - in Erfüllung gegangen.

Königin Ibtisam lächelte. "Ja, nicht wahr?" flüsterte sie. "Die getreue Tochter der Lächelnden wird in der Stadt der geflügelten Löwen ihr Glück finden. Nach der Dunkelheit vergangener Zeit wird sie an einem namhaften Frauenhelden ihr Herz verlieren und merken, dass er anders ist als sein Name verheißt. Er wird in der Dunkelheit ein Licht für sie sein. Mit ihrer Hände Arbeit wird sie seine Achtung erwerben und seine Schöne werden und in der Stadt des "Heiligen Marcus" als herzensgute Mutter der Julischen Morgenröte unendliches Glück finden." rezitierte sie die Prophezeiung. "Wobei - kannst du dir vorstellen, dass Wafaa selbst arbeitet? Ich meine, vor vier Jahren hätte ich mir das vorstellen können, aber das scheint Haroun ihr gründlich ausgetrieben zu haben." Der Emir lächelte. "Verlassen wir uns doch, wie bisher auch, auf Qamars Worte..."

Kapitel 1

Wafaa befahl der Stewardess ihr ein Glas Wasser und eine geschälte Bioorange zu bringen. Sie gönnte sich einen letzten Blick auf das Terminal des Flughafens und ein kurzes Schweifen ihrer Gedanken. Welch Ironie, dass sie jetzt endlich etwas Freiheit haben würde. Nicht, dass sie als Kind nicht auch Freiheiten gehabt hätte, aber doch war dies immer im eher eng gesteckten Rahmen ihrer Kultur der Fall gewesen. Ihr Vater hatte für eine seiner Frauen, für Basmaa, sogar noch Kamele an seinen Schwiegervater "gezahlt". Wenigstens war das bei ihr nicht geschehen. Sonst hätte sie sich verkauft gefühlt und wahrscheinlich in der Hölle ausgeharrt, rein aus Pflichtbewusstsein. Dabei hatte sie anfangs wirklich gedacht, ihre Ehe könne funktionieren. Schließlich war sie mit der Einstellung aufgewachsen, dass Liebe eine seltsame westliche Anwandlung war und Eltern an sich am besten wussten wer zu ihr passen würde. Welch Ironie, dass ihre älteren Geschwister alle glücklich verheiratet - und verliebt dazu - waren.

Ihre Hand glitt wie von selbst auf ihren Bauch. Eigentlich hätte sie schon Mutter sein sollen. Sie hatte es sich so sehr gewünscht, damals... Damals, das schien eine Ewigkeit zurück zu liegen, nicht nur zwei Jahre. Sie hatte ihre Brüder mit ihren Kindern gesehen: Zaki mit seinen Söhnen, Maher mit den Zwillingen und dem "Nesthäkchen" Estia-Ibtisam, Karim mit seinen zwei Söhnen und zwei Töchtern und ihre Schwester Shams, die gerade ihr fünftes Kind erwartete.

Sie war schwanger geworden. Haroun hatte sich ihr schließlich oft genug aufgedrängt um seine Machtposition deutlich zu machen. Sie hatte sich so sehr ein eigenes Kind gewünscht, dass sie lieben konnte. Wafaa drängte die Tränen zurück als sie an die vier Monate dachte, die ihr damaliges Leben voller Hoffnung gewesen war, die kurze Zeit als sie Pläne für die Zukunft machte... Pläne, die sich zerschlagen hatten, als Haroun eines Tages besonders schlecht gelaunt gewesen war und wieder einmal zugeschlagen hatte... diesmal in den Magen. Dabei hatte er sie beleidigt und ihr erklärt, dass sie unnütz sei, immerhin wäre sie noch immer nicht schwanger. Danach hatte er sie zum Bett schubsen wollen, doch sie war gestolpert, unglücklich auf eine Fußbank gestürzt und dann war da nur noch Blut gewesen. Sie hatte sofort begriffen was das bedeutete: Ihr Baby würde nie zur Welt kommen. Haroun hatte ihren kleinen persönlichen Engel umgebracht. Das hatte sie in ein tiefes Loch gestürzt, doch als sie aus dem Krankenhaus gekommen war, hatte sie ihre Entscheidung gefällt und alles für die Scheidung in die Wege geleitet.

Sie wusste selbst, dass sie sich von ihrer Familie in der ganzen Zeit distanziert hatte. Zuerst gezwungenermaßen durch den Psychoterror Harouns, später, zurück in Bhakem, war es aus Selbstschutz geschehen. Darum hatten ihre Eltern sie wahrscheinlich auch verpflichtet, am Geburtstag von Theodora und Theodoros in Athen zu zu sein.

Maher, der Stiefvater der beiden, war derjenige ihrer Brüder, der ihr nicht nur vom Alter her immer am nächsten gewesen war, sondern auch sonst während der gemeinsamen Kindheit viel mit ihr gemeinsam gehabt hatte. Seit seiner Heirat lebte er die meiste Zeit in Athen, auch wenn er der Sohn des Emirs war, der vom verstorbenen Jamal ein etwas schwierigeres Erbe übertragen bekommen hatte. Er kümmerte sich um die Belange der Nomaden, die es auch heute noch in Bhakem gab und einige der anderen Emire hatten ihm, nachdem sie das erfahren hatten, nur zu gern die Verantwortung für die umherziehenden Bewohner der Region übertragen. Maher hatte diese Aufgabe übernommen - und nicht nur diese, wie Wafaa sich erinnerte. Sie schnaubte innerlich und spürte, wie willkommene Wut auf den verstorbenen Jamal in ihr hoch kam. Ihr zweitältester Bruder war hochintelligent gewesen und hätte damals eigentlich Wirtschaftsminister werden sollen, doch statt seine Pflicht zu erfüllen hatte er es vorgezogen den Dummkopf zu spielen, ein offizielles Wirtschaftsstudium nur mit Mühe und Not zu bestehen, während er ein zweites Studium summa cum laude abgeschlossen hatte. "Beschäftigt" mit Ministerposten in denen er keinen "Schaden anrichten" konnte, wie "Sportminister", war er seiner Begabung folgend daran gegangen heimlich ein wahres Firmenimperium aufzubauen. Wafaa schüttelte leicht den Kopf. Keiner von der Familie hatte das mitbekommen, geschweige denn geahnt. Von Athen aus hatte Jamal die JATT-Group gegründet. Die Familie des Emirs hatte damals dort ein Penthouse in Kolonaki gehabt um notfalls vor Ort sein zu können, wenn es Probleme mit dem Ölhandel gegeben hätte und es später einfach behalten als Piräus, der Athener Hafen, mehr und mehr zum Drehpunkt für Tourismus geworden war. Jamal hatte das Penthouse genutzt und dort mit seiner Geliebten Michaelia gelebt. Das "Ergebnis" dieser Liaison waren Theodora und Theodoros - offiziell. Doch ihr Bruder hatte für seine Geliebte nie wirklich Gefühle gezeigt. Wafaa erinnerte sich, wie fassungslos sie gewesen war, als Maher erzählt hatte wessen Kinder die beiden wirklich waren.

Qamars Prophezeiungen... Wieso hatte die treue Dienerin sie nicht vor der Ehe mit Haroun gewarnt? Oder hatte sie das vielleicht doch getan? Einfach durch den Umstand, dass sie eben nichts gesehen hatte? Egal.

Die treue Dienerin hatte Jamal jedenfalls prophezeit, dass er Michaelia Papadoupoulos begegnen, aber sich in ihre Schwester verlieben würde ohne sie jemals zu seiner Frau machen oder für sich begeistern zu können. Diese Schwester war Anastasia. Jamal hatte sich immer Kinder gewünscht und mit einem Trick dafür gesorgt, dass seine "Angebetete" genetisch die Mutter der Kinder war, die Michaelia ausgetragen hatte. Vielleicht hatte diese das geahnt, denn gekümmert hatte sie sich um die Zwillinge nur sporadisch. Viel lieber waren sie ihrer Schwester, der "Tante" überlassen worden. Die Firmengruppe hieß auch - insgeheim - nach Jamals kleiner "Wunschfamilie": JATT, was für Jamal, Anastasia, Theodora und Theodoros stand. Doch sonst hatte ihr zweitältester Bruder bewundernswerte Selbstverleugnung bewiesen und sich der von ihm bewunderten Frau nicht genähert...

Von der Existenz der Zwillinge hatte man in Bhakem erst vor vier Jahren erfahren und alles daran gesetzt die beiden aus Athen "nach Hause" zu holen. Sie selber war extra mit Maher damals nach Athen gekommen und auch Zaki, der mit seiner Familie in London lebte, war angereist um sicher zu stellen, dass sie die Kinder bekommen würden. Das war der Beginn der Liebe zwischen Anastasia und Maher gewesen. Fast ein wenig wehmütig erinnerte sich Wafaa zurück. Ihre Schwägerin hatte sich als wahre Löwenmutter gezeigt und auch die Kinder waren erfinderischer als sie alle ihnen zugetraut hätten. Mit einem Hungerstreik bis zu einer letztendlichen - irgendwie sogar erfolgreichen - Flucht aus Bhakem hatten die beiden alles daran gesetzt bei Anastasia bleiben zu können. Inzwischen war Mahers Griechisch schon fließend und aus "Ya attah" - Katze war längst das Griechische "Ghatoula mou" geworden, was immer sehr zärtlich kam und "meine Katze" hieß. Zaki nannte seine Frau oft "Schaf" oder "Schäfchen". Es gab ihr einen leichten Stich der Eifersucht, wenn sie daran dachte, wie glücklich die anderen waren. Sie war in ihrer kurzen Ehe von Haroun nur beschimpft worden.

Sie hörte, wie die zwei Stewardessen miteinander tuschelten. Wahrscheinlich ging es um sie. Verärgert drehte sie sich zu den beiden Frauen um. "Haben Sie nichts zu tun? Sie werden nicht fürs Tratschen und Schnattern bezahlt!" fuhr sie sie an. Die beiden entschuldigten sich hastig. Die eine verschwand in der Bordküche, die andere erkundigte sich pflichtschuldig, ob Wafaa etwas brauche. "Nein, ich rufe dann schon!" entgegnete diese ungnädig und winkte sie beiseite.

Ihr Mobiltelefon klingelte. "Ja?" meldete sie sich kurz angebunden. Ihr Bruder antwortete. "Hallo Schwesterherz. bist du schon unterwegs?" fragte er freundlich. "Ja, ich dachte, das wäre klar!" entgegnete sie. "Gut, ich rufe nur an, um dir zu sagen, dass wir dich nicht abholen können. Ich habe eine dringende Ausschuss-Sitzung in der Firma und ich brauche Stavros - also Mr. Andros, unseren Chauffeur selber und Anastasia arbeitet auch. Die Firma für die sie arbeitet hat einen neuen Großauftrag von GB-Design bekommen und das wird dauern." Wafaa schnaubte. "Dann bestelle ich mir halt eine Limousine! Ich bin kein Kleinkind, Maher!" Ihr Bruder lachte. "Unsinn! Du wirst abgeholt, allerdings wie gesagt nicht von uns, sondern von Theodoras zukünftigen Schwiegervater, Christoforos Ampelourgos. Die Zwillinge feiern ihren Geburtstag eh auf der Plantage, immerhin ist gerade Olivenernte und die beiden nutzen den Feiertag und das Wochenende um zu helfen. Du kennst die zwei doch, die beiden sind gern draußen in den Olivenhainen." erklärte er. "Christo erwartet dich und nimmt dich mit zum Landgut. Ana und ich kommen dann morgen in aller Frühe. Lass dich von deiner Nichte und ihrer zukünftigen Schwiegermutter verwöhnen. Du weißt doch, die beiden sind leidenschaftliche Köchinnen - und nebenbei, verdammt gute dazu! Ich muss auflegen, die Arbeit ruft. Wir sehen uns dann morgen, Schwesterchen." Er legte auf. Das Verhältnis zu Maher war in den letzten Jahren auch etwas abgekühlt. Ein wenig bitter dachte sie an ihre Nichte. Welch Ironie, dass Qamar schon damals, als Theodora gerade mal acht Jahre alt gewesen war, prophezeit hatte, dass das Mädchen mit Astianáx Ampelourgos, dem Sohn und Erben der Produzenten - und inzwischen Hoflieferanten des Emirs von Bhakem - von Olivenöl, ihr Glück finden würde. Christoforos und Atalandi, dessen Eltern, betrachteten die Kleine schon lange als Tochter und waren so auch eng mit Maher und Anastasia befreundet.

Was hatte Maher gesagt? Die Zwillinge feierten auf der Plantage Geburtstag? Innerlich seufzte Wafaa. "Wunderbar!" dachte sie ironisch. Sie würde also zwischen Dreck, Öl und Ungeziefer, irgendwo im Freien, fernab von städtischer Zivilisation feiern müssen, anstatt eine Party für die Kinder auf dem vor vier Jahren neu erworbenen Anwesen in Athen Ekalis organisieren zu können. Partys, Events und Bankette organisieren, das konnte sie. Ironischerweise hatte selbst Haroun das zugeben müssen.

Sie suchte die Nummer der Firma Ampelourgos in ihrem Mobiltelefon und stellte frustriert fest, dass sie es nie für nötig gehalten hatte diese zu speichern. Frustriert versuchte sie Amin Baydoun, den Sekretär ihres ältesten Bruders Karim zu erreichen - erfolglos. Auch bei dessen Frau, der Sekretärin ihrer Schwägerin Georgina, hatte sie keinen Erfolg. Also würde sie sich in Athen darum kümmern müssen, dass wenigstens das Notwendigste, eine aufwändige Geburtstagstorte beispielsweise, auf das Landgut geliefert würde.

Es war Ende Oktober. Was hatte doch ihr Bruder gesagt? Es war gerade Olivenernte? Wafaa zog entschlossen ihr iPad heraus. Sicher würden die Ampelourgos' froh sein, wenn sie die Planung übernahm und dafür sorgte, dass der Geburtstag der Zwillinge angemessen über die Bühne lief. Außerdem müsste sie so nicht untätig rumsitzen bis sie in Athen landen konnte. Am Ende entwarf sie sogar eine Geburtstagstorte - vierstöckig - für die Kinder, nur um sich nicht unnötig mit dem Personal - sprich den zwei Stewardessen beschäftigen zu müssen, die sie irgendwann doch unterbrachen um das Essen zu servieren.

Sie probierte die gefüllten Weinblätter und verzog das Gesicht. Das war nicht das Rezept des Hofkochs. Sie winkte herrisch die eine der Stewardessen herbei. "Was ist das?" verlangte sie zu wissen und zeigte auf den Teller. "Ähm..." die Frau zog hastig einen Zettel aus dem Kostüm. "Dolmades - griechische gefüllte Weinblätter nach einem Rezept von Prinzessin Theodora, Moussaka mit Hammelfleisch - ebenfalls nach einem Rezept Ihrer Nichte, Hoheit, und zum Nachtisch ist ein Panna Cotta vorgesehen. Der Koch meinte, es sei eine gute Idee Ihnen ein mediterranes Menü servieren zu lassen." fühlte sie sich offenbar bemüßigt eine Erklärung geben zu müssen. "Interessant. Hat er auch etwas anderes mitgeschickt?" Die Stewardess nickte. "Dann räumen Sie dieses Zeug hier ab und servieren das zweite Menü. Ich hoffe nicht, dass das auch so ein Firlefanz ist!" befahl die Prinzessin. die Stewardess reagierte sofort, räumte hastig die griechische Vorspeise ab und eilte in die kleine Küche um eine viertel Stunde später mit traditionellen Weinblättern zurück zu kommen, wie die Prinzessin sie kannte.

Gegen Abend landete das Flugzeug auf dem Flughafen in Athen. Hoheitsvoll ließ Prinzessin Wafaa die geringen Kontrollen über sich ergehen. Immerhin besaß sie als Angehörige des Königshauses einen Diplomatenpass. Einem der Beamten, der so unverschämt war mit ihr zu flirten drohte sie eine Beschwerde bei seinem Vorgesetzten an, was ihn erbleichen ließ. Sie schritt in den Warteraum für die VIPs. Undenkbar sich mit dem gewöhnlichen Volk im Terminal gemein zu machen.

Ein gewöhnlich gekleideter Mann kam zehn Minuten später hereingeschlendert. Ihm folgte Said Hares, einer der langjährigen Leibwächter des Herrscherhauses von Bhakem. "Hallo, Sie müssen Wafaa sein, Mahers kleine Schwester." begrüßte der ihr nur vage bekannt vorkommende Mann sie. Die Prinzessin musterte ihn abschätzig von oben bis unten. "Ja - und ich gehe wohl richtig in der Annahme, dass Sie Mr. Ampelourgos sind?" Er grinste. "Ne, stimmt. Ich bin Christo. Herzlich willkommen in Griechenland, Mädchen!" Wafaa zog indigniert eine Augenbraue hoch. "Ich wüsste nicht, dass ich Ihnen erlaubt hätte mich derart plump zu betiteln!" Überrascht sah er sie an. "Aber du gehörst zur Familie. Theodora ist Familie, ihre Eltern sind Familie - und du bist ihre Tante, also bist du auch Familie!" erklärte er verblüfft.

Said Hares lächelte versonnen. "Hoheit, Ihr Bruder bedauert, dass er nicht anwesend sein kann, aber er bat mich und Christo Sie auch in seinem Namen zu begrüßen." Wafaa nickte und wies auf das Gepäck. Sie hatte nur das Nötigste mitgenommen. Der Rest war bereits in ihrer Wohnung in Venedig. Sie hatte schon vorab für eine tüchtige Sekretärin gesorgt, die einen der Palazzi gefunden hatte, der zum Verkauf stand und vom Emir gekauft und im ersten Stock renoviert worden war, damit Wafaa dort während ihres Praktikums wohnen konnte.

Entgeistert schaute Wafaa kurz darauf auf das Gefährt mit dem dieser Olivenbauer offenbar allen Ernstes gekommen war: Ein Jeep! "Dann mal hinein in den Wagen!" rief er fröhlich, warf ihre zwei Chanel-Koffer rücksichtslos auf den Rücksitz und öffnete die Beifahrertür für sie. "Oder will Gnädigste hinten sitzen?" Offenbar war dieser Bauerntrampel - wie Wafaa ihn gedanklich nannte - jetzt beleidigt, weil sie nicht „auf Familie machen" wollte. Sollte er doch. Sie hatte zwar versprochen eine Woche in Athen zu bleiben - aber immerhin in Athen. Da man sie in irgendein Dorf brachte, würde sie so bald wie möglich aus Griechenland verschwinden. Das schwor sie sich. Sie bedeutete Said Hares, dass sie sich lieber neben ihre Koffer setzten würde als neben diesen Mann. Der Leibwächter reagierte, wie von ihm zu erwarten war und half ihr höflich beim Einsteigen, dann nahm er selbst auf dem Beifahrersitz Platz. Während der Fahrt versuchte er eine Unterhaltung zu beginnen, was die Prinzessin barsch abblockte. In Arabisch erkundigte sie sich stattdessen, ob sie wenigstens einigermaßen standesgemäß untergebracht wäre oder es ratsam sei, sich ein Hotelzimmer zu suchen.

Christoforos Ampelourgos räusperte sich leise, doch vernehmlich. "Fräulein, ich finde das reichlich unhöflich arabisch zu reden, ich bin nämlich nicht so dumm, dass ich nicht mitbekommen würde, dass es um irgendwas auf der Plantage geht. Wenn Sie schon irgendwas Abfälliges sagen wollen, dann sagen Sie das gefälligst in Englisch, damit ich Ihnen meine Meinung sagen kann!" wies er sie zurecht. Wafaa sah ihn abfällig an.

---ENDE DER LESEPROBE---