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Die fortschrittlichsten Analysemethoden zur Technischen Analyse in einem Buch: - Modernste Chartformationen - Trends und Tipps, die Sie beim Anlegen brauchen - Japanische Candlestick-Charts und Point-&-Figure-Charts - Die Intermarket-Analyse im Visier - Die besten Indikatoren - Risikomanagement - Börsenpsychologie John J. Murphy bringt Ordnung ins weite Feld der Technischen Analyse. Er kann mit einer nie da gewesenen Fülle an Informationen aufwarten und bietet Ihnen handfestes Wissen, wie Sie mit der Technischen Analyse Ihr Geld noch besser anlegen können. Neueste Charttechniken werden dabei direkt auf eine Vielzahl von Finanzinstrumenten angewendet. In diesem umfangreichen und ambitionierten Werk sind sogar die schnelllebigen Online-Trading-Märkte berücksichtigt. Murphy bezieht die Bereiche Risikomanagement und Börsenpsychologie in seinen Ansatz mit ein. Das ideale Fachbuch für jeden Privatanleger!
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Seitenzahl: 650
Veröffentlichungsjahr: 2006
TechnischeAnalyse
der Finanzmärkte
Grundlagen, Strategien, Methoden, Anwendungen
John J. Murphy
FBV
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek:
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
Für Fragen und Anregungen:
Teil 1: Technische Analyse der Finanzmärkte.
Copyright © 1999 by John J. Murphy
Erschienen bei New York Institute Of Finance unter dem Titel:
Technical Analysis of the Financial Markets
Teil 2: Workbook Technische Analyse.
Copyright © 1999 by Prentice Hall
Erschienen bei New York Institute Of Finance unter dem Titel:
A Comprehensive Guide to Trading Methods and Applications
All rights reserved including the right of reproduction in whole or in part in any form. This edition published by arrangement with Prentice Hall Press, a mmber of Penguin Group (USA) Inc.
Aus dem Amerikanischen von Hartmut Sieper
Für meine Eltern Timothy und Margaret, und für Patty, Clare und Brian
Gesamtbearbeitung: FinanzBuch Verlag, München
13., unveränderte Auflage 2017
© 2003 FinanzBuch Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH
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ISBN Print 978-3-89879-062-8
ISBN E-Book (PDF) 978-3-86248-515-4
ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-86248-516-1
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www.finanzbuchverlag.de
Vorbemerkung
John Murphy beschäftigt sich seit Anfang der 70er-Jahre professionell mit der Technischen Analyse. In seinem aktuellen Buch Technische Analyse der Finanzmärkte bringt er für Sie Ordnung ins weite Feld der herkömmlichen Chart- und Indikatorenanalyse. Übersichtlich und äußerst praxisnah bekommen Sie selbst neueste Charttechniken in direkter Anwendung auf eine Vielzahl von Finanzinstrumenten vorgestellt. Es werden Ihnen zahlreiche Charts gezeigt, die für sich selbst sprechen und die Ihnen die charttechnischen Prinzipien und deren Anwendung in realistischen Börsensituationen klar erläutern. Das richtungsweisende Buch für den Praktiker! Mit Hilfe von John Murphys bewährten Analysemethoden werden Sie in die Lage versetzt, relevante Entwicklungen an den Märkten zu erkennen, Trends zu qualifizieren und sicher zu bewerten. Sogar die schnelllebigen Online-Trading-Märkte sind in diesem Werk ausführlich dokumentiert.
Des Weiteren werden Ihnen interessante Indikatoren, Candlestick-Charts und die unverzichtbare Intermarketanalyse in aller Ausführlichkeit vorgestellt. Mit diesem Buch gelingt Ihnen der Schritt von grundlegenden Charttechniken zur aktuellsten Computertechnologie und zu den fortschrittlichsten Bewertungsmethoden, die es derzeit gibt.
Besonders erfreulich ist, dass der Schwerpunkt dieses Buches auf der Aktienanlage liegt, die Terminmärkte aber nicht vernachlässigt werden. Es ist nicht nur äußerlich ein beeindruckendes Buch, sondern die ergiebigste und anregendste Gesamtdarstellung der Technischen Analyse überhaupt. Texte und Abbildungen ergänzen sich optimal. Anlageerfolge wachsen mit der Bereitschaft, sich ständig weiterzuentwickeln und zu perfektionieren. Die Technische Analyse der Finanzmärkte ist ein Muss sowohl für Anfänger wie auch für Fortgeschrittene.
Heinz Imbacher
Ressortleiter Technische Analyse Börse Online
Inhalt
Teil 1: Technische Analyse der Finanzmärkte
Vorwort für die deutsche Ausgabe
Einleitung
01 Philosophie der Technischen Analyse
Einleitung
Philosophie oder Rationalität
Technische versus fundamentale Prognose
Analyse versus Timing
Flexibilität und Anpassungsfähigkeit der Technischen Analyse
Anwendung Technischer Analyse auf verschiedene Handelsgegenstände
Anwendung Technischer Analyse auf verschiedene Zeithorizonte
Ökonomische Prognosen
Technischer Analyst oder Chartist?
Ein kurzer Vergleich zwischen Technischer Analyse bei Aktien und Futures
Geringere Verlässlichkeit von Marktdurchschnitten und Indikatoren
Einige Kritikpunkte des Technischen Ansatzes
Random-Walk-Theorie
Universelle Prinzipien
02 Dow-Theorie
Einleitung
Kernaussagen
Der Gebrauch von Schlusskursen und die Gegenwart von Linien
Einige Kritikpunkte der Dow-Theorie
Aktien als Wirtschaftsindikatoren
Anwendung der Dow-Theorie auf Futures-Trading
Schlussfolgerung
03 Die Konstruktion von Charts
Einleitung
Charttypen
Kerzencharts
Arithmetische versus logarithmische Skalierung
Konstruktion eines Balkencharts
Umsatz
Open Interest von Terminkontrakten
Wöchentliche und monatliche Balkencharts
Fazit
04 Das grundlegende Konzept des Trends
Definition des Trends
Der Trend hat drei Richtungen
Die drei Klassifikationen eines Trends
Unterstützung und Widerstand
Trendlinien
Das Fächerprinzip
Die Bedeutung der Zahl drei
Die relative Steilheit der Trendlinie
Die Kanallinie
Prozentuale Korrekturbewegungen (Retracements)
Speed Resistance Lines
Gann- und Fibonacci-Fächerlinien
Interne Trendlinien
Umkehrtage
Kurslücken
Fazit
05 Umkehrformationen des primären Trends
Einleitung
Kursformationen
Zwei Arten von Formationen: Trendumkehr und Trendbestätigung
Kopf-Schulter-Umkehrformation
Die Bedeutung des Umsatzes
Ermittlung eines Kursziels
Die inverse Kopf-Schulter-Formation
Komplexe Kopf-Schulter-Formationen
Dreifach-Spitzen und -Böden
Doppel-Spitzen und -Böden
Abweichungen von der idealen Formation
Untertassen und V-Formationen
Fazit
06 Fortsetzungsformationen
Einleitung
Dreiecke
Das symmetrische Dreieck
Das aufsteigende Dreieck (Aufwärtsdreieck)
Das absteigende Dreieck
Das umgekehrte Dreieck (Broadening Top)
Flaggen und Wimpel
Die Keil-Formation
Die Rechteck-Formation
Die gemessene Bewegung (Measured Move)
Die Kopf-Schulter-Konsolidierungs-Formation
Bestätigung und Abweichung
Fazit
07 Umsatz und Open Interest
Einleitung
Volumen und Open Interest als sekundäre Indikatoren
Interpretation der Umsätze (für alle Märkte gültige Regeln)
Interpretation des Open Interest bei Futures
Regeln über Umsatz und Open Interest (Zusammenfassung)
Blow-offs und Selling Climaxes
Der Bericht über die Teilnahme verschiedener Händlergruppen
Beobachten Sie die Commercials!
Netto-Handelspositionen
Open Interest bei Optionen
Put/Call-Ratios
Kombination des Option-Sentiments mit technischen Instrumenten
Fazit
08 Langfristcharts
Einleitung
Die Bedeutung der längerfristigen Perspektive
Konstruktion von fortlaufenden Charts bei Futures
Der Endloskontrakt
Langfristtrends stellen Zufälligkeit in Frage
Chartformationen: Wochen- und Monatsumkehr
Von Langfristcharts zu Kurzfristcharts
Warum sollten Langfristcharts um die Inflation bereinigt werden?
Langfristcharts sind nicht zum Trading gedacht
Beispiele von Langfristcharts
09 Gleitende Durchschnitte
Einleitung
Der gleitende Durchschnitt: Eine geglättete Linie mit einer Zeitverzögerung
Prozentbänder
Bollinger Bänder
Der Einsatz von Bollinger Bändern als Zielmarken
Die Bandbreite misst die Volatilität
Gleitende Durchschnitte in Verbindung mit Zyklen
Fibonacci-Zahlen als gleitende Durchschnitte
Gleitende Durchschnitte in Langfristcharts
Die Wochen-Regel
Optimieren oder nicht?
Zusammenfassung
Der sich anpassende gleitende Durchschnitt
Alternativen zu den gleitende Durchschnitten
10 Oszillatoren und Contrary Opinion
Einleitung
Die Verwendung von Oszillatoren in Verbindung mit dem Trend
Das Momentum
Das Rate of Change (ROC)
Die Konstruktion eines Oszillators aus zwei gleitenden Durchschnitten
Commodity Channel Index
Der Relative-Stärke-Index (RSI)
Der Einsatz der 70- und 30-Linien für die Generierung von Signalen
Der Stochastik-Oszillator (K%D)
Larry Williams %R
Die Bedeutung des Trends
Wann Oszillatoren am nützlichsten sind
Moving Average Convergence/Divergence (MACD)
MACD-Histogramm
Kombination von Tages- und Wochen-MACD
Das Prinzip der gegensätzlichen Meinung (Contrary Opinion)
Stimmungsindikatoren
Investors Intelligence-Zahlen
11 Point & Figure Chart
Einleitung
Point & Figure Chart versus Balkencharts
Konstruktion des Intraday Point & Figure Charts
Die horizontale Zählweise (Horizontal Count)
Kursformationen
3-Punkt-Umkehr-Point & Figure Charts
Konstruktion des 3-Punkt-Umkehrcharts
Das Zeichnen von Trendlinien
Techniken zur Ermittlung von Kurszielen
Handelstaktiken
Vorteile von Point & Figure Charts
Technische Indikatoren bei Point & Figure Charts
Computerisierte Point & Figure Charts
Gleitende Durchschnitte bei Point & Figure Charts
Fazit
12 Japanische Candlestick-Charts
Einleitung
Die Konstruktion von Kerzencharts
Candlestick-Grundformen
Analyse von Candlestick-Formationen
Gefilterte Kerzen-Formationen
Fazit
Candlestick-Formationen
13 Elliott-Wellen-Theorie
Historischer Hintergrund
Die grundlegenden Charakteristika des Elliott-Wellenprinzips
Verbindung zwischen Elliott-Wellen- und Dow-Theorie
Korrekturwellen
Die Regel der Alternation
Kanalbildung
Welle 4 als Unterstützungszone
Fibonacci-Zahlen als Grundlage des Wellenprinzips
Fibonacci-Ratios und Retracements
Prozentuale Fibonacci-Retracements
Fibonacci-Zeitziele
Kombination aller drei Aspekte der Wellen-Theorie
Elliott-Wellen bei Aktien versus Commodities
Zusammenfassung und Schlussfolgerungen
Literaturhinweise
14 Zeitzyklen
Einleitung
Zyklen
Wie zyklische Konzepte dazu beitragen, Charttechniken zu erklären
Dominante Zyklen
Kombination von Zykluslängen
Die Bedeutung des Trends
Linke und rechte Translation
Wie man Zyklen isoliert
Saisonale Zyklen
Aktienmarkt-Zyklen
Das Januar-Barometer
Der Präsidentschafts-Zyklus
Kombination von Zyklen mit anderen technischen Instrumenten
Maximale Entropie-Spektralanalyse
Zyklusbestimmung und Software
15 Computer und Handelssysteme
Einleitung
Anforderungen an den Computer
Wie man die Werkzeuge und Indikatoren zu Gruppen zusammenfasst
Anwendung der Instrumente und Indikatoren
Welles Wilders Parabolic und Directional Movement System
Pro und Contra Handelssysteme
Benötigen Sie Expertenhilfe?
Testen Sie Systeme, oder kreieren Sie Ihr eigenes System
Fazit
16 Geldmanagement und Handelstaktiken
Einleitung
Die drei Elemente des erfolgreichen Tradings
Geldmanagement
Gewinn-/Verlust-Verhältnis
Das Trading mehrfacher Positionen: Trend-Einheiten versus Trading-Einheiten
Was man nach Perioden des Erfolgs und Misserfolgs macht
Handelstaktiken
Kombination von technischen Faktoren und Geldmanagement
Typen von Wertpapieraufträgen
Von Tages-Charts zu Intraday-Charts
Der Einsatz von Intraday-Pivot-Punkten
Zusammenfassung der Geldmanagement- und Trading-Leitlinien
Anwendung auf Aktien
Asset Allocation
Gemanagte Depots und Investmentfonds
Market-Profile
17 Die Verbindung zwischen Aktien und Futures: Intermarket-Analyse
Intermarket-Analyse
Programmhandel: Die ultimative Verbindung
Die Verbindung zwischen Renten und Aktien
Die Verbindung zwischen Renten und Rohstoffen
Die Verbindung zwischen Rohstoffen und US-Dollar
Aktiensektoren und -branchen
Der Dollar und hochkapitalisierte Werte
Intermarket-Analyse und Investmentfonds
Analyse der Relativen Stärke
Relative Stärke und Sektoren
Relative Stärke und einzelne Aktien
Top-down-Marktansatz
Deflationsszenario
Intermarket-Korrelationen
Neuronale Netzwerke für Intermarket-Analyse
Fazit
18 Aktienmarkt-Indikatoren
Messung der Marktbreite
Beispieldaten
Der Vergleich von Marktdurchschnitten
Die Advance-Decline-Linie
AD-Divergenz
Tägliche versus wöchentliche AD-Linien
Variationen bei der AD-Linie
McClellan-Oszillator
McClellan-Summationsindex
Neue Hochs versus neue Tiefs
New High-New Low-Index
Upside versus Downside Volume
Der Arms-Index
TRIN versus TICK
Glättung des Arms-Index
Open Arms
Equivolume Charts
Candlepower
Der Vergleich von Marktdurchschnitten
Fazit
19 Pulling it all together – eine Checkliste
Technische Checkliste
Wie man technische und fundamentale Daten koordiniert
Chartered Market Technician (CMT)
Market Technicians Association (MTA)
Die globale Reichweite der Technischen Analyse
Technische Analyse von verschiedenen Autoren
Anerkennung der Technischen Analyse durch die Federal Reserve Bank
Fazit
Anhang A: Fortgeschrittene technische Indikatoren
Demand-Index (DI)
Herrick Payoff Index (HPI)
Starc-Bänder und Keltner Kanäle
Formel für den Demand Index
Anhang B: Market Profile
Einleitung
Market-Profile-Grafik
Market-Struktur
Organisationsprinzipien des Market Profile
Entwicklung der Bandbreite und der Profilmuster
Die Verfolgung långerfristiger Marktbewegungen
Fazit
Anhang C: Die Kernpunkte bei der Entwicklung eines Handelssystems
5-Stufen-Plan
Stufe 1: Mit einem Konzept (einer Idee) beginnen
Stufe 2: Umsetzung Ihrer Idee in eine Reihe objektiver Regeln
Stufe 3: Visuelle Inspektion auf den Charts
Stufe 4: Formaler Test mit einem Computer
Stufe 5: Auswertung der Ergebnisse
Geldmanagement
Fazit
Anhang D: Continuous Futures Contracts
Nerest Contract
Next Contract
Gann Contracts
Continuous Contracts (Endloskontrakte)
Constant Forward Continuous Contracts
Glossar
Danksagungen
Über den Autor
Über die Mitarbeiter
Teil 2: workbook Technische Analyse
Wie man dieses Arbeitsbuch benutzt
Lektion 1 – Technische Analyse und die Dow-Theorie
Lektion 2 – Chartkonstruktion
Lektion 3 – Trendkonzept
Lektion 4 – Umkehr- und Fortsetzungsformationen
Lektion 5 – Umsatz und Open Interest
Lektion 6 – Langfristcharts und Rohstoffindices
Lektion 7 – Gleitende Durchschnitte
Lektion 8 – Oszillatoren und Contrary Opinion
Lektion 9 – Point & Figure-Charts und Candlestick-Charts
Abschlussprüfung
Lösungen
Teil 1: Technische Analyse der Finanzmärkte
Vorwort für die deutsche Ausgabe
Es ist viel passiert seit der letzten Auflage der Technischen Analyse der Finanzmärkte 1999. Die weltweite Blase an den Weltbörsen ist im Jahr 2000 geplatzt, was zum größten Einbruch der Aktienmärkte seit 1929 geführt hat. Von dem Zeitpunkt an, als die Nasdaq im Frühjahr 2000 ihren Höchststand erreicht hatte, dauerte es noch ein ganzes Jahr, bis die Wirtschaft verstanden hatte, was die Charts bereits ein Jahr vorher angedeutet hatten: Nämlich, dass sich die amerikanische Wirtschaft in einer neuen Rezession befand. Die Analysten der Wall Street (und logischerweise auch deren Kunden) mussten lernen, was es hieß, sich ausschließlich auf fundamentale Überlegungen zu verlassen und technische Warnsignale außer Acht zu lassen. Eine grundlegende Prämisse der Chartanalyse ist es, dass die Geschehnisse an den Aktienmärkten ein führender Indikator für die Entwicklung der Wirtschaft sind. Und diese Prämisse traf kein anderes Mal so zu wie im Jahr 2000. Diejenigen, die die Charts genau beobachteten, kamen mit einem blauen Auge davon. Diejenigen, die das nicht taten, mussten schwere Verluste in den folgenden drei Jahren hinnehmen.
Die Bedrohung einer globalen Deflation ausgehend von den asiatischen Märkten trug 1997 dazu bei, dass es zu einer massiven Verschiebung innerhalb der Portfolios weg von den Aktien hin zu Anleihen kam. Das Zinsniveau in den USA fiel auf den niedrigsten Stand seit den fünfziger Jahren. Die Konsequenzen solch einer Entwicklung, wie sie mit der asiatischen Währungskrise 1997 ihren Lauf nahm, werden in diesem Buch in Kapitel 17, Unterkapitel „Deflationsszenario“, beschrieben. Das amerikanische Federal Reserve Board brauchte bis Mai 2003, um diese Bedrohung öffentlich zuzugeben. Und die amerikanische Währungspolitik, die auf einen starken Dollar setzte, änderte sich erst 2002, als der Dollar sich schließlich in einem starken Abwärtstrend befand. Nun wurde dem Dollar erlaubt zu fallen, um die Exporte anzukurbeln und so die Wirtschaft zu stärken. Das Ergebnis dieser Strategie war ein nachhaltiger Aufwärtstrend an den Rohstoffmärkten, besonders im Goldmarkt. Im Herbst 2003 wurde Gold bei einem 6-Jahres-Hoch gehandelt und Goldaktien waren eine der führenden Gruppen der Aktienmärkte. Zum ersten Mal war der Euro die stärkste internationale Währung und der Yen kletterte im September 2003 auf ein Dreijahreshoch im Vergleich zum Dollar. All diese Trends waren in den Charts klar zu erkennen.
Einer der größten Vorteile von Charts ist die Tatsache, dass sie auf alle Märkte anwendbar sind. Dies schließt alle weltweiten Aktienmärkte, Währungen, Anleihen, Gold und Öl mit ein. Daher ist eines der interessantesten Anwendungsgebiete der Charttechnik der Vergleich der verschiedenen Märkte mit dem Ziel, transparent zu machen, wie diese Märkte untereinander agieren und wie sie sich beeinflussen. So kann man Veränderungen innerhalb dieser Märkte erkennen und entsprechend handeln. D.h.: In den Märkten investiert sein, die steigen, und diejenigen zu meiden, die fallen. Und die beste Methode, um solche Veränderungen zu sichtbar zu machen, ist die Technische Analyse. Und diese möchte ich Ihnen diesem Buch näher bringen.
Ich wünsche Ihnen viel Glück und allzeit gute Trades.
John J. Murphy
September 2003
Einleitung
Als mein Buch Technical Analysis of the Futures Markets 1986 publiziert wurde, hatte ich keine Ahnung, dass es einen solchen Einfluss auf die Finanzindustrie haben würde. Es wurde von vielen in der Branche als die „Bibel“ der Technischen Analyse bezeichnet. Die Market Technicians Association (MTA) benutzt es als die primäre Quelle für ihr Prüfungsprogramm für den Chartered Market Technician (CMT). Die amerikanische Notenbank hat es in Studien zitiert, die den Wert des technischen Ansatzes untersuchten. Zusätzlich wurde es in acht Fremdsprachen übersetzt. Ich war auch auf seine lange Lebensdauer nicht vorbereitet. Zehn Jahre nach seiner Publikation werden immer noch so viele Exemplare verkauft wie in den ersten Jahren.
Wie auch immer, es wurde offenbar, dass im letzten Jahrzehnt eine Menge neuen Materials das Feld der Technischen Analyse bereichert hat. Einiges davon habe ich selbst hinzugefügt. Mein zweites Buch, Intermarket Technical Analysis (Wiley, 1991), trug dazu bei, einen neuen Zweig der Technischen Analyse zu kreieren, der heute weit verbreitet ist. Alte Techniken, wie die japanischen Kerzencharts, und neue, wie das Marktprofil, wurden Teil der technischen Landschaft. Ganz klar, diese neuen Studien müssen in jedes Buch integriert werden, das ein umfassendes Bild der Technischen Analyse präsentieren will. Der Brennpunkt meiner eigenen Arbeit veränderte sich ebenso.
Während mein Hauptinteresse vor zehn Jahren den Terminmärkten galt, beschäftigte sich meine jüngste Arbeit mehr mit den Aktienmärkten. Dies brachte mich zurück an den Anfang, denn ich begann meine Karriere vor dreißig Jahren als Aktienanalyst. Das war auch einer der Nebeneffekte meiner siebenjährigen Tätigkeit als Technischer Analyst für CNBC-TV. Dieser Fokus auf das, was die Allgemeinheit tut, führte mich auch zu meinem dritten Buch, The Visual Investor (Wiley, 1996). Dieses Buch konzentriert sich auf den Nutzen technischer Methoden für Markt-Sektoren, in erster Linie Investmentfonds, die in den neunziger Jahren extrem populär wurden.
Viele der technischen Indikatoren, über die ich vor zehn Jahren geschrieben hatte und die vor allem in den Terminmärkten benutzt wurden, fanden auch in die Aktienmarktanalyse Eingang. Es wurde Zeit, zu zeigen, auf welche Weise dies erfolgte. Schließlich mussten sich, wie jedes Feld oder Disziplin, auch Autoren entwickeln. Manche Dinge, die mir vor zehn Jahren sehr bedeutend erschienen, sind heute nicht mehr so wichtig. Während sich meine Arbeit zu einer breiteren Anwendung technischer Prinzipien in allen Finanzmärkten hin entwickelte, war es nur folgerichtig, dass jede Revision meiner früheren Arbeit diese Entwicklung reflektieren sollte.
Ich habe versucht, die Strukturen meines früheren Buches beizubehalten. Deshalb blieben viele der Originalkapitel bestehen. Nichtsdestotrotz wurden sie mit neuen Materialien überarbeitet und mit neuen Grafiken aktualisiert. Weil die Prinzipien der Technischen Analyse universell sind, war es nicht zu schwer, den Fokus auf die Einbeziehung aller Finanzmärkte zu erweitern. Weil Futures der ursprüngliche Schwerpunkt waren, wurde natürlich vor allem Material, das die Aktienmärkten betrifft, hinzugefügt.
Das Buch wurde um drei neue Kapitel ergänzt. Die beiden früheren Kapitel über Point&Figure-Analyse (Kapitel 11 und 12) wurden zu einem zusammengefasst. Ein neues Kapitel 12 über die Analyse von Kerzencharts wurde eingefügt. Zwei zusätzliche Kapitel wurden außerdem an das Ende des Buches gesetzt. Kapitel 17 ist eine Einleitung in die Intermarket-Analyse. Kapitel 18 handelt von Aktienmarkt-Indikatoren. Wir haben den früheren Anhang durch neue Ausführungen ersetzt. Das Marktprofil wird im Anhang B eingeführt. Die anderen Anhänge beschreiben einige der fortgeschrittenen technischen Indikatoren und erklären, wie man ein technisches Handelssystem aufbaut. Außerdem gibt es ein Glossar.
Ich war nicht sicher, ob die Überarbeitung eines „Klassikers“ eine so gute Idee sei. Ich hoffe, dass ich dabei erfolgreich war und es noch etwas besser gemacht habe. Ich ging dieses Buch aus der Perspektive eines reiferen und erwachsenen Autors und Analysten an. Und ich habe durch das ganze Buch hinweg versucht, den Respekt zu zeigen, den ich immer vor der Disziplin der Technischen Analyse hatte und vor den vielen talentierten Analysten, die sie praktizierten. Der Erfolg ihrer Arbeit war immer eine Quelle der Erquickung und der Inspiration für mich. Ich hoffe nur, dass ich ihnen gerecht wurde.
John Murphy
01
Philosophie der Technischen Analyse
EINLEITUNG
Bevor wir mit dem Studium aktueller Techniken und Hilfsmittel, die in der Technischen Analyse gebraucht werden, beginnen, müssen wir definieren, was Technische Analyse ist, ihre philosophischen Prämissen diskutieren, einige klare Unterscheidungen zwischen technischer und fundamentaler Analyse treffen, und schließlich einige Kritikpunkte ansprechen, die gegen den technischen Ansatz vorgebracht werden.
Ich glaube stark daran, dass eine volle Würdigung des technischen Ansatzes mit einem klaren Verständnis dessen, wozu technische Analyse in der Lage sein will, beginnen muss – oder, vielleicht noch wichtiger, mit dem Verständnis der Grundlagen, auf denen dieser Anspruch beruht.
Lassen Sie uns zunächst den Gegenstand definieren. Technische Analyse ist das Studium von Marktbewegungen, in erster Linie durch den Einsatz von Charts, um zukünftige Kurstrends vorherzusagen. Der Begriff „Marktbewegung“ beinhaltet die drei wesentlichen Informationsquellen, die dem Techniker zur Verfügung stehen – Kurs, Umsatz und Open Interest. (Open Interest wird nur bei Futures und Optionen benutzt.) Der häufig benutzte Begriff „Kursbewegung“ scheint mir zu eng gefasst, weil die meisten Techniker Umsatz und Open Interest als integralen Teil ihrer Marktanalyse betrachten. Unter Beachtung dieser Unterscheidungen werden die Begriffe „Kursbewegung“ und „Marktbewegung“ im weiteren Verlauf der Diskussion austauschbar benutzt.
PHILOSOPHIE ODER RATIONALITÄT
Es gibt drei Grundannahmen, auf denen der technische Ansatz basiert:
Die Marktbewegung diskontiert alles.
Kurse bewegen sich in Trends.
Die Geschichte wiederholt sich selbst.
Die Marktbewegung diskontiert alles
Die Behauptung „Die Marktbewegung diskontiert alles“ umschreibt das, was wahrscheinlich der Grundstein der Technischen Analyse ist. Solange die volle Bedeutung dieser ersten Prämisse nicht voll verstanden und akzeptiert ist, machen weiterführende Dinge keinen großen Sinn. Der Techniker glaubt, dass alles, was möglicherweise die Kurse beeinflussen kann – fundamental, politisch, psychologisch oder sonst wie – durch den Marktpreis aktuell widergespiegelt wird. Daraus folgt, dass nur die Untersuchung der Kursbewegung verlangt wird, sonst nichts. Obwohl dieser Anspruch vermessen erscheint, ist schwer etwas dagegen einzuwenden, wenn man sich die Zeit nimmt, seine wahre Bedeutung zu erfassen.
Alles, worauf sich der Techniker beruft, ist die Widerspiegelung von Angebot und Nachfrage in der Kursbewegung. Wenn die Nachfrage das Angebot übertrifft, sollten die Kurse steigen. Ist das Angebot höher als die Nachfrage, sollten sie fallen. Dieser Zusammenhang ist die Basis aller ökonomischer und fundamentaler Vorhersage. Der Techniker dreht diese Behauptung um und gelangt zu dem Schluss, dass, wenn die Kurse steigen – aus welchem Grund auch immer –, die Nachfrage das Angebot übertreffen muss und die Fundamentals bullish sein müssen. Wenn die Kurse fallen, müssen die Fundamentals bearish sein. Dieser letzte Kommentar über Fundamentals scheint im Zusammenhang einer Diskussion der Technischen Analyse zu überraschen, sollte es aber nicht. Schließlich studiert der Techniker indirekt fundamentale Hintergründe. Die meisten Techniker werden wahrscheinlich zustimmen, dass es die ökonomischen Fundamentals eines Marktes als zugrunde liegende Kräfte von Angebot und Nachfrage sind, die Bullen- und Bärenmärkte verursachen. Es sind nicht die Charts selbst, die Märkte zum Steigen oder Fallen veranlassen. Sie reflektieren einfach die bullishe oder bearishe Psychologie der Börse.
Die Chartisten kümmern sich generell nicht um die Gründe, warum Kurse steigen oder fallen. In den frühen Stadien eines Kurstrends oder an kritischen Umkehrpunkten scheint sehr oft niemand genau zu wissen, warum sich der Markt in einer bestimmten Weise entwickelt. Obwohl der technische Ansatz in seinem Anspruch manchmal zu vereinfacht erscheint, wird die Logik hinter der ersten Prämisse – dass die Märkte alles diskontieren – immer zwingender, je mehr man an Markterfahrung gewinnt.
Wenn alles, was Marktpreise beeinflusst, letzten Endes durch den Marktpreis wieder gespielt wird, ist folgerichtig nur das Studium des Marktpreises nötig. Durch die Untersuchung von Kurscharts und einer Masse von unterstützenden technischen Indikatoren lässt sich der Chartist vom Markt erzählen, wohin dieser wahrscheinlich gehen wird. Der Charttechniker versucht nicht unnötigerweise, den Markt zu überlisten. Alle technischen Hilfsmittel, die später diskutiert werden, sind einfache Techniken, die den Chartisten bei dem Prozess des Marktstudiums unterstützen. Der Technische Analyst weiß, dass es Gründe dafür gibt, warum Märkte hoch oder runter gehen. Er oder sie glaubt nur nicht, dass das Wissen um diese Gründe bei der Prognose nötig ist.
Kurse bewegen sich in Trends
Das Trendkonzept ist für den technischen Ansatz absolut unentbehrlich. Noch einmal: Wer nicht die Prämisse akzeptiert, dass sich Kurse in Trends bewegen, braucht nicht weiter zu lesen. Die ganze Aufgabe der chartmäßigen Darstellung eines Marktes ist es, Trends in den frühen Phasen ihrer Entwicklung zu identifizieren, um dann in Richtung dieser Trends zu traden. In der Tat sind die meisten Techniken, die diesen Ansatz benutzen, ihrer Natur nach trendfolgend, was bedeutet, dass sie beabsichtigen, existierende Trends zu bestimmen und ihnen zu folgen (siehe Abb. 1.1).
Abbildung 1.1 Beispiel eines Aufwärtstrends. Technische Analyse basiert auf der Prämisse, dass Märkte Trends aufweisen und diese dazu tendieren, bestehen zu bleiben
Ein Folgesatz der Prämisse, dass sich Kurse in Trends bewegen, besagt: Ein Trend in Bewegung setzt sich mit größerer Wahrscheinlichkeit fort, als dass er sich umkehrt. Dieses Ergebnis ist natürlich eine Anpassung an Newtons Erstes Gesetz der Bewegung. Es lässt sich auch auf andere Weise ausdrücken: Ein Trend in Bewegung verläuft solange in derselben Richtung, bis er sich umkehrt. Dies ist ein weiterer jener technischen Ansprüche, die sich scheinbar im Kreise drehen. Doch der gesamte Trendfolgeansatz ist daran geknüpft, einem existierenden Trend zu folgen, bis er Anzeichen der Umkehr zeigt.
Die Geschichte wiederholt sich selbst
Vieles bei der Technischen Analyse und dem Studium von Marktbewegungen hat mit dem Studium der menschlichen Psychologie zu tun. Kursformationen zum Beispiel, die in den letzten hundert Jahren identifiziert und kategorisiert wurden, reflektieren bestimmte Bilder, die auf den Kurscharts auftauchen. Diese Bilder offenbaren die bullishe oder bearishe Psychologie des Marktes. Weil diese Muster in der Vergangenheit funktioniert hatten, wird angenommen, dass sie in der Zukunft weiterhin funktionieren werden. Sie basieren auf dem Studium der menschlichen Psyche, die nicht dazu tendiert, sich zu verändern. Anders ausgedrückt: Der Schlüssel zum Verständnis der Zukunft liegt im Studium der Vergangenheit, oder die Zukunft ist nur eine Wiederholung der Vergangenheit.
TECHNISCHE VERSUS FUNDAMENTALE PROGNOSE
Während sich die Technische Analyse auf das Studium von Marktbewegungen konzentriert, ist die fundamentale Analyse auf die ökonomischen Kräfte von Angebot und Nachfrage konzentriert, die zu steigenden, fallenden oder gleich bleibenden Preisen führen. Der fundamentale Ansatz untersucht alle relevanten marktbeeinflussenden Faktoren, um den inneren Wert dieses Marktes zu bestimmen. Der innere Wert ist das, was ein Gut nach fundamentalen Kriterien aktuell wert ist, gegründet auf dem Gesetz von Angebot und Nachfrage. Liegt dieser innere Wert unter dem aktuellen Marktpreis, dann ist der Markt überteuert und sollte verkauft werden. Liegt der Marktpreis unter dem inneren Wert, ist der Markt unterbewertet und sollte gekauft werden.
Beide Ansätze zur Marktprognose versuchen, dasselbe Problem zu lösen, nämlich die Richtung zu bestimmen, in die sich die Preise wahrscheinlich bewegen werden. Sie nähern sich dem Problem nur von verschiedenen Seiten. Der Fundamentalist studiert die Ursachen von Marktbewegungen, während der Techniker die Auswirkungen untersucht. Der Techniker glaubt natürlich, dass nur das Resultat zählt, während alle Gründe oder Ursachen uninteressant sind. Der Fundamentalist hingegen muss immer wissen, warum etwas geschieht.
Die meisten Trader klassifizieren sich selbst entweder als Techniker oder Fundamentalisten. In der Realität gibt es eine Menge an Überlappung. Viele Fundamentalisten kennen die grundlegenden Ziele der Chartanalyse. Gleichzeitig sind den meisten Technikern die Fundamentals zumindest passiv bewusst. Das Problem liegt darin, dass die Charts und die Fundamentals oft miteinander in Konflikt liegen. Am Anfang bedeutender Marktbewegungen erklären oder unterstützen die Fundamentals üblicherweise nicht, was der Markt zu tun scheint. Gerade zu diesen kritischen Zeiten des Trends scheinen die beiden Ansätze am meisten zu differieren. Ab irgendeinem Punkt laufen sie wieder synchron, für einen Trader jedoch oft zu spät zum Handeln.
Eine Erklärung dieser scheinbaren Diskrepanzen liegt darin, dass die Marktbewegung dazu tendiert, den bekannten Fundamentals vorauszulaufen. Anders ausgedrückt, die Marktbewegung verhält sich als Frühindikator der Fundamentals bzw. der momentan vorherrschenden Meinung. Während die bereits bekannten fundamentalen Faktoren bereits diskontiert und „in den Kursen enthalten“ sind, reagieren die Kurse in der Gegenwart auf die unbekannten Fundamentals. Einige der dramatischsten Bullen- und Bärenmärkte in der Geschichte begannen mit geringfügig oder gar nicht wahrgenommenen Veränderungen in den Fundamentals. Mit der Zeit wurden diese Veränderungen bekannt, und der neue Trend wurde gut etabliert.
Nach einer Weile entwickelt der Techniker immer mehr Vertrauen in seine Fähigkeit, die Charts zu lesen. Er lernt, sich in einer Situation wohl zu fühlen, in der die Marktbewegung nicht im Einklang mit der vorherrschenden Meinung steht. Ein Techniker beginnt, seine Zugehörigkeit zur Minderheit zu genießen. Er weiß, dass die Gründe für die Marktbewegung am Ende zum Allgemeingut werden. Es ist nur so, dass der Techniker nicht auf diese zusätzliche Bestätigung warten will.
Wenn man die Grundaussagen der Technischen Analyse akzeptiert, kann man verstehen, warum Techniker an die Überlegenheit ihres Ansatzes gegenüber demjenigen der Fundamentalanalysten glauben. Wenn ein Trader zwischen einem der beiden Ansätze wählen müsste, würde seine Wahl logischerweise auf die Technische Analyse fallen, weil der technische Ansatz per definitionem die Fundamentals beinhaltet. Wenn der Marktpreis die Fundamentals reflektiert, dann wird das Studium dieser Fundamentals überflüssig. Charts Reading wird zu einer abgekürzten Form der Fundamentalanalyse. Der Umkehrschluss ist freilich nicht erlaubt. Fundamentalanalyse beinhaltet nicht das Studium von Preisbewegungen. Es ist möglich, die Finanzmärkte allein durch Nutzung des technischen Ansatzes zu traden, hingegen ist zweifelhaft, dass irgendjemand allein auf fundamentaler Basis erfolgreich traden kann, ohne die technischen Aspekte des Marktes zu berücksichtigen.
ANALYSE VERSUS TIMING
Dieser letzte Punkt wird klarer, wenn der Entscheidungsfindungsprozess in zwei separate Stufen unterteilt wird – Analyse und Timing. Aufgrund des hohen Leverage Faktors in den Terminmärkten ist das Timing in dieser Arena besonders kritisch. Es ist durchaus möglich, auf der richtigen Seite des generellen Markttrends zu sein und trotzdem Geld zu verlieren. Weil die Margin-Anforderungen im Terminhandel so niedrig sind (üblicherweise weniger als zehn Prozent), kann bereits eine relativ bescheidene Kursbewegung in die falsche Richtung den Trader aus dem Markt werfen – mit dem Resultat eines Verlustes der gesamten Margin oder des größten Teils davon. Im Gegensatz dazu kann sich ein Trader des Aktienmarktes, der sich auf der falschen Seite wieder findet, einfach zum Halten der Aktie entscheiden, in der Hoffnung, dass es irgendwann in der Zukunft ein Comeback gibt.
Terminhändler haben diesen Luxus nicht. Eine Buy-and-Hold-Strategie lässt sich auf Futures nicht anwenden. In der ersten Phase, dem Prognoseprozess, können sowohl der technische als auch der fundamentale Ansatz angewendet werden. Das Timing jedoch, die Bestimmung spezifischer Einstiegs- und Ausstiegspunkte, ist beinahe ausschließlich technisch bedingt. Berücksichtigt man also die Schritte, die ein Trader durchlaufen muss, bevor er eine Kauf- oder Verkaufsverpflichtung eingeht, kommt man zu dem Ergebnis, dass die korrekte Anwendung technischer Methoden ab einem bestimmten Punkt des Prozesses unverzichtbar wird – selbst dann, wenn in einer früheren Phase des Entscheidungsprozesses fundamentale Analyse betrieben wurde. Auch bei der Selektion einzelner Aktien und beim Kauf und Verkauf ganzer Aktienmarkt-Sektoren und -Branchen ist Timing wichtig.
FLEXIBILITÄT UND ANPASSUNGSFÄHIGKEIT DER TECHNISCHEN ANALYSE
Eine der größten Stärken der Technischen Analyse ist ihre Anpassungsfähigkeit an praktisch jeden Handelsgegenstand und jede Zeitdimension. Weder bei Aktien noch bei Futures gibt es einen Bereich, wo diese Prinzipien nicht anwendbar sind.
Der Chartist kann so viele Märkte verfolgen, wie er will, was für seinen fundamental orientierten Partner natürlich nicht gilt. Wegen der enormen Datenmengen, mit denen sich Letzterer beschäftigen muss, tendieren die meisten Fundamentalisten dazu, sich zu spezialisieren. Die Vorteile sollten hier nicht übersehen werden.
Märkte durchlaufen aktive und ruhige Perioden, Trendphasen und Nicht-Trendphasen. Der Techniker kann seine Aufmerksamkeit und seine Ressourcen auf solche Märkte lenken, die starke Trendtendenzen zeigen, und sich dafür entscheiden, den Rest zu ignorieren. Indem er sein Kapital und seine Aufmerksamkeit vagabundieren lässt, profitiert der Chartist von der Rotation der Märkte. Bestimmte Märkte werden zu unterschiedlichen Zeiten „heiß“ und erfahren bedeutende Trends. Üblicherweise werden solche Trendphasen von ruhigen und relativ trendlosen Marktbedingungen abgelöst, während ein anderer Markt oder Gruppe von Aktien auf die Überholspur wechseln. Der technische Trader ist vollkommen frei, sich einen beliebigen Wert herauszupicken. Der Fundamentalist jedoch, der zur Spezialisierung auf eine bestimmte Branche neigt, hat diese Art von Flexibilität nicht. Selbst wenn er die Möglichkeit hat, zwischen verschiedenen Gruppen zu switchen, würde ihm dies viel schwerer fallen als dem Chartisten.
Ein weiterer Vorteil, den der Techniker hat, ist das „große Bild“. Indem er alle Märkte verfolgt, bekommt er ein ausgezeichnetes Gefühl dafür, was die Märkte im Allgemeinen tun, und vermeidet den „Scheuklappeneffekt“, der von der Beschränkung auf einzelne Marktsegmente herrührt. Außerdem kann die Kursbewegung eines Marktes oder Segments wertvolle Hinweise auf die zukünftige Trendrichtung anderer Märkte geben, weil es zwischen vielen Märkten enge wirtschaftliche Beziehungen gibt und sie auf vergleichbare ökonomische Faktoren reagieren.
ANWENDUNG TECHNISCHER ANALYSE AUF VERSCHIEDENE HANDELSGEGENSTÄNDE
Die Regeln der Chartanalyse lassen sich auf Aktien und Futures gleichermaßen anwenden. Eigentlich ist es so, dass technische Analyse zunächst in Aktienmärkten benutzt und später auf Terminmärkte angepasst wurde. Mit der Einführung von Aktienindex-Futures verschwand die Trennlinie zwischen den beiden Gebieten schnell. Internationale Aktienmärkte werden ebenso nach charttechnischen Regeln analysiert (siehe Abbildung 1.2).
Finanzterminkontrakte, darunter Renten- und Devisenmärkte, sind in den letzten zehn Jahren enorm populär geworden und haben sich als ausgezeichnete Objekte für die Chartanalyse erwiesen.
Technische Regeln spielen auch im Optionshandel eine Rolle, und bei Absicherungsstrategien können technische Vorhersagen von großem Vorteil sein.
ANWENDUNG TECHNISCHER ANALYSE AUF VERSCHIEDENE ZEITHORIZONTE
Eine weitere Stärke der Chartanalyse ist ihre Fähigkeit, verschiedene Zeithorizonte zu meistern. Egal, ob der Nutzer kleinste Kursveränderungen innerhalb eines Handelstages für Day Trading benutzt, oder ob er den mittelfristigen Trend handelt, er wendet dieselben Regeln an. Langfristige technische Vorhersagen sind ein Zeithorizont, der häufig übersehen wird. Die in manchen Kreisen herrschende Ansicht, Charttechnik sei nur im kurzfristigen Bereich von Nutzen, ist einfach nicht wahr. Manche raten dazu, Fundamentalanalyse für langfristige Prognosen zu benutzen und technische Methoden auf kurzfristige Timingaufgaben zu beschränken. Tatsache ist jedoch, dass langfristige Voraussagen mit Wochen- und Monatscharts, die mehrere Jahre zurückreichen, sich als extrem nützliche Anwendung technischer Prinzipien erwiesen haben.
Abbildung 1.2 Der japanische Aktienmarkt zeigt gute Chartbilder, ebenso wie die meisten Aktienmärkte rund um die Welt
Sobald die technischen Regeln, die in diesem Buch diskutiert werden, gänzlich verstanden sind, wird sie der Nutzer mit enormer Flexibilität anwenden können. Dies gilt sowohl aus der Sicht des zu analysierenden Handelsgegenstandes als auch des zu untersuchenden Zeithorizontes.
ÖKONOMISCHE PROGNOSEN
Technische Analyse kann sogar bei ökonomischen Prognosen eine Rolle spielen. So sagt uns z. B. die Trendrichtung der Rohstoffpreise etwas über die Inflationsentwicklung, und sie gibt Aufschluss über die Stärke oder Schwäche der Konjunktur. Steigende Rohstoffpreise deuten im Allgemeinen auf eine kräftige Konjunktur und zunehmenden Inflationsdruck hin. Demgegenüber warnen fallende Rohstoffpreise davor, dass sich die Wirtschaft abschwächt und die Inflation nachlässt. Die Zinsentwicklung wird durch den Preistrend von Rohstoffen beeinflusst. Deshalb können uns Charts von Rohstoffmärkten wie Gold oder Öl, zusammen mit US-Treasury Bonds, eine Menge über die Stärke oder Schwäche der Wirtschaft und Inflationserwartungen erzählen. Wohin der Dollar und andere Fremdwährungen tendieren, sind ein frühzeitiger Hinweis auf die starke oder schwache wirtschaftliche Verfassung der jeweiligen Volkswirtschaft. Noch beeindruckender ist die Tatsache, dass Trends in diesen Finanzmärkten üblicherweise viel früher beginnen, als sie traditionelle Wirtschaftsindikatoren widerspiegeln, die auf monatlicher oder vierteljährlicher Basis ermittelt werden und normalerweise etwas zeigen, was bereits passiert ist. Wie schon ihr Name ausdrückt, geben uns die Futures-Märkte Einsichten in die Zukunft. Der S&P 500 Aktienindex zählt seit langem als offizieller wirtschaftlicher Frühindikator. Das Buch eines der US-Top- Experten bezüglich Wirtschaftszyklen, Leading Indicators for the 1990s (Moore), nennt die Trends von Rohstoffen, Anleihen und Aktien als wichtige, ja zwingend zu berücksichtigende Wirtschaftsindikatoren. Alle drei Märkte können über technische Analysemethoden untersucht werden. Wir werden in Kapitel 17, wo es um Verbindungen zwischen Aktien und Terminkontrakten geht, auf dieses Thema zurückkommen.
TECHNISCHER ANALYST ODER CHARTIST?
Es gibt mehrere verschiedene Begriffe, die sich auf praktische Anwender des technischen Ansatzes beziehen: technischer Analyst, Chartist, Marktanalyst und visueller Analyst (nur im angloamerikanischen Sprachbereich; A. d. Ü.). Bis vor kurzem meinten sie mehr oder weniger dasselbe. Mit zunehmender Spezialisierung in diesem Analysefeld sind einige weitergehende Unterscheidungen nötig geworden, die zu einer etwas sorgfältigeren Definition der Begriffe führen. Die Bezeichnungen „technischer Analyst“ und „Charttechniker“ meinten dasselbe, weil beinahe jede Methode der Technischen Analyse auf der Betrachtung von Charts basierte. Dies ist nicht unbedingt weiterhin gültig.
Das breite Feld der Technischen Analyse wird zunehmend zwischen zwei Typen von Technischen Analysten aufgeteilt: Dem traditionellen Charttechniker und dem statistische Methoden anwendenden Technischen Analysten. Zugegeben, hier gibt es eine Menge Überlappungen, und die meisten Techniker kombinieren im gewissen Ausmaß beide Gebiete. Im Falle der Unterscheidung zwischen Techniker und Fundamentalist scheinen jedoch die meisten entweder zu der einen oder zu der anderen Kategorie zu gehören.
Egal, ob der traditionelle Chartist quantitative Methoden bei seiner Analyse benutzt, die Charts bleiben das grundlegende Instrument. Alles übrige ist sekundär. Das Lesen von Charts bleibt natürlich in gewisser Weise subjektiv. Zum größten Teil beruht der Erfolg der Methode auf den Fähigkeiten des jeweiligen Chartisten. Weil das Lesen von Charts zum größten Teil eine Kunst ist, wurde der Begriff „art charting“ geprägt.
Im Gegensatz dazu quantifiziert und testet der Technische Analyst diese subjektiven Regeln und optimiert sie im Hinblick auf die Entwicklung mechanischer Handelssysteme. Diese Systeme oder Handelsmodelle werden dann am Computer so programmiert, dass sie mechanische „Kauf-“ und „Verkaufssignale“ generieren. Diese Systeme rangieren von einfach bis hin zu sehr komplex. Die Absicht ist jedenfalls, die subjektiven menschlichen Elemente beim Trading zu reduzieren oder sogar komplett zu eliminieren, um den Ansatz wissenschaftlicher zu machen. Diese Statistiker mögen Kurscharts bei ihrer Arbeit benutzen oder nicht, doch sie werden als Technische Analysten angesehen, so lange ihre Arbeit auf das Studium von Marktbewegungen beschränkt bleibt.
Sogar diejenigen Technischen Analysten, die Computer benützen, können weiter unterteilt werden. Die einen favorisieren den „black-box“-Ansatz mechanischer Systeme, während die anderen die Computertechnologie dazu benutzen, bessere technische Indikatoren zu entwickeln. Letztere Gruppe behält die Kontrolle über die Interpretation solcher Indikatoren wie auch über den Entscheidungsfindungsprozess.
Ein Weg der Unterscheidung zwischen Chartisten und Technischen Analysten ist die Aussage, dass alle Chartisten Technische Analysten sind, aber nicht alle Technischen Analysten sind Chartisten. Obwohl die beiden Begriffe im ganzen Buch austauschbar sind, sollte man sich daran erinnern, dass das „Charting“ nur ein Gebiet in dem breiten Feld der Technischen Analyse repräsentiert.
EIN KURZER VERGLEICH ZWISCHEN TECHNISCHER ANALYSE BEI AKTIEN UND FUTURES
Es wird häufig die Frage gestellt, ob Technische Analyse, die auf Terminkontrakte angewendet wird, dieselbe ist wie in Aktienmärkten. Die Antwort ist sowohl ja als auch nein. Die Basisregeln sind dieselben, doch es gibt einige signifikante Unterschiede. Zunächst wurden die Methoden der Technischen Analyse auf die Aktienmarktprognose angewendet und später auf den Terminhandel angepasst. Die meisten der grundlegenden Hilfsmittel – z. B. Balkencharts, Point&Figure-Charts, Formationen, Umsatzverläufe, Trendlinien, gleitende Durchschnitte und Oszillatoren – werden in beiden Gebieten benutzt. Jeder, der diese Konzepte entweder im Aktien- oder Terminmarktbereich gelernt hat, wird keine großen Schwierigkeiten haben, sie auf das andere Gebiet anzupassen. Trotzdem gibt es einige Unterschiede, die mehr mit der verschiedenen Natur von Aktien und Futures zu tun haben als mit den Hilfsmitteln selbst.
Preisstruktur
Die Preisstruktur von Terminkontrakten ist viel komplizierter als diejenige von Aktien. Jede Ware wird in verschiedenen Einheiten und Inkrementen gemessen. Getreidemärkte werden z. B. in US-Cents pro Bushel, lebendes Schlachtvieh in Cents pro Pfund, Gold und Silber in US-Dollar pro Feinunze und Zinsen in Basispunkten notiert. Der Trader muss die Kontraktspezifikationen jedes Marktes lernen: An welcher Börse gehandelt wird, wie jeder Kontrakt notiert wird, was die minimalen und maximalen Preisänderungsraten sind und wie viel ein solcher Tick wert ist.
Begrenzte Lebensspanne
Im Gegensatz zu Aktien haben Terminkontrakte ein Verfalldatum. Ein März 1999 Treasury-Bond-Kontrakt verfällt z. B. im März des Jahres 1999. Der typische Terminkontrakt (in den USA; A. d. Ü.) wird bis zu seinem Verfall etwa 1½ Jahre gehandelt. Deshalb gibt es zu jeder Zeit mindestens ein halbes Dutzend verschiedener Kontraktmonate, die in derselben Ware zur selben Zeit gehandelt werden. Der Trader muss wissen, welche Kontrakte er handeln und welche er vermeiden soll (dies wird später in diesem Buch erklärt). Die begrenzte Lebensspanne zieht einige Probleme bei der langfristigen Kursprognose nach sich. Es erfordert die fortlaufende Verwendung neuer Charts, sobald alte Kontrakte nicht mehr gehandelt werden. Der Chart eines verfallenen Kontraktes ist nicht gerade von Nutzen. Für neue Kontrakte muss es neue Charts geben, zusammen mit ihren eigenen technischen Indikatoren. Diese regelmäßige Rotation macht die Unterhaltung einer zusammenhängenden Chartbibliothek ziemlich schwierig.
Geringere Marginanforderungen
Dies ist wahrscheinlich der wichtigste Unterschied zwischen Aktien und Futures. Alle Terminkontrakte werden auf Margin gehandelt; dieser Einschuss beträgt üblicherweise weniger als 10 % des Kontraktgegenwerts. Das Resultat dieser niedrigen Marginanforderungen ist ein riesiger Hebel. Bereits relativ kleine Kursbewegungen in einer Richtung werden in ihrem Einfluss auf das Handelsergebnis vergrößert. Aus diesem Grund ist es möglich, mit Terminkontrakten sehr schnell sehr große Geldsummen zu gewinnen oder zu verlieren. Weil ein Trader nur 10 % des Kontraktgegenwertes als Margin einschießen muss, wird bereits eine 10 %ige Kursbewegung in eine Richtung sein Geld entweder verdoppeln oder vernichten. Durch die starken Auswirkungen jeder kleinen Marktbewegung macht der hohe Leverage-Faktor die Terminmärkte gelegentlich volatiler, als sie eigentlich sein müssten. Wenn jemand beispielsweise sagt, er sei im Terminmarkt „ausradiert“ worden, erinnern Sie sich daran, dass er zunächst nur 10 % eingesetzt hatte.
Vom Standpunkt der Technischen Analyse kommt dem Timing in den Terminmärkten auf Grund des hohen Leverage-Faktors eine viel größere Bedeutung zu als bei Aktien. Das richtige Timing von Einstiegs- und Ausstiegspunkten ist beim Trading von Terminkontrakten entscheidend und viel schwieriger und frustrierender als die Marktanalyse. Gerade aus diesem Grund werden die Fertigkeiten beim technischen Trading unerlässlich für ein erfolgreiches Abschneiden in den Terminmärkten.
Viel kürzerer Zeithorizont
Wegen des größeren Hebels und der Notwendigkeit einer sehr zeitnahen Beobachtung von Marktpositionen ist der Zeithorizont eines Commodity-Traders notwendigerweise viel kürzer. Aktienmarktanalysten neigen dazu, mehr auf das längerfristige Bild zu schauen und in Zeitfenstern zu argumentieren, die jenseits des Geschäftes des durchschnittlichen Terminhändlers liegen. Technische Analysten des Aktienmarktes mögen darüber sprechen, wo der Markt in drei oder sechs Monaten sein wird. Terminhändler wollen hingegen wissen, wo die Kurse in der nächsten Woche, morgen oder sogar später an diesem Nachmittag sein werden. Dies erforderte die Verfeinerung der sehr kurzfristigen Timinginstrumente. Ein Beispiel ist der gleitende Durchschnitt. Die am meisten beachteten Durchschnittslinien bei Aktien werden über 50 und 200 Tage berechnet. In Terminmärkten liegen die meisten gleitenden Durchschnitte unter 40 Tagen. Eine gebräuchliche Kombination bei Futures sind beispielsweise 4, 9 und 18 Tage.
Wichtigeres Timing
Timing ist alles im Terminhandel. Die richtige Richtung eines Marktes zu bestimmen löst nur einen Teil des Trading-Problems. Wenn das Timing des Einstiegspunktes um einen Tag oder sogar nur um Minuten falsch ist, kann dies den Unterschied zwischen Gewinn und Verlust bedeuten. Es ist schlimm genug, auf der falschen Seite des Marktes zu sein und Geld zu verlieren. Auf der richtigen Seite des Marktes zu sein und trotzdem Geld zu verlieren ist einer der am meisten frustrierenden und entnervenden Aspekte des Terminhandels. Es versteht sich von selbst, dass Timing praktisch rein technischer Natur ist, weil sich die Fundamentals kaum von einem Tag auf den anderen ändern.
GERINGERE VERLÄSSLICHKEIT VON MARKTDURCHSCHNITTEN UND INDIKATOREN
Aktienmarktanalyse basiert schwerpunktmäßig auf den Bewegungen breiter Marktdurchschnitte – wie dem Dow Jones Industrial Average oder dem Standard & Poor´s 500. Zusätzlich werden technische Indikatoren, die die Stärke oder Schwäche des breiten Marktes, wie z. B. der NYSE Advance-Decline-Linie oder die Liste neuer Hochs und neuer Tiefs, häufig gebraucht. Obwohl die Rohstoffmärkte durch die Verfolgung von Indizes wie dem Commodity Research Bureau Futures Price Index (CRB-Index) verfolgt werden können, liegt die Betonung hier weniger auf der Analyse des breiten Marktes. Die Rohstoffmarktanalyse konzentriert sich mehr auf die einzelne Marktbewegung. Weil dies so ist, werden technische Indikatoren, die den breiteren Trend der Rohstoffmärkte verfolgen, weniger benutzt. Es gibt ohnehin nur etwa 20 umsatzstarke Rohstoffmärkte, so dass hier kein großer Bedarf besteht.
Spezifische technische Hilfsmittel
Während die meisten technischen Hilfsmittel, die ursprünglich für die Aktienmärkte entwickelt wurden, Anwendung in Rohstoffmärkten finden, werden sie nicht in exakt dergleichen Weise benutzt. Chartformationen beispielsweise neigen bei Futures oft dazu, nicht so voll ausgeformt zu werden, wie dies bei Aktien der Fall ist.
Futures-Trader stützen sich viel stärker auf kurzfristige Indikatoren, die präzisere Handelssignale generieren. Diese und viele andere Unterschiede werden später in diesem Buch besprochen.
Schließlich gibt es noch einen weiteren wesentlichen Unterschied zwischen Aktien und Futures. Die Technische Analyse von Aktien verlässt sich viel mehr auf den Einsatz von Stimmungsindikatoren und der Analyse von Geldflüssen. Stimmungsindikatoren verfolgen das Verhalten verschiedener Marktteilnehmer wie z. B. Kleinanleger, Investmentfonds und Parketthändler. Von enormer Bedeutung sind Sentiment-Indikatoren, die die bullishe oder bearishe Grundtendenz des Marktes messen und auf der Theorie basieren, dass die mehrheitliche Meinung üblicherweise falsch ist. Die Analyse von Geldflüssen bezieht sich auf die Barreserven bestimmter Gruppen, wie z. B. Investmentfonds oder große institutionelle Anleger. Hierbei gilt die Denkweise, dass umso mehr Geldmittel für Aktienkäufe zur Verfügung stehen, je größer die Barreserven sind. Die Technische Analyse der Terminmärkte ist eine viel reinere Form der Analyse von Kursbewegungen. Obwohl die Contrary-Opinion-Methode zu einem bestimmten Ausmaß benutzt wird, liegt die Betonung viel mehr auf der einfachen Trendanalyse und der Anwendung traditioneller technischer Indikatoren.
EINIGE KRITIKPUNKTE DES TECHNISCHEN ANSATZES
Einige Fragen tauchen in praktisch jeder Diskussion um die Technische Analyse auf. Eines dieser Bedenken ist die sich selbst erfüllende Prophezeiung. Eine weitere Frage dreht sich darum, ob Kursdaten der Vergangenheit wirklich für die Vorhersage zukünftiger Kursbewegungen eingesetzt werden können. Die Kritik klingt üblicherweise so: „Charts erzählen uns, wo die Märkte gewesen sind, aber sie können uns nicht sagen, wohin sie gehen werden.“ Die offensichtliche Antwort, dass Ihnen ein Chart nichts erzählen kann, wenn Sie ihn nicht lesen können, legen wir einen Augenblick beiseite. Die Random-Walk-Theorie stellt die Existenz von Kurstrends generell in Frage und bezweifelt, dass irgendeine Prognosetechnik eine simple Kaufen- und Liegenlassen-(Buy-and-Hold) Strategie schlagen kann. Diese Fragen bedürfen einer Erwiderung.
Die sich selbst erfüllende Prophezeiung
Die Frage, ob sich eine selbst erfüllende Prophezeiung in der praktischen Arbeit entwickelt, scheint die meisten Leute zu beunruhigen, da sie so häufig gestellt wird. Die Besorgnis ist natürlich gerechtfertigt, doch von viel geringerer Bedeutung, als die meisten Leute annehmen. Der beste Weg, diesen Punkt anzusprechen, ist folgender Text, der einige der Nachteile bei der Arbeit mit Kursformationen diskutiert:
Die Anwendung der meisten Chartformationen wurde in den letzten Jahren breit publiziert. Viele Trader sind mit diesen Formationen ganz gut vertraut und handeln auf sie alle gemeinsam. Dies bedingt eine „Self-Fullfilling-Prophecy“, weil Wellen von Käufen oder Verkäufen als Antwort auf „bullishe“ oder „bearishe“ Formationen ausgelöst werden …
Chartmuster sind beinahe vollkommen subjektiv. Bisher war noch keine Studie erfolgreich, die irgendeine Formation mathematisch quantifiziert hat. Sie befinden sich buchstäblich im Geist des Betrachters … (Teweles et al.)
Diese zwei Kritikpunkte widersprechen sich gegenseitig, und der zweite Punkt hebt den ersten in der Tat auf. Wenn Chartformationen „komplett subjektiv“ und „im Geist des Betrachters“ vorhanden sind, dann ist es schwer vorstellbar, wie jeder dasselbe Ding zur selben Zeit sehen kann, was die Basis für die sich selbst erfüllende Prophezeiung darstellt. Die Kritik von Charts kann nicht in beiden Richtungen funktionieren. Sie kann nicht auf der einen Seite Chartformationen als objektiv und so offensichtlich hinstellen, dass jeder zur selben Zeit auf dieselbe Weise agiert (und so die Vollendung der Formation auslöst), und auf der anderen Seite dieselben Chartmuster als zu subjektiv kritisieren.
Die Wahrheit an der Sache ist, dass Charttechnik sehr subjektiv ist. Das Lesen von Charts ist eine Kunst. (Wahrscheinlich wäre das Wort „Geschicklichkeit“ geeigneter.) Chartformationen sind selten so klar, dass sich sogar erfahrene Technische Analysten in ihrer Interpretation nicht immer einig sind. Es gibt immer ein Element des Zweifels und der Nichtübereinstimmung. Wie dieses Buch demonstriert, gibt es viele verschiedene Ansätze der Technischen Analyse, die sich oft gegenseitig ausschließen.
Selbst wenn sich die meisten Techniker über die zukünftige Marktrichtung einig wären, würden sie nicht alle notwendigerweise zur selben Zeit und auf die gleiche Art und Weise in den Markt gehen. Manche würden versuchen, Chartsignale zu antizipieren, und steigen früh ein. Andere würden den Ausbruch aus einer gegebenen Formation oder einem Indikator abwarten. Wieder andere würden auf die Rückkehrbewegung nach dem Ausbruch warten, bevor sie in Aktion treten. Einige Trader sind aggressiv, andere sind konservativ. Die einen nutzen Stops, um in den Markt zu gehen, während andere „bestens“ oder „billigst“ ordern oder limitieren. Einige traden die langen Trends, während andere die Positionen am selben Tag wieder schließen. Aus diesen Gründen ist die Möglichkeit, dass alle Technischen Analysten zur selben Zeit auf die gleiche Art agieren, eigentlich recht unwahrscheinlich.
Selbst wenn die sich selbst erfüllende Prophezeiung Gegenstand allgemeiner Besorgnis wäre, wäre sie wahrscheinlich „selbstkorrigierender“ Natur. Mit anderen Worten: Trader würden sich so lange stark auf Charts verlassen, bis ihre konzertierten Aktionen anfingen, die Märkte zu beeinflussen oder zu verzerren. Sobald die Trader erkennen, dass dies geschieht, würden sie entweder aufhören, nach Chartformationen zu handeln, oder würden ihre Handelstaktiken anpassen. Sie würden z. B. versuchen, früher als die Masse zu agieren, oder eine zusätzliche Bestätigung abwarten. Selbst wenn also die sich selbst erfüllende Prophezeiung in näherer Zukunft zu einem Problem werden sollte, würde sie sich selbst korrigieren.
Es muss im Auge behalten werden, dass Bullenund Bärenmärkte nur dann auftauchen und beibehalten werden, wenn sie durch das Gesetz von Angebot und Nachfrage gerechtfertigt sind.
Techniker können wahrscheinlich keine große Marktbewegung verursachen, außer durch die schiere Kraft ihrer Kaufund Verkaufsorders. Denn wenn dies der Fall wäre, würden alle Technischen Analysten sehr schnell reich werden.
Viel wichtiger als die Chartisten ist das enorme Wachstum bei der Anwendung computerisierter technischer Handelssysteme auf den Terminmärkten. Diese Systeme sind überwiegend trendfolgender Natur, was bedeutet, dass sie alle dazu programmiert sind, wichtige Trendwechsel zu identifizieren und danach zu handeln. Mit dem Wachstum professionell gemanagten Kapitals in der Futures-Industrie und starken Ausbreitung öffentlicher und privater Multimillionendollar-Fonds, von denen die meisten technische Systeme benutzen, konzentrieren sich gigantische Geldsummen darauf, einer Hand voll existierender Trends nachzujagen. Weil das Universum der Futures-Märkte recht klein ist, wächst das Potenzial dieser Systeme, die kurzfristigen Kursbewegungen zu verzerren. Selbst in den Fällen, wo Verzerrungen auftreten, sind diese allerdings allgemein kurzfristiger Natur und verursachen keine bedeutenden Trends.
Auch dieses Problem, dass große Kapitalbeträge durch die Anwendung technischer Handelssysteme bewegt werden, korrigiert sich wahrscheinlich von selbst. Würden alle Systeme anfangen, dasselbe Ding zur selben Zeit zu tun, würden Trader ihre Systeme adjustieren, indem sie sie mehr oder weniger sensitiv machen würden.
Die sich selbst erfüllende Prophezeiung wird allgemein als Kritikpunkt der Chartanalyse angeführt. Angemessener ist es, dies als Kompliment zu bezeichnen. Insgesamt gesehen, muss eine Prognosemethode recht gut sein, wenn sie so populär wird, dass sie anfängt, Ereignisse zu beeinflussen. Wir können nur darüber spekulieren, warum dieser Gedanke so selten in Bezug auf die Fundamentalanalyse geäußert wird.
Kann die Vergangenheit dazu benutzt werden, die Zukunft vorherzusagen?
Eine andere häufig gestellte Frage dreht sich darum, ob es legitim ist, vergangene Kursdaten zur Vorhersage der Zukunft zu benutzen. Es überrascht, wie oft Kritiker der Technischen Analyse diesen Punkt vorbringen, weil jede bekannte Prognosemethode, von der Wettervorhersage bis zur Fundamentalanalyse, vollkommen auf dem Studium vergangener Daten basiert. Wird hier etwa mit einer anderen Art von Daten gearbeitet?
Der Fachbereich der Statistik macht einen Unterschied zwischen deskriptiver und induktiver Statistik. Die beschreibende Statistik bezieht sich auf die grafische Präsentation von Daten, wie z. B. die Kursdaten in einem normalen Balkenchart. Die induktive Statistik dreht sich um Verallgemeinerungen, Prognosen oder Schlussfolgerungen, die aus den Daten hergeleitet werden. Deshalb fällt der Kurschart selbst unter die beschreibende Statistik, während die Analysetechniken, die auf diesen Chart angewendet werden, in das Reich des Induktiven fallen.
Ein statistischer Text sagt aus: „Der erste Schritt bei der Vorhersage geschäftlicher oder wirtschaftlicher Zukunft besteht somit aus der Sammlung von Beobachtungen aus der Vergangenheit“ (Freund und Williams). Chartanalyse ist nur eine andere Form der Zeitreihenanalyse, basierend auf einem Studium der Vergangenheit, wie es in allen Formen der Zeitreihenanalyse gemacht wird. Der einzige Datentyp, auf dem jeder aufbauen muss, sind vergangene Daten. Wir können die Zukunft nur abschätzen, indem wir vergangene Erfahrungen in diese Zukunft projizieren.
So scheint es, dass die Verwendung vergangener Kursdaten bei der Technischen Analyse zur Vorhersage der Zukunft auf vernünftige statistische Konzepte gegründet ist. Wenn jemand ernsthaft diesen Aspekt der technischen Kursprognose in Frage stellen würde, müsste er auch die Gültigkeit jeder anderen Form von Prognosemethoden bezweifeln, die auf historischen Daten beruhen, also inklusive der makroökonomischen und fundamentalen Analyse.
RANDOM-WALK-THEORIE
Die Random-Walk-Theorie, in akademischen Zirkeln entwickelt und gehegt, proklamiert, dass alle Preisänderungen „periodisch unabhängig“ sind und dass die Preishistorie keinen verlässlichen Indikator für zukünftige Preistrends darstellt. Kurz gesagt, Kursbewegungen sind zufällig und nicht vorhersagbar. Die Theorie basiert auf der Hypothese effizienter Märkte, die konstatiert, dass Kurse frei und unbeeinflusst um ihren inneren Wert fluktuieren. Sie besagt auch, dass die beste Marktstrategie der einfache Buyand-Hold-Ansatz ist und besser als jeder Versuch, „den Markt zu schlagen“.
Während wenig Zweifel daran bestehen, dass ein gewisses Maß an Zufälligkeit oder „Rauschen“ in allen Märkten existiert, ist es einfach unrealistisch zu glauben, dass alle Preisbewegungen zufällig sind. Dies mag eines der Gebiete sein, wo empirische Beobachtung und praktische Erfahrung sich nützlicher erweisen als ausgefuchste statistische Techniken, die dazu imstande sind, je nach der Absicht des Anwenders alles und jegliches zu beweisen oder zu widerlegen. Man sollte im Auge behalten, dass Zufälligkeit nur im negativen Sinn definiert werden kann, nämlich als Unfähigkeit, systematische Strukturen in Preisbewegungen aufzudecken. Die Tatsache, dass viele Akademiker unfähig waren, die Existenzen solcher Muster zu entdecken, beweist nicht, dass sie nicht existieren.
Abbildung 1.3 Ein „Random Walker“ hätte seine liebe Mühe, einen Goldmünzenbesitzer davon zu überzeugen, dass auf diesem Chart kein echter Trend existiert
Die akademische Debatte darüber, ob sich Märkte in Trends bewegen, ist für den durchschnittlichen Marktanalysten oder Trader, der in der realen Welt handeln muss, wo Markttrends nun einmal klar erkennbar sind, nur von geringem Interesse. Sollte der Leser an dieser Stelle irgendwelche Zweifel haben, so wird ein zufälliges Durchblättern irgendeines Chartbuches die Präsenz von Trends auf sehr plastische Art demonstrieren. Wie erklären die Anhänger der Random-Walk-Theorie den Fortbestand solcher Trends, wenn Kurse periodisch unabhängig sind, was bedeutet, dass das, was gestern oder letzte Woche geschah, nichts damit zu tun hat, was heute oder morgen geschieht? Wie erklären Sie den profitablen Track-Record vieler Trendfolgesysteme im „realen“ Leben?
Wie würde es beispielsweise einer Buy-and-Hold-Strategie in den Warenterminmärkten ergehen, in denen Timing so entscheidend ist? Würden solche Long-Positionen durch Bärenmärkte hindurch gehalten werden? Wie würden Trader überhaupt den Unterschied zwischen Bullen- und Bärenmärkten erkennen, wenn Kurse unvorhersehbar sind und keinen Trends unterliegen? In der Tat, wie kann ein Bärenmarkt überhaupt existieren, denn dies würde ja bereits einen Trend implizieren? (siehe Abbildung 1.3)
Es scheint zweifelhaft, ob statistisches Material die Random-Walk-Theorie jemals beweisen oder widerlegen wird. Die Random-Walk-Theorie wird von den Technischen Analysten jedenfalls strikt abgelehnt. Bewegten sich Märkte tatsächlich zufällig, würde keine Prognosemethode funktionieren. Fern davon, die Gültigkeit der Technischen Analyse zu widerlegen, steht die Theorie effizienter Märkte sehr nahe der technischen Prämisse, dass Märkte alles diskontieren. Die Akademiker meinen allerdings, dass es keinen Weg gibt, Informationen vorteilhaft zu nutzen, eben weil die Märkte alle Informationen so schnell diskontieren. Die Grundlage der technischen Kursprognose, wie bereits angesprochen, ist die Annahme, dass wichtige Marktinformationen bereits lange vor ihrem Bekanntwerden im aktuellen Kurs enthalten sind.
Die Akademiker haben die Notwendigkeit der engen Beobachtung von Kursbewegungen sehr überzeugend dargelegt, und der nutzlose Versuch, von fundamentalen Informationen zu profitieren, zumindest kurzfristig.
Letzten Endes sollte man gerechterweise zugestehen, dass jeder Prozess all jenen zufällig und unberechenbar erscheint, die die Regeln, die diesem Prozess zugrundeliegen, nicht verstehen. Der Ausdruck eines Elektrokardiogramms beispielsweise erscheint Laien als zufälliges Rauschen. Für einen erfahrenen Mediziner machen die vielen kleinen Echos allerdings Sinn und sind natürlich nicht zufällig. Die Bewegungen der Märkte scheinen auf jene zufällig zu wirken, die sich nicht die Zeit genommen haben, die Regeln des Marktverhaltens zu studieren. Die Illusion der Zufälligkeit verschwindet nach und nach, wenn die Geschicklichkeit beim Lesen von Charts zunimmt. Hoffentlich passiert genau das dem Leser, der sich durch die verschiedenen Bereiche dieses Buches arbeitet.
Sogar für die akademische Welt besteht Hoffnung. Eine Anzahl führender amerikanischer Universitäten hat begonnen, den Bereich des Behavioral Finance zu erforschen, der von einer engen Verflechtung zwischen menschlicher Psychologie und den Kursen von Wertpapieren ausgeht. Das ist, natürlich, die primäre Basis der Technischen Analyse.
UNIVERSELLE PRINZIPIEN
Als vor zwölf Jahren eine frühere Version dieses Buches herausgegeben wurde, wurden viele der dort erklärten technischen Hilfsmittel überwiegend in den Terminmärkten benutzt. In der vergangenen Dekade allerdings wurden diese Hilfsmittel verbreitet dafür eingesetzt, Aktienmarkttrends zu analysieren. Die in diesem Buch diskutierten technischen Regeln können universell auf alle Handelsgegenstände angewendet werden – sogar Investmentfonds. Ein weiterer Aspekt des Aktienmarkttradings hat in den letzten zehn Jahren eine breite Beachtung gefunden: das Investment in Sektoren, hauptsächlich durch Indexoptionen und Investmentfonds. Im weiteren Verlauf des Buches werden wir zeigen, wie man durch Anwendung technischer Methoden bestimmt, welche Sektoren heiß sind und welche nicht.
02
Dow-Theorie
EINLEITUNG
Charles Dow und Edward Jones gründeten 1882 Dow Jones & Company. Die meisten Technischen Analysten und andere Leute, die die Märkte studieren, geben zu, dass das von dem, was wir heute Technische Analyse nennen, seine Ursprünge in den Theorien hat, die von Dow zur Jahrhundertwende zuerst formuliert wurden. Dow veröffentlichte seine Ideen in einer Serie von Artikeln, die er für das Wall Street Journal schrieb. Die meisten Techniker verwenden heute Dows grundlegende Gedanken, ob sie die Quelle kennen oder nicht. Die Dow-Theorie ist immer noch der Grundstein der Technischen Analyse, selbst angesichts der heutigen ausgereiften Computertechnologie und der starken Zunahme neuerer und als besser betrachteter technischer Indikatoren.
Am 3. Juli 1884 veröffentlichte Dow den ersten Aktienindex, der sich aus den Schlusskursen von 11 Aktien zusammensetzte: 9 Eisenbahngesellschaften und 2 produzierende Firmen. Dow dachte, dass diese 11 Aktien eine gute Indikation für die wirtschaftliche Gesundheit des Landes darstellten. Im Jahr 1897 entschied Dow, dass zwei separate Indizes die Wirtschaft besser repräsentieren würden, und kreierte einen aus 12 Aktien bestehenden Industrie-Index und einen weiteren Index aus 20 Eisenbahnaktien. Bis 1928 wuchs der Industrie-Index auf 30 Aktien, die Anzahl, die heute noch gilt. Die Herausgeber des Wall Street Journal haben die Liste in den folgenden Jahren einige Male überarbeitet und 1929 einen Versorger-Index hinzugefügt. In 1984, dem Jahr des hundertsten Geburtstags von Dows erster Publikation, verlieh die Market Technicians Association einen Pokal aus Gorham-Silber an die Dow Jones & Co. Nach Willen der MTA soll die Auszeichnung an den „dauerhaften Beitrag von Charles Dow im Gebiet der Investmentanalyse erinnern. Sein Index, der Vorläufer dessen, was heute als führendes Barometer des Aktienmarktes angesehen wird, bleibt 80 Jahre nach seinem Tod ein lebenswichtiges Instrument für die Markttechniker.“
Unglücklicherweise schrieb Dow niemals ein Buch über seine Theorie. Stattdessen legte er seine Ideen über das Verhalten am Aktienmarkt in einer Serie von Artikeln nieder, die das Wall Street Journal um die Jahrhundertwende veröffentlichte. In 1903, dem Jahr nach Dows Tod, fasste S. A. Nelson diese Artikel in dem Buch The ABC of Stock Speculation zusammen. In dieser Arbeit prägte Nelson erstmals den Begriff „Dow-Theorie“. Richard Russell, der die Einleitung zu dem Nachdruck schrieb, verglich Dows Beiträge zur Theorie der Aktienmärkte mit Freuds Beitrag zur Psychiatrie. William Peter Hamilton (Dows Partner und Nachfolger beim Wall Street Journal kategorisierte und publizierte 1922 Dows Erkenntnisse in dem Buch The Stock Market Barometer. Robert Rhea entwickelte die Theorie in seinem Buch Dow Theory (Barron´s, New York 1932) sogar noch weiter.
Dow wendete seine theoretische Arbeit auf die Aktienmarktindizes an, die er kreiert hatte, namentlich den Industrie-Index und den Eisenbahn-Index. Wie auch immer, die meisten seiner analytischen Ideen lassen sich gut auf alle Aktienindizes anwenden. Dieses Kapitel beschreibt die sechs Kernaussagen der Dow-Theorie und diskutiert, wie diese Ideen in das moderne Studium der Technischen Analyse hineinpassen. Und die Verzweigungen, die sich aus diesen Postulaten ergeben, werden wir im nachfolgenden Kapitel erörtern.
KERNAUSSAGEN
1. Die Indizes diskontieren alles
Die Summe und Tendenz der Börsentransaktionen repräsentieren das gesamte Wissen der Wall Street der Vergangenheit, sofort und aus der Entfernung, im Hinblick auf die Vorhersage der Zukunft. Es besteht keine Notwendigkeit, den Indizes etwas hinzuzufügen, wie es manche Statistiker tun, Anpassungen von Rohstoffindizes auszuarbeiten, Devisenkursschwankungen, inlands- und auslandsbasierende Transaktionen oder irgendetwas sonst. Die Börse berücksichtigt alle diese Dinge (Hamilton, Seite 40–41).
Kommt Ihnen das bekannt vor? Die Annahme, dass die Märkte jeden möglichen bekannten, Angebot und Nachfrage beeinflussenden Faktor reflektieren, ist eine der grundlegenden Prämissen der Technischen Analyse, wie bereits in Kapitel 1 erwähnt. Die Theorie lässt sich auf Marktindizes ebenso anwenden wie auf einzelne Märkte und lässt sogar Spielraum für „das Agieren Gottes“. Obwohl die Märkte Ereignisse wie Erdbeben und verschiedene andere Naturkatastrophen nicht antizipieren können, reagieren sie schnell auf solche Vorkommnisse und assimilieren ihre Auswirkungen auf die Kurse beinahe augenblicklich.
2. Der Markt hat drei Trends
Bevor wir das Trendverhalten diskutieren, müssen wir klären, was Dow als Trend bezeichnete. Dow definierte einen Aufwärtstrend als eine Situation, bei der der Hochpunkt jeder aufeinander folgenden Kursrallye, höher liegt als derjenige der vorangegangenen Rallye und jeder Tiefpunkt ebenfalls höher als der vorangegangene Tiefpunkt liegt. Mit anderen Worten: Ein Aufwärtstrend weist ein Muster von steigenden Gipfeln und Tälern auf. Die entgegengesetzte Situation mit sukzessive tieferen Hochs und Tiefs definiert einen Abwärtstrend. Dows Definition überdauerte die Zeiten und bildet immer noch den Grundstein der Trendanalyse.