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Intermarket-Analyse bezeichnet die Analyse von zwei oder mehr sich gegenseitig beeinflussenden Assetklassen oder Märkten mit dem Ziel, die Stärken und Schwächen aufzudecken. Statt sich nur einzelne Assetklassen oder Märkte anzusehen, berücksichtigt die Intermarket-Analyse die Wechselwirkungen beispielsweise zwischen Aktien, Anleihen, Rohstoffen oder Währungen. John Murphy hat maßgeblich dazu beigetragen, dass die Intermarket-Analyse ein unverzichtbarer Teil der Technischen Analyse wurde. In seinem neuen Buch zeigt Murphy, wie Trader auch unter schwierigen Umständen erfolgreich sein können. Intensiv geht er auf die Auswirkungen von Konjunkturzyklen oder den Einfluss bestimmter Branchen auf die Märkte ein. Der Trader bestimmt auf Basis der Intermarket-Analyse, wie er optimal in Aufschwung- und Boomphasen, aber auch bei einer sich abschwächenden Konjunktur investiert. Als wichtiges Instrument stellt Murphy zudem Exchange-Traded Funds (ETFs) und ihre Bedeutung für die Intermarket-Analyse vor und zeigt, wie Trader von den neuesten Entwicklungen profitieren. Mit mehr als 150 vierfarbigen Beispielcharts und praktischen Anleitungen zu sämtlichen Chartmustern gibt Murphy eine einzigartige Einführung in die Intermarket-Analyse.
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Seitenzahl: 316
Veröffentlichungsjahr: 2013
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1. Auflage 2013
© 2013 by FinanzBuch Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH,
Nymphenburger Straße 86
D-80636 München
Tel.: 089 651285-0
Fax: 089 652096
Die Originalausgabe erschien 2013 unter dem Titel: Trading with Intermarket Analysis, Enhanced Edition: A Visual Approach to Beating the Financial Markets Using Exchange-Traded Funds
Copyright © 2013 by John J. Murphy. All rights reserved.
Published by John Wiley & Sons, Inc., Hoboken, New Jersey.
All rights reserved. This translation published under license with the original publisher John Wiley & Sons, Inc.
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Redaktion: Marion Reuter
Umschlaggestaltung: Marco Slowik, München
Umschlagabbildung: unter Verwendung von iStock-Bildern
Satz und E-Book: Grafikstudio Foerster, Belgern
ISBN Print 978-3-89879-829-7
ISBN E-Book (PDF) 978-3-86248-488-1
ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-86248-489-8
Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter
www.finanzbuchverlag.de
Für Chartisten auf der ganzen Welt
Zunächst möchte ich Pamela Van Giessen, seit langer Zeit Redakteurin bei Wiley, dafür danken, dass sie mich schon in der Vergangenheit bei der Arbeit an einigen meiner Bücher unterstützt und mich dazu ermutigt hat, dieses Buch hier zu schreiben. Ihr Nachfolger Burton Evan überzeugte mich davon, dass eine neue Generation von e-Books mit schönen farbigen Grafiken und digitalem Anschauungsmaterial sich bestens für die visuelle Marktanalyse eignet und die Intermarket-Analyse einem breiteren Publikum näherbringen kann. Ich bin froh, dass er das tat. Ich möchte auch Judy Howarth von Wiley für die enge Zusammenarbeit bei der schwierigen Aufgabe danken, das Buch zusammenzustellen. Damit hat sie mir meinen Teil dieser Aufgabe viel leichter gemacht. Alle Charts in diesem Buch wurden auf der Website von StockCharts.com erstellt. Ich möchte Chip Anderson, dem Leiter dieses Unternehmens, dafür danken, dass er speziell für dieses Buch neue Aktienmarkt-Indikatoren geschaffen und mir extrem wertvolle historische Marktdaten zur Verfügung gestellt hat. Im Lauf der Jahre habe ich von vielen anderen Autoren gelernt. Spezielle Erwähnung schulde ich Sam Stovall, dem Chef-Investmentstrategen von Standard & Poor’s, für seine Arbeit auf dem Gebiet der Sektorenrotation im Verlauf des Konjunkturzyklus. Ich danke auch John Creegan Jr. für sein Fachwissen beim Devisentrading und meinem Agenten Ted Bonnano, der meinen Weg leichter gemacht hat. Und schließlich möchte ich den Lesern meiner früheren Bücher über Intermarket-Analyse danken, die mich dazu ermutigt haben, etwas Aktuelleres über dieses spannende Thema zu schreiben. Dieses Buch ist für sie. Und natürlich auch für neue Leser, die sich für Intermarket-Analyse interessieren.
Mein erstes Buch über dieses Thema erschien 1991 unter dem TitelIntermarket Technical Analysis: Trading Strategies for the Global Stock, Bond, Commodity, and Currency Markets(Wiley & Sons). Ich schrieb dieses Buch, um zu demonstrieren, dass alle globalen Finanzmärkte eng miteinander verbunden sind und sich aufeinander auswirken. Die Hauptthese des Buchs lautete, dass die technische Analyse ihren Charthorizont verbreitern musste, um diese Intermarket-Beziehungen zu berücksichtigen. Zum Beispiel war die Analyse des Aktienmarkts für sich selbst genommen unvollständig, wenn die jeweiligen Trends des Dollars, der Anleihen- und der Devisenmärkte nicht miteinbezogen wurden. Dieses erste Buch behauptete, dass man Finanzmärkte oft als vorauslaufende Indikatoren von Trends in mit ihnen verbundenen Märkten verwenden kann. Zumindest aber können sie andere aktuelle Trends bestätigen – oder eben nicht.
Weil die Botschaft dieses Buchs die bei Technikern verbreitete Konzentration auf Einzelmärkte infrage stellte, bezweifelten manche professionelle Chartisten, ob diese neue und breiter gefasste Intermarket-Methode in der technischen Analyse ihren Platz hat. Viele stellten die Frage, ob Intermarket-Relationen überhaupt existieren und, wenn ja, ob sie beständig genug sind, um von prognostischem Wert zu sein. Eine Studie zu diesem Thema, die ich einmal bei der Market Technicians Association (MTA) einreichte, wurde wegen Mangel an handfesten Beweisen abgelehnt. Die scheinbar revolutionäre Idee, dass alle globalen Märkte miteinander verbunden sind und dass amerikanische Analysten einen Vorteil daraus ziehen können, Trends an ausländischen Märkten zu beobachten, wurde ebenfalls mit Skepsis gesehen. Wie sich die Dinge in den letzten beiden Jahrzehnten doch verändert haben!
20 Jahre später gilt die Intermarket-Analyse als Zweig der technischen Analyse und als zunehmend populär. In einer Umfrage des Journal of Technical Analysis wurden die Mitglieder der Market Technicians Association gebeten, die relative Bedeutung der verschiedenen technischen Disziplinen zu bewerten. Von den 14 in der Umfrage enthaltenen technischen Disziplinen erreichte die Intermarket-Analyse Rang 5. Hinzu kommt: Mein zweites Buch zum Thema mit dem Titel Intermarket Analysis: Profiting from Global Market Relationships (Wiley Trading, 2004), auf Deutsch erschienen unter dem Titel Neue Intermarket-Analyse: Profitieren vom Zusammenspiel der Märkte (FinanzBuch Verlag, 2005), ist heute Pflichtlektüre für das Chartered Market Technician (CMT)-Programm der MTA. Genau dieses Programm hatte meine frühere Arbeit zu diesem Thema abgelehnt. (Das »Chartered Market Technician«-Programm ist ein dreistufiger Zertifizierungsprozess, verwaltet von der Market Technicians Association [mta.org], in dem Kandidaten ihre Fähigkeiten in der technischen Analyse demonstrieren müssen. Erfolgreichen Kandidaten wird die Berufsbezeichnung Chartered Market Technician zuerkannt.) Es ist sicherlich befriedigend, dass die Intermarket-Analyse es in den letzten beiden Jahrzehnten so weit gebracht hat und zu einem akzeptierten Teil der technischen Marktanalyse geworden ist. Ich hoffe, Sie werden mir nach der Lektüre dieses Buchs zustimmen, dass die Intermarket-Analyse in diesem Bereich auch zunehmend unersetzlich geworden ist.
In meinem ersten Intermarket-Buch schrieb ich über die hyperinflationären 1970er-Jahre, die mit dem Platzen der Rohstoffblase 1980 endeten. Dies wiederum führte zu bedeutenden Aufwärtsbewegungen bei Aktien und Anleihen in den frühen 1980er-Jahren, was zwei Jahrzehnte rückläufiger Inflation sowie Haussephasen an den Aktien- und Anleihenmärkten einleitete. Das Buch analysierte auch den Crash am Aktienmarkt 1987, der die Intermarket-Theorie für mich zur Realität werden ließ. Es endete mit einer Beschreibung der globalen Ereignisse bis zum Beginn des ersten Golfkriegs Ende 1990. Mein zweites Buch zum Thema (2004) fing dort an, wo das erste aufgehört hatte, und zog Vergleiche zwischen dem ersten Irakkrieg, 1990 bis 1991, und dem zweiten Irakkrieg 13 Jahre später, 2003. Der reale Beginn beider Kriege half bei der Auslösung neuer Haussephasen am Aktienmarkt 1991 und 2003. Das zweite Buch beschrieb auch die Markttrends in den 1990er-Jahren einschließlich der heimlichen Baisse 1994, in der man eine weitere Lektion über Intermarket-Beziehungen lernen konnte. Ein starker Anstieg des Ölpreises trug in diesem Jahr erheblich zu den Verlusten an den Aktien- und Anleihenmärkten bei.
In den 1990er-Jahren gab es zwei einschneidende Ereignisse, die dabei halfen, ein neues Wort in die Finanznachrichten einzuführen: Deflation. Der Zusammenbruch des japanischen Aktienmarkts 1990 und die Währungskrise in Asien 1997 bis 1998 führten erstmals seit den 1930er-Jahren zu wachsenden Deflationssorgen. Mein 2004 erschienenes Buch beschrieb, wie die Deflationsgefahr Ende der 1990er-Jahre einige wichtige Intermarket-Relationen veränderte und am Beginn des neuen Jahrtausends zum Platzen der Blase an der Nasdaq beitrug. Mehr als zehn Jahre nach dem ersten Markttop des neuen Jahrtausends sind viele dieser Veränderungen immer noch wirksam. Das Buch von 2004 endete mit dem Beginn einer neuen Aktienhausse während des Frühjahrs 2003 (teilweise verursacht durch einen Zusammenbruch der Ölpreise zu Beginn des zweiten Irakkriegs).
Mein nächstes Buch mit dem Titel The Visual Investor, zweite Auflage (Wiley Trading, 2009) beschäftigte sich mit dem Marktgeschehen rund um die Finanzkrise 2007 bis 2008, nicht zu einem geringen Teil verursacht durch den größten Zusammenbruch des Immobilienmarkts seit der Weltwirtschaftskrise. Dieses Buch zeigte, wie man traditionelle Charttechniken mit Intermarket-Prinzipien kombiniert, um ein vollständiges Bild des Geschehens zu erhalten. Während ich nun fast fünf Jahre später dieses Buch schreibe, sind viele Auswirkungen dieser globalen Krise immer noch spürbar.
Dieses Buch beschreibt die Ereignisse seit dem Jahr 2000 und will demonstrieren, dass die Deflationsbedrohung in den vergangenen zehn Jahren die meisten Intermarket-Relationen ebenso dominiert hat wie die Politik der Federal Reserve. Der Beginn des Rohstoffbooms 2002 war die direkte Folge der Dollarabwertung durch die Fed, mit der sie den Deflationsdruck dämpfen wollte (eine Technik, die man auch in den 1930er-Jahren versucht hatte). Eine der wichtigsten Veränderungen der Intermarket-Beziehungen hat mit den veränderten Relationen zwischen Aktien und Anleihen zu tun, die sich in den Jahren nach 1998 voneinander abkoppelten. In den Jahrzehnten vor 1998 hatten steigende Anleihenkurse steigende Aktienkurse gestützt. Doch nach 1998 schadeten steigende Anleihenkurse den Aktien, was ein neues Phänomen war. Schmerzlich evident wurde es von 2000 bis 2002 während des schwersten Einbruchs am Aktienmarkt seit der Weltwirtschaftskrise sowie während des Finanzkollapses 2008.
Eine zweite Veränderung war die immer engere Verbindung zwischen Aktien- und Rohstoffpreisen seit dem Platzen der Immobilienblase 2007, was ebenfalls an die deflationären 1930er-Jahre erinnerte. Seit 2008 haben sich Aktien und Rohstoffe mehr oder weniger im Gleichschritt bewegt. Das liegt daran, dass beide an globale Wirtschaftstrends gebunden sind. Die Ereignisse rund um den Zusammenbruch 2008 bestätigten eine weitere ökonomische Lektion, die mit der Verbindung zwischen den Märkten und der Wirtschaft zu tun hat. Der Aktienmarkt ist ein vorauslaufender Konjunkturindikator. Aktien erreichen ihre Hochs und Tiefs schon vor der Konjunktur. Die große Rezession nach dem Immobiliencrash begann im Dezember 2007 (drei Monate nach dem Hoch am Aktienmarkt) und endete im Juni 2009 (drei Monate nach dem Tief der Aktien). Dies war zudem der längste und schwerste Wirtschaftsabschwung seit der Weltwirtschaftskrise in den 1930er-Jahren. Kein Wunder, dass die Fed das gleiche Drehbuch benutzte wie damals.
Meiner Meinung nach gab es in den letzten 20 Jahren drei bedeutende deflationäre Ereignisse. Das erste war das Hoch des japanischen Aktienmarkts Anfang 1990, das in der (damals) zweitgrößten Wirtschaftsnation der Welt zu einer deflationären Spirale führte. Das zweite war die Währungskrise in Asien 1997 bis 1998. Das dritte Ereignis war der Kollaps des Immobilienmarkts 2007. Diese drei deflationären Ereignisse führten zu einer neuen Normalität der Intermarket-Relationen, die nun am Beginn des zweiten Jahrzehnts des neuen Jahrhunderts existiert. Dieses Buch will erklären, was diese neuen Relationen sind und wie man sie vorteilhaft nutzen kann.
Die Intermarket-Analyse ist sehr visuell. Obwohl die hier beschriebenen Relationen auf vernünftigen ökonomischen Prinzipien beruhen und von Korrelationsstatistiken gestützt werden, baut meine Methode wesentlich darauf, dass man diese Relationen auf Kurscharts sehen kann. Sie werden also viele Charts sehen. Die Verwendung von Farbgrafiken in dieser Ausgabe macht diese Vergleiche viel anschaulicher und überzeugender. Sie müssen kein Experte sein, um die Charts zu verstehen. Sie müssen nur aufwärts von abwärts unterscheiden können. Und sie brauchen einen unvoreingenommenen Verstand.
Dieses Kapitel umfasst die wesentlichen Punkte der Intermarket-Analyse, beginnend mit der Beobachtung, dass alle Märkte miteinander in Beziehung stehen. Asset Allocation und Sektorenrotationsstrategien in verschiedenen Phasen des Konjunkturzyklus werden vorgestellt und es wird erklärt, wie Aktien schon vor der konjunkturellen Entwicklung Hochs und Tiefs bilden. Weitere Punkte umfassen die wichtige Rolle des Rohöls, wie ETFs das Intermarket-Trading revolutioniert haben, den Vorteil der Verwendung von Charts, warum es wichtig ist, das Gesamtbild zu beobachten, Intermarket-Implikationen für die technische Analyse, wie sie für die technische Arbeit neue Dimensionen schafft, warum sie ein evolutionärer Schritt ist und wie sich Relationen ändern. Das Kapitel endet mit einer Wiederholung der Intermarket-Prinzipien.
Wie der Name impliziert, ist Intermarket-Analyse das Studium, wie verschiedene Finanzmärkte miteinander in Beziehung stehen. Dies weicht von früheren Formen der Marktanalyse ab, die sich hauptsächlich auf die Untersuchung einzelner Märkte verließen. Aktienmarktanalysten verbrachten zum Beispiel ihre Zeit damit, den Aktienmarkt zu untersuchen – Marktsektoren ebenso wie Einzelaktien. Aktientrader interessierten sich nicht besonders dafür, was mit Anleihen, Rohstoffmärkten oder dem Dollar geschah (von ausländischen Märkten ganz zu schweigen). Anleihenanalysten und -trader untersuchten den Anleihenmarkt, ohne sich groß um andere Märkte zu kümmern. Rohstofftrader hatten alle Hände voll damit zu tun, die Richtung dieser Märkte zu verfolgen, und interessierten sich kaum für andere Asset-Klassen. Das Trading an den Devisenmärkten war den Futures-Spezialisten und den Interbanken-Tradern vorbehalten.
Die Intermarket-Analyse ist das Studium, wie verschiedene Finanzmärkte miteinander verbunden sind.
Das ist heute nicht mehr der Fall. Die traditionelle Chartanalyse hat in den vergangenen zehn Jahren einen großen Entwicklungsschritt getan und verfolgt nun einen umfassenderen Intermarket-Ansatz. Ich hoffe, dass meine zwei früheren (1991 und 2004 erschienenen) Bücher über Intermarket-Analyse dabei geholfen haben, die Dinge in diese Richtung zu bewegen. Heute wäre es für Trader in allen vier genannten Asset-Klassen undenkbar, Trends in den drei anderen nicht zu studieren.
Ein gewisses Verständnis der Interaktion der verschiedenen Asset-Klassen ist zumindest aus zwei Gründen wichtig. Erstens hilft ein solches Verständnis bei der Einschätzung, wie andere Finanzmärkte den Markt beeinflussen, dem Ihr Hauptinteresse gilt. Zum Beispiel ist es sehr wichtig, zu wissen, wie Anleihen und Aktien interagieren. Wenn Sie Aktien traden, sollten Sie die Anleihen beobachten, weil sich Anleihenkurse in der Regel entgegengesetzt zu den Aktienkursen bewegen. In vielen Fällen gehen Trendwenden am Anleihenmarkt solchen am Aktienmarkt tatsächlich voraus. Anleihenrenditen sind mit Anleihenkursen invers korreliert. Daher können sinkende Anleihenrenditen (steigende Anleihenkurse) eine negative Warnung für Aktien sein.
Abbildung 1.1 vergleicht die Rendite der zehnjährigen Staatsanleihe mit dem S&P 500 im Jahr 2000. Nach dem Hoch im Januar (linker Pfeil) begann die Anleihenrendite weit schneller zu sinken als der Aktienmarkt. Im Frühjahr war die Anleihenrendite auf das niedrigste Niveau seit einem Jahr gefallen, während sich der S&P 500 immer noch seitwärts bewegte (obwohl die Nasdaq im Frühjahr ein Hoch verzeichnete). Der S&P begann erst im vierten Quartal des Jahres zu sinken (rechter Pfeil) und startete dann eine größere Baisse, die mehr als zwei Jahre dauerte. Dies ist ein ziemlich dramatisches Beispiel dafür, dass sinkende Anleihenrenditen früh vor Problemen am Aktienmarkt warnen. Es demonstriert, dass der Anleihenmarkt an wichtigen Wendepunkten in der Regel früher als Aktien die Richtung ändert und oft ein vorauslaufender Indikator für den Aktienmarkt ist. Abbildung 1.1 zeigt zudem, warum es für Aktienanalysten so wichtig ist, Trends am Anleihenmarkt zu berücksichtigen.
Wenn Sie ein Anleihentrader sind, sollten Sie die Trends an den Rohstoffmärkten beobachten. Zum Beispiel ist ein starker Anstieg der Rohstoffpreise in der Regel mit fallenden Anleihenkursen verbunden. Und ein fallender US-Dollar führt meist zu steigenden Rohstoffpreisen. Wie Sie in diesem Buch noch sehen werden, hilft die Richtung der US-Währung bei der Bestimmung der relativen Attraktivität ausländischer Aktien im Vergleich zu amerikanischen Aktien.
Abbildung 1.1Im Jahr 2000 ging der Rückgang der Anleihenrendite einem Hoch am Aktienmarkt voraus
Das Verständnis der Intermarket-Relationen hilft auch beim Prozess der Asset Allocation. Vor nicht allzu langer Zeit war die Auswahl der Investoren auf Anleihen, Aktien und Cash beschränkt. Die Modelle der Asset Allocation basierten auf dieser eingeschränkten Philosophie. In den letzten zehn Jahren ist die Auswahl an Investments wesentlich größer geworden. Zum Beispiel waren Rohstoffe seit 2002 die stärkste Asset-Klasse. Heute gelten sie an der Wall Street und in Investorenkreisen als vollwertige Alternative zu Anleihen und Aktien. Die Entwicklung der Exchange Traded Funds (ETFs) hat viel mit der wachsenden Popularität des Rohstofftradings zu tun. Dies gilt auch für Fremdwährungsmärkte, die sich seit 2002 ebenfalls stark entwickelt haben.
Betrachten Sie die relative Performance dieser vier Asset-Klassen seit Anfang 2002, als der US-Dollar stark zu sinken begann und schließlich ein Rekordtief erreichte. In den zehn Jahren seit 2002 stiegen die Rohstoffpreise um 64 Prozent. Zum Vergleich: Die Anleihenkurse stiegen um 23 Prozent, während US-Aktien um bescheidene 9 Prozent zulegten. Der Hauptauslöser des Rohstoffpreisanstiegs war der 32-prozentige Wertverlust des US-Dollars. Das liegt daran, dass der Dollar und die Rohstoffe in entgegengesetzte Richtungen tendieren. Ein sinkender Dollar führt zu höheren Rohstoffpreisen.
Abbildung 1.2Das Dollarhoch 2002 führte zu einem deutlichen Anstieg der Rohstoffpreise
Abbildung 1.2 vergleicht den Trend des US-Dollar-Index mit dem CRB-Index der Rohstoffpreise zwischen 2000 und 2008. Es wird deutlich, dass die Märkte in entgegengesetzte Richtungen tendierten. Man erkennt auch, dass die starke Aufwärtsbewegung der Rohstoffpreise 2002 begann (Pfeil nach oben). Exakt gleichzeitig begann der Dollar zu fallen (Pfeil nach unten). Die inverse Relation zwischen dem Dollar und den Rohstoffmärkten ist eine der beständigsten und zuverlässigsten Relationen in der Intermarket-Analyse.Auch Auslandswährungen profitieren von einem fallenden Dollar. Das gilt insbesondere für die Währungen Rohstoffe exportierender Länder wie Australien und Kanada. In den zehn Jahren ab 2002 stieg der Australische Dollar (gestützt durch steigende Rohstoffpreise) um 101 Prozent gegen den US-Dollar und um 50 Prozent gegen den Euro. Es ist klar, dass Investoren davon profitiert haben, bei der Asset Allocation nicht nur zwischen Anleihen und Aktien wählen zu können. ETFs waren dabei ein wichtiger Faktor.
Exchange Traded Funds haben viel dazu beigetragen, dass die Auswahl auf Assets wie Rohstoffe und Währungen erweitert wurde. Die enorm steigende Beliebtheit von ETFs hat die Welt des Intermarket-Tradings wirklich revolutioniert und es immer einfacher gemacht, globale Intermarket-Strategien anzuwenden. Zum Beispiel war es in den 1990er-Jahren fast unmöglich, außerhalb der Futures-Märkte Rohstoffe und Währungen ins Depot aufzunehmen. Die leichtere Verfügbarkeit von ETFs hat Investitionen an den Rohstoff- und Währungsmärkten so einfach gemacht wie den Kauf einer Aktie am Aktienmarkt. ETFs können für praktisch jede Asset-Klasse überall auf der Welt verwendet werden. Hauptsächlich deshalb bauen wir in diesem gesamten Buch sehr stark auf ETFs, um zu zeigen, wie Märkte interagieren und wie man von diesen Interaktionen profitiert. Auch bei der Anwendung von Sektorenrotationsstrategien sind ETFs sehr beliebt geworden.
Die Intermarket-Analyse spielt bei Sektorenrotations-Strategien eine wichtige Rolle. Der US-Aktienmarkt ist in Marktsektoren unterteilt (die wiederum in Branchengruppen unterteilt sind).
Es sind ETFs erhältlich, die alle Marktsektoren (und die meisten Branchengruppen) abdecken. Das erleichtert den Ein- und Ausstieg bei verschiedenen Marktsektoren in verschiedenen Stadien des Konjunkturzyklus sehr. Ich werde Ihnen in diesem Buch noch zeigen, wie man Intermarket-Prinzipien (und einige einfache Charttechniken) anwendet, um voraus- und nachlaufende Marktsektoren aufzuspüren und auf diese Weise sicherzustellen, dass man in die aktuell gefragten Sektoren und nicht in die Nachzügler investiert. Sie werden auch lernen, wie die Beobachtung der Sektorenrotation wertvolle Einsichten in die Richtung des Aktienmarkts und der Wirtschaft bietet.
Am Beginn einer neuen Aktienhausse schneiden konjunktursensitive Gruppen wie Nicht-Basiskonsumgüter in der Regel besser ab als die meisten anderen Aktien. Gleiches gilt für Technologie- und Transportaktien, die mit dem Konjunkturzyklus verbunden sind. Auch Aktien kleiner Unternehmen schneiden nach Markttiefs überdurchschnittlich ab. In der Nähe von Markttops drehen eben diese Gruppen in der Regel als Erste nach unten. Energieaktien (die am Ölpreis hängen) tendieren dazu, am Ende einer Aktienhausse die Führungsrolle zu übernehmen. Wenn Energietitel führen, ist dies fast immer ein gefährliches Warnsignal für den Aktienmarkt. Ein Aktienhoch erkennt man unter anderem daran, dass Geld aus den Energietiteln in defensive Sektoren wie Konsum, Gesundheit und Stromversorger fließt. Ich werde Ihnen zeigen, wie man diese Rotationen erkennt und von ihnen profitiert. Und was sie bedeuten.
Wichtige Tops am Aktienmarkt führen in der Regel zu Phasen wirtschaftlicher Schwäche (oder zu Rezessionen). Zum Beispiel führte das Top 2000 zu einer Rezession im folgenden Frühjahr. Das Top vom Oktober 2007 führte im Dezember 2007 zu einer Rezession. Gleiches gilt für Markttiefs. Dem Ende der letzten beiden Rezessionen 2003 und 2009 ging jeweils ein paar Monate zuvor ein Anstieg am Aktienmarkt voraus. Wenn sich der Aktienmarkt abschwächt, rotiert in der Regel Geld aus dem Aktien- in den Anleihenmarkt. An Markttiefs geschieht das Gegenteil. Das Geld rotiert aus Anleihen wieder zurück in Aktien. Zum Glück sind diese Trendwenden des Investoren-Sentiments recht einfach zu erkennen, wie wir in diesem Buch noch zeigen werden. Man kann Trends an den Finanzmärkten nur schwer von Konjunkturtrends trennen. Die Intermarket-Analyse beleuchtet nicht nur die Marktrichtung, sondern auch die Wirtschaft. Sie werden in diesem Buch noch sehen, dass Anleihen, Aktien und Rohstoffe historisch während Trendwenden des Konjunkturzyklus in vorhersagbarer Reihenfolge Hochs und Tiefs erreicht haben.
Ab Anfang 2007 ansteigende Ölpreise gingen einem Abwärtstrend am Aktienmarkt im weiteren Jahresverlauf voraus. Die Rolle des Öls am Markttop 2007 war nichts Ungewöhnliches. Sie war sogar sehr normal. Steigende Ölpreise haben in den letzten 40 Jahren zu jeder Rezession in den USA beigetragen. Steigende Ölpreise haben auch zu Hochs am Aktienmarkt und daraus resultierenden Baissephasen beigetragen. Mit Sicherheit war dies Mitte der 1970er-Jahre der Fall, als eine Verdreifachung des Rohölpreises 1973 (während des arabischen Ölembargos) im folgenden Jahr (1974) zu einem 50-Prozent-Verlust am Aktienmarkt führte. Starke Anstiege des Rohölpreises gingen auch Einbrüchen am Aktienmarkt 1987, 1990, 1994 und 2000 voraus oder begleiteten sie. Andererseits hatten scharfe Ölpreisrückgänge in der Regel bullishe Auswirkungen auf den Aktienmarkt. Das war zu Beginn der beiden Irakkriege 1991 und 2003 der Fall, was dabei half, neue Haussephasen bei Aktien auszulösen. Daher ist es in der Regel eine Gefahr für den Aktienmarkt, wenn Aktien, die mit Öl zu tun haben, in Führung liegen. Das ist auch der Grund, warum unsere Intermarket-Analyse stets die Entwicklung des Ölpreises im Auge behalten muss. Ölpreissteigerungen gingen den meisten Aktienhochs voraus.
Abbildung 1.3 vergleicht den Rohölpreis mit dem S&P 2007 und 2008. Der Chart zeigt zwei beständige Intermarket-Tendenzen. Die erste: Steigende Ölpreise gehen in der Regel Hochs am Aktienmarkt voraus. Rohöl wurde Anfang 2007 teurer (erster Pfeil nach oben). Nach einem moderaten Pullback im August stieg der Ölpreis im September sogar noch stärker (zweiter Pfeil nach oben). Der Aktienmarkt erreichte im Oktober sein Hoch (erster Pfeil nach unten). Ein steigender Ölpreis ist meist ein Warnsignal für Aktien und hat zu den meisten Hochs geführt. Die zweite Intermarket-Lektion lautet, dass Öl in der Regel später als Aktien sein Preishoch erreicht. Abbildung 1.3 zeigt das Hoch des Rohöls im Juli 2008 (zweiter Pfeil nach unten), neun Monate nach dem Aktienhoch.
Abbildung 1.3Der Anstieg des Rohölpreises 2007 trug zum Hoch am Aktienmarkt bei
Dieses ganze Gerede über Intermarket-Relationen klingt vielleicht allmählich stark nach Wirtschaftstheorie, teilweise deshalb, weil die Intermarket-Analyse auf ökonomischen Prinzipien beruht. Sie ist allerdings keine Theorie. Intermarket-Arbeit ist marktgetrieben. An einer Gewinn-Verlust-Rechnung ist nichts theoretisch. Wirtschaftswissenschaftler betrachten ökonomische Statistiken, um die Richtung der Wirtschaft zu bestimmen – und folglich auch die Richtung der Finanzmärkte. Chartisten dagegen beobachten die Märkte selbst. Das ist ein großer Unterschied. Ökonomische Statistiken betrachten definitionsgemäß die Vergangenheit. Was sollten sie sonst tun? Sie sagen uns, was im letzten Monat oder im letzten Quartal passiert ist. Sie sagen uns nichts über die Zukunft (und übrigens auch nichts über die Gegenwart). Die Märkte dagegen sind nach vorn gerichtete Einheiten. Daher nennt man die Märkte diskontierende Mechanismen. Aktien antizipieren (oder diskontieren) wirtschaftliche Trends um sechs bis neun Monate in die Zukunft. Es gibt auch einen Grund, warum man manche Märkte Futures nennt. Wovon wären Sie lieber abhängig: von rückwärts blickenden Statistiken oder von vorwärts blickenden Märkten? Anders ausgedrückt: Würden Sie lieber einem nachlaufenden oder einem vorauslaufenden Indikator zukünftiger Markttrends vertrauen? Ökonomen verlassen sich auf nachlaufende Wirtschaftsindikatoren, Chartisten vertrauen vorwärtsblickenden Finanzmärkten.
Diese Unterscheidung betrifft den Kern der technischen Analyse. Er basiert auf der Annahme, dass Märkte vorauslaufende Indikatoren ihrer eigenen Fundamentaldaten sind. So gesehen ist die Chartanalyse eine Kurzform der ökonomischen und der Fundamentalanalyse. Das ist einer der Gründe, warum Intermarket-Analysten Charts verwenden. Charts bieten bei der Intermarket-Analyse auch einen großen Vorteil, weil sie es uns ermöglichen, viele verschiedene Märkte zu betrachten. Man kann sich schlecht vorstellen, wie jemand ohne Charts alle Märkte der Welt mit sämtlichen Asset-Klassen beobachten und miteinander vergleichen könnte. Sie machen Vergleiche vieler Märkte nicht nur wesentlich leichter, sondern man muss nicht einmal Experte für einen dieser Märkte sein. Man muss nur wissen, wie man die Charts gestaltet, und muss bestimmen können, welche Märkte steigen und welche sinken. Die Intermarket-Analyse geht noch einen Schritt weiter und bestimmt, ob zwei miteinander korrelierte Märkte sich in die gleiche oder in entgegengesetzte Richtungen bewegen.
Die größten Vorteile der in diesem Buch beschriebenen visuellen Hilfsmittel sind ihre Universalität und ihre Übertragbarkeit. Man kann sie auf jeden Markt der Welt anwenden – und auf jeden Zeitraum. Sie können auf kurzfristiges ebenso wie auf langfristiges Trading angewendet werden. Man kann jeden Markt analysieren, der sich in Chartform darstellen lässt. Das gibt dem Chartisten einen enormen Vorteil gegenüber denjenigen, die lieber die ökonomische oder fundamentale Analyse anwenden. Diese beiden analytischen Schulen haben es mit etlichen Problemen zu tun. Der Ökonom muss sich mit alten Daten beschäftigen. Der Fundamentalanalyst (der die Gewinne von Firmen und Branchen studiert) muss enorme Datenmengen bewältigen. Das hindert ihn daran, eine große Bandbreite von Märkten abzudecken. Folglich müssen sich Fundamentalanalysten spezialisieren. Der Intermarket-Chartist dagegen kann jeden Markt der Welt beobachten, ohne für irgendeinen Markt Experte zu sein. In der Welt der Intermarket-Analyse und des Tradings ist dies ein recht bedeutender Vorteil. Noch wichtiger: Die Fähigkeit, so viele Märkte verschiedener Asset-Klassen auf der ganzen Welt zu beobachten, liefert dem Intermarket-Chartisten ein Gesamtbild dessen, was vor sich geht. Das ist ein riesiger Vorteil gegenüber dem Tunnelblick, den man so oft bei Marktanalysten findet, die nur einen kleinen Teil des finanziellen Spektrums beobachten.
Da die Intermarket-Analyse die Beobachtung so vieler Märkte beinhaltet, muss sie anhand von Kurscharts erfolgen. Die Chartanalyse ist die leichteste und effizienteste Methode, Verbindungen zwischen den Märkten zu studieren. Die Intermarket-Analyse steigert die Nützlichkeit der technischen Analyse erheblich. Sie erlaubt es Analysten wie mir, über Dinge zu sprechen, die früher Wertpapieranalysten und Ökonomen vorbehalten waren, wie Inflation, Deflation, die Richtung der Zinsen, der Einfluss des Dollars, der Zustand des Konjunkturzyklus. Ein wenig Verständnis zum Beispiel dafür, wie Anleihen, Aktien und Rohstoffe während des Konjunkturzyklus einander abwechseln, ermöglicht es uns, über den Zustand der Wirtschaft zu reden. Die Sektorenrotation gibt auch Hinweise darauf, ob die Wirtschaft schrumpft oder expandiert.
Die Finanzmärkte sind vorauslaufende Indikatoren ökonomischer Trends. Die Federal Reserve brauchte bis zum Frühjahr 2003, um die Inflationsgefahr zu erkennen. Die Märkte hatten diese Bedrohung schon Jahre früher bemerkt. Die Fed brauchte auch viel länger als die Chartanalysten, um 2007 die Bedrohung durch den Zusammenbruch des Wohnimmobilienmarkts zu erkennen. Die Ereignisse rund um die Aktienhochs 2000 und 2007 zeigten die Notwendigkeit, ein wenig Chart- und Intermarket-Analyse in ökonomische und fundamentale Prognosen aufzunehmen. Die Wall-Street-Gemeinde brauchte zu lange, um zu begreifen, was viele Chartisten in der ersten Jahreshälfte 2000 und 2007 schon wussten, als Warnsignale eines Markttops deutlich sichtbar waren und klar wurde, dass die Wirtschaft vor Problemen stand (wie Sie in den folgenden Kapiteln noch sehen werden). Die Idee, technische Analyse sei eine Kurzform der Fundamentalanalyse, basiert auf der Annahme, dass die Preisentwicklung an jedem Markt ein vorauslaufender Indikator der Fundamentaldaten dieses Marktes ist. Viele Analysten an der Wall Street (und ihre Kunden) haben teuer dafür bezahlt, 2000 und 2007 die deutlichen Chartsignale ignoriert zu haben. Und sie haben auch dafür bezahlt, dass sie die Intermarket-Signale ignorierten.
Der wichtigste Beitrag der Intermarket-Analyse ist, dass sie das periphere Sehen des Marktanalysten verbessert. Ohne das Wissen über Intermarket-Relationen zu traden ist wie Autofahren, ohne in den Rück- und die Seitenspiegel zu schauen oder aus dem Fenster zu blicken. Die Intermarket-Analyse umfasst sämtliche Märkte der Welt. Indem sie den Fokus des Analysten nach außen statt nach innen lenkt, liefert die Intermarket-Analyse ein rationaleres Verständnis der am Markt wirkenden Kräfte. Sie liefert ein einheitlicheres Bild des Marktverhaltens. Die Intermarket-Analyse verwendet die Aktivitäten an den benachbarten Märkten etwa so, wie Analysten interne Marktindikatoren nutzen. Die Intermarket-Analyse ersetzt die traditionelle technische Analyse nicht, sondern fügt ihr eine neue Dimension hinzu.
Ich stelle mir gern vor, dass die Intermarket-Analyse ein weiterer Schritt in der Evolution der technischen Theorie und Praxis ist. Mit der wachsenden Erkenntnis, dass alle Märkte der Welt miteinander verbunden sind, können Trader diese Verbindungen in ihren Analysen immer mehr berücksichtigen. Wegen ihrer Flexibilität und ihrer universellen Anwendbarkeit an allen Märkten eignet sich die technische Analyse in einzigartiger Weise für die Intermarket-Analyse.
Die Intermarket-Analyse liefert einen nützlicheren Rahmen für das Verständnis, wie einzelne Märkte und Sektoren miteinander verbunden sind. Während des größten Teils des 20. Jahrhunderts war die technische Analyse nach innen gerichtet. Im neuen Jahrhundert gibt es eine wesentlich breitere Anwendung technischer Prinzipien – nicht nur auf die Finanzmärkte selbst, sondern auch was weitere Implikationen für ökonomische Prognosen betrifft. Sogar die Federal Reserve blickt auf die Finanzmärkte, um Hinweise auf die zukünftige Wirtschaftsentwicklung zu finden. Sie muss dazu Charts verwenden. Die in diesem Buch vorgestellten Intermarket-Prinzipien zeigen eine wesentlich weitere Sicht auf die Zukunft der technischen Analyse. Ich glaube, dass die Intermarket-Analyse in dieser Zukunft eine immer wichtigere Rolle spielen wird.
Wer Relationen zwischen den Märkten ignoriert, der ignoriert enorm wertvolle Kursinformationen. Schlimmer noch: Marktanalysten verstehen in diesem Fall nicht die externen Kräfte an den Märkten, wo sie traden. Die Zeiten, in denen man nur einen Markt beobachtete, sind vorbei. Marktanalysten müssen wissen, was an sämtlichen Finanzmärkten vor sich geht, und die Auswirkungen von Trends an diesen miteinander verbundenen Märkten auf der ganzen Welt verstehen. Die technische Analyse zeichnet sich durch enorme Übertragbarkeit von einem Markt auf den anderen aus und ist extrem nützlich beim Vergleich der relativen Performance dieser Märkte.
Intermarket-Relationen sind nicht statisch. Die meisten bleiben zwar über lange Zeiträume konstant, aber manchmal ändern sie sich kurzfristig. Manche Veränderungen sind dauerhafter. Wie Sie bald sehen werden, geschah das zwischen Anleihen und Aktien. Aber nichts ändert sich ohne Grund. Das veränderte Verhältnis zwischen Anleihen und Aktien, das am Ende des vergangenen Jahrhunderts begann, signalisierte, dass sich die Konjunkturzyklen nach dem Jahr 2000 von anderen Abschwüngen seit dem Zweiten Weltkrieg unterscheiden würden. Nach dem Immobiliencrash 2007, der die größte Finanzkrise seit der Weltwirtschaftskrise auslöste, wurde das besonders deutlich. Bei ihren Versuchen, die Wirtschaft zu stützen, verließen sich die Regierungen auf traditionelle fiskalische und monetäre Maßnahmen, die in der Vergangenheit funktioniert hatten. Leider funktionierten sie dieses Mal nicht so gut.
Dies lag daran, dass der Konjunkturzyklus nach 2000 und insbesondere nach 2007 nicht mehr so war wie andere traditionelle Konjunkturzyklen nach dem Krieg. Der Deflationsdruck war stärker als diese traditionellen Maßnahmen der Regierung. Einige der Intermarket-Veränderungen, die am Beginn dieses Jahrhunderts und dann noch einmal 2007 entstanden sind, haben uns deutlich gewarnt, dass es diesmal anders kommen würde.
Die in diesem Buch präsentierten Intermarket-Prinzipien sollten Sie nicht als strenge Regeln, sondern als Richtlinien verstehen. Die Fähigkeit zur Anpassung an sich verändernde Marktbedingungen ist einer der Schlüssel zur Profitabilität. Dies gilt für die Intermarket-Analyse ebenso wie für jede andere Form der Marktanalyse. Obwohl die Intermarket-Prinzipien meist konstant sind, gibt es Gelegenheiten, wenn einige Intermarket-Relationen (oder -Korrelationen) vielleicht kurzfristig schwächer werden. Dann ist es besser, diese Relationen weniger zu beachten, bis sie wieder stärker werden. Zum Glück gibt es Hilfsmittel, die uns zeigen, wann diese Korrelationen stark sind und wann sie schwächer werden. Obwohl das Spektrum der Intermarket-Analyse breit ist und uns zwingt, unsere Vorstellungskraft auszuweiten und weiter zu blicken, bin ich immer noch begeistert über ihre Zukunftsaussichten. Ich hoffe, Sie werden mir nach der Lektüre dieses Buchs zustimmen. Intermarket-Arbeit ist ein sehr fruchtbarer Boden für Marktresearch und profitable Tradingchancen.
Ehe wir unsere Analyse der verschiedenen Finanzmärkte beginnen, wollen wir uns die wichtigsten Intermarket-Prinzipien ansehen, auf denen diese Methode basiert. Es gibt nur wenige solche Prinzipien und sie sind leicht zu verstehen. Alle beruhen auf vernünftigen ökonomischen Prinzipien und werden durch historische Analysen gestützt. Während die meisten der unten gelisteten Intermarket-Relationen über die Jahrzehnte sehr konstant geblieben sind, haben sich andere von Zeit zu Zeit verändert. Ich werde erklären, warum das passiert und woran man erkennt, wann es geschieht.
Die grundlegenden Intermarket-Prinzipien
■Alle Märkte der Welt sind miteinander verbunden.■Die Analyse jedes Markts sollte die Analyse der anderen beinhalten.Die vier Asset-Klassen sind:
■Aktien■Anleihen■Rohstoffe■WährungenIntermarket-Relationen
■Dollar und Rohstoffe tendieren in entgegengesetzte Richtungen.■Anleihenkurse und Rohstoffe tendieren in entgegengesetzte Richtungen.■Seit 1998 haben sich Anleihen- und Aktienkurse invers entwickelt.■Seit 2008 sind Aktien und Rohstoffe eng miteinander korreliert.Wie sie interagieren:
■Anleihen ändern in der Regel vor den Aktien ihre Richtung.■Aktien ändern in der Regel vor den Rohstoffen ihre Richtung.■Zunächst erreichen Anleihen ihr Hoch, dann Aktien und schließlich Rohstoffe.■Diese Rotationen sind an Kursböden weniger zuverlässig als an Hochs.Einflüsse aus dem Ausland:
■Alle Aktien sind eng miteinander korreliert.■Ein steigender Dollar ist ein Vorteil für US-Aktien.■Ein schwächerer Dollar ist ein Vorteil für Auslandsaktien.■Emerging Markets sind eng mit Rohstofftrends verbunden.Die meisten der oben genannten Intermarket-Prinzipien sind in den letzten Jahrzehnten recht konstant geblieben. Einige haben sich allerdings in den letzten zehn Jahren verändert. Eine Veränderung, die sich in den letzten Jahren entwickelt hat, besteht darin, dass Aktien und Rohstoffe nun eng miteinander korreliert sind. Das trifft vor allem seit dem Finanzcrash 2008 zu, der hauptsächlich durch den deflationären Kollaps des Immobilienmarkts verursacht wurde. Die noch wichtigere Intermarket-Veränderung hat mit der Relation zwischen Anleihen und Aktien nach der Währungskrise in Asien Ende der 1990er-Jahre zu tun. Seit 1998 haben sich Anleihen- und Aktienkurse in entgegengesetzte Richtungen entwickelt (was eine Umkehrung ihrer früheren Relation bedeutete). Das ist auch typisch während eines Jahrzehnts, in dem die Deflation eine Bedrohung geblieben ist. Auch wenn dieses Buch sich hauptsächlich mit der neuen Normalität der Intermarket-Relationen beschäftigt, die seit 2000 (und insbesondere seit 2008) existiert, ist es nützlich, den Intermarket-Relationen einen kurzen Rückblick zu widmen, die in den letzten drei Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts existiert haben. Auf diese Weise legen wir ein Fundament für unsere Intermarket-Analyse und untersuchen Marktereignisse, die zu den neueren, heute existierenden Marktrelationen geführt haben. Wir werden diese Relationen der alten Normalität im nächsten Kapitel untersuchen.
Dieses Kapitel umfasst die wesentlichen Punkte der IntermarkIn diesem Kapitel untersuchen wir die früher normalen Intermarket-Relationen, die in den letzten drei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts existierten. Ein Hoch der Rohstoffpreise 1980 beendete die hyperinflationären 1970er-Jahre, führte zu zwei Jahrzehnten der Desinflation und zu Haussephasen am Anleihen- und am Aktienmarkt. Das Kapitel zeigt auch, wie der Börsencrash von 1987 die Intermarket-Trends verstärkte, ebenso wie der erste Irakkrieg 1991 und der zweite 13 Jahre später. Intermarket-Relationen blieben während der verdeckten oder heimlichen Aktienbaisse 1994 stabil. Die asiatische Währungskrise 1997 bis 1998 ließ zum ersten Mal seit den 1930er-Jahren die Bedrohung der Deflation aufkommen und veränderte einige entscheidende Intermarket-Relationen. Der Zusammenbruch des japanischen Aktienmarkts 1990 und die daraus resultierende Deflation in diesem Land trugen ebenfalls zur steigenden Deflationsgefahr zu Beginn des neuen Jahrhunderts bei.
Das Jahr 1980 ist wichtig in der Geschichte der Intermarket-Relationen. In diesem Jahr platzte die Rohstoffblase und beendete die Hyperinflation der 1970er-Jahre, als harte Assets wie Rohstoffe stiegen und Papierwerte wie Anleihen und Aktien stark verloren. Das Hoch der Rohstoffpreise 1980 (das zeitlich mit einem Tief des US-Dollars zusammenfiel) leitete einen zwei Jahrzehnte dauernden desinflationären Trend ein und löste bedeutende Haussen bei Anleihen und Aktien aus. Die Kombination aus einem steigenden Dollar und sinkenden Rohstoffpreisen 1980 trug zu einem bedeutenden Kursaufschwung der Anleihen 1981 bei. Der Aktienmarkt begann 1982, also ein Jahr später, eine starke Hausse, die bis zum Ende des 20. Jahrhunderts dauerte. Dieser bedeutende Wendepunkt der Börsengeschichte folgte dem traditionellen Intermarket-Drehbuch sehr genau.
Erstens fiel das bedeutende Hoch der Rohstoffe mit einem bedeutenden Tief des US-Dollars zusammen. Das bestätigte eines der beständigsten Intermarket-Prinzipien: Rohstoffpreise und der Dollar tendieren in entgegengesetzte Richtungen. Abbildung 2.1 zeigt, dass das Hoch des CRB-Index der Rohstoffpreise von 1980 (Pfeil nach unten) exakt mit einem bedeutenden Aufwärtsschub des US-Dollar-Index zusammenfiel (Pfeil nach oben). Dieser Schub des Dollars half dabei, die Rohstoffpreis-Inflationsspirale zu beenden, welche die 1970er-Jahre geprägt hatte.
Abbildung 2.1Inverse Korrelation zwischen Rohstoffen und Dollar
Ein zweites Intermarket-Prinzip ist, dass sich Anleihen- und Rohstoffpreise in entgegengesetzte Richtungen entwickeln. Der starke Rückgang der Rohstoffpreise 1980 war ein wichtiger Grund für den massiven Anstieg der Anleihenkurse 1981. Abbildung 2.2 zeigt, dass ein bedeutendes Hoch der Rohstoffpreise 1980 (Pfeil nach unten) zu einem starken Kursanstieg der Staatsanleihen 1981 beitrug (Pfeil nach oben). Ein drittes damals existierendes Intermarket-Prinzip lautete, dass Anleihen- und Aktienkurse meist in dieselbe Richtung tendieren. (Diese Relation änderte sich in den späten 1990er-Jahren). Das Tief der Anleihen 1981 trug zum Aufwärtstrend der Aktien 1982 bei. Abbildung 2.3 zeigt, dass auf den Kursschub bei Staatsanleihen 1981 (erster Pfeil nach oben) ein Jahr später eine deutliche Aufwärtsbewegung am Aktienmarkt folgte (zweiter Pfeil nach oben).
Abbildung 2.2Inverse Korrelation zwischen Anleihenkursen und Rohstoffen
Abbildung 2.3Positive Korrelation zwischen Anleihen- und Aktienkursen
Die Tatsache, dass die Anleihen vor den Aktien nach oben drehten, entsprach auch der normalen Reihenfolge in dem Sinn, dass Trendwenden am Anleihenmarkt denen am Aktienmarkt meist vorausgehen. Zusammenfassend kann man sagen: Die 1980er-Jahre begannen mit einem steigenden Dollar, sinkenden Rohstoffpreisen und steigenden Anleihen- und Aktienkursen (in dieser Reihenfolge). Diese Trends kehrten die Intermarket-Trends der 1970er-Jahre vollständig um.