Teuer ist relativ - Dan Ariely - E-Book

Teuer ist relativ E-Book

Dan Ariely

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Beschreibung

Ein Soundsystem ist teuer, aber wenn wir ein neues Auto kaufen, lassen wir es mit einbauen. Der Preis fällt dann ja nicht mehr so ins Gewicht, oder? Wir kaufen, wir sparen, wir investieren und wir drücken auch mal ein Auge zu und gönnen uns etwas. Leider macht uns das noch lange nicht zu Geldexperten. Im Gegenteil, viele unserer Sparertricks sind tatsächlich ökonomischer Unsinn. Dan Ariely und Jeff Kreisler erklären die verborgenen Denkfehler, die die meisten von uns machen, wenn es um Geld geht. Anhand von Fallbeispielen und Studien zeigen sie, wie kluges Marketing uns zu dummen Einkäufen verleitet und wie stark unser Urteil von der Situation abhängt, in der wir Geld ausgeben. Leser lernen nicht nur besser mit Geld umzugehen, sie begreifen auch die Fallstricke unseres Denkens.

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Das Buch

Ein Soundsystem ist teuer – aber wenn wir ein neues Auto kaufen, lassen wir es mit einbauen. Der Preis fällt dann ja nicht mehr so ins Gewicht, oder? Wir kaufen, wir sparen, wir investieren und wir drücken auch gerne mal ein Auge zu und gönnen uns etwas. Leider macht uns das noch lange nicht zu Geldexperten. Im Gegenteil, viele unserer Spartricks sind tatsächlich ökonomischer Unsinn. Geistreich und voll von sprühendem Witz erklären die Beststellerautoren Dan Ariely und Jeff Kreisler, warum wir mit Geld nicht umgehen können, und zeigen, wie einfach es eigentlich ist, bessere finanzielle Entscheidungen zu treffen.

Die Autoren

DAN ARIELY ist Professor für Psychologie und Verhaltensökonomie an der Duke University, North Carolina. Er schrieb zahlreiche Bücher über die Unvernunft des menschlichen Handelns, so unter anderem den Bestseller Denken hilft zwar, nützt aber nichts sowie Wer denken will, muss fühlen und Die halbe Wahrheit ist die beste Lüge.

JEFF KREISLER ist Komiker, Radiomoderator und Autor. Für seine Bühnenarbeit erhielt er den Bill Hicks Spirit Award für intellektuelle Komik. Als Autor arbeitet er unter anderem für Comedy Central und verfasste den Bestseller Get Rich Cheating.

DAN ARIELY UND JEFF KREISLER

TEUER IST RELATIV

WARUM WIR NICHT MIT GELD UMGEHEN KÖNNEN

Aus dem Amerikanischenvon Stephan Gebauer

Econ

Die Originalausgabe erschien 2017 unter dem Titel

Dollars and Sense. How We Misthink Money and How to Spend Smarter

bei Harper Collins, New York.

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ISBN: 978-3-8437-1862-2

1. Auflage 2018

© 2017 Dan Ariely & Jeff Kreisler

© der deutschsprachigen Ausgabe

Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2018

Umschlaggestaltung: total italic, Thierry Wijnberg

E-Book: LVD GmbH, Berlin

Alle Rechte vorbehalten.

DEM GELD GEWIDMET

Für die wunderbaren Dinge, die du für uns tust, die furchtbaren Dinge, die du mit uns tust, und all die Grauzonen dazwischen.

EINLEITUNG

Im Jahr 1975 leitete Bob Eubanks eine kurzlebige Spielshow im Fernsehen, die den Titel The Diamond Head Game trug. Ein Element der in Hawaii aufgenommenen Show war eine ungewöhnliche Bonusrunde mit Namen »Der Geldvulkan«. Die Teilnehmer wurden in einem Glaskasten eingeschlossen, der sich wenige Sekunden später in einen Windkanal verwandelte, in dem Geldscheine herumflogen. Die Kandidaten mussten versuchen, in einem bestimmten Zeitraum möglichst viele Scheine zu sammeln. Die Leute flippten im »Geldvulkan« vollkommen aus, drehten sich im Kreis und fuchtelten wild nach den Geldscheinen. Es war großes Unterhaltungsfernsehen: Fünfzehn Sekunden lang konnte alle Welt sehen, dass es im Leben nichts Wichtigeres gibt als Geld.

Bis zu einem gewissen Grad leben wir alle in einem Geldvulkan. Wir spielen dieses Spiel weniger intensiv und weniger auffällig, aber wir beteiligen uns seit vielen Jahren in verschiedensten Lebenslagen daran. Die meisten von uns denken viel über Geld nach: darüber, wie viel Geld wir haben, wie viel wir brauchen, wie wir an mehr herankommen können, wie wir das, was wir haben, bewahren können, und wie viel unsere Nachbarn, Freunde und Kollegen verdienen, ausgeben und sparen. Luxusgüter, Rechnungen, Chancen, Freiheit, Stress: Das Geld berührt sämtliche Bereiche des modernen Lebens, vom Familienbudget bis zur nationalen Politik, von Einkaufslisten bis zu Sparkonten.

Und wir müssen uns jeden Tag Gedanken über mehr Dinge machen, da sich die Finanzwelt weiterentwickelt. Unsere Hypotheken, Konsumkredite und Versicherungspolicen werden komplexer, wir leben länger im Ruhestand und werden mit immer neuen Finanztechnologien, komplexeren finanziellen Optionen und größeren finanziellen Herausforderungen konfrontiert.

Es wäre in Ordnung, viel über das Geld nachzudenken, wenn uns das dabei helfen würde, bessere finanzielle Entscheidungen zu fällen. Aber so ist es nicht. Die Wahrheit ist, dass schlechte Geldentscheidungen ein Merkmal des menschlichen Verhaltens sind. Wir verstehen uns sehr gut darauf, unser finanzielles Leben durcheinanderzubringen. Herzlichen Glückwunsch, Menschheit. Wir sind die Besten.

Denken Sie einmal über die folgenden Fragen nach:

•Spielt es eine Rolle, ob wir bar oder mit Kreditkarte bezahlen? Wir geben ja denselben Betrag aus, nicht wahr? Nun, die Forschung hat gezeigt, dass wir beim Zahlen mit Kreditkarte bereit sind, mehr zu bezahlen. Wir kaufen mehr ein und geben größere Trinkgelder, wenn wir mit der Karte zahlen. Außerdem neigen wir dazu, zu unterschätzen oder zu vergessen, wie viel wir ausgegeben haben, wenn wir – Sie haben richtig geraten – mit der Kreditkarte bezahlen.

•Welche Dienstleistung ist das bessere Geschäft für uns: wenn uns ein Schlüsseldienst unsere Haustür in zwei Minuten öffnet und 100 Dollar dafür verlangt, oder wenn er eine Stunde dafür braucht und 100 Dollar verlangt? Die meisten Leute glauben, dass sich der Schlosser, der länger für die Arbeit braucht, mehr bemüht und ein geringeres Stundenhonorar berechnet. Aber was wäre, wenn der Schlosser, der länger braucht, das Schloss zerbricht und austauschen muss, weshalb er 120 Dollar verlangt? Überraschenderweise halten die meisten Leute die Arbeit dieses Schlossers trotzdem für wertvoller als die seines schnelleren Kollegen, obwohl er in Wahrheit lediglich mit seiner Inkompetenz eine Stunde der Zeit seines Kunden verschwendet hat und obendrein teurer ist.

•Sparen wir genug fürs Alter? Wissen wir auch nur annäherungsweise, wie viel wir für den Ruhestand gespart haben werden, wenn wir aus dem Erwerbsleben ausscheiden, wie sich unsere Investments bis dahin entwickeln werden und wie viel Geld wir für die Jahre brauchen werden, die wir erwartungsgemäß im Ruhestand leben werden? Nein. Die Amerikaner fürchten sich so sehr vor der Planung ihres Ruhestands, dass sie weniger als 10 Prozent dessen ansparen, was sie brauchen werden, sie sind nicht sicher, genug zu sparen, und glauben bis zu ihrem achtzigsten Lebensjahr arbeiten zu müssen, obwohl ihre durchschnittliche Lebenserwartung nur bei 78 Jahren liegt. Natürlich ist das auch eine Methode, um die Ausgaben im Ruhestand zu verringern: Man geht nie in den Ruhestand.

•Nutzen wir unsere Zeit richtig? Oder verbringen wir mehr Zeit mit der Suche nach einer Tankstelle, bei der wir ein paar Cent sparen können, als mit der Suche nach einer günstigeren Hypothek?

Abgesehen davon, dass die Art, wie wir über Geld denken, unsere finanziellen Entscheidungen nicht verbessert, verändert uns der einfache Akt des Nachdenkens über Geld manchmal auf besorgniserregende Art.1 Geld ist in den Vereinigten Staaten der häufigste Scheidungsgrund2 und die Hauptursache für Stress.3 Die menschliche Fähigkeit zur Problemlösung sinkt nachweislich, wenn wir uns mit Geldproblemen herumschlagen.4 Mehrere Studien haben gezeigt, dass reiche Personen insbesondere dann, wenn sie daran erinnert werden, dass sie reich sind, oft weniger ethisch handeln als die Durchschnittsperson,5 und in einer Studie stellte sich heraus, dass Personen, denen Bilder von Geldscheinen gezeigt wurden, eher am Arbeitsplatz Bürobedarf stahlen oder logen, um an mehr Geld zu kommen.6 Die Beschäftigung mit Geld bringt tatsächlich unseren Verstand durcheinander.

In Anbetracht der Bedeutung des Geldes – für unser persönliches Leben, für die Volkswirtschaft und für die Gesellschaft – und mit Blick auf die Probleme, auf die wir in dem Bemühen stoßen, rational über Geld nachzudenken, stellt sich die Frage, was wir tun können, um unseren Umgang mit Geld zu verbessern. Die übliche Antwort auf diese Frage lautet »finanzielle Allgemeinbildung«. Leider vergessen wir die Lehren, die wir aus einer solchen Bildung ziehen – Wie sollte man sich beim Autokauf verhalten? Wie findet man die geeignete Hypothek? – sehr schnell wieder, sodass sie praktisch keinen langfristigen Einfluss auf unser Verhalten haben.

Daher werden wir in diesem Buch nicht versuchen, Sie »finanziell zu erziehen« oder ihnen zu sagen, was Sie mit ihrem Geld tun sollen, wann immer Sie die Geldbörse zücken. Stattdessen werden wir einige der häufigsten Fehler im Umgang mit Geld untersuchen und erklären, warum wir diese Fehler begehen. So werden Sie, wenn Sie das nächste Mal vor einer wichtigen finanziellen Entscheidung stehen, besser in der Lage sein, die Kräfte zu verstehen, die sich auf Ihr Verhalten auswirken, und hoffentlich eine bessere Entscheidung fällen. Zumindest werden Sie besser verstehen, warum Sie ein bestimmtes Verhalten zeigen.

Sie werden eine Reihe von Personen kennenlernen und lesen, wie diese Leute zu ihren finanziellen Entscheidungen gelangt sind. Wir werden Ihnen erklären, wie sich diese Personen verhielten, und darlegen, was uns die Wissenschaft über ihre Erfahrungen zu sagen hat. Einige dieser Geschichten sind real, während andere wie Filme »auf einer wahren Geschichte beruhen«. Einige der Personen, denen wir begegnen werden, sind vernünftig. Andere sind Dummköpfe. Ihr Verhalten mag stereotypisch wirken, weil wir einige ihrer Eigenschaften hervorheben oder sogar überzeichnen werden, um bestimmte verbreitete Verhaltensweisen zu verdeutlichen. Wir hoffen, dass unsere Leser das Menschliche, die Fehler und das Versprechen in diesen Geschichten sehen und die Beziehung zu ihrem eigenen Leben herstellen können.

Dieses Buch erklärt, wie wir über Geld denken und welche Fehler wir dabei machen. Und wir zeigen, welche Kluft zwischen unserem Verständnis der Funktionsweise des Geldes, unserem tatsächlichen Umgang damit und einem rationalen Verständnis und Einsatz des Geldes besteht. Wir untersuchen, wo unser Verständnis des Geldes an Grenzen stößt, und erklären die üblichen Fehler, die wir beim Geldausgeben machen.

Werden wir nach der Lektüre dieses Buches imstande sein, klüger mit unserem Geld umzugehen? Garantiert. Vielleicht. Ein bisschen. Wahrscheinlich.

Wir sind davon überzeugt, dass eine Erklärung der komplexen Kräfte hinter den finanziellen Entscheidungen, die unsere Zeit in Anspruch nehmen und unser Leben bestimmen, zumindest unsere finanzielle Lage verbessern kann. Auch glauben wir, dass wir bessere nichtfinanzielle Entscheidungen fällen werden, wenn wir die Auswirkungen des Geldes auf unser Denken verstehen. Warum? Weil es bei unseren Entscheidungen in Geldangelegenheiten um mehr als Geld geht. Dieselben Kräfte, die unsere Realität in der Welt des Geldes prägen, beeinflussen auch, wie wir die wichtigen Dinge in anderen Lebensbereichen bewerten: wie wir unsere Zeit verbringen, unsere Karriere steuern, auf andere Menschen zugehen, Beziehungen knüpfen, uns selbst glücklich machen und die Welt um uns verstehen.

Einfach ausgedrückt: Dieses Buch wird alles besser machen. Ist das nicht den Preis des Buches wert?

TEIL I

WAS IST GELD?

1WETTEN SIE NICHT DARAUF

* Nicht der Sänger, sondern jemand, den wir erfunden haben. Für unsere Zwecke wollen wir annehmen, dass er überhaupt nicht singen kann, nicht einmal Karaoke.

George Jones* muss ein wenig Dampf ablassen. Die Arbeit setzt ihn unter Stress, die Kinder streiten, das Geld ist knapp. Also macht er bei einem von der Firma organisierten Ausflug nach Las Vegas einen Abstecher ins Casino. Er parkt gratis auf dem Parkplatz am Ende einer bemerkenswert gepflegten, mit öffentlichen Geldern finanzierten Straße und wandert mit gesenktem Kopf ziellos in das Universum des Casinos.

Der Lärm reißt ihn aus seiner Benommenheit: Musik aus den Achtzigern, in Registrierkassen klimpernde Münzen und das Klingeln Tausender Glücksspielautomaten. Er fragt sich, wie lange er schon im Casino ist. Es gibt dort keine Uhren, aber beim Anblick der alten Leute, die vor den einarmigen Banditen hocken, könnte man meinen, ein ganzes Leben dort verbracht zu haben. Vermutlich sind es nicht mehr als fünf Minuten gewesen. Der Eingang kann nicht weit entfernt sein. Allerdings kann er den Eingang nicht sehen, und auch keinen Ausgang … oder irgendwelche Türen oder Fenster oder Flure oder andere mögliche Fluchtwege. Nur blitzende Lichter, spärlich bekleidete Kellnerinnen, Dollarzeichen und Leute, die entweder in Ekstase oder niedergeschlagen sind – aber nie etwas dazwischen.

Spielautomaten? Klar, warum nicht? Beim ersten Versuch dreht die Walze um Haaresbreite an einem großen Gewinn vorbei. Also verbringt George eine Viertelstunde damit, Dollarscheine in den Schlitz zu schieben, um seine Verluste wieder hereinzuholen. Er gewinnt kein einziges Spiel, aber einige Male verpasst er einen Volltreffer ganz knapp.

Als er in seiner Geldbörse keine dieser lästigen kleinen Scheine mehr findet, holt sich George 200 Dollar vom Geldautomaten. Die Gebühr von 3,50 Dollar stört ihn nicht, denn mit seiner ersten guten Hand wird er diese Kosten wieder einspielen. Er lässt sich an einem Blackjack-Tisch nieder. Im Tausch gegen zehn nagelneue 20-Dollar-Scheine schiebt ihm der weibliche Croupier einen Stapel leuchtendroter Plastikchips zu, auf denen die Silhouette des Casinos mit Federn, einem Pfeil und einem Tipi abgebildet ist. Sie sind jeweils 5 Dollar wert, aber sie fühlen sich nicht wie Geld, sondern eher wie Spielzeug an. George dreht sie zwischen den Fingern, tippt sie auf dem Filz auf, schaut sich an, wie die Stapel der Spieler wachsen und schrumpfen, und wünscht sich, einen in allen Regenbogenfarben schimmernden Chipvorrat zu haben wie die Croupière. George bittet sie, nett zu ihm zu sein. »Schätzchen, wenn es nach mir geht, können Sie alles gewinnen«, antwortet sie. »Das Geld gehört nicht mir.«

Eine hübsche, freundliche Kellnerin bringt George ein Gratisgetränk. Gratis! Was für ein Geschäft! Er hat schon gewonnen. Er gibt der Kellnerin einen der kleinen Spielzeugchips.

George spielt und hat ein bisschen Spaß. Dann hat er das Gegenteil von Spaß. Er gewinnt ein wenig und verliert mehr. Manchmal, wenn die Chancen anscheinend gut für ihn stehen, verdoppelt er seinen Einsatz oder teilt seine Karten, um vier Chips statt zwei oder sechs statt drei zu riskieren. Am Ende hat er seine 200 Dollar verloren. Irgendwie schafft er es nicht, wie die anderen Spieler am Tisch hohe Chipstapel anzuhäufen, um wenige Minuten später Geldbündel zu zücken und Chips nachzukaufen. Einige seiner Mitspieler sind freundlich, andere werden wütend, wenn ihnen jemand »ihre Karte wegschnappt«, aber keiner von ihnen scheint zu der Sorte Spieler zu gehören, die es sich leisten können, in einer Stunde 500 oder 1000 Dollar zu verlieren. Und trotzdem geschieht genau das immer wieder.

Am Morgen hat George noch wenige Schritte von einem Café entfernt kehrtgemacht, um 4 Dollar zu sparen, indem er sich seinen Kaffee im Hotelzimmer selbst brühte. Und wenige Stunden später wirft er vierzig Chips im Wert von 5 Dollar weg, ohne mit der Wimper zu zucken. Er gibt sogar der Croupière einen, weil sie so nett ist.

WAS GEHT HIER VOR?

Es ist ein bisschen unfair, mit diesem Beispiel zu beginnen, denn die Spielhallen haben die Kunst perfektioniert, uns von unserem Geld zu trennen. Aber Georges Erfahrung gibt uns einen Hinweis auf psychologische Fehler, die wir auch unter weniger heimtückischen Umständen begehen.

Sehen wir uns einige der Phänomene an, die sich in der Glitzerwelt der Casinos auf unser Verhalten auswirken. In den folgenden Kapiteln werden wir uns diesen Faktoren genauer widmen:

MENTALE BUCHFÜHRUNG. George macht sich Sorgen über seine finanzielle Lage, was man daran erkennt, dass er am Morgen lieber das Geld für einen Kaffee spart. Dennoch verspielt er im Casino leichthin 200 Dollar. Sein widersprüchliches Verhalten liegt daran, dass er die Ausgaben im Casino auf einem anderen »mentalen Konto« verbucht als den Kaffee. Indem er sein Geld gegen Plastikspielsteine eintauscht, eröffnet er ein »Unterhaltungskonto«, während seine anderen Ausgaben weiter aus einem Konto für »tägliche Ausgaben« kommen. Dieser Trick hilft ihm, die beiden Ausgabenarten unterschiedlich zu beurteilen, obwohl sie tatsächlich mit demselben Konto bestritten werden müssen: Auf diesem Konto liegt »Georges Geld«.

GRATIS HAT EINEN PREIS. George ist zufrieden, weil er kostenlos parken kann und Gratisgetränke bekommt. In Wahrheit bezahlt er nur nicht direkt für diese »kostenlosen« Dinge, die ihn in eine gute Stimmung bringen und sein Urteilsvermögen trüben. Tatsächlich haben diese »kostenlosen« Angebote einen hohen Preis. Es gibt die Redensart, die besten Dinge im Leben seien gratis. Mag sein. Aber was gratis ist, verursacht oft unerwartete Kosten.

DER SCHMERZ DES BEZAHLENS. George hat nicht das Gefühl, Geld auszugeben, wenn er die bunten Casinochips nutzt, um spielen zu können oder Trinkgelder zu geben. Er hat vielmehr das Gefühl, ein Spiel zu spielen. Da er den Verlust mit jedem verlorenen Chip nicht spürt und sich der Tatsache, dass er Geld ausgibt, nicht vollkommen bewusst ist, sind ihm die Auswirkungen seiner Entscheidungen nicht klar. Plastikchips auszugeben, fühlt sich, anders als die Übergabe von Geldscheinen, nicht wie wirkliches Bezahlen an. Also wirft George mit den Chips um sich.

RELATIVITÄT. Das Trinkgeld von 5 Dollar, das George der Kellnerin für ein Gratisgetränk gibt, und die Abhebegebühr von 3,50 Dollar wirken verglichen mit den auf dem Blackjack-Tisch gestapelten Chips oder den 200 Dollar, die sich George aus dem Geldautomaten geholt hat, wie unerhebliche Ausgaben. Es sind relativ kleine Geldbeträge, und weil er sie in Relation zu den großen Beträgen betrachtet, fällt es ihm leichter, weiter Geld auszugeben. Hingegen wirkten die 4 Dollar, die er am Morgen in einem Lokal für einen Kaffee hätte bezahlen müssen, verglichen mit dem kostenlosen Kaffee aus der Maschine in seinem Hotelzimmer, wie eine zu hohe Ausgabe.

ERWARTUNGEN. Umgeben vom Anblick und den Klängen des Geldes – Registrierkassen, glitzernde Lampen, Dollarzeichen – fühlt sich George zwangsläufig wie James Bond, wie ein geschmeidiger Held, der über ungünstige Wahrscheinlichkeiten im Casino und Bösewichte gleichermaßen triumphieren wird.

SELBSTBEHERRSCHUNG. Das Glücksspiel ist bei vielen Menschen ein ernstes Problem, ja sogar eine Sucht. Aber für unsere Zwecke genügt es festzustellen, dass es George, der unter Stress steht und von der Umgebung mit den freundlichen Angestellten und den »leichten« Chancen beeinflusst wird, schwerfällt, der Versuchung des Glücksspiels zu widerstehen und sich auf die Aussicht zu konzentrieren, in einem weit entfernten Ruhestand 200 Dollar mehr zur Verfügung zu haben.

Es mag den Anschein haben, als könnten uns all diese kognitiven Fehler nur bei einem Casinobesuch unterlaufen, aber die Wahrheit ist: Die Welt hat sehr viel größere Ähnlichkeit mit einem Casino, als wir zugeben möchten. Im Jahr 2016 machten die Vereinigten Staaten sogar einen Casinobesitzer zu ihrem Präsidenten. Obwohl wir nicht alle Dampf ablassen, indem wir in die Spielhalle laufen, sind wir alle bei unseren Entscheidungen mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert, wenn es um die mentale Buchführung, den Preis des Kostenlosen, den Schmerz des Bezahlens, um Relativität, Selbstbeherrschung und andere Probleme geht. Die Fehler, die George im Casino macht, unterlaufen uns allen in vielen Bereichen unseres Alltagslebens. Der Grund für diese Fehler ist, dass wir die Natur des Geldes falsch verstehen.

Die meisten Leute glauben, sich mit Geld gut auszukennen, aber die überraschende Wahrheit ist, dass wir nicht wirklich wissen, was es ist und was es für uns tut. Und was noch überraschender ist: Wir wissen nicht, was es mit uns macht.

2MÖGLICHKEITEN WINKEN

Was genau ist also Geld? Was tut es für uns und was macht es mit uns?

Diese Fragen stellte sich George im Casino mit Sicherheit nicht, und den meisten von uns gehen sie, wenn überhaupt, nur selten durch den Kopf. Aber es sind wichtige Fragen, und sie sind ein guter Ausgangspunkt.

Geld stellt einen WERT dar. Für sich genommen ist Geld wertlos. Es repräsentiert lediglich den Wert von Dingen, gegen die wir es eintauschen können. Geld ist ein Bote, der Wert übermittelt.

Das ist wunderbar: Geld macht es uns leicht, den Wert von Gütern und Dienstleistungen zu bestimmen, und das wiederum macht es uns leicht, sie auszutauschen. Anders als unsere Vorfahren müssen wir nicht viel Zeit dafür aufwenden, zu feilschen oder zu plündern, um grundlegende Güter in unseren Besitz zu bringen. Das ist gut, denn nur wenige von uns können mit einer Armbrust oder einem Katapult umgehen.

Geld weist einige spezielle Merkmale auf, die es besonders nützlich machen:

•Es ist allgemeingültig: Wir können es gegen fast alles eintauschen.

•Es ist teilbar: Es kann auf fast jedes Ding von beliebiger Größe angewandt werden.

•Es ist austauschbar: Wir sind nicht auf eine bestimmte Währungseinheit angewiesen, denn sie kann durch jede andere Einheit ersetzt werden, die denselben Betrag repräsentiert. Ein Zehndollarschein ist so gut wie jeder andere Zehndollarschein, egal wo und wie wir in seinen Besitz gelangt sind.

•Es kann gespeichert werden: Es kann zu jedem Zeitpunkt verwendet werden, jetzt oder in der Zukunft. Anders als Autos, Möbel, Lebensmittel oder T-Shirts altert Geld nicht. Es verrottet und verdirbt nicht.

Mit anderen Worten: Jeder Geldbetrag kann jederzeit verwendet werden, um (fast) beliebige Dinge zu erwerben. Dank dieser grundlegenden Tatsache können wir Menschen, wir Angehörigen der Spezies Homo irrationalis, darauf verzichten, direkt miteinander zu feilschen und stattdessen ein Symbol – Geld – zu verwenden, um Güter und Dienstleistungen sehr viel effizienter auszutauschen. Das wiederum verleiht dem Geld seine letzte und wichtigste Eigenschaft: Es ist ein ALLGEMEINES GUT, was bedeutet, dass jedermann es für den Erwerb von (fast) allem verwenden kann.

Wenn wir uns diese Merkmale des Geldes ansehen, wird uns klar, dass es das moderne Leben ohne Geld nicht geben würde. Geld gibt uns die Möglichkeit, zu sparen, Neues auszuprobieren, zu teilen und uns zu spezialisieren – es erlaubt uns, Lehrer und Künstler, Rechtsanwalt und Landwirt zu werden. Das Geld gibt uns die Freiheit, unsere Zeit und Mühe auf alle möglichen Aktivitäten zu verwenden, uns unseren Begabungen und Neigungen zu widmen, Neues zu lernen und Kunst, Wein und Musik zu genießen – lauter Dinge, die es ohne Geld nicht in größerem Umfang gäbe.

Das Geld hat das menschliche Leben so sehr verändert wie alle anderen bedeutenden Fortschritte – im selben Maß wie die Druckerpresse, das Rad, die Elektrizität und sogar das Reality-TV.

Doch so wichtig und nützlich das Geld ist, sind einige seiner Vorzüge zugleich auch ein Fluch. Sie bringen viele der Probleme hervor, die mit der Verwendung des Geldes einhergehen. Wie der große Philosoph Notorious B. I. G. sagte: »Mo’ Money Mo’ Problems.«

Um uns ein Bild von Segen und Fluch des Geldes zu machen – jede Münze hat tatsächlich zwei Seiten – sollten wir uns die grundlegende Natur des Geldes ansehen. Es steht außer Frage, dass die Möglichkeit, Geld gegen eine fast unbeschränkte Vielfalt von Dingen einzutauschen, eine grundlegende und großartige Eigenschaft ist. Aber sie bedeutet auch, dass die Entscheidungen über die Verwendung unseres Geldes ungeheuer komplex sind.

Obwohl der Volksmund etwas anderes sagt, ist es tatsächlich ganz einfach, Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Wenn wir vor einem Obstteller stehen, auf dem ein Apfel und eine Birne liegen, wissen wir zu jedem beliebigen Zeitpunkt genau, welche der beiden Früchte wir wollen. Aber wenn das Geld ins Spiel kommt und wir entscheiden müssen, ob wir für einen Apfel einen Dollar oder 50 Cent bezahlen wollen, dann stehen wir vor einer schwierigeren Entscheidung. Kostet der Apfel einen Dollar, die Birne hingegen nur 75 Cent, so wird die Entscheidung noch komplexer. Wann immer es bei einer Entscheidung ums Geld geht, wird sie schwieriger!

ENTGANGENE MÖGLICHKEITEN

Warum werden diese Entscheidungen über Geld komplizierter? Es liegt an den OPPORTUNITÄTSKOSTEN.

Wenn wir die besonderen Merkmale des Geldes berücksichtigen – die Tatsache, dass es allgemeingültig, teilbar, speicherbar, austauschbar und vor allem ein allgemeines Gut ist –, wird klar, dass wir Geld fast beliebig verwenden können. Aber dass wir es für den Kauf fast beliebiger Güter verwenden können, bedeutet nicht, dass wir alles damit kaufen können. Wir müssen eine Wahl treffen. Wir müssen Opfer bringen und entscheiden, welche Dinge wir nicht kaufen. Das bedeutet, dass wir es, wann immer wir Geld verwenden, bewusst oder unbewusst, mit Opportunitätskosten zu tun haben.

Opportunitätskosten sind Alternativen. Alternativen, auf die wir jetzt oder später verzichten, um etwas Bestimmtes zu tun. Es sind die Möglichkeiten, die wir opfern, wenn wir uns für etwas entscheiden.

Wir sollten die Opportunitätskosten so verstehen: Wenn wir Geld für eine Sache ausgeben, können wir es nicht für etwas anderes ausgeben, und zwar weder jetzt noch zu einem späteren Zeitpunkt.

Werfen wir erneut einen Blick auf den Obstteller, nur dass wir uns jetzt eine Welt vorstellen wollen, in der es nur zwei Produkte gibt: einen Apfel und eine Birne. Die Opportunitätskosten des Kaufs des Apfels bestehen darin, dass wir auf die Möglichkeit verzichten, die Birne zu kaufen, und die Opportunitätskosten der Entscheidung für die Birne bestehen darin, dass uns die Möglichkeit entgeht, den Apfel zu kaufen.

Hätte unser Freund George also jene 4 Dollar für einen morgendlichen Kaffee in einem Lokal ausgegeben, so hätte er keine Möglichkeit mehr gehabt, dieses Geld für eine Busfahrkarte, einen Nachtisch beim Mittagessen oder etwas Süßes bei einem Treffen der Anonymen Spieler auszugeben, an denen er in ein paar Jahren teilnehmen wird. Er hätte nicht auf 4 Dollar verzichtet, sondern auf andere Möglichkeiten, die ihm diese 4 Dollar zum jetzigen Zeitpunkt oder irgendwann in der Zukunft eröffnet hätten.

Um besser zu verstehen, warum die Opportunitätskosten so wichtig sind und warum es uns nicht gelingt, sie angemessen zu berücksichtigen, können wir uns vorstellen, dass uns jemand jeden Montag 500 Dollar gibt und dass wir im Lauf der Woche nur dieses Geld zur Verfügung haben. Am Wochenanfang denken wir möglicherweise nicht über die Konsequenzen unserer Entscheidungen nach. Es ist uns nicht klar, worauf wir verzichten, wenn wir im Restaurant essen oder etwas trinken gehen oder das schöne Hemd kaufen, auf das wir schon seit einer Weile ein Auge geworfen haben. Aber wenn das Geld langsam schwindet und das Wochenende näherrückt, wird uns bewusst, dass wir uns einige Dinge nicht mehr leisten können. Am Freitag haben wir nur noch 43 Dollar übrig und begreifen, dass es Opportunitätskosten gibt und dass sich unsere Ausgaben am Wochenanfang auf den Betrag ausgewirkt haben, der uns noch zur Verfügung steht. Da wir uns am Montag entschieden haben, ein schickes Hemd zu kaufen, ins Restaurant und anschließend in eine Bar zu gehen, stehen wir am Sonntag vor einer schwierigen Wahl: Wir können uns noch die Zeitung oder einen Bagel mit Frischkäse leisten, aber beides ist nicht mehr möglich. Am Montag hätten wir über die Opportunitätskosten nachdenken können, aber sie waren uns noch nicht bewusst. Jetzt sind die Opportunitätskosten endlich klar, aber es ist zu spät, um noch etwas zu ändern (wenigstens macht es sich gut, den Sportteil mit leerem Magen zu lesen).

Die Opportunitätskosten sind also das, worüber wir nachdenken sollten, wenn wir finanzielle Entscheidungen fällen. Wir sollten überlegen, auf welche Alternativen wir in dem Augenblick verzichten, da wir uns entscheiden, unser Geld für bestimmte Dinge auszugeben. Aber wir denken nicht genug über die Opportunitätskosten nach – wenn wir uns überhaupt damit beschäftigen. Das ist unser größter Fehler im Umgang mit Geld und der Grund für viele weitere Fehler. Es ist das unsolide Fundament, auf dem wir das Haus unserer Finanzen errichten.

EIN UMFASSENDERES BILD

Opportunitätskosten sind nicht auf die persönlichen Finanzen beschränkt. Sie haben globale Auswirkungen, wie Präsident Dwight D. Eisenhower im Jahr 1953 in einer Rede über das Wettrüsten feststellte:

Jedes Geschütz, das gegossen wird, jedes Schlachtschiff, das vom Stapel läuft, jede Rakete, die abgefeuert wird, ist letzten Endes ein Diebstahl an denen, die hungern und nicht ernährt werden, an denen, die frieren und keine Kleidung erhalten. Diese hochgerüstete Welt gibt nicht nur Geld aus. Sie gibt den Schweiß ihrer Arbeiter, das Genie ihrer Wissenschaftler, die Hoffnungen ihrer Kinder aus. Ein modernes Kampfflugzeug kostet so viel wie moderne Schulen für mehr als dreißig Städte. So viel wie zwei Stromkraftwerke, die jeweils eine Stadt mit 60 000 Einwohnern versorgen können. So viel wie zwei modern ausgestattete Krankenhäuser. So viel wie fünfzig Meilen Betonpflaster. Für ein einziges Kampfflugzeug zahlen wir mit einer halben Million Scheffel Weizen. Für einen einzigen Zerstörer bezahlen wir mit Häusern, in denen wir mehr als 8000 Menschen hätten unterbringen können.

Zum Glück bewegen sich unsere persönlichen Opportunitätskosten meistens eher in der Größenordnung von Äpfeln als in der von Kriegen.

Vor einigen Jahren fragten Dan und ein Forschungsassistent von ihm bei einem Toyota-Autohaus potenzielle Käufer, worauf sie verzichten würden, sollten sie ein neues Auto kaufen. Die meisten Leute konnten die Frage nicht beantworten. Keiner der Kunden hatte sich die Mühe gemacht, darüber nachzudenken, dass man sich für die Tausenden Dollar, die man für ein Auto ausgeben würde, auch andere Dinge kaufen könnte. Dan versuchte, ein wenig tiefer zu bohren, und fragte die Kunden, welche spezifischen Produkte und Dienstleistungen sie nicht erwerben könnten, wenn sie sich einen neuen Toyota kauften. Die meisten Leute antworteten, wenn sie einen Toyota kauften, könnten sie keinen Honda kaufen, oder wählten eine andere einfache Ersatzmöglichkeit. Nur wenige Kunden sagten, sie würden nicht in der Lage sein, in diesem Jahr nach Spanien und im Jahr darauf nach Hawaii zu reisen, oder sie würden es sich in den nächsten Jahren nicht leisten können, zweimal im Monat in ein nettes Restaurant zu gehen, oder sie würden fünf Jahre länger brauchen, um ihren Studienkredit abzuzahlen. Die Leute waren anscheinend nicht imstande oder nicht bereit, sich das Geld, das sie auszugeben gedachten, als potenzielle Fähigkeit vorzustellen, in der Zukunft eine Reihe von Erfahrungen und Gütern zu bezahlen. Das liegt daran, dass Geld so abstrakt und allgemein ist, dass es uns schwerfällt, uns Opportunitätskosten vorzustellen oder sie zu berücksichtigen. Wenn wir Geld ausgeben, kommt uns im Grunde nichts Bestimmtes außer der einen Sache in den Sinn, über deren Kauf wir nachdenken.

Die Unfähigkeit, uns Opportunitätskosten vorzustellen, sowie unsere Abneigung gegen eine Beschäftigung mit diesen Kosten sind nicht auf den Autokauf beschränkt. Wir sind fast nie in der Lage, die Alternativen richtig einzuschätzen. Und wenn wir die Opportunitätskosten nicht sehen, ist leider die Wahrscheinlichkeit groß, dass unsere Entscheidungen unseren Interessen schaden.

Nehmen wir den Kauf einer Stereoanlage, den Shane Frederick, Nathan Novemsky, Jing Wang, Ravi Dhar und Stephen Nowlis in einem Artikel mit dem passenden Titel »Opportunity Cost Neglect« (Vernachlässigung der Opportunitätskosten) als Beispiel heranziehen. Die Autoren führten ein Experiment durch, bei dem sie die Teilnehmer baten, sich zwischen einer Anlage von Pioneer zum Preis von 1000 Dollar und einem Produkt von Sony zum Preis von 700 Dollar zu entscheiden. Eine zweite Versuchsgruppe wurde aufgefordert, zwischen der 1000 Dollar teuren Pioneer-Anlage und einem ebenfalls 1000 Dollar teuren Paketangebot zu wählen, bei dem sie zusätzlich zur Sony-Anlage einen Gutschein in Höhe von 300 Dollar erhalten würden, der ausschließlich zum Erwerb von CDs verwendet werden konnte.

In Wahrheit wählten beide Gruppen zwischen verschiedenen Arten, 1000 Dollar auszugeben. Die erste Gruppe konnte entscheiden, ob sie das ganze Geld für eine Pioneer-Anlage oder 700 Dollar für eine Sony-Anlage und 300 Dollar für andere Dinge ausgeben wollte. Die zweite Gruppe konnte entscheiden, ob sie das ganze Geld für die Pioneer-Anlage oder 700 Dollar für eine Sony-Anlage und 300 Dollar für Musik-CDs ausgeben wollte. Die Ergebnisse zeigten, dass die mit einem 300-Dollar-Gutschein für CDs verbundene Sony-Anlage sehr viel beliebter war als dieselbe Anlage ohne die CDs. Das ist sonderbar, denn genau genommen sind 300 Dollar, über die man frei verfügen kann, mehr wert als 300 Dollar, die für CDs ausgegeben werden müssen. Denn mit dem frei verfügbaren Geld kann man alles kaufen, was man will – einschließlich CDs. Aber die Versuchsteilnehmer fanden die 300 Dollar verlockender, wenn sie für CDs ausgegeben werden mussten. Das liegt daran, dass CDs im Wert von 300 Dollar sehr viel konkreter und klarer definiert sind als 300 Dollar für »beliebige Dinge«. Bei den 300 Dollar für CDs wissen wir, was wir bekommen. Sie sind greifbar und leicht zu bewerten. Sind die 300 Dollar hingegen abstrakt und allgemein, so gelingt es uns nicht, uns eine bestimmte Vorstellung davon zu machen, wie wir dieses Geld ausgeben werden, weshalb die auf uns wirkenden emotionalen Motivationskräfte schwächer sind. Das ist nur ein Beispiel dafür, dass wir den Wert des Geldes, wenn wir eine allgemeine Vorstellung davon haben, zu niedrig einschätzen im Vergleich zu einer Situation, in der wir eine spezifische Vorstellung von den Verwendungsmöglichkeiten des Geldes haben.7

Heutzutage über den Wert von CDs nachzudenken, ist natürlich so, als ob man sich Gedanken über die Treibstoffeffizienz eines Stegosaurus machte, aber das Ergebnis des Experiments ist weiterhin gültig: Es überrascht die Menschen, wenn man sie darauf hinweist, dass es alternative Möglichkeiten gäbe, ihr Geld auszugeben, sei es für eine Urlaubsreise oder einen Stapel CDs. Diese Überraschung ist ein Indiz dafür, dass die Menschen von Natur aus nicht dazu neigen, die Alternativen zu erwägen. Aber ohne Auseinandersetzung mit den Alternativen können wir die Opportunitätskosten unmöglich richtig einschätzen.

Die Neigung zur Vernachlässigung der Opportunitätskosten ist ein Ausdruck eines grundlegenden Denkfehlers. Wie sich herausstellt, ist jene wunderbare Eigenschaft des Geldes – die Möglichkeit, es gegenwärtig und in der Zukunft gegen so viele verschiedene Dinge einzutauschen – auch der Hauptgrund für unseren problematischen Umgang mit Geld. Wenn wir Ausgaben erwägen, sollten wir die Opportunitätskosten sorgfältig durchdenken – wir sollten uns bewusst machen, dass wir, indem wir Geld für eine Sache ausgeben, auf die Möglichkeit verzichten, dieses Geld für etwas anderes auszugeben. Aber diese Denkweise ist zu abstrakt. So zu denken ist zu schwierig. Also lassen wir es bleiben.

Erschwerend kommt hinzu, dass uns das moderne Leben eine Vielzahl finanzieller Instrumente in die Hand gibt, darunter Kreditkarten, Hypotheken, Ratenzahlungen beim Autokauf und Studienkredite, und diese Instrumente trüben – oft gezielt – unsere Fähigkeit, die zukünftigen Auswirkungen unserer Ausgaben richtig einzuschätzen.

Da wir über finanzielle Entscheidungen nicht richtig nachdenken können oder wollen, neigen wir dazu, alle möglichen mentalen Abkürzungen zu nehmen. Viele dieser Strategien helfen uns dabei, mit der Komplexität des Geldes fertigzuwerden, aber sie helfen uns nicht unbedingt dabei, diese Komplexität vernünftig oder auf die für uns vorteilhafteste Art zu bewältigen. Und oft verleiten sie uns dazu, den Wert von Dingen falsch zu beurteilen.

3EIN WERTVERSPRECHEN

Während einer Flugreise bat Jeffs kleiner Sohn seinen Vater, ihm eine Geschichte zu erzählen. Die Kinderbücher steckten im Gepäck, das Jeff am Schalter aufgegeben hatte – obwohl ihn seine Frau extra daran erinnert hatte, sie im Handgepäck mitzunehmen. Also improvisierte Jeff die folgende Variante von Theodor Seuss’ There’s a Wocket in My Pocket!:

Wie viel würdest du für ein Grippel bezahlen? Für ein Gnappel? Ein Flappel? Ein Schwippel?

Und was ist mit einem Zolock? Einem Nolock? Oder einem aus Albanien importierten dreifingrigen Blorock?

Man könnte meinen, Jeff hätte lediglich die in der Nähe sitzenden Passagiere (und natürlich seinen Sohn) gefoltert, aber wie groß ist der Unterschied zwischen solchen Fragen und jenen, mit denen wir im wirklichen Leben konfrontiert werden?

Wie wissen wir, welcher Preis für eine »Coca-Cola«, einen Monat »Netflix« oder ein »iPhone« angemessen ist? Was sind das für Worte? Was sind das für Dinge? Wie beurteilen wir den Wert von Dingen, die einem Besucher von einem anderen Planeten so unsinnig erscheinen würden wie eine Zampe hinter einer Lampe oder ein Schnug in einem Krug? Wenn wir keine Ahnung hätten, was etwas ist, was sein Preis ist oder was andere Leute tatsächlich dafür bezahlt haben – wie könnten wir dann wissen, wie viel wir für diese Sache bezahlen sollten?

Und was ist mit Kunstwerken? Welchen Unterschied gibt es zwischen einem Tropfenbild von Jackson Pollock und einem aus Albanien importierten dreifingrigen Blorock? Es ist ebenso einzigartig und ungewöhnlich … und hat vermutlich den gleichen praktischen Nutzen. Und doch haben Kunstwerke einen Preis. Im Jahr 2015 bezahlte ein Kunstsammler 179 Millionen Dollar für ein Werk, das die Zeitschrift New Yorker als »nicht unbedingt besonderen Picasso aus seiner ganz ordentlichen späten Schaffensperiode« bezeichnete.8 Jemand anderer verwendete Instagram-Fotos von Leuten – die sich jedermann kostenlos im Internet anschauen konnte – modifizierte sie und verkaufte sie für 90 000 Dollar.9 Ein Foto von einer Kartoffel verkaufte sich sogar für eine Million Euro. Wer legt diese Preise fest? Wie werden diese Werte bestimmt? Würde jemand ein Foto von einem Haufen Kartoffeln kaufen wollen, das ich mit meinem Smartphone aufgenommen habe?

Wir alle haben schon viel über den »Wert« gehört. Der Wert eines Produkts oder einer Dienstleistung gibt Aufschluss darüber, wie viel wir dafür bezahlen würden. Im Grunde sollte der Wert den Opportunitätskosten entsprechen. Er sollte richtig widerspiegeln, was wir aufzugeben bereit sind, um eine Sache oder eine Erfahrung zu erwerben. Und wir sollten unser Geld abhängig vom tatsächlichen Wert verschiedener Optionen ausgeben.

In einer idealen Welt würden wir den Wert aller Dinge, die wir kaufen, richtig beurteilen. »Welchen Wert hat das für mich? Was bin ich bereit dafür aufzugeben? Wie hoch sind die Opportunitätskosten? Das ist der Betrag, den ich dafür bezahlen werde.« Aber wie uns die Fitnessmagazine in Erinnerung rufen, leben wir nicht in einer idealen Welt: Wir haben keinen Waschbrettbauch, und wir beurteilen den Wert von Dingen nicht richtig.

Es folgen einige historische Beispiele dafür, wie Menschen den Wert von Dingen falsch beurteilen:

•Die amerikanischen Ureinwohner verkauften Manhattan für ein paar Perlen und Goldgulden. Wie hätten sie auch den Wert von etwas – von Grundbesitz – beurteilen sollen, von dem sie nie gehört hatten und das keinen Sinn für sie ergab?

•In manchen Städten können Wohnungsmieten auf über 4000 Dollar im Monat steigen, was wir gleichmütig hinnehmen. Ein Anstieg des Benzinpreises um 15 Cent kann zur Abwahl einer Regierung führen.

•Wir bezahlen 4 Dollar für einen Kaffee in einem »Coffee Shop«, obwohl wir dasselbe einfache Getränk im Mini-Markt um die Ecke für einen Dollar bekommen.

•Der Börsenwert von Start-up-Firmen im Technologiesektor, die keinerlei Einnahmen erzielen, steigt regelmäßig auf Hunderte Millionen, wenn nicht sogar Milliarden Dollar, und wir reagieren überrascht, wenn diese Unternehmen die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllen.

•Manche Leute geben 10 000 Dollar für eine Urlaubsreise aus, fahren jedoch jeden Tag zwanzig Minuten um den Block, um einen kostenlosen Parkplatz zu finden.

•Wir vergleichen die Preise von Smartphones. Wir glauben, eine Ahnung zu haben, was wir da tun, und am Ende haben wir das Gefühl, eine kluge Wahl getroffen zu haben.

•König Richard III. war bereit, sein Königreich – sein ganzes Königreich – für ein Pferd zu verkaufen. Ein Königreich für ein Pferd!

Wir beurteilen den Wert von Dingen seit jeher auf eine Art und Weise, die nicht zwangsläufig etwas mit ihrem Wert zu tun hat.

Wären wir vollkommen rationale Geschöpfe, so ginge es in einem Buch über Geld um den Wert, den wir Produkten und Dienstleistungen beimessen, weil Preise rational den Opportunitätskosten entsprechen, die dem Wert entsprechen. Aber wir sind nicht rational, wie wir in Dans anderen Büchern gesehen haben (Stattdessen bedienen wir uns verschiedenster komischer mentaler Tricks, um herauszufinden, welchen Wert wir Dingen beimessen – das heißt, wie viel wir dafür zu zahlen bereit sind. Daher geht es in diesem Buch um unseren sonderbaren, unberechenbaren und vollkommen irrationalen Umgang mit Ausgabenentscheidungen und um die Kräfte, die uns dazu verleiten, manchen Dingen einen zu hohen und anderen einen zu geringen Wert beizumessen.

Wir betrachten diese Kräfte, diese Tricks und Abkürzungen als »Werthinweise«. Dabei handelt es sich um Hinweise, die unserer Meinung nach mit dem realen Wert eines Produkts oder einer Dienstleistung zusammenhängen, obwohl oft kein solcher Zusammenhang besteht. Natürlich gibt es durchaus gute Werthinweise. Aber viele andere sind irrelevant und irreführend, und manche dienen der gezielten Manipulation. Trotzdem lassen wir zu, dass diese Hinweise unsere Wahrnehmung des Werts beeinflussen.

Was ist der Grund dafür? Es liegt nicht daran, dass es uns gefiele, Fehler zu begehen oder uns selbst zu schaden (obwohl es Orte gibt, an denen man auch dafür bezahlen kann). Wir folgen diesen Hinweisen, weil es so schwierig ist, die Opportunitätskosten einzuschätzen und den realen Wert von Dingen zu beurteilen. Und es wird noch schwieriger herauszufinden, wie viel etwas wert ist, wenn die Finanzwelt versucht, uns zu verwirren und abzulenken.

Diese Dynamik ist von entscheidender Bedeutung: Wir ringen unentwegt mit der Komplexität des Geldes und mit unserer Unfähigkeit, die Opportunitätskosten zu berücksichtigen. Noch schlimmer ist, dass wir unablässig mit externen Kräften ringen müssen, die versuchen, uns dazu zu bewegen, häufiger mehr Geld auszugeben. Zahlreiche Akteure sind daran interessiert, dass wir den Wert der Dinge falsch beurteilen, da sie profitieren, wenn wir unser Geld irrational ausgeben. Angesichts all der Herausforderungen, mit denen wir konfrontiert sind, ist es ein Wunder, dass wir nicht alle in eine Milliarde Dollar teuren Luxuswohnungen herumlaufen und Knasche aus einer tausend Dollar teuren Flasche trinken.

TEIL II

WARUM UNSERE BEURTEILUNG DES WERTS WENIG MIT DEM WERT ZU TUN HAT

4WIR VERGESSEN, DASS ALLES RELATIV IST

Susan Thompkins ist für ihre Familie nur die Tante Susi, und jedermann hat so etwas wie eine Tante Susi. Tante Susi ist eine fröhliche und liebevolle Frau, die jedes Mal, wenn sie für sich selbst und ihre Kinder einkaufen geht, auch Geschenke für ihre Nichten und Neffen mitbringt. Tante Susi kauft sehr gerne bei JCPenney ein. Sie ging schon als Kind mit ihren Eltern und Großeltern dort einkaufen und half ihnen, Schnäppchen aufzuspüren. Man fand dort immer so viele tolle Angebote. Es war ein vergnügliches Spiel: Man lief herum, hielt nach der größten Zahl vor dem Prozentzeichen Ausschau und war stolz, wenn man das Geheimversteck gefunden hatte.

In den letzten Jahren nahm Tante Susi die Kinder ihres Bruders mit und zeigte ihnen hässliche Sweater und farblich nicht zusammenpassende Kleidungsstücke, die sie sich »einfach nicht entgehen lassen durften, weil es so tolle Schnäppchen waren«. Den Kindern gefiel es nicht, aber sie hatte großen Spaß. Die Sonderangebote von JCPenney faszinierten Tante Susi.

Doch eines Tages beschloss Ron Johnson, der neue Geschäftsführer von JCPenney, auf die Schnäppchen zu verzichten. Stattdessen führte er »offene und ehrliche« Preise ein. Kein Ausverkauf mehr, keine Schnäppchen, keine Coupons, keine Rabatte mehr.

Tante Susi war traurig. Dann wurde sie wütend. Sie hörte auf, bei JCPenney einzukaufen. Gemeinsam mit ihren Freundinnen gründete sie sogar eine Gruppe im Internet, deren Motto »Ich hasse Ron Johnson« lautete. Susi und ihre Freundinnen waren nicht die einzigen verärgerten Konsumenten. Viele Kunden wendeten sich von JCPenney ab. Es waren schlechte Zeiten für das Unternehmen. Es waren schlechte Zeiten für Susi. Es waren schlechte Zeiten für Ron Johnson. Und es waren schlechte Zeiten für die hässlichen Sweater: Sie konnten sich nicht selbst kaufen. Die einzigen, die glücklich waren, sind Susis Neffen.

Ein Jahr später erfuhr Tante Susi, dass JCPenney wieder zu den Discountpreisen zurückkehrte. Zurückhaltend und wachsam ging sie nachschauen. Sie durchwühlte einen Stapel Hosenanzüge, prüfte ein paar Schals und nahm Briefbeschwerer in einem Schaukasten unter die Lupe. Sie sah sich die Preise an. »Minus 20 %«, »Heruntergesetzt«, »Sale«. Am ersten Tag kaufte sie nur ein paar Artikel, aber bald war sie wieder ganz die Alte. Sie war wieder glücklich. Und das bedeutet mehr Einkaufsausflüge, hässliche Sweater und gequälte Dankesbekundungen ihrer Verwandten. Hurra.

EINEN JCPENNEY FÜR DEINE GEDANKEN

Im Jahr 2012 verabschiedete sich Ron Johnson, der neue Geschäftsführer von JCPenney, von der traditionellen, ein wenig betrügerischen Praxis, die Preise von Produkten höher anzusetzen, um sie dann verbilligen zu können. In den Jahrzehnten vor Johnsons Ankunft bot JCPenney Kunden wie Tante Susi immer Coupons, Sonderangebote und Discounts im Laden an. Damit wurden die »regulären Preise«, die künstlich aufgeblasen worden waren, herabgesetzt, um den Kunden »Sonderangebote« zu suggerieren. In Wahrheit entsprachen die Preise von JCPenney nach den Preisnachlässen den Preisen der Konkurrenz. Um zum endgültigen Einzelhandelspreis eines Produkts zu gelangen, führten der Händler und seine Kundschaft gemeinsam dieses Kabukitheater der kreativen Senkung von künstlich aufgeblasenen Preisen mit unterschiedlichen Schildern, Prozenten, Abverkäufen und Sonderangeboten auf. Und sie wiederholten das Stück ein ums andere Mal.

Dann kam Ron Johnson mit der »offenen und ehrlichen« Preisgestaltung. Keine Coupons mehr, keine Schnäppchenjagd mehr, keine vorgetäuschten Abverkäufe. Nur noch die realen Preise, die in etwa denen der Konkurrenz und den früheren »Endpreisen« von JCPenney (nach Anhebung und anschließender Senkung) entsprachen. Johnson war der Meinung, die neue Methode sei klarer, weniger manipulativ und respektvoller gegenüber den Kunden (was vollkommen richtig war).

Das Problem war, dass treue Kunden wie Tante Susi diese Ehrlichkeit hassten. Sie wollten nichts von »offen und ehrlich« wissen. Sie kehrten der Kette den Rücken, weil sie sich durch die realen und ehrlichen Preise in die Irre geführt und betrogen fühlten. Sie mochten die ehrliche und offene Preisgestaltung nicht. Innerhalb eines Jahres stürzte der Umsatz von JCPenney um verblüffende 985 Millionen Dollar ab. Johnson wurde auf die Straße gesetzt.

Kurz nach seiner Entlassung stiegen die Listenpreise der meisten Artikel in den Regalen von JCPenney um 60 Prozent oder mehr. Ein Beistelltisch, der 150 Dollar gekostet hatte, verteuerte sich auf einen »regulären Preis« von 245 Dollar.10 Und zu den höheren »regulären Preisen« kam eine größere Zahl von Discountoptionen: Statt eines einzelnen Dollarbetrags bot JCPenney »Ausverkaufs-«, »Original-« und »Schätzpreise« an. Berücksichtigt man die – durch Ausverkauf, Coupons oder Sonderangebote – erreichten Preisnachlässe, so blieben die Preise natürlich weitgehend unverändert. Sie sahen nur anders aus. Jetzt wirkte es, als böte JCPenney erneut wirkliche Schnäppchen an.

Unter der Leitung von Ron Johnson hatte JCPenney seine Produkte zu ehrlicheren Preisen angeboten und war bei den Kunden auf Ablehnung gestoßen, weil sie vorgetäuschte Preisnachlässe vorzogen. Tante Susi hasst Johnson noch immer. Man stelle sich das vor: Die Kunden von JCPenney stimmten mit ihren Geldbörsen ab und entschieden sich dafür, manipuliert zu werden. Sie wollten Schnäppchen und Abverkäufe, selbst wenn das die Rückkehr überhöhter regulärer Preise bedeutete – und genau das bekamen sie am Ende.

* Wenn Sie zufällig eine große Einzelhandelskette leiten und irgendwann darüber nachdenken, Ihre Preisgestaltung grundlegend zu ändern, raten wir Ihnen, die neue Strategie in einer oder zwei Filialen zu testen, bevor Sie sie in der gesamten Kette einführen. Selbstverständlich gilt dieser Rat nicht, wenn Sie es auf eine Kündigung und eine schöne Abfindung abgesehen haben.

JCPenney und Ron Johnson zahlten einen hohen Preis für ihr mangelndes Verständnis der Psychologie der Preisgestaltung.* Aber am Ende wurde dem Unternehmen klar, dass es sein Geschäft besser auf unserer Unfähigkeit aufbauen sollte, den Wert von Dingen rational zu beurteilen. Oder wie der Schriftsteller und Satiriker H. L. Mencken einmal sagte: »Es ist noch niemand pleite gegangen, weil er die Intelligenz der amerikanischen Konsumenten unterschätzte.«

WAS GEHT HIER VOR?

Die Geschichte von Tante Susi und JCPenney verdeutlicht einige der vielen Auswirkungen der RELATIVITÄT, eine der stärksten Kräfte, die uns dazu bewegen, uns bei der Beurteilung des Werts von Dingen kaum um ihren tatsächlichen Wert zu kümmern. Tante Susi beurteilte den relativen Wert der Produkte von JCPenney. Relativ wozu? Natürlich relativ zum angegebenen ursprünglichen Preis. JCPenney half ihr beim Vergleich, indem der Händler den Preisnachlass in Prozenten ausdrückte und Hinweise wie »Ausverkauf« oder »Sonderangebot« hinzufügte, um der Kundin zu helfen, ihre Aufmerksamkeit auf das im Verhältnis zum »ursprünglichen« Preis phantastische Angebot zu lenken.

Welches Produkt würden Sie kaufen? Ein Hemd zum Preis von 60 Dollar oder dasselbe Hemd zum Preis von 100 Dollar, jedoch mit einem Preisnachlass? »–40 %! Nur $60!«

Eigentlich sollte es egal sein, nicht wahr? Ein 60 Dollar teures Hemd ist ein 60 Dollar teures Hemd, egal welche Worte und Bilder auf dem Preisschild stehen. Aber da die Relativität auf einer tiefen Bewusstseinsebene auf uns wirkt, nehmen wir die beiden Preise nicht auf diese Art war, und wenn wir Stammkunden wie Tante Susi sind, werden wir uns immer für das Hemd entscheiden, das im Angebot ist – und die bloße Gegenwart des zum regulären Preis von 60 Dollar angebotenen Hemds wird uns empörend erscheinen.

Ist dieses Verhalten vernünftig? Nein. Ist es nachvollziehbar, wenn wir einmal die Relativität verstanden haben? Ja. Ist es verbreitet? Ja. Kostete es einen Spitzenmanager seinen Job? Zweifellos.

Wir sind oft nicht in der Lage, den eigentlichen Wert von Produkten und Dienstleistungen zu messen. Wie können wir in diesem Vakuum herausfinden, welches der tatsächliche Wert eines Hauses, eines Sandwichs, einer medizinischen Dienstleistung oder eines albanischen dreifingrigen Blorocks ist? Da es schwierig ist, den Wert von Dingen korrekt zu bestimmen, suchen wir nach alternativen Möglichkeiten, um den Wert zu messen. Und an diesem Punkt kommt die Relativität ins Spiel.

Wenn es schwierig ist, den Wert von etwas direkt zu messen, vergleichen wir es mit anderen Dingen, zum Beispiel mit einem Konkurrenzprodukt oder anderen Versionen des Produkts. Wenn wir Dinge vergleichen, erzeugen wir relative Werte. Aber das wirkt eher unproblematisch, nicht wahr?

Das Problem ist jedoch nicht das Konzept der Relativität an sich, sondern die Art und Weise, wie wir es anwenden. Würden wir alle Dinge mit allen anderen Dingen vergleichen, so würden wir unsere Opportunitätskosten sehen und alles wäre in Ordnung. Aber das tun wir nicht. Wir vergleichen eine Sache nur mit einer anderen (und manchmal mit zweien). Deshalb kann uns die Relativität hinters Licht führen.

Verglichen mit 100 Dollar sind 60 Dollar relativ billig, aber erinnern Sie sich noch an die Opportunitätskosten? Wir sollten 60 Dollar mit 0 Dollar vergleichen – oder mit allen anderen Dingen, die wir für 60 Dollar kaufen könnten. Aber das tun wir nicht. Nicht, wenn wir wie Tante Susi den relativen Wert heranziehen und den gegenwärtigen Preis eines Produkts damit vergleichen, was es vor der Preissenkung kostete (oder angeblich kostete), um seinen Wert zu bestimmen. Auf diese Art führt uns die Relativität in die Irre.

Die Ausverkaufspreise von JCPenney geben den Kunden einen wichtigen Werthinweis – besser gesagt, den einzigen Hinweis. Der Ausverkaufspreis – und die Ersparnis, die JCPenney verspricht – liefern den Kunden den Bezugsrahmen zur Beurteilung der Frage, ob ein Produkt ein Schnäppchen ist.

Die Schilder, auf denen JCPenney Discountpreise anbietet, liefern den Kunden einen Kontext, und wie könnten wir den Wert eines Hemds ohne Kontext bestimmen? Wie sollen wir wissen, ob es 60 Dollar wert ist oder nicht? Wir können es nicht wissen. Aber verglichen mit einem Hemd für 100 Dollar ist eines für 60 Dollar offensichtlich billig, nicht wahr? Es ist wertvoll, denn man bekommt ja praktisch 40 Dollar geschenkt! Kaufen wir alle eins, damit unsere Neffen auf dem Schulhof verspottet werden!

Indem JCPenney die Ausverkaufsangebote und »Ersparnisse« abschaffte, beseitigte die Kette ein Element, das seinen Kunden das Gefühl gab, die richtige Entscheidung zu fällen. Allein der Anblick eines herabgesetzten Preises neben einem »regulären« Preis gab ihnen den Hinweis, dass sie eine kluge Entscheidung fällten. Aber das taten sie nicht.

RELATIV AUSGEDRÜCKT

Lassen wir unsere Geldbörsen einen Augenblick beiseite und sehen wir uns das Prinzip der Relativität im Allgemeinen an.

Eine beliebte optische Täuschung ist dieses Bild schwarzer und grauer Kreise:

Offensichtlich ist der schwarze Kreis auf der rechten Seite kleiner als der schwarze Kreis links. Nur ist er eben nicht kleiner. So unglaublich es scheinen mag, die beiden schwarzen Kreise sind exakt gleich groß. Wenn Sie es nicht glauben, überprüfen Sie es ruhig: Decken Sie die grauen Kreise zu und vergleichen Sie. Wir warten so lange.

Dass uns diese Illusion täuschen kann, hat einen einfachen Grund: Wir vergleichen die beiden schwarzen Kreise nicht direkt miteinander, sondern mit ihrer unmittelbaren Umgebung, in diesem Fall mit den grauen Kreisen. Der schwarze Kreis auf der linken Seite ist groß verglichen mit den grauen Kreisen, die ihn umgeben, während der schwarze Kreis auf der rechten Seite verglichen mit den umgebenden grauen Kreisen klein ist. Haben wir ihre relative Größe einmal auf diese Art bestimmt, so vergleichen wir nicht die absolute, sondern die relative Größe der beiden schwarzen Kreise miteinander. Das nennt man visuelle Relativität.

Und da wir einen Faible für optische Täuschungen haben, hier eine weitere unserer Lieblingsillusionen: die Schachbrett-Illusion von Adelson. Sie funktioniert so: Auf einem Schachbrett steht ein Zylinder, der einen Schatten auf die Felder wirft. (Um beim Thema dieses Kapitels zu bleiben, verwenden wir statt des Zylinders einen hässlichen Pullover.) Zwei Felder sind gekennzeichnet. Feld A liegt außerhalb des Schattens, Feld B im Schatten. Wenn wir sie miteinander vergleichen, sehen wir, dass der Buchstabe A deutlich dunkler ist. Richtig? Falsch. So unglaublich das scheinen mag, die Schattierung von A und B ist exakt gleich. Wenn Sie uns nicht glauben, können Sie alle anderen Felder zudecken. Vergleichen Sie Feld A und Feld B. Wir warten.

Die Relativität ist ein allgemeiner mentaler Mechanismus, der in vielen verschiedenen Lebensbereichen auf unterschiedliche Art und Weise funktioniert. Beispielsweise hat Brian Wansink in Mindless Eating gezeigt, dass sich die Relativität auf unseren Taillenumfang auswirken kann.11 Die Entscheidung darüber, wie viel wir essen, hängt nicht einfach von unserem Nahrungsbedarf, sondern auch von einem Vergleich mit dem alternativen Nahrungsangebot ab. Nehmen wir an, wir könnten in einem Restaurant zwischen drei unterschiedlich großen Hamburgern wählen: Einer wiegt 220, der zweite 280 und der dritte 340 Gramm. Wahrscheinlich werden wir den 280-Gramm-Burger wählen und am Ende der Mahlzeit vollkommen satt sein. Stehen jedoch Hamburger mit 280, 340 und 400 Gramm Gewicht auf der Speisekarte, so werden wir wahrscheinlich wieder den mittelgroßen bestellen und nach dem Verzehr des 340 Gramm schweren Hamburgers ebenso satt sein, obwohl wir mehr gegessen haben als im ersten Fall, was nicht nötig gewesen wäre, um die erforderlichen Nährstoffe aufzunehmen oder uns satt zu fühlen.

Wir betrachten Nahrung auch in Relation zu anderen Objekten in unserer Umgebung. Beispielsweise vergleichen wir die Menge des Essens mit der Größe des Tellers. Brian Wansink befestigte für eines seiner Experimente Suppenschüsseln an der Tischplatte und forderte die Versuchspersonen auf, so lange zu essen, bis sie genug hätten. Einige Leute aßen einfach Suppe, bis sie satt waren. Aber ein Teil der Versuchsteilnehmer aß ohne es zu wissen aus Schüsseln, die an der Unterseite ein kleines Loch hatten, an dem ein Schlauch befestigt war. Während sie aßen, leitete Brian unbemerkt von den Versuchspersonen langsam zusätzliche Suppe in ihre Schüsseln. Jedes Mal, wenn sie einen Löffel Suppe schöpften, floss eine kleine Menge nach. Am Ende hatten die Personen, die vor den unerschöpflichen Suppenschüsseln saßen, sehr viel mehr Suppe gegessen als diejenigen, die aus nicht manipulierten Schüsseln gegessen hatten. Und als sie nach dem Verzehr großer Mengen Suppe (auf Anweisung des Versuchsleiters) zu essen aufhörten, erklärten sie, noch immer hungrig zu sein. Die Personen, die aus den »unerschöpflichen« Schüsseln aßen, erhielten keine Hinweise zum Sättigungsgrad durch die konsumierte Menge oder durch ihr Hungergefühl. Stattdessen beurteilten sie ihre Sattheit anhand des Ausmaßes der Verringerung der Suppenmenge in Relation zum Gefäß.

Derartige Vergleiche sind nicht auf Objekte beschränkt, die wie Suppe oder Hamburger derselben Kategorie angehören. Als der italienische Diamantenhändler Salvador Assael erstmals versuchte, die mittlerweile sehr beliebten schwarzen Perlen aus Tahiti an den Mann zu bringen, biss kein einziger Käufer an. Assael gab sich nicht geschlagen und beschränkte sich auch nicht darauf, einfach ein paar schwarze Perlmuttkügelchen unter die Lieferungen weißer Perlen zu mischen. Er überredete einen befreundeten Juwelier namens Harry Winston, die schwarzen Perlen im Schaufenster seines Juweliergeschäfts in der Fifth Avenue in New York gemeinsam mit Diamanten und anderen kostbaren Edelsteinen auszustellen. Innerhalb kürzester Zeit waren die Perlen ein Verkaufsschlager, und ihr Preis schoss in die Höhe. Ein Jahr früher waren sie noch wertlos gewesen – vermutlich waren sie weniger wert als die Austern, aus denen sie stammten. Doch über Nacht gelangte die Welt zu der Überzeugung, dass schwarze Perlen, die edel genug waren, um neben einem eleganten Saphiranhänger ausgestellt zu werden, sehr viel wert sein mussten.

Diese Beispiele zeigen, dass die Relativität ein grundlegender Vorgang im menschlichen Verstand ist. Wenn sie unsere Beurteilung des Werts konkreter Dinge wie Nahrung und Edelsteine beeinflusst, wirkt sie sich wahrscheinlich auch nachhaltig darauf aus, wie wir über die Verwendung unseres Geldes denken.

RELATIV ÜBLICHE BEISPIELE FÜR FINANZIELLE RELATIVITÄT

Neben der Besessenheit von Schnäppchen, die wir am Beispiel von Tante Susi gesehen haben, gibt es zahlreiche Denkfehler, die dazu führen, dass der relative den realen Wert verdunkelt. Sehen wir uns einige dieser Fehler an.

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