The Warriors of Venglar - In einer anderen Realität - Vaelis Vaughan - E-Book

The Warriors of Venglar - In einer anderen Realität E-Book

Vaelis Vaughan

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Beschreibung

The Warriors of Venglar - In einer anderen Realität Gay Romance / LGBT Urban Fantasy Print 412 Seiten Ryzer wollte nur eins: Aufmerksamkeit – und zwar die seiner Community! Unter Let’s Playern ist der Konkurrenzkampf brutal, doch mit Venglar könnte sich für ihn alles ändern. Die VR-Sensation des Jahres reißt die Gamer in eine fantastische Welt, die mehr ist als nur ein Spiel. Sie lebt. Sie atmet. Und sie fühlt. Jeder Schmerz, jede Lust – der Anzug macht sie real. Wer sich einloggt, verliert nicht nur eine Menge Geld, sondern vielleicht auch seinen Verstand und die Kontrolle über seinen Körper. Überraschenderweise ist es dann aber gar nicht das Spiel, das Ryzer in den Bann zieht. Es ist der unangefochtene Held dieser Welt: Rachna – ein Krieger, eine Legende – und kein NPC! Niemand ist so stark und gleichzeitig so undurchschaubar. Wer er hinter dem mysteriösen Avatar steckt, weiß niemand. Doch je besser ihn Ryzer kennenlernt, desto mehr beginnt er, dessen Fassade durchschauen. Letztendlich reicht ein einziger Moment, eine Enthüllung, die nie hätte geschehen dürfen – und plötzlich kippt die Illusion. Die Community explodiert. Bewunderung schlägt in Hass um. Aus einem gefeierten Helden wird ein Ziel des Spotts. Während seine virtuelle Utopie zerbricht, muss sich Ryzer entscheiden: Wählt er den Ruhm oder hört er auf sein Herz und setzt alles für die Liebe aufs Spiel? »The Warriors of Venglar« ist eine atemberaubende Reise durch eine Welt, in der ekstatische Erfahrungen süchtig machen, in der alles digital und doch echt ist. Es geht um Vertrauen, um verstrahlte Neon-Karnickel, um Masken, die wir tragen – und um das, was bleibt, wenn die Illusion zerbricht.

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Klappentext
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Epilog
Nachwort
Danksagungen
Leseprobe
Über Vaelis
Impressum
Fußnoten

The Warriors of Venglar

In einer anderen Realität

Gay Romance / LGBT Urban Fantasy

 

Klappentext

 

Ryzer wollte nur eins: Aufmerksamkeit – und zwar die seiner Community! Unter Let’s Playern ist der Konkurrenzkampf brutal, doch mit Venglar könnte sich für ihn alles ändern. Die VR-Sensation des Jahres reißt die Gamer in eine fantastische Welt, die mehr ist als nur ein Spiel. Sie lebt. Sie atmet. Und sie fühlt. Jeder Schmerz, jede Lust – der Anzug macht sie real. Wer sich einloggt, verliert nicht nur eine Menge Geld, sondern vielleicht auch seinen Verstand und die Kontrolle über seinen Körper.

Überraschenderweise ist es dann aber gar nicht das Spiel, das Ryzer in den Bann zieht. Es ist der unangefochtene Held dieser Welt: Rachna – ein Krieger, eine Legende – und kein NPC! Niemand ist so stark und gleichzeitig so undurchschaubar. Wer er hinter dem mysteriösen Avatar steckt, weiß niemand. Doch je besser ihn Ryzer kennenlernt, desto mehr beginnt er, dessen Fassade durchschauen. Letztendlich reicht ein einziger Moment, eine Enthüllung, die nie hätte geschehen dürfen – und plötzlich kippt die Illusion. Die Community explodiert. Bewunderung schlägt in Hass um. Aus einem gefeierten Helden wird ein Ziel des Spotts. Während seine virtuelle Utopie zerbricht, muss sich Ryzer entscheiden: Wählt er den Ruhm oder hört er auf sein Herz und setzt alles für die Liebe aufs Spiel?

»The Warriors of Venglar - In einer anderen Realität« ist eine atemberaubende Reise durch eine Welt, in der ekstatische Erfahrungen süchtig machen, in der alles digital und doch echt ist. Es geht um Vertrauen, um verstrahlte Neon-Karnickel, um Masken, die wir tragen – und um das, was bleibt, wenn die Illusion zerbricht.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kapitel 1

______________

 

 

 

 

Ich bin drin.

Der dreidimensionale und mit neongrüner Säure gefüllte Ladebalken, der aussieht, als wäre er aus einzelnen Schrottteilen zusammengeschweißt worden, verschwindet. Stattdessen erscheint eine schier endlose postapokalyptische Wüste vor meinen Augen und ich spüre die Hitze der sengenden Sonne auf meiner Haut. Ein Windstoß bläst ein schwarzes Stück Metall frei, das vor mir im Sand liegt und gerade als ich mich frage, was ich jetzt machen soll, erscheint darauf ein Text:

»Dieses Spiel ist brutal, voller Leidenschaft und expliziten Darstellungen von gesellschaftlich tabubrechenden Themen. Halte deinen Personalausweis neben dein Gesicht, um den Scan zu starten und deine Volljährigkeit zu bestätigen.«

Mein Herz schlägt schneller, als ich der Anweisung folge. Sobald ich mich verifiziert habe, verschwindet die Warnung, als würde sie hinfortwehen.

»Wie willst du genannt werden?«, fragt mich eine weibliche Stimme aus den Wolken, als wolle sie mich auf einen Drink einladen. Gleichzeitig fällt ein Bunsenbrenner vor meine Füße. Ich hebe ihn auf, spüre, wie kalt und schwer er ist, und schalte ihn an. Sobald er brennt, vibriert er in meiner Hand.

Selbstredend brenne ich nicht meinen echten, sondern meinen Streamer-Namen auf die Platte und spreche leicht grenzdebil mit: »Ry-zer ... so. Kann man lesen, oder?« Ich halte ihn ein Stück von mir weg und befinde ihn für gelungen. Insofern ihn ein Sechsjähriger geschrieben hätte ...

»Danke ... Ryzer«, säuselt mir die Stimme feuchtschlüpprig zu, während ich bete, dass der Schriftzug nicht für ein Namensschildchen verwendet wird, das zukünftig auf all meinen Rüstungen prankt.

Plötzlich erfasst mich ein heftiger Windstoß, reißt mir beides aus den Händen, wirft mich beinahe um und schlagartig wird es dunkel.

Das Intro beginnt.

Schon von den ersten epischen Tönen, die ich wie ein Gewitter aus dem Hintergrund vernehme, bekomme ich am ganzen Körper Gänsehaut. Ein Schlagzeug untermalt den bedrohlichen Sound, begleitet von immer lauter werdenden Motorengeräuschen.

In der Finsternis flackern Leuchtstoffröhren auf und enthüllen eine futuristische Müllhalde, überwachsen mit pulsierendem, leuchtend grünen Moos, die den Startpunkt des Spiels bildet. Ich entdecke Crossmaschinen vor mir, höre ihre Motoren bedrohlich aufgrollen, und erkenne, wie mich ihre Fahrer aus irren Augen anzustarren scheinen. Sie tragen schwarze Masken, in deren Mitte ein stilisiertes V leuchtet, genauso stechend grün wie das blubbernde Zeug in ihren transparenten Tanks.

Sie wollen mich angreifen, daran besteht kein Zweifel, aber ich habe nichts, um mich zu verteidigen!?

Einige von ihnen zünden stechend pinke Gasbrenner an, Waffen werden auf mich gerichtet, doch dann, vollkommen aus dem Nichts, bricht der Titel des Spiels aus den Wolken heraus und kracht mitten in die Bikergang!

> VENGLAR<

Automatisch springe ich einen Schritt nach hinten und falle fast über meinen Schreibtisch.

Völlig konträr zu dieser brachialen Szene trällert plötzlich eine überschwängliche, sarkastisch fröhliche Popmelodie in die Kulisse, die eine fast schon peinliche Feel-Good-Stimmung erzeugt und nebenbei einen fiesen Ohrwurm-Charakter hat.

>Düdüdeldüdümmm Düdüdeldüdümmm schnüdeldüüdümm düdeldümmm ...‹1

»Verdammt ... ich liebe den Scheiß jetzt schon!«

Weitere Motorradfahrer, diesmal mit pinken V`s im Gesicht, brettern über den riesigen Blechkastentitel, der, noch immer blinkend, in einem gewaltigen Erdrutsch versinkt. Einer der Biker packt mich, wuchtet mich hinter sich auf seinen fahrbaren Untersatz und brettert mit mir durch die moosige Müllkippe!

»Wohoooo!«, rufe ich aus, denn das fühlt sich so echt an, dass ich es kaum fassen kann! Ich spüre den Druck des Windes auf meinem Gesicht, das Kribbeln in meinem Bauch und das vibrierende Bike zwischen meinen Beinen, sogar die Wärme meines Vordermanns, an dessen Schultern ich mich festhalte! »Das ist der Hammer!«

>Bend the rules as you wish!<

Die Lyrics des beschwingt vor sich hinschmetternden Songs erscheinen vor uns auf dem Boden.

>Feel more alive than ever before!<

Der Fahrer umfährt die Texte mit scharfen Haken, und ich fühle deutlich, wie ich hin- und hergeschleudert werde.

>Replace your broken parts.<

Mein Chauffeur hebt seine Maske und ist natürlich kein Kerl, sondern eine megascharfe Perle, die mir zuzwinkert, ehe sie wieder nach vorne sieht, über die Schuttberge auf eine Rampe brettert und durch die Luft springt. Es ist, als könnte die Maschine fliegen, während wir den letzten Satz in den Wolken durchbrechen.

>Be you ... just better!<

Mit einem lauten Krachen landet die Karre wieder auf der Erde, beziehungsweise einem Stück davon. Der Rückstoß ist so heftig, dass ich den Halt verliere und wegrutsche. Schreiend stolpere ich hintenüber und kann mich gerade so abfangen, um nicht den giftig-fluffigen Boden zu knutschen.

Mit rasendem Puls bleibe ich zurück und sehe zu, wie die Gang davonfährt.

»Fuck ... das ist ja der Wahnsinn«, keuche ich und muss erst mal meine Atmung wieder in den Griff kriegen. »Ehrlich Leute, ich hab viel erwartet, aber das hier ... das übertrifft einfach alles! Mir steht jetzt schon das Wasser bis zum Hals!«

Die Musik ebbt ab. Vor meinen Augen bricht der Müll auseinander und eine aus Bruchstücken zusammengeschweißte Metalltür kommt zum Vorschein. Ein Neonpfeil klatscht an ihren Rahmen und blinkt grün, so als Hinweis für komplette Gehirnakrobaten, die daran vorbeigehen könnten.

›Da drin findet garantiert die Charaktererstellung statt‹, kommt mir in den Sinn und sofort spüre ich, wie mein Mund trocken wird. ›Die soll heftig sein ... Da häng’ ich sicher ewig dran.‹

Bevor ich den Raum betrete und weitermache, brauche ich dringend einen Schluck Wasser. Leider finde ich keinen Pause-Button in meinem Sichtfeld, also schaue ich nach unten, aber auch an mir ist nichts, das mir weiterhilft. Da ich noch nicht auf eine Figur kalibriert bin, sehe ich mich selbst nur als schwarzen, rauchigen Schatten.

»Äh ... fuck ... wie komm ich denn von hier aus zurück ins Hauptmenü?«

Als hätte mich das Spiel verstanden, erscheinen vor mir zwei Geisterhände, die das Zeichen von Venglar in die Luft formen: Ein V mit geschwungenen Enden, wobei sich Zeigefinger- und Daumenspitze beider Seiten in der Mitte treffen müssen.

Leicht irritiert mache ich die Bewegung nach und siehe da – ich lande tatsächlich im Menü-Bereich, wobei das Spiel zwangspausiert wird. Von dort aus kann ich auch meine laufende Aufnahme stoppen. Erst als das kleine rote Licht an der Seite erlischt, atme ich durch und aktiviere den Real-Mode, der die Venglar-Kontaktlinsen durchsichtig werden lässt, sodass ich mein Zimmer sehe.

»Oh Mann«, keuche ich und schnappe mir die vorsorglich bereitgestellte Wasserflasche vom Sideboard. Dabei fällt mein Blick auf die große, mattschwarze Box, in der die Konsole heute Mittag geliefert wurde.

›Noch kann ich aufhören ...‹, drängt sich in meine Gedanken, denn solange ich meine Personenbasis nicht übertragen und meine erworbene Spiel-Lizenz aktiviert habe, kann ich es ohne Angabe von Gründen zurückgeben und kriege meinen vollen Kaufpreis zurück. Danach geht das nicht mehr, warum auch immer.

Zum gefühlt hundertsten Mal ziehe ich mir den enganliegenden, stylischen Vollkörperanzug aus der jetzt schon nassgeschwitzten Kimme und blinzle meine Tränen weg, welche die Fremdkörper aus meinen Augen spülen wollen.

Ich bin es nicht gewohnt, Kontaktlinsen zu tragen, erst recht keine mit Mikrochip. Aber zum Spielen braucht man sie, genauso wie mindestens drei Quadratmeter freie Indoor-Fläche, Spezialschuhe mit Gleitsohlen und eine vollautomatische Deckenaufhängung, die mit der Konsole gekoppelt ist, einen an Ort und Stelle hält und gegebenenfalls sogar für die Flugsequenzen hochzieht.

Viertausendachthundert Flocken hat dieses vollimmersive2 Komplettset gekostet, aber ja, zugegeben, für den unverschämten Preis kriegt man auch einiges. Der ästhetische, schwarze Anzug mit seinen neongrünen Applikationen hat einen Reißverschluss, der vom Steißbein einmal zwischen die Beine durch bis zum Kragen hochführt. Durch die drei Zipper kann man auch problemlos zwischendurch aufs Klo, ohne den Anzug ausziehen zu müssen. Zudem besteht er aus wirklich hochwertigen Hightechfasern, gemischt mit Merinowolle, und enthält sogar eine Vollkopfmaske, mit der man wie ein Schwerverbrecher aussieht. Sobald man im Spiel ist, spürt man die jedoch nicht mehr. In dem weichen Stoff stecken tausende von Sensorikdrähten, die einen alles spüren lassen, was im Game passiert. Noch dazu ist er knitterfrei, formbeständig, maschinenwaschbar, reißfest, hat eine dauerhaft hohe Elastizität, ist sehr strapazierfähig und hat hervorragende Wärmeregulationseigenschaften. Das heißt, er wärmt oder kühlt, je nach Setting, ist schnelltrocknend und auch nach mehrmaligem Tragen geruchsarm. Doch ich Idiot hab ihn eine Nummer zu klein bestellt.

Die Länge stimmt, daran liegt es nicht, aber ich mache seit einigen Jahren Kraftsport und hab völlig verpeilt, dass meine breiten Schultern inzwischen viel mehr Stoff schlucken als normale. Da der Anzug ein Einteiler ist, ziehen sie ihn also nach oben und befördern den Reißverschluss zwischen meine Arschbacken! Nervig!

Seufzend lasse ich mich auf mein Bett sinken, denn ich lebe in einer Zweier-WG und habe daher nur ein großes Zimmer für mich, in dem sich alles befindet, was ich zum Leben brauche. Außer Küche und Bad, selbstredend, die sind extra. So machen es inzwischen die meisten in meinem Alter, denn anders kann man es sich nicht mehr leisten, in Detroit zu wohnen.

Erst mal nehme ich einen Schluck, ehe ich mit dem Blick auf der Box hängen bleibe.

›Ich sollte den ganzen Kram auf der Stelle wieder einpacken und zurückschicken‹, wiederhole ich in meinem Kopf, wie ein Mantra, denn noch bin ich nicht süchtig. Doch ich werde es ... garantiert! Das merke ich jetzt schon. Genau wie alle anderen, die damit angefangen haben.

›Dieses verfluchte Spiel ist aber auch einfach zu geil!‹

Während ich meinen Kopf an die Nackenstütze lehne, muss ich an meine finalen Worte im letzten Live-Stream denken. Sie lauteten: »Ja verdammt, ist doch gut! Ich machs! ... Fuck!«

Egal welches Spiel ich gezockt habe, immer und immer wieder nervten mich meine Zuschauer mit Venglar, dem angeblich innovativsten und immersivsten Game des Jahrhunderts, das mitsamt einem revolutionären Controller-System ursprünglich mal als Start-up entwickelt wurde.

Sie sagten, alles andere sei ein Scheiß dagegen, es wäre die ultimative Gamer-Erfahrung in einer fantastischen, digitalen Parallelwelt, in der man selbst als Protagonist agiert, weil der Spiel-Charakter individuell auf den User zugeschnitten werde, bla bla bla ...

Die wahren Gründe, warum sich kaum einer aus unserer Szene selbst daran wagt, und alle wollen, dass ich es zocke, sind ganz einfach:

Erstens – Venglar ist schweineteuer! Und damit meine ich nicht nur den exorbitanten Anschaffungspreis. Der ist lediglich für die Hardware! Das Spiel selbst reißt auf Dauer ebenfalls ein schwarzes Loch in jeden Geldbeutel, denn in dieser riesigen, offenen Welt muss man sich alles kaufen, das einen voranbringt, oder durch Nebenquests erspielen. Letzteres geht aber nur, wenn man krasse Skills und sonst nichts zu tun hat, denn die Aufgaben, für die man bessere Rüstung, abgefahrene Waffen, fahrbare Untersätze und Ähnliches bekommt, dauern in der Regel mehrere Tage!

Zweitens – Venglar tut weh! Ja, körperlich, nicht nur finanziell! Die Sensoren im Anzug übertragen nämlich nicht nur leichten Druck und Temperaturen, sondern auch Schläge, welche sie mit Elektrostößen imitieren! Zwar kann man die Intensität dessen herunterregeln und sie auf Muschi-Modus einstellen – ja der heißt wirklich so – aber die volle Punktzahl und die geilsten Belohnungen kriegt man nur, wenn man auf maximaler Stufe spielt ... und die soll heftig sein! Auf allen Ebenen!

Drittens – und das ist genau genommen der wichtigste Punkt von allen - Venglar macht extrem süchtig! Im Gegensatz zu den meisten normalen Spielen, die man sich für einen Schweinepreis kauft, obwohl sie noch völlig verbuggt sind, erhält man hier nicht nur ein paar über die Jahre verteilte, kostenlose Updates und optionale In-Game-Käufe, für unsinnigen Schnulli wie Rüstungen in Neon-Pink, ein Einhorn als Reittier oder einen Arsch wie den von Henry Cavill. Venglar basiert auf einem Abo-Modell und wird jeden verdammten Monat erweitert! Das heißt, es hat kein Ende! Man levelt und entwickelt sein digitales Alter-Ego immer weiter, passt es der jeweiligen Situation an und bekommt dann regelmäßig neue Add-Ons, Quests, Gegner und unbekannte Welten aller Epochen und Themen zur Verfügung gestellt, die es zu erkunden gilt. Und genau damit wirbt die gleichnamige Venglar Corporation auch kackendreist, indem sie auf jedes Werbebanner schreiben: Wenn du dieses Spiel hast, brauchst du nie wieder ein anderes.

Ja da freut sich die Konkurrenz.

Durch die marktführende, einzigartige Hardware der Entwickler, mit der man die digitale Welt nicht nur dreidimensional sehen, sondern auch fühlen kann, ergeben sich ungeahnte Möglichkeiten. Manche berichten explizit von krassen Orgasmen, die sie sich selbst oder im Multiplayer-Modus gegenseitig verschafft haben. Daher brauche wohl kaum erwähnen, dass es in Venglar einen Haufen Bordelle gibt ...

Neben dem Entwickler können auch die Spieler selbst neuen Content erschaffen und sich dafür ein paar Coins dazuverdienen. Allerdings wird ihnen kein Geld ausgezahlt, was bedeutet, sie können alles nur für die Optimierung ihres Avatars ausgeben; für Skills, Waffen, Rüstung und optische Gadgets, wodurch sie letztendlich noch mehr Zeit online verbringen.

Und genau deshalb ist Venglar bis heute so umstritten. Jeder, der damit anfängt, verliert sich nach kurzer Zeit in dieser Mega-Welt, vernachlässigt sein echtes Leben, Familie, Sport, Arbeit ... und geht irgendwann pleite!

Genau deshalb wollte ich nie mit dem Scheiß anfangen!

Seufzend reibe ich mir die verschwitzte Stirn und wäge noch einmal ab, ob ich das wirklich tun soll. Klar habe ich mir Limits gesetzt. Ich spiele maximal sechs Stunden am Tag und investiere kein reales Geld über den Anschaffungspreis und die monatlichen Abo-Gebühren hinaus.

Aber ob ich das einhalten kann, wenn ich dem Ganzen erst mal verfallen bin? Was, wenn ich dann all meine guten Vorsätze über den Haufen werfe?

Immerhin soll es schon Leute gegeben haben, die beim Spielen zusammengebrochen sind, weil sie tagelang zu essen vergessen haben, zu trinken oder zu schlafen. Genauso wird von Fällen berichtet, die sich das Leben genommen haben, weil sie sich unsterblich in einen der hyperrealistischen NPC`s3 verliebt oder immer mehr Schulden gemacht haben, um weiterspielen zu können, weswegen sie letztendlich auf der Straße gelandet sind.

›Aber sowas wird mir nicht passieren‹, rede ich mir ein. ›Ich hab einen gefestigten Charakter und ein erfülltes, glückliches Leben! Das passiert nur Leuten, die aus ihrer Realität flüchten wollen, weil die scheiße ist ...‹

Zumindest hoffe ich das.

Letztendlich ist es jetzt eh zu spät, denn nun habe ich offiziell zugesagt, das Game zu spielen. Ich bin zweiundzwanzig und kann seit knapp einem Jahr von meinen Gaming-Streams leben. Zugegeben, gerade so, aber immerhin. Ich bin nach wie vor einer von den Kleinen, aber wenn ich Venglar zocke, das Spiel, an das sich bisher kaum einer heranwagt, bekomme ich auf einen Schlag das drei-bis zehnfache an Followern, das steht fest!

Also mache ich es.

Noch ein letztes Mal atme ich durch, leere die Wasserflasche und erhebe mich. Eine Berührung am Handgelenk reicht, um ins Hauptmenü zurückzukehren und schon stehe ich wieder auf dem giftgrün bewachsenen Schrottplatz.

»Okay ... Showtime«, keuche ich und starte die zweite Aufnahme, denn ich wage es noch nicht, das hier live zu machen. Vielleicht später. »Na dann, wollen wir mal«, rede ich vor mich hin, als wäre ich nie weg gewesen, rutsche mit den Slider-Spezialschuhen über den Boden, während mich der Anker an meinem Taillengurt hält, und gehe so auf die Tür zu. Sobald ich die Klinke herunterdrücke, spüre ich ihre Kälte und den Widerstand in meiner Handinnenfläche, was mich immer noch fasziniert. Wie kann sich etwas so Unechtes derart echt anfühlen?

Ich öffne sie und muss mich ducken, um die schmale Treppe in den bunt beleuchteten Raum hinunterzusteigen. Jede meiner realen Bewegungen wird exakt ins Spiel übertragen. Ohne ruckeln, glitchen oder sonstwelche Fehler, die einem die Illusion dieser Welt zerstören. Es ist einfach unglaublich.

»Hey Ryzer, da bist du ja endlich«, spricht mich wieder diese Stimme aus der Dunkelheit an, doch jetzt erkenne ich eine Frau mit fransig geschnittenen, leuchtend pinken Haaren hinter einem Terminal stehen. »Warum hat das so lange gedauert?«, fragt sie noch und ich schaue mich nach Antwortmöglichkeiten um, so wie es in normalen Roleplay-Games üblich ist. Aber da sind keine?! »Suchst du was?«, hakt sie plötzlich nach, als würde sie, ein klassischer NPC, auf meine Bewegungen reagieren. »Hey! Bist du stumm, oder was? Meine Augen sind hier oben! Was glotzt du die ganze Zeit auf den Boden?«

»Äh, ich ... suche nach Dialogoptionen«, sage ich wahrheitsgemäß, auch wenn sie mit der Antwort garantiert nichts anfangen kann, doch da lacht sie plötzlich.

»Ernsthaft?« Sie haut äußerst menschlich auf den Tisch, während sie sich beölt. »Du brauchst ein Skript, um mit mir zu reden?«

»Nein«, grummle ich und gehe näher heran. »Aber du ... also NPCs im Allgemeinen ... normalerweise. Oder bist du ein User?«

Sie schüttelt den Kopf, was ich noch nicht kann, denn meiner besteht ja nur aus Rauch.

»Nein. Mein Name ist Varia. Ich bin eine von dreihundert V-Helpstern aus dem Spiel, die dir helfen, dich selbst zu optimieren, deine Ausrüstung anzupassen und Systemkonfigurationen vorzunehmen. Meine Sprachfunktionen basieren auf einem dynamischen, emotional-erweiterten KI-Chat-System, das sich individuell an deine Reaktionen anpasst. Das bedeutet, du kannst mit mir reden wie mit jedem normalen Menschen, und wenn du mir blöd kommst, verpass ich dir einen Birnenkörper! So einfach ist das.« Sie grinst für eine Sekunde in mein verblüfftes Gesicht, ehe sie wieder auf ihren Bildschirm schaut und darauf herumtippt, als würde sie irgendwas einstellen.

»Und woran erkenne ich dann, wer ein NPC und wer ein Spieler ist?«

»An der Levelanzeige auf der Brust, mitsamt dem leuchtenden Info-Circle, und den Rucksäcken ...«, murmelt sie, als müsste ich wissen, wovon sie da spricht. »Jeder User bekommt einen von uns. In ihm befindet sich all dein gesamtes Hab und Gut. Natürlich kannst du dir auch andere Gepäckstücke, Säckchen oder süße kleine Handtaschen kaufen, aber nur der originale Venglar-Rucksack ist mit deiner ID verbunden, sodass ihn niemand plündern kann. Legst du deinen Scheiß woanders ab, egal wo, kann er geklaut werden. Deine Entscheidung ... Also, wollen wir anfangen?«

»Ähm ... klar«, schnaufe ich geplättet.

»Gut, dann stell dich da auf das Kreuz in die Mitte.« Ein solches leuchtet auf dem Boden auf. »Sobald du gescannt wirst, individualisierst du das gesamte Spiel auf dich als Person, aktivierst deine Spiellizenz und dein Widerrufsrecht erlischt. Darüber hinaus wird die Produktnummer deiner Geräte an deine Ausweisdaten gekoppelt, weshalb wir dir empfehlen, sie niemals zu verschenken, jemandem auszuleihen oder zu verkaufen. Andernfalls kriegst du die Rechnung für alles, was sich derjenige in Venglar leistet. Solltest du das Set nicht mehr nutzen wollen, kannst du es jedoch an unseren Konzern zurückschicken und erhältst den entsprechenden Zeitwert zurück. Mit dem Betreten des Kreuzes erklärst du dich mit diesen Bedingungen einverstanden.«

Ich brauche eine Sekunde, um den Scheiß zu verarbeiten.

›Was ist das denn schon wieder für eine unverschämte Nummer!?‹

Genau genommen liegt mir gerade so einiges auf den Lippen, das ich ihr gerne zu diesem Thema sagen würde, aber ich lasse es. Es ist ganz sicher nicht förderlich, ihren Schöpfer zu beleidigen, kurz bevor man vom Spiel eine Form erhält, mit der man anschließend dauerhaft klarkommen muss. Und wenn meine Berechnungen stimmen, hab ich die Kosten für all den Kram samt Abo mit meinen Lets Play`s und Streams nach drei Monaten wieder drin und mache danach ordentlich Plus, also was solls.

›Trotzdem ist das Ganze eine gewaltige Abzocke!‹

Wortlos presse ich die Zähne aufeinander, schüttle den Kopf, tue jedoch, was sie sagt, und stelle mich auf das Kreuz.

Es verschwindet. Stattdessen leuchtet um mich herum ein grüner Kreis auf, während vor mir ein gummiartiger gesichts- und geschlechtsloser Dummy erscheint, der eine ausgestreckte Haltung einnimmt.

»Wir beginnen jetzt mit dem Bodyscan, um den richtigen Spieltyp für dich zu finden«, höre ich aus der Richtung der Lady und spüre, wie mein Herz schneller schlägt. »Stell dich so hin wie dein Avatar, atme tief ein und halt still. Ach, und ein kleiner Tipp: Zieh den Bauch ein, sonst musst du dir später einen Speckformer kaufen.«

»Prrrff ... okay.« Ich nehme die Pose ein, strecke die Arme aus, spreize die Finger und der Scan beginnt. Dazu steigt der grüne Ring langsam in die Luft und scannt mich von allen Seiten, was ich deutlich spüre, denn da, wo mich der Laser berührt, kribbelt es.

›Oh Mann ... hoffentlich ist der Scan nicht zu detailliert, sonst muss ich die Aufnahme nachher zensieren oder Teile rausschneiden.‹

Eigentlich will ich so wenig wie möglich an dem Video herumschnippeln, denn das kostet mich nur unnötig Zeit und Nerven. Wenn ich mich eingegroovt habe, mach ich später sowieso nur noch Live-Streams. Die gehen dementsprechend so ins Netz, wie sie sind, und fertig.

Sobald der Scanring meinen Oberkopf erreicht hat, spiegelt der Avatar ein perfektes, wenn auch gänzlich graues Abbild meiner eingepellten Person, nur ohne Haare, denn die stecken ja unter der Maske.

›Oh Gott! So würde ich mit Glatze aussehen? Ist ja schrecklich!‹

Ich wage es, wieder zu atmen, und höre, wie die pinkhaarige Lady anerkennend pfeift, während ich mich selbst mustere.

»Holy Camoly ... du hast einen Körperfettanteil von gerade mal sieben Prozent und das auf einen BMI von vierundzwanzig? Kleiner Fitness-Junkie hm?«

›Den Teil lass ich definitiv drin!‹

Leicht gebauchpinselt grinse ich und reibe mir die Fingernägel auf den gestählten Herrentitten. »Na ja, also Junkie würde ich jetzt nicht sagen, aber ich gehe schon regelmäßig ins Fitnessstudio und -«

»Laut deiner gespeicherten Ausweisdaten wurdest du in New Orleans, Louisiana geboren, wohnst jetzt in Detroit, Michigan, bist aktuell zweiundzwanzig Jahre alt und einen Meter zweiundachtzig groß«, unterbricht mich die unhöfliche KI-Tante einfach und schaut auf. »Du bist männlich, deine Augenfarbe ist blau und deine Haarfarbe mittelbraun. Sind all diese Angaben noch korrekt?«

»Ja«, grummle ich nur.

›Danke für die Auflistung all meiner persönlichen Daten, du dämliche Kuh! Jetzt muss ich doch wieder anfangen, an dem Video rumzuschneiden.‹

»Gut. Hast du ansonsten irgendwelche spielrelevanten Vorerkrankungen? Arthrose, Epilepsie, Dyspnoe, ein erhöhtes Herzinfarkt-Risiko oder ähnliches?«

»Äh ... nein.«

»Schön für dich. Liegen körperliche Einschränkungen, seelische Probleme, Phobien oder etwas in der Art vor?«, löchert sie mich weiter, aber den Teil finde ich jetzt zum ersten Mal richtig gut. Trotzdem verneine ich, indem ich den Kopf schüttle. »In Ordnung.« Sie tippt wieder auf ihrem Bildschirm herum. »Du kannst deine Angaben und Einstellungen jederzeit bei einem V-Helpster ändern und auch Trigger hinzufügen, mit denen du während deines Spielerlebnisses nichts zu tun haben willst. Alle Quests werden daraufhin angepasst.«

»Das bedeutet, wenn ich eine Spinnenphobie habe, cancelt ihr sämtliche Spinnen aus dem Spiel?«

»Ganz genau«, stimmt sie zu. »Die werden dann durch andere passende Angreifer ersetzt. Ratten oder Skorpione zum Beispiel.«

»Cool«, gebe ich zu, denn das ist in meinen Augen echt innovativ.

»Bitte bestätige noch kurz, dass du Venglar – Neon Green aus freien Stücken und auf eigenes Risiko spielst, wodurch du die Venglar Corporation von jeglicher Haftung bezüglich der Auswirkungen auf deine körperliche und seelische Gesundheit entbindest.«

›Uncool.‹

»Ja, bestätige ich«, murre ich trotzdem vor mich hin.

»Danke. Deine Zustimmung wurde registriert. Ich übertrage jetzt alle Daten an deinen Avatar.«

Meine Gedanken versickern sofort im Nirvana, als ich beobachte, wie mein Gegenüber innerhalb weniger Sekunden Farbe annimmt und die Arme sinken lässt. Er trägt denselben Anzug wie ich im wahren Leben, nur ohne Maske. Außerdem blinkt in der Mitte seines Brustbeins ein leuchtender Kreis, vermutlich der Info-Circle, während auf seiner rechten Brust eine Eins aufglimmt. Mein aktueller, kümmerlicher Rang.

Mein Avatar sieht mir wirklich zum Verwechseln ähnlich. Es ist fast, als würde ich in einen Spiegel schauen, davon abgesehen, dass seine Hautfarbe etwas dunkler ist und seine Frisur lediglich aus einem Buzzcut besteht. Auch meine Bewegungen imitiert er nicht. Sobald er den Rucksack erhält, der ebenfalls mit dünnen, grünen LED-Leisten durchzogen scheint, verlagert er stattdessen lässig das Gewicht von seinem rechten auf sein linkes Bein und grinst mich verschmitzt an. Fast schon gruselig.

»Auf welchem Immersivitätslevel willst du spielen?«, fragt mich Varia beiläufig, als wäre das kaum von Bedeutung.

»Ähm ... na ja, eigentlich auf dem höchsten?! So, dass ich immer die höchste Punktzahl bei den Quests bekomme«, wage ich zu sagen und sie schaut mich prüfend an, ohne den Kopf zu heben.

»Sicher?«

»Äh ... nein.« Ich lache verlegen. »Ist es denn so heftig?«

Varia zuckt mit den Schultern. »Na ja, angesichts deines Fitnessprofils bist du für alle Stufen freigegeben, aber auf Maximum spielen eigentlich nur Größenwahnsinnige und Masochisten. Fang lieber erst mal mit sechzig Prozent an und dreh später den Regler hoch, wenn du merkst, dass du mehr aushältst.«

»Na schön«, schnaufe ich etwas enttäuscht, aber irgendwie beruhigt es mich auch, dass ich eher soft einsteige.

»Gut, das war`s. Dein Basis-Avatar ist damit kalibriert«, flötet Varia, was mich erstaunt, denn gerade den Charakter-Bau hätte ich mir angesichts der Dimensionen dieses Open-World-Games deutlich umfangreicher vorgestellt. In den normalen Spieler-Baukästen hab ich immer stundenlang herumgebastelt, bis mir mein digitales Alter-Ego zugesagt hat, doch sie wirft mir nur noch ein zylinderförmiges Gerät zu, das ich auffange, und verlässt ihren Posten. »Das ist dein persönlicher V-Com. Auf dem wird alles gespeichert, was du von jetzt an tust. Sobald du ihn an einen deiner Unterarme anlegst, überträgt sich dein Avatar auf deine Gestalt.« Plötzlich höre ich das Geräusch von klingenden Münzen und sehe drei Zahlen auf dem smartphonegroßen Display der Armkonsole aufleuchten. »Für den Beginn erhältst du eintausend V-Coins zur freien Verfügung, dazu einhundert Leben und fünfundzwanzig Erfahrungspunkte, die du auf deinen Skillbaum aufteilen kannst«, erklärt sie weiter und geht um meinen Avatar herum, als würde sie ihn mustern. »Nutze sie weise, denn manche Fähigkeiten schließen sich gegenseitig aus und einmal gesetzt kannst du deine EPs nicht zurücknehmen. Übrigens wirst du über die Hälfte deiner Leben recht schnell verlieren, das ist völlig normal. Mit dem Abschließen von Quests kriegst du jedoch ab und zu neue und zur Not kannst du dir selbstverständlich auch welche kaufen.«

›Klar. Kaufen geht immer. Raffgierige Säcke!‹

»Mit den Coins verhält es sich ähnlich, nehme ich an?«

»Natürlich. Du findest die V-Coins überall in der Welt und erhältst sie auch als Belohnung, wenn du versteckte Orte entdeckst, Artefakte sammelst oder Quests abschließt. Deren Schwierigkeit und dein Immersivitätslevel bestimmen ihre Menge, genau wie die der Erfahrungspunkte, die du bekommst. Coins kannst du verwenden, um das Aussehen deines Charakters, deine Fähigkeiten und deine Ausrüstung anzupassen. Aber kauf nicht zu viel Schnickschnack, davon findest du genug in der Welt.«

Plötzlich fährt sie meinem Gegenüber mit ihren warmen Fingern durch die kurzen Haare, was ich spüre, als würde sie es bei mir machen. Sofort geht mir ein Schauer durch den Körper.

›Oh Mann. Das ist echt unheimlich ... und geil zugleich!‹

»Ich würde an deiner Figur selbst gar nichts verändern ...«, gurrt sie und ich frage mich, ob das eine Standardphrase ist. »Andere User müssen die Hälfte ihres Vermögens auf den Kopf hauen, um so auszusehen wie du.«

›Hm ... also, wenn sie das zu jedem sagt, könnten sich so einige Leute verarscht vorkommen ... muss doch individuell sein.‹

»Aber rein theoretisch könnte ich alles an mir verändern?«

»Ja«, bestätigt sie. »Wir empfehlen unseren Teilnehmern jedoch, soweit es geht, sie selbst zu bleiben, um das Spielerlebnis so persönlich wie nur irgendwie möglich zu machen.«

»Was?« Ich lache auf. »Warum sollte man das tun? Genau deswegen zockt man doch solche Games, um der Realität zu entfliehen!«

Varia wirft mir einen vielsagenden Blick zu. »Aber mit keiner Spielfigur kann man sich so gut identifizieren, wie mit sich selbst.«

›Hm ... Wo sie recht hat ... Trotzdem werde ich mich ein wenig pimpen!‹

Die schnurrende NPC Lady tritt wieder zur Seite und zu meiner Linken öffnet sich eine ausschweifende Galerie von allem, was man sich nur wünschen kann: Gesichtstypen, androidische oder tierische Körperteile, Frisuren, Augenfarben, Narben, Gangarten, Penisformen, Brötchenvarianten, Waffen, Rüstungen und vieles mehr ... selbstredend alles für ordentlich Schotter.

Ich wische mich mal durch die Nasen, wobei ich feststelle, dass ich alles ausprobieren kann und unter der Galerie eine Endsumme meiner finalen Änderungen erscheint, die ich letztendlich erst bestätigen muss, bevor mir der Betrag abgezogen wird. Doch die Zinken gefallen mir alle nicht.

Zarte Hände streichen über meinen gespiegelten Rücken und ich muss echt aufpassen, dass ich keinen Harten kriege.

»Wenn du keine vorgefertigten Meshes benutzen willst, probier mal den manuellen Bearbeitungsmodus aus«, haucht mir Varia ins Ohr, knabbert sanft daran und zieht langsam an meinem Läppchen, wodurch dieses immer länger wird.

›Ih!‹

»Siehst du? Genau so! Auf die Art kannst du dich ganz individuell umformen. Und solltest du einen Picasso aus dir gemacht haben, sag einfach: Basisavatar!«

Sobald sie den Befehl gegeben hat, schnalzt mein ausgeleiertes Ohrläppchen zurück an seinen Platz und ich spüre schon, wie es mir in den Fingern kribbelt.

»Ooooh ja, darauf hab ich Bock!«

Ich stelle mich ganz nah vor mein geshavtes Ich, das mich ein wenig skeptisch ansieht, und streiche an meinen rundlichen Kieferknochen entlang, um sie schnittiger zu machen. Dann verpasse ich mir noch ein paar geile Grübchen, die ich schon immer haben wollte, aber nie bekommen habe. Nicht mal zu Weihnachten! Anschließend ziehe ich mein Kinn etwas spitzer und forme mir ein verschmitztes Grinsen mit schmaleren Lippen.

»Hihihi ... das ist, als würde man mit menschlicher Knete spielen!«

Ich begradige meine leicht knubbelige Nase, drücke meine Visage ein bisschen knochiger und ziehe einfach an den Stoppeln auf meinem Kopf, um mir eine formvollendete Frisur zu zaubern. Ausrasierter Nacken, oben ungefähr daumenlang, was etwas kürzer ist als meine echten, denn ich drücke mich schon seit Wochen vor dem Friseur. Anschließend setze ich ihre Farbe auf metallic-aschblond und zupfe mir noch ein paar geile bouncende Strähnchen in die Stirn!

»Das ist so unglaublich cool«, flüstere ich zu mir selbst, während ich meinem Avatar noch vier Ohrringe und ein paar megastylische Narben verpasse – ja, auch im Gesicht! Ein Held ist kein Held ohne ein paar fette Kratzer über dem Auge! Dann drücke ich meine Hüfte noch etwas schmaler, ziehe meine Oberschenkel länger und trete einen Schritt zurück, um mein Werk zu betrachten.

›Fuck! Warum seh ich jetzt aus wie eine junge, blonde Version von Tom Cruise?‹

Ach scheiß drauf. In Mission Impossible war er der Hammer und genau so sieht ein smarter Superheld aus!

Jetzt brauch ich nur noch ne schmucke Rüstung.

 

Kapitel 2

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Zwei Stunden.

Ja, nur zwei lumpige Stunden hat es gedauert, bis ich mit dem ersten Teil meines Lets-Play Videos zu Venglar die zweihunderttausend Views Marke geknackt habe! Das hab ich bisher nur mit einem einzigen Video geschafft und selbst bei dem hat es beinahe vier Monate gedauert!

Und jetzt kommt der Hammer: Es ist gerade mal zwanzig Minuten lang!

Es besteht lediglich aus dem Intro, meinen ersten drei Schritten in den Raum und der Fertigstellung meines Charakters in Zeitraffer. Allerdings hab ich an dem gar nicht mehr viel gemacht. Die paar Schönheitsanpassungen, ja, und dazu eine ordentliche Panzerung, die mir angesichts der haptischen Schläge sinnvoll erschien. Ein Paar Stiefel, mit denen man schneller laufen kann, und eine fette Armbrust. Schon war ich pleite.

Meine EPs hab ich hauptsächlich im Bereich Verteidigung, Fern- und Nahkampf verteilt. Spezifizierungen klemm ich mir vorerst.

Anschließend setzte ich bereits den Cut und loggte mich schweren Herzens aus, weil ich das Video ja auch noch schneiden und überarbeiten musste, um es am selben Abend hochladen zu können. Da ich während des Zockens nicht allzu viel rede und mich eher zu konzentrieren versuche, klatsche ich immer im Nachhinein noch ein paar lockere Sprüche drauf und garniere das Ganze mit ein paar witzigen Soundeffekten. Dazu kommen Intro und Outro meines Kanals und fertig.

Jetzt sitze ich mit einer Zero-Cola, weil ich ja gesund lebe,4 vor dem Rechner und amüsiere mich darüber, wie sich die Leute gegenseitig in den Kommentaren zerfetzen. Krasse Venglar-Hater, die mich beschimpfen, ja regelrecht verteufeln, weil ich mir das Spielsystem gekauft habe, ihm mit meinem Let`s-Play-Video eine Plattform biete und sie damit bewerbe, reiben sich an Unmengen von Usern, die mich genau dafür feiern. Letztere loben meinen Mut, mich an dieses hart umstrittene Spiel zu wagen, das von vielen aufgrund des hohen Suchtpotenzials nur noch Meth-Game genannt wird.

Diesbezüglich haben mich sogar schon einige Leute privat angeschrieben, mich davor gewarnt, weiterzumachen und mir die schlimmsten Horrorgeschichten erzählt. Wieder andere haben mir Tipps bezüglich des Ausbaus meiner Skills gegeben, mir sogar Online-Kurse angeboten, in welchen ich lerne, meine wertvollen Leben zu schützen. Die sollen später nämlich richtig teuer werden und viele verschwenden sie besonders am Anfang völlig achtlos, weil sie denken, genug davon zu haben. Außerdem bekam ich haufenweise Tipps, wie ich es vermeide, süchtig zu werden.

Apropos Sucht. Ich muss wieder rein.

Nicht weil ich abhängig bin, sondern weil ich ein Pensum zu erfüllen habe, versteht sich. Immerhin ist es bereits halb zehn und meine Zuschauer schrien förmlich danach, dass ich mein Spiel von heute an täglich live übertrage. Soll mir recht sein, hab ich letztendlich deutlich weniger Arbeit und brauche nur ab und zu auf die Fragen im Chat eingehen, während ich mich ansonsten auf das Game konzentrieren kann. Bisschen genießen will ich das Ganze schließlich auch.

Draußen ist es nass und windig. Typisches Herbstwetter eben. Also drehe ich meine Heizung auf drei, ziehe mich bis auf die Boxershorts aus und schnappe mir den Anzug, der auf der Lehne meines Gaming-Stuhls hängt. Doch gerade als ich ihn anziehen will, platzt Jodie in mein Zimmer.

»Ey, Chris! Hast du schon wieder die letzten Dosen weggesoffen?«

Meine Mitbewohnerin aka Freundschaft Plus, wie man es heutzutage nennt, wirft angepisst ihre platinblonde Mähne zurück, die zum Großteil aus Extensions besteht. »Ich hatte noch zwei Black Champagner! Wo sind die?«

»Vermutlich in der Kanalisation«, witzele ich. »Insofern du heute Morgen pinkeln warst. Ich hab sie nämlich nicht getrunken, aber du bist gestern Abend noch viermal zum Kühlschrank getigert, das hab ich gehört.«

Etwas bedripst überlegt sie, scheint sich jedoch nur verschwommen erinnern zu können. »Hm. Na schön, dann bestell ich halt neue. Brauchst du noch was?«

»Einen Sixer Energys mit Cranberry wäre nett.« Ich setze mich und ziehe mir den Anzug über die Füße. »Ich mach heut `ne Weile.«

Jodie mustert meine Deckenaufhängung und nickt. »Sieht ganz schön gefährlich aus. Hast du denn schon Sponsoren, damit sich die Sache lohnt?«

»Nein«, seufze ich. »Aber die kommen sicher bald. Das erste Video ist eingeschlagen wie eine Bombe.«

»Hab ich gesehen.« Sie grinst und schiebt mir die Slider-Schuhe rüber. Da sie selber Youtuberin und Gamerin ist, kann sie meine Leidenschaft gut nachvollziehen. Genau genommen ist sie sogar erfolgreicher als ich, denn sie kommt ursprünglich aus der Marketingbranche und hat daher einiges auf dem Kasten, wenn es um Vermarktung und Gewinnoptimierung geht. Im Gegensatz zu mir spielt sie aber eher Simulatoren wie The Sims, Assetto Corsa Competizione, The Hunter oder Cities Skyline. Nichts davon ist für mich interessant, daher kommen wir uns nur selten in die Quere. Ach ja, außerdem hat sie einen Youtube-Kanal für Klamotten und Schminkkram, von dem ich nur zwei Videos kenne. Alles, was ich davon mitkriege, sind die tagtäglich eintrudelnden Produkttesterpakete und dass sie alle drei Tage aussieht, als würde sie auf eine Gala gehen. Von dem Testkram ist allerdings gut achtzig Prozent Schrott, weshalb sie ihn anschließend unter ihren Zuschauern verlost, um noch mehr Likes und Kommentare zu generieren und keine Steuern drauf zahlen zu müssen. Ja, die Frau ist gerissen, das muss man ihr lassen.

»Streamst du diesmal live?«, fragt sie und schaut sich die Box meiner Kontaktlinsen an.

»Ja«, antworte ich, »Bin schon gespannt, wie das läuft.« Als sie mir dafür meine Facecam reichen will, winke ich jedoch ab. »Die brauche ich nicht. Das Spiel überträgt mein Gesicht durch die Maske eins zu eins auf den Avatar.«

»Hm ... na, wenn du meinst. Aber denk dran, deine Zuschauer regelmäßig auf Spenden und Abos aufmerksam zu machen! Du brauchst die und vergisst das immer. Außerdem solltest du unbedingt nach Möglichkeiten für Unterstützungsaktionen Ausschau halten. In Venglar gibts sicher genug davon. Such dir irgendwelche kleinen Challenges, bei denen dich die Leute motivieren können, etwas gegen Spenden zu machen – das bindet sie ein, bringt dir einen Haufen Kohle und steigert die Interaktion mit deinen Zuschauern auf eine Weise, die sich für dich lohnt.«

»Ja Chefin«, stöhne ich und rolle mit den Augen, denn sowas hasse ich.

»Was? Ich will dir nur helfen!«, verteidigt sie sich und bewirft mich mit einer herumliegenden Socke, ehe sie rausgeht. »Na dann, viel Spaß. Ich stell dir den Sixer nachher vor die Tür.«

»Klasse. Danke Sweety.« Jetzt bin ich noch aufgeregter als vorher.

Sobald ich die enganliegenden Stoffschläuche über meine Beine ziehe, spüre ich ihn. Den Nervenkitzel und die Neugierde auf das, was mir bevorsteht. Fünf bis sechs Stunden Gameplay in dieser geilen Welt, die ich eigentlich nie betreten wollte, und jetzt freue ich mich darauf, wie ein ausgetrockneter Frosch auf eine Pfütze ... selbst, wenn diese voller Dreck, Mücken und Bakterien ist.

Schöner Vergleich. Muss ich mir merken.

Das Material kribbelt auf meiner Haut, fast als wäre es aus Glaswolle. Wenn man den Stoff zwischen zwei Fingern reibt, spürt man die feinen Drähte in den Fasern richtig und ich frage mich unweigerlich, wie heiß, kalt oder schmerzhaft die werden können. Immerhin werden die sich haftungstechnisch nicht umsonst so abgesichert haben.

›Wie auch immer ... heute werde ich es herausfinden. Zumindest sechzig Prozent davon.‹

Ich schlüpfe in meine Slider-Schuhe, die eigentlich eher feste Socken sind, und sobald ich mir mithilfe des automatischen Applikators die Kontaktlinsen eingepfropft und die Maske übergezogen habe, schalte ich die Konsole ein und verbinde sie via Bluetooth mit meinem PC. Noch während ich die Halterungen der Deckenverankerung in den eingearbeiteten Taillengurt einhake, flimmert die Welt um mich herum, dann bin ich zurück.

Ich starte den Live-Stream.

Motorengeräusche, Gewittergrollen, Schlagzeug, uuuuund ...

>Düdüdeldüdümmm Düdüdeldüdümmm schnüdeldüüdümm düdeldümmm ...‹

Ohne, dass ich irgendwas dagegen machen kann, wippt mein Kopf zu der poppigen Mucke mit und die Neonstrahler verpassen mir einen High End Disco Vibe, der unglaublich Bock macht, einfach loszutanzen. Gleichzeitig sehe ich, wie sich immer mehr Zuschauer einloggen, also lege ich mit der Moderation los.

»Guuuten Moinsen, ihr wunderschönen Menschen da draußen«, rufe ich vorfreudig ins Nirvana und kann es nicht lassen, mit den Füßen zur Musik über den Boden zu rutschen. »Ist das ein geiles gute Laune Intro oder was?! Man kann ja über das Spiel sagen, was man will, aber die Mucke hat was!«

So langsam ebbt die Musik ab und wird durch passende Umgebungsgeräusche ersetzt. Etwas scheppert metallisch auf der Müllkippe, ich höre den Beat eines Clubs aus der nicht weit entfernten Stadt und ab und zu flucht jemand. Vermutlich andere Spieler, die sich an irgendwas die Zehen stoßen.

Ich wische auf meinem V-Com herum, um mir die Umgebungskarte anzusehen. Dabei entdecke ich, dass mich die Anpassung meiner Person bereits auf Level zwei katapultiert hat und dass ich mir eine Reihe von Musik für jede Gelegenheit auf meine kleine Armkonsole laden kann. Das tue ich natürlich postwendend, damit ich etwas habe, das ich in passenden Momenten abspielen kann. Ich liebe solchen Schnullikram und wenn ich mal was ganz besonders geil finde oder gewinne, möchte ich auch, dass ein pornöser Winner-Elektrochillstepmix erklingt, zu dem ich eine Runde dancen kann!

»Na dann, wollen wir mal!« Ein direktes Anlaufziel hab ich zwar nicht, aber da wird sich sicher noch was finden.

Mein Herz schlägt schneller, als ich loslaufe und mich auf dem postapokalyptischen, bemoosten Schrottplatz umsehe, auf dessen Bergen ich einige User herumwühlen sehe.

»Wie es aussieht, kann man sich hier noch ein paar Teile zusammensuchen? Ist vermutlich nicht die schlechteste Idee, angesichts der Schweinepreise für Ausrüstung und Waffen.«

Ich schiebe das Overlay meiner Livestream-Chatbox in den rechten Bereich meines Sichtfeldes. Erwartungsgemäß überschlagen sich die Leute bereits, mit Grüßen, Nachrichten an mich, mehr oder weniger hilfreichen Tipps, und Beleidigungen. Doch zum Glück sehe ich immer nur die neuesten drei Zeilen und muss daher nur auf die Dinge eingehen, die mich interessieren.

»Bin wirklich gespannt, wie das hier so läuft mit den Quests und allem«, rede ich einfach mal so vor mich hin und werde direkt angemacht, ob ich so dumm war, mir vorher keine Hilfestellung angesehen zu haben. »Nein, ich hab mich absichtlich nicht vorab belesen oder mir Walkthroughs angeschaut«, gebe ich direkt zu. »Ich will das Game einfach selbst erleben, ohne mich von anderen beeinflussen zu lassen – also seht es mir nach, wenn ich mir hier und da ein paar üble Fails leiste. Habt ihr wenigstens was zu lachen.«

Einige Antworten fallen mir dazu direkt ins Auge:

»Ja, mach bitte `ne Menge Fehler, damit wir sie nicht machen XD Ich will das auch endlich zocken!«

»Haha, viel Spaß mit der Schrott-Rüstung, Noob5! Du wirst so abkacken! RIP!«

»Nimms locker. Die legendären Belohnungen bekommst du eh nicht, die schnappen sich die krassen Venglar-Spezis alle vor dir weg.«

Wieder ein ganz besonders netter Haufen.

»Hey, entspannt euch! Ich muss mich erst mal einfinden. Sobald ich die Basics geschnallt hab, gehts hier richtig ab und dann fressen alle anderen meinen Staub!«

Wer mich kennt, weiß, dass ich das ironisch meine, und ich denke, man hört es auch am amüsierten Unterton in meiner Stimme. Außerdem haben sich die meisten von ihnen meine imaginäre Face-Cam eingeblendet und sehen dadurch meine grinsende Mimik, denn die wird ja dank der Vollkopfmaske eins zu eins auf meinen Avatar übertragen.

Während ich auf mein vermeintliches Ziel zulaufe, halte ich bereits links und rechts nach zusätzlichen Gadgets Ausschau, aber hier scheint schon alles abgegrast worden zu sein.

»Ich komm mir grad vor wie beim Pilze suchen«, bemerke ich feixend. »Irgendwie waren die anderen da auch immer schneller und alles, was ich noch gefunden habe, waren abgeschnittene Stiele.«

Im Chat wird gelacht. Soll mir recht sein. Gute Stimmung auf meine Kosten ist mir lieber als Sticheleien.

Der Boden des Weges, den ich entlanglaufe, ist aus rissigem Beton, überwuchert von fluoreszierendem Moos, das wie giftige Zuckerwatte aussieht. Links von mir ragen zerfallene Wolkenkratzer in den verhangenen Himmel, welcher von unzähligen Hologrammen durchzogen wird, die Werbung für Waffen, Kyber6 Upgrades oder riskant wirkende Allianzen zeigen.

Ein eisiger Wind weht durch die Ruinen und lässt mich tatsächlich frösteln, denn der Anzug überträgt Welle um Welle der Kälteschwaden auf meinen Körper.

›Vielleicht hätte ich die Heizung noch etwas höher drehen sollen.‹

Das Geräusch von surrenden Drohnen und dem fernen Grollen eines nichtmenschlichen Rudels dringt an meine Ohren. Ich fühle ihr Echo regelrecht auf meiner Haut vibrieren und das aus dieser Entfernung!

›Wie es wohl ist, wenn ich hier von etwas angegriffen werde? Wenn ich spüre, wie mich irgend so ein mutiertes Vieh beißt, könnte das richtig traumatisch enden ...‹

Manchmal ist es wahrscheinlich gar nicht so geil, Dinge derart real zu erleben. Mal gut, dass die Pelle am Arsch keinen nach innen ausfahrbaren Dildo eingebaut hat. Zumindest hoffe ich das ...

»Ich glaub, dieser Anzug ist echt Fluch und Segen zugleich«, murmele ich vor mich hin und erklimme eine Anhöhe. »Mir frieren ja hier schon die Eier ab. Wie soll das erst werden, wenn ich in irgendwelche Katakomben muss oder in eine Eiswüste?! ... Gibts hier sowas?«

Mein Chat hilft mir weiter: »Du musst dich passend zu jeder Aufgabe neu ausrüsten, sonst schaffst du keine einzige«, antwortet einer, der etwas netter zu sein scheint, und »Irgendwann nach 100-150 Quests hast du dann das passende Equipment für alles und brauchst dich nur noch selbst leveln« ein anderer.

Wo wir wieder beim Thema Investitionen wären.

»Oh Mann. Na ja, aktuell hab ich nur eine Basisausrüstung«, gebe ich zu. »Mehr war nicht drin.«

Ich öffne mein Interface. Meine Armierung ist genauso erbärmlich, wie der Chat vermutet, aber ich beschließe, alles preiszugeben: Eine Brustplatte aus Stahl, ein einzelner Cyberarm zum Aufschnallen, der aussieht, als hätte er schon drei Besitzer hinter sich, und meine kinetische Armbrust, die vermutlich nicht mal eine Banane aufspießen könnte. Perfekt für den Einstieg in diese Hölle.

»Tja, was solls«, witzle ich und lasse die Achseln zucken. »Dann ist heut wohl ein guter Tag zum Sterben, würd ich mal sagen ...«

»Hey Neuer, laberst du gern mit dir selbst?«, ruft mir plötzlich jemand zu und ich entdecke einen Typen, der mehr Maschine als Mensch zu sein scheint. Er lehnt sich an die Absperrung der Müllkippe und raucht irgendwas, das pinken Qualm in die Luft befördert. Schade, dass es im System keine Geruchsübertragung gibt ... obwohl. Nein, eigentlich ist das ganz gut so! »Wenn du hier nicht nur dumm rumstehen und mit dir selber Spaß haben willst, geh mal rüber zu Valley, die hat noch ein paar Aufgaben übrig, die einer wie du schaffen sollte.«

»Okay, mach ich.« Ich gehe davon aus, dass der Kerl ein NPC ist, denn er trägt keinen Rucksack, soweit ich das erkennen kann, und der Info-Circle fehlt ihm ebenfalls. »Wo finde ich Valley?«

»Da vorne am Bunker«, er deutet auf einen großen, grauen Kasten. »Kannst sie nicht verfehlen, außer du hast`n krassen Rechtsdrall.«

»Nein, hab ich nicht«, giggle ich und hebe die Hand. »Danke!«

Seine lockere Art und dieses freie Sprachsystem sind echt verdammt gut gemacht.

Es dauert nur eine Minute, bis ich die Dame gefunden habe, von der er sprach. Sie hockt vor dem Eingang, kratzt sich mit einer Antenne was aus der Schuhsohle und flucht dabei leise. Sieht aus, als wär sie in fluoreszierende Kacke getreten.

»Hey«, spreche ich sie an und sie schaut auf, wobei ich ihr kybernetisches Auge bemerke, das in einem stetigen Pink pulsiert. Offenbar haben alle NPCs hier irgendwas Pinkes, an dem man sie erkennen kann. »Der Typ da hinten meinte, du verteilst Aufgaben?«

»Ja«, grummelt sie und schwingt ihr futuristisches Gewehr zurück, das aussieht, als könnte ich es mir die nächsten drei Jahre nicht leisten. »Als erstes kannst du mir mal die Quiddlerscheiße aus der Sohle lecken! Dafür geb ich dir sogar zehn EP und `nen Coin in die Nille!«

»Äh ... nein danke, das ist dann doch außerhalb meiner Komfortzone.«

Ich lese gar nicht erst, wie mich der Chat in diesem Augenblick beschimpft, aber Feigling ist dabei sicher einer der netteren Begriffe.

»Oho, ein Krieger mit Stolz im kleinen Finger«, spöttelt Valley und spreizt ihren ab, »und ein lahmarschiger noch dazu!«

»Warum lahmarschig?«, hake ich nun doch mal nach, denn es ist vormittags und ich bin ja erst seit wenigen Minuten im Spiel.

»Weil die besten Aufträge schon ausgelootet sind, du kleine Schnarchnase!« Dabei tippt sie mir an die Stirn, was ich ebenfalls spüre. »Die richtig geilen Belohnungen warten nicht auf dich! Zukünftig stehst du besser am ersten des Monats bei einem von uns auf der Matte, und zwar um Punkt Mitternacht!

---ENDE DER LESEPROBE---