Therese von Thurn und Taxis - Carolin Philipps - E-Book
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Therese von Thurn und Taxis E-Book

Carolin Philipps

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Beschreibung

Die Frau, die mit Napoleon verhandelte Therese von Thurn und Taxis (1773 – 1839), Schwester der Königin Luise von Preußen und Patentante Königin Thereses von Bayern, trat durch ihre Heirat mit Prinz Karl Alexander in die Familie des kaiserlichen Postunternehmens ein. Nach dem Zusammenbruch des Deutschen Reiches 1806 war es Therese, die versuchte, das Vermögen zu retten, indem sie in Paris mit Napoleon verhandelte. Seinen Ausspruch: »Die Fürstin ist der einzige Mann im Hause Thurn und Taxis!« kann man durchaus als Kompliment werten. Carolin Philipps gelingt es, diese hochinteressante Frau mit all ihren Facetten darzustellen.

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Inhalte fremder Webseiten, auf die in diesem E-Book hingewiesen wird, macht sich der Verlag nicht zu eigen und übernimmt dafür keine Haftung.

Inhalt

Inhaltsübersicht

Cover & Impressum

Prolog

I. Kindheit und Jugend (1773 – 1788)

1. Familienleben in Hannover und Darmstadt

2. Erziehung zwischen Rousseau und Romanlektüre

II. Drei Heiratsanträge, zwei Eheverträge, eine Hochzeit (1786 – 1789)

1. Erste Begegnungen

2. Ehepaktverhandlungen und ein Geständnis

3. Zwei Heiratsverträge

4. Irrungen und Verwirrungen

5. Ein dritter Heiratsvertrag, Verlobung und Hochzeit

III. Abschied und Neuanfang (1789 – 1795)

1. Glanz und Gloria

2. Jahrhundertealte Rituale gegen die Macht der Revolution

2.1. Audienzen und Krönungen

2.2. Volksaufstände und die Angst der deutschen Fürsten

3. Freud und Leid

IV. Leben zwischen Krieg und Hoffnung auf Frieden (1796 – 1804)

1. Gefangen im Kräftespiel der Mächte

1.1. Flucht und ein erster Hoffnungsschimmer

1.2. Prinzipalkommissar Karl Alexander

1.3. Ein Skandal und seine Folgen

1.4. Frieden von Campo Formio

1.5. Reichsfriedenskongress und neue Schlachten

1.6. Verluste, Entschädigungen und zwei neue Kaiser

2. Sehnsucht nach verlässlichen Vertrauten

2.1. Vertrautheit durch Erinnerungen und neues Kennenlernen

2.2. Doppelte Freude und geteiltes Leid

2.3. Bildungshunger und Lebenspläne

2.4. Skandale

2.4.1. Eine verbotene Liebe

2.4.2 Georg und die Illuminati

2.5. Familienfeste

2.6. Therese und Karl Alexander – Bilanz einer 15-jährigen Ehe

2.7. Selbstbestimmung und Unterordnung

2.7.1. Frau von Lenthe

2.7.2. Frauenbilder der anderen Art

2.7.3. Heimlichkeiten und Misstrauen

V. Zusammenbruch und Neuanfang (1805/1806)

1. Unruhige Zeiten

2. Verhandlungen und Geheimnisse

3. Glück, Verzweiflung und keine Hoffnung in Sicht

4. Sehnsucht nach dem Land, in dem die Orangen blühen

VI. Verhandlungen, eine Ehekrise und geheime Kammern (1807/1808)

1. Zwillinge und eine Fast-Scheidung

2. Verhandlungen mit Napoleon

2.1. Luise und der »Höllenmensch«

2.2. Therese in Paris

3. Die Fürstin, »unsere Hauptstütze«

3.1. Geheime Kammern und ihre Folgen

3.2. Freuden, Sorgen und Geheimnisse

3.3. In diplomatischer Mission

VII. Freude, Leid und Tod (1809 – 1811)

1. Der fünfte Koalitionskrieg

2. Familiengeschichten

3. Flucht nach Paris

4. Luises Tod, Bekenntnisse und eine Erpressung

5. Erinnerungen, Röschen und Napoleon

VIII. Alte Strukturen und neue Wege (1812 – 1815)

1. Russlandfeldzug, eine Hochzeit und die Völkerschlacht bei Leipzig

2. Wiener Kongress

IX. Rückzug ins Privatleben (1816 – 1839)

1. Hoffnungen und Enttäuschungen

2. Abschied, neues Leben und Muttersorgen

3. Fürsorge im Verborgenen

4. Zwei Todesfälle und zwei Hochzeiten

5. Leben als Witwe

Dank

Bildteil

Quellen- und Literaturverzeichnis

Primärquellen (ungedruckt)

Primärquellen (gedruckt)

Sekundärliteratur

Bildnachweis

Anmerkungen

Anmerkungen

Buchnavigation

Inhaltsübersicht

Cover

Textanfang

Impressum

Prolog

»Ihre Würde ist es, nicht gekannt zu sein; ihre Ehre ist die Achtung ihres Mannes; ihre Freuden liegen im Glück ihrer Familie«,

 

schrieb Jean-Jacques Rousseau in seinem auch zu Thereses Zeiten schon berühmten Erziehungsroman »Émile oder Über die Erziehung« bezüglich der Rolle der Frau und stellte seinen männlichen Lesern die Frage: »Was gibt euch eine bessere Meinung über eine Frau beim Betreten ihres Zimmers, was lässt euch ihr mit größerem Respekt entgegentreten, wenn ihr sie mit Arbeiten ihres Geschlechts beschäftigt seht, mit Hausfrauenpflichten, die Sachen ihrer Kinder um sie herum, oder wenn ihr sie beim Verseschreiben am Toilettentisch antrefft, umgeben von Broschüren jeder Art und kleinen Briefchen in allen Farben? Gäbe es nur vernünftige Männer auf Erden, so müsste jedes gelehrte Mädchen sein Leben lang Mädchen bleiben.«[1]

Nach diesem Rollenbild war auch Therese von Thurn und Taxis erzogen worden. Und doch wird sie oft als »einziger Mann« im Hause Thurn und Taxis bezeichnet.[2]

Die Wahrheit liegt wie so oft in der Mitte, denn Thereses persönlicher Weg verlief anders als der für Frauen vorgesehene. Es begann bereits damit, dass der Vater ihr mit 14 Jahren die Entscheidung überließ, ob sie den Antrag des Erbprinzen von Thurn und Taxis annehmen wollte oder nicht. Als Frau des Prinzipalkommissars stand sie nach der Hochzeit in Regensburg von Anfang an im Fokus des Interesses, gefördert von ihrem Schwiegervater, der erkannt hatte, dass sein Sohn nicht konfliktfähig war und eine starke Frau an seiner Seite brauchte, unterstützt von ihrer Oberhofmeisterin, die Therese zum Idealbild einer hochgebildeten, den Männern ebenbürtigen und geschäftstüchtigen Frau formen wollte.

Sie wuchs in diese neue Rolle hinein, übernahm Verantwortung, gerade in Zeiten, in denen das Haus Thurn und Taxis dem Untergang nahe war. Ihr Mann und die Geheimen Räte in Regensburg erkannten Thereses Verdienste an, bezeichneten sie als »unser Hauptgeschäftsführer«[3], griffen sie aber auch an, weil sie sich nicht, so wie es von ihr erwartet wurde, unterordnen wollte, sondern ihre eigenen Entscheidungen traf. Für Therese war das ein ständiger Balanceakt, voll bitterer Erfahrungen auch im privaten Bereich, denn letztlich hatte sie als Frau den Anweisungen ihres Mannes zu gehorchen.

Schöne, kluge und charmante Frauen haben zu allen Zeiten Kritiker auf den Plan gerufen, an Therese von Thurn und Taxis haben sich einige von ihnen besonders abgearbeitet. Sie sei »militant protestantisch« aufgetreten, habe zahlreiche Geliebte gehabt, ein Leben zwischen »Betstuhl und Bettstatt« geführt[4], warf man ihr vor. Es bleibt ein ewiges Rätsel, wie manche Autoren ohne wahre Kenntnis der Personen, über die sie schreiben, ihre Urteile fällen. Urteile, die den Namen nicht verdienen, weil sie aus Nichtwissen, Halbwissen und Unwahrheiten entstanden sind.

»Mein Freund, die Zeiten der Vergangenheit

Sind uns ein Buch mit sieben Siegeln.

Was ihr den Geist der Zeiten heißt,

Das ist im Grund der Herren eigner Geist,

in dem die Zeiten sich bespiegeln«,

sprach Goethes Faust zu seinem Schüler Wagner. Um dieses »Buch mit sieben Siegeln« einen Spaltbreit zu öffnen und einen realistischen Blick auf den Geist der jeweiligen Zeit und die dort lebenden Menschen werfen zu können, muss man in die Archive gehen und die Briefe der betreffenden Menschen lesen, sich durch ihre eigenen Worte in ihre Gedanken- und Gefühlswelt hineinversetzen. Meine Suche nach einem Zugang in die Gefühls- und Gedankenwelt der Therese von Thurn und Taxis führte mich über drei Jahre in die Archive von Darmstadt, München, Regensburg und Schwerin. Allein in der Briefsammlung in Schwerin fanden sich Tausende Seiten bislang nicht ausgewerteter Originalbriefe Thereses an ihren Vater und ihren Bruder Georg, die neben anderen Quellen die Basis dieser Biografie bilden.

 

Therese hat ihren Bruder Georg immer wieder aufgefordert, ihre Briefe an ihn zu verbrennen, damit sie nicht in falsche Hände gerieten. Auch ihre Schwestern ließen sich ihre Briefe an die Geschwister zurückgeben, um sie zu vernichten, denn der Gedanke, »eine so vertraute Correspondence könne auf die Nachwelt kommen und durch irgendeinen gefälligen Papiernarren oder Archiv-Forscher, wenn auch erst in hundert Jahren, gedruckt erscheinen, mir höchst unangenehm war«, schrieb Thereses Schwester Friederike kurz vor ihrem Tod.[5]

Natürlich habe ich mich bei diesen Worten angesprochen gefühlt. Aber ich denke auch, Therese hätte nichts dagegen gehabt, dass ihre Briefe nun doch gelesen wurden, da so das Buch der Vergangenheit mit den sieben Siegeln geöffnet werden und jenseits der Vorurteile über sie ein Bild ihres Lebens entstehen konnte, das dieser in jeder Hinsicht bemerkenswerten Frau gerecht wird.

I. Kindheit und Jugend (1773 – 1788)

1. Familienleben in Hannover und Darmstadt

»Empfehlungen mache von mir an die ganze von mir so geliebte Stadt Hannover und an alle ihre Einwohner, die sich meiner erinnern.«

 

Diese dringliche Bitte schrieb die 14-jährige Therese am 2. Mai 1787 aus Darmstadt an ihren 8-jährigen Bruder Georg in Hannover. Er sollte vor allem den »geliebten Karl«, ihren knapp 2-jährigen Halbbruder, und einige ihr nahestehende Mitglieder des Hofstaates grüßen, außerdem »ans ganze Haus, nochmal an ganz Hannover, an alledem, was ich gerne hätte und liebe, vergesse niemand, ich bitte dich«.[6]

Zu diesem Zeitpunkt wohnte Therese bereits seit einem Jahr mit ihren zwei jüngeren Schwestern in Darmstadt bei ihrer Großmutter, während ihre beiden Brüder beim Vater in Hannover geblieben waren, wo Karl von Mecklenburg-Strelitz (1741 – 1816) seit 1768 Militärgouverneur im Namen seines Schwagers, des englischen Königs Georgs III., war. Therese vermisste allerdings weniger die Stadt und deren Einwohner als vielmehr die Zeit, in der sie mit ihren Eltern und ihren insgesamt fünf Geschwistern dort noch glücklich zusammenleben konnte, bevor der Tod von Mutter und Stiefmutter und die Heirat ihrer ältesten Schwester die Familie auseinanderriss.

Die Ehe ihrer Eltern gehörte zu den eher seltenen Ausnahmen in einer Zeit, in der eine solche Verbindung zumeist aus machtpolitischen Erwägungen der Verwandten geschlossen wurde und vor allem die betroffenen Frauen keinerlei Mitspracherecht hatten. »Von ihrer bescheidenen Mutter hat sie die Grazie, die Augen voller Geheimnis.« So beginnt das selbst geschriebene Gedicht über die erste Begegnung, das Thereses Vater seiner Frau Friederike von Hessen-Darmstadt zur Hochzeit schenkte. Er beschreibt in französischen Versen, wie sie errötete und er sich fragte, ob sie das Feuer der Leidenschaft in ihm bemerke, und wie sich dann ihre Blicke fanden. Das Gedicht ist in einer Abschrift Friederikes vom Original erhalten, die sie ihrem Mann zum ersten Hochzeitstag geschickt hatte, damit er sich »immer an die erinnert, der er das Gedicht geschenkt hat und die keine größere Freude in ihrem Leben kennt, als sein Leben zu sein«.[7]

Therese Mathilde Amalie wurde am 5. April 1773 im Alten Palais in Hannover geboren, ihre ältere Schwester Charlotte (1769 – 1818) war zu diesem Zeitpunkt dreieinhalb Jahre alt. Die beiden Kinder, die dazwischen geboren wurden, starben bereits im Kleinkindalter. Insgesamt brachte die Mutter in 14 Ehejahren zehn Kinder zur Welt, von denen fünf überlebten, neben Charlotte und Therese, Luise (1776 – 1810), Friederike (1778 – 1841) und Georg (1779 – 1860).

In Hannover war die Familie Teil einer Gesellschaft, die von der strengen, steifen Etikette des englischen Hofes geprägt war. Trotzdem gelang es der Mutter, ein Familienleben aufzubauen, das eher an das fröhliche, unkonventionelle erinnerte, welches sie aus ihrer Heimat in Darmstadt gewohnt war. Geburtstagsfeste wurden mit kleinen Theateraufführungen im Familienkreis gefeiert. So zum Beispiel am Geburtstag der Mutter am 20. August 1779 ein Stück, in dem die 3-jährige Luise als Amor, ihre beiden älteren Schwestern Charlotte und Therese als Vestalinnen auftraten.[8]

Von Therese liegen uns zwei sorgfältig in deutscher Kurrentschrift[9] auf einem Schmuckblatt verfasste Briefe vor, die sie mit sieben Jahren an ihre Mutter geschrieben hat:

 

»Dank und Liebe

Sind die Triebe

Die mein Herz darbringt

Sei so glücklich

Als mich lieblich

Deine Gnad durchdringt

Mathilde«[10]

 

»Liebe Mutter,

ich liebe Dich von ganzem Herzen,

gratuliere zu Deinem mir so angenehmen Geburtstag und freue mich der Gesundheit meines lieben Schwesterchens.

Therese«[11]

 

Ihre Mutter überlebte die Geburt des zehnten Kindes nicht. Sie starb am 22. Mai 1782 mit knapp 30 Jahren, und so war Thereses Vater mit 40 Jahren Witwer mit fünf Kindern im Alter zwischen zwei und zwölf Jahren. Zwei Jahre später heiratete er Charlotte, die jüngere Schwester seiner verstorbenen Frau, die den Kindern von den Besuchen in Darmstadt vertraut war. Geheimrat Johann Heinrich Merck aus Darmstadt kommentierte: »Wir glauben hier alle einmütig, daß sein Herz in einer platonischen Freundschaft befangen gewesen [ist].« Wenn er nur für sich zu entscheiden gehabt hätte, wäre diese Vermählung wohl nicht geschehen. Aber da waren seine Kinder, die eine Mutter brauchten.[12]

Das Jahr 1785 brachte erneut große Veränderungen. Die 15-jährige Charlotte erhielt im Juni ein Schreiben, in dem Prinz Joseph von Sachsen-Hildburghausen, ein Großonkel, im Namen seines Neffen um ihre Einwilligung zur Hochzeit bat. Es war eine arrangierte Ehe, denn Karl von Mecklenburg-Strelitz hatte vier Töchter, die er möglichst vorteilhaft verheiraten musste. Für die Geschwister stand damit ein weiterer Abschied bevor. Bereits drei Monate später verließ Charlotte ihre Familie, um im mehrere Hundert Kilometer entfernten Hildburghausen den 22-jährigen Friedrich von Sachsen-Hildburghausen zu heiraten, einen Mann, von dem sie nicht mehr als den Namen kannte.

Im Dezember starb auch die zweite Frau Karl von Mecklenburg-Strelitz’ bei der Geburt ihres einzigen Kindes Karl (1785 – 1837). »Ihr Mann ist mehr tot als lebendig. Ich bedaure ihn von ganzer Seele. Zwei Frauen, die im Wochenbett sterben«, schrieb die neue Erzieherin Salomé de Gélieu.[13]

Der Vater entschied sich daraufhin, seine jüngeren Töchter mit der Erzieherin nach Darmstadt zu schicken, damit sie im Stadtpalais bei der verwitweten Großmutter aufwuchsen. Seine beiden Söhne behielt er zunächst in Hannover, bevor er mit ihnen 1787 auch nach Darmstadt zog. Er wusste aus eigener Erfahrung, dass sie dort die Geborgenheit finden würden, die er ihnen allein nicht bieten konnte.

Um 1780 hatte sich der Schriftsteller Johann Kaspar Riesbeck eine Weile in Darmstadt aufgehalten und war auch Gast bei den Großeltern Thereses gewesen, dem Prinzen Georg Wilhelm von Hessen-Darmstadt und seiner Frau Maria Luise Albertine zu Leiningen-Dagsburg-Falkenburg, »Prinzessin Georges« genannt. Riesbeck hielt dabei Folgendes in seiner Reisebeschreibung über seinen Besuch fest: »Es schwinden hier die Tage unter beständiger Abwechslung von stillen Vergnügungen. Die Zeit verfliegt unbemerkt bei so gesellschaftlichem Leben; denn in Wahrheit kann man unter seinesgleichen nicht viel gesellschaftlicher und ungezwungener leben als unter dieser zahlreichen fürstlichen Familie […] Und wie diese fürstlichen Personen wechselweise miteinander umgehen, daran sollten sich viele Familien ein Beispiel nehmen. Es ist ein wahres Muster von freundschaftlichem und liebevollem Betragen, eine Folge der Güte des Herzens, womit diese Familie beglückt zu sein scheint.«[14]

Im Mittelpunkt dieses Familienlebens stand Thereses Großmutter, temperamentvoll und sehr redselig, sodass in Darmstadt die Redensart entstand: »Sie schwätzt wie Prinzessin Georges.« Sie hatte selber eine Kindheit ohne den Zwang der höfischen Etikette erlebt und erzog ihre Kinder und Enkel nach der Maxime: »Freudigkeit« ist »die Mutter aller Tugenden«.[15]

Als ihre Enkelinnen im Mai 1786 nach Darmstadt kamen, war Prinzessin Georges Mitte 50 und seit drei Jahren Witwe. Sie lebte weiterhin zusammen mit ihrer jüngsten Tochter Auguste und ihrem Sohn Georg, dem Lieblingsonkel der Kinder, im Alten Palais am Marktplatz, das die Kinder aus früheren Besuchen bereits kannten und das nun für sie zur neuen Heimat wurde. In ihren späteren Briefen spiegelt sich die große Dankbarkeit der Schwestern gegenüber dieser Frau wider, die ihnen die beiden verstorbenen Mütter ersetzte. »Chère Maman« und »Mabuscha« nannten sie sie. Luise schrieb ihr 1803 nach einem Besuch mit den Schwestern in Darmstadt: »Ich war im lieben Darmstadt, ich kam bei dem lieben Palais vorüber, und tausend köstliche Erinnerungen und die vollkommenste Dankbarkeit erfüllten mein Herz. Ich war so gerührt beim Anblick dieser teuren Stätten und bei dem Gedanken an Ihre Güte und an Ihre Fürsorge, daß ich in Tränen das Schloß erreichte.«[16] Zu diesem Zeitpunkt lebte die Großmutter schon nicht mehr dort. Karl von Mecklenburg-Strelitz hatte sie 1794, nachdem er in der Nachfolge seines Bruders Herzog geworden war, auf sein Schloss nach Neu-Strelitz geholt, wo sie ihren Lebensabend verbrachte.

2. Erziehung zwischen Rousseau und Romanlektüre

»Denn wir können die Kinder nach unserm Sinne nicht formen;

So wie Gott sie uns gab, so muß man sie haben und lieben,

Sie erziehen aufs beste und jeglichen lassen gewähren.

Denn der eine hat die, die anderen andere Gaben;

Jeder braucht sie, und jeder ist doch nur auf eigene Weise

Gut und glücklich.«

 

Als Luise diese Verse aus Goethes »Hermann und Dorothea« Jahre später hörte, rief sie, ihre Großmutter habe früher genauso zu ihrer »immer mäkelnden« Gouvernante gesprochen, die schon nach wenigen Wochen entlassen wurde, weil sich ihre Enkelinnen wegen ihrer strengen Erziehungsmethoden beklagt hatten.[17]

Die neue Erzieherin Salomé de Gélieu erfüllte schon viel eher die Vorstellungen der Großmutter. Sie war eine Anhängerin von Jean-Jacques Rousseaus »natürlicher Erziehung«, bei der nicht gesellschaftliche Konventionen oder andere Prinzipien im Vordergrund standen, sondern die Erziehung nur den natürlichen Weg eines jeden Kindes begleiten sollte. Rousseau hatte das allerdings in seinem »Émile« nur für die Jungenerziehung vorgesehen. Für die Erziehung der Mädchen entwickelte er anhand der Figur der Sophie ein ganz anderes Konzept. Da war von dem »Zwang« die Rede, an den sich die Mädchen frühzeitig gewöhnen müssten, davon, dass sie ihre eigenen Wünsche unterdrücken und die Launen ihres Mannes ertragen müssten, denn ihr eigenes Glück bestand nur darin, ihren Mann glücklich zu machen. Sanftmut, Bescheidenheit, Freundlichkeit, Pflichtbewusstsein, Demut und Keuschheit: Das waren die Pfeiler für ein tugendhaftes Leben, das die Frauen führen sollten, »weil die Tugend den Ruhm der Frau ausmacht, und weil eine tugendhafte Frau ihr fast einem Engel gleich scheint; sie liebt sie als den einzigen Pfad wahren Glücks«.[18]

Nach der Hochzeit sollte der Mann die weitere Erziehung seiner Frau übernehmen, was Rousseau in den folgenden Sätzen veranschaulicht: »Ihre Erziehung ist weder blendend noch vernachlässigt; sie besitzt unverbildeten Geschmack, ungekünstelte Talente, Urteilsvermögen ohne Kenntnisse. Ihr Geist hat wenig Wissen, ist aber zum Lernen vorbereitet; das ist ein gut vorbereiteter Boden, der nur auf das Samenkorn wartet, um Früchte zu bringen […] Sie wird nicht der Lehrer ihres Gatten sein, sondern seine Schülerin; sie will ihn nicht ihren Neigungen unterordnen, sondern die seinigen annehmen. So wird sie ihm teurer sein, als wäre sie gelehrt; er wird die Freude haben, sie alles zu lehren.«[19]

Das Ziel der Erziehung von Töchtern war auch in Thereses Familie vorgegeben. Die Prinzessinnen mussten auf ihre zukünftige Rolle als Ehefrauen eines möglichst hochgestellten Prinzen vorbereitet werden. »In der Erziehung, die Luise und ihre Geschwister erhielten, spiegelt sich das ganze Spannungsfeld der Zeit wider: auf der einen Seite Förderung der natürlichen Entwicklung ohne Etikettenzwang, auf der anderen Erziehung zu einer festgelegten Rolle im gesellschaftlichen Leben, Erziehung zum selbstständigen Denken und gleichzeitig Akzeptieren von vorgegebenen, nicht anzuzweifelnden Regeln«.[20]

Basis des weiteren Unterrichts war die religiöse Erziehung im protestantischen Glauben, die von Lehrern mit einem theologischen Studium vorgenommen wurde. In Darmstadt war das Georg Andrea Frey, den Konfirmandenunterricht übernahm Pfarrer Lichthammer. Sie wollten ihren Schülerinnen vor allem ein grenzenloses Vertrauen in die Güte Gottes und Ergebenheit in seinen Willen vermitteln und darüber hinaus das selbstständige Streben nach einem tugendhaften Leben fördern.[21]

Konkret ging es im Unterricht nicht um die Vermittlung von Wissen über die Kirche oder über Luther und die Reformation, es ging darum, aus der Bibel und dem Katechismus Verhaltensregeln für ein tugendhaftes Leben zu gewinnen. Das Gottesbild, das die Kinder vermittelt bekamen, war das des gütigen, allmächtigen, allgegenwärtigen Gottes, der am Ende alles zu einem guten Abschluss bringt, auch wenn es anders ausfällt, als man es sich gewünscht hat. Voraussetzung war, dass man sich an seine Gebote hielt. Dieser Glaube führte bei allen Geschwistern zu einem unerschütterlichen Gottvertrauen, das sie auch in den schlimmsten Lebenskrisen nicht verloren. Gott schickte Prüfungen, die der Mensch bestehen musste, um daran zu reifen, aber er ließ nicht zu, dass man daran zugrunde ging. Thereses Schwester Luise formulierte diese Einsicht 1807 auf einem Tiefpunkt ihres Lebens in einem Brief an ihren Mann so: »Ich tröste mich noch mit meinem alten Prediger, der mir gesagt hat, wir seien nicht in den Händen des Zufalls. Ein Gott der Barmherzigkeit kennt unsere Gebete, ehe wir sie aussprechen, derselbe Gott kennt alle Haare, die vom Haupte fallen, und wir stehen nicht unter dem Willen der Willkür, sondern unter dem ewigen Ratschluß Gottes.«[22]

 

Der übrige Unterricht der Schwestern nahm nicht mehr als ein bis zwei Stunden am Vormittag ein. Er umfasste die Grundlagen im Schreiben, Lesen, Rechnen sowie rudimentäre Grundkenntnisse in Geschichte und Geografie. Außerdem gab es Zeichen- und Tanzstunden. Selbst den damaligen Modetanz, den Walzer, der bei vielen wegen des im Vergleich zu den üblichen Hoftänzen engeren Körperkontakts zwischen Mann und Frau als unmoralisch galt, durften sie lernen. Ihre Erzieherin hatte nichts dagegen, denn nach Rousseau sollten Frauen ruhig tanzen und fröhlich sein, weil eine fröhliche Frau für den Mann angenehmer war. Auch Französisch stand auf dem Stundenplan, das die Schwestern aber ohnehin als offizielle Hofsprache verstanden und sprachen. Im Unterricht lernten sie, es auch zu schreiben. Salomé de Gélieu war von Karl von Mecklenburg-Strelitz unter anderem deshalb als neue Erzieherin ausgewählt worden, weil sie in englischen Adelshäusern tätig gewesen war und seinen Töchtern Englisch beibringen konnte. Die Sprache hielt er für wichtig, da er vorhatte, eine seiner Töchter mit einem englischen Prinzen zu verheiraten.[23]

Der Unterricht wurde auch genutzt, um Verhaltensregeln einzuüben, zum Beispiel die Erziehung zu Respekt, Ehrerbietung und Dankbarkeit den Eltern gegenüber. Luise, deren Übungshefte als einzige überliefert sind, notierte dazu: »Unser ganzes Leben und auch schon, wenn sie in dem kühlen Grab liegen und ihre Knochen verfault sind, so sollen wir ihnen noch den Dank lassen, den sie so wohl verdient haben.«[24] Auch das Verhalten gegenüber den Geschwistern war ein Thema. »Ich nenne hier bloß Gefälligkeit, Nachgeben, Verträglichkeit, Liebe und Teilnehmung«, schrieb Luise auf. »Wir müssen uns unter einander die [Liebe] erweisen, die wir haben wollen, ob sie uns sehr viele Mühe kost oder nicht.«[25]

Nachmittags und abends wurden Briefe an den Vater oder die große Schwester Charlotte geschrieben, Handarbeiten gemacht, es wurde musiziert und gelesen. Die Großmutter ließ durch eine ihrer Kammerfrauen aus Predigten vorlesen, aber vor allem aus Romanen, die sie selber liebte, obwohl die meisten Erziehungsschriften davor warnten, da sie die Emotionen und die Leidenschaftlichkeit von jungen Mädchen anregen würden. Die Großmutter unterbrach daher ihre Vorleserin bei Stellen, die sie für unpassend für ihre Enkelinnen hielt, und rief in ihrem pfälzischen Dialekt: »Hüppe Se – hüppe Se, aber lege Se ä Zeeche nei!«, damit sie selber die Stelle später nachlesen konnte.[26] Täglich wurden Spaziergänge gemacht, und einmal im Jahr unternahmen sie eine mehrwöchige Reise. So ging es nach Broich, wo die Großmutter ein Gut besaß, oder nach Straßburg, wo ihre Tante Auguste mit Maximilian von Pfalz-Zweibrücken, dem späteren König von Bayern, verheiratet war. Im Sommer 1787 unternahm die Großmutter mit ihren Enkelinnen eine mehrmonatige Schifffahrt auf dem Rhein mit Besichtigungen der Städte Köln, Bonn und Mainz. Dabei wurden nicht nur berühmte Bauwerke bewundert, sondern auch Betriebe besucht, in denen Kinder arbeiten mussten.[27]

Oft erzählte die Großmutter auch von ihren Reisen nach Frankreich. Ihr Vater hatte dort einen großen Landbesitz, und so hatte sie ihre Eltern des Öfteren wegen Erbschaftsangelegenheiten nach Paris begleitet und war auch später mit ihrem Mann und den Töchtern dort gewesen. Sie erzählte von den vielen Salons, dem prachtvollen Schloss in Versailles, von dem König und der Königin Marie Antoinette, die sie kennengelernt hatte. Als neuester Modetrend galten dort zum Erstaunen der Mädchen 60 Zentimeter hohe, mit Drahtgestellen gestärkte Frisuren auf dem Kopf der Frauen, verziert durch Schiffsmodelle, Blumengestecke oder Federn.[28]

Die Kinder hörten fasziniert zu und konnten den beschriebenen Reichtum kaum fassen. Zwar wuchsen sie im Vergleich zu anderen Kindern privilegiert auf, doch stellte die Erzieherin bei ihrer ersten Begegnung fest, dass die Mädchen Kleider aus »einfachem bedrucktem Kattun« trugen, die mehrfach verlängert worden waren, und die Jüngeren trugen die zu klein gewordenen Kleider der Älteren auf.[29]

Von den aktuellen Diskussionen der Philosophen wie Montesquieu und John Locke, die die Gleichheit aller Menschen und die Abschaffung der Privilegien der Adligen forderten, erfuhren die Mädchen nichts. Auch nicht davon, dass zum ersten Mal einem Volk das Recht zugesprochen wurde, seine Regierung abzusetzen, wenn sie ihre Aufgabe nicht erfüllte, die von der Natur allen Menschen gegebenen Rechte wie Leben, Freiheit und Eigentum zu schützen.

Therese und ihre Geschwister wuchsen in einem System auf, in dem der Fürst als Vertreter Gottes galt, seine Untertanen wie ein Vater seine Kinder beschützte und dafür Gehorsam und Treue von ihnen erwartete. Sie waren eingebettet in ein grenzübergreifendes Netzwerk von verwandtschaftlichen Verhältnissen, auf die sie ein Leben lang zurückgreifen konnten. Eine Welt ohne diese Hierarchien war nicht vorstellbar. Es war ein System, in dem die Geburt die Stellung in der Gesellschaft bestimmte. So war Therese von Geburt an eine Herzogin zu Mecklenburg-Strelitz. Für ein System, wie Montesquieu es forderte – Gleichheit statt Privilegien, Fähigkeit statt Geburt –, hätte niemand in ihrer Umgebung Verständnis gehabt. Auch Therese kam bei aller Fortschrittlichkeit und ihrer späteren Lektüre von Philosophen und Politikern zu keiner Zeit auf die Idee, die philosophischen Gedanken auf das hierarchische System, in dem sie lebte, anzuwenden.

Es gibt aber auch Gedichte und französische Prosatexte in Luises Übungsheften, die sich sehr kritisch und auch ironisch mit dem Geburtsadel auseinandersetzen. So ist dort unter anderem zu lesen: »Dummheiten aus dem Mund eines Mannes, der durch seinen Rang erhoben ist, bleiben immer noch Dummheiten.«[30] Dies waren kleine, von der Erzieherin eingebaute Spitzen, die von ihren Schülerinnen aber wohl kaum verstanden wurden.

 

Wichtiger aber als alle Theorie war die lebenslange enge Beziehung innerhalb der Familie, die weniger durch Texte als vielmehr durch ein gelebtes Miteinander aufgebaut wurde. Nach 1787 lebten auch die Brüder in Darmstadt, mit dem Vater in einem eigenen Haus in der Nähe. Da er aber oft monatelang im Auftrag des österreichischen Kaisers Franz II. unterwegs war, verbrachten auch sie viel Zeit im Haus der Großmutter. In den verschiedenen Archiven liegen Hunderte von erhaltenen Briefen zwischen den verschiedenen Mitgliedern der Familie, vor allem solche, die sich die Geschwister schrieben. Dabei ging es nicht nur um Fakten, sondern auch um den Austausch von Gedanken und Gefühlen. »Ich möchte ganze Gespräche mit Dir führen«, schrieb Friederike ihrem Bruder Georg.[31]

Wie die Briefe der Geschwister zeigen, führten sie bei der Großmutter in Darmstadt ein behütetes, sorgenfreies Leben mit Abenden, in denen Luise so wild auf dem Pianoforte spielte, dass Friederike fürchtete, ihr würden die Ohren platzen.[32] Allerdings beklagten später alle drei, dass ihre Bildung insgesamt sehr zu wünschen übrig ließ, und waren zeitlebens in unterschiedlicher Intensität bemüht, dieses Manko auszugleichen. Therese ging sogar so weit, zu behaupten: »Ach, wir Schwestern wissen eigentlich gar nichts.«[33]

II. Drei Heiratsanträge, zwei Eheverträge, eine Hochzeit (1786 – 1789)

1. Erste Begegnungen

»Sie kann das Große Wort [Ja], das über ihr Schicksal für

den Rest ihres Lebens entscheidet, nur einmal aussprechen«,

 

schrieb die englische Königin Sophie Charlotte am 28. März 1788 an ihren Bruder Karl von Mecklenburg-Strelitz, und daher sei es nur gerecht, dass er seine Tochter Therese zwischen den Partien, die es gäbe, selber entscheiden ließe.[34] Das war für die damalige Zeit ein sehr ungewöhnlicher Rat, denn Prinzessinnen – und natürlich auch Prinzen – wurden nicht gefragt, ob und wen sie heiraten wollten. Sie waren nur ein Spielball im Heiratsgeschäft ihrer Eltern, bei dem finanzielle und machtpolitische Aspekte die entscheidende Rolle spielten, aber niemals die Neigungen der Betroffenen.

Auch Thereses Vater machte da keine Ausnahme, als er seine älteste Tochter Charlotte mit 15 Jahren an den Erbprinzen von Sachsen-Hildburghausen verheiratete. Bei Therese wäre es wohl genauso abgelaufen, wenn da nicht die Frage der Religionszugehörigkeit gewesen wäre. Therese kam aus einer tief im protestantischen Glauben verwurzelten Familie und war sehr gläubig, der Bewerber um ihre Hand, Karl Alexander von Thurn und Taxis, war jedoch katholisch. Üblicherweise hätte sie bei einer Heirat zum katholischen Glauben übertreten müssen, oder zumindest wären ihre Kinder katholisch erzogen worden. Beides kam für Therese und ihre Familie nicht infrage. Auch in einem anderen Punkt unterschied sich der Weg Thereses in die Ehe von dem der allermeisten adligen Frauen: Von der ersten Begegnung bis zu ihrem endgültigen Jawort dauerte es zweieinhalb Jahre.

Für den 16-jährigen Erbprinzen Karl Alexander (1770 – 1827) dagegen war es Liebe auf den ersten Blick. Er studierte seit Oktober 1786 an der Universität Mainz und besuchte von dort aus mehrfach den Darmstädter Hof. Und dort fasste er, wie der hessische Regierungsrat Johann Philipp Schulin vermerkte, die »zärtlichste Zuneigung« zur damals 13-jährigen Therese. Sein Vater Fürst Karl Anselm von Thurn und Taxis (1733 – 1805) bat deshalb schon Anfang 1787 durch den Kurmainzer Geheimen Rat Friedrich von Groschlag bei Thereses Vater um die Hand seiner Tochter für seinen Sohn. Dieser Antrag wurde aber abgewiesen, »weil die Prinzessin dazu nicht geneigt schien«.[35]

Abgesehen von der Abneigung Thereses und der unterschiedlichen Religionszugehörigkeit galt der Erbprinz auch als nicht standesgemäß. Das Haus Mecklenburg-Strelitz gehörte zum Hochadel mit verwandtschaftlichen Beziehungen zum englischen und preußischen Königshaus, während die Thurn und Taxis als Reichsfürsten im Rang unter ihnen standen, auch wenn sie bereits durch ihre Heiratspolitik verwandtschaftliche Beziehungen zum Hochadel geknüpft hatten.

Was niemand, nicht einmal Therese, zu diesem Zeitpunkt ahnte, war, dass es noch einen zweiten Mann gab, der sich unsterblich in sie verliebt hatte.[36] Es handelte sich um den 23-jährigen Landgrafen Christian Ludwig von Hessen-Darmstadt (1763 – 1830), den jüngsten Sohn des regierenden Landgrafen Ludwig IX. von Hessen-Darmstadt (1719 – 1790) und seiner Frau, der »Großen Landgräfin« Karoline Henriette von Pfalz-Zweibrücken-Birkenfeld (1721 – 1774). Prinz Christian hatte wie seine Brüder in Straßburg studiert, war dann durch ganz Europa auf Reisen gegangen und hatte seine militärische Karriere in der niederländischen Armee begonnen, wo er 1787 zum Generalmajor ernannt wurde. Sein Bruder, der Erbprinz Ludwig, war mit einer Schwester von Thereses Mutter verheiratet, und so kannten sich Christian und Therese seit Jahren von den vielen gemeinsamen Familienfeiern im Darmstädter Schloss beziehungsweise im Palais von Thereses Großeltern.

Für Therese und ihre Familie war das Thema Heirat aber zunächst einmal erledigt, auch wenn natürlich alle wussten, dass es nur noch eine Frage der Zeit war, bis auch sie die Familie verlassen musste, um wie ihre Schwester Charlotte einem Mann in die Fremde zu folgen. Therese verlebte einen entspannten Sommer, in dem sie mit ihren beiden Schwestern Luise und Friederike, der Großmutter und ihrer Erzieherin eine dreimonatige Reise zu den ererbten Besitztümern der Großmutter nach Schloss Broich machte. Anfang November 1787 ging es zum sechstägigen Familientreffen mit Charlotte und ihrem Mann Friedrich von Sachsen-Hildburghausen nach Frankfurt.

Währenddessen hatte sich der Mecklenburg-Strelitzer Kämmerer und Resident in Hessen-Darmstadt, Anton Graf à Ponte Leone, der in Mainz lebte und dort auch den Prinzen von Thurn und Taxis kennenlernte, an Schulin gewandt und diesen aufgefordert, sich für die Verbindung im Namen des Erbprinzen, der die »schöne Prinzessin über allen Ausdruck liebe«, und auch auf den Wunsch des Vaters Karl Anselm einzusetzen. Zugleich stellte der Graf klar, welche »glänzenden Vortheile« die Prinzessin durch diese Verbindung haben würde, wobei er auf den großen Reichtum der Thurn und Taxis im Vergleich zu den doch eher beschränkten finanziellen Verhältnissen im Hause Mecklenburg-Strelitz anspielte.[37]

Regierungsrat Schulin sicherte sich zunächst einmal beim Fürsten von Thurn und Taxis eine Belohnung und eine Pension, die bei Erfolg seiner Mission zu zahlen war.[38] Als er dann aber mit Thereses Vater über eine mögliche Heirat sprechen wollte, erhielt er nur zur Antwort: »Aus dieser Heirath kann nichts werden; Sie werden mir einen Gefallen thun, wenn Sie mir kein Wort mehr von der Sache sprechen.« Schulin ließ sich aber nicht entmutigen, er hatte schließlich viel Geld zu verlieren, falls er keinen Erfolg haben sollte. Außerdem kannte er die Mecklenburg-Strelitzschen Hausverträge, in denen für das »Glück der Töchter der nachgeborenen Herren wenig, ja fast gar nicht gesorgt« war.[39] Auch wenn er die Verbindung seiner Tochter mit dem Erbprinzen zunächst kategorisch abgelehnt hatte, schrieb Thereses Vater nur wenige Tage nach diesem Gespräch an seine Schwester, die englische Königin Sophie Charlotte, um ihr von dem Antrag zu erzählen und ihre Meinung einzuholen.

Am Hof in Darmstadt war man ebenfalls gegen die Verbindung. Thereses Großmutter meinte, Karl Alexander »habe nicht Verstand genug«, und die Gouvernanten und Hofdamen waren für einen englischen Prinzen, weil Thereses Tante die englische Königin war, was auch die Großmutter favorisierte. Alle klugen Leute dagegen seien der Meinung, dass diese Heirat »dem Prinzen von Mecklenburg, der noch mehrere Töchter hat, wohl anstehen« würde und noch mehr der Prinzessin, »die an Taschengeld und Juwelen nirgends eine reichere Ernte finden kann«, schrieb Kriegsrat Johann Merck, der die Vorgänge am Hof genau beobachtete. Der Erbprinz sei sogar noch reicher als der Herzog von Hildburghausen, und er habe »die seltene und höchst bewundernswürdige Qualität, in seine künftige Gemahlin sterblich verliebt zu seyn«. Aber ihr Vater »segelt in allen seinen Entschlüssen wie ein Fischerboot zu Scheweningen, das jeder Wind zu sehr greift, und das, weil es keinen Kiel hat, nicht gerade Straße hält«.[40]

Was nun den Ausschlag gab, wissen wir nicht, aber nach weiteren Gesprächen mit Schulin erklärte Karl von Mecklenburg-Strelitz schließlich, dass er sich dieser Verbindung nicht länger entgegenstellen würde, aber »das Herz« seiner Tochter »hierin frey handeln und entscheiden lassen wolle«.[41]

Anfang Januar 1788 gab er in einem persönlichen Brief an den Fürsten von Thurn und Taxis zu erkennen, dass er einer Verbindung »wohlwollend« gegenüberstehen würde. Selbst eventuelle Bedenken der englischen Königin wegen der katholischen Religion ließen sich leicht beseitigen.

Nun gehörte auch der Fürst von Thurn und Taxis zu den zu seiner Zeit seltenen Vätern, denen das Glück ihrer Kinder am Herzen lag. Und so zeigte er Verständnis dafür, dass Thereses Vater die Neigung seiner Tochter zurate ziehen wollte. Das beweise doch nur, schrieb er in seiner Antwort, dass er »die Pflichten eines zärtlichen Vaters erfülle«. Zwar zeige die Erfahrung, dass bei Vermählungen von Prinzen und Prinzessinnen die »Konvenienz« des fürstlichen Hauses entscheidend sei und die »wechselseitige Neigung« nicht wie bei anderen Ehen die »Triebfeder der Verbindung« sein könne. Trotzdem sei er wie Thereses Vater »vollkommen einverstanden«, dass bei dieser Ehe die Neigung der beiden die »vorzügliche Grundlage« sein sollte, obwohl es natürlich auch andere Pläne für mögliche Eheverbindungen des Erbprinzen gebe. Die Prinzessin sollte daher Zeit zum Überlegen bekommen, allerdings nicht unbegrenzt, damit sein Sohn bei einer Absage nicht alle anderen möglichen Partien verloren hätte.[42]

Durch den Thurn und Taxisschen Geheimen Rat Freiherr von Lilien, den Vertrauten des Fürsten, erhielt nun Schulin den förmlichen Auftrag, die begonnenen Verhandlungen fortzusetzen.[43] Zunächst brachte er die Kammerfrau Thereses mit der Aussicht auf reiche Belohnung auf seine Seite und holte sich durch von Lilien die Zusage des Fürsten, dass auch die Hofdame und »Gespielin« Thereses, Frau von Liederer, die einen großen Einfluss auf Therese hatte, beim Zustandekommen der Heirat als Hofdame bei der Prinzessin bleiben könne und großzügig belohnt werden würde. Ebenso alle weiteren Personen, die mithalfen. Auf diese Weise legte Schulin um die ahnungslose Therese, die diesen Frauen natürlich vertraute, ein Netz von Spioninnen, um durch sie über Thereses Gedanken und Gefühle informiert zu sein und sie in seinem Sinn manipulieren zu können.[44]

Anfang März 1788 trafen die Verhandlungsführer der Parteien in Frankfurt zu ersten Vorverhandlungen zusammen, als eine Stafette aus Darmstadt mit einem Brief von Thereses Vater eintraf, in dem er von einem Gespräch mit seiner Tochter berichtete. Sie habe bis jetzt »nicht die mindeste Neigung« für den Erbprinzen, habe sie ihm erklärt, darum könne sie seinen Antrag nicht annehmen. Sie wolle die Sache aber nicht ganz ablehnen, sondern sich endgültig erst entscheiden, wenn der Erbprinz von seiner Bildungsreise durch Europa zurück sei, falls sie dann noch frei wäre und er ihr »wahre Neigung« einflöße. Bis dahin stünde es sowohl dem Erbprinzen als auch ihr frei, andere »sich anbietende Engagements« anzunehmen.[45]

Damit hatte in Frankfurt niemand gerechnet. Graf à Ponte Leone schrieb an den Fürsten von Thurn und Taxis, in den letzten dreieinhalb Monaten, seit er dieses Heiratsgeschäft betreibe, »kann ich Euer Hochwohlgeboren versichern, daß ich grau und älter geworden bin« als durch alles, was ihm vorher passiert sei. Nachdem auch von Lilien einen entsprechenden Bericht an Karl Anselm geschickt hatte, kam von diesem die zu erwartende Antwort: Er wolle gerne die Verbindung mit dem Haus Mecklenburg-Strelitz, sei auch bereit, in Vorleistung zu gehen, habe aber nach der Lektüre des Briefes von Karl von Mecklenburg-Strelitz, den von Lilien ihm in Abschrift zugeschickt hatte, nicht viel Hoffnung. Ohne dass sich die Abneigung der Prinzessin gegen den Erbprinzen ändere, sei es »wenig ratsam, eine Eheverabredung« zu machen, und dann auch noch in einer »falschen Gestalt«, dass jeder bis zur Hochzeit »völlig ungebundene Freiheit« haben solle und andere »sich anbietende Engagements nehmen« könne. Das könnte zu großer Verlegenheit führen.[46]

Vor seiner Abreise nach England Ende März 1788 schrieb Karl Alexander, der die neuesten Nachrichten aus Darmstadt noch nicht kannte, an von Lilien, um sich bei ihm zu bedanken: »Gott gebe, lieber Herr Geh. Rat, unserer Sache den ersehnten Erfolg!« Er werde ihm »sein ganzes Glück zu danken haben« und ihm »bis zum Grabe dankbar sein«.[47] Sein Erzieher Eberstein dagegen hatte schon einen Plan B, obwohl er ebenfalls noch nicht über den aktuellen Stand informiert war. Auch er hoffte auf einen Erfolg, wie er an Karl Anselm schrieb: »Aber, Monseigneur, wir haben es mit Frauen zu tun. Sie sind schwankend, für alle Eindrücke sehr empfänglich, launenhaft. Man muß mit ihnen sanft umgehen, nichts überstürzen […] Und wenn wir keinen Erfolg haben?« Dann würde man eben bei anderen Häusern nach einer geeigneten Heiratskandidatin anfragen.[48]

Geheimrat Schulin wiederum hatte gleich zu Beginn den Verdacht gehabt, dass die »zärtliche Freundschaft«, die zwischen Therese und dem Prinzen Christian seit Kindertagen bestand, die »Ursache des anfänglichen Widerstandes« der Prinzessin war und nicht eine »Abneigung« gegen den Erbprinzen. Er sprach daraufhin Karl von Mecklenburg-Strelitz an, der das zwar nicht glauben wollte, aber trotzdem Therese »feierlich« zur Rede stellte. Sie stritt alles ab, und für den Moment waren der Vater und Schulin beruhigt.[49]

Beide wären sicher besorgter gewesen, wenn sie den Brief gekannt hätten, den Christian von Hessen-Darmstadt am 9. März 1788 an seine Schwester Amalie schrieb: »Ihr wisst, liebe Schwester, daß ich die Prz. Therese seit langem liebe, und ich verberge Euch nicht, daß sie mich anderen vorzieht, um nicht zu sagen, daß sie mich eines Tages zum Gatten möchte. Der Prinz von TuT [Karl Anselm] möchte sie für seinen Sohn. Er tut alles, um sie zu bekommen. Er bietet bis zu 30 000 florins, die die Prz bekommt, wenn sie ihn heiratet.« Er berichtete weiter, dass Therese »sich in einem furchtbaren Zustand« befinde, weil ihr Vater die Hochzeit mit Karl Alexander befürworte.

Christians Schwager Maximilian von Pfalz-Zweibrücken, der neben seiner Schwester der Einzige war, der von »unserer liaison«, wie Christian es nannte, wusste, drängte, dass Christian die »nötigen Schritte« bei Thereses Vater und der Großmutter machen sollte, damit die beiden sich nicht gegen seine Wünsche und Hoffnungen stellten. Aber davor scheute sich Christian. Er meinte, die gegenwärtige Kriegssituation im Land erlaube nicht, dass man ihm seinen Etat erhöhe, was ja zwangsläufig bei einer Heirat passieren musste, da er mit seinem jetzigen Einkommen keine Familie standesgemäß erhalten konnte.

Auf Vorschlag seines Schwagers schrieb Christian einen Brief an den preußischen König, der mit seiner Tante verheiratet war, und bat diesen um eine Pension. Seiner Schwester Amalie vertraute er an: »Ich mache dies nur, um die Prz Therese zu bekommen. Sie zeichnet mich eher mit Freundschaft aus, als daß sie mir viel Zuneigung zeigt. Sie ist noch sehr jung, aber alle, die sie kennen, würden Euch sagen, daß sich in ihr ein schöner Geist und ein vortreffliches Herz vereinen.« Er könne »ohne die Prz Therese nicht glücklich sein und sie wird auch nicht zufrieden sein«.[50]

Von Brief zu Brief wurde er verzweifelter. »Ich bin unendlich zufrieden mit der Prinzessin. Ich liebe sie […] und ich hoffe sie will mich wirklich.« Allerdings ließ sich die Verbindung inzwischen nicht mehr geheim halten. »Jeder beobachtet uns hier und immer mehr und mehr und überall.« Seit 14 Tagen verbreite sich das Gerücht, dass sie sich liebten, schrieb er seiner Schwester und schloss die Frage an: »Was soll ich machen?« Prinz Christian befürchtete, dass ihm am Ende nichts anderes übrig bleiben würde, als in die Fremde zu ziehen, in die russische Armee einzutreten und dann in den Krieg.[51]

Ende März 1788 traf bei Karl von Mecklenburg-Strelitz endlich die Antwort der englischen Königin ein, auf die alle gewartet hatten. Die Verbindung sei »unstreitbar sehr angemessen« für die Prinzessin. Es sei keine »Alliance, die entehrend ist und es ist ein Haus sehr alt unter den Fürsten des Empire«. Sie werde den Prinzen bei seinem kommenden Besuch am englischen Hof genau beobachten. Sie wünschte sich, »daß er meine Nichte so glücklich machen wird, wie sie es verdient«.[52]

Karl von Mecklenburg-Strelitz zeigte diesen Brief seiner Tochter und stellte ihr ein Ultimatum: Sie habe 14 Tage Zeit zu überlegen, dürfe sich aber mit niemandem darüber beraten. Von Lilien, der davon durch die von Schulin bestochenen Bediensteten erfuhr, eilte sofort nach Darmstadt, um die Nachricht vor Ort zu überprüfen. Karl von Mecklenburg-Strelitz erzählte ihm, dass er Thereses Kammerjungfer auf seine Seite gebracht habe, damit sie Therese für die Verbindung beeinflusse, worüber von Lilien insgeheim »herzlich lachen« musste: »Ey, dachte ich, diese haben wir schon lange.«[53]

Auch Prinz Christian berichtete seiner Schwester von dem Ultimatum. Offiziell wollte man sie nicht zwingen, aber »wenn ein Vater einmal etwas möchte, findet er immer Mittel, um an sein Ziel zu kommen, ohne sein Kind absolument zu zwingen«.[54]

Am selben Tag, an dem Prinz Christian hoffnungslos in die Zukunft blickte, schrieb Karl Alexander, von neuer Hoffnung getragen, aus London an von Lilien. Dank eines Empfehlungsschreibens von Karl von Mecklenburg-Strelitz war er am englischen Hof sehr gut aufgenommen worden, darum »erwacht in mir ein neuer Hoffnungsstrahl« zu der Verbindung, dem »Ziel aller meiner Wünsche […] Was in der That könnte ich mehr vom Glück verlangen, als den Schatz einer Prinzessin, die Schönheit, Sanftmut und Verstand ganz miteinander vereinigt und deren edle Seele der Abdruck der vortrefflichen Eigenschaften ihres verehrungswürdigen Vaters ist. Alles, was ich habe, opferte ich freiwillig für das Glück unserer liebenswürdigsten Prinzessin Therese auf, und alle meine Handlungen sollten dahin gerichtet sein, ihr zu gefallen.«[55]

Offenbar hatte inzwischen auch der Pfalzgraf seinen Widerstand aufgegeben. Und so konnte von Lilien seinem Fürsten berichten, dass sich das »Geschäft wegen der Vermählung« dem Ende nähere, und zwar einem »erwünschten Ende«.[56]

»Alles hat sich zum Schlechten gewandelt«, schrieb Christian Tage später. »Der Vater, ungeduldig mit seiner Tochter, wird ihr bald das fatale Ja entlocken. Sie ist verzweifelt, man macht alles, […] um sie dazu zu bringen. Man will nicht, daß sie die Rückkehr des Prinzen abwartet, man will, sie soll sich unbedingt jetzt entscheiden.«[57]

Zunächst aber machte der Brief der englischen Königin auf Therese gar keinen Eindruck, wie der Graf à Ponte Leone durch seine Informanten erfuhr. Sie gab den Brief nach zwei Tagen zurück, ohne sich endgültig zu äußern. Die Großmutter hatte sie zusammen mit dem Pfalzgrafen dahingehend beeinflusst, dass sie »immer weder Ja noch Nein« sagte. Sie würde dabei nichts riskieren, da ihr Vater, der sie liebe, »nicht den Muth« habe, sie zu zwingen, auch wenn er wünsche, dass sie sich für den Prinzen entscheide. Und außerdem hatte man sie »so zu stählen« gewusst, dass sie gegen alle, die auf taxisscher Seite standen, »zurückhaltend« war, selbst gegen ihre Jungfer. Offenbar ahnte Therese inzwischen, dass sie nicht allen vertrauen konnte.

Von Lilien riet dem Fürsten Karl Anselm, die englische Königin um einen Brief zu bitten, in dem sie betonte, wie sehr sie den Erbprinzen schätze. Falls sie das nicht machte, wäre es wohl das Beste, wenn er in einem höflichen Schreiben die Sache beendete, um seinen Sohn nicht mit einer Prinzessin zu verheiraten, »mit der ihrer Jugend wegen die seltsamsten Ränke gespielet werden«. Der Fürst könnte aus alldem ersehen, was passierte, wenn »so giftige und mächtige Schlangen wie eine Großmutter den Fleiß einer siebenmonatlichen Arbeit so vieler Personen über den Haufen werfen«. Man müsste das Ganze nun auf die eine oder andere Art zu Ende bringen, sonst könnte es bekannt werden und die Aussichten auf eine andere Heirat verschlechtern.[58] Und an den Grafen à Ponte Leone, dem, wie allen anderen, die an dem »Geschäft« beteiligt waren, so langsam die Geduld abhandenkam, schrieb er: »Es ist nun endlich Zeit, daß man der Comedie ein Ende mache.« [59]

Eine Komödie war es für Therese aber in keiner Weise, wie ihr Brief an ihren Vater vom 8. Mai 1788 zeigt: »Verzeiht mir, lieber Vater, ich bitte Euch, die Unruhe, die meine Seele beherrscht und die mich heute Morgen abhielt, mit Euch zu reden. Die Sache ist zu ernst, wird entscheiden über Glück oder Unglück meines Lebens, als daß ich selbst darüber nachdenken kann. Ich habe mit meiner Großmutter gesprochen gemäß Eurer Erlaubnis, sie wiederholt, was Ihr mir gesagt habt, und hat hinzugefügt, daß die Überzeugung, seine Pflicht getan zu haben, ein süßer Trost in jedem Fall sei. Ich mache es mir alle Tage zur Pflicht, Euren Wünschen zu folgen. Euer Wunsch ist mir immer ein liebes Gesetz gewesen, das ich befolge, und das wird immer so bleiben. Nicht ohne Furcht bekenne ich, daß ich mich zwinge zu folgen, was die Vernunft mir sagt, mein Herz setzt sich noch nicht für den Prinzen ein. Vielleicht mit der Zeit und wenn wir uns besser kennen, wird der Himmel mir diesen Gefallen tun«.[60]

Therese war mit ihren 15 Jahren einfach nur ein junges Mädchen, das hoffnungslos überfordert war, diese Entscheidung zu treffen. Überfordert vor allem, weil ihre Entscheidung durch ihre Vertrauten, die aber zum Teil im Dienst der Thurn und Taxis standen, aus den verschiedensten Gründen in die eine oder andere Richtung manipuliert wurde. Sie versuchte, mit Vernunft und Pflichterfüllung ihr Herz zu übertönen, letztendlich vergebens, wie die nächsten Jahre zeigen würden. Daher sah sie nur einen Ausweg: Sie gab die Entscheidungsgewalt an ihren Vater zurück und fand Trost darin, dass sie, wie immer er entschied, ihre Pflicht tun würde.

Therese wolle ihn nun nicht mehr, nicht einmal ihn sehen, schrieb Christian entsetzt, »weil ein anderer sie besitzt. […] Sie glaubt, sie hat mich ins Unglück gestürzt, indem sie mir diesen Trost verwehrt, sie glaubt, sie kann deshalb nicht mehr glücklich sein. Sie führt das immer wieder an unter Tränen. Sie ist ein Engel, ich bin ihrer unwürdig. Sie verdient einen perfekten Mann. Ich fürchte um ihre Gesundheit. Sie leidet sehr. Sie zwingt sich, sie versteckt ihren Kummer, sie findet keinen Trost. Wie ich sie bedaure, wie unglücklich ich mich fühle, der unfreiwillige Grund und die Ursache für ihren ganzen Schmerz. Ich werde mir das ewig zum Vorwurf machen.« [61] Verzweifelt suchte er ihre Nähe, machte einen Besuch im Palais bei ihrer Großmutter. Therese sah er nicht, sie war krank auf ihrem Zimmer, mit Magenschmerzen, die sie in diesen Wochen öfter hatte.[62]

Unterdessen teilte Karl von Mecklenburg-Strelitz den am Heiratsgeschäft Beteiligten mit, dass seine Tochter ihr Schicksal in seine Hände gelegt habe und der Verbindung mit dem Erbprinzen zustimme.[63] Damit war eigentlich alles geklärt, und es sollte nur noch um die Details des Ehepaktes und der Hochzeitsvorbereitungen gehen.[64]

Aus London schrieb Karl Alexander an Therese: »Mit einem Entzücken, das nur von der Lebendigkeit meiner Leidenschaft, die durch Euren Liebreiz angeregt wird, übertroffen wird, habe ich gehört, daß Eure Hoheit mein Schicksal in die Hände Eures Durchlauchtigsten Vaters gelegt hat.« Er hoffte, dass nun alles ganz schnell gehen würde, sodass »sie in Kürze die lebhafteste Liebe und beständigste Treue, die es jemals gab« annehmen werde. »Verzeiht die Freiheit, die ich mir nehme, Eure Knie zu umfassen, um Euch in Ehrerbietung meine unwandelbaren Gefühle des zärtlichen Respekts zu zeigen, mit denen ich bin bis zum letzten Atemzug Eurer Hoheit der sehr ergebene und gehorsame Diener und beständige Bewunderer. Charles Prince hériditaire de la Tour et Tassis.«[65] Überglücklich bedankte er sich bei seinem Vater, der das Unmögliche wahr gemacht hatte, »mir den Besitz einer Prinzessin zu sichern, die das Glück meines Lebens und der Trost Eurer Tage sein wird«.[66]

2. Ehepaktverhandlungen und ein Geständnis

»Die Angelegenheit mit der größten Konsequenz ist die der Religion«,

 

hatte die englische Königin Ende März 1788, auch im Namen ihres Mannes, an ihren Bruder geschrieben und damit eines der größten Probleme beim Aushandeln des Ehepaktes ausgesprochen.[67] Da Karl von Mecklenburg-Strelitz seinen Schwager Georg III. gebeten hatte, die Garantie für die Einhaltung der Bestimmungen des Ehevertrages zu übernehmen, konnte man diese Vorgabe nicht einfach übergehen. Andererseits war Geheimrat Schulin noch vor Beginn der offiziellen Verhandlungen informiert worden, dass die Ehedispositionen des Hauses von Thurn und Taxis besagten, alle Nachkommen, auch die weiblichen, müssten nach den Grundsätzen der katholischen Kirche erzogen werden. Darüber könne sich Fürst Karl Anselm nicht hinwegsetzen.[68]

Die beiden Verhandlungsführer, der Geheime Rat Schulin auf Mecklenburgischer Seite und der Geheime Rat Freiherr Jakob von Schneid auf Thurn und Taxisscher Seite hatten bereits mit dem Aushandeln des Ehepaktes begonnen, was zügig voranging und in den Hauptpunkten schon Ende Mai vorliegen sollte, auch wenn die Frage der völligen Religionsfreiheit für Therese und ihre weibliche Nachkommenschaft, auf der Karl von Mecklenburg-Strelitz bestand, noch nicht geklärt war. Weitere strittige Punkte waren ein jährlicher, mehrmonatiger Aufenthalt Thereses in Frankfurt, laut Schulin ein »Lieblingsgedanke« von Therese und ihrem Vater, damit sie den Kontakt zu ihren Verwandten im nahen Darmstadt leichter halten konnte, sowie die Höhe des sogenannten Handgeldes, über das Therese frei verfügen konnte.[69]

Die Religionsfrage war auch drei Monate später, Ende Juni 1788, noch nicht gelöst. Zum einen galt es, den regierenden Herzog von Mecklenburg-Strelitz, den Onkel Thereses, zu überzeugen, der als Chef des Hauses den Ehepakt unterschreiben musste. Zum anderen weigerte sich der englische König immer noch, die Garantie zu unterschreiben, weil er die Absprachen nicht für ausreichend hielt. Schulin versuchte vergebens, Karl von Mecklenburg-Strelitz zu überzeugen, dass es vernünftiger sei, alle Kinder katholisch zu erziehen. Und »wir Protestanten [werden] doch den Herrn Catholicis den Weg zum Himmelreich keinesfalls streitig machen«. Er schlug ebenfalls vor, dass der Fürst von Thurn und Taxis einen persönlichen Brief an die Königin schrieb.[70] So geschah es dann auch Mitte Juli. Karl Anselm versprach, alles »für das Wohlergehen der jungen Prinzessin, vor allem für die Seelenruhe ihres Glaubens« zu tun.[71]

Der Erzieher Eberstein hatte inzwischen Karl Alexander informiert, der entsetzt darüber war, welche Wende die Heiratsverhandlungen genommen hatten, und sofort einen sehr emotionalen Brief an den Verhandlungsführer Jakob von Schneid schrieb. Er sei überzeugt, dass es weder »Bigotterie« noch »Fanatismus« sei, die seinen Vater und Schneid dazu gebracht hätten, sich der Bitte des Herzogs bezüglich der Religion seiner weiblichen Nachkommen zu widersetzen. »Ich schätze mich glücklich, mich zu der Religion zu bekennen, in die ich hineingeboren wurde«, schrieb er, aber er wäre »verzweifelt«, wenn solche »deplatzierten« Gefühle das Glück seines Lebens »vernichten« würden. Er versprach, sich dem Willen seines Vaters zu unterwerfen, allerdings würde er dann nie wieder eine andere Ehe eingehen. »Nachdem ich alles, was ich liebe und was allein mein Glück bedeuten kann, verloren habe, wäre ich niemals in der Lage mich in die Arme einer anderen zu werfen. Und ich werde ein dahinschwindendes Leben führen, das Herz betrübt vor Kummer, treu meiner Liebe und über mein Schicksal klagend.«[72] Am selben Tag noch schrieb er auch an seinen Vater, betonte erneut, dass er sich allen Entscheidungen unterwerfen, es ihm jedoch »unmöglich« sein werde, ein anderes Engagement einzugehen, mit welcher Prinzessin auch immer, »selbst wenn sie ein Engel ist, wenn meine Verbindung mit der Göttlichen Prinzessin Therese nicht stattfindet«. Von dem Moment an werde er sich einem »ewigen Zölibat« verschreiben, »vermischt mit Langeweile, Trauer und Hoffnungslosigkeit, ehe ich mich für eine andere Gottheit opfere als für die, die ich anbete. Ich werde in allem gehorchen, aber Liebe und Glück kann man nicht befehlen.«[73]

In Darmstadt hatte man zu dieser Zeit ganz andere Probleme. Therese hatte ihrem Vater die Entscheidung über ihr Schicksal überlassen und fand sich nun in einer Situation wieder, die sie im Grunde nicht wollte: verlobt mit einem Prinzen, den sie kaum kannte, für den sie nichts fühlte, in dem Wissen, dass die Diplomaten mit Hochdruck an ihrem Ehevertrag arbeiteten. Und der Moment, in dem sie Darmstadt und damit auch ihre Verwandten, ihre Schwestern und Brüder für immer verlassen sollte, um in der Fremde eine neue Heimat zu finden, kam immer näher. Sie wurde schwer krank.

Wenn es ihr zwischendurch besser ging, konnten Christian und Therese sich sehen, aber nur in großer Gesellschaft. »Der Monat Juni war ein Monat der Schmerzen«, klagte er seiner Schwester. »Ich hatte keine Gelegenheit, ihr auch nur einen einzigen Kuss zu geben, ich sah sie nur in der Öffentlichkeit in der größten Befangenheit und in einer beständigen und unerträglichen Einengung inmitten ihres Hofes.«[74]

Die Großmutter reiste Anfang Juni nach Straßburg, Thereses Schwestern folgten Ende Juli. Therese sollte ihren Vater eigentlich zu einer Kur nach Bad Pyrmont begleiten, danach weiter nach Strelitz, um ihren Onkel zu »besänftigen« und ihm mündlich von der Verlobung zu berichten. Der Herzog war sehr verärgert, weil sein Bruder, ohne ihn zu befragen, mit den Heiratsverhandlungen begonnen hatte.[75] Aber Thereses schlechte Gesundheit zwang ihren Vater, sie den Sommer über doch in Darmstadt zu lassen, wo sich ihre Tante Luise, die Erbprinzessin, anbot, sich um sie zu kümmern. »Seit dieser Zeit nahm sie Dinner und Souper regelmäßig im Schloß ein«, schrieb Prinz Christian. Zeitweise wohnte Therese auch auf dem Schloss.[76]

Schulin war entsetzt, als er davon hörte, und bat Karl von Mecklenburg-Strelitz »flehentlich«, die Prinzessin in seiner Abwesenheit aus Darmstadt zu entfernen, weil er befürchtete, man würde die Zeit nutzen, um sie wieder gegen die Heirat aufzubringen. Aber Thereses Vater lehnte dies ab.[77]

So ganz unbegründet waren die Bedenken nicht. Thereses Tante Luise, der sie als Schwester ihrer Mutter volles Vertrauen entgegenbrachte, verfolgte mit ihrer Einladung einen ziemlich perfiden Plan, nämlich ihrem Schwager die Annäherung an Therese auf dem Schloss zu ermöglichen, ohne die Aufsicht durch ihre Großmutter oder den Vater. Prinz Christian hatte seiner Schwägerin, die in einer unglücklichen Ehe lebte, kurze Zeit zuvor einen großen Gefallen getan und sie einem ihm bekannten jungen Offizier vorgestellt. Sie hatte ihm versprochen, sich zu revanchieren. Und die Gelegenheit kam im Sommer 1788.

Im Schloss verbrachte Therese viel Zeit mit Christian, zusammen mit Luise und seinem Bruder Friedrich oder auch allein. Christian verschwieg ihr, dass er, sobald sie nicht mehr in Darmstadt leben würde und sein »Unglück sicher« war, im Heer des russischen Zaren kämpfen wollte und nur noch auf dessen Einverständnis wartete. »Ich hielt meine Pläne vor der Prinzessin geheim, in der Furcht, daß diese Nachricht sie erneut krank machen könnte. Seitdem wir uns mit mehr Freiheit sehen konnten, ging es ihr täglich besser.« Einige Tage später sprach Luise ihn in Thereses Gegenwart auf seine Pläne an, »in dem Glauben, daß die Prinzessin in mein Geheimnis eingeweiht war«. Das war aber wohl eine geplante Aktion von Luise, die ihre Nichte kannte und wusste, wie sie auf eine solche Nachricht reagieren würde. Therese war entsetzt. Sie machte sich große Sorgen um Christian, hatte Angst, dass er sterben würde, und »bezeugte mir viel Freundlichkeit«, wie Christian seiner Schwester Amalie berichtete. »Von diesem Moment an waren wir mehr verbunden als jemals zuvor. Wir suchten jeden passenden Moment, um miteinander zu sprechen, und achteten genau darauf, daß wir nicht zu lange blieben, um nicht gesehen zu werden. Wir wollten diese letzten Momente so lange wie möglich nutzen und bemühten uns beide zu vergessen, daß wir uns bald trennen mußten.«[78]

Unter den Freimaurerakten des Prinzen Christian finden sich in dem Behälter seiner Freimaurer-Insignien, in dem wichtige Dokumente und Andenken aufbewahrt werden konnten, zwei schwarze, gelockte Haarsträhnen, die auf zwei einfache Zettel geklebt sind. Auf dem einen Zettel stehen in Thereses Handschrift auf Französisch die Worte: »Zur Erinnerung an Stunde 10 ½ am Morgen des 24. Juli 1788.« Auf dem anderen Zettel: »Sie werden mein Herz niemals ändern. Thérèse.«[79] Was genau an diesem Tag geschah, wissen wir nicht. Aber wenn man den Brief an ihren Vater, den Therese wenige Wochen später schrieb, einbezieht, dann ist es mehr als wahrscheinlich, dass Christian und Therese sich in dieser Stunde ewige Liebe geschworen haben.

Natürlich blieb das alles nicht verborgen. Es gab zu viele Beobachter, die von der einen oder anderen Seite bestochen waren oder aus Sorge um Thereses Ruf handelten. So wurde ihre Großmutter in Straßburg informiert, die postwendend einen genauen Bericht von ihrer Tochter Luise forderte.[80] Auch Christians Bruder Ludwig, der Erbprinz und Luises Mann, wurde informiert. Da die Zeit drängte – der Heiratsvertrag mit Karl Alexander von Thurn und Taxis war nahezu unterschriftsreif – bestand der Erbprinz darauf, dass Therese und Christian Karl von Mecklenburg-Strelitz alles beichten müssten.

Und so schrieb Therese den folgenden Brief, der einen Einblick gibt in ihr Gefühlschaos zwischen Pflichterfüllung, Liebe, Verzweiflung und Panik vor der Ehe mit einem Mann, den sie nicht lieben konnte, und der Furcht, ihren Vater zu enttäuschen:

»Mein lieber Vater,

Zitternd nehme ich die Feder in die Hand, sehr lieber Vater, fürchtend Euch zu verstimmen, indem ich Euch meine ständigen Beschwerden gestehe, verursacht durch die bevorstehende Verbindung, die ich eingehen muß. Ich glaube jedoch auch, daß es meine Pflicht ist, dies zu tun, solange noch Zeit ist, da ich sicher bin, aufgrund der Gefühle und der Freundlichkeit, die Ihr die Güte hattet, mir zu bezeigen, daß Ihr verärgert sein würdet, wenn Ihr mich unglücklich wüßtet, was ich sicher wäre, wenn die Heirat, die Ihr für mich bestimmt habt, stattfindet.

Ich kann Euch nicht leugnen, lieber Vater, daß meine Aversion gegen den Prinzen von Thurn nur noch gewachsen ist, je mehr ich mich zwinge, sie zu besiegen; das ist eine Aufgabe, die ich mir gestellt hatte, in der Hoffnung auf Erfolg und mich dadurch Eurer Güte würdig zu erweisen, indem ich Eure Wünsche erfülle. Aber leider ist es mir so schlecht gelungen, daß ich nur zitternd an den Abschluß dieser Verbindung denken kann, umso mehr als ich überzeugt bin, daß ich den Prinzen nicht glücklich machen kann. Es wäre, als würde ich mit ihm spielen, wenn ich ihm meine Hand und mein Herz reichen würde, das nicht für ihn spricht, weil es bereits für einen anderen gesprochen hat und für immer sprechen wird.

Ihr wißt nur zu gut, lieber Vater, wer der andere ist. Er ist ein braver Mann, den ich kenne und den mich tausend herausragende Eigenschaften sowohl schätzen als auch lieben lassen. Es ist der Prinz Christian. Vom ersten Moment an, als man mir von den Absichten des Pr. Taxis sprach, hat mein Verstand nicht aufgehört, mit meinem Herzen zu kämpfen; diese Gedanken verfolgen mich Tag und Nacht und lassen mir kaum Ruhe. Meine Gesundheit leidet darunter ziemlich und sicher werde ich daran sterben. Darum rettet mich, zieht mich vom Abgrund, in den diese Heirat mich stürzen wird, ich flehe Euch an. […] Ich habe ohne Zweifel einen Fehler gemacht, nicht sofort zu handeln, aber ich wiederhole es, nur die Furcht, Euch zu mißfallen, hielt mich zurück. Jetzt habe ich alles gesagt, hört meine Klagen, anbetungswürdiger Vater. Damit die Ehe nicht aus Gnade stattfindet, würde ich lieber mein ganzes Leben unverheiratet bleiben. Ich könnte dann auch, ohne ein Verbrechen zu begehen, der Neigung meines Herzens folgen – mit Beständigkeit denjenigen lieben, der mich mit Sicherheit glücklich machen wird […] Wäre es nicht tausend Mal besser mich zu opfern, indem ich Eure Befehle, Eure Wünsche erfülle als Eure Ungnade zu verdienen! Ja, ich bin dazu bereit, wenn Ihr es wollt, in jeder Hinsicht, denn mein größtes Glück ist, daß Eure Gnade und Euer Segen nie aufhören werden […]

Die Zeit kommt näher, wo das Unglück nicht mehr verhindert werden kann; aber es ist noch Zeit genug, und Euer Herz, oh! der Beste aller Väter läßt mich hoffen. Ihr werdet mir meine Schwäche und meine Offenheit verzeihen, daran zweifle ich nicht. Zeigt mir weiterhin mit Gnade Eure Güte und ich werde mich ihrer würdig erweisen. […] Eure sehr gehorsame und sehr anhängliche Tochter Thérèse.«[81]

 

Am 18. August 1788 kam die Antwort Karl von Mecklenburgs an seine Tochter. Er entschuldigte sich, weil er noch keine endgültige Antwort geben könne. Aber er schrieb auch, dass er »nicht das Unglück seiner Tochter« wolle.[82]

3. Zwei Heiratsverträge

»Sie glaubt verliebter zu sein, als sie ist«,

 

kommentierte Schulin, der sich in Hildburghausen bei Thereses Schwester Charlotte aufhielt, die Nachricht aus Darmstadt. Die mit dem »Heiratsgeschäft« befassten Diplomaten, allen voran Schulin, reagierten mit Unverständnis auf diese unerwartete Entwicklung. Für sie hing vom Erfolg der Verhandlungen die Auszahlung ihrer versprochenen Belohnungen und Pensionen ab.[83] In ihren Briefen sprachen sie immer vom »Heiratsgeschäft«. Es war für sie etwas Neues, Unberechenbares und daher für ihren Verdienst Bedrohliches, dass auf einmal Vokabeln wie Glück, Zufriedenheit und Selbstbestimmung auf beiden Seiten ins Spiel kamen.

Karl von Mecklenburg-Strelitz hatte seiner ältesten Tochter Charlotte geschrieben und ihr auch eine Kopie von Thereses Brief beigelegt. Sie las Schulin Teile daraus vor. Karl von Mecklenburg-Strelitz gab Schulin die Schuld für die Misere, weil er das Heiratsgeschäft mit dem Haus Thurn und Taxis immer weiter betrieben und so Therese unter einen für sie unerträglichen Druck gesetzt habe.[84]