TO HEAL A BROKEN HEART - Aminah Odelle - E-Book

TO HEAL A BROKEN HEART E-Book

Aminah Odelle

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Beschreibung

FÜR DICH. FÜR MICH. FÜR UNS ALLE. ------------- Der Weg führt nie geradeaus – aber manchmal bringen dich genau die Umwege dorthin, wo du wirklich hingehörst. Gemeinsam mit ihrer besten Freundin wagt Julina einen Neuanfang in Berlin. Der Einstieg ins Kiezleben fällt ihr schwer, doch dann trifft sie Bela. Mit ihm kommt die Liebe – intensiv, überwältigend, berauschend. Bis sie droht, sich selbst zu verlieren, und er sie mit gebrochenem Herzen zurücklässt. Statt innezuhalten, stürzt sie sich in die nächste Beziehung – mit Dorian. Er ist still, geduldig und feinfühlig. Statt alte Wunden aufzureißen, schenkt er ihr Zeit und Vertrauen. Gefangen zwischen Gefühl und Vernunft, Nähe und Selbstverlust, stellt sich Julina schließlich eine entscheidende Frage: Wer ist sie wirklich – und wie viel ist sie bereit zu opfern, wenn alles, was sie zu wissen glaubte, ins Wanken gerät? Eine Geschichte über das Glück, sich selbst zu finden. ------------- »Sag mir, dass es echt ist, Julina«, flüsterte er an meine Lippen. Die Überwältigung bebte in seiner dunklen Stimmfarbe. Und das war es – echt und einzigartig schön. Nach all dem Chaos sortierte sich meine Welt endlich neu, und formte sich zu etwas viel Schönerem, vorher nie da Gewesenem.

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EPUB
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Seitenzahl: 195

Veröffentlichungsjahr: 2025

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HEALa broken heart

 

von Aminah Odelle

 

Novelle

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

© Copyright 2025 by Aminah Odelle

Originalauflage 2025

Illustrationen: Canva

 

Druck und Distribution im Auftrag der Autorin:tredition GmbH, Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Deutschland

 

ISBN 978-3-384-60638-9

 

Instagram & TikTok: @janinabjackles.autorin

E-Mail: [email protected]

 

 

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist die Autorin verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne ihre Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag der Autorin, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Deutschland.

Kontaktadresse nach EU-Produktsicherheitsvereinbarung:

[email protected]

 

 

Für alle, die glauben, schwach zu sein.

Weil wir unsere Stärken erst

in den schwächsten Momenten finden.

Und für alle, die glauben, nicht gut genug zu sein.

Wir alle sind schön, stark, bereit und mutig.

& niemals Teil des Problems.

 

 

 

 

 

 

 

 

Achtung

 

Du glaubst hier eine Liebesgeschichte zu finden, die dein Herz berührt. Und ich verspreche dir: das wird sie, aber auf andere Weise, als du dir jetzt vorstellen kannst. Sei dir sicher, dass dich diese Geschichte zuerst zerstören könnte, bevor sich die Puzzleteile wieder zusammenfügen werden, um das zu tun, was längst überfällig ist: Dein gebrochenes Herz zu heilen.

Pass auf dich auf und lies bitte zuerst die Triggerwarnungen auf der folgenden Seite, um dann zu entscheiden, ob du wirklich bereit bist, diesen Weg zu gehen. Denn hier wird dir die Wahl gegeben, diesen Pfad zu betreten oder ihn zu verlassen, bevor dein Herz leidet. Das wahre Leben ist anders – roher, härter, mit Widerständen und Rückstößen verbunden. Aber es ist auch unfassbar schön und will gelebt werden. Weil jeder von uns es verdient hat, das Allerbeste aus den Möglichkeiten zu machen, die uns gegeben werden.

Sei nachsichtig mit den Fehlentscheidungen der Protagonistin. Wir alle sind nicht perfekt und machen Fehler oft auch mehrmals, bevor wir uns entscheiden, einen neuen Weg zu beschreiten, der uns womöglich an einen sonnigeren Ort führt.

Bevor du dich in diese Geschichte stürzt, lass mich dir folgendes mit auf den Weg geben: Verpass das Leben nicht, nur weil du Angst hast. Sie lähmt dich, obwohl sie auch ein guter Ratgeber sein kann. Ignoriere sie nicht, aber lass deine Entscheidungen nicht allein durch die Angst leiten.

Sei mutig. Denn Mut wird immer belohnt. ♥

 

Alles Liebe,

deine Aminah Odelle

 

 

Triggerwarnung

 

 

Diese Novelle enthält folgende, mögliche triggernde Inhalte:

 

 

Drogenmissbrauch

Beschreibung von Rauschzuständen

psychische Erkrankungen

emotionale Abhängigkeit

BDSM Inhalte

Bodyshaming

 

Playlist

Loi – Left in your Love

Coldplay - Paradise

Imagine Dragons – Not today

Rebecca Ferguson – Nothing’s real but love

James Arthur, Sigala – Lasting lover

Batomae – Wenn ich bei dir bin

Benne, Revelle – Hollywood

James Arthur – Safe Inside

Max Richter – Spring 1 2012

Provinz – Chaos

LEA – Ende der Welt

Craig Armstrong – Didn’t love you anything

Wilhelmine – Eins sein

Freya Ridings – You mean the world to me

Peter Gabriel –The power of the heart

Zara Larsson – I can’t fall in love without you

James Arthur, Chasing Grace – Certain Things

Birdy – Wings

Taylor Swift – Anti-Hero

Amber Run – I foundFlorence + The Machine - Never let me go

Andrew Belle, Erin Maccarley – In my veins

Celeste – Stop this flame

 

Kapitel 1

 

 

Ich presste die Luft tief in den Bauch, als ich den letzten Umzugskarton aus dem gemieteten VW-Transporter hievte. Mit solch einem enormen Gewicht hatte ich nicht gerechnet, da ich eigentlich davon ausging, dass Lilly und ich schon alle schweren Kisten mit der Sackkarre ins Haus bugsiert hätten. Mit einem kontrollierenden Blick erkannte ich meine Handschrift auf dem Deckel des braunen Pappkartons. Es waren Bücher. Die Kiste stellte ich auf den Asphalt des Innenhofs und verschnaufte mit in die Hüften gestemmten Händen. Mist. Ich könnte Lilly gerade gut gebrauchen, aber ich war mir sicher, dass sie gerade schon die ersten Umzugskartons auspackte. In einer hektischen Bewegung tastete ich schwer atmend an die Taschen meiner blauen Jeans. Scheiße. Ich musste feststellen, dass mein Handy oben in der Wohnung lag. Also war ich allein damit, die letzten Bücher in den dritten Stock zu schleppen.

Das Schlimmste an der ganzen Geschichte: Wir bezogen den Berliner Altbau. Worüber ich mich zunächst noch tierisch gefreut hatte, erwies es sich in diesem Moment als kleiner Albtraum. Wahrscheinlich würde ich die Bücher einzeln hochtragen müssen, weil hier kein Fahrstuhl existierte.

Ich verschloss den Transporter. Das Geräusch der zuschlagenden Türen hallte im Hinterhof. Als ich einen tiefen Atemzug nahm, beugte ich mich nach unten und hob den Karton hoch. Lilly hätte ja mal nachschauen können, ob alles in Ordnung ist, wütete ich im Geiste über meine beste Freundin.

»Komm schon, Julina Odette, sei kein Schlappschwanz. Wenn du im Krankenhaus schwergewichtige Patienten von rechts nach links lagern kannst, wirst du wohl nicht an ein paar lausigen Büchern scheitern.« Ja, ich sprach hin und wieder mit mir selbst. Weil man ja ab und an eine kompetente Meinung braucht. Ich habe irgendwann mal in einer Zeitschrift gelesen, dass die intelligentesten Menschen Selbstgespräche führen, das soll wohl Aussage einer Statistik gewesen sein. Ich habe aber auch gelesen, dass es für jede Statistik eine Gegenstatistik gibt. So oder so ähnlich. Zumindest gab ich mir alle Mühe, um mit zügigen, kleinen Schritten durch den Innenhof zu gehen, direkt zur Hintertür in den Hausflur. Doch ich kam nicht mal bis zur Eingangstür. Bereits auf der Hälfte der Strecke versagten meine Muskeln ihren Dienst und ich musste den Karton wieder abstellen. Schnaufend wie ein Kamel in der trockenen Sahara, lief mir der Schweiß von der Stirn. Ich stützte mich auf dem Umzugskarton ab und sah nach oben. Eigentlich nur, weil ich hoffte, Lilly würde sehen, wie ich mich hier abquälte. Aber natürlich nicht. Wieder setzte ich alle Kraft in meine Armmuskeln und hievte die Kiste wieder ein Stück weiter. Diesmal kam ich sogar bis in den Hausflur.

Ich war nicht sportlich – hasste es sogar. Aber in diesem Augenblick wünschte ich mir, dass ich in meinem Leben mehr Sport gemacht hätte. Vor allem, als ich die vielen Treppenstufen vor mir sah, und das Gewicht der Bücher würde ich zusätzlich hochschleppen müssen. Mein größtes Hobby wurde mir hier gerade zum Verhängnis.

Ich schaffe das. Ich schaffe das.

Ich. Schaffe. Das.

Da das Cheerleader-Motivations-Kommando nicht anwesend war, musste ich das wohl selbst übernehmen. Nach einer kleinen Verschnaufpause auf dem Treppenansatz, hob ich die Kiste wieder schwungvoll an und bezwang die ersten Tritte. 60 Treppenstufen waren es bis in den dritten Stock. Lilly und ich hatten sie heute schon unendlich oft betreten, weil wir hier in Berlin noch niemanden kannten. Und weil wir uns die Kosten für ein Umzugsunternehmen sparen wollten. Scheiße nicht noch eins – das war die dümmste Idee, die wir je hatten. Denn wir haben selbst das Sofa, welches Lilly aus Hildesheim mitgebracht hatte, ganz allein in die Wohnung geschleppt gehabt. Genau deswegen fühlten sich meine Klamotten vom Schweiß durchtränkt an.

Vor vier Wochen habe ich mich mit meinen Eltern verkracht, nachdem ich es abgelehnt hatte, den ambulanten Pflegedienst meiner Eltern zu übernehmen. Mein Platz war im Krankenhaus. Und obwohl Mum und Dad wussten, wie wohl ich mich in der Klinik fühlte, fühlte ich mich von meinen eigenen Eltern unter Druck gesetzt, nachdem ich ihnen freudestrahlend berichtet hatte, dass ich einen Job auf der Neurointensiv im St. Johannes Krankenhaus in Berlin Mitte ergattern konnte. Lilly und ich kannten uns seit Kindertagen. Unsere Mütter waren zusammen zur Schule gegangen und seither unzertrennlich. Da war es nicht schwer, dass auch wir unzertrennlich wurden. Lilly hatte einen Praktikumsplatz in der Rechtspflege in einer Kanzlei ergattern können. Und dank ihrer Tante, die Immobilienmaklerin war, konnten wir innerhalb von vier Wochen diese traumhafte - oder vielleicht doch alptraumhafte, wenn ich an die ganzen Bücher denke, die nach oben müssen – Wohnung beziehen. Ich bin mir sogar ziemlich sicher, dass wir ohne ihre Hilfe wahrscheinlich unter einer Brücke schlafen müssten.

Inzwischen stemme ich den Karton Stufe um Stufe nach oben. Noch sechzehn. Das Holz unter meinen Füßen knarzte und im Hausflur lag so ein charakteristischer, nach Harz duftender Geruch in der Luft, der sich in meinem Kopf direkt einbrannte und unter »Berlin« abgespeichert wurde. Meine Arme fühlten sich bleischwer und taub an. Dabei fiel es mir immer schwerer, die Kiste anzuheben. Und nicht nur die Arme begannen zu schmerzen, sondern auch meine Schenkel. Hätte ich doch nur mehr Sport in meinem Leben gemacht, verdammt!

Noch sechs Stufen. Fast geschafft.

Als mein inneres Kamel so laut schnaufte, als hätte es drei Tage lang in der Wüste keinen Tropfen Wasser gesehen, raschelte es hinter der dunklen, doppelflügeligen Holztür unserer Wohnung. Knarzend und langsam wurde sie geöffnet, bis Lilly mit ihrer langen blonden Mähne hervorlugte.

»Lini, da bist du ja. Ich wollte gerade nachsehen kommen, ob alles in Ordnung ist. Wo warst du? Hast du gleich einen Nachbarn aufgerissen?«, hörte ich sie kichern, während ich den Karton auf die letzte Stufe hob. Ich richtete mich auf und mein Rücken fühlte sich an, als würde er jeden Augenblick zerbrechen. Ein schmerzerfülltes Stöhnen hallte durch das Haus, bevor ich meine Empörung äußern konnte.

»Dein scheiß Ernst, Lilly? Ich wollte dich anrufen …. «

»Dein Handy liegt in der Küche«, unterbrach sie mich und ich zog eine Augenbraue nach oben.

»Ein Grund mehr, weswegen du mal hättest nachsehen können, wo ich bleibe. Ich hätte entführt werden können!«, schimpfte ich voller Sarkasmus in meiner Stimme.

»Du liest zu viele Bücher, Sonnenschein.«

»Wir befinden uns in Berlin, Lilly. Man sollte immer auf alles vorbereitet sein«, kommentierte ich, als Lilly an mir vorbei ging, um der Umzugskiste einen Tritt zu verpassen. Sie bewegte sich aber kein Stück. Umso entsetzter war ich, dass Lilly meine Bücher mit Füßen trat.

»Scheiße, was ist da drin?«, fragte sie fassungslos.

»Bücher. Büüüüücher, Lilly. Nur Büüüüücher. Meeeeeine Bücher«, antwortete ich langgezogen und gestikulierte wild, um ihr deutlich zu machen, dass das für mich tatsächlich Wertgegenstände waren, die sie mir nicht ersetzen könnte.

»Upsi. Entschuldigung«, Lilly senkte den Blick. Ihre Wangen färbten sich rot. Es war ihr unangenehm. Erst später konnten ihre Mundwinkel nicht mehr innehalten und sie begann zu lächeln, während sie mir verwegen in die Augen sah. Natürlich konnte ich ihr nicht länger böse sein, und Lilly wusste das. An ihrer Flanke stehend, schlang ich meinen Arm um sie und drückte sie an mich. »Ich hab dich lieb, Lilly«, flüsterte ich ihr zu.

»Ich dich auch, Lini«, antwortete sie kichernd.

»Komm, heb mal mit an.« Wir bückten uns, um ein letztes Mal den Karton anzuheben und ihn in die Wohnung zu befördern. Nachdem die alte Tür hinter uns ins Schloss fiel, atmeten wir beide synchron voller Anstrengung und Erleichterung aus.

Voller Spannung, weil wir das Landleben hinter uns ließen.

Völlig erschöpft, weil wir unseren Umzug einzig und allein mit Frauenpower gestemmt hatten.

Voller Zufriedenheit, weil wir jetzt hier unseren Neuanfang wagen konnten. Mitten in Berlin.

 

Kapitel 2

 

Es waren gerade mal zwei Tage vergangen. Und obwohl mich immer noch – oder vielleicht auch schon wieder – der schlimmste Muskelkater meines Lebens plagte, konnte ich nicht aufhören, bevor ich mich in dieser Wohnung heimisch eingerichtet hatte.

Es war Sonntag, und während Lilly versuchte, ein gemeinsames Ordnungssystem in der Küche zu etablieren, räumte ich gerade meine Sachen in die Schränke in diesem schmalen, weiß gefliesten Badezimmer ein. Es hatte gerade mal die Breite von zwei Armlängen, und ein schmaler Weg führte an der Badewanne und dem Waschtisch vorbei, zur Toilette unterhalb des Fensters. Aber immerhin hatten wir eine Badewanne. Ich schwor mir, dass ich sie noch am selben Abend endlich einweihen würde, um den fauchenden Kater in meinen Muskeln zu besänftigen. Dafür bereitete ich bereits das Badesalz vor und stellte es auf den Rand der Wanne, bevor ich noch Duschgel und Shampoo von Lilly und mir sortierte. Wir hatten uns geeinigt, dass wir beide die gleiche Haarpflege benutzen, weil wir hier einfach kaum Platz hatten, um all unsere Utensilien griffbereit zu haben. Zudem dachten wir, es sähe zu unordentlich aus, wenn hier so wahnsinnig viele Fläschchen herumstehen.

Aus dem Flur dröhnte laute Musik von den Imagine Dragons. Lilly schien die Bluetoothbox gefunden zu haben. We finally fall apart and we break each other’s heart. If we wanna live young love, we better start today. Sanfte Klänge drangen zu mir und trafen mich mitten in der Seele. Ich liebte es, dass Lilly und ich eins zu eins den gleichen Musikgeschmack hatten und sie nicht so wahnsinnig viele Beats brauchte, um sich gut zu fühlen. Ich ließ meinen Körper im Takt der Musik mitschwingen, während ich mein Make-Up in die rechte Seite des Spiegelschranks einsortierte.

Lilly sang auf dem Flur in engelsgleicher Stimme und sie vermischte sich mit der männlichen Gesangsstimme, bevor die Töne immer leiser wurden und der letzte Gitarrenklang, der letzte Ton auf dem Klavier verklungen. Ich rechnete fest damit, dass sie eine Playlist ausgewählt hatte und direkt der nächste Song gespielt werden würde. Aber eine Stille drückte den Raum nieder, in der sich schlürfende Schritte näherten, indem mir ein Lippenstift aus den Händen rutschte und scheppernd im Waschbecken aufschlug, als Lilly die Tür öffnete. »Hey Lini, schau mal.« Gespannt wandte ich den Kopf herum und sah sie auf ihrem Handy scrollen. Ihr Blick haftete am Display, bevor sie ihn zu mir herum drehte. »Ich hab mich in einer Nachbarschaftsapp angemeldet. Morgen findet ein Kieztreffen statt. Was hältst du davon?«

Ich rückte meine Brille auf meinem Nasenrücken nach oben. Trotz der Sehhilfe musste ich die Augen ein bisschen zusammenkneifen, um die kleine Schrift zu entziffern.

 

Kieztreffen Museumsviertel

Auf der Außenterrasse des Desados

Ab 18 Uhr

Kurze Voranmeldung erwünscht.

Wir freuen uns auf euch.

 

Ich rümpfte die Nase. Blickte zwischen Lillys Gesicht und dem Handydisplay abwechselnd hin und her. »Bist du dir sicher? Wir haben noch nicht mal fertig ausgepackt.« Ja, ich suchte nach Ausreden. Und ja, es fiel mir absolut schwer, neue Kontakte zu knüpfen. Nein, ich wollte nicht zwei Tage, nachdem wir hier eingezogen waren, direkt in einer Bar sitzen und mich mit fremden Menschen unterhalten. Und ja, Lilly wusste, wie menschenscheu ich sein konnte.

Wahrscheinlich würde mich die Hauptstadt direkt verschlucken, wenn ich allein nach Berlin gekommen wäre. Deswegen war ich dankbar, dass ich meine Freundin an meiner Seite hatte und sie dafür sorgte, dass ich nicht in einer Maulwurfshöhle lebte.

Ihr Mundwinkel zuckte. Wahrscheinlich, weil sie wusste, dass ich in meine kuschelige Höhle kriechen wollte. »Komm schon, gib dir einen Ruck, Lini. Du kannst dich nicht ewig hinter deinen Büchern verstecken«, sagte sie, indem sie ihr Handy verschwinden ließ und meine Hände umfasste.

Oh doch. Ich kann mich hinter den Büchern verstecken. Ich kann damit sogar eine meterhohe Mauer ziehen, hinter der mich niemand finden würde.

Sie drückte sanft zu, um mich aus meinem inneren Monolog zu entreißen. Ob sie von meinen Gedanken weiß? Definitiv. Wir waren seit 26 Jahren befreundet, sodass ich meinen Arsch darauf verwettete, dass Lilly jederzeit meine Gedanken lesen könnte – und dass sie mich mit einem Dinosaurierkostüm, einem Leichensack und einer Schaufel abholen würde, ohne Fragen zu stellen, sollte ich mal nackt in Oslo aufwachen.

»Du bist am Arsch, Julina. Du weißt, dass du aus der Nummer nicht heraus kommst. Wir gehen dahin, so oder so. Wenn du nicht freiwillig mitkommst, schleife ich dich dahin. Wenn‘s sein muss, in deinem Einhornpyjama.«

Mist.Sie meint es ernst. Todernst. Ich grübelte, ob ich morgen nicht vielleicht ganz spontan einen Dienst im Krankenhaus antreten müsste. Und ich holte gerade Luft, um etwas zu sagen, da unterbrach mich Lilly bereits mit hoch erhobenem Finger und mahnendem Blick in ihren lichtgrauen Augen. »Vergiss es. Du hast erst am Montag deinen Einführungstag, du musst morgen auf gar keinen Fall ganz spontan einspringen.« Ja, soviel zum Thema Gedankenlesen und so.

Ich senkte meinen Blick und kräuselte die Lippen. »Verstanden, Chefin. Ich komme freiwillig mit. Ohne Einhornpyjama«, flüsterte ich leise, um Lilly nicht zu viel des Sieges zu gönnen. Sie begann wild auf der Stelle zu tänzeln und riss meine Arme dabei in die Luft, wobei sie einen piepsigen Ton ausstieß. »Ich bin stolz auf dich, Sonnenschein. « Sie riss mich dabei in eine so enge Umarmung, dass es meinen Brustkorb zuschnürte und sie mir den Atem raubte. Mit meinen Händen auf ihren Rücken klopfend bedeutete ich ihr, mich loszulassen, bevor sie noch eine Reanimation einleiten müsste. Denn ich traute Lilly wirklich alles zu, weil sie meine beste Freundin war. Aber ich hatte wenig Hoffnung in sie, dass sie mich wiederbeleben könnte, sollte sie mich versehentlich ersticken, weil sie sich zu sehr gefreut hatte.

 

 

Kapitel 3

 

 

Mein Herz hämmerte wild in meiner Kehle hinauf, als ich neben Lilly vor dem Spiegel stand und meine Locken mit dem Diffusor bändigte. Das laute Pfeifen des Haartrockners überdeckte Lillys Stimme, die energisch einen Song mitsang, den sie wahrscheinlich selbst kaum hörte. Trotzdem war ich mir sicher, dass sie den Text in und auswendig konnte. Wie eine Diva hielt sie die Bürste als Mikrofon und sang. Sie erinnerte mich ein wenig an Holly aus P.S. Ich liebe dich, die im Film eine ähnlich grandiose Show ablieferte. Meine Lippen formten sich zu einem breiten Grinsen, bevor ich den Schalter am Föhn umlegte und ihn ausschaltete. Die Stimme von Rebecca Ferguson durchdrang mein Gehör. And nothing’s real but love, nothing’s real but love. No money, no house, no car can beat love. Und ganz automatisch fiel ich in den Gesang ein, während ich dabei meine blonden Locken zwirbelte. Meine Kehle wurde vom inneren Druck befreit. Die Nervosität vertrieben, indem ich neben meiner Freundin zu tanzen begann. Ich vergaß meinen inneren Stress, dass ich gleich eine riesige Horde Menschen treffen würde, die ich nicht kannte und noch nie gesehen habe. Die Töne entluden sich aus meinen Stimmbändern – lauter werdend, hin und wieder schief oder auch mal sehr schief. Aber sie kamen voller Freude, aus tiefstem Herzen und weckten die Lust in mir, zum ersten Mal mit Lilly auszugehen, nachdem wir uns für einen Neuanfang entschieden hatten. Dieses Gefühl war absolut ehrlich. Nachdem der Song vorüber war, übernahm Batomae mit Wenn ich bei dir bin, und die sanften Beats der deutschen Poesie beruhigten mein Herz, bis es wieder im Einklang war. Ich steckte meine Locken zur Seite, damit sie mir nicht in mein ohnehin rundes Gesicht fielen. Schließlich setzte ich mir wieder die schwarz umrahmte Brille auf die Nase. Mit prüfendem Blick begutachtete ich mein Augen-Make-Up und schob silberne Creolen in meine Ohrlöcher. Mit einem letzten Handgriff in meinen Haaren drapierte ich die Strähnen zu mehr Volumen und zupfte an meinem roten, locker fallenden T-Shirt, dessen Bund ich leicht seitlich knotete. Ich hatte mich heute für eine hellblaue Jeans entschieden. Lilly sagte mir oft, dass ich mich ruhig trauen kann, mehr Farbe zu tragen, obwohl ich mich in schwarz am wohlsten fühlte. Weil meine Mum mir beibrachte, Kleidung zu tragen, die vorteilhaft für mich ausfällt. Diese helle Jeans hatte ich mal in einem guten Moment erworben, als ich mutiger war als üblich. Seitdem liegt sie im Kleiderschrank, vorrangig ganz unten auf dem Stapel, weil ich sie noch nie getragen hatte – bis heute. Mit den Händen fuhr ich die Konturen meiner ausladenden Hüften nach. Ich war kurvig, nicht zu füllig, aber definitiv nicht so schlank wie Lilly, die neben mir gerade ihre weiße Chiffonbluse zurechtzupfte und sich einen braunen Taillengürtel umlegte. Lilly sah perfekt aus. Und ich war mir schon jetzt sicher, dass sich heute alle Männer nach ihr umdrehen würden. Nur nicht … nach mir. Ich war wesentlich breiter gebaut. Wenn man mich fragte, was ich am liebsten an mir mochte, musste ich immer sehr lang überlegen und nur zögerlich kam ich dann auf mein Gesicht und meine Haare, obwohl mir meine Gesichtsform nicht gefiel.

Immerzu versuchte ich, nicht zu hart mit mir ins Gericht zu gehen, weil ich wusste, dass man selbst sein härtester Kritiker sein würde. Aber es gelang mir nicht immer. Und heute war wieder so ein Tag, an dem ich mich mit Lilly verglich und wenig Schönes an meinem eigenen Körper fand. Ich beobachtete meine Freundin im Spiegel, wie sie sich die Wimpern tuschte. Sie spürte meinen bohrenden Blick und quittierte dies mit einem warmherzigen Lächeln.

»Was hast du, Lini?« Sie erhob ganz sanft ihre Stimme und durchdrang die Balladenstimme von James Arthur zu Lasting Lover. Sie hatte mich eiskalt erwischt.

»Meinst du, ich kann so mit dir ausgehen?« Ich deutete mit den Zeigefingern auf die Klamotten, die ich anhatte und sah an mir herunter.

Lilly blickte mich zunächst im Spiegel an, bevor sie sich zu mir herum drehte. »Und selbst wenn du deinen Einhornpyjama anziehst: du siehst toll aus.«

»Trägt die helle Jeans auch nicht so sehr auf? Sehe ich nicht zu dick aus?«

»Du bist nicht dick, Lini. Das warst du nie. Und in der Jeans siehst du auch nicht danach aus. Im Gegenteil, die macht einen verdammt heißen Hintern. Du wirst schon sehen, die Berliner werden an deinem Arsch hängen bleiben.«

Ich spürte, wie die Röte in Sekundenschnelle in meine Wangen schoss und die Blässe aus meinem Gesicht vertrieb. »Ach, Lilly.« Irgendwie waren das genau die richtigen Worte, die ich brauchte, um mich zu pushen – und mein Selbstbewusstsein.

»Danke«, flüsterte ich ihr zu.

»Wofür? Ich hab nichts getan.« Nachdem sie den Mascara zurück in den Spiegelschrank stellte, schloss sie diesen und schlich an mir vorbei, aus dem Badezimmer hinaus.

Ich atmete tief durch, richtete meinen BH unter dem Shirt und schlug mit den Händen auf meine Hüften.

Lilly rief mir aus dem Flur zu: »Können wir los?«

»Ich komme sofort«, rief ich ihr entgegen, bevor ich meinem Spiegelbild noch etwas mitteilte:

»Stark. Bereit. Unbesiegbar. Schön. Entschlossen. Mutig.« Mit genau diesen Worten war ich bereit – so bereit, wie ich es nur sein konnte, um mich ins Getümmel der Großstadt zu stürzen.

 

Kapitel 4

 

 

Es brauchte drei Gläser Wein. Bunte Stimmfarben vermischten sich in meinem Kopf unter der Wirkung des Alkohols, zu einem bunten, farbenprächtigem Karussell. Dreiundzwanzig Leute saßen hier in einem wunderschönen Innenhof an runden, dunklen Tischen. Während ich mich am Stiel meines gerade geleerten Weinglases hielt, beobachtete ich, wie mehrere Personen die Tische wechselten, um die Gesprächspartner zu tauschen. Drei bis vier Menschen passten an einen Tisch. Ich spürte, wie kontaktfreudig alle miteinander waren, wie neugierig die Berliner dieses Kieztreffens zu sein schienen, neue Bekanntschaften oder sogar Freundschaften zu knüpfen. Alle, nur ich nicht. Lilly unterhielt sich mit einer jungen Frau, ich schätzte sie auf Mitte 20, also unser Alter. Sie stellte sich als Mary vor und weihte Lilly gerade in die besten Clubgeschichten ein, die ihr in Berlin widerfahren sind. Ich lauschte dem Gespräch nur oberflächlich und spürte das innerliche Bedürfnis, mich von allen abzukapseln. Mein Hirn tat es bereits und ich stellte mich mental bereits an den Rand des Geschehens. Für mich war dieses Kieztreffen eine riesige Horde aus Menschenansammlungen. Und es fiel mir wahnsinnig schwer, mich hier zu integrieren. Das bedrückende Gefühl suchte mich Heim, nicht hierher zu passen. Und in diesem Augenblick fragte ich mich, ob es wirklich eine gute Idee war, nach Berlin zu kommen. Angst lähmte meinen Körper, unterdes ich meine