Todesgruß an Jesse Trevellian: Kriminalroman - Pete Hackett - E-Book

Todesgruß an Jesse Trevellian: Kriminalroman E-Book

Pete Hackett

0,0

Beschreibung

Krimi von Pete Hackett Der Umfang dieses Buchs entspricht 222 Taschenbuchseiten. Professor Jefferson hat in seiner Privatklinik nach einem Weg zur Heilung von Querschnittslähmungen geforscht. Nach einem schweren Unfall liegt er jedoch selbst als Patient in seiner Klinik und ist ab dem Hals gelähmt. Als seine Frau entführt wird, glaubt jeder, dass es um eine Lösegeldforderung geht, aber dann wird einer der Ärzte ermordet. Nachdem ein zweiter Arzt ermordet wird, steht nicht mehr die Entführte, sondern die Klinik im Mittelpunkt der Ermittlungen.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 229

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Pete Hackett

UUID: 932af5d8-ddd2-4965-ad8c-19e1651f35b0
Dieses eBook wurde mit StreetLib Write (https://writeapp.io) erstellt.

Inhaltsverzeichnis

Todesgruß an Jesse Trevellian: Kriminalroman

Copyright

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

16

17

18

19

20

21

22

23

24

25

26

27

28

29

30

31

32

33

34

35

36

37

38

39

40

41

42

43

Todesgruß an Jesse Trevellian: Kriminalroman

Krimi von Pete Hackett

Der Umfang dieses Buchs entspricht 222 Taschenbuchseiten.

Professor Jefferson hat in seiner Privatklinik nach einem Weg zur Heilung von Querschnittslähmungen geforscht. Nach einem schweren Unfall liegt er jedoch selbst als Patient in seiner Klinik und ist ab dem Hals gelähmt. Als seine Frau entführt wird, glaubt jeder, dass es um eine Lösegeldforderung geht, aber dann wird einer der Ärzte ermordet. Nachdem ein zweiter Arzt ermordet wird, steht nicht mehr die Entführte, sondern die Klinik im Mittelpunkt der Ermittlungen.

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author / COVER FIRUZ ASKIN

© dieser Ausgabe 2022 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

[email protected]

Folge auf Facebook:

https://www.facebook.com/alfred.bekker.758/

Folge auf Twitter:

https://twitter.com/BekkerAlfred

Erfahre Neuigkeiten hier:

https://alfred-bekker-autor.business.site/

Zum Blog des Verlags!

Sei informiert über Neuerscheinungen und Hintergründe!

https://cassiopeia.press

Alles rund um Belletristik!

1

25. Juli 2003. Ein sonniger Sommertag. Eine Gruppe von Motorradfahrern brauste über den Highway in Richtung Philadelphia. Es waren acht Biker, die sich den Fahrtwind um die Nase wehen ließen. Die Motoren der schweren Maschinen dröhnten.

Professor Dr. Wesley Jeffersohn führte die Gruppe an. Es war so etwas wie ein Betriebsausflug, an dem allerdings nur diejenigen Ärzte, Schwestern und Pfleger teilnahmen, die eine Maschine ihr eigen nannten und zur Motorradclique des Arztes gehörten. Die Einsatzbereitschaft sowohl in Professor Jeffersons Privatklinik, wie auch im privaten Pflegeheim war gewährleistet.

Ein grauer Porsche setzte zum Überholen an. Der Sportflitzer jagte mit Vollgas an den Motorradfahrern vorbei und wechselte wieder auf die rechte Spur. Viel zu steil. Der Wagen schnitt Dr. Jefferson auf seiner Harley. Der Professor bremste abrupt. Gummi radierte kreischend über Asphalt. Das Motorrad brach hinten aus...

Jefferson konnte es nicht mehr abfangen, und stürzte. Es schepperte und klirrte.

Der Arzt überrollte sich einige Male, eines der anderen Motorräder donnerte über ihn hinweg, der Biker verriss, das vordere Rad stellte sich quer und die Maschine überschlug sich. Der Fahrer flog – wie von einem Katapult geschleudert - meterweit durch die Luft, prallte auf den Asphalt und krachte ungebremst gegen die Leitplanke.

Der Porschefahrer setzte, ohne abzubremsen, seine Fahrt fort. Die anderen Motorradfahrer hatten damit zu tun, den am Boden liegenden Maschinen und Männern auszuweichen. Ein dritter Biker stürzte und schlitterte über die Straße. Dann standen die Motorräder. Dr. Jefferson und die beiden anderen Motorradfahrer, die gestürzt waren, lagen reglos am Boden. Ihre Gefährten stellten die schweren Maschinen am Straßenrand ab und rannten zu den am Boden Liegenden. Dr. Corinna Jefferson, die Gattin Professor Jeffersons, riss sich den Helm vom Kopf und kniete bei ihrem Mann nieder. Er lag auf dem Bauch. Vorsichtig drehte sie ihn herum und brachte ihn in die stabile Seitenlage. Dann nahm sie ihm den Helm ab.

Der Arzt lebte. Seine Lederkombi war an vielen Stellen aufgerissen. Seine Lider zuckten. Corinna Jefferson holte das Handy aus der Brusttasche ihrer roten Kombination und tippte die Nummer des Notrufs. Mit hastigen Worten erklärte sie, was vorgefallen war, und bat, sofort einen Notarzt und mehrere Ambulanzen zu schicken.

Dann ging sie zum nächsten der Biker, der auf der Straße lag. Man hatte ihm bereits den Helm abgenommen. Es war Steven Butler, ein Pfleger. »Er lebt«, sagte einer der Männer, die sich um ihn kümmerten. »Wie sieht es bei Jane aus?«

»Ihr ist nicht mehr zu helfen«, sagte ein Mann mit blonden Haaren und einem ebenso farbenen Oberlippenbart. Seinen Helm hatte er achtlos auf den Boden geworfen. Jetzt griff er danach und drückte sich hoch. »Jane ist tot. Hat sich jemand die Nummer des Porsche gemerkt?«

Die fünf Menschen in ihren Lederanzügen standen betroffen da und schwiegen. Keiner wusste die Zulassungsnummer. Es war alles viel zu schnell gegangen. Sie hatten zu tun gehabt, sich selbst vor einem schlimmen Sturz zu bewahren.

Jetzt konnten sie nur abwarten. Einige Pkw's hielten an. Jemand sicherte die Unfallstelle mit einem Warndreieck ab. Fragen wurden laut.

Dr. Corinna Jefferson war wieder bei ihrem Mann auf das Knie niedergegangen. Sein Gesicht war bleich. Corinna hatte die Lippen zusammengepresst. Abgesehen von Schürfwunden konnte sie an ihrem Gatten äußerlich keine Verletzungen feststellen.

Ein Mann in Jeans und mit einem weißen, über der Brust weit geöffnetem Hemd, ging neben ihr auf das rechte Knie nieder. »Lassen Sie mich mal ran. Ich bin Arzt.«

»Ich auch«, versetzte Corinna. »Wir können im Augenblick nichts tun.«

Die Lider Wesleys begannen zu flattern. Plötzlich öffnete er die Augen. Verständnislos schaute er in das Gesicht seiner Frau.

»Wesley«, flüsterte sie. »Wie geht es dir? Hast du Schmerzen?« Ihre Stimme schwankte.

Unter seinem linken Auge begann ein Nerv zu zucken. Seine Lippen bewegten sich. »Was – was ist geschehen?«

»Du hattest einen Unfall. Ein Pkw hat dich geschnitten und du musstest bremsen... Alles wird gut, Wesley. Gleich wird der Notarzt eintreffen. Ich lasse dich in unsere Klinik schaffen. Mach dir keine Sorgen.«

»Ich – ich kann mich nicht bewegen«, murmelte Dr. Jefferson abgehackt und kaum verständlich. »Meine Hände – ich spüre sie nicht mehr. Du lieber Himmel, Corinna, was ist mit meinen Händen? Und meine Beine...« Entsetzen schlich sich in seinen Blick. Seine Nasenflügel bebten. »Bedeutet das...«

»Bleib ganz ruhig liegen, Wesley. Es ist wahrscheinlich der Schock.«

Er schloss die Augen. Sein Atem ging stoßweise. »Ist außer mir noch jemand...?« Seine Stimme brach.

»Steven Butler und Jane Mercer«, sagte Corinna. Aber Dr. Jefferson hörte sie schon nicht mehr. Er war wieder besinnungslos geworden.

Der Mann, der neben Corinna kniete und der sich als Arzt ausgegeben hatte, sagte: »Hoffentlich hat er sich nicht das Rückgrat verletzt. Wenn das Rückenmark beschädigt wurde...«

Dr. Corinna Jefferson richtete sich abrupt auf. Sie schoss dem Arzt einen Blick zu, der diesen bestürzt schweigen ließ. Corinna schaute auf ihre Uhr. Es war 9 Uhr 25. Vor nicht ganz einer Stunde waren sie aufgebrochen. Es sollte einer schöner Tag werden, den sich die Motorradclique der Privatklinik bereiten wollte. Kaum, dass er angefangen hatte, endete er auf diese tragische Weise.

Es dauerte fast eine halbe Stunde, bis drei Ambulanzen eintrafen. Der Notarzt kam mit einem Ford, der auffällig als Notarztwagen gekennzeichnet war. Die Blinklichter auf den Dächern rotierten. Die Sirenen schwiegen jetzt, da die Fahrzeuge am Ziel waren.

»Er kann seine Arme und Beine nicht bewegen«, erklärte Corinna dem Notarzt.

Der Mann nagte an seiner Unterlippe. »Bei dieser Art von Unfällen kommt es schon mal vor, dass...«

»Schweigen Sie!«, fuhr Corinna den jungen Arzt an. Doch im nächsten Moment fügte sie gemäßigter hinzu: »Entschuldigen Sie, Doktor. Aber ich weiß nicht, wo mir der Kopf steht. Ich – ich bin selbst Ärztin. Auch mein Mann ist Arzt. Ich weiß, dass es nicht auszuschließen ist, dass durch den Bruch eines Wirbels das Rückenmark durchtrennt wurde.« Und plötzlich entwickelte Corinna hektische Aktivität. »Mein Mann soll in unserer Klinik behandelt werden. Es ist eine Spezialeinrichtung für Querschnittslähmungen. Wir haben dort bereits Versuche mit Makrophagen unternommen. Die Chancen stehen 50 zu 50. Fordern Sie einen Rettungshubschrauber an. Beeilen Sie sich...«

»Was ist das für eine Klinik?«, fragte der Notarzt.

»Professor Jeffersons Private Medical Center, Caswell Avenue, Staten Island.«

»Fordern Sie per Funk einen Rettungshubschrauber an!«, gebot der Notarzt einem der Rettungshelfer. Dann verpasste er Dr. Wesley Jefferson eine kreislaufstabilisierende Injektion, und dann überließ er ihn zwei Helfern, die ihn vorsichtig auf eine Bahre legten. Der Notarzt selbst wandte sich Steven Butler zu, dem Pfleger, der ebenfalls schwer gestürzt und ohne Besinnung war.

Nach und nach kamen auch die Polizei, ein Staatsanwalt, der Coroner und die Feuerwehr, deren Job es war, die Straße zu räumen und ausgelaufenes Öl und Benzin zu binden.

Der Hubschrauber benötigte eine Viertelstunde. Vorsichtig wurde Dr. Jefferson auf der Bahre in den Helikopter gehoben. Er war jetzt an einen Tropf angeschlossen. Die Besinnung hatte er nicht wieder erlangt. Corinna stieg mit in den Hubschrauber. Zur Besatzung gehörte ein Arzt.

Der Pilot bekam die Anweisung, den Schwerverletzten zu Jeffersons Privatklinik zu fliegen. In dem großen, parkähnlichen Garten gab es einen Hubschrauberlandeplatz...

2

Die Behandlung übernahm sofort Dr. Patrick Shannon, der Vertreter Professor Wesley Jeffersons. Die Diagnose war niederschmetternd. Es lag ein Bruch des 7. Halswirbels mit vollständiger Durchtrennung des Rückenmarks vor. Dr. Jefferson verfügte noch über eine intakte Nackenmuskulatur und konnte eigenständig atmen, hatte jedoch keine Kontrolle über seine Arme, und auch die Finger waren völlig empfindungslos. Des weiteren waren alle Muskeln und Hautpartien unterhalb des Schultergürtels unkontrollierbar und taub. Er war also vom Hals abwärts gelähmt.

Die Behandlung mit Makrophagen, also speziellen Abwehrzellen, die in das Rückenmark gespritzt wurden, war ohne Erfolg.

Wesley Jefferson wurde in sein privates Pflegeheim eingewiesen. Er konnte denken und sich artikulieren, war also im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte, sein Körper jedoch war ein Wrack. So sah er es jedenfalls selbst.

Schwester Sabrina Hayworth, eine hübsche junge Lady mit langen, blonden Haaren, war ausschließlich dafür eingestellt worden, um ihn sozusagen rund um die Uhr zu betreuen und zu versorgen.

In der Krankenhaushierarchie war an die Stelle Jeffersons Dr. Patrick Shannon getreten, dessen Stelle nahm Susan Forsyth ein, eine 41-Jährige, wenig attraktive Frau, und deren bisherigen Job als Oberärztin versah ab sofort Cr. Carl Fletcher...

Die Krankheit hatte Dr. Wesley Jefferson verbittert, übellaunig und ungerecht werden lassen. Oft sprach er mit seiner Frau, manchmal auch mit seiner Pflegerin Sabrina darüber, wieso ausgerechnet bei ihm die Behandlung mit Makrophagen fehlgeschlagen war. Mit der Therapie hatte sich immerhin bei etwa 30 Prozent der Verletzten ein Heilungsvorgang eingestellt. Er gehörte zu den anderen 70 Prozent. Diese Tatsache wollte er einfach nicht akzeptieren und er erklärte der Krankheit den Krieg. Eines Tages – davon war er überzeugt -, würde eine Heilung möglich sein. Die Forschung, der er sich verschrieben hatte, wurde unter seiner Regie fortgeführt. Er war das Hirn. Die Impulse, die von ihm kamen, wurden von dem ihm vertrauten Ärzten wie Dr. Shannon und Dr. Forsyth umgesetzt.

Die Staatsanwaltschaft hatte die Fahndung nach dem Unglücksfahrer mangels Erfolg eingestellt. Ihn zu finden und zu überführen war unmöglich. Er, Dr. Jefferson, war mit einem formellen Schreiben von der Einstellung der Ermittlungen in Kenntnis gesetzt worden. Es war nicht zu erwarten, dass der Unglücksfahrer jemals herausgefunden und überführt werden konnte.

Und dann war da noch etwas, das in dem Arzt nagte und fraß. Seine Frau kümmerte sich immer weniger um ihn. Manchmal sah er sie tagelang nicht. Hatte sie sich einem anderen Mann zugewandt? Nun, Corinna war eine attraktive Frau von 36 Jahren, dunkelhaarig, rassig - und vermögend. Die Hälfte des Vermögens, das sie besaßen, gehörte ihr. Die Ehe bestand allerdings nur noch auf dem Papier...

Die Eifersucht nagte und fraß in dem Gelähmten. Sie raubte ihm den Schlaf und verfolgte ihn, wenn er dennoch einschlief, bis in seine Träume.

Als ihn Corinna wieder einmal besuchte, stellte er sie zur Rede. »Was ist los, Corinna? Ich sehe dich kaum noch. Ist es zu viel verlangt, dass du mich öfter als einmal in der Woche besuchst? Bin ich dir zur Last geworden? Gibt es einen anderen Mann?«

Er starrte mit zwingendem Ausdruck in ihr ebenmäßiges, solariengebäuntes Gesicht, als versuchte er, mit seinem Blick in die entlegensten Winkel ihres Gehirns vorzudringen und ihre geheimsten Gedanken zu ergründen.

Corinna versuchte zu lächeln. Der Versuch misslang kläglich. Sie stieß hervor: »Was erwartest du von mir, Wes? Ich bin 36 Jahre alt, und das Leben ist für mich noch nicht vorbei. Du kannst nicht von mir verlangen, dass ich...« Sie winkte ab. Mit harter Stimme endete sie: »Was kannst du mir noch bieten, Wes? Du könntest genauso gut tot sein. Ich will aber etwas haben vom Leben und hoffe, dass du das verstehen kannst.«

Harte Worte, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig ließen.

Professor Jeffersons Augen verdunkelten sich. Sein Blick schien sich nach innen zu verkehren. »Wer ist es?«

Corinna starrte ihn sekundenlang an. Dann wandte sie sich wortlos um und verließ das Zimmer.

»Dir ist meine Verletzung wohl sehr entgegen gekommen?«, rief Jefferson aufgebracht hinter ihr her. »Bedauerst du es etwa gar, dass ich nicht vor die Hunde gegangen bin?«

Die Tür fiel ins Schloss. Jefferson knirschte mit den Zähnen. Sein Mund verkniff sich. Zwischen seinen Lidern flackerte es unruhig. Die Empfindungen, die ihn durchströmten, drohten ihn zu übermannen. Das Leben, das er führte, war nicht mehr lebenswert. Das Schicksal hatte ihm fast alles genommen. Jetzt – so schien es -, auch die Frau. Was nützte ihm der ganze Reichtum? Das einzige, was ihm geblieben war, war die Hoffnung – die Hoffnung, dass die Wissenschaft einen Weg fand, im Moment noch als irreparabel eingestufte Querschnittslähmungen zu heilen und den Betroffenen wenigstens einen Teil ihrer Fähigkeit, sich zu bewegen, zurückzugeben.

Professor Jefferson läutete nach Sabrina. Die junge Frau bewohnte ein Zimmer neben dem des Gelähmten. Ja, sie musste 24 Stunden täglich für ihn verfügbar sein.

Sabrina erschien. »Sie wünschen, Sir?«, fragte sie mit einem freundlichen Lächeln, das ihre sinnlichen Lippen umspielte. In ihren Augen war ein besonderer Ausdruck, als sie den hilflosen Mann auf der mit allen möglichen technischen Raffinessen ausgerüsteten Liege musterte.

Zu Sabrina hatte Dr. Jefferson eine Art Vertrauen gefasst. Seine oftmals sehr wechselhaften Stimmungen ertrug sie mit Geduld.

»Meine Frau betrügt mich!«, presste Jefferson hervor.

Das Lächeln um Sabrinas Mund gerann. »Wie kommen Sie darauf?«

»Sie hat es mir eben eingestanden. Nicht mit Worten, sondern konkludent. Ich will wissen, wer es ist. Engagieren Sie für mich einen Privatdetektiv, Sabrina. Ich will wissen, mit wem mich Corinna betrügt.«

»Ihre Frau ist jung und lebenslustig.«, wandte Sabrina ein. »Zu jung, um sich in ihren vier Wänden zu vergraben. Sie sollten Verständnis für sie aufbringen, Sir.«

»Glaubst du, ich habe keine Gefühle mehr?«, herrschte Jefferson das Mädchen an. »Ich bin nur körperlich gelähmt und außer Gefecht. Geistig aber...« Er brach ab. Seine Stimme senkte sich und nahm einen fanatischen Ton an. »Ich lasse es nicht zu, dass Corinna auf meinen Gefühlen herumtrampelt. Das habe ich nicht verdient. Also engagieren Sie für mich einen Detektiv. Heute noch.«

»In Ordnung, Sir«, sagte Sabrina leise. »Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?«

»Du kannst mich zum Fenster schieben, damit ich in den Garten blicken kann.«

Blicklos starrte er wenig später durch das Fenster. Mit seinen Gedanken war er weit, weit weg. Währenddessen blätterte Sabrina im Branchenfernsprechbuch und suchte die Nummer eines New Yorker Privatdetektivs heraus.

Es war der 12. März 2005...

3

Mittwoch, 6. April 2005...

Milo und ich hatten pünktlich um acht Uhr unseren Dienst angetreten. Ich setzte mich hinter meinen Schreibtisch und schaltete den Computer ein. Dann griff ich nach der Zeitung, die ich auf dem Weg zum Federal Building gekauft hatte. Es war die New York Post.

Da schlug mein Telefon an. Seufzend nahm ich den Hörer ab und schoss Milo einen verzweifelten Blick zu, nach dem Motto, >nicht mal die Zeitung kann man in Ruhe lesen<.

Es war Mr. McKee, der Assistant Director des FBI Field New York. »Guten Morgen, Jesse«, sagte er mit ruhiger Stimme. »Es gibt Arbeit...«

Zwei Minuten später saßen Milo und ich an dem Konferenztisch im Büro des Chefs. »Dr. Corinna Jefferson wurde aus ihrem Haus in Staten Island entführt«, begann Mr. McKee. »Ihr und ihrem Mann gehört das >Professor Jefferson Private Medical Center< in Staten Island. Sie ist seit vorgestern Abend spurlos verschwunden. Die Kidnapper haben noch keine Forderungen geltend gemacht.«

»Hat uns diesen Fall das Police Departement auf's Auge gedrückt?«, fragte Milo, als hätte es nichts Wichtigeres auf der Welt gegeben.

»Ja. Menschenraub fällt in die Zuständigkeit des FBI«, antwortete der Chef. »Aber wem sage ich das?« Er schaute Milo an und ein angedeutetes, nachsichtiges Lächeln hatte sich in seinen Mundwinkeln eingekerbt.

»Schon gut, Sir«, entschuldigte sich Milo. »Ein guter Beamter prüft immer erst die Zuständigkeit. Und auf diesem Gebiet sind die Kollegen vom Departement unschlagbar.«

Der Chef lachte. »Warum so zerknirscht, Milo?«

»Wir sind an dem ehemaligen Reporter von der Morning Post dran, den wir verdächtigen, dass er seine Kollegin von der New York Times umgebracht hat. Wir kommen an den Kerl nicht ran und drehen uns auf der Stelle. Und das, Sir, ist ganz und gar nicht befriedigend.«

»Haben Sie schon irgendetwas herausgefunden, was Ihren Verdacht erhärtet?«, fragte der AD.

»Es gibt nur den Entwurf für den Artikel, in dem Sarah McMillan ihren – hm, Kollegen der unwahren Berichterstattung überführen wollte. Wobei wir nur vermuten, dass es sich bei dem Kollegen um Price Weidman handelt. Seine Exclusivinterviews mit einem New Yorker Drogenboss sollen erstunken und erlogen sein. Reißerisch aufgemachte Artikel über Waffenschmuggel und illegale Prostitution ebenfalls. Price Weidman sorgte mit seiner spektakulären Berichterstattung dafür, dass die Verkaufszahlen der Morning Post explosionsartig in die Höhe schnellten.«

»Darin sehen Sie ein Motiv für einen Mord?«, fragte Mr. McKee erstaunt. »Das ist nicht viel, meine Herren. Wenn Sie nicht mehr haben...«

»In Sarahs Wagen fanden wir Weidmans Fingerabdrücke, außerdem einige Haare von Sarah. Ebenso in seinem Apartment. Weidman behauptet zwar, ein Verhältnis mit ihr gehabt zu haben, doch es gibt niemand, der das bestätigt. Für eine Tat Weidmans spricht eine Menge, Sir.«

»Bleiben Sie in der Sache am Ball. Zugleich jedoch bitte ich Sie beide, den Fall Jefferson zu übernehmen. Professor Wesley Jefferson hatte vor etwa eindreiviertel Jahren einen Motorradunfall. Er ist seitdem querschnittsgelähmt. Vom Hals an abwärts. Der Autofahrer, der den Unfall damals verursachte, hat Fahrerflucht begangen und wurde nie ausfindig gemacht. Dr. Jefferson wird in seinem eigenen Pflegeheim betreut.«

»Gibt es irgendwelche Hinweise?«, fragte ich. »Die Spurensicherung war doch sicher am Tatort.«

»Fingerabdrücke, DNS-Analysen...« Mr. McKee nahm eine dünne Mappe von seinem Schreibtisch und reichte sie mir. »Die bisher angefallen Ermittlungsunterlagen. Die Fingerabdrücke in der Villa und die Haare, die man dort gefunden hat, gehören Mrs. Jefferson, außerdem sind da noch die Prints und DNS-Strukturen eines Unbekannten. Vereinzelt wurden sogar noch die Fingerabdrücke des Professors festgestellt. Der Fall sorgt für Schlagzeilen. Wir sind gefordert, Gentleman. Also tun Sie, was Sie können.«

»Seien Sie dessen versichert, Sir«, sagte ich und erhob mich. Die Ermittlungsakte hatte ich an mich genommen. Wir wandten uns zur Tür. Die Stimme Mr. McKees holte uns ein.

»Ich werde Mandy beauftragen, ihnen eine Kanne voll Kaffee ins Büro zu bringen. Das möbelt Ihre Laune sicher auf, Milo.«

»Ich bin nicht schlecht gelaunt, Sir«, wehrte sich Milo. »Nur frustriert...«

»Und das lässt Ihre Laune auf den Nullpunkt sinken«, konterte Mr. McKee lächelnd. »Kopf hoch, Milo, es kommen auch wieder bessere Tage.«

Ich konnte mir ein spöttisches Grinsen nicht verkneifen. Und als wir draußen waren, versetzte ich Milo einen leichten Knuff gegen die Rippen. »Morgenmuffel.«

»Ich hasse es, an zwei Fällen gleichzeitig zu arbeiten.«

»So wird uns wenigstens der Tag nicht lang.«

»Wo du Recht hast, hast du Recht«, knurrte Milo. »Also führen wir uns die Akte zu Gemüte.«

Die Sekretärin der Ärztin war von den Beamten der Police Departement bereits einvernommen worden. Ihrer Aussage gemäß hatte Mrs. Jefferson die Privatklinik gegen 19 Uhr 30 verlassen. Gemessen an der Lage ihres Hauses in Staten Island und dem Verkehrsaufkommen um diese Zeit schätzte ich, dass sie dann gegen 20 Uhr, spätestens 20 Uhr 15 zu Hause war.

Die Kollegen hatten auch den Anrufbeantworter abgehört. Ein Anruf erschien uns auffällig. Die Kollegen hatten den Wortlaut notiert. >Hier ist Pat. Ich kann es kaum erwarten, mit dir zusammen zu sein. Ich liebe dich.<

»Wer ist Pat?«, fragte Milo.

»Wahrscheinlich jener Unbekannte, dessen Fingerabdrücke und DNS im Haus von Mrs. Jefferson gefunden wurden«, mutmaßte sich.

»Der Kandidat hat 99 Punkte«, knurrte Milo. Dann fügte er grinsend hinzu: »Dein Scharfsinn schlägt wieder einmal alles. Pat ist der Geliebte der guten Frau. Er dürfte als Entführer ausscheiden. Ihr Mann ist vom Hals an abwärts gelähmt und kommt wohl ebenfalls nicht in Frage. Wir sollten mal in die Privatklinik fahren und uns dort umsehen.«

Gesagt, getan. Wir fuhren zur Südspitze Manhattans, von wo aus wir die Fähre nach Staten Island benutzten. So war es am einfachsten, auf die Insel zu gelangen. Über New Jersey oder Brooklyn nach Staten Island zu fahren war ziemlich umständlich.

Es war 9 Uhr 40, als ich auf dem Parkplatz der Klinik den Wagen abstellte. Wir stiegen aus. Es war ein großer Gebäudekomplex, dem wir uns gegenüber sahen. Er lag mitten in einem parkähnlichen Garten mit geschotterten Wegen. An allen Wegkreuzungen und Abzweigungen waren Hinweisschilder zu sehen. Wir folgten dem Hinweisschild mit der Aufschrift >Notaufnahme<. Schließlich landeten wir an einer Rezeption, hinter der ein älterer Mann und ein etwa 20-Jähriges Mädchen ihren Dienst versahen.

Ich wies mich aus und fragte nach dem Leiter der Klinik. Das Mädchen lächelte freundlich, nahm ein Mikrofon zur Hand, drückte einen Knopf und sagte laut: »Dr. Shannon! Sie werden an der Rezeption erwartet. Dr. Shannon, bitte kommen Sie zur Rezeption in der Notaufnahme.«

Ich bedankte mich bei dem Mädchen. Dann warteten wir. Unsere Geduld wurde auf keine sehr lange Probe gestellt, dann kam ein hochgewachsener Mann um die 40 am Ende des Flurs um die Ecke. Er trug einen hellgrünen Kittel, um seinen Hals hing ein Stetoskop. Sein Gang war sicher und zielstrebig. Zwei Schritte vor uns hielt er an. »Danke, Amy«, sagte er in Richtung des Mädchens, dann richtete er den fragenden Blick auf Milo, dann auf mich. »Mein Name ist Shannon. Dr. Shannon. Was kann ich für Sie tun, Gentleman.«

Ich las das Namensschild an seiner Brust. >Dr. Patrick Shannon<, stand da und mir ging ein Licht auf. Wir hatten Pat gefunden, jenen Mann, der auf den Tonträger des Anrufbeantworters in Corinna Jeffersons Wohnung gesprochen hatte. Ein kleiner Erfolg.

»Special Agent Trevellian, FBI New York«, stellte ich mich vor und zeigte dem Arzt meine ID-Card. »Mein Kollege Milo Tucker. Wir ermitteln im Entführungsfall Dr. Corinna Jefferson.«

Das Gesicht Shannons verschloss sich sekundenlang. Es war deutlich, dass er mit diesem Thema nicht konfrontiert werden wollte. »Ihre Kollegen vom Departement haben mich schon einvernommen. Ich habe ihnen alles gesagt, was ich weiß. Und das ist so gut wie gar nichts.«

Ich ging nahe an den Arzt heran, nahm ihn beim Oberarm und sagte dicht neben seinem Ohr: »Haben Sie den Kollegen vom Departement auch erzählt, dass Sie der Geliebte von Corinna Jefferson sind?«

Er prallte regelrecht zurück. Ich lächelte ihn an. Er blinzelte erregt. »Nein«, stieß er dann hervor. »Das dürfte wohl kaum von Belang sein.«

»Jedes Detail kann zur Klärung des Falles beisteuern«, entgegnete ich und fügte philosophierend hinzu: »Oftmals sind es die kleinen, nebensächlichen Details, die die großen Fälle aufklären.«

»Na schön«, sagte Shannon und reckte die Schultern. »Gehen wir in mein Büro. Dort spricht es sich besser.«

Er geleitete uns durch einige Flure...

4

Schließlich ging es eine Treppe hinauf, und dann saßen wir an dem kleinen Besuchertisch in seinem Büro. »Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?«

»Nein, danke«, lehnte ich ab. »Erzählen Sie uns ganz einfach, wie Ihr Tag vorgestern ablief.«

Der Arzt zierte sich nicht und begann zu sprechen. Es war der Alltag fast jedes Beschäftigten, den er uns schilderte. Acht Uhr morgens Arbeitsbeginn, zehn Uhr Kaffeepause, von 12 bis 13 Uhr Mittagszeit. Dann wieder Dienst bis etwa 18 Uhr. Danach war er in seine Wohnung in Manhattan gefahren.

»Sicher werden Sie auch meine Fingerabdrücke in Corinnas Haus finden«, gab er schließlich noch zu verstehen. »Ich kann Ihnen jedoch versichern, G-men, dass ich mit der Entführung nichts zu tun hatte. Corinna und ich waren für 21 Uhr verabredet. Ich sollte sie von ihrer Wohnung abholen. Wir wollten im >Lespinasse< zu Abend essen. Als ich zu Corinnas Haus kam, war sie nicht da. Ihr Wagen stand vor der Garage. Ich ging ins Haus hinein. Corinna war spurlos verschwunden. Als sie um 22 Uhr noch immer nicht aufgetaucht war, verständigte ich die Polizei.«

»Weiß Corinnas Mann von dem Verhältnis?«

»Ich glaube, er ahnte etwas. dass er Konkretes weiß, glaube ich nicht. Wir waren sehr vorsichtig. Warum sollten wir diesen kranken Mann damit belasten? Wesley liegt in der Pflegestation, bis zum Hals hinauf gelähmt. Das Schicksal hat ihn genug bestraft.«

»Wie war das – mit dem Unfall meine ich. Gab es keine Möglichkeit, ihm die Bewegungsfähigkeit zu erhalten?«

»Es war ein Unfall mit dem Motorrad. Im Juli 2003. Ein Porschefahrer hat ihn verursacht, hat aber Fahrerflucht begangen und blieb unerkannt. Obwohl Wes sofort in diese Klinik gebracht wurde und wir ihn mit Makrophagen behandelten, wuchsen die durchtrennten Nerven nicht wieder zusammen.«

»Makrophagen?«, kam es fragend von Milo.

Dr. Shannon hob die rechte Augenbraue. Diese Geste verlieh seinem Gesicht einen hochmütigen Ausdruck. Dann sagte er: »Das sind Zellen des retikuloendothelialen Systems, die zur Phagozytose befähigt sind.« Er lächelte nach diesen Worten.

»Noch einmal«, sagte Milo. »Diesmal aber für normal Sterbliche.«

»Makrophagen sind sogenannte Fresszellen. Sie sind wesentlicher Bestandteil des Immunsystems, erkennen fremde Eiweißstrukturen, umschließen in den Körper eingedrungene Erreger, stülpen diese in ihr Zellinneres und bauen sie dort ab. Auch lebende Tumorzellen vermögen sie zu zerstören.« Shannon schaute uns nacheinander an, und wahrscheinlich bemerkte er, dass wir noch immer nicht so richtig begriffen hatten, denn er fügte geduldig hinzu:

»Wenn das Rückenmark durchtrennt ist, werden Informationen vom Gehirn an die Gliedmaßen nicht mehr weitergeleitet. Bislang konnte man eine Unterbrechung der Nervenbahnen im Rückenmark nicht wieder schließen. Die Narben, die sich an der verletzten Stelle bildeten, waren für die Nervenzellen nicht zu überwinden. Entgegen der nach wie vor weit verbreiteten Meinung muss das jedoch nicht zwangsweise bedeuten, dass die Betroffenen ein Leben im Rollstuhl führen müssen.« Shannon legte eine kleine Pause ein, musterte erst Milo, dann mich, dann fuhr er fort: »Querschnittlähmung bezeichnet ein Lähmungsbild, das aus einer unvollständig oder vollständigen Schädigung des Rückenmark-Querschnittes resultiert. Israelische Forscher haben einen Ansatz zur Behandlung von Lähmungen wegen schwerer Rückenmarksverletzungen vorgestellt. Dabei werden spezielle Abwehrzellen in das Rückenmark gespritzt – Makrophagen also. Dies kann einen Heilungsprozess auslösen. Die Behandlung muss aber binnen 14 Tagen nach den Verletzungen begonnen werden. Und der Erfolg ist nicht 100-prozentig.«

Ich nickte. »Interessant. Vielen Dank für die Aufklärung. Das Verhältnis mit Corinna – wann begann es? Vor dem Unfall oder danach?«

Offensichtlich überraschte ich mit meiner Frage, die für ihn wie aus heiterem Himmel gekommen sein musste, den Arzt. Seine Stirn legte sich in Falten. »Was versuchen Sie zu konstruieren?«

»Nichts. Wir ermitteln in einer Entführungsgeschichte. Bei der Entführten handelt es sich um Ihre Geliebte. Sie ist verheiratet...«

»Nur noch auf dem Papier!«, stieß Shannon hervor.

»Das ändert nichts an der Tatsache.«

»Was wollen Sie überhaupt?« Ich glaubte, so etwas wie Unsicherheit bei Shannon wahrzunehmen. Er wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. »Ich habe mit der Entführung nichts zu tun. Dass Corinna und ich ein Liebespaar sind, will ich nicht abstreiten. Das Verhältnis begann, nachdem Wesley zum – hm, Krüppel geworden war.«

»Wer gehörte damals zum Team, das Dr. Jefferson nach dem Unfall betreute?«

»Warum wollen Sie das wissen?«

»Antworten Sie.« Ich konnte diesem Mann nichts abgewinnen. Aus meiner Sicht war er eiskalt und berechnend. Darum machte es mir beinahe Spaß, ihn mit Fragen zu trietzen.

»Ich leitete das Team«, sagte Shannon, dann dachte er kurz nach. »Dr. Forsyth, Dr. Fletcher und Dr. Lucas, ein Assistenzarzt. Natürlich waren da auch noch einige OP-Schwestern...«

»Natürlich. Arbeiten die Ärzte noch alle in der Klinik?«

»Ja.«

»Gehen wir zu Dr. Jefferson.« Ich erhob mich.

Auch Milo drückte sich hoch. »Weiß Jefferson, dass seine Frau entführt wurde?«

Shannon nickte. »Ja. Ich habe es ihm gestern gesagt.«

»Wie hat er es aufgenommen?«

Shannon wiegte den Kopf. »Ich würde sagen ohne besondere Gemütsregung.« Und sofort erfolgte ein Erklärungsversuch von Seiten Shannons. »Wes ist verbittert. Die Schicksale anderer lassen ihn kalt. Es ist sein eigenes Schicksal, das ihn beschäftigt – und zwar ausschließlich.«

»Nun«, sagte Milo, »das Schicksal meinte es nicht gerade gut mit ihm. Ich denke, man muss ihn verstehen. Wieso denken Sie, dass er ahnte, dass seine Frau einen Liebhaber hat?«

»Irgendwann – es war ungefähr Mitte März -, sprach er Corinna dahingehend an. Sie ließ durchblicken, dass es einen anderen Mann in ihrem Leben gebe. Namen nannte sie jedoch nicht.«

»In der Klinik haben Sie ihr Verhältnis kaum geheim halten können«, wandte ich ein und beobachtete Shannon, suchte nach einer Reaktion in seinen Zügen, irgendeinem verräterischen Zucken seiner Mundwinkel, ein nervöses Flackern in seinen Augen. Seine Fassade blieb jedoch glatt und undurchsichtig.

»O doch«, versetzte Shannon. »Ich sagte es bereits. Wir waren ausgesprochen vorsichtig. Im Job hielten Corinna und ich Distanz zueinander.« Der Arzt erhob sich und ging zur Tür, öffnete sie und machte eine einladende Handbewegung. »Bitte...«

Wir traten an ihm vorbei hinaus auf den Flur. Er folgte uns und zog die Tür hinter sich zu. Dann verließen wir das Gebäude, schritten einen geteerten Weg entlang und gelangten schließlich zum Pflegeheim.

»Wesley hat so etwas wie eine eigene Suite mit einer Pflegerin, die ausschließlich ihn betreut«, erklärte Shannon.

»Angemessen, würde ich sagen, nachdem die Anlage sein Eigentum ist«, versetzt Milo.

»Und das Eigentum seiner Frau«, verbesserte der Arzt meinen Kollegen.

Das Apartment lag in der 3. Etage. Wir nahmen den Lift. Dann betraten wir den großen Raum, in dem Dr. Jefferson untergebracht war. Er lag schräg auf einer Liege mit Rädern und viel Technik. Auf einem Nachttischchen neben der Liege stand eine Babyschnabeltasse aus Plastik. Auf einem Stuhl hatte es sich die Pflegerin bequem gemacht. Eine hübsche junge Frau mit blonden Haaren. Sie las dem Gelähmten aus einem Buch vor. Als wir eintraten, verstummte sie.

Dr. Jefferson hatte den Kopf in unsere Richtung gewandt. Nachdem ich mich und Milo vorgestellt hatte, sagte er: »Sie kommen wegen der Entführung meiner Frau, nicht wahr?«

Ich nickte.

5

»Lass uns allein, Sabrina«, sagte der Gelähmte. Er schoss Shannon einen düsteren Blick zu. »Ich will Sie bitten«, so wandte er sich dann an uns, »meine Zeit nicht über die Gebühr in Anspruch zu nehmen. Ich fühle mich nicht besonders gut.«

Die Betreuerin verschwand durch eine Tür in einen angrenzenden Raum.

Jeffersons Blick verkrallte sich an Shannons Gesicht. Shannon wandte sich abrupt ab, als wäre es ihm plötzlich unbehaglich zumute, und ging zum Fenster. »Soll ich etwas frische Luft herein lassen?«

»Wenn ich frische Luft brauche, dann werde ich das schon sagen!«, blaffte Jefferson.

Mir wurde klar, dass das Verhältnis des Professors zu Shannon kein besonders gutes war.

»Es sind nur ein paar Fragen«, sagte ich und konstatierte sogleich: »Mr. Shannon hat sie darüber unterrichtet, dass Ihre Frau entführt wurde.«

»Das ist richtig.« Der Kranke widmete jetzt mir seine Aufmerksamkeit. »Haben sich die Entführer schon gemeldet? Haben sie Forderungen geltend gemacht?«

»Nein. Sie als Mann der Entführten werden wohl das Erpressungsopfer sein. Allerdings können wir nicht einmal ahnen, mit wem die Kidnapper Kontakt aufnehmen werden.«

»Das heißt, Sie müssen abwarten.«

»Ja. Hatte Ihre Frau Feinde?«

Jefferson lachte auf. »Keine Ahnung. Ich glaube aber nicht, dass es darum geht. Der oder die Erpresser werden Geld wollen. Viel Geld.« Er schürzte die Lippen. »Vielleicht die zwei Millionen, die meine Unfallversicherung Corinna auszahlte. Zwei Millionen für einen lebenden Toten.« Er lachte auf. Es klang ausgesprochen zynisch.