Toter Winkel - Tessa Korber - E-Book
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Tessa Korber

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Beschreibung

Jeannette Dürer ist eine Polizistin mit Herz und Verstand, doch leider auch mit einem Problem: Vor keinem Mann ist sie sicher, jeder in ihrem Kommissariat träumt von einer Affäre mit ihr. Um sich vor Nachstellungen zu schützen, geht sie scheinbar eine Beziehung mit ihrem jungen Kollegen Martin Knauer ein. Doch der ist der einzige, der sich nicht für sie interessiert. Als im Nürnberger Stadion die Leiche eines angesehenen Bürgers gefunden wird, muß Jeannette sich gegen viele Widerstände in ihrem Kommissariat durchsetzen. Sie glaubt nicht an die Vermutung, daß der Mörder unter den Fußballfans zu suchen ist. Bald geschieht ein zweiter Mord, und Jeannette glaubt sich auf der richtigen Spur: Der Mörder hat es anscheinend auf die Freimaurer von Nürnberg und Fürth abgesehen ...

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Seitenzahl: 272

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Tessa Korber

Toter Winkel

Ein Jeannette Dürer Krimi

Inhaltsübersicht

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Danksagung

Informationen zum Buch

Über Tessa Korber

Impressum

Wem dieses Buch gefallen hat, der liest auch gerne …

Die Handlung dieses Romans ist frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit lebenden oder toten Personen wäre rein zufällig.

Des Maurers Wandeln,

Es gleicht dem Leben,

Und sein Bestreben,

Es gleicht dem Handeln

Der Menschen auf Erden.

Die Zukunft decket

Schmerzen und Glücke,

Schrittweise dem Blicke,

Doch ungeschrecket

Dringen wir vorwärts.

Und schwer und schwerer

Hängt eine Hülle

Mit Ehrfurcht. Stille

Ruhn oben die Sterne

Und unten die Gräber.

Betracht sie genauer!

(Johann Wolfgang von Goethe, Symbolum)

Die Brüder mach’ ich fertig.

(Arnold Schwarzenegger)

1.

Ich hab’ dir Rosen mitgebracht, Gunda, hier, bitte. Schön sieht das aus, so eine rote Rose auf dem glänzenden Marmor. So schön, daß du tot bist, Gunda. Ich meine, welche Anmut dies alles doch hat: der Stein, die Blume, der Regen und mein geneigtes Haupt. Welche Nähe, welche Intimität! Nun fährst du nicht mehr vor mir davon, Gunda.

Du solltest dich nicht von der klirrenden Flasche in meiner Tasche beirren lasse oder von der schäbigen Cordjacke oder von meinen Haaren, aus denen es tropft. Es regnet, Herrgott verdammt, Gunda, es regnet in Strömen. Aber ruhig, ganz ruhig. Das ist alles nur die äußere Hülle, die Täuschung für die anderen, für den dort hinten im schwarzen Anzug mit dem Regenschirm.

Er und ich, wir sind alleine auf der Welt, Gunda, ich und er und die seinen, die so viele sind. Du hast es mir gesagt, es stand in deinen Schriften, daß sie nach uns greifen würden, doch ich habe es dir nicht geglaubt. Erst mußte die Feuersäule aus meinem Knie wachsen, donnernd und lodernd, damit ich es endlich sah. Und wie sie dort brannte, mich rein brannte und mich fraß, da begriff ich, daß sie es waren, daß es nicht anders gewesen sein konnte: Sie töteten dich.

Da tritt er hinter das Steinkreuz, spannt seinen Schirm auf, als ginge der Regen ihn etwas an. Doch ich belauere ihn, quer durch die Welt hinweg, querdurch, wie du es mich gelehrt hast, Gunda. Hat es an jenem Abend auch so geregnet, als sie dich fanden? Hast du durch die Regenschleier die gefräßigen Scheinwerfer im Rückspiegel gesehen, wie sie aufrückten? Und dich abdrängten, bis Scherben und Alleebäume dir um die Ohren flogen und dich fortwirbelten? War das Quietschen der Scheibenwischer in der leeren Luft das letzte Geräusch? Ich erinnere mich nicht mehr.

Keine Spuren, keine Zeugen, ein Unfall, sagten die Polizisten, als sie klingelten. Kannst du dir vorstellen, wie das für mich war, als sie plötzlich da standen? Gunda? Aber ruhig, ganz ruhig, keine Angst, Gunda, ich verzeihe dir. Manchmal höre ich dich nachts noch schreien. Dann lese ich in deinen Büchern und weiß wieder, was ich zu tun habe, so genau, wie ich es auch jetzt weiß.

Da steht er noch, ich sehe ihn, selbst durch das vom Regen verweinte Flaschenglas. Sie waren es, und du sollst nicht ungerächt bleiben. Die Feuersäule, Gunda, sie leuchtet hell!

2.

Kriminalkommissarin Jeannette Dürer nahm die Baskenmütze ab, schüttelte ihre blonden Haare aus und ignorierte routiniert das hingebungsvolle Seufzen der Männer von der Spurensicherung.

»Wo ist die Leiche?« erkundigte sie sich knapp, auch wenn die Frage genau genommen überflüssig war. Der Tote im grauen Lodenmantel war schon von weitem gut zu sehen. An einem lang und länger gedehnten Schal in aggressiven Clubfarben, rot und schwarz, baumelte er vom oberen Absatz des Aufgangs zu Block achtundzwanzig, gleich neben einer fröhlich blauen Säule. Seine Füße pendelten knapp über ihrem Kopf sacht hin und her, als Jeannette auf dem ersten Absatz angekommen war. Ledersohlen, notierte sie in Gedanken, und das Preisschild hing auch noch daran, teure Schuhe. Der Schal knarzte leise.

Jeannette lehnte sich über das Geländer und warf einen Blick in die Umgebung. Vom Nordeingang, wo die Kollegen von der Stadionwache gerade die letzten Schlachtenbummler evakuierten, klang noch dumpfes »Oléoléoléola« herüber und das aufgebrachte Grummeln der Massen, die sich nicht vom Ort des Geschehens lösen wollten und nur zäh über die formlose Asphaltwüste hinter der Zeppelintribüne in Richtung S-Bahn abzogen. Hinter ihnen im Lampendunst, streng und groß wie ägyptische Grabeingänge, lagen dunkel die Latrinen des Reichsparteitagsgeländes. Die stummen Steintore hinter dem Maschendrahtzaun kündeten davon, daß am damaligen Übermenschen eben alles ein wenig größer und todesverliebter gewesen war. Früher hatte Jeannette es geschmacklos gefunden, dem Nazi-Bauensemble die Chance zu geben, je wieder als Kulisse eines Menschenauflaufs fungieren zu dürfen. Zwischendurch war diese Berührungsangst verflogen und dem Glauben gewichen, wenn der Versammlungszweck nur privat, banal und lebenszugewandt genug sei, könnte er den Geist des Steins sogar verhöhnen. Nun, mit einer Leiche im Rücken, war sie sich dessen nicht mehr so sicher.

Auf dem Parkplatz jenseits des Maschendrahtzauns glühten zahllose Rücklichter rot durch die Abgasnebel eines röhrenden Totalstaus. Gestank wolkte sichtbar zwischen kahlen Kiefernstämmen auf und zog auf die nahen nächtlichen Schrebergärten zu. Nur zu ihren Füßen war es still. Zwischen den eilig geschlossenen Imbiß- und Andenkenbuden trieb der Wind Plastikbecher, Servietten und Papierfetzen über den bierklebrigen Boden; weggeworfen, gebraucht, erledigt. Jemand draußen im Dunkeln gröhlte »Krieg und Tod dem Ef-Ce-Een!« Blitzlichter zuckten von Autodächern herüber.

»He!« rief Jeannette nach unten zu zwei Streifenbeamten. »Versucht, auch die Parkplätze abzusperren, wenn’s geht. Ich will hier keine Fotografen.« Sie löste mit ihrer Anordnung Kopfschütteln aus und konnte es verstehen. Es war unmöglich, das Gelände nach dem Spiel so schnell zu räumen, und ihr Toter hing einfach zu hoch; ein unübersehbares Signal überkochender Derby-Leidenschaften, wie es schien.

»Weiß jemand, wie das Spiel ausgegangen ist?« ließ sich da ihr Kollege Martin Knauer von oben vernehmen. Schwungvoll sprang er die Treppe hinunter, winkte mit dem Notizbuch, in das er schon die wichtigsten Zeugenaussagen aufgenommen hatte, und umarmte sie. Anerkennende Pfiffe hallten über die Tribüne.

»Vergeßt die Fingerabdrücke auf dem oberen Geländer nicht«, rief Jeannette verärgert in Richtung der Crew; Knauer zischte sie ein halblautes »Du sollst mich vor den anderen nicht anfassen« zu. Aufgebracht über seinen Anschlag auf ihre Autorität zückte sie ihrerseits ihr Notizbuch, damit die Fingerabdruckpinsler glaubten, sie tauschten ihre Beobachtungen aus. »Wir haben diese Beziehung nicht ins Leben gerufen, damit ich den Kollegen eine Peep-Show liefere. Irgendwas Konkretes?« Barsch ging sie zum eigentlichen Thema über. »Den Namen des Toten zum Beispiel?«

Martin Knauer mußte grinsen, raspelte sich mit fünf Fingern durch seine Bartstoppeln und schüttelte den Kopf. »Wir denken, er hat seine Papiere dabei. Aber wir können ihn erst abnehmen, wenn der Bildchenmacher fertig ist. Wird’s langsam?« erkundigte er sich lauter beim Polizeifotografen. Statt einer Antwort klickte das Blitzlicht ein letztes Mal, dann kam zum gereckten Daumen ein »Alles klar!« Ehe Martin den Befehl zum Einholen geben konnte, stieg Jeannette hinauf, um sich den Knoten oben am Geländer noch einmal selbst anzuschauen. Von oben sah das ganze Arrangement noch absurder aus.

»Daß ihn keiner hochgezogen hat«, sinnierte sie und zupfte probeweise am Schal. »Für einen ist er zu schwer, aber es waren ja genug Leute da. Schließlich dauert es eine ganze Weile, bis ein Mensch erstickt. Er hätte alle Chancen gehabt.«

»Offenbar blieben sie ungenutzt.« Sie schauten auf den leise schwingenden Körper hinunter. »Vielleicht entstand in dem Gedränge eine Panik«, überlegte er, »oder …«

»Oder?«

»Oder er hat sich das Genick gebrochen.«

Sie legte den Kopf schief. »So leicht geht das nicht. Dann wäre ein echter Profi-Henker am Werk gewesen.«

»Oder der Zufall«, entgegnete ihr Kollege. »Es gibt die dümmsten Zufälle. Kennst du diese jährliche Prämierung der blödesten unfreiwilligen Selbstmorde …?«

»Können wir ihn jetzt endlich abnehmen?« erkundigte sich Jochen Böhm, der Kollege von der Spurensicherung ungeduldig. »Wir wollen die Faserproben holen.« Jeannette gab die Leiche mit einem Wink frei und trat zur Seite.

»Leute, kann einer mit anpacken? Der Schal reißt gleich!«

»Hat jemand gesehen, wie’s passiert ist?« fragte Jeannette, während sie beobachteten, wie der tote Mann ihnen ruckweise näher kam.

Martin blätterte in seinen Notizen. »Niemand, der irgendwas gesehen hat. Hier im Abgang war nach Spielende die Hölle los«, meinte er und wies auf die Haufen von Plastikbechern in den Ecken. »Alles drängte raus, ein paar Hooligans prügelten sich schon auf den Rängen. Das Opfer war vermutlich irgendwo zwischen den anderen Flüchtenden eingekeilt. Die ersten, die ihn bewußt wahrnahmen, sahen ihn hier baumeln. Wie’s passiert ist, wer in seiner Nähe war, hat keiner nicht gesehen.«

Schließlich kam ihr Mann über den Rand und lag vor ihnen. Jeannette streifte kurz seinen mäßig erstaunten Blick, dann ging sie in die Knie, um routinemäßig die Taschen zu durchsuchen. Ein frisches Schnupftuch, Halsbonbons, ein silberner Kugelschreiber und ein Häufchen Krümel kamen zum Vorschein.

»Er sieht gar nicht wie ein Fußballfan aus«, stellte sie fest, »und für’s Stadion angezogen ist er auch nicht. Stoffhosen!« Ein alter Kassenbon vom Kaufhof, Fussel, ein einzelner Manschettenknopf.

»Kurze Hosen tragen nur die Jungs auf dem Spielfeld«, erinnerte ihr Kollege sie.

Jeanette verdrehte die Augen. »Trotzdem …« Ein Autoschlüssel mit BMW-Anhänger, Lederhandschuhe, ein Adreßbuch, das war möglicherweise interessant.

»Vielleicht war er nicht oft hier«, meinte Martin Knauer, »das würde auch erklären, warum er sich in den falschen Block verirrt hat.«

»Der falsche Block?« Jeannette hob fragend die Augenbrauen.

»Na, er trägt doch einen Clubschal«, erläuterte Martin und wies nach oben. »Und hier geht’s in die Gästekurve. Da saß der Fürther Fanblock.«

Leise pfiff sie durch die Zähne, eine Fähigkeit, die sie während des Schwänzens von Abiturkursen gelernt hatte und auf die sie ausgesprochen stolz war. »Das hieße, wenn die Hooligans sich durch die Rausströmenden gedrängt haben …«

»… schon aufgewühlt von der ersten Schlägerei …« ergänzte er.

»… und dann auf diese rotschwarzgestreifte Schalprovokation gestoßen sind, dann haben sie vielleicht einfach die Enden ums Geländer geknotet, ein kräftiger Stoß, und der alte Mann flog ab durch die Mitte. Ohne lang nachzudenken. Ist doch selbst schuld.«

»Brillant, wie du die Gedankengänge der heutigen Jugend zu rekonstruieren verstehst!«

»Ach, halt’s … die Geldbörse«, unterbrach sie sich, klappte die lederne Brieftasche auf und entnahm die erste Karte. »Helmut Altmann«, diktierte sie ihrem Kollegen ins Notizbuch, »4. 8. 1936. Privatversichert.« Sie zückte weitere Plastikkärtchen. »Girokonto, Eurocard in Gold, Visacard.« Sie stand auf, um die Tiefen der Fächer in bequemerer Stellung in Augenschein zu nehmen.

»Hier, Doc!« winkte ihr Kollege derweil den Arzt herauf. »Guten Abend, Herr Doktor Greif.« Jeannette sah dem Mediziner bei seinen Handreichungen zu. Mit flüchtigen, geschäftsmäßigen Gesten nahm er das Gesicht des Toten in beide Hände, strich mit den Daumen über die Wangen und zog die Lider hinauf und hinunter, ohne weiter auf die Grimassen zu achten, die er damit erzeugte.

»Keine Blutungen in den Skleren«, stellte der Arzt fest, »keine geplatzten Äderchen im Gesichtsgewebe. Erdrosselt wurde er nicht. Ich würde auf Genickbruch tippen …«

Martin Knauer pfiff. »Da haben unsere übereifrigen Hooligans wirklich Pech gehabt.«

»… aber tasten kann ich nichts«, vollendete der Mediziner mit strafendem Blick seinen Satz. »Ich werde ihn röntgen und dann sezieren müssen. Sie erhalten meinen Bericht.«

Jeannette Dürer erwiderte nichts auf Martins Einwurf, doch ihr abwesender Blick verriet Skepsis.

»Komm schon, Jeannette, was soll es sonst sein? ›Der Derby-Executor‹? Wie viele Fußballzuschauer verstehen sich schon aufs professionelle Aufhängen?«

»Die verdiente Antwort müßte lauten: mindestens einer. Aber wir sollten zum Wagen gehen und mit dem Einsatzleiter telefonieren. Sie bewahren vermutlich gerade die S-Bahn-Station vor dem Schlimmsten.«

»Sollen sie alle Fürther Randalierer rausziehen?«

»Alle Randalierer, alle von früheren Einsätzen bekannten Gesichter.« Sie seufzte. »Die üblichen Verdächtigen. Und wir gehen die Akten nach notorischen Gewalttätern in der Szene durch.« Sie klapperte die grauen Betonstufen hinunter. »Viel wird’s nicht bringen, fürchte ich«, fuhr sie fort. »Ich glaube einfach nicht an die Fan-Theorie. Er sieht nicht wie ein Fußballfanatiker aus.«

»Genügt ja auch, wenn die Mörder fanatisch waren«, erwiderte Knauer. »Geiler Film, übrigens.«

»Hm?« Jeannette runzelte fragend die Stirn.

»›Die üblichen Verdächtigen‹. Ich stehe ja auf Gabriel Byrne.« Sie gingen zwischen den Imbiß- und Fanartikelbuden durch. Raschelnd blies der Wind verirrte Seiten der Stadionzeitung über das Pflaster.

»Wie er da auf dem Deck liegt und weiß, jetzt stirbt er gleich, fast so etwas wie müdes Einverständnis in den Augen …« Sie genoß die Erinnerung an diese Szene. »Gehen wir morgen abend wieder ins Kino?«

Knauer nickte. »Klar, wie jeden Dienstag. Schatz.« Das letzte Wort betonte er übermäßig. Anstatt zu antworten lächelte sie ihn an und stieg dann über die Tatort-Absperrung am Südeingang. Der Parkplatz vor ihnen war leer. »Ich dachte an ›Fletchers Visionen‹«, schlug er vor.

»Was ist das?«

»So’n Weltverschwörungszeugs. Mit Mel Gibson als Psychopathen. Sie wiederholen den Film in der Meisengeige.«

»Ich dachte, Typen wie du stehen mehr auf Autorenkino?«

»Soll ich dich küssen?« fragte er und trat bedrohlich liebevoll näher.

Ein Blitzlicht unterbrach sie. »Das wär’ im Kasten.« Zufrieden packte ein kleiner Mann mit Schnauzbart seinen Fotoapparat wieder ein. »›Der Derbymord‹«, titelte er und umfaßte mit einer Bewegung das in Flutlicht getauchte Frankenstadion vor dem fast schon nächtlichen Himmel; es sah aus, als hätten einige ausgesprochen nette und geschmackssichere Aliens es hier notgelandet und zur Tarnung lose mit ein paar vergammelten, moosbewachsenen Kassenhäuschen umgeben. Daß sie es hier im Niemandsland zwischen Reichsparteitagsgelände und Schrebergärten geparkt hatten, bewies, daß sie außerdem Humor besaßen.

»Wenn Sie da mal nicht zu voreilig sind, Dötzer«, begrüßte Martin Knauer den kleinen Mann mit der braunen Schiebermütze. »Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen.«

Dötzer winkte ab, gab Jeannette Dürer die Hand und stellte sich vor. »Dötzer, Städtischer Bote. Ich mache da seit zwanzig Jahren die Sportnachrichten.« Und er zwinkerte ihr zu, bis sie heftig ihre Hand zurückzog.

»Jeannette Dürer, Kriminalkommissarin. Sie waren im Stadion, Herr Dötzer?«

»Oh, Schannett, schön«, kaute er in seinen Schnurrbart, dann wandte er sich wieder an Knauer. »Hier lag heute Ärger in der Luft, Martin. Frag’ deine Kollegen, die dabei waren. So etwas habe ich die letzten zwanzig Jahre nicht erlebt, wie?« Und wieder zwinkerte er ihr zu auf eine Weise, die sie eine geradezu viktorianische Abscheu empfinden ließ.

»Sie waren nicht im fraglichen Block, Herr Dötzer?« Jeannette versuchte es erneut in geschäftsmäßigem Ton.

Er schüttelte den Kopf. »Pressetribüne. Aber etz muß ich los, der Derbymord will in die Spalten. Hat mich gefreut, ade.«

Martin Knauer sah ihm nach. »Du mußt deine Eltern doch hassen?« fragte er unvermittelt.

»Was?« Sie war mit den Gedanken woanders, beschäftigt, Typen wie Dötzer im Geiste ein paar hochoriginelle, schlagfertige und feministisch einwandfreie Erwiderungen vor den Latz zu knallen. Früher war ihr so etwas immer erst am nächsten Tag eingefallen, oder abends im Bett, jetzt hatte sie die guten Ideen immerhin schon drei Minuten später; sie holte auf.

»Na, wegen deines Namens«, meinte Martin. »Kein Franke wird ihn je richtig aussprechen. Schannett. Was haben die sich eigentlich dabei gedacht?«

Jeannette schüttelte den Kopf. »Ach, erwähne bloß nicht meine Eltern.«

»Wieso das denn?«

»Erkläre ich dir morgen im Kino.«

3.

»Packen wir’s?«

Martin nickte.

Jeannette schob die Akten zusammen und stand stöhnend auf. Es gab nichts Schlimmeres als einen langen Tag voller Verhöre. Mehr als sieben angetrunkene, renitente Männer hatten ihr gegenübergesessen und sich alle Mühe gegeben, ihr das Leben zur Hölle zu machen. Mit einem schlichten »Name?« – »Sag’ ich nicht«, wurde der Dialog meist eingeleitet; mit einem aus voller Kehle skandierten »Ihr seid Scheiße wie der FCN«, endete er im herbsten Fall. Jeannette spielte die Sachliche, sie spielte die Harte, sie spielte die Kameradschaftliche, sie spielte alles, was geeignet war, diesen Fans schließlich die Informationen aus der Nase zu ziehen, die sie brauchte. Sich in diese so gottverdammt mühselige, unvernünftige und für beide Seiten entwürdigende Prozedur zu fügen, war das letzte, was sie während ihrer Ausbildung gelernt hatte.

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