Touched: Süchtig nach dir - Lea Mayance - E-Book

Touched: Süchtig nach dir E-Book

Lea Mayance

3,0

Beschreibung

Gretas Leben wird nach der Zufallsbekanntschaft mit Connor O'Bannion auf den Kopf gestellt. Zuerst hat sie keine Ahnung, dass es sich um einen Schauspieler handelt. Nach einer aufregenden VIP-Party und darauffolgenden heißen Nächten mit Connor glaubt Greta, dass sie nur ein kurzes Abenteuer für ihn darstellt. Doch zu ihrer Überraschung lädt Connor sie auf seine Ranch nach Montana ein. Die Zeit auf Connors Ranch ist die beste, die Greta seit langem hatte. Sie genießt die Natur, die Arbeit mit den Pferden, die Zweisamkeit und leidenschaftlichen Nächte mit Connor. Doch als sie Connor nach Los Angeles zu einem Filmprojekt begleitet, fällt es Greta schwer, sich dort einzugewöhnen. Nicht nur der Snobismus in dieser glitzernden Scheinwelt und Connors verändertes Verhalten verletzen sie, sondern auch, dass Connor mit Joanna Richardson, seiner Ex-Geliebten, zusammenarbeitet. Mit allen Mitteln versucht Joanna, einen Keil zwischen die beiden zu treiben, um Connor wieder für sich zu gewinnen. Die Belastungsprobe droht die junge Liebe zwischen Connor und Greta zu zerstören ...

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Lea Mayance

Touched – Süchtig nach dir

© 2020 Plaisir d’Amour Verlag, D-64678 Lindenfels

www.plaisirdamour.de

[email protected]

Covergestaltung: Sabrina Dahlenburg (www.art-for-your-book.de)

ISBN Taschenbuch: 978-3-86495-419-1

ISBN eBook: 978-3-86495-420-7

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Epilog

Autorin

Für Frank Furtner

Kapitel 1

In vielen schlaflosen Nächten hat sie sich vorgestellt, wie der Tag ablaufen würde, an dem sie ihren Mann verlässt – und nun ist alles ganz anders.

Mit einem leisen Surren schließt Greta den Reißverschluss des großen schwarzen Koffers und schaut sich um, ob sie etwas vergessen hat einzupacken. Das war’s also. Außer ihrem Gepäck, ihrer Jacke und ihrer Handtasche ist nichts mehr von ihr in dem Raum, der einmal ihr Schlafzimmer gewesen ist.

Die Traurigkeit kommt scheinbar aus dem Nichts. Sie beißt sich auf die Unterlippe, um die Tränen zu unterdrücken. Sie gelten nicht ihrem Mann, sondern Tom, ihrem fünfzehnjährigen Sohn, der bei seinem Vater bleiben wird, bis sie in ihrem neuen Leben Fuß gefasst hat. Der Gedanke, ihn wochen- oder sogar monatelang nicht zu sehen und Tausende Kilometer von ihm entfernt zu sein, ist kaum zu ertragen und weckt bei ihr jedes Mal ein Gefühl, als ob eine Faust ihr Herz umklammern würde. Aber Tom hat sich nach langen Gesprächen, die sie miteinander geführt haben, so entschieden, und es ist objektiv betrachtet die beste Lösung – vorerst.

Sie kann Tom verstehen. Er ist in einem Alter, in dem die Kumpels oft wichtiger sind als die Eltern. Er will weder die Schule wechseln, noch sein geliebtes Fußballtraining bei Mainz 05 aufgeben, und schon gar nicht in ein fremdes Land ziehen. Und wenn Greta realistisch ist, hat sie auch keine Ahnung, wie es bei ihr in drei Monaten aussehen wird. Vielleicht wäre sie dann längst zurück in Deutschland, weil es nicht gepasst hat?

Nach einem Augenblick schüttelt Greta den Kopf, um diese Gedanken zu verdrängen. Reflexartig streicht sie ihre Haare zurück, wuchtet den Koffer vom Bett, trägt ihn in den Flur und die Treppe hinunter. Ihre restlichen Habseligkeiten, verpackt in zwei große Koffer, hat sie schon vor Tagen von einem Versandservice abholen lassen. Sie haben ihr Ziel bereits erreicht und warten dort auf sie.

Während sie unruhig in der Wohnung herumläuft, dabei noch einmal nachschaut, ob die Kaffeemaschine aus und die Terrassentür zu ist, fragt sie sich zum x-ten Mal, ob sie wirklich das Richtige tut.

Es klingelt. Greta zuckt zusammen und schaut aus dem Fenster. Das Taxi. Sie öffnet dem Fahrer die Tür und übergibt ihm den Koffer.

»Einen kleinen Moment noch, ich komme gleich«, sagt sie.

Er nickt und geht zum Auto.

Sie schaut sich noch einmal um, sieht die Fotos an der Wand und ihr Blick bleibt an einem Bild von Tom hängen. Es ist vor ein paar Jahren im Urlaub in der Karibik entstanden. Seine damals ziemlich langen Haare wehen im Wind. Ein Bild aus glücklicheren Tagen. So viel ist seitdem passiert. Auch Tom ist kein Kind mehr, aus ihm ist ein junger Mann geworden. Entschlossen geht sie zur Wand, hängt das Bild ab und steckt es in ihren Rucksack. Sie greift nach ihrer Jacke, zieht die Tür hinter sich zu und geht zum Taxi.

Im Auto muss sie sich beherrschen, nicht zurückzublicken. Ihr Augenmerk sollte jetzt dem gelten, was vor ihr liegt. Trotzdem schleicht sich Tom wieder in ihren Kopf. Sie hat das Abschiedsszenario vom Morgen vor Augen.

Wortlos haben sie sich im Flur gegenübergestanden. Tom hat ihr in die Augen geschaut und heftig geschluckt.

»Tom … ich werde dich unglaublich vermissen«, hat sie gestammelt und ihn umarmt, während ihr die Tränen über die Wangen gelaufen sind.

Nach einem kurzen Zögern legte Tom die Arme um sie. »Ich dich auch«, sagte er mit rauer Stimme.

»Du musst mich unbedingt bald besuchen kommen, ja? Und wir müssen oft telefonieren … nicht nur über WhatsApp schreiben!«

»Okay, machen wir.« Tom versuchte, sich aus ihrer Umarmung zu lösen. »Mama, ich muss zur Schule.«

Widerwillig ließ sie ihn los. »Wir können auch skypen …«

»Klar. Ist doch heutzutage gar kein Problem.« Tom lächelte gequält.

Er umarmte sie noch einmal und sie sog den Geruch seines frisch gewaschenen Haares ein.

»Ich muss los«, murmelte Tom, trat einen Schritt zurück und ging zur Tür. Als er bereits auf dem Gehweg war, drehte er sich noch einmal um und winkte ihr zu.

Sie blieb an der Tür stehen, bis er um die nächste Ecke gebogen war und sie ihn nicht mehr sehen konnte. Mit Mühe unterdrückte sie ein Schluchzen. Sie musste jetzt stark sein, sonst würde sie noch in letzter Sekunde alles rückgängig machen. Doch das war keine Option. Sie war fest davon überzeugt, dass dies ihre einzige Chance war, aus ihrem eingefahrenen Leben auszubrechen und noch einmal von vorn anzufangen. Die musste sie einfach ergreifen.

Auch andere Eltern trennen sich und ziehen um, hat sie sich eingeredet.

Aber nicht unbedingt in ein anderes Land, hat sich im nächsten Augenblick ihr Gewissen gemeldet.

Als das Taxi zügig aus der Ortschaft in Richtung Autobahn fährt, schaut sie mit leerem Blick aus dem Fenster und nimmt kaum die vertraute Umgebung wahr. Ihre Gedanken kreisen stattdessen um ihn.

Gestern Abend hat er ein allerletztes Mal angerufen, um ihr zu sagen, wie sehr er sich auf sie freue. Kaum hat sie seine Stimme am anderen Ende der Leitung – achttausend Kilometer entfernt – gehört, waren alle Zweifel wie weggewischt.

In ein paar Stunden werde ich bei ihm sein, denkt sie aufgeregt, während das Taxi über die Autobahn Richtung Flughafen rast. Sie ist froh, dass der Tag X endlich gekommen ist, an dem es keine Umkehr mehr gibt, kein Zaudern und kein Gedankenkarussell.

Bilder von ihrer ersten Begegnung mit ihm schießen ihr durch den Kopf, und sie muss unwillkürlich lächeln, als sie an ihr ungeplantes Aufeinandertreffen zurückdenkt.

***

Es war der erste richtig warme Frühlingstag des Jahres. Die Luft war noch kühl, aber in der Sonne war es schon herrlich warm. Überall war frisches Grün zu sehen, die Natur explodierte, und die Menschen schienen aufzuatmen, weil der Winter endlich vorüber war. Greta war in die Stadt gefahren, um sich mit einer Shoppingtour durch ihre Lieblingsboutiquen aus der alltäglichen Routine und Langeweile herausreißen zu lassen. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass es in der Stadt so voll sein würde. Das gute Wetter hatte viele Menschen angelockt, die die ersten Sonnenstrahlen genießen wollten.

Shoppen kann fast so befriedigend sein wie Sex, dachte sie, als sie mit ihren Einkaufstüten bepackt Richtung Dom schlenderte. Und davon hatte ich in letzter Zeit nicht allzu viel. Aber jetzt brauche ich erst einmal dringend einen Kaffee.

Am Marktplatz, wo einige Cafés Tische draußen stehen hatten, hielt sie nach einem Platz Ausschau. Ein aussichtsloses Unterfangen: Bei dem herrlichen Wetter waren alle Stühle besetzt, weit und breit war kein freier Tisch in Sicht.Fast wollte sie aufgeben, als sie vor ihrem Lieblingscafé Milk and Coffee einen Tisch entdeckte, an dem nur ein Mann saß. Der Typ chillte lässig mit ausgestreckten Beinen, geschlossenen Augen und verschränkten Armen auf dem Stuhl in der Frühlingssonne, beinahe sah es aus, als wäre er eingenickt. Sie zögerte, doch sie wollte unbedingt einen Kaffee trinken. Hier und da eine Entschuldigung murmelnd, zwängte sie sich mit den Tüten an den anderen Tischen vorbei und fragte den Mann mit einem gewinnenden Lächeln: »Entschuldigen Sie bitte, ist hier noch ein Platz frei?«

Er schaute erstaunt auf und runzelte die Stirn. »Excuse me?«

Greta war über seine Antwort überrascht, ließ sich jedoch nichts anmerken. »Ähm … darf ich mich zu Ihnen setzen?«, fragte sie ihn auf Englisch und deutete auf den freien Platz.

Der Mann zögerte.

»Oh, no problem«, sagte sie schnell, »wenn Sie für sich bleiben wollen … kann ich mich woanders hinsetzen.«

Er überlegte einen Augenblick und schaute sich um. »Hm, das könnte schwierig werden. … Setzen Sie sich und machen Sie es sich bequem«, sagte er mit eindeutig amerikanischem Akzent. Seine Stimme war tief, sonor und klang, als hätte er in seinem Leben schon einige Zigaretten inhaliert. Mit seiner linken Hand deutete er beiläufig auf einen freien Stuhl an dem kleinen Tisch.

»Vielen Dank! Das ist sehr freundlich«, entgegnete sie und befürchtete, dass ihr Oxford-Englisch in seinen Ohren schrecklich klingen musste. Sie setzte sich und verstaute umständlich ihre Tüten unter dem Bistrotisch.

»Darf ich Ihnen etwas bestellen?«, fragte der Fremde, als sie sich endlich seufzend zurücklehnte.

Zu ihrer Überraschung sprach er langsam und deutlich. Sie hatte mit Amerikanern schon ganz andere Erfahrungen gemacht. »Das wäre nett. Einen Café au Lait … oder nein … lieber einen Latte macchiato, bitte.«

»Gibt es da einen Unterschied? Ich dachte, das wäre dasselbe … Kaffee mit Milch«, entgegnete er mit einem ironischen Unterton.

»Oh nein, es gibt tatsächlich Unterschiede.«

»Na, dann bin ich gespannt«, sagte er und lehnte seinen Oberkörper ein wenig nach vorn.

Na prima, dachte Greta. Und das nur, weil ich mich wie so oft nicht entscheiden konnte. Sie seufzte leise.

»Also«, fing sie an und holte tief Luft, »ein Café au Lait ist Espresso oder Kaffee mit der gleichen Menge an Milch und ein bisschen Milchschaum. Ein Latte macchiato hingegen besteht aus viel Milchschaum, in den vorsichtig ein Espresso eingefüllt wird. Und dann bilden sich diese … diese …« Sie überlegte, wie sie das Kunstwerk umschreiben könnte. »… nun, diese verschiedenen Farben, die Sie gleich bei meinem Latte macchiato sehen können. Deswegen wird er im Glas serviert.«

»Danke für die Erläuterung. Und übrigens – Sie haben einen wirklich netten Akzent«, sagte er mit einem Grinsen.

Sie wusste nicht, ob sie sich geschmeichelt oder auf den Arm genommen fühlen sollte. »Thank you«, sagte sie und zog einen Mundwinkel nach oben.

Während er den Kellner herbeirief und bestellte, ließ sie ihren Blick über den Marktplatz schweifen und registrierte die vielen Menschen, die herumschlenderten, die spielenden Kinder und die Straßenmusiker. Von ihrem Platz aus hatte man einen grandiosen Blick auf den Mainzer Dom. Sie war gern in der Stadt, die überschaubar und gemütlich war.

Der Amerikaner hatte sich in seinem Stuhl zurückgelehnt und schien das bunte Treiben ebenfalls zu beobachten. Aus den Augenwinkeln musterte sie ihn. Baseballkappe, dunkle Sonnenbrille, weißes T-Shirt, ausgewaschene Jeans, keine Socken, Sneaker. Vielleicht eins fünfundachtzig, recht muskulös. Man sieht, dass er trainiert, dachte sie mit Blick auf seine Oberarme. Unter dem linken Ärmel des T-Shirts blitzte ein Tattoo hervor, ein Tribal, das sich rund um den Arm schlang. In ihrem Bekanntenkreis hatte niemand ein Tattoo, jedenfalls kein offensichtliches. Insgeheim musste sie zugeben, dass es zu ihm passte – und ziemlich sexy war.

»Und, gefällt Ihnen, was Sie sehen?«, fragte der Fremde mit ironischem Unterton in der Stimme.

Sie lachte verlegen. »Oh, es tut mir leid. Mein Blick fiel nur gerade auf Ihr Tattoo«, beeilte sie sich, zu sagen, und merkte, wie sie errötete.

»Es braucht Ihnen nicht leidzutun. Männer checken Frauen ständig ab, warum soll es nicht auch umgekehrt so sein?«

»Na ja, normalerweise tue ich so etwas nicht – abchecken, wie Sie es nennen.«

»Soso! Wenn Sie da mal nichts verpassen«, lachte er.

Sie zog die Augenbrauen hoch, aber entgegnete nichts. Sie würde einen Teufel tun, mit ihm darüber zu diskutieren. Natürlich schaute sie, wenn sie einen interessanten Mann sah, sie ließ sich nur nicht gern ertappen. Aber keine Frage: Ein wohlgeformter Hintern oder ein gut gebauter Oberkörper erregten ebenso ihre Aufmerksamkeit wie ein sympathisches Lächeln oder schöne Hände.

Greta wusste nicht, was sie sagen sollte, und kramte stattdessen in ihrer Tasche nach ihrer Sonnenbrille. Sie setzte sie auf, schaute kurz auf ihr Handy und zog einen Lipgloss hervor, um sich die Lippen nachzuziehen. Sie fühlte sich von ihm beobachtet, konnte jedoch wegen seiner Sonnenbrille nicht einschätzen, wo er tatsächlich hinschaute.

Der Kellner brachte die Getränke – zwei Latte macchiato. Beide schauten zu, wie der Mann die Getränke von seinem Tablett auf den Tisch stellte, und bedankten sich.

Der Amerikaner nippte an dem Glas. »Wirklich gut, der Kaffee«, sagte er.

»Ja, ich weiß.«

»Also kommen Sie öfter hierher?«

»Ja, es ist mein Lieblingscafé.«

Er nickte und schaute weg. Gespräch beendet.

Es war nicht ihre Art, einem Fremden ein Gespräch aufzudrängen, und er schien seine Ruhe haben zu wollen und rührte abwesend in seinem Latte macchiato herum, sodass sich die Milch und der Espresso zu einer hellbraunen Flüssigkeit vermischt hatten. Aber tatsächlich fand sie ihn interessant und war neugierig, ob sie noch mehr über ihn in Erfahrung bringen konnte. Leicht nervös und mit kratziger Stimme fragte sie: »Sind sie schon lange in der Stadt?«

»Bin gestern angekommen«, antwortete er einsilbig, ohne sie dabei anzuschauen.

»Und wie lange bleiben Sie?«

»Bin morgen wieder weg.«

»Hm, kurzer Besuch für einen so weiten Weg. Sie kommen doch aus Amerika, oder?«

»Ja, ich lebe in den Staaten. Ich habe aber noch etwas hier in Deutschland zu erledigen.«

»Beruflich?«

»M-hm«, brummte er zustimmend und ließ den Blick über den Platz schweifen.

»Was ist Ihr Beruf?« Nach seinem Outfit zu urteilen, war er kein Geschäftsmann, aber man konnte nie wissen. Sie registrierte, wie er zögerte.

»Ich bin Schauspieler.«

»Oh, Schauspieler! Tatsächlich? Sollte ich Sie kennen?«

»Kommt drauf an.«

»Worauf?«

»Ob Sie mal einen Film oder eine Serie mit mir gesehen haben.«

»Wie ist denn Ihr Name?«

Er zögerte erneut. »Connor O’Bannion.«

Beinahe hätte sie sich an ihrem Latte macchiato verschluckt, an dem sie gerade genippt hatte. »Connor O’Bannion? Sorry, aber … Sie sehen ihm gar nicht ähnlich. Ich habe kürzlich in die neue Serie reingeschaut, in der er mitspielt …«

»Nun ja, ich bin es aber. Glauben Sie, was Sie wollen«, sagte er und zuckte mit den Schultern.

»Sicher, und Connor O’Bannion sitzt hier mit mir und trinkt Kaffee.« Sie schüttelte den Kopf.

»So ist es.«

»Ach, kommen Sie. Sie nehmen mich auf den Arm. Was um Himmels willen sollte Connor O’Bannion hier machen? In Berlin, Hamburg, Köln – ja, vielleicht, aber doch nicht in Mainz.«

Zum ersten Mal wandte er sich ihr direkt zu und schaute sie durch seine dunkle Sonnenbrille an. »Warum denken bloß alle Leute, Schauspieler, Sänger oder Politiker hätten kein Privatleben? Könnte es denn nicht sein, dass Connor O’Bannion einen Freund hat, der auf der Airbase in Wiesbaden stationiert ist? Könnte es nicht sein, dass die beiden sich nach drei Jahren mal wieder treffen wollten, der Freund aber kurzfristig abkommandiert wurde? Ist das so unwahrscheinlich?«

»Ähm … nein, natürlich nicht«, meinte sie schnell. Bis jetzt hatte sie noch alles als einen Scherz aufgefasst, aber sein ernster Gesichtsausdruck, sein ärgerlicher Ton und die Tatsache, dass er den amerikanischen Flugplatz kannte, ließen ihre Zweifel schwinden. Sie runzelte die Stirn. Kann das sein? So etwas passiert doch nur in kitschigen Filmen. »Dann nehmen Sie doch einfach mal Ihre Kappe und Ihre Brille ab und zeigen Sie Ihr Gesicht«, schlug sie vor.

»Ich bin doch nicht verrückt, dann habe ich hier keine ruhige Minute mehr.«

»Ist das nicht ein bisschen übertrieben? Schließlich sind Sie nicht der amerikanische Präsident. Kommen Sie, nur ganz kurz. Sonst glaube ich Ihnen nicht, wenn ich es nicht mit eigenen Augen gesehen habe.«

Betont langsam setzte er seine Ray-Ban ab.

Sie schaute in zwei blaue Augen … oder waren sie eher grün? Er nahm die Baseballkappe vom Kopf. Die dunkelblonden Haare waren plattgedrückt, aber vor ihr saß leibhaftig Connor O’Bannion. Er sah anders aus als in der Serie, die sie kürzlich gesehen hatte, was sicher daran lag, dass er die Haare jetzt länger trug, aber die Gesichtszüge waren unbestritten die Gleichen. Sie schluckte und war sprachlos, was selten vorkam.

Offenbar war sie nicht die Einzige, deren Aufmerksamkeit geweckt war. Eine Frau vom Nachbartisch, die die ganze Zeit verstohlen zu ihnen herübergeschielt hatte, stand auf und ging zielstrebig auf das Objekt ihrer Begierde zu.

Er setzte schnell wieder seine Tarnung auf und sagte: »Sehen Sie, habe ich es nicht gesagt?«

»Entschuldigen Sie die Störung. Ich habe die ganze Zeit überlegt, woher ich Sie kenne. Sind Sie möglicherweise Connor O’Bannion?«, fragte die Frau.

Er schaute zu ihr auf, zögerte einen Moment und sagte dann leise: »Sieht so aus.«

»Oh mein Gott!« Sie drehte sich zu ihren Freundinnen um und rief: »Er ist es!«

»Pscht!«, machten Connor und Greta nahezu gleichzeitig.

»Ach ja, Sie wollen bestimmt nicht erkannt werden. Meine Güte, habe ich ein Glück. Würden Sie mir ein Autogramm geben?« Sie setzte sich, ohne zu fragen, auf einen freien Stuhl und schaute ihn erwartungsvoll an.

Connor lächelte die Frau an und zeigte ihr seine perfekten weißen Zähne. Greta lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und beobachtete die Szene.

»Aber natürlich. Wie heißen Sie?«, fragte Connor betont freundlich.

»Sabine«, sagte sie und hielt ihm einen Kuli hin. »Bitte unterschreiben Sie auf der Speisekarte, ich habe leider keinen Zettel.«

Connor nahm die dreifach gefaltete Speisekarte und schrieb auf die Rückseite: For Sabine. Connor O’Bannion.

Die Fremde nahm sie mit Ehrfurcht entgegen und presste sie an die Brust. »Können wir vielleicht noch ein Foto machen?«, fragte sie zaghaft.

Connor nickte.

Sie zog ihr Handy hervor, fummelte auf dem Display herum, bis sie die Kamera aktiviert hatte, und wollte ein Selfie mit ihrem Idol schießen.

»Soll ich das Bild machen? Das wird besser«, bot Greta an.

Sabine gab ihr das Handy, und Greta machte mehrere Fotos von ihr und Connor. Überglücklich nahm die Frau das Mobiltelefon wieder an sich und blieb noch ein paar Sekunden sitzen, wusste aber scheinbar nicht, was sie sagen sollte.

Connor sagte schließlich: »War schön, Sie kennenzulernen, Sabine.«

Sie verstand den Wink, stand auf, hauchte »Goodbye, Connor!« und ging zurück zu ihren drei Freundinnen, die die Szene neugierig beobachtet hatten. Dort fand die Frau offenbar ihre Worte wieder und erzählte gestenreich von ihrem nicht alltäglichen Erlebnis, wie Greta vermutete.

»Das war aber ein großer Fan von Ihnen«, sagte Greta. Sie schaute zu dem Tisch hinüber und sah, wie eine andere Frau aufstand.

»Ein zu großer Fan. Ich muss leider gehen, bevor noch mehr kommen. Sie sind eingeladen.« Er hatte es plötzlich ziemlich eilig. Aus der Hosentasche zog er ein paar Geldscheine, warf zwanzig Euro auf den Tisch, sprang auf und zwängte sich durch die Stuhlreihen.

Greta schaute ihm verdutzt hinterher, wie er in dem Getümmel verschwand. Weg ist er. Schade eigentlich, dachte sie bedauernd, trank ihren Latte macchiato aus und rief dann den Kellner, um zu bezahlen und sich auf den Heimweg zu machen.

»Haben Sie heute noch etwas vor?«, fragte jemand hinter ihr auf Englisch, als sie in die enge Gasse hinter dem Dom einbog. Erstaunt drehte sie sich um. Da stand er und grinste sie an.

»Sind Sie mir gefolgt?«, fragte Greta irritiert.

»Ich habe auf der anderen Seite des Platzes gewartet, bis Sie gegangen sind. Ich wollte Ihnen sagen, dass es mir leidtut, dass ich so schnell abgehauen bin. Aber ich finde es immer sehr unangenehm, wenn ich plötzlich von Fans umringt bin.«

»Kann ich verstehen. Ab und zu will man mal privat unterwegs sein.«

Er nickte. »Zum Beispiel, wenn ich eine nette Frau kennengelernt habe. Also, haben Sie noch was vor?«

Nette Frau … er meinte sie. Greta fühlte sich geschmeichelt. Sie überlegte einen kurzen Augenblick. Tom übernachtete bei einem Kumpel und sie hatte es sich mit einem Gläschen Rotwein auf der Couch gemütlich machen wollen. Im Fernsehen lief Vier Hochzeiten und ein Todesfall, einer ihrer Lieblingsfilme.

»Nein.« Sie schüttelte den Kopf.

»Haben Sie Lust, mir die Stadt zu zeigen? Und anschließend würde ich Sie gerne zum Essen einladen. Gibt es hier einen guten Italiener?«

Greta zögerte. »Ja, den gibt es, hinten in der Altstadt. Aber man muss einen Tisch reservieren, da ist es immer voll.«

»Dann sollten wir das tun.«

»Okay, machen wir. Was würden Sie sich gerne anschauen? Den Dom, die Römerschiffe, die Chagall-Fenster? Und übrigens … ich heiße Greta.« Sie streckte ihm ihre Hand hin.

»Freut mich, Greta. Wie ich heiße, weißt du ja schon.« Er nahm ihre Hand und lächelte.

Kapitel 2

Sie blickt aus dem Fenster des Taxis auf einen riesigen Jumbo, der gerade über die Autobahn schwebt. Faszinierend, wie leicht und elegant sie aussehen, denkt sie. Nicht mehr lange, dann wird sie selbst in solch einem Flieger sitzen. Wie immer, kurz bevor sie in ein Flugzeug steigt, ist ihr mulmig zu Mute und ihr Bauch krampft sich in regelmäßigen Abständen zusammen. Wird schon gut gehen, denkt sie und ist sich nicht sicher, ob sie den Flug meint oder das, was danach kommt.

Am Flughafen lässt der Fahrer sie aussteigen, kassiert, holt ihr Gepäck aus dem Kofferraum und rauscht ohne ein weiteres Wort davon. Für ihn war es nur eine von zahlreichen Fahrten, die er täglich macht. Für sie ist es ein Abschied von ihrem alten Leben. Und es endet mit einer langen Warteschlange vor dem Check-in-Schalter. Greta seufzt, stellt sich hinten an und versucht, an etwas Schönes zu denken. An ihr erstes Date mit Connor, auch wenn es gänzlich ungeplant war.

***

Sie liefen nebeneinander durch die Mainzer Altstadt, und Greta erzählte Connor, was ihr zur Mainzer Geschichte einfiel. Zum ersten Mal seit Langem fiel ihr auf, wie malerisch die engen Gässchen, kleinen Plätze, Brunnen und Fachwerkhäuser waren. Sie kamen an kleinen Geschäften vorbei, die viele unnötige Dinge verkauften, die dafür umso schöner waren. In den Schaufenstern stapelten sich kitschige Dekorationsgegenstände neben teuren Bilderalben, edlen Küchenutensilien, allen Zutaten für ein perfektes toskanisches Ambiente und mattem Silberschmuck.

Am Parkplatz legten sie einen kurzen Stopp ein, um Gretas Einkaufstüten in ihrem Auto zu verstauen. Anschließend machten sie einen Abstecher zum Al Cortile, dem angesagten Italiener in einer kleinen Seitenstraße unweit des Doms. Connor schaute sich im Restaurant um, deutete auf einen Tisch in einer Nische und bat den Kellner, diesen für neunzehn Uhr zu reservieren.

Sie schlenderten weiter durch die Altstadt bis zum Römerschiffmuseum. Greta kaufte die Eintrittskarten und führte Connor durch das lichtdurchflutete Museum.

Connor betrachtete interessiert die Überreste der Römerschiffe, die vor einigen Jahren beim Bau des Hilton Hotels ausgegraben worden waren. Die uralten dunklen Holzplanken und die dazugehörigen großen Schiffe, die Archäologen aus diesen wenigen Überbleibseln und vielen Abbildungen aus der Römerzeit rekonstruiert hatten, schienen ihn zu beeindrucken. Für Greta, die schon zweimal in dem Museum gewesen war, gab es im Grunde nichts Neues zu sehen. Doch Connor wies sie mehrmals auf kleine Details hin, die er entdeckt hatte und die ihr bislang verborgen geblieben waren.

Während Connor einige ausgestellte Grabsteine anschaute, ging Greta in eine Ecke des Saals und gab vor, eine plastische Abbildung der Trajanssäule in Rom zu inspizieren. Tatsächlich beobachtete sie jedoch unauffällig Connor, wie er lässig, die Hände in den Hosentaschen, zwischen den archäologischen Exponaten herumlief. Wenn sie nicht gewusst hätte, dass es sich bei dem Mann um einen bekannten Schauspieler handelte – sie hätte ihn niemals im Leben erkannt. Er sah einfach normal aus.

Connor drehte sich zu ihr um, ihre Blicke trafen sich kurz und schon wieder fühlte Greta sich ertappt. Schnell wandte sie den Kopf ab und richtete ihr Augenmerk auf die Säule.

Connor kam zu ihr herübergeschlendert. »Du lernst schnell«, meinte er süffisant.

»Wie meinst du das?« Sie merkte, wie sie schon wieder rot wurde.

»Denk mal drüber nach.« Er zwinkerte ihr zu, drehte sich um und ging zum nächsten Exponat.

Ich weiß genau, auf was du anspielst, Connor O’Bannion, dachte sie. Ja, stell dir vor, ich gucke dir hinterher.

Weil sie bis zum Abendessen noch genügend Zeit hatten, liefen sie zurück zum Dom, damit Connor einen Blick in das Innere des romanisch-gotischen Bauwerks werfen konnte. Greta bemerkte verwundert, wie Connor beim Betreten seine Finger in das Weihwasser tauchte und sich bekreuzigte. Er nahm sogar seine Baseballkappe ab, ließ aber die Sonnenbrille auf.

Ich hätte nicht gedacht, dass er gläubig ist, wunderte sich Greta. Sie hatte mit dem Thema Kirche lange abgeschlossen. Was sie allerdings beeindruckte, war das Können der Erbauer der großen Kathedralen. Es war bewundernswert, was die Menschen früher ohne technische Hilfsmittel geschaffen hatten.

Connor schien ebenfalls fasziniert zu sein, denn er schaute sich alles genau an, blieb vor jeder Statue, jedem Altar und Grab stehen. Greta setzte sich in der Zwischenzeit auf eine der Kirchenbänke und wartete auf ihn.

Nach einiger Zeit wurde sie ungeduldig und blickte auf die Uhr. Es war höchste Zeit zu gehen. Nicht nur, dass ihr Magen das signalisierte … das Al Cortile war in der Regel gut besucht, und es war ratsam, pünktlich zu erscheinen, damit der Platz nicht anderweitig vergeben wurde. Sie suchte Connor in dem riesigen Gebäude und fand ihn in einer Nische vor einer Madonna. Er wandte ihr den Rücken zu, also berührte sie ihn leicht am Arm, als sie ihn ansprach.

»Connor, es wird Zeit, zum Restaurant zu gehen.«

Er zuckte kurz zusammen, drehte sich zu ihr um und schaute sie an, als wüsste er im Moment nicht, wer sie war und dass er sich in ihrer Begleitung befand. Fahrig fuhr er sich durch die Haare und nickte. »Okay, ich komme. Einen Moment noch.« Er nahm eine Kerze, entzündete sie an einer brennenden und stellte sie in den vorgesehenen Ständer neben die anderen.

Als sie aus dem Dom traten, verschwand die Sonne gerade hinter den Dächern und es schien plötzlich zehn Grad kälter zu sein als noch eine Stunde zuvor.

»Ist dir kühl?«, fragte sie mit Blick auf sein T-Shirt.

Er rieb sich die Arme. »Ist schon okay. Ich dachte, ich esse heute Abend im Hotel, deswegen habe ich keine Jacke mitgenommen. Machen wir, dass wir zum Restaurant kommen.«

Im Al Cortile herrschte eine angenehme Atmosphäre. Kerzen und schwache Lampen erhellten den Raum gerade so viel wie nötig. Sie wurden zu ihrem reservierten Tisch in der Nische geführt. Connor setzte sich mit dem Rücken zum Raum und nahm erst dann seine Sonnenbrille und die Kappe ab.

Wie anstrengend das wohl ist, wenn man dauernd befürchten muss, erkannt und belästigt zu werden?, dachte sie. Viele Menschen träumten davon, berühmt zu sein, aber die hatten sicherlich keine Ahnung, welche Einschränkungen man dafür hinnehmen musste.

Er nahm die weiße Stoffserviette vom Tisch und legte sie sich auf den Schoß. Dann blickte er auf und sah sie aus seinen blaugrünen Augen an.

Mein Gott, er hat wunderschöne Augen. Was für eine ungewöhnliche Farbe. Und um die langen Wimpern würde ihn jede Frau beneiden, dachte Greta fasziniert.

»Ich möchte dir für den netten Nachmittag danken«, sagte er, und wie schon einige Male in den vergangenen Stunden bekam sie eine Gänsehaut, als sie seine tiefe Stimme hörte.

»Es war mir eine Freude«, entgegnete sie und merkte erstaunt, dass es nicht nur dahergesagt war, sondern dass sie es genauso meinte.

Der Kellner brachte die Speisekarten, und Greta bat ihn, noch eine Karte auf Englisch zu bringen. Wie üblich studierte sie minutenlang die Karte. Doch diesmal war nicht die Entscheidung zwischen Nudeln oder Pizza der Grund. Ging das nur ihr so oder hatte das Ganze auf einmal mehr den Charakter eines Dates? Greta merkte, wie ihre Wangen bei dem Gedanken heiß wurden.

Der Kellner kam und nahm ihre Bestellungen auf. Sie entschied sich für Nudeln mit Lachs und ein Glas Rotwein, Connor bestellte eine Pizza und ein Bier. Greta hörte nur mit halbem Ohr zu und überlegte, über was sie sich mit Connor unterhalten könnte.

»Wie ist es eigentlich, Sohn eines berühmten Schauspielers zu sein?«, fragte sie ihn, als sie wieder allein waren. Wie sie sich erinnerte, war Connors Vater ebenfalls ein bekannter Schauspieler, der in seiner Glanzzeit in vielen Western mitgespielt hatte. Viel mehr wusste sie allerdings nicht über ihn, da sie sich solche alten Filme nicht anschaute.

»Hm, ich weiß es nicht«, sagte er und zuckte mit den Schultern.

»Wie meinst du das?«

»Nun, ich bin mit meiner Schwester bei meiner Mutter in Kanada aufgewachsen. Mein Vater hatte nie Zeit für mich. Natürlich haben wir uns ab und zu gesehen, aber er war immer nur ein Besucher. Besser kennengelernt habe ich ihn erst, als ich sechzehn war. Da habe ich es zu Hause nicht mehr ausgehalten und bin nach Amerika abgehauen. Er hat mir ein paarmal unter die Arme gegriffen und mir Jobs bei Filmproduktionen besorgt. Ich war dort Mädchen für alles. Er hätte mich ohne Probleme ins Filmgeschäft bringen können, aber ich wollte es ohne seine Hilfe schaffen.«

»Und, hast du es alleine geschafft?«

»Sicher nicht.« Er schüttelte den Kopf und kniff die Augen zusammen. »Mein Vater hat seine Hände im Spiel gehabt, auch wenn er es nicht zugeben will, und mein Familienname ist sicherlich mit ausschlaggebend dafür gewesen, dass man mir eine Chance gegeben hat.«

»Woher stammt dein Name? Connor hört man nicht oft, und O’Bannion klingt irgendwie irisch.«

»Richtig geraten. Mein Großvater stammte aus Irland. Connor ist auch ein irischer Name, er geht auf die Kelten zurück und bedeutet starker Wille.« Er lächelte und zum ersten Mal fielen ihr die kleinen Lachfältchen um seine Augenwinkel herum auf. Sie schätzte, dass er ein bisschen älter als sie selbst war, also um die vierzig.

»Und, hast du ihn, einen starken Willen?«

»Ich glaube schon. Ich kann ganz schön dickköpfig sein.«

»Das kann ich auch.«

»Kann ich mir vorstellen«, sagte er und zwinkerte ihr zu.

Der Kellner brachte die Getränke und stellte sie auf den Tisch. Greta nahm ihr Glas Rotwein, prostete ihm zu, nippte an dem dunkelroten, trockenen Wein und schaute ihn über den Glasrand hinweg an. Connor nahm einen großen Schluck von seinem Bier und erwiderte ihren Blick.

Das Essen kam nur wenig später und war wie immer vorzüglich. Greta bereute es nicht, sich für Nudeln entschieden zu haben, obwohl Connors Pizza köstlich aussah.

»Viel besser als amerikanische Pizza«, meinte er begeistert. »Der Teig ist viel dünner und knuspriger.«

»Da kann ich dir nur zustimmen«, nickte Greta.

»Deswegen bin ich wirklich gerne in Italien unterwegs. Es gibt dort definitiv den besten Espresso, die beste Pizza und die beste Pasta.«

»Du kennst dich also in Europa aus?«

»Ich bin früher ein bisschen rumgekommen, aber es gibt so viel zu sehen. Irgendwann werde ich mal eine Rundreise durch Italien machen.«

»Ein guter Plan«, sagte Greta.

Als sie fertig gegessen hatten und der Kellner die Teller abräumte, verlangte Connor zeitgleich nach der Rechnung.

Greta schaute ihn überrascht an. »Ähm … ich wollte eigentlich noch etwas bestellen«, sagte sie irritiert.

»Ich wollte nur den Tisch frei machen und mit dir noch einen Drink an der Hotelbar nehmen«, entgegnete Connor. »Aber klar, wir können gerne hierbleiben«, beeilte er sich zu sagen.

In Gretas Kopf überschlugen sich die Gedanken. Von der Hotelbar ist es nicht mehr weit zu seinem Zimmer. Nein, so leicht bin ich nicht zu haben.

»Was möchtest du noch haben?«, unterbrach er ihr Gedankenkarussell.

»Ich nehme noch einen Espresso und ein kleines Glas Rotwein.«

»Und ich einen Whisky.«

Als Greta dem Kellner erklärte, dass sie es sich anders überlegt hätten, war er ein wenig ungehalten, weil er den Tisch offenbar schon an ein wartendes Paar vergeben hatte, nahm dann aber die Bestellung auf.

Das Gespräch verlief weiterhin locker und unterhaltsam. Connor hatte viel aus der Filmbranche zu erzählen und Greta konnte nicht genug von den Anekdoten bekommen. Er war ein guter Erzähler, der wusste, wie man eine Story rüberbringt, um seinen Zuhörer in seinen Bann zu ziehen. Um das Gesagte zu untermalen, gestikulierte er dazu. Dabei fiel Greta auf, dass er schöne männliche Hände, schlanke Finger und gepflegte Fingernägel hatte.

Einige Male lachte sie laut auf, wenn er Storys von seiner Arbeit zum Besten gab. Etwa, als er von einer berühmten Kollegin erzählte, die beim Dreh einer Abschiedsszene im Hafen einen unbedachten Schritt machte und rückwärts ins Hafenbecken fiel.

»Ich musste so lachen, als sie prustend auftauchte, dass ich nicht daran dachte, ihr hinterherzuspringen. Glücklicherweise waren aber genug Männer am Set, die dies bereitwillig taten. Meine Kollegin hat daraufhin drei Wochen nicht mehr mit mir geredet«, grinste Connor, und seine Augen blitzten vor Schadenfreude.

Greta fragte sich, ob zwischen Connor und ihr einmal etwas gelaufen war. Sie meinte, vor Jahren in einer Illustrierten über eine angebliche Beziehung der beiden gelesen zu haben. Aber sie traute sich nicht, ihn direkt danach zu fragen. Deshalb sagte sie: »Joanna Richards macht einen netten Eindruck. Wie ist sie denn so außerhalb des Rampenlichts?«

Es entging Greta nicht, dass Connor kurz zögerte, bevor er antwortete. »Nun … sie ist der Traum vieler Männer und weiß das auch. Sie kokettiert damit. Es ist wie ein Spiel mit dem Feuer. Man verbrennt sich, wenn man ihr zu nahe kommt.«

»Hm … klingt, als hättest du dir auch mal die Finger verbrannt«, sagte sie, ohne zu überlegen, und bereute im nächsten Moment ihre Dreistigkeit.

»Du bist aber gar nicht neugierig, oder? Na, jedenfalls scheinst du die Klatschpresse nicht zu lesen.« Er schaute sie direkt an, trank dabei von seinem Whisky, behielt ihn eine Weile im Mund, schluckte dann und schloss für einen Moment genießerisch die Augen.

Verunsichert stammelte Greta: »Entschuldigung, das ist wirklich nicht meine Angelegenheit …«

»Ja, ich habe mir die Finger verbrannt«, unterbrach Connor sie schnell. »Die Fingerspitzen zumindest. Aber ich habe meine Hand schnell genug weggezogen.«

»Verstehe. Und nein, ich lese die Klatschpresse wirklich nicht. Deswegen weiß ich auch nicht, ob du verheiratet bist oder …« Sie stockte.

Er presste die Lippen aufeinander und schüttelte den Kopf. »Nicht mehr. Ich war zweimal verheiratet, aber es hat nicht funktioniert. Ich glaube, ich bin kein Typ, der es lange mit ein und demselben Menschen aushält … oder andere Menschen mit mir. Und du?«

»Ich bin verheiratet.« Sie flüsterte die Worte.

Er zog die Augenbrauen hoch, sagte aber nichts.

»Mein Mann und ich haben uns getrennt, aber wir leben noch zusammen und tun so, als ob alles okay wäre.«

»Warum ziehst du nicht aus?«

»Wir haben einen Sohn. Er soll nicht merken, dass etwas nicht stimmt. Auch unsere Familie ahnt nichts.«

»Aber das muss doch furchtbar für dich sein.«

»Nein, wir verstehen uns eigentlich ganz gut, aber wir lieben uns nicht mehr.« Sie zuckte mit den Schultern und schaute auf ihr Glas.

Er hatte recht, manchmal war es wirklich unerträglich, zusammenzuleben, sich aber nichts mehr zu sagen zu haben. Felix schlief seit einem halben Jahr im Souterrain des Hauses. Tom hatten sie als Begründung erzählt, dass sein Vater zu laut schnarche. Er hatte es mit einem Lachen hingenommen. Glücklicherweise war er wie viele Teenager ziemlich auf sich selbst fokussiert, sodass er nicht allzu viel Augenmerk auf sein Umfeld legte.

Sex hatten Greta und Felix schon Monate vor der Trennung kaum noch gehabt. Greta hatte dann eines Tages in seinem Jackett, das sie in die Reinigung geben wollte, zwei Kondome gefunden. Sie hatte ihren Mann daraufhin zur Rede gestellt. Schließlich hatte er zugegeben, dass er eine Affäre mit seiner Sekretärin habe.

Für Greta brach keine Welt zusammen. Im Grunde genommen war es ihr egal. Erst da wurde ihr bewusst, dass ihr gar nichts mehr an ihm lag. Sie beschlossen, sich inoffiziell zu trennen. Aber keiner von beiden wusste, wie es weitergehen sollte.

Greta erzählte minutenlang, ohne Connor einmal direkt anzusehen. Es tat gut, einem Fremden, jemandem, der nicht zur Familie oder zum Bekanntenkreis gehörte, ihre Situation zu schildern. Mit jedem Wort realisierte Greta mehr, wie furchtbar sie sich eigentlich fühlte und wie sehr sie sich wünschte, die Gegebenheiten ändern zu können.

Connor hörte sich die Geschichte wortlos an und unterbrach sie nicht, wenn sie beim Erzählen ins Stocken kam und nach den richtigen Vokabeln suchte. Dann fragte er leise: »Wie alt ist dein Sohn?«

»Tom ist fünfzehn.«

»Ich habe eine Tochter. Sie ist schon zweiundzwanzig.«

»Wow, da bist du aber früh Vater geworden«, staunte Greta.

»Ja, ich war neunzehn und eigentlich viel zu jung. Ihre Mutter und ich haben geheiratet, als wir wussten, dass sie schwanger war, aber es ging schief. Chloé ist bei ihrer Mutter aufgewachsen. Ich habe den gleichen Fehler gemacht wie mein Vater damals, denn ich war für sie auch immer nur ein Besucher.«

»Und wie ist euer Verhältnis heute?«

»Wir sind mehr Freunde als Vater und Tochter. Aber wir sehen uns nicht sehr häufig. Ich bin meistens am Arbeiten und sie am Feiern. Ich wünschte, ich könnte die Zeit zurückdrehen und manche Dinge anders machen.«

»Ja, es wäre schön, wenn das manchmal möglich wäre. Aber du kannst ja heute an eurer Beziehung arbeiten.«

Er nickte und schaute auf seine Hände. Offenbar machte ihm das Ganze zu schaffen. Greta wurde das Gespräch jetzt zu ernst und zu persönlich. Zeit für einen Themenwechsel.

»Und was machst du sonst noch so, außer Filme zu drehen?«

»Ach, jede Menge: ein bisschen Gitarre spielen, Stampede …«

»Stampede? Du meinst, Rodeo?«, unterbrach sie ihn.

»Calf roping im Speziellen. Kälber mit dem Lasso fangen.«

»Willst du mich auf den Arm nehmen?«, lachte sie.

»Nein, keineswegs. Ich habe mit neunzehn einen Film gedreht, bei dem ich acht Stunden am Tag im Sattel sitzen musste. Nach Drehende habe ich das Pferd gekauft. So fing alles an. Als ich vor ein paar Jahren die Nase vom Filmen erst einmal voll hatte, bin ich zum Rodeo gekommen. Du kannst dir nicht vorstellen, was für einen Spaß das macht.«

»Nein, kann ich wirklich nicht. Ich bin zwar früher geritten, aber auf einem Rodeo war ich noch nie. Ich glaube nicht, dass mir das gefallen würde.« Sie runzelte skeptisch die Stirn.

»Doch, ganz bestimmt. Schon das Zuschauen ist spannend. Ich würde dir allerdings nicht raten, es selbst zu versuchen. Es ist kein Sport für Frauen. Ich habe mir dabei schon alle möglichen Knochen gebrochen.«

»Kein Sport für Frauen? Das hättest du nicht sagen sollen. Ich werde es bestimmt bei der nächsten Gelegenheit ausprobieren«, lachte sie.

»Lass lieber die Finger davon«, meinte er noch einmal lachend und schaute auf seine Uhr. »Schon zehn Uhr, wir sollten zahlen. Ich muss morgen früh raus, weil ich schon um sieben Uhr am Flughafen sein muss.«

»Wo geht’s hin?«

»Berlin. Zur Deutschlandpremiere meines neuen Films. Ich habe da einige Pressetermine, danach geht die Promo-Tour in anderen Städten weiter und dann komme ich zum Abschluss noch mal nach Berlin.«

»Du hast einen neuen Film gemacht?«

»Ja, er heißt Bodycheck. Es geht um einen Eishockeyspieler. Eishockey spiele ich nämlich auch noch ein bisschen, und da hatte ich natürlich große Lust, einen Film darüber zu machen.«

»Ach, Eishockey spielst du auch.« Sie schüttelte in gespielter Verzweiflung den Kopf.

»Ja … ich stecke voller Überraschungen«, lachte er.

Er rief den Kellner und bezahlte für sie beide. Als sie durch das Lokal gingen, drehten einige Leute die Köpfe nach ihnen um, manche tuschelten, aber keiner sprach sie an.

»Ist das normal, dass man dich ständig anstarrt?«, fragte Greta ihn vor dem Lokal.

»Absolut normal«, antwortete Connor lakonisch. »Man gewöhnt sich dran.«

Sie liefen nebeneinander durch die engen Gassen der Altstadt zu seinem Hotel. Er war im Hyatt abgestiegen, in bester Lage direkt am Rhein.

Greta hatte an diesem Abend so viel über das Filmbusiness erfahren, aber eine – eher pikante – Sache wollte sie gern noch wissen, bevor sie sich verabschieden mussten. Schließlich bekam man nicht jeden Tag die Gelegenheit, sich mit jemandem zu unterhalten, der aus dem Nähkästchen plaudern konnte. Sie nahm all ihren Mut zusammen. »Connor?«

»Ja?«

»Entschuldige die Frage, aber … ich habe mich schon oft gefragt, wie das ist, vor der Kamera Liebesszenen zu spielen. Kann man da immer seine Gefühle beherrschen?« Sie lachte verlegen.

Er antwortete nicht direkt, und sie war sich plötzlich unsicher, ob sie mit ihrer Frage nicht eine Grenze überschritten hatte.

»Nun … nein, kann man nicht. Manchmal ist man schon erregt, vor allem, wenn man eine Filmpartnerin hat, die man attraktiv findet. Und Filmpartnerinnen in Liebesszenen sind meistens attraktiv«, grinste er.

»Und dann?«

»Hofft man, dass es niemand mitbekommt. Es vor der Filmpartnerin zu verbergen, ist manchmal schwierig, aber die meisten sind diskret. Manche Schauspieler masturbieren einfach vor einer Liebesszene. Dann ist schon mal Druck aus dem Kessel. Und manch eine Schauspielerin genehmigt sich vorher einen Drink.«

»Kann ich gut verstehen.«

»Normalerweise werden diese Aufnahmen ans Ende der Dreharbeiten verlegt, damit sich die Schauspieler schon besser kennenlernen konnten. Es wird nur mit einer kleinen Crew gedreht, also nur mit den Leuten, die wirklich da sein müssen. Aber du glaubst nicht, wer auf einmal alles einen Scheinwerfer an die richtige Stelle rücken muss.« Sie lachten beide.

»Und ist das merkwürdig, sich vor der Kamera auszuziehen?«, fragte Greta.

»Das eigentlich nicht. Nackt zu sein ist etwas Natürliches. Außerdem gibt es Hilfsmittel, hautfarbene Strings für die Frauen und kleine Beutelchen, in denen die Männer alles drin verstauen können.« Er musste grinsen. »Aber trotzdem fühle ich mich bei ausführlichen Sexszenen oft unwohl, besonders, wenn mir die Kollegin unsympathisch ist, weil es mir dann schwerfällt, die Szene authentisch darzustellen. Noch schwieriger ist es, wenn man sich zu einer Kollegin hingezogen fühlt, weil man nicht möchte, dass das irgendjemand mitbekommt, und weil man sich immer unter Kontrolle haben muss. Und wenn ich privat eine Partnerin habe, bekomme ich zudem ein schlechtes Gewissen, wenn ich beim Drehen angetörnt bin. Aber es lässt sich nicht immer verhindern. Mein Agent versucht deshalb, zu freizügige Szenen in den Verträgen zu blockieren. Aber manchmal bekommt man eine Rolle nur, wenn man dazu bereit ist. Und dann muss man überlegen, was einem wichtiger ist. Erotik im Film ist insbesondere bei den DVDs ein Verkaufsargument. Im Kino wird ja meistens weniger gezeigt, weil der Film sonst eine Altersfreigabe ab achtzehn Jahren bekommt, was man auf jeden Fall verhindern will, weil dann die Kasse weniger klingelt.«

»Na ja, kommt drauf an, oder? Bei Fifty Shades of Grey scheint es gerade umgekehrt gewesen zu sein. Die Altersbeschränkung und die Sexszenen haben noch mehr Leute ins Kino rennen lassen. Ich finde, die beiden Hauptdarsteller sind sehr mutig gewesen, sich darauf einzulassen. Ich könnte niemals solche Sexszenen spielen.«

»Soso, du hast den Film also gesehen«, schmunzelte er. »Ja, man kann über die Story streiten, aber das war eine Riesenleistung von Dakota Johnson und Jamie Dornan. Ich weiß nicht, ob ich seine Rolle angenommen hätte – also, als ich noch jünger war«, lachte er. »Übrigens stimmen die Gerüchte, dass Schauspieler vor laufender Kamera wirklich miteinander geschlafen hätten, eigentlich nie. Die kommen immer nur bei Filmen auf, die Publicity dringend nötig haben.«

»Ja, das hätte ich auch nicht geglaubt. Aber weißt du was? Mich wundert es, dass du so offen über dieses Thema redest.«

»Weißt du was? Mich auch«, grinste er. »Eigentlich habe ich noch nie wirklich mit jemandem darüber geredet. Ich meine … klar, man macht seine Witzchen mit Kollegen oder streitet sich mit seiner Freundin wegen einer allzu intimen Liebesszene, aber jeder Schauspieler versucht, das Thema möglichst unter den Tisch zu kehren.«

Sie waren am Hyatt angekommen und blieben vor dem Eingang stehen. Connor rieb über seine Arme, denn mittlerweile war es empfindlich kalt geworden.

»Greta, ich wollte dich noch etwas fragen.« Er schaute kurz auf den Boden, hob dann erneut den Blick und schaute ihr direkt in die Augen.

»Ja?« Ihr Herz schlug bis zum Hals, und ihr Nacken prickelte.

»Also, das kommt jetzt vielleicht unerwartet … Könntest du dir vorstellen, übernächstes Wochenende mit mir in Berlin zu einer Veranstaltung zu gehen? Ich bekomme einen Preis verliehen, anschließend findet noch eine VIP-Party statt. Aber ich habe keine Lust, alleine dorthin zu gehen.«

»Aber …« Sie schüttelte leicht den Kopf. »Wie … wie stellst du dir das denn vor? Ich kenne dich doch gar nicht. Mit dir essen zu gehen, ist eine Sache, aber das ist etwas ganz anderes.«

Er nickte. »Du hast wahrscheinlich recht, das war unüberlegt von mir«, sagte er leise und seine Stimme klang noch tiefer als zuvor. »Hör zu, mein Manager hat mir eine deutsche Handykarte besorgt, ich gebe dir mal die Nummer, falls du es dir anders überlegst. Das Angebot steht. Hast du einen Stift?«

Das Kramen in ihrer Tasche gab ihr einen kurzen Moment Zeit, nachzudenken. Ich kann doch nicht einen wildfremden Mann nach Berlin begleiten. Ausgeschlossen. Obwohl es mich schon reizen würde. Man bekommt nicht jeden Tag das Angebot, zu einer Preisverleihung und auf eine VIP-Party zu gehen, noch dazu mit Connor O’Bannion.

Sie reichte ihm einen kleinen Block und einen Stift. Er notierte die Zahlen, und sie bemerkte, dass er Linkshänder war. Als sie den Block wieder in der Tasche verstaut hatte, nahm er ihre rechte Hand, beugte sich zu ihr hinüber und küsste sie auf die Wange.

Greta hielt die Luft an. Ihr wurde heiß und kalt zugleich, als sie ihn so nahe bei sich spürte und einen Hauch seines Eau de Toilette roch.

Er sah ihr in die Augen, als überlegte er einen Moment. »Ich muss gehen. Pass auf dich auf«, sagte er dann schnell.

Sie wusste nicht, was sie sagen sollte, und nickte nur. Er drehte sich um und ging zum Eingang des Hotels. Sie sah ihn durch Glasdrehtür verschwinden. Drinnen drehte er sich noch einmal kurz um, hob die Hand und ging zum Aufzug.

Greta stand da wie betäubt. Sie schüttelte den Kopf, um aufzuwachen. Aber es war kein Traum gewesen.

Kapitel 3

»Ist hier eine Frau Rosenbaum?«, ruft ein Mitarbeiter der Fluggesellschaft und geht die Schlange entlang, in der sich Greta zum Aufgeben des Koffers angestellt hat. Viele Köpfe wenden sich ihm zu.

»Ja, hier«, ruft Greta und hebt die Hand. Alle Augen richten sich auf sie.

»Würden Sie bitte mitkommen?«, sagt der Mann.

»Aber ich stehe schon so lange in der Schlange und bin bald dran. Worum geht es denn?« Greta runzelt die Stirn.

»Keine Sorge, ich bringe Sie nur zu einem anderen Schalter«, entgegnet er. »Darf ich Ihr Gepäck nehmen?«

Greta reicht ihm den Koffer und folgt ihm widerwillig. Was soll das denn?, grummelt sie.

»Frau Rosenbaum, Sie wurden upgegradet«, sagt die Delta-Mitarbeiterin am Schalter.

»Wirklich? Das ist ja prima.« Ihre Laune wird augenblicklich besser. »Ich bin noch nie upgegradet worden«, freut sich Greta.

»Ja, Sie fliegen jetzt erster Klasse«, lächelt die Mitarbeiterin.

»Moment mal, von Economy auf erste Klasse?«

»Ja, da hat Ihnen wohl jemand ein Geschenk gemacht und ein paar Meilen von seinem Konto springen lassen.«

»Oh, okay.« Keine Frage, wer der Jemand war. Deswegen wollte er, dass ich unbedingt mit Delta in die USA fliege.

»Sie können bis zu Ihrem Abflug in den Delta Sky Club gehen. Dort gibt es kostenlose Drinks und Snacks.«

Ein verlockendes Angebot, das Greta gerne nutzt, nachdem sie die Sicherheits- und die Passkontrolle passiert hat. Die Zeit vergeht in der komfortablen Lounge wie im Flug. Als es Zeit zum Boarden ist, kann sie dank ihres First-Class-Tickets an der Warteschlange vorbeigehen, direkt ihren Boarding-Pass vorzeigen und über die Gangway zum Flugzeug laufen. Die Sitze in der First Class sind schräg angeordnet und jeder Gast hat einen kleinen abgetrennten Bereich mit viel Platz und Komfort. Eine Flugbegleiterin zeigt Greta ihren Sitzplatz und erklärt ihr, dass sie ihn später komplett zum Bett umlegen könne. Dann hilft sie Greta, ihren Trolley zu verstauen.

Als Greta sich hingesetzt hat, holt sie ihr Handy aus der Tasche und schickt Connor eine Nachricht: Danke :-*. Anschließend versetzt sie das iPhone in den Flugmodus, weil sie keine Antwort erwartet, denn bei ihm ist es noch früher Morgen. Jetzt freut sie sich auf den Start, obwohl das flaue Gefühl im Magen noch sehr präsent ist.

Als das Boarden abgeschlossen ist, rollt der Flieger zügig Richtung Startbahn. Nun gibt es kein Zurück mehr, denkt Greta aufgeregt und schaut aus dem Fenster. Nach einem kurzen Stopp heulen die Turbinen auf und der Koloss setzt sich erneut in Bewegung, nimmt immer mehr an Fahrt auf und hebt schließlich ab. Schnell werden der Flughafen, die Straßen und die Autos kleiner.

Gretas Augen füllen sich mit Tränen, als sie an Tom, ihre restliche Familie und ihre wenigen Freunde denken muss. Wann werde ich sie wiedersehen?

Nach dem geglückten Start fängt sie langsam an, sich zu entspannen. Sie hat den Countdown eingeleitet. Noch zehn, fünf, drei … Stunden, und sie wird für ihn und ihr neues Leben bereit sein. Sie hofft, dass er es auch ist.

Was, wenn die scheinbar große Liebe nur eine Sternschnuppe ist, die so schnell, wie sie gekommen ist, am Himmel verglüht? Wir kennen uns ja eigentlich kaum. Was sind schon vier, fünf Monate? Wie oft haben wir uns in dieser Zeit tatsächlich gesehen?

Sie muss verrückt sein, auf diesem wackeligen Fundament ein neues Leben aufbauen zu wollen. Aber es gibt keinen anderen Weg, um herauszufinden, ob es funktioniert. Eine Beziehung mit achttausend Kilometern Entfernung dazwischen ist nicht zu realisieren. Sie muss den Schritt über den großen Teich wagen, um ihnen beiden eine Chance zu geben.

***

Nachdem Connor sich vor dem Hyatt von Greta verabschiedet hatte, war Greta mit gemischten Gefühlen nach Hause gefahren. Einerseits fühlte sie sich beschwingt und attraktiv – schließlich hatte sie, so lange sie zurückdenken konnte, kein Date mehr gehabt –, andererseits war sie frustriert, dass diese außergewöhnliche Bekanntschaft nach wenigen schönen gemeinsamen Stunden zu Ende gehen sollte.

Greta wollte den Abend noch irgendwie ausklingen lassen. Bei dem ganzen Chaos, das in ihrem Kopf herrschte, war es undenkbar, ins Bett zu gehen, und so entschied sie sich erst mal für ein heißes Bad.

Eine Viertelstunde später lag sie mit einem Glas Rotwein in der Wanne. In kleinen bunten Gläsern flackerten Teelichte und malten Schatten, die sich tanzend zu bewegen schienen, an die Wände. Das warme Wasser streichelte ihre Haut. Sie stellte das Glas ab und ließ die Hände über ihren Körper wandern. Seit Monaten hatte sie kein Bedürfnis nach Sex gehabt, aber heute Abend war es neu geweckt worden. Es schien in ihrem Innersten geschlummert zu haben und ein glücklicher Umstand hatte es wach geküsst. Vielleicht war es Connors Kuss auf die Wange gewesen, vielleicht ihr Blick in seine viel zu blaugrünen Augen, vielleicht seine alles durchdringende Stimme.

Sie legte die Hände auf ihre Brüste, zwirbelte eine Weile sanft ihre Nippel zwischen ihren Fingern und streichelte sich anschließend zart und ruhig zwischen den Beinen. Als sie immer erregter wurde und spürte, dass es nicht mehr lange bis zum entspannenden Höhepunkt dauern konnte, konzentrierte sich ihr Finger auf ihre Klitoris. Mit sanftem Druck massierte sie die empfindsame Stelle. Ihr Atem ging schneller und ein Seufzen kam über ihre Lippen. Das Wasser schaukelte in der Wanne, als sie leise stöhnend zum Höhepunkt kam. Sie ließ die Welle kurz verebben, bevor sie das Streicheln wieder aufnahm. Während ein Mittelfinger in sie hineinglitt und ihr zweiter ihre Lustperle umgarnte, dachte sie an Connor. Die Art und Weise, wie er den Blick senkte, um dann von unten aufzuschauen, seine wundervollen Augen und die tiefe Stimme. Sie stellte sich vor, wie er sie küsste, zärtlich und zugleich fordernd. Wie er ihren Kopf zwischen seinen Händen hielt und sie leidenschaftlich miteinander knutschten. Wie seine Hände unter ihr weites Top schlüpften, ihre nackte Haut streichelten und ihre Brüste durch den dünnen Stoff des BHs berührten. Wie sie die Hand auf seine Hose legte und seine Erregung fühlte. Es war aufregend, sich vorzustellen, wie sie den Reißverschluss seiner Hose öffnete und seinen harten Schwanz herausholte, um ihn in den Mund zu nehmen. Und wie er daraufhin ihren Rock hochschob, unter dem sie nackt war, um sie mit seiner Zunge ausgiebig zu verwöhnen. Die Gedanken in ihrem Kopf und die Bilder vor ihrem geistigen Auge heizten ihre Erregung weiter an. Sie kam heftiger als zuvor.

Als sie schließlich entspannt und ein wenig erschöpft in der Wanne lag, schwirrten die Gedanken in ihrem Kopf. Wie wäre es wohl gewesen, mit ihm Sex zu haben?Er hat kurz gezögert, als er sich verabschiedet hat. Hat er überlegt, mich zu fragen, ob ich mit auf sein Zimmer kommen will? Sie hatte keine Ahnung, wie sich ein One-Night-Stand anfühlte, sie hatte in ihrem nun achtunddreißig Jahre dauernden Leben nur mit ihren drei festen Freunden und mit Felix geschlafen. Eine ziemlich magere Bilanz, musste sie sich eingestehen. Es gab einiges nachzuholen, jetzt, wo es mit Felix endgültig aus war.

Vielleicht hätte sie mit Connor flirten sollen, um Interesse zu signalisieren. Jetzt bereute sie, die Gelegenheit verpasst zu haben. Sie hatte aber noch eine Chance: Berlin! Es gab viele Gründe, nach Berlin zu fahren. Die VIP-Party, die Preisverleihung, die Aussicht auf Sex mit Connor …

Bestimmt wäre er nicht abgeneigt, überlegte sie.

Aber du kannst dich nicht mit einem wildfremden Mann in Berlin treffen, meldete sich ihr Gewissen.

Und warum nicht? Habe ich nicht das Recht auf ein bisschen Spaß?

Bisher war es immer sie gewesen, die sich um Tom und alle zu Hause anfallenden Arbeiten gekümmert hatte, wenn Felix, der erfolgreiche Unternehmensberater, mal wieder on Tour war. Aber das war jetzt vorbei. Sie wollte mehr vom Leben! Sollte Felix sich doch mal um die täglichen Angelegenheiten kümmern. Einkauf, Wäsche, Elternabend, dazu noch Handwerker … alles blieb an ihr hängen. Sie hatte wirklich ein bisschen Abwechslung verdient, versuchte sie sich vor sich selbst zu rechtfertigen.

Greta beschloss, gleich am nächsten Morgen ihre Freundin anzurufen und sie zu fragen, was sie von der Sache hielt. Sie brauchte dringend eine zweite Meinung. Gut gelaunt, befriedigt und entspannt stieg sie aus dem mittlerweile kalt gewordenen Wasser, fiel wenig später todmüde ins Bett und wachte am nächsten Morgen mit dem Gefühl auf, etwas Interessantes geträumt zu haben.

Ungeduldig hielt Greta das Handy ans Ohr. Es klingelte jetzt schon zum zehnten Mal. Mist! Bestimmt geht gleich die Mailbox dran!

Endlich hörte sie Jeanettes schlaftrunkene Stimme. »Ja?«

»Jeanette, ich bin’s, Greta.«

»Weißt du, wie viel Uhr es ist?«

»Ja, zehn nach acht.«

»Toll, das habe ich gesehen«, sagte Jeanette lakonisch.

»Oh, entschuldige, habe ich dich geweckt?« Greta grinste, denn sie wusste genau, dass Jeanette keine Frühaufsteherin war.

»Schon gut«, brummte Jeanette, »was liegt an?«

»Ich hatte ein Date«, platzte Greta heraus.

»Nein!«, sagte ihre Freundin ungläubig und klang plötzlich hellwach.

»Doch. Aber das sind nicht die News, sondern die, mit wem ich es hatte.«

»Kenne ich ihn?«

»Eher flüchtig aus der Ferne«, lachte Greta.

»Hm, dein gut aussehender Nachbar?«

»Nils? Der ist erst dreißig.« Greta runzelte die Stirn.

»Na und? Ich finde, er ist ein echt Süßer. Und du weißt doch: Der Trend geht zum jüngeren Mann.«

»Ist das so oder hast du das gerade erfunden? Aber du hast recht, Nils ist wirklich ein Sahneschnittchen, aber zu jung. Außerdem schleppt er ständig neue Frauen an.«

»Dann weiß er wenigstens, was wir wollen. Der wäre vielleicht mal genau das Richtige für dich. Einer, der es dir richtig besorgt.«

»Mann, Jeanette, denkst du mal an etwas anderes als Sex?«

»Nein, warum auch? Hättest du öfter mal Sex, wärst du jedenfalls entspannter. Aber jetzt erzähl mal endlich … wer war dein Date?«

»Sitzt du?«

»Nein, ich liege immer noch im Bett.«

»Auch gut. Also, ich bin gestern mit Connor O’Bannion durch Mainz gezogen.«

»Mit wem? Muss ich den kennen?«

»Natürlich, Jeanette. Connor O’Bannion, der Schauspieler.«

»Wie bitte? Ist heute der erste April?«

»Keineswegs«, lachte Greta. Sie konnte sich förmlich vorstellen, wie Jeanette mittlerweile im Bett saß und mit fliegenden Fingern auf ihrem iPad den Namen Connor O’Bannion ins Suchfeld eingab. Sie erzählte Jeanette in allen Facetten vom vergangenen Tag sowie von ihren Überlegungen, nach Berlin zu fahren. Ihre Freundin hatte tausend Fragen, und Greta versuchte, sie alle zu beantworten.

»Na ja, ein bisschen verrückt ist es schon«, meinte Jeanette schließlich, als ihr Wissensdurst weitgehend gestillt war, »aber ich würde es an deiner Stelle machen.«

»Meinst du wirklich?«

»Klar. Was hast du schon zu verlieren? Du machst dir ein schönes Wochenende mit einem netten Mann und verbringst tolle Tage und noch bessere Nächte. Wenn du heimkommst, fühlst du dich wahrscheinlich wie neugeboren.«

»Es geht hier nicht um das, was du wieder denkst. Er will nur nicht alleine zu der Veranstaltung gehen«, warf Greta ein.

»Ja, ja, und der Teufel ist ein Eichhörnchen. Bist du eigentlich so naiv oder tust du nur so? Natürlich will er mit dir ins Bett.«

»Aha, und woher willst du das wissen?«

»Ähm, warte kurz … Wer hat hier mehr Männerbekanntschaften und Erfahrungen, wie Männer ticken? Er will definitiv mit dir vögeln!«

»Puh, wenn das so klar ist, kann ich auf keinen Fall fahren.«

»Und warum nicht? Das ist doch ideal … du kannst dich völlig gehen lassen und siehst den Typen nie wieder. Außerdem ist es eine gute Übung für den Fall, dass du mal einen aussichtsreichen Kandidaten kennenlernst.«

»Danke, du bist ja wieder nett zu mir. Was soll ich jetzt machen?«

»Natürlich fährst du. Das wirst du ansonsten bis ans Ende deines Lebens bereuen.«

»Ich befürchte, dass ich mich unter Druck gesetzt fühle, falls er tatsächlich diese Erwartungshaltung hat.«

»Ja, das Risiko besteht. Aber hey, du kannst jederzeit Nein sagen. Du hast doch eh nichts zu verlieren«, bestärkte Jeanette sie. »Bist du nicht neugierig, was passieren wird? Und wie es ist, nach jahrelangem langweiligen Sex mit Felix einen heißen Typen im Bett zu haben?«

»So schlimm war es jetzt auch nicht«, wiegelte Greta ab. »Aber vielleicht hast du recht, ich sollte mir ein bisschen Spaß gönnen. Doch was soll ich Felix sagen?«

»Die Wahrheit? Du schuldest ihm nichts.« Jeanette war die Einzige, die wusste, dass die Ehe von Greta und Felix eine reine Farce war.

»Ach, ich weiß nicht …«

»Da wird uns schon noch was einfallen. Jetzt mach nicht schon wieder gleich einen Rückzieher.«

»Also gut«, lenkte Greta ein, weil sie wusste, dass Jeanette sonst keine Ruhe geben würde, »ich denke, ich werde Connor anrufen. Aber ich muss alles noch mal in Ruhe abwägen.«

»Mach das, aber sei offen für alles«, meinte Jeanette.

Schließlich verabredeten sie sich für Donnerstag. Ein neuer Film war im Kino angelaufen, den beide gern sehen wollten. Greta legte auf, atmete tief durch und widmete sich ihren Aufgaben. Den Gedanken an Berlin verdrängte sie. Sie wollte jetzt nicht darüber nachdenken. Sie musste noch einkaufen und kochen, denn um zwei Uhr kam Tom von der Schule.

Als Tom sich an seine Hausaufgaben setzte, nutzte sie die Gelegenheit, um im Internet einiges über Connor in Erfahrung zu bringen. Er war einundvierzig und offiziell Single. Sie fand zwar einige Fotos, auf denen er mit verschiedenen Frauen abgelichtet war, aber keinen Hinweis auf eine derzeitige Freundin. Das ist schon mal gut! Neben seiner Arbeit als Schauspieler war er Mitinhaber eines kleineren Musiklabels, das unbekannte Bands und Sänger förderte. Er selbst besaß mehrere Gitarren, trat aber nicht auf. Was das Rodeo-Reiten anging, hatte er die Wahrheit gesagt. Greta fand einige Bilder, die ihn in Aktion zeigten. Besonders angetan hatte es ihr ein Bild, auf dem er im gestreckten Galopp über eine weite Ebene ritt. Das Cowboy-Image stand ihm wirklich gut, entschied sie.

Am Donnerstag fuhr sie gegen sechs Uhr in die Stadt. Felix war auf ihre Bitte hin pünktlich zu Hause gewesen, um Tom zum Training zu bringen. Das hatte er früher, als ihre Ehe nicht nur auf dem Papier existierte, selten geschafft. Häufig saß sie abends mit ihrer gepackten Sporttasche zu Hause und wartete auf ihn oder rief die Freunde an, mit denen sie sich treffen wollte, um ihnen mitzuteilen, dass sie sich verspäten werde.

Greta schlenderte gemütlich durch die Altstadt. Sie hatte noch Zeit, um ein paar Besorgungen zu machen, und erinnerte sich daran, wie sie vor ein paar Tagen mit Connor hier entlanggegangen war. Es erschien ihr so unrealistisch. So, als wäre es nie passiert.

Eine halbe Stunde kam sie am Kino an. Jeanette wartete schon und umarmte Greta, wie sie es immer tat, wenn sie sich sahen.

»Und, hast du ihn angerufen?«, fragte Jeanette als Allererstes.

Greta schüttelte den Kopf.

»Warum denn nicht?«

»Keine Ahnung.«

»Also echt, du bist ein kleiner Feigling«, seufzte Jeanette enttäuscht.

»Eigentlich will ich ja, aber ich habe mich einfach nicht getraut.«

»Sollen wir ihn zusammen anrufen?«, schlug Jeanette vor.

»Auf gar keinen Fall.« Greta hob abwehrend die Hände. »Lass mich das mal lieber alleine machen.«

»Okay«, lachte Jeanette, und Greta meinte, den Schalk in ihren Augen aufblitzen zu sehen.

Kleines Luder, du weißt schon, wie du mich am besten manipulieren kannst, dachte sie und war ihrer Freundin dabei kein bisschen böse. Schließlich wollte Jeanette nur das Beste für sie.