Toyboy - gefährlich heißes Spiel - Irina Meerling - E-Book

Toyboy - gefährlich heißes Spiel E-Book

Irina Meerling

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Beschreibung

Den Neustart am elitären Broomstick-Internat hatte Alex sich anders vorgestellt. Der junge Elementen-Magier gerät ausgerechnet in die Fänge des gut aussehenden, berechnenden Kayen, der ihn in ein seltsames erotisches Spiel verwickelt. Bis Alex kurz davor ist, wieder einmal alles zu verlieren ...

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Irina Meerling

Impressum

© dead soft verlag, Mettingen, 2011

© the author

http://www.irina-meerling.de

dead soft verlag – http://www.deadsoft..de

Cover: M. Hanke

Bild: wtamas - fotolia.com

Autorenbild: photozwerge

1. Auflage

ISBN 978-3-934442-72-6 (Print)

ISBN 978-3-944737-62-1 (epub)

Dieser Roman ist Fiktion. Orte und Personen wurden frei erfunden.

Widmung

Dieses Buch ist für …

… Julia, meine Schwester, die mir immer wieder einen imaginären Arschtritt gab, wann immer ich Zweifel bekam, was das Schreiben angeht! ;) Ob aus 20 oder zwischenzeitlich 17.000 km Entfernung; du warst und bist immer für mich da, danke!!

… Mike und Alina, die so gar nichts mit Geschichten wie dieser zutun haben! Ihr mögt mich so, wie ich bin, auch wenn das nicht immer leicht ist. Ihr seid die Ersten gewesen, die mir gezeigt haben, was Freundschaft bedeutet! Ihr beiden gehört zu meinen „drei Engeln“! :)

… Larissa, dem dritten Engel im Bunde. Du hast den ersten Leserkommentar verfasst, der mir vor Rührung Tränen in die Augen trieb! Seit dem Moment stehen wir in Kontakt und mit jedem Brief schließe ich dich fester in mein Herz, mein Zwilling!! :) Hoffentlich erfülle ich nun deine Forderung nach einem Buch von mir, das du in dein Regal stellen kannst! ;)

… Bira, wir kennen uns noch nicht sehr lange und dennoch kann ich sagen, dass du mir eine gute Freundin geworden bist! Auf dem Weg zur Veröffentlichung hast du fleißig mit mir mitgefiebert! Das hat großen Spaß gemacht! :)

Diese Geschichte ist reine Fantasie

– AIDS aber nicht.

Safersex rettet Leben!

Irina Meerling

Die Gedanken in deinem Kopf verstehst du nicht

Sie tadeln das Handeln, das dich glücklich macht

Doch stehen auf stumm, bis das Licht hereinbricht

Entgleiten deiner Kontrolle, wenn das Feuer entfacht

Du sinkst ins Kissen

Darfst ihn nicht berühr’n

Du willst ihn nicht missen

Willst ihn in dir spür’n

Sollst ihn nicht küssen

Die Zeit schleicht dahin

Die Sekunden bleiben steh’n

Deine Gefühle ergeben kein’ Sinn

Können sie nicht einfach vergeh’n?

Suchst Schmerzen, die der Erinnerung dienen

Verlierst alles, doch verlangst nur nach dem einen

Bereust deine Fehler und sehnst dich nach ihnen

KAPITEL1

DIEGEDANKENINDEINEMKOPFVERSTEHSTDUNICHT

Die Ankunft im Broomstick-Internat verlief überraschend ruhig. In den Gängen war kaum ein Mensch zu sehen, und dass hier vor nicht einmal zwei Stunden Hunderte von Schülern aus den wieder mal viel zu kurzen Ferien zurück in ihre Zimmer gezogen waren, sah man nicht mehr.

Alexander stand im Gang des dritten Gebäudes und sah sich wartend um. Es war nicht das Haus seines Jahrgangs, sondern das eines Freundes, der ein Jahr älter war und deswegen hier lebte. Mit ihm verbrachte Alex die meiste freie Zeit. Nicht etwa, weil er schwul war, wie sich einige hier unablässig erzählten, sondern ganz einfach, weil dies ein reines Jungeninternat war. Hier hatte man keine Freundin, mit der man seine Freizeit verbrachte. Denn die hormonbedingten Schwankungen des Innenlebens – so sagte man zumindest hier – ließen der Erlernung von Magie kaum Chancen. Man konnte sie nicht kontrollieren, und bevor es jemand merkte, stand das gesamte Gebäude lichterloh in Flammen. Darum waren die meisten Magier-Schulen streng nach Mädchen und Jungen unterteilt. Anders hielt es das Internat, auf das Alex bis vor einem Jahr noch gegangen war. Lediglich die Kurse waren nach Geschlechtern gegliedert – das Wohngebäude aber gemischt. Umso schlimmer war für Alex der Rauswurf gewesen. Schließlich hatte er dort eine Freundin gehabt …

An das Leben ohne sie, Trish, hatte Alex sich erst nach Monaten gewöhnt. Es dauerte ewig, bis er wieder einigermaßen er selbst wurde. Sie dagegen hatte weniger Probleme damit gehabt: In den ersten Ferien, in denen Alex nach Hause gefahren war, hatte er feststellen müssen, dass er bereits durch einen anderen eingetauscht worden war. Es war nur schwer verdaulich gewesen, aber Alex hatte es irgendwie überlebt. Und so war es geblieben, denn für eine feste Beziehung brauchte Alex mehr Zeit. Er war vielleicht anders als andere Jungs in seinem Alter. Er konnte sich nicht vorstellen, eine reine Sexbeziehung zu führen. Für ein Mädchen brauchte man Zeit, fand Alex. Das führte dazu, dass Mädchen ihn als einfühlsam und sensibel bezeichneten … aber Kerle, die ihn nicht gut kannten, fanden ihn meist unmännlich.

Doch die meisten im Internat kannten Alex mehr oder weniger gut – so gut man einen „Neuen“ eben kennen konnte. Er war nicht unbeliebt. Vielleicht war das auch der Grund, warum er noch nicht durchgedreht war. Eingesperrt in einer Schule … Das überstand sicherlich nicht jeder ohne Schäden!

Alex lächelte nachdenklich. Ja, hier gab es tatsächlich einige, die ein oder zwei Schrauben locker hatten …

Das Lächeln auf seinen Lippen gefror binnen weniger Sekunden, als sein Blick über die Nummernschilder der Zimmer schweifte. Denn noch ein weiterer Schüler dieser Stufe, den er kannte, war hier in diesem Gebäude wohnhaft. Lange genug hatte Alex diese Tatsache verdrängt, aber jetzt, da die dicken Ziffern vor seiner Nase die Zimmernummer 317 bildeten, traf ihn die Realität umso härter.

Nervös schaute sich Alex im Flur um. Hoffentlich war er nicht in der Nähe. Hoffentlich würde er erst übermorgen zum offiziellen Schulbeginn anreisen. Und hoffentlich kam Tiwan, Alex’ Kumpel, gleich. Mit ihm hatte er sich an genau dieser ungünstigen Stelle verabredet – nach den Ferien hatten sie sich schließlich so einiges zu erzählen. Tiwans Eltern hatten sich erst vor Kurzem scheiden lassen, und es war das erste Mal für den Jungen, dass er seit dem nach Hause gefahren war.

Aber wo blieb er jetzt? – Unmöglich durfte Alex auf den Kerl treffen, der das Zimmer Nummer 317 bewohnte! Nicht nachdem …

Bitte nicht … Nicht nach diesem Abend!

Nur zu gut erinnerte sich Alex daran. Auch wenn die Erinnerungen dank der großzügigen Mengen an Alkohol erst nach und nach wiederkommen waren. Besser, sie wären gar nicht erst zurückgekehrt …

~ * ~

… Es war am Abend vor der Heimfahrt.

Anfangs war alles perfekt gewesen. Das zweite Halbjahr auf der neuen Schule war überstanden, und alle Schüler der älteren Stufen waren zur Feier des Tages ausgegangen. Eine ganze Disco stand zur Verfügung! Als Kind magiebegabter Eltern und auch, wenn man der Einzige in einer Familie war, der über besondere Begabungen verfügte, konnte man das Internatsleben manchmal wirklich genießen: Spaß kam nie zu kurz. Dafür sorgten die Einflüsse der Eltern, von denen die meisten ziemlich gut betucht waren, da kein Gesetz es verbot, seine ‚speziellen Fähigkeiten’ bei Geschäftsbeziehungen einzusetzen.

Außerdem hatte man hier Freunde, mit denen man einiges gemeinsam hatte. Niemand hielt den anderen für verrückt, wenn er behauptete, den Akku eines Handys durch bloße Berührung aufladen zu können. Denn alle hier hatten unterschiedliche Talente. Es gab keine magischen Sprüche oder Zauberstäbe, um Tricks zu erlernen, die in Büchern standen. Jeder konnte etwas anderes und lernte hauptsächlich, seine Fähigkeiten zu erkennen und einzusetzen.

Ein weiteres Halbjahr lag nun also hinter Alex. Seine Testergebnisse waren größtenteils hervorragend, was Grund genug war, ausgiebig zu feiern.

Ein Getränk nach dem anderen fand seinen Weg in Alex’ Hände. Eins nach dem anderen floss seine Kehle hinab und eins nach dem anderen trug dazu bei, dass sein Zustand ausgelassener und seine Koordination lückenhafter wurde.

Es war lange nach Mitternacht, als Alex merkte, wie wenig er eigentlich vertrug. In seinem Kopf drehte es sich bereits leicht, und seine Wahrnehmung versagte komplett. Denn trotz des Wissens, dass er bereits Alkohol für mindestens einen Monat intus hatte, erlaubte er sich ein weiteres Mal den Gang zum Tresen.

Als er dort angekommen war, um sein Getränk zu bestellen, musste er sich darauf konzentrieren, nicht umzukippen. Vielleicht war es doch schon zu viel des Guten gewesen …? Fast hätte der Rest an Einschätzungsvermögen ihm zugeflüstert, dass er schleunigst kehrt machen sollte, da hörte Alex jemanden zu seiner Linken eine Bestellung aufgeben.

„Sex on the beach“, kam es, und Alex entschied spontan, dass auch er sich einen genehmigen könnte. Nur einen.

Den Letzten.

Bestimmt!

So bestellte er seinen nächsten Drink, als eine Stimme hinter ihm ertönte: „Findest du nicht, dass das reicht? Du läufst nicht mal mehr, du taumelst!“

Diese Stimme kannte er … Doch war es ihm momentan völlig unmöglich, sie einzuordnen.

An einem unbesetzten Barhocker Halt suchend, wandte Alex sich um und sah keinen Geringeren als Kayen vor sich stehen.

Alex’ Blick schien zu zeigen, dass er nicht verstand und so trat Kayen etwas näher an ihn heran und sprach deutlich in sein Ohr: „Du wirst keinen einzigen Drink mehr vertragen, Kleiner.“

„Ich bin alt genug …“, entgegnete Alex entnervt, „Außerdem, warum sollte ausgerechnet dich das kümmern? Das ist doch die Chance, um …“

„Um was?“, unterbrach sein Gegenüber ihn belustigt, „Denkst du, ich würde deinen Zustand ausnutzen?“

Kayen grinste, als er die Worte aus Alex’ Mund hörte: „Natürlich würdest du. Du selbst hast gesagt, du würdest mich am liebsten …“

Ein weiteres Mal wurde er unterbrochen: „Werd erstmal nüchtern, Bambi.“

Mit diesen Worten und einem breiten Grinsen verschwand Kayen wieder im Getümmel.

So stehen gelassen zu werden, war wirklich beschämend. Er war sich noch nie so unsexy vorgekommen! Der Kerl wollte ihn doch! Wie konnte er es wagen, ihn so stehen zu lassen? Alex war derjenige, der ihn hätte abblitzen lassen müssen! So wie immer …

~ * ~

Oh ja, Alex erinnerte sich auch jetzt noch sehr genau an das Gefühl in der besagten Nacht, als er so am Tresen stand und dem rasierten Hinterkopf hinterher schaute.

Und wenn er ehrlich zu sich selbst war, musste er sich eingestehen, dass es nicht nur Wut war, die er gefühlt hatte.

Er war eingeschnappt gewesen.

Er hatte sich herausgefordert gefühlt.

Er …

Das war nur der Alkohol!, sagte Alex sich, lehnte seinen Rücken an die Wand des Flures und hoffte weiter auf ein Zeichen von Tiwan. Nur der Alkohol …

Tatsächlich hatte der Alkohol dazu beigetragen, dass noch etwas in dieser Nacht geschehen war. Doch gehandelt hatte Alex ganz allein.

Aber das gekonnte Verdrehen der Tatsachen schien Alex zu beherrschen. Denn natürlich war der Alkohol lediglich Grund dafür gewesen, dass er auf dem Klo gelandet war – nicht aber dafür, was er dort getan hatte. Doch wer sollte schon Alex’ gedanklichen Leugnungen widersprechen, wenn er selbst es nicht tat …?

~ * ~

Er stand vor dem großen Spiegel im Waschraum vor den Toiletten der Diskothek und stützte sich mit beiden Händen am Waschbeckenrand ab. In seinem Kopf drehte sich alles.

Seit nun etwa zehn Minuten verharrte er in dieser Position und wiederholte in Gedanken ein und denselben Satz …

Nicht kotzen. Nicht kotzen. NICHT kotzen.

Bis jetzt hatte er sich noch nicht übergeben müssen und das sollte den Rest der Nacht auch so bleiben!

Mehrmals in dieser Zeit schwang die Tür auf und zu, aber keiner der Toilettengänger schenkte ihm wirklich Aufmerksamkeit. War ja auch nichts Ungewohntes, wenn ein Feiernder zu viel getrunken hatte.

Doch nach einigen Minuten der Ruhe, der Ungestörtheit und der erfolgreichen Selbst-Hypnose, wagte es jemand, ihn anzusprechen.

„War es doch zu viel? Wolltest ja nicht auf mich hören …“

Der Wasserhahn zu Alex’ Linken wurde aufgedreht und braun gebrannte Hände wuschen sich.

Alex sah in den Spiegel hoch und schaute dem grinsenden Spiegelbild Kayens entgegen.

„Hast du gekotzt?“

„Ich musste nur pissen“, log Alex wütend – er war noch immer eingeschnappt wegen der … War es eine Abfuhr gewesen?

„Ins Waschbecken?“, fragte Kayen amüsiert weiter.

Alex warf ihm bloß einen eisigen, abwertenden Blick zu. Mehr verdiente dieser Kerl gar nicht.

„Verstehe, du kannst Elemente beeinflussen“, stellte Kayen fest, und mit einem Blick auf das eben noch laufende Wasser sah Alex, dass dieses nun ein spitzer Eiszacken über Kayens Händen war. „Nicht sehr gut bis jetzt, wie ich sehe, du hast dich überhaupt nicht unter Kontrolle …“, bemerkte Kayen und drehte den Hahn zu. „Liegt hoffentlich nicht an unserer Unterhaltung von vorhin … Hat sie dich aufgewühlt?“

Der Papiertuchspender befand sich an der Wand rechts von Alex, also musste Kayen von hinten um ihn herumgehen, um sich die Hände abzutrocknen. Alex hätte schwören können, dass der Kerl ihm beim Vorbeigehen auf den Hintern geschaut hatte!

„Soll ich dich vielleicht zurückfahren? – Nicht, dass du’s falsch verstehst; ich hab nicht vor dich flachzulegen, sondern …“

„Warum nicht?“, fiel Alex ihm ins Wort und stellte sich endlich aufrecht hin.

„Weil du besoffen bist und außerdem …“

„Dann hast du doch leichtes Spiel“, unterbrach Alex wieder. Kayen hatte in der Vergangenheit so oft herumerzählt, wie leicht es sein würde, ihn zu ficken. Dass er es jetzt nicht versuchte, sah Alex als Triumph an, den er nicht ausschweigen konnte.

„Du bist ja ganz scharf darauf, Bambi!“, lachte Kayen auf und versetzte ihm damit regelrecht einen Schlag ins Gesicht.

„DU bist hier derjenige, der … der MICH will“, wehrte sich Alex und trat direkt vor Kayen, „Du könntest mich doch auf der Stelle nehmen, sagst du immer. Und nun bist du doch unfähig.“ Seine Stimme war leise, aber deutlich. Er hauchte die Worte und trat dabei bis auf wenige Zentimeter vor den muskulösen Körper, der lässig an der Kachelwand lehnte. „Oder kneifst du aus Angst, uns könnte jemand erwischen und …“

„Glaubst du denn wirklich, mich würde es stören, wenn uns jemand sieht?“, fragte Kayen ebenso leise.

Nein, stören würde es diesen Typen sicherlich nicht. Das wusste Alex. Im Gegenteil: Er würde nur allzu gerne damit prahlen … Alex wäre eine Trophäe! Lang genug schon ging das Gerücht um, Kayen wolle ihn flachlegen. Dass er derjenige sein wolle, der beweisen würde, dass Alex sehr wohl auf Männer stand.Vielleicht hatte er sogar eine Wette am Laufen … Außerdem hatte Kayen es nötig – den Sex. Und Alex wusste, dass er gut aussah. Er wirkte zart, wenn auch nicht weiblich.

„Wieso vögelst du mich dann nicht? Gleich hier … Versuch’s doch, hm? Das hast du dir bestimmt schon tausend Mal vorgestellt, stimmt’s? Wie würdest du’s denn tun? Im Stehen? Im Liegen? Oder müsste ich vor dir knien?“

„Warum ist es für dich denn so selbstverständlich, dass ich hinten bin?“, grinste Kayen mit hochgezogener Augenbraue und verschlug ihm gekonnt die Sprache.

Warum war es denn so selbstverständlich …? Alex hatte nicht die geringste Ahnung und bekam das äußerst unangenehme Gefühl, dass seine Wangen erröteten.

„Na?“, stichelte der Ältere höchst zufrieden weiter, „Peinlich berührt?“

„Du bist ein totaler Feigling!“, zischte Alex, ohne die Stimme zu erheben, „Machst immer auf dicke Hose, aber kneifst, wenn’s brenzlig wird. War ja klar, dass du ’nen Rückzieher machst. Tönst immer nur herum, dass du mich durchficken willst, wenn die erstbeste Gelegenheit kommt, dabei …“

„Nun bin ich also der Feigling?“, lachte sein Gegenüber plötzlich auf, und ehe sich Alex versah, wurde er an den Hüften gepackt, herumgedreht und mit dem Rücken gegen die Wand gedrückt. Kayens Gesicht war sehr dicht an dem seinen, „Ich bin hier nicht derjenige, der sich erst betrinken muss, um sich mal etwas zu trauen, stimmt’s, Kleiner? Klar könnte ich dich jetzt auf der Stelle so – Wie sagtest du? – durchficken, bis du viele bunte Vögelchen und Sternchen über deinem hübschen Kopf kreisen siehst; aber ich will dich nicht. Jetzt schau bitte nicht so enttäuscht – ich will dich nur nicht in diesem Zustand.“

„Glaub ja nicht, dass das ’ne Anmache von mir war“, flüsterte Alex und war erleichtert, dass seine Stimme trotz des Kloßes in seinem Hals stark klang. – Er hatte ganz sicher nicht enttäuscht geschaut! Was für eine lächerliche Behauptung!

„War es denn keine?“

„Ganz sicher nicht!“

„Na, dann bist du bestimmt auch nicht beleidigt, wenn ich jetzt gehe?“, fragte Kayen mit angehobener Augenbraue und musterte ihn so genau, dass es Alex sehr unangenehm war. – Was dachte er, würde er in seinem Gesicht erkennen können?

„Bestimmt nicht …“, erwiderte Alex und musste feststellen, dass seine Stimme nun nicht mehr so fest wie zuvor schien.

„Gut“, sagte Kayen, und erst als seine Hände von Alex’ Hüften abließen, bemerkte der, dass sie überhaupt dort gelegen hatten, „Ich will ja nicht, dass du bei unserem nächsten Treffen wütend auf mich bist oder dich für irgendwas schämst …“ – Er lächelte nachdenklich. – „Obwohl … Das wird wohl kaum vermeidbar sein, oder? Ich meine, wenn du dich im Nachhinein noch an das erinnern kannst, was du heute so alles losgeworden bist … Wenn du erst nüchtern bist, dann könnte das für dich ein wenig unangenehm werden, fürchte ich. Obwohl es das nicht sein muss. Ich werde es dir nicht unnötig schwer machen und dir diese kleine Szene ständig unter die Nase reiben. Und ganz bestimmt bin ich auch weiterhin unvoreingenommen dir gegenüber. – Vielleicht wird es ja auch ganz einfach? Immerhin war es ja nur der Alkohol, der aus dir sprach, richtig?“

Da Alex es nicht zustande brachte, etwas zu sagen, das ihm schlagfertig genug erschien, um Kayen den Sarkasmus auszutreiben, verließ der ohne weitere Worte den Raum.

Wieder ließ er Alex einfach stehen, und ein seltsames Gefühl der Zurückweisung machte sich in ihm breit … Nur das leise Tropfen des schmelzenden Eiszapfens erfüllte den Raum.

~ * ~

… Doch heute war sich der nüchterne Alex sicher, dass auch das Gefühl der Zurückweisung nichts weiter gewesen war als der Alkohol. Überhaupt: Sein ganzes Handeln und Reden an diesem schrecklichen Abend hatte er einzig und allein den unzähligen hochprozentigen Getränken zu verdanken!

Wenn er dem Kerl nur lange genug aus dem Weg gehen könnte, würde vielleicht Gras über die Sache wachsen?

Aber da war eine Kleinigkeit, die seinen genialen Plan zum Wanken brachte: Den Flur entlang und direkt auf ihn zu kam er – Kayen. Das Lächeln auf seinen Lippen war nur schwer zu übersehen.

Scheiße, scheiße, scheiße!, dachte Alex mit wild pochendem Herzen und überlegte sich, einfach zu gehen. Doch es war längst zu spät …

„Hi“, wurde ihm bereits auf halbem Weg entgegen gerufen.

„Hey …“, machte Alex, als Kayen näher gekommen war.

„Wartest du etwa auf mich?“, fragte der und klang dabei überraschend normal – weder sarkastisch, noch vergnügt oder hämisch.

„Ich … Nein. Ich bin hier verabredet“, erklärte Alex, bemüht, ebenso ruhig zu klingen.

„Ach so … Ich dachte nur, weil du hier vor meinem Zimmer stehst …“

„Ich bin hier verabredet …“, wiederholte er und hätte sich dafür am liebsten selbst geohrfeigt.

Zu seiner Erleichterung ertönte der Klingelton seines Handys und Alex ging so schnell ran, als könnte ihn das aus dieser Situation retten.

Doch leider stellte sich der eingegangene Anruf nicht als nützlich heraus – das Gegenteil war der Fall. Nicht nur, dass Kayen anscheinend keinen Gedanken daran verschwendete, wegzugehen; vor allem aber, weil Alex selbst derjenige war, der ihm den Ball zuspielte, indem er zum Abschied sagte: „Stau? In Ordnung, klar. Dann bis später …“

Er legte auf und bemerkte das Missgeschick, als sein Gegenüber fragte: „Da deine Verabredung ja jetzt abgesagt hat, kannst du kurz mit rein kommen?“

Wo blieb der Sarkasmus? War das die bekannte Ruhe vor dem Sturm?

„Äh …“ – Nicht einmal eine Anhäufung verschiedenster Kraftausdrücke hätte beschreiben können, was er davon hielt. Alex konnte sich momentan wirklich nichts Schlimmeres vorstellen als ausgerechnet Zeit mit ihm zu verbringen! – „Ich … Ich kann nicht. Keine Zeit.“ Warum sagte er nicht einfach, dass er wirklich alles lieber täte, als mit Mister Arschloch höchstpersönlich abzuhängen? Sie hassten einander von Anfang an, und nun wagte Alex es doch nicht, so offensichtlich zu kneifen. Er war nie der Typ für Rückzieher gewesen – auch dann nicht, wenn es besser für ihn war.

„So’n Quatsch!“, lachte Kayen auf, „Du warst gerade verabredet, und da das ausgefallen ist, kannst du mich doch einfach dazwischen schieben.“

Alex war sich sicher, dass der Kerl ganz genau wusste, wie gering Alex’ Chancen waren, sich auf die Schnelle eine halbwegs glaubwürdige Ausrede einfallen zu lassen. Das war so augenscheinlich – allein schon, wie der jetzt grinste!

„Ich … – Wenn, dann echt nicht lange …“, gab er kleinlaut nach und sah die Peinlichkeiten schon auf sich zukommen. Aber wenn er jetzt kniff, würde das bedeuten, dass er sich für den besagten Abend schämte … Und das wiederum wäre ein unterschriebenes Schuldbekenntnis, das nahezu schrie: Ich gestehe, dass du mit allem recht hattest, daher gehe ich dir aus dem Weg, anstatt locker zu bleiben! Unmöglich konnte Alex das zulassen.

„Na, geht doch!“, meinte Kayen zufrieden und öffnete die Tür zu seinem Zimmer, „Kommst du jetzt oder bleibst du hier stehen?“

„Ja, ja … klar …“ Alex war nicht so ganz in der Gegenwart unterwegs, wie es die Situation eigentlich verlangte. Er legte sich bereits eine Erklärung für sein kürzliches Benehmen zurecht. Aber selbst die beste Planung hätte ihm bei Kayens direkter Art nichts gebracht. Denn kaum hatte der die Zimmertür hinter ihnen zufallen lassen, sagte er auch schon: „Scheint, als könntest du dich doch noch an unsere letzte Begegnung erinnern. Das hielt ich für kaum möglich – so besoffen, wie du warst!“

Da war er auch schon: der Sturm.

Alex kreuzte die Arme vor seinem Bauch, als wolle er sich selbst umarmen. Er fühlte sich sehr unbehaglich. Der jetzige Moment war an Unbehagen kaum zu übertreffen.

„Ähm, hör mal …“, begann er leise und schaute unruhig im Raum umher, während Kayen sich vor ihn stellte, um besser zuhören zu können. „Ich … Das war …“

„… der Alkohol?“, ergänzte der Ältere mit gehobener Augenbraue, „Klar doch.“

„Genau so war es aber“, trotzte Alex.

„Wie weit hätte der Alkohol dich denn noch getrieben? Wie weit wärst du gegangen?“

Alex traute seinen Ohren nicht. Der Kerl glaubte doch wohl nicht im Ernst, dass …

„Hör mal, ich …“ Er bekam nicht einmal die Gelegenheit auszusprechen – nicht dass er gewusst hätte, was er sagen wollte –, denn Kayen meinte: „Irgendwie traurig, dass du dir den Mut erst antrinken musst … Findest du nicht?“

„Was? Nein, ich …“

„Willst du mir wirklich weismachen, der Alkohol hätte dich zu etwas getrieben, das du nicht insgeheim wolltest?“, fuhr er unverfroren fort und machte einen Schritt auf ihn zu, „Er hat dich bloß ein wenig lockerer gemacht. Und das weißt du.“

„Ich war wütend, mehr nicht!“, verteidigte sich Alex, merkte aber im nächsten Moment, wie unklug das war.

„Wütend? Weil ich die Situation auf dem Klo nicht genutzt habe?“

„Nein, ich meinte …“

„… oder weil ich dich an der Theke habe stehen lassen?“

„Das ist doch lächerlich!“, brach es aus Alex heraus, und er drehte sich zur Tür. So viel zum Thema Rückzieher. Doch kaum hatte er die Hand am Türgriff, lagen auch schon Kayens Finger auf ihr.

„Jetzt reg dich mal nicht so künstlich auf“, sagte Kayen fast im Flüsterton. Er stand direkt hinter Alex. „Kaum gehen deine Ausreden aus, willst du die Flucht ergreifen. Wie wäre es zur Abwechslung mal mit der Wahrheit, hm, Kleiner?“

„Die Wahrheit?“, wiederholte Alex und riss seine Hand von der Türklinke, um sich Kayen zuzuwenden und ihm die Meinung zu sagen. Dass der nun aber kaum zehn Zentimeter vor ihm stand, hatte er dabei nicht bedacht. Er sammelte sich nach dieser Erkenntnis erst ein wenig und fuhr dann giftig fort: „Die Wahrheit ist, dass ich dich absolut nicht ausstehen kann. Du widerst mich an. Du bist total krank. Redest in der Öffentlichkeit darüber, wann du mich klarmachen kannst und denkst, ich wäre so dumm, dass ich bei deinen billigen Anmachen dahin schmelzen würde.“

Alex knirschte fast mit den Zähnen vor Wut. Doch war es blanke Fassungslosigkeit, die ihn anschließend überkam. Denn sein Gegenüber belächelte ihn bloß.

„Ich setze eigentlich nicht darauf, dass du dumm bist. Das bist du nicht. – Aber du lässt dich immer von Gefühlen leiten. Das weiß jeder. Und darauf setze ich.“

„Auf meinen Brechreiz?“, konterte Alex.

„Nicht doch“, entgegnete Kayen süßlich, „Auf deine hingebungsvolle Art. Darauf, dass du gerne mal die Führung abgeben und dich fallen lassen würdest.“

„Ach“, höhnte Alex, „Dir die Führung überlassen?“

„Schön, dass du mir folgen kannst. Gib es doch einfach zu: Die Vorstellung allein, was ich mit dir anstellen könnte, macht dich schon geil. Der Gedanke daran, dass ich dich überall berühre und küsse und an deinem Schwanz lutsche …“

„Du bist doch total geisteskrank!“, fauchte Alex empört über die Worte und das seltsame Stechen in seinem Magen, das er gar nicht erst einem Gefühl zuordnen wollte. Er wollte sich erneut zum Gehen umdrehen, wurde aber daran gehindert – Kayen hielt ihn an den Handgelenken gegen die Tür gedrückt.

Wehren war sinnlos. Kayens Statur war um einiges kräftiger als die von Alex. Er war viel muskulöser. Und selbst wenn Alex’ magische Kräfte denen des anderen überlegen gewesen wären – denn Kayens Fähigkeiten kannte Alex nicht –, durfte der Junge diese nicht einsetzen. Wo es für unmagische Raufereien schon ein Gespräch bei der Schulleitung gab, drohte für den Einsatz von böswilliger Zauberei an Mitschülern der Schulverweis. Schon ein Mal hatte Alex das erleben müssen.

„Gib’s zu, Kleiner. Du würdest es zulassen, wenn du dir sicher wärst, dass es niemand erfährt. Du bist einfach nur ein wenig verklemmt, aber da kann ich dir helfen.“

„Du kannst mich mal …“

„Was? Am Arsch lecken?“ – Er grinste. –  „Das ließe sich einrichten.“

Alex’ Arme wurden losgelassen, und er rieb sich die Handgelenke, auf die er nun konzentriert starrte; nicht etwa, weil Kayen so fest zugepackt hatte, sondern vielmehr um überhaupt etwas zu machen und überhaupt irgendwo hinschauen zu können. Er schreckte jedoch zusammen, als er eine Hand an seinem Hintern spürte.

„Lass das gefälligst!“

„Ich mache dir einen Vorschlag …“, wisperte Kayen und trat so nahe an ihn heran, dass Alex seinen Atem an den Lippen spüren konnte, „Du gehst jetzt ein wenig spazieren und denkst darüber nach. Und wenn dir dann an der frischen Luft klar wird, dass ich recht habe und du mich willst … dann kommst du wieder hierher. Okay?“

„Bevor ich wieder hierher komme“, flüsterte Alex möglichst ruhig, „springe ich vom Dach des nächsten Gebäudes.“

Mit diesen Worten stieß er Kayen ein Stück weit von sich und verließ das Zimmer.

„Ich lass die Tür offen und warte auf dich!“, rief der ihm noch hinterher.

Alex machte sich geradewegs auf den Weg nach draußen in den kleinen Park der Schule. Nicht, weil Kayen ihm das vorgeschlagen hatte, sondern weil er wirklich an die frische Luft musste. Jetzt.

Warum war er überhaupt mit diesem Idioten ins Zimmer gegangen? Klar, eine Ausrede hätte er nicht gehabt, nachdem Kayen sein Telefonat mitgehört hatte, und er hatte auch nicht klein beigeben wollen. Aber er hätte dennoch einfach gehen sollen …

Draußen war es sehr windig. Es würde sicherlich bald gewittern – nahe dem Horizont waren bereits dunkle Wolken zu sehen. Ein kräftiges Sommergewitter war längst überfällig. Seit Tagen drückte die Hitze. Und Alex wartete sehnlich auf die Abkühlung. Denn obwohl er Wasser zum Gefrieren bringen und kleine Luftwirbel erzeugen konnte, war er nicht sein eigener Ventilator. Selbst wenn er bereits genug Kontrolle über seine Kräfte hätte – was jedoch nicht der Fall war –, hätte Alex seine Umgebung nicht permanent abkühlen können. So viel Selbstdisziplin und Magie besaß man in seinem Alter noch nicht, denn zusammen mit dem Körper musste sich auch der Geist und somit seine Fähigkeit erst vollständig entwickeln.

… Wenn er gegangen wäre, hätte er wieder als Feigling dagestanden. Aber warum kümmerte Alex das? Waren es doch nur eine Handvoll Leute, die Kayens Meinung teilten und Alex für ein Weichei hielten. Und fast die Hälfte dieser Leute waren Kayens Freunde, die somit nicht zählten ...

Mit schnellen Schritten ging er zu den Tischtennisplatten. Dort war um diese Uhrzeit nichts los. Kochend vor Wut setzte Alex sich auf eine der grünen Spielflächen. Er wünschte, er wäre zumindest auf diesen Spinner mit dem geschorenen Kopf wütend, aber das war es nicht, was ihn zum Beben brachte. Was ihn fast schon mit den Zähnen knirschen ließ, war er selbst. Er und das, was da vorhin in dem Zimmer geschehen war. Er konnte nicht genau sagen, was es gewesen war … Aber normal war es auf jeden Fall nicht … Denn was war schon Normales an der Tatsache, dass Alex diese dämlichen und obendrein kranken Sprüche auf irgendeine Art trafen. Ihn tief berührten? In Bauchnähe tief. Oder noch ein wenig tiefer.

Alex hatte zwar keinen Steifen bekommen. Selbstverständlich nicht! Aber er war doch erregt gewesen. Die Vorstellung, von Kayen berührt zu werden, war … diese Vorstellung war …

Verdammt!, fluchte er lautlos. Das war doch gar nicht möglich. Das konnte nicht sein. Er war nicht schwul. Und selbst wenn er es wäre, würde er einen besseren Geschmack beweisen! Er konnte Kayen nicht leiden. Das war keine Einbildung. Er konnte ihn nicht ausstehen! Allein schon, wie er ihn ständig Kleiner nannte, brachte das Fass zum Überlaufen; er tat dies nur, um Alex zu erniedrigen. Um ihm zu zeigen, wie unglaublich lachhaft er ihn fand! Das wusste Alex genau. Und doch … Sein momentan völlig unterfordertes Sexualleben fragte sich insgeheim, wie es wäre, von ihm verführt zu werden. Kayen war erfahrener als er … Wie es wohl wäre, sich ihm voll und ganz hinzugeben …?

Ein unangenehmer kleiner elektrischer Schlag zwischen seinen Fingerspitzen und der Tischtennisplatte ließ Alex zusammenzucken. Er sollte sich dringend einen Porno ansehen. Erst spielten ihm seine Gedanken einen gemeinen und vor allem widerwärtigen Streich, und nun sendete er auch noch Stromschläge aus! Und das bloß wegen dieses einen Abends. Ganz bestimmt. Eine andere logische Erklärung gab es gar nicht: Kayens Zurückweisung hatte irgendetwas in Alex bewirkt. Er wusste nicht was, aber Kayen hatte es genau so geplant.

Erneut meldete sich Alex’ Handy und riss ihn damit aus seinen Gedanken. Tiwan war am anderen Ende der Leitung.

„Hey, wo bleibst du?“

„Ich werde es heute nicht mehr schaffen“, kam es erschöpft zurück, „Ich habe mir gerade ein Hotelzimmer genommen. Gegen morgen Mittag werde ich aber da sein. Ich finde diese klassischen Tricks in Zauberfilmen viel besser als die im echten Leben. Warum können wir nicht auf Besen fliegen? Schließlich heißt sogar die Schule so ...“

„A-ha“, meinte Alex. Er hörte und verstand, was Tiwan da sagte, konnte sich aber nicht konzentrieren. Zu sehr beschäftigten ihn momentan seine eigenen Probleme. Große Probleme.

„Ist alles in Ordnung? Du klingst so abwesend.“

Nichts ist in Ordnung! „Klar. Alles bestens!“

„Okay, dann bis … – Was ist das für ein Lärm?“

Lärm? Jetzt hörte Alex es auch. Er drehte sich nach links und rechts und sah, wie Kayen zusammen mit ein paar seiner Kumpels das Basketballfeld betrat. Er warf den Ball in die Luft – wo dieser dann auch blieb, ohne dass ihn jemand berührte. Kayen führte ihn mit bloßer Willenskraft, erkannte Alex nun, befahl ihn lässig an seinen Gegenspielern vorbei und warf einen geschickten Korb – nicht, dass es Alex interessierte! Allerdings interessierte es ihn, warum die Gruppe so laut war; sie lachten und grölten.

Hat das Arschloch denen etwa schon von vorhin erzählt?, überlegte er und legte auf, ohne daran zu denken, dass Tiwan noch am Apparat war. Alex beobachtete die kleine Menschentraube einige Sekunden lang und entschied sich gerade zum Gehen, als Kayen ihn bemerkte:

„Hey!“, rief er und kam mit dem Basketball auf ihn zu. Als er sich Alex bis auf wenige Meter genähert hatte, warf er ihm diesen auf konventionelle Art zu. Alex fing den Ball und drehte ihn in seinen Händen. Was wollte der Kerl?

„Spielst du mit?“, fragte Kayen und war nun so nahe gekommen, dass er zwischen Alex’ gespreizten Beinen stand. Näher war kaum noch möglich.

„Nein“, lehnte er kurzerhand ab.

Sein Gegenüber hob eine Augenbraue. „Ein wenig mehr Sport würde dir sicherlich gut tun …“ Er fuhr mit seinem Zeigefinger Alex’ Oberschenkel hinauf.

„Verschwinde!“, zischte der und stieß die Hand weg, die bereits gefährlich weit hoch gewandert war.

„Warum so zickig?“, wollte Kayen grinsend wissen. Er sprach so, dass nur sie beide es hörten, „Hast du deine Tage?“

Alex bebte vor Wut. „Hör mal“, begann er aufgebracht, wurde aber von einem der lachenden Kerle unterbrochen, der Kayen zurief: „Lass die Pussy in Ruhe und komm her!“

Das reichte! Alex’ Fingerspitzen prickelten vor Wut, und er war drauf und dran vom Tischtennistisch zu springen und unkluge Dinge zu tun, als Kayen ihn bestimmend am Becken zurückdrängte und flüsterte: „Das solltest du lassen, Kleiner. Dir zuliebe. Mach dir einfach nichts aus denen.“ Er nahm den Ball aus Alex’ Händen und fügte noch hinzu: „Bis später. Ich warte heute auf dich.“ Mit diesen Worten und einem Augenzwinkern wandte er sich von dem Jüngeren ab und ging zurück auf das Spielfeld.

Er sollte sich nichts aus denen machen?

Kayen wartete heute auf ihn?

Für wen um alles in der Welt hielt der sich? Alex sah ihm noch einen Augenblick nach, bis er bei seinen Kumpels angekommen war. Am Liebsten wäre Alex ihm sofort hinterhergelaufen; er konnte sich kaum beherrschen, hätte jetzt alles dafür gegeben, zu Kayen und seinen Anhängern zu gehen und ihnen gehörig einheizen. Was hätte er ihnen alles gerne sagen wollen! Was hätte er mit ihnen alles anstellen wollen; ihre Kleidung in Brand zu setzen und sie dann flehen lassen, das Feuer zu löschen, wäre eine Genugtuung für Alex gewesen. Jedenfalls bis zu seinem erneuten Schulverweis … – Aber Kayen hatte recht, so schwer es Alex auch fiel, das zuzugeben. Ohne den Einsatz von Magie hatte er gegen diese Verrückten keine Chance.

Doch gehen konnte er jetzt auch nicht – jedenfalls noch nicht. Das würde den Eindruck erwecken, er wolle flüchten. Wieder mal. Und das wäre nicht einmal ein falscher Eindruck gewesen, doch klein bei- und dies zugeben würde er keinesfalls. Also zählte Alex regelrecht die Sekunden. Nur noch einen Augenblick, dann würde er gehen können … Den Blick übertrieben konzentriert in die Ferne gerichtet, wartete er, bis das Basketballspiel wieder in die Gänge gekommen war. Sobald die Kerle ihn und seine Anwesenheit erst einmal vergessen hatten, konnte er verschwinden, ohne Aufmerksamkeit und dumme Sprüche auf sich zu lenken.

Apropos Sprüche: War da nicht eben sein Name gefallen? Ohne den Blick von einer weit entfernt stehenden Eiche zu wenden, lauschte Alex konzentriert. Erst vernahm er nur Wortfetzen, doch schon einen Moment später konnte er verstehen, worüber die Spieler sprachen:

„Das sieht man dem doch an!“, sagte der eine, dessen Namen Alex nicht kannte. Soweit er wusste, gehörte er nicht einmal zu Kayens Clique.

„Er steht auf Schwänze, ganz klar!“, meinte der andere, der Belizar hieß.

„Seht ihn euch doch nur an!“, lachte wieder der Erste und hielt inne. Alex spürte Blicke auf sich ruhen. – Die Rede war von ihm. Zweifelsohne.

Er schloss die Augen, presste sie fest zusammen. Was er jetzt fühlte, brachte ihn vollkommen durcheinander: Alex war tatsächlich getroffen. Zwar hatte er sich schon Hunderte dieser Sprüche und Gerüchte anhören müssen, doch dieses Mal hatte es ihn wirklich verletzt. Wieso, konnte er selbst sich nicht erklären. Es kränkte ihn einfach.

Mit wild pochendem Herzen und starkem Druck in der Magengrube glitt Alex von der Tischplatte und ging mit großen Schritten in Richtung Eingang. Es kümmerte ihn plötzlich kein bisschen mehr, dass die anderen es mitbekamen. Er wollte bloß weg hier.

In der Eingangshalle des Internats angekommen, lehnte sich der Junge erst einmal an eine der Säulen, die überall emporragten und die Decke stützten. Er nahm einige tiefe Atemzüge und schimpfte innerlich mit sich selbst. Normalerweise interessierte es ihn doch längst nicht mehr, was andere über ihn dachten und redeten. Selbst als Kayen ein Mal vor der ganzen Cafeteria gemeint hatte, er würde Alex irgendwann schon noch outen, hatte es ihn kalt gelassen. Alex fand das stets lächerlich, nicht aber verletzend. Wahrscheinlich, weil er genau wusste, dass es Schwachsinn war. Aber was war dann jetzt mit ihm los? Alex war sich seiner selbst doch nicht weniger sicher, bloß weil er vorhin Bilder im Kopf gehabt hatte, die ihn und Kayen zeigten …

Eine Stimme riss Alex aus seinem im Kopf laufenden Frage- und Antwortspiel. Zwei Schüler betraten redend die Halle.