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Liam würde Jaz mit seinem Leben beschützen. Aber was, wenn ihre größte Bedrohung Liam selbst ist? Als Kind konnte Liam Rowen seine Familie nicht beschützen. Heute leitet der ehemalige SEAL eine hochkarätige Sicherheitsfirma. Als eine extremistische Gruppe die kleine Schwester seines besten Freundes, Jaz, bedroht, ist Liam bereit, alle Register zu ziehen, um sie zu beschützen. Ob Jaz damit nun einverstanden ist oder nicht. Die wettkampforientierte Bergsteigerin Jaz Keasely ist kontaktfreudig und sehr unabhängig. Aber insgeheim ist sie auch pleite. Ihre einzige Chance, ihr Leben in den Griff zu bekommen, besteht darin, den Clash of the Titans zu gewinnen – einen karriereentscheidenden Wettbewerb. Jaz braucht keinen Leibwächter, sie will, dass der dominante und überfürsorgliche Liam zur Hölle fährt. Egal, wie umwerfend er ist. Die Situation ändert sich, als Jaz durch eine Reihe von Unfälle erkennt, dass sie Liams Hilfe braucht, um zu überleben. Doch der Schutz von Jaz’ Leben ist plötzlich nur noch ein Teil von Liams Kampf – denn je mehr Zeit er mit ihr verbringt, desto stärker wird ihm klar, dass Jaz’ größte Gefahr darin bestehen könnte, ihm zu nahe zu kommen. ★★★★★ Die Amazon-Top-100-Autorin Alex Lidell liefert einen in sich abgeschlossenen Enemy-to-Lovers-Liebesroman mit einer cleveren Heldin, einem starken Navy SEAL und einer herzzerreißenden PTBS, die nur die Liebe heilen kann. „Feindlicher Griff“ ist das vierte Buch der „Trident-Rescue“-Reihe, die die Geschichte einer Gruppe von Navy SEALs erzählt, die nach Denton Valley, Colorado, zurückkehren und dort ein Such- und Rettungsteam namens „Trident Rescue“ gründen. Hier lesen Sie über ehemalige Militärhelden, Intimität und persönliche Traumata, die sie bewältigen müssen, um ihr Happy End zu finden.
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Veröffentlichungsjahr: 2025
TRIDENT RESCUE
Copyright © 2023 by Alex Lidell
Alle Rechte vorbehalten. Abgesehen von den im U. S. Copyright Act von 1976 vorgesehenen Ausnahmen darf diese Publikation weder als Ganzes noch in Auszügen in irgendeiner Form oder auf irgendeine Weise ohne vorherige schriftliche Genehmigung des Herausgebers vervielfältig, verbreitet, übertragen oder in einer Datenbank oder einem System zur Informationsrückgewinnung (Retrieval-System) gespeichert werden.
Bearbeitet von Linda Ingmanson
Aus dem Englischen von Sophie Hartmann
Lektoriert von Jenny Cravens
Umschlaggestaltung: Deranged Doctor Design
Dieses Buch ist ein fiktives Werk. Namen, Personen, Organisationen, Orte, Ereignisse und Begebenheiten entstammen der Fantasie der Autorin oder werden fiktiv verwendet. Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen lebenden oder verstorbenen Personen oder tatsächlichen Ereignissen ist rein zufällig.
Kein Teil dieses Werkes darf ohne schriftliche Genehmigung des Herausgebers in irgendeiner Form oder auf irgendeine Weise vervielfältigt oder in einem System zur Informationsrückgewinnung (Retrieval-System) gespeichert werden, sei es elektronisch, mechanisch, durch Fotokopie, Aufzeichnung oder auf andere Weise.
Alex Lidell
Massachusetts, United States of America
www.alexlidell.com
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1. Jaz
2. Liam
3. Jaz
4. Liam
5. Jaz
6. Liam
7. Jaz
8. Liam
9. Jaz
10. Jaz
11. Liam
12. Jaz
13. Jaz
14. Liam
15. Jaz
16. Jaz
17. Liam
18. Jaz
19. Liam
20. Jaz
21. Liam
22. Jaz
23. Jaz
24. Roman
25. Jaz
26. Liam
27. Liam
28. Jaz
29. Liam
30. Jaz
31. Liam
32. Jaz
33. Liam
34. Jaz
35. Liam
36. Jaz
37. Liam
38. Jaz
39. Liam
40. Liam
41. Jaz
42. Aiden
43. Jaz
44. Liam
45. Jaz
Epilog – Liam
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Über den Autor
„Wie groß sind die Sorgen, die ich mir machen sollte?“, fragte Kyan, an Liam gewandt, als sie sich an ihrem Stammplatz im hinteren Bereich im North Vault niederließen. Um sie herum mischten sich die Aromen von frisch aufgeschnittenen Zitrusfrüchten mit denen von Rum, Tequila und anderen Spirituosen. Mit seiner dezenten indirekten Beleuchtung und der blau-auf-blauen Farbgebung schaffte es das Vault, gleichzeitig edel und sexy zu wirken. Liam hatte jeden Teil des Clubs so gestaltet, dass er den Eindruck einer Welt in einer anderen erweckte. Ein Zufluchtsort für Menschen, die ihn brauchten. Die Getränke waren von hoher Qualität, das Soundsystem das beste, was Denton Valley zu bieten hatte, und die Sitzecken waren geräumig und privat.
„Was den Drohbrief angeht? Ich würde es zu diesem Zeitpunkt als ein Szenario mit geringem Risiko und hoher Auswirkung bezeichnen. Aber Jaz hat ein unglaubliches Jahr hinter sich. Sie hat eine ziemlich öffentliche Aufmerksamkeit erreicht und sie ist lautstark. Verdammt, Vector Ascent hat gerade Plakate aufgehängt, auf denen sie die neueste Ausrüstung vorführt.“ Das an der örtlichen Autobahn ließ Liams Körper jedes Mal verkrampfen, wenn er daran vorbeifuhr. „Sie unterschätzt die Menge an unerwünschter Aufmerksamkeit, die ein solcher Bekanntheitsgrad mit sich bringt. Wer auch immer diese Nachricht verfasst hat, wird vielleicht nicht kommen, aber betrunkene Idioten werden es sicher tun.“
Liam ließ die Tatsache aus, dass Jaz Keasley trotz ihrer sportlichen Fähigkeiten relativ klein war. Sie konnte sich vielleicht auf einem Berghang behaupten, aber in einer Gasse mit ein paar Betrunkenen in die Enge getrieben zu werden, war eine ganz andere Sache. Liam hatte oft genug gesehen, was große Gegner mit einer kleineren Beute anstellen konnten, sodass es sich in sein Gedächtnis eingebrannt hatte. Obwohl er versuchte, bei der ganzen Sache mit Jaz kühl und rational zu bleiben, war er von Natur aus beschützend, wenn es um Frauen ging. Besonders, wenn es um die jüngere Schwester seines besten Freundes ging.
Die jüngere Schwester, die sich irgendwie von einer dürren Nervensäge in eine elegante, auffallend schöne Frau mit großen dunklen Augen, sonnengebräunter Haut und dem verschmitzten Blick eines Kobolds verwandelt hatte, die alle Blicke auf sich zog. Eigenwillig, zierlich und rücksichtslos – Jaz war ganz und gar nicht Liams Typ. Außerdem hasste sie Liam abgrundtief. Das alles machte die Tendenz seines Schwanzes, in Jaz’ Gegenwart zum Leben zu erwachen, absolut ärgerlich. Nicht, dass Kyan das jemals erfahren musste.
„Warum hat sie nicht selbst den Vertrag übernommen?“, fragte Liam, schärfer als er beabsichtigt hatte. Er war sicher gewesen, dass sie es tun würde. Logisch gesehen war es ihre beste Option gewesen. Das Sicherheitsteam anzuheuern und ihnen dann sofort zu befehlen, sich zum Teufel zu scheren. Das hätten sie zwar nicht getan, aber Liam war darauf vorbereitet, sich um dieses Problem zu kümmern, sobald seine Leute vor Ort waren.
Jaz hatte sie einfach stehen lassen.
„Jaz ist ehrgeizig.“ Kyan dehnte seine breite Schultern, um sie zu lockern. „Vielleicht fühlte es sich für sie wie eine Niederlage an.“
Na toll. Mehr Stolz als Verstand. „Ich werde bis heute Abend ein Team zusammenstellen, aber ich werde deinen Eltern keine Rechnung schicken. Oder Jaz, falls sie jemals zur Vernunft kommt.“
„Glaub mir, unsere Familie kann es sich leisten.“ Im Gegensatz zu Liam, der in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen war, hatte Kyans Familie immer Geld gehabt.
„Das kann ich auch.“
„Ich weiß, aber für etwas zu bezahlen, gibt einem das Gefühl von Kontrolle. Das ist sehr viel wichtiger als ein paar tausend Dollar.“ Kyans angespanntes Gesicht verriet, dass er es todernst meinte. „Ich würde es als persönlichen Gefallen betrachten, wenn du ihnen etwas in Rechnung stellen würdest.“
Liam verstand das Bedürfnis nach Kontrolle, obwohl er es immer noch hasste, Geld von der Familie seines besten Freundes anzunehmen. Wenn die ganze Sache vorbei war, würde er alles, was sie ihm zahlten, an Girls Aflame spenden.
„Eingang, fünf Uhr.“ Kyan machte fast unmerklich eine Bewegung hinter Liam.
In der Spiegelung des Fensters sah Liam eine große blonde Frau mit langen Beinen, einer üppigen Oberweite und einer Ausstrahlung, die auf einen Laufsteg passen würde. Obwohl er das Gesicht der Frau nicht richtig erkennen konnte, hatte er eine gute Vorstellung davon, wer es wahrscheinlich war – obwohl er hoffte, dass er sich irrte.
„Liam“, rief Sandys melodische Stimme. So viel dazu, sich zu irren.
Kyan zog eine Augenbraue hoch, als wollte er sagen: „Ich habe es vorausgesagt, nicht wahr?“ Zu Kyans Ehrenrettung sei gesagt, dass Sandy genau Liams Typ war – groß genug, dass sie ihm fast in die Augen sehen konnte, umwerfend schön und auf die perfekte Weise großzügig unterwürfig.
Kyan legte eine Handfläche auf den Tisch und signalisierte damit seine Absicht, Liam seinem Gast zu überlassen.
Liam ließ seine Finger über die Tischkante gleiten, um Kyan zu bitten, sitzen zu bleiben. So toll alles an Sandy auch war, Liam konnte sich einfach nicht dazu durchringen, sich für sie zu interessieren. Er lächelte und stand auf, um Sandy auf die Wange zu küssen. „Guten Abend, Sandy. Kann ich dir einen Drink anbieten?“
Sandys Lächeln verblasste. Sie kannte Liam gut genug, um zu wissen, dass er ihr niemals Alkohol anbieten würde, wenn an diesem Abend irgendwelche intime Spielchen laufen sollten. Das war eine feste Regel, von der er nie abwich.
„Dieses Wochenende findet ein Treffen bei Gordon statt“, sagte sie und wechselte eindeutig die Taktik. „Man hat dich vermisst.“
Gordon wohnte am Rande von Denton Valley und veranstaltete etwa einmal im Monat Kinky-Partys. Liam hatte vor sechs Monaten aufgehört, hinzugehen, ein paar Monate nachdem er aufgehört hatte, seine eigenen Partys an besonderen Abenden im North Vault zu veranstalten. Er war es leid, zu spielen – was ihn mehr als alle anderen frustrierte. Doch aus irgendeinem gottverdammten Grund erweckten wunderschöne Frauen wie Sandy, die es wirklich genossen, wenn er das Kommando übernahm, kein Interesse mehr in seiner Seele oder in seinem Körper.
„Ich würde gerne, aber leider hält mich die Arbeit hier fest“, sagte er zu Sandy, die noch ein paar Augenblicke blieb, bevor sie sich auf den Weg zurück zur großen Tanzfläche machte. Als sie ging, gab Liam dem Barkeeper ein Zeichen für einen Grey Goose Wodka ohne Eis und stellte das Getränk an den Rand des Tisches, wo es jeder sehen konnte. Falls Kyan seine Vortäuschung bemerkt hatte, gab er keine Anzeichen dafür.
Das war einer der Gründe, warum Liam ihn liebte.
* * *
Als Liam das North Vault verließ, um an dem monatlichen Familientreffen über Zoom teilzunehmen, auf das seine Mutter bestand, wünschte er sich, er hätte mehr Wodka getrunken. Aber das hätte nicht wirklich geholfen. Nichts half. Sich mit dem Unvermeidlichen abfindend, ließ sich Liam in einen ledernen Ohrensessel neben seinem Schlafzimmerfenster fallen, fuhr seinen Laptop hoch und ließ seinen Blick nach draußen schweifen. Von diesem Zimmer aus hatte er einen Blick auf den Park von Denton Valley, sodass ein Abschnitt mit Wiesen und Bäumen, der von Unternehmen umgeben war, aus dem zwölften Stock wie eine Illusion erschien. Wenn man dann noch die Gipfel der Colorado Mountains als Hintergrund hinzuzählte, war dieser Ort die perfekte Mischung aus Natur und Zivilisation.
„Liam, guten Abend.“ Ein vertrautes Gesicht mittleren Alters erschien auf dem Bildschirm und riss Liams Aufmerksamkeit an sich. Bevor er antworten konnte, wandte sich Patti Rowen ab und schrie in den Hintergrund. „Liam ist auf Zoom, Lisa.“
So lief der Anruf normalerweise ab. Seine Mutter ging zuerst online und verlangte dann, dass seine Schwester auch einstieg. Er vermutete, dass Patti dachte, er und Lisa würden sonst nie miteinander sprechen. Und wahrscheinlich lag sie mit ihrer Annahme richtig. Ein großer Teil der Distanz zwischen Liam und seiner Familie war bewusst herbeigeführt worden.
Zuerst durch ihre Entscheidung, als Patti und Lisa ihn auf die Militärschule schickten. Und jetzt, wo er erwachsen war, durch seine.
„Ich bin da, Ma.“ Lisa erschien auf dem Bildschirm und teilte die Zoom-Sitzung. Obwohl sie bei ihrer Mutter wohnte, schaltete sie sich von ihrem eigenen Zimmer aus ein.
Eine Weile herrschte unangenehme Stille. Dann zwang sich seine Mutter zu einem Lächeln. „Wie läuft es denn so in Denton? Ich sehe, du hast begonnen, international zu expandieren?“
Offensichtlich war Patti mit der Website von Trident Security auf dem Laufenden. Sie hätte sich nicht die Mühe machen müssen. Entweder kümmerten sich Eltern um ihr Kind oder nicht – und das hatte sie deutlich gemacht, als Liam zwölf war.
„Es ist alles in Ordnung“, sagte er.
„Bist du sicher, dass es für eine internationale Expansion nicht zu früh ist, während du noch damit beschäftigt bist, den Such- und Rettungsdienst in Trident Security zu integrieren? Ich verstehe immer noch nicht, warum du dieses Projekt übernommen hast. Die Rescue-Abteilung war genau richtig aufgestellt, wie sie war.“
„Das Rescue-Team braucht mehr Leute“, sagte Liam mit übertriebener Geduld. „Und um Leute zu haben, braucht man eine Infrastruktur.“ Als Cullen Hunt die Rescue ursprünglich gegründet hatte, hatten er, Eli, Kyan und Liam alle ein paar Schichten pro Woche übernommen, um ihre Fähigkeiten aufrechtzuerhalten. Jetzt, da die Jungs eigene Familien gründeten, konnten sie nicht mehr so viel Zeit aufwenden, wie es für einen permanenten Such- und Rettungsdienst nötig wäre. Nicht, dass er mit Patti darüber ins Detail gehen wollte. „Wie geht es euch?“, fragte er stattdessen. „Nimmst du dieses Jahr am Charlevoix-Marathon teil, Lisa?“
Der Charlevoix-Marathon war ein Zehn-Kilometer-Lauf, der am Michigansee entlangführte. Seine Schwester hatte in den letzten drei Jahren daran teilgenommen, und obwohl sie es geschafft hatte, hatte sie nie einen der Hauptpreise gewonnen. Ihr fehlte der Antrieb.
Ein vertrauter Stich von Schuldgefühlen durchfuhr Liams Brust – mit fünfzehn überfallen zu werden, konnte sich so auf einen Menschen auswirken. Schlimmer noch, er war dabei, als es passierte, und hatte nichts dagegen tun können.
„Gut.“ Lisa antwortete freundlich aber knapp. Es war eine subtile Sache. Etwas, das für andere vielleicht schwer zu erkennen war, aber Liam merkte es jedes Mal, wenn er mit ihr sprach.
„Ann Arbor ist im Frühling wunderschön. Du solltest es dir mal ansehen.“ Das war der letzte Refrain seiner Mutter. Er war in Flint, Michigan, in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, wollte aber dafür sorgen, dass Patti und Lisa in das viel begehrtere Ann Arbor ziehen konnten, sobald sein Geschäft in Schwung kam. Die Hypothek und die Rechnungen für die Nebenkosten würden direkt auf seine Kreditkarte gehen. „Wir könnten zusammen wandern. Du wanderst doch immer noch gern, oder?“
„Vielleicht wandern wir bald alle“, sagte Lisa. „Das Auto braucht neue Reifen.“
„Wir werden die Reifen ersetzen, Liebes“, versicherte Patti ihr.
Lisa schnaubte. „Mit welchem Geld?“
Liam sagte nichts dazu. Er schickte seiner Mutter und seiner Schwester einen monatlichen Zuschuss, aber Lisa hatte schon immer jeden Dollar, den sie in die Finger bekam, sofort ausgegeben.
„Das Auto ist in Ordnung“, sagte Patti beschwichtigend. „Wir können uns darum kümmern …“
„Sie meint, wir können es so lassen, wie es ist“, schaltete sich Lisa ein. „Willst du, dass deine Mutter mit Reifen fährt, die das Auto in eine wahre Todesmaschine verwandeln?“
Liam seufzte. „Schick mir die Rechnung. Ich kümmere mich darum.“
„Du musstest uns einfach betteln lassen, nicht wahr?“
Liam ignorierte ihre Worte. Seine Mutter tat es auch. Sie tat sogar so, als wäre alles wunderbar, und begann mit einem allgemeinen Monolog irgendeiner Art. Vielleicht, weil er seine Geduld schon für Jaz aufgebraucht hatte, oder vielleicht, weil der Umgang mit den beiden ständig stressig war, aber Liam stellte den Zoom-Call auf lautlos und starrte ein paar Augenblicke lang aus dem Fenster. Seine Familie war eine komplizierte Sache. Liams Vater hatte Patti verlassen, als Liam noch ein Kleinkind gewesen war. Als alleinerziehende Mutter hatte Patti zwei Jobs, um Liam und Lisa ernähren zu können, und die drei hatten sich bis zu dem Zeitpunkt, als Liam elf und Lisa fünfzehn war, sehr nahe gestanden. Bis zu dem Tag, an dem er nicht in der Lage gewesen war, den betrunkenen reichen Jungen aufzuhalten, der in ihr Haus gestürmt war, weil er dachte, Lisa schulde ihm etwas.
Die Eltern des Jungen gaben Patti daraufhin Geld. Sie nahm es an. Sie sagte Lisa und Liam, sie sollten über das, was vorgefallen war, schweigen. Lisa tat es, Liam nicht. Also wurde er mit zwölf Jahren auf eine Militärschule geschickt, wobei die Eltern des reichen Jungen die Schulgebühren übernahmen, solange er nicht zurückkam. Nicht einmal in den Ferien.
Obwohl er bei den SEALs seine Berufung gefunden hatte, kam der bittere Geschmack des Versagens eines Elfjährigen und des Verrats eines Zwölfjährigen immer wieder zurück, um bei diesen Anrufen einen unangenehmen Nachgeschmack zu hinterlassen. Nach einem langen Ausatmen schaltete Liam den Ton wieder ein, um das unbeholfene Geplapper seiner Mutter mitzubekommen.
„… so ein hübsches kleines Ding. Enkelkinder zu haben, um die man sich kümmern kann, ist ein großes Geschenk, weißt du.“
Ah, die Erwähnung von Enkelkindern. Je älter er wurde, desto häufiger erwähnte sie dies. Patti fragte nie direkt, ob er sich mit jemandem traf oder ob er eine erste Beziehung hatte. Stattdessen ließ sie in Fortsetzung der Rowen-Linie Kommentare über die Freude an Babys fallen. Als ob ein schreiender Säugling alles wieder in Ordnung bringen könnte.
Als ob er ein geeigneter Partner für irgendeine Frau wäre – zumindest war seine Untauglichkeit für eine Beziehung das Einzige, worüber er und Lisa sich einig waren.
Er schaute auf seine Uhr, versicherte sich, dass eine ansehnliche Zeitspanne vergangen war, und unterbrach seine Mutter mit einer Arbeitsausrede, als Patti das nächste Mal nach Luft schnappte.
* * *
Der Timer summte gerade, als Liam Aidens Roundhouse-Kick abblockte und ihm einen Spinning Back-Kick in den Unterleib verpasste. Aiden stöhnte, als er zurückwich, und Liam schüttelte seinen Unterarm aus, der noch immer von der Berührung mit Aidens Schienbein schmerzte. Aiden, der vor einem Jahr der Trident Security Group beigetreten war, bewies, dass er im Nahkampf genauso gut war wie mit einer Schusswaffe.
„Du hast ja eine Laune.“ Aidens schottischer Akzent klang trotz der Erschöpfung musikalisch. Die Leute unterschätzten oft die stählerne Seite des Mannes, der so leichtlebig wirkte. In Wahrheit konnte das ehemalige Mitglied der schottischen Black Watch mehr Schläge einstecken – und austeilen – als die meisten Menschen sich vorstellen konnten. Doch in letzter Zeit schien sich diese Bestrafung mehr und mehr gegen ihn selbst zu richten. Liam vermutete PTSD. Nicht, dass Aiden es zugeben wollte. Zumindest noch nicht.
Liam stützte sich mit den Ellbogen auf die Seile, Schweiß tropfte ihm den Rücken hinunter. „Du bist nicht in Form.“
Aiden war nichts dergleichen, aber Liam hatte das Bedürfnis, ihm das Versäumen von zwei Trainingseinheiten in dieser Woche übelzunehmen. Es ging darum, dass er die Arbeit, für die Liam ihn bezahlte, auch wirklich machte. Außerdem hatte er schlechte Laune. Anstatt sich zu beruhigen, hatte sich seine Verärgerung über Jaz seit der gestrigen Konfrontation nur noch verstärkt. Sie hatte sich nicht dazu durchgerungen, einen Sicherheitsdienst zu akzeptieren, obwohl die Gefahr, die sie heraufbeschwor, allen außer ihr klar war.
„Ich brauche ein Team, das auf Jazmine Keasley aufpasst. Wen haben wir für diese Aufgabe?“
„Wen willst du denn?“
„Irgendjemanden …“ Eine Frau. Er wollte eine Frau. Aber Trident Security hatte keine weiblichen Mitarbeiter. „Jemanden, den sie nicht um den Finger wickeln kann. Und unterschätze nicht ihre Fähigkeit, es zu tun.“
„Soll ich es mal bei ihr versuchen?“, fragte Aiden.
Das war das Letzte, was Liam wollte. Aiden hatte noch keine Frau getroffen, mit der er nicht ins Bett gehen wollte, und er würde nicht zulassen, dass sich jemand an Kyans kleine Schwester ranmachte. „Wenn du zu beschäftigt bist, um zum Training zu kommen, bist du auch zu beschäftigt, um es mit diesem Kobold aufzunehmen.“ Sie wussten beide, dass Liam Blödsinn redete, aber das war einer der Vorteile, wenn man der Boss war. „Aber sieh zu, dass du ein kompetentes Paar findest, das sich den Blödsinn einer reichen Göre nicht gefallen lässt. Und lass heute jemanden zu ihr gehen, um ein Sicherheitssystem einzurichten. Wenn sie sich wehrt, sollen die Jungs sie im Badezimmer einsperren.“
Der Timer ertönte erneut, und Liam stieß sich von den Seilen ab. Er nahm eine Kampfhaltung ein und verlagerte sein Gewicht auf die Fußballen, um den Highlander dazu zu bringen, seine Deckung fallen zu lassen. Liam musste heute wirklich jemanden schlagen – und wenn Aiden ihm auch nur die geringste Chance gab, auf ihn einzudreschen, würde er sich nicht zurückhalten.
„Was genau machen wir hier?“, fragte Sebastian über die dröhnende Musik hinweg, die durch das treffend benannte Pulse, Denton Valleysführenden Schwulenklub, dröhnte. „Nicht, dass ich mich beschweren würde oder so.“
„Die Hüften schwingen.“ Jaz neigte verstohlen ihren Kopf zu den beiden Männern in dunklen Hosen und gebügelten Hemden, die ihnen ins Pulse gefolgt waren. Sie hatte die beiden Männer, Harkness und Percey, kennengelernt, als sie gestern Abend versucht hatten, sich selbst in ihre Wohnung einzuladen. Nachdem sie ihnen genau gesagt hatte, wo sie ihre Kameras hinstecken konnten, schloss Jaz ihnen die Tür vor der Nase zu – aber nicht ohne ihnen mitzuteilen, dass ihr nächster Einbruchsversuch der Polizei gemeldet würde.
An heute Morgen hatte Trident Rescue and Security die Wohnung gegenüber der ihren gemietet und die beiden dort untergebracht.
Während Harkness einen Posten in der Nähe der Tür einnahm und Percey sich auf einem Barhocker niederließ, von dem aus er Jaz’ Tisch im Blick hatte, klärte sie Sebastian über die Einzelheiten auf. Seine Augen weiteten sich, dann verengten sie sich misstrauisch. „Jaz, Süße, wenn es einen Dschihad mit deinem Namen gibt, ist das vielleicht nicht die klügste Entscheidung.“
Sie glättete den Stoff ihrer rosafarbenen Bluse, deren geschmackvoll offener Schlitz über ihrem Bauch genau die richtige Menge Haut enthüllte. Dies war nicht die Art von Ort, an dem Männer sie sexuell betrachten würden, aber es war einer, an dem Stil geschätzt – und bewertet – werden würde, und Jaz genoss es, das Outfit auf die Probe zu stellen. „Es gibt keinen – nicht über die allgemeine Rhetorik hinaus. Ich habe recherchiert, und Sky tut es ebenfalls.“ Sky war eine Enthüllungsjournalistin mit einem Händchen für die Aufdeckung der Wahrheit. „Es ist ein Vorwand für meinen Vater, mein Klettern zu unterbinden, das er seit Jahren hasst. Er weiß, dass ich das für die Freiheit tue, also ist alles, was mir diese Freiheit nimmt, verlockend.“
Sebastian sah nicht überzeugt aus. „Und Kyan?“
„Kyan ist von Natur aus überfürsorglich. Und nach dem, was er in Afghanistan durchgemacht hat, ist er nicht gerade rational, wenn jemand Sprengstoff erwähnt.“ Jaz fuhr mit dem Finger über ihr Weinglas, ein seltener Anflug von Verletzlichkeit sickerte durch ihre Fassade. „Ich habe so hart daran gearbeitet, aus ihrem Schatten herauszukommen, Bastian. Ich habe diese Angst in mir, dass, wenn ich es jetzt nicht tue, ich es nie tun werde. Der Clash of the Titans muss unter meinen Bedingungen stattfinden, nicht unter denen anderer.“
Sebastian brauchte nur einen Herzschlag zum Nachdenken, bevor er zustimmend nickte. „Sag mir, was du brauchst.“
Jaz lächelte boshaft. „Kannst du einen deiner Freunde bitten, meinen beiden tapferen Wachen an der Bar einen Drink zu spendieren? Ich gehe auf die Toilette und haue dann durch das Fenster ab – wir befinden uns nur im ersten Stock, und die Wand draußen ist ein Kinderspiel zum Klettern.“
Als sie in ihre Wohnung zurückkehrte, hängte Jaz ein Smiley-Gesicht an ihre Tür und ging ins Bett. Harkness und Percey wussten es noch nicht, aber sie würden alle zusammen am nächsten Morgen laufen gehen, und Jaz brauchte ein wenig Schlaf. In ein paar Tagen – höchstens eine Woche – würde Liam so viele Beschwerden von seinen Angestellten bekommen, dass er sich die Arbeit machen würde, die Vereinbarung für nichtig zu erklären.
* * *
Wenn Harkness und Percey auch nicht gerade begeistert von einem Lauf um 4 Uhr morgens waren – was sie in ihren Stiefeln taten –, so ließen sie sich ihren Unmut nicht anmerken. Stattdessen hielten sie klaglos mit Jaz’ Sprints und Verlangsamungen Schritt, was enttäuschend war. Jaz hielt sie so lange draußen und in Bewegung, bis sie sich sicher war, dass sie sich durch das Fehlen von Laufschuhen Blasen zugezogen hatten.
Nun ja, wenn sie damit ihrem Sicherheitspersonal auf die Nerven ging, konnte sie so wenigstens in Form bleiben.
Jaz’ Schatten erwiesen sich jedoch als schnelle Lerner. Am dritten Tag hatten sie Jaz’ Angewohnheit herausgefunden, zu jeder Tageszeit anstrengende Läufe zu unternehmen, und begannen, Trainingskleidung und Wasser in ihren Rucksäcken bereitzuhalten, während sie ihr folgten. Das bedeutete, dass es an der Zeit war, den Einsatz zu erhöhen.
Am Freitagabend zog sich Jaz eine übergroße Jacke über ihre Kleidung, bevor sie in den Flur ging. Sie setzte sich offen vor die Überwachungskamera und begann, ihre rosa Laufschuhe zu binden. Einen Moment später stand Percey mit ihr auf dem Flur, seine eigenen Laufschuhe in der Hand.
Er beäugte sie misstrauisch.
„Du hast das Spiel durchschaut“, sagte Jaz achselzuckend, die ersten Worte, die sie direkt an den Schatten richtete, seit sie ihn und seinen Partner am ersten Tag aus ihrer Wohnung geworfen hatte. „Ich sehe keinen Sinn darin, euch meine Läufe vorzuenthalten. Und ich habe auch nicht vor, euch einen genauen Zeitplan zu geben, aber ja“, sie deutete in Richtung der Kamera, „ich gehe laufen, und ich weiß, dass ihr es wisst. Ihr könnt euch also schonmal etwas Bequemes anziehen.“
„Das wissen wir zu schätzen“, sagte Percey zögerlich, als warte er darauf, dass der nächste Stein ins Rollen kam. Wie Harkness war er Anfang zwanzig – ein paar Jahre jünger als Jaz’ fünfundzwanzig – und seine stille Entschlossenheit, gute Arbeit zu leisten, ließ Jaz fast ein schlechtes Gewissen wegen ihrer Abendpläne bekommen.
„Es ist unsere Aufgabe, uns deinem Lebensstil anzupassen“, sagte er und deutete durch die Kamera auf Harkness. „Je mehr du mit uns teilst, desto besser – und unauffälliger – können wir unsere Mission erfüllen.“
„Technisch gesehen nennt sich eure Mission Stalking.“
„Wir brechen keine Gesetze.“
Darüber konnte man streiten, aber Jaz drängte nicht auf diesen Punkt. Die Schatten taten wahrscheinlich ihr Bestes, um sowohl effizient als auch höflich zu sein, aber ihr Stoizismus erwies sich als lästig. Entweder hatten sie sich bei Liam nicht über den Auftrag beschwert oder sie hatten es getan und man hatte ihnen gesagt, sie sollten sich damit abfinden. Sie musste das Problem an der Wurzel packen.
Jaz wartete höflich, bis beide Männer ihre Laufschuhe geschnürt hatten, und begann mit ihrer gewohnten Routine, die drei Stockwerke hinunter zu joggen, durch die Hintertür ihres Wohnkomplexes hinaus und auf den Laufweg im Wald darunter. Sie hielt das Tempo leicht und verlangsamte es, um in der kühlen Abendluft nicht ins Schwitzen zu kommen. Nach einer Meile änderte sie ihre Richtung zurück auf die gut beleuchtete Denton Street und folgte einer ähnlichen Route, die sie in dieser Woche schon mehrmals absichtlich genommen hatte.
Diesmal lief sie jedoch nicht in einer Schleife zurück zu ihrer Wohnung, sondern machte einen Abstecher zu einem der schönsten Hotels in der Innenstadt von Denton, dem Kinship Resort & Club. Beim Betreten der Lobby streifte Jaz ihre Jacke ab und gab den Blick auf ein hautenges, maßgeschneidertes Cocktailkleid frei, das ihre Kurven zu betonte. In ihrer momentanen Lage wäre es ihr unmöglich, sich ein solches Kleidungsstück leisten zu können, aber zum Glück war ihr Kleiderschrank nicht mit ihrem Bankkonto verschwunden.
Sie schob den unteren Teil des Kleides nach unten, um ihre Hüften zu bedecken, und zog mit der gleichen Bewegung ihre Laufshorts aus. Die kleine Bewegung, die sie auf YouTube gelernt hatte, hatte sie tagelang geübt, aber die beeindruckten Blicke der Concierge machten den schnellen Garderobenwechsel lohnenswert. Als letzten Akt zog Jaz ein Paar zarte rote Sandaletten aus ihrer Jackentasche und deponierte ihre Turnschuhe und Sportklamotten in eine ultrakompakte Tasche.
„Ich bin wegen der Wohltätigkeitsgala für besondere Bedürfnisse hier.“ Sie schenkte der Concierge ein strahlendes Lächeln und reichte ihr die Tasche. „Könnten Sie das für mich bis zum Ende des Abends aufbewahren?“
Sie sah den Männern die Verärgerung an, als sie einige Augenblicke später zu Jaz in den verspiegelten Aufzug stiegen, wobei ihnen ihre Laufklamotten und Sportschuhe vom Personal missbilligende Blicke einbrachten. Jaz wirbelte herum, wobei sie ihr Haar um den Finger drehte – das sie vor dem Verlassen des Hauses sorgfältig geföhnt und zu einem Dutt gesteckt hatte. Das Licht der Kristallleuchten spiegelte sich in der zarten Rubinhalskette, die sie um den Hals trug, und kurz bevor der Aufzug in der obersten Etage ankam, legte sie sich die passenden Ohrringe an.
Harkness und Percey, die ihr auf den Fersen waren, sahen aus, als müssten sie sich gleich übergeben.
„Es ist nichts Persönliches“, sagte sie und tätschelte Perceys muskulösen Arm.
„Nein, natürlich nicht“, sagte er fest.
„Na dann, genießt den Abend.“ Sie lächelte, als sich die Fahrstuhltüren öffneten, und schritt hinaus auf die elegante Veranstaltung zu – die Mitarbeiter von Trident Security, die Liam vor der Elite von Colorado zum Narren hielten, als sie ihr folgten.
Liam Rowen hatte sich nie sonderlich wohlgefühlt, wenn er einen Smoking trug, aber irgendwann in den letzten Jahren, als sein Sicherheitsdienst in Schwung gekommen war, hatte er sich dabei ertappt, dass er zu oft einen trug. Wenigstens war er an diesem Abend bei der Wohltätigkeitsgala nicht allein. Cullen, Eli und Kyan, seine besten Freunde aus ihrer Zeit an der Trident-Militärakademie und später Kameraden bei den SEALs, waren ebenfalls anwesend – obwohl sie alle aus wohlhabenden Verhältnissen stammten, so dass sie schon seit ihrer Kindheit an Smokings gewohnt waren.
„Wie läuft Danis Training?“, fragte Liam Eli, dessen Frau, eine Psychologin, gerade von der Beurteilung von Führungskräften auf die Hilfe für Missbrauchs- und PTBS-Opfer umstieg.
„Zu gut“, sagte Eli mürrisch. „Leider gibt es keinen Mangel an Klienten. Vor allem, weil immer mehr ehemalige Militärs ihren Weg nach Denton finden.“
„Was gibt’s Neues bei Trident Rescue and Security?“, fragte Cullen und nahm ein Glas Champagner vom Tablett eines Kellners, während er die andere um die Taille seiner Frau legte. Liam wusste, dass Sky versuchte, schwanger zu werden, und ein wenig Hoffnung stieg in ihm auf, als sie sich nicht ebenfalls ein Glas nahm. „Oder ist das eine etwas unpassende Frage, nachdem ich dir gerade diesen Such- und Rettungsdienst vor die Füße geworfen habe?“
Liam zupfte seine französischen Manschetten zurecht. Die Eingliederung der medizinischen Wildnis-Rettungseinheit in die Trident Security brachte ein Managementproblem mit sich, auf das Liam nicht vorbereitet gewesen war. Mit den neuen Sanitätern und dem Rettungspersonal, das er eingestellt hatte, wurde der Außenposten ein bisschen wie der Wilde Westen. Wenn er seinen Freunden – seiner Familie – davon erzählte, würden sie sich daran machen, ihm irgendwie zu helfen. Aber das war nicht fair. Sie waren alle frisch verheiratet und gründeten Familien.
„Der Rettungsdienst läuft gut“, sagte Liam. „Ich wünschte allerdings, ich könnte Aufträge übernehmen.“
„Das ist der Nachteil, wenn man ein Multimillionen-Dollar-Unternehmen leitet“, sagte Cullen verständnisvoll. „Man kann sich wie ein überbezahlter Schreibtischhengst fühlen. Wenn du in den Außendienst willst – nur zu. Der Laden wird sich besser halten, als du denkst.“
„Ich bin dabei, Trident Security international zu machen“, sagte Liam. „Schutz für reisende Würdenträger. Geiselverhandlungen und -rettung. Denkt Obsidian Ops mit Moral. Es ist ein ziemliches Projekt, aber wenn es fertig ist, kann man von einer guten Praxiserfahrung sprechen.“
Kyan, dessen Begegnung mit Obsidian Ops ihn letztes Jahr fast das Leben gekostet hätte, verschränkte die Arme vor der Brust. „O2 wird nicht einfach zulassen, dass du in ihr Revier eindringst – vor allem, da ihr beide aus dem Umfeld der Spezialeinheiten kommen. Die Welt ist nicht so groß.“
Bevor Liam eine Bemerkung dazu machen konnte, dass ausgerechnet Kyan ihn über Risiken belehrte, hob Eli mahnend den Finger.
„Bevor du dich auf diese internationalen Märkte konzentrierst, solltest du vielleicht dein Image im Inland überarbeiten, Kumpel“, sagte der Brite und konzentrierte sich auf etwas über Liams Schulter. „Sind das nicht deine Männer, die sich da drüben zum Narren machen?“
Liam drehte sich langsam um und folgte Elis Blick. Er sah zuerst Jaz, die sich in ihrem schlichten Cocktailkleid unter die Gäste mischte. Instinktiv glitt seine Aufmerksamkeit von ihr zur goldtapezierten Wand, um nach den beiden Männern zu suchen, die er ihr zugewiesen hatte – und er spürte, wie die Wut in ihm aufloderte.
Was um Himmels willen sollte das?
In engen Jogging-Hosen und lindgrünen Laufschuhen zog Percey mehr Aufmerksamkeit auf sich als die menschengroße Pinguin-Eisstatue in der Mitte des gottverdammten Saals. Der zweite Mann, Harkness, war mit Shorts, Tanktop und einem mürrischen Gesichtsausdruck kaum besser dran. Wenigstens hatten sich die beiden nicht weiter als bis zur Eingangstür vorgewagt, aber selbst das war mehr als genug.
Es überraschte ihn nicht, dass eine entschlossen aussehende Managerin bereits auf dem Weg zu Liam war.
„Ich entschuldige mich dafür, dass ich Ihren Abend störe“, sagte die junge Frau mit höflicher Ehrerbietung, die ihre Missbilligung keineswegs verbarg, „aber wie ich höre, haben Sie heute ein Sicherheitsteam auf der Gala im Einsatz. Sie sind herzlich willkommen, aber es handelt sich um eine Galaveranstaltung, und ich fürchte, ihre Kleidung ist nicht dem Anlass entsprechend.“
Liam setzte seine Champagnerflöte besonders vorsichtig ab, um das Kristall nicht in Stücke zu schlagen. „Ich möchte mich aufrichtig bei Ihnen entschuldigen, Marla.“ Er neigte den Kopf, seine Stimme war fest. „Und Sie werden auch deren Entschuldigung haben, wenn sie noch in der Lage sind, Silben zu bilden, wenn ich mit ihnen fertig bin. Entschuldigen Sie mich.“
Harkness und Percey brauchten nicht mehr als einen Blick von Liam, um zu wissen, dass sie ihm in den Flur folgen sollten, wobei die Spannung um die beiden herum so stark knisterte, dass die Luft prickelte. Die Männer waren nervös. Sie hatten verdammt recht, nervös zu sein. Sie hatten das Recht, verängstigt zu sein. So wie es aussah, brauchte Liam seine ganze Selbstbeherrschung, um zu warten, bis sie um eine Ecke in einen relativ privaten Korridor bogen, bevor er sich ihnen zuwandte. Er war sich sicher, das Mordlust in seinen Augen zu sehen war.
Die Männer versteiften sich, ihre militärische Ausbildung veranlasste sie, trotz der zivilen Umgebung strammzustehen, ihre Gesichter waren geschult in Vorbereitung auf den Tsunami, von dem sie genau wussten, dass sie ihn verdienten.
„Ich verlange eine Erklärung.“ Liam wandte sich an Percey, der eigentlich das Kommando haben sollte.
„Wir dachten, Ms. Keasley würde joggen gehen. Als wir merkten, dass sie andere Pläne hatte, war es zu spät, sich darauf einzustellen.“ Der junge Mann begegnete Liams Blick nicht.
„Das Kleid hat euch nicht vorgewarnt?“
„Sie, ähm, hat es unter der Laufkleidung verborgen.“
„Damit ich das richtig verstehe.“ Liam sprach jedes Wort langsam und bedächtig aus, und Hitze erfüllte sein Blut. „Eure verdammte Aufgabe war es, die Umgebung auf ungewöhnliches Verhalten zu beobachten und möglichen Ärger zu verhindern, bevor er entsteht. Und bei all dieser verdammten Beobachtungsgabe habt ihr ein Abendkleid und knallrote Schuhe übersehen? Wie zur Hölle wollt ihr eine kugelsichere Weste bei einem Feind erkennen, wenn ihr nicht erkennen könnt, dass eine 1,50 m große Frau, auf die ihr eure Kameras gerichtet habt, für eine Abendveranstaltung gekleidet ist?“
Schweigen.
„Das waren keine rhetorischen Fragen“, bellte Liam. „Antwortet mir.“
„Hör auf, sie zu schikanieren.“ Eine helle Sopranstimme, die Liam eigentlich gar nicht hören wollte, mischte sich in das Gespräch ein. High Heels klackerten auf dem polierten Holzboden, bis Jaz Keasley an Liams Seite zum Stehen kam. Die Rubine an ihren Ohren unterstrichen ihre ohnehin schon schönen Augen, und ihre kleinen Brüste wölbten sich unter der Seide in der Klimaanlage des Hotels sichtlich.
Liam hätte am liebsten etwas über sie geworfen, um sie zu bedecken.
Jaz verschränkte die Arme unter ihren Brüsten und warf ihm einen finsteren Blick zu, obwohl sie dafür den Kopf zurücklegen musste. „Ich habe dir meine Meinung über ein Sicherheitsteam deutlich gemacht. Percey und Harkness sind sich nichts weiter zu Schulden kommen lassen, als das schlechte Urteilsvermögen, für ein Arschloch zu arbeiten.“
„Das hat nichts mit dir oder deinen Gefühlen zu tun, Jazmine. Geh zurück auf die Party.“
„Nichts mit mir zu tun? Aus welchem Universum wurdest du denn hochgebeamt?“, spottete Jaz.
Das war verrückt. Sie war verrückt. Liams Kiefer spannte sich an, aber er kontrollierte seinen Körper und seine Stimme mit der Art von Selbstbeherrschung, die die Zivilisation von Menschen erwartete. „Ich diszipliniere meine Männer. Ich würde es zu schätzen wissen, wenn du jetzt verdammt noch mal verschwinden würdest.“
„Und dann lässt du deine Wut an zwei Männern aus, die sich nicht wehren können? Von wegen.“
Die wehrlosen Männer der Special Forces verlagerten unbehaglich ihr Gewicht.