Trotz alledem - Jean Ziegler - E-Book

Trotz alledem E-Book

Jean Ziegler

0,0
16,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Das kämpferische Vermächtnis des leidenschaftlichen Globalisierungskritikers!

In einer Zeit, die von verheerenden Kriegen in Gaza und der Ukraine, von einer drohenden Klimakatastrophe, von Flüchtlingselend und dem Erstarken autoritärer Regime geprägt ist, erinnert Jean Ziegler, langjähriger UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, daran, dass im globalen Süden seit Jahrzehnten ein Vernichtungskrieg gegen die Schwächsten der Menschheit wütet, immer und schlimmer noch, mit allein im Jahr 2023 über sechzig Millionen Todesopfern. Gestorben an Hunger, Durst, Epidemien oder durch Verteilungskonflikte, hinterlassen sie ein so stummes wie beredtes Zeugnis von den Auswirkungen des Raubtierkapitalismus: Heute besitzen 50 Einzelpersonen so viel wie die abgehängte Hälfte der Menschheit, erwirtschaften die 500 größten transkontinentalen Unternehmen mehr als die Hälfte des Bruttoweltprodukts.

Müssen wir diese kannibalische Weltordnung wirklich weiterhin ertragen, in der die Oligarchen des globalisierten Finanzkapitals über Hunderte von Millionen im Elend lebender Menschen herrschen? Die Hoffnung jedenfalls lässt sich nicht unterdrücken, dass sich doch noch eine planetarische Zivilgesellschaft entwickelt, in der die Menschenrechte und das Selbstbestimmungsrecht der Völker gewahrt und Gerechtigkeit und Solidarität mit den Armen und Schwachen geübt wird. Jean Ziegler, der unermüdliche Kämpfer gegen Elend und Unterdrückung, plädiert für einen machtvollen Aufstand des Gewissens und stellt uns die intellektuellen Waffen dafür zur Verfügung.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 217

Veröffentlichungsjahr: 2025

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Buch

In einer Zeit, die von verheerenden Kriegen in Gaza und der Ukraine, von einer drohenden Klimakatastrophe, von Flüchtlingselend und dem Erstarken autoritärer Regime geprägt ist, erinnert Jean Ziegler, langjähriger UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, daran, dass im globalen Süden seit Jahrzehnten ein Vernichtungskrieg gegen die Schwächsten der Menschheit wütet, immer und schlimmer noch, mit allein im Jahr 2023 über sechzig Millionen Todesopfern. Gestorben an Hunger, Durst, Epidemien oder durch Verteilungskonflikte, hinterlassen sie ein so stummes wie beredtes Zeugnis von den Auswirkungen des Raubtierkapitalismus. Jean Ziegler, der unermüdliche Kämpfer gegen Elend und Unterdrückung, plädiert für einen machtvollen Aufstand des Gewissens und stellt uns die intellektuellen Waffen dafür zur Verfügung.

Autor

Jean Ziegler lehrte Soziologie in Genf und an der Sorbonne. Er war bis 1999 Nationalrat im eidgenössischen Parlament und von 2000 bis 2008 UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung. Von 2009 bis 2019 war er Vizepräsident des Beratenden Ausschusses des UN-Menschenrechtsrats und ist heute immer noch als dessen Berater tätig. Zieglers in viele Sprachen übersetzte Bücher haben viele Kontroversen ausgelöst. Zuletzt erschien der Bestseller »Die Schande Europas« (2020).

Jean Ziegler

TROTZ ALLEDEM!

Warum ich die Hoffnung auf eine bessere Welt nicht aufgebe

Aus dem Französischen von Hainer Kober

Die Originalausgabe ist 2024 unter dem Titel »Où est l’espoir?« bei Éditions du Seuil, Paris, erschienen.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Copyright © 2024 by Jean Ziegler

Copyright © 2025 für die deutschsprachige Ausgabe

by C.Bertelsmann Verlag in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

[email protected]

(Vorstehende Angaben sind zugleich Pflichtinformationen nach GPSR)

Covergestaltung: Büro Jorge Schmidt, München

Satz: satz-bau Leingärtner, Nabburg

ISBN 978-3-641-33098-9V001

www.cbertelsmann.de

Solo le pido a DiosQue el dolor no me sea indiferenteQue la reseca muerte no me encuentreVacía y sola sin haber hecho lo suficiente.

Nur eines erbitte ich von Gott, dass der Schmerz mich nicht gleichgültig lasse und dass der bleiche Tod mich nicht allein und leer finde, ohne dass ich getan habe, was notwendig war auf dieser Erde.

Mercedes Sosa / León Gieco

Die Aufgabe des Intellektuellen ist es nicht, Liebenswürdigkeiten zu verteilen, sondern zu sagen, was ist. Er will nicht verführen, sondern bewaffnen.

Régis Debray

INHALT

I. DIEKANNIBALISCHEWELTORDNUNG

II. DERHUNGER

III. DERUNTERGANGDERVEREINTENNATIONEN

IV. DIEBESEITIGUNGDESASYLRECHTS

V. ENTFREMDUNG

VI. DIEVERWEIGERUNGDERSOZIALENGERECHTIGKEIT

VII. DIEUNGLEICHHEITEN

VIII. DIEHOFFNUNG

DANK

I. DIE KANNIBALISCHE WELTORDNUNG

Die Welt droht in Schutt und Asche zu versinken. Mein Buch erstellt das Inventar der wichtigsten Katastrophen, welche die Welt heimsuchen, und der Strategien, die es zu erschaffen gilt, um sie zu überwinden.

Die Schrecken, die der Mensch dem Menschen zufügt, übersteigen die Vorstellungskraft.

Ein dritter, verheerender Weltkrieg bahnt sich an, in dem es zum Einsatz von Kernwaffen kommen könnte.

Der Massenmörder Wladimir Putin droht mit ihm, um seine Opfer in Angst und Schrecken zu versetzen. Das bewundernswerte ukrainische Volk, seine amerikanischen und europäischen Verbündeten, die Medien – sie alle beschwören ihn.

Und die Völker des globalen Südens erleiden die Schrecken weltumspannender Kriege seit unvordenklichen Zeiten.

Nach den Daten, die die 21 Sonderorganisationen der Vereinten Nationen veröffentlicht haben, ist die Zahl der Todesfälle, die durch ökonomische und soziale Unterentwicklung und die extreme Not in den 122 Drittweltländern verursacht wurden, im Jahr 2023 auf mehr als 61 Millionen gestiegen.

Demografen listen die Verluste im Zweiten Weltkrieg wie folgt auf: 18 Millionen Männer, Frauen und Jugendliche sind im Kampf gefallen, und zwischen 50 und 55 Millionen Zivilisten wurden getötet. Mit anderen Worten: Hunger, Durst, Epidemien und durch Not und Elend ausgelöste Konflikte vernichten jedes Jahr fast ebenso viele Menschenleben wie der Zweite Weltkrieg in sechs Jahren.

Nach dem »Jahresbericht 2022« der Weltbank haben die 500 mächtigsten transkontinentalen Konzerne der Welt – alle Bereiche zusammengenommen, Industrie, Handel, Dienstleistungen, Finanzen – 52,8 Prozent des Bruttoweltprodukts kontrolliert, das heißt des Gesamtvermögens, das in einem Jahr auf dem Planeten produziert wurde. Diese winzigen Oligarchien des globalisierten Finanzkapitals verfügen über eine wirtschaftliche, politische, militärische, finanzielle und ideologische Macht, wie sie kein König, Kaiser oder Papst jemals besessen hat.

Sie entziehen sich jeder staatlichen, parlamentarischen, gerichtlichen und gewerkschaftlichen Kontrolle. Sie verfügen über eine außergewöhnliche Überlebensfähigkeit und Kreativität. Sie fördern und entwickeln den wissenschaftlichen und technischen Fortschritt – in erster Linie zu ihrem eigenen Vorteil.

Sie tragen in hohem Maße zu den Produktivkräften der Menschheit bei.

Aber sie verfolgen nur eine einzige Strategie: die Akkumulation maximalen Profits in der kürzestmöglichen Zeit ohne Rücksicht auf die menschlichen Kosten.

Sie sind die wahren Herren der kannibalischen Weltordnung.

Tagtäglich entscheiden sie, wer auf der Erde essen und überleben und wer Hunger leiden und sterben wird. Denn der Zugang zu allen Gütern – Nahrung, Medikamenten, Wohnraum, politischer Stabilität, Rechtsstaatlichkeit, Arbeit, Löhnen, die das physische Überleben der Individuen, der Familien sichern etc. – hängt von der Kaufkraft der Verbraucher und Verbraucherinnen ab und nicht von einer gesetzlich garantierten normativen Ordnung.

Der Mensch existiert, nimmt Gestalt an und wächst nur mit der Hilfe anderer Menschen. Indem die kannibalische Weltordnung, die die Welt regiert, ihn auf seine Funktion im Markt reduziert, verstümmelt sie ihn, beraubt ihn seiner Einzigartigkeit und seines Schicksals. Diese Ordnung, die die Beziehungen zwischen Menschen nicht auf die Prinzipien der Gegenseitigkeit und Komplementarität gründet, sondern auf Konkurrenz, Konfrontation, Neid, Herrschaft und Ausbeutung, ist unerträglich. Es gilt, sie mit aller Entschlossenheit zu bekämpfen.

Die kannibalische Ordnung ist geprägt von Ungleichheit. Die britische Nichtregierungsorganisation Oxfam International* dokumentiert in ihrem »Bericht über die Ungleichheit in der Welt« vom Dezember 2021, dass die 18 reichsten Multimilliardäre der Welt so viel Vermögenswerte besitzen wie die Hälfte der ärmsten Erdbewohner, das heißt wie 4,2 Milliarden Menschen.

Heute stellt sich das Problem zum ersten Mal in der Geschichte nicht mehr in Form der Unzulänglichkeit und Unangemessenheit der Produktion im Verhältnis zu den Bedürfnissen der Weltbevölkerung. Es besteht in dem Skandal, dass Milliarden Menschen aus Mangel an finanziellen Mitteln nicht auf lebenswichtige Güter zugreifen können, die zudem im Überfluss vorhanden sind.

Ich betone noch einmal: Zum gegenwärtigen Zeitpunkt erleben wir die in der Geschichte beispiellose Situation, dass der objektive Mangel an materiellen Gütern, die zum Überleben aller Menschen unentbehrlich sind, besiegt ist. Und das geschieht – tragisches Zusammentreffen – ausgerechnet in der Epoche, in der sich eine kannibalische Weltordnung des Planeten bemächtigt hat.

Wie können wir dieser Tragödie Herr werden? Gibt es Hoffnung?

Das weiß niemand. Eine einzige Gewissheit muss unsere Leitschnur sein, sie wird Bertolt Brecht zugeschrieben: »Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren.«

* Oxfam ist das Akronym für Oxford Committee for Famine Relief (Oxford-Komitee zur Linderung des Hungers), eine Organisation, die 1942 in Großbritannien gegründet wurde.

II. DER HUNGER

Das Massaker, das durch den Hunger täglich an Zehntausenden von Menschen angerichtet wird, ist der absolute Skandal unserer Zeit. Einige Zahlen: Alle fünf Sekunden stirbt auf diesem Planeten ein Kind unter zehn Jahren am Hunger oder an seinen unmittelbaren Folgen (Kwashiorkor oder Hungerödem, Noma etc.). Fast 71 Millionen Menschen sterben pro Jahr, alle Todesursachen zusammengenommen – Kriege, Unfälle, Krankheiten, Selbstmorde, Alter etc. 2022 sind von diesen 71 Millionen Toten 13 Prozent dem Hunger oder seinen unmittelbaren Folgen erlegen.

Auf einem Planeten, der an Reichtum überquillt, ist der Hunger für die Menschheit noch heute bei Weitem die häufigste und offensichtlichste Ursache für Tod und Vernichtung. Der Jahresbericht der FAO, Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (Welternährungsorganisation), erfasst die Zahl der Opfer und liefert die unstrittigen Zahlen. Außerdem weist er nach, dass die globale Landwirtschaft auf ihrer gegenwärtigen Entwicklungsstufe problemlos mehr als 12 Milliarden Menschen ernähren könnte – das heißt fast das Doppelte der gegenwärtigen Weltbevölkerung –, würde die Verteilung der Nahrung nicht von der Kaufkraft der Konsumentinnen und Konsumenten abhängen, sondern gerecht vorgenommen werden, das heißt gemäß einer weltweiten normativen Regelung. Mit anderen Worten: durch ein völkerrechtlich garantiertes universelles Menschenrecht auf Nahrung.

Folglich ist das tägliche Massaker kein Schicksal. Ein Kind, das verhungert, wird ermordet. Der Hunger ist menschengemacht und könnte mit einigen konkreten Reformen und ein wenig gutem Willen schon morgen von der Erde getilgt werden.

Zu dieser Geißel gesellt sich die ständige Ernährungsunsicherheit, die die FAO definiert als die Unfähigkeit, regelmäßig ausreichende Nahrung zu bekommen: Kalorienmangel, unregelmäßige oder unausgewogene Ernährung. Die betroffenen Menschen leben in ständiger Angst vor dem Morgen. Eltern wissen nicht, wie sie ihre Kinder ernähren sollen. Diese Qual vergiftet ihr Leben. 2022 haben 2,4 Milliarden Menschen, also 30 Prozent der Weltbevölkerung, unter Ernährungsunsicherheit gelitten.

Hungertod und Ernährungsunsicherheit verteilen sich ungleich auf die Kontinente. 61 Prozent der Afrikaner leiden unter Ernährungsunsicherheit. Im Vergleich zu der Situation vor der Covid-19-Pandemie hat die Zahl der afrikanischen Opfer schwerer Unterernährung um mehr als 120 Millionen zugenommen. Unter Hinzunahme der Hungertode und der Personen, die unter Nahrungsunsicherheit leiden, kommen die FAO-Experten zu dem Schluss, dass jeder fünfte Afrikaner nicht genug zu essen hat.

Der Skandal findet statt. Tag für Tag. Seit Generationen.

Von seltenen Ausnahmen abgesehen, kann ein Mensch drei Minuten überleben, ohne zu atmen, drei Tage, ohne zu trinken, drei Wochen, ohne zu essen. Bei Kindern machen sich die grauenhaften Folgen der Unterernährung schneller bemerkbar.

Der Todeskampf beim Verhungern ist besonders schrecklich und schmerzhaft. Er vollzieht sich in fünf Stadien.

Zunächst braucht der Körper des Opfers seinen Vorrat an Zucker und Fett auf. Er verfällt in einen apathischen Zustand, der ihm alle Energie, Willenskraft und Widerstandsfähigkeit nimmt. Rasch verlieren die Opfer, ihrer Energiereserven beraubt, an Gewicht. Das Immunsystem bricht zusammen. Blutige Durchfälle bringen den Stoffwechsel zum Erliegen. Infektionen der Atemwege und Mundparasiten verursachen schreckliche Schmerzen. Dann beginnt der Abbau der Muskelmasse. Die hungernden Kinder können sich nicht mehr aufrecht halten. Sie krümmen sich im Staub zusammen. Ihre Ärmchen hängen leblos herab. Ihre Gesichter nehmen greisenhafte Züge an. Ihre Stimme wird zum Röcheln, ein letzter hörbarer Klagelaut. Dann kommt der Tod.

Das Massaker durch den Hunger ist jeder und jedem Einzelnen von uns bekannt. Es vollzieht sich unerbittlich, Tag um Tag, in eisiger Normalität.

Wie ist das möglich?

Der Harvard-Professor John Kenneth Galbraith war in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts einer der bekanntesten Wirtschaftswissenschaftler. Einer seiner Studenten war John F. Kennedy. Als dieser Präsident der Vereinigten Staaten geworden war, berief er Galbraith als Berater ins Weiße Haus und schickte ihn später als Botschafter nach Indien. Einer der meistgelesenen Essays von Galbraith trägt den Titel The art of ignoring the poor(Die Kunst, die Armen zu ignorieren) und liefert auf unsere Frage eine banale, aber überzeugende Antwort: Um sich vor dem eigenen schlechten Gewissen zu schützen, entwickeln die Reichen und die weniger Reichen seit Jahrhunderten tausend Listen, die ihnen helfen, ihre Opfer zu ignorieren.

Trotzdem sind die repressiven und mörderischen Strukturen, die für den Hunger verantwortlich sind, allgemein bekannt. Rufen wir uns einige ins Gedächtnis.

Zunächst die Auslandsverschuldung der ärmsten Länder des Südens, die sich 2022 auf 1100 Milliarden Dollar belief, mehr als doppelt so hoch wie 2012.

Betrachten wir ein konkretes Beispiel, das zeigt, wie katastrophal die Folgen dieser Auslandsverschuldung sind. In den Sahelländern südlich der Sahara werden auf einem Hektar landwirtschaftlicher Anbaufläche – in normalen Zeiten, das heißt, wenn sie von Heuschreckenschwärmen, Krieg, Trockenheit und allen sonstigen Klimakatastrophen verschont bleibt – 600 bis 700 Kilogramm Getreide produziert. In Frankreich, in Belgien, in Tirol oder im Piemont beträgt der Ertrag auf der gleichen Fläche im Schnitt 10 000 Kilogramm. Selbstverständlich ist dieser Unterschied nicht darauf zurückzuführen, dass die afrikanischen Landwirte und Landwirtinnen weniger fähig oder fleißig sind als die europäischen Landwirte und Landwirtinnen. Er ergibt sich einfach daraus, dass Erstere über keinerlei Hilfsmittel verfügen wie Bewässerung, Mineraldünger und Investitionen vonseiten des Staates, der selbst von seiner Auslandsverschuldung erdrückt wird.

Erließe man den ärmsten Ländern die Auslandsschulden, würde sich ihre Nahrungsproduktion sofort und massiv erhöhen.

Noch ein weiteres Beispiel für den mörderischen Mechanismus, der für den Hunger auf dem Planeten verantwortlich ist: die Spekulation. Alle wissen, dass Mais, Weizen, Reis und andere Getreidearten – das heißt die Grundnahrungsmittel, die 75 Prozent des weltweiten Verbrauchs ausmachen – wie jede andere Ware an den Börsen der Welt gehandelt werden. Durch diese Finanzialisierung der Grundnahrungsmittel gelingt es den Spekulanten – in erster Linie denen der großen Finanzgruppen und Banken –, astronomische Gewinne zu erzielen. Mit verheerenden Folgen: Die Weltmarktpreise gehen in die Höhe. Doch wenn diese Preise steigen, sieht sich die Familienmutter, die in den brasilianischen Favelas, in den Smokey Mountains von Manila, in den Slums von Dhaka in Bangladesch mit extrem wenig Geld Nahrungsmittel für ihre Kinder kaufen soll, Waren gegenüber, die für sie unerschwinglich sind. Dann kehrt sie mit noch weniger Nahrungsmitteln als sonst zurück, wodurch die Gefahr, dass sie ihre Kinder verhungern sieht, weiter wächst.

Ein Verbot der Börsenspekulation auf Grundnahrungsmittel wäre folglich ein zweites, unmittelbar anwendbares Mittel, um den Kampf gegen Hunger und Fehlernährung aufzunehmen. Keine Börse der Welt kommt ohne Regeln aus. In Europa, den Vereinigten Staaten und Asien könnte man die Spekulation auf Grundnahrungsmittel verbieten, indem man einfach einen neuen Artikel in die bestehenden Börsenvorschriften aufnähme. In kürzester Zeit wären auf diese Weise Millionen Menschen gerettet.

Das erinnert mich an ein anderes Vorkommnis. Als Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für das Recht auf Nahrung war ich auf mehreren Missionen in Bolivien. Der Flughafen von La Paz liegt auf fast 4000 Metern Höhe. Jedes Mal habe ich aus Gesundheitsgründen einige Tage in Lima an der Pazifikküste zugebracht und befand mich dort an der Grenze zu einem Bidonville, das ich bei der Zusammenarbeit mit der Kinderhilfsorganisation Terre des Hommes kennengelernt hatte. Bei Einbruch der Nacht sah ich, wie sich dort Frauen in einer langen Schlange vor einem Reislager anstellten. In diesem Jahr war der Weltmarktpreis für Reis gestiegen und hatte den Spekulanten gewaltige Gewinne gebracht. Bis Mitternacht bin ich in dem stickend heißen Lager geblieben. Nicht eine einzige Frau habe ich gesehen, die sich auch nur ein halbes Kilo Reis leisten konnte. Die Mütter kauften den Reis in Plastikbechern. Sie gingen nach Hause, entzündeten das Feuer unter großen Töpfen und schütteten den Inhalt ihrer Becher hinein. In dem kochenden Wasser schwammen ein paar spärliche Reiskörner: das Essen der Kinder für den kommenden Tag.

Auch gegen eine andere Fehlentwicklung müsste man vorgehen: die ungebremste Überschwemmung der außereuropäischen Agrarmärkte mit den spottbilligen Überschüssen der Europäischen Union, die zu viel produziert und ihre Überproduktion zu konkurrenzlosen Preisen – Dumpingpreisen – exportiert, um die Preise innerhalb des Kontinents stabil zu halten. Beispielsweise kann man auf den Märkten von Dakar, etwa dem Sandaga-Markt, das ganze Jahr hindurch Obst und Gemüse aus Frankreich, Griechenland und Belgien oder Hähnchen aus Spanien etc. für die Hälfte oder ein Drittel der entsprechenden Inlandspreise kaufen.

Das ist natürlich der Ruin für den afrikanischen Bauern, der sich zwölf Stunden am Tag unter brennender Sonne mit Frau und Kindern auf seinem Land abrackert. Und der nicht die geringste Aussicht hat, ein Existenzminimum zu verdienen, wenn ähnliche Produkte zu Preisen angeboten werden, die weit unter denen liegen, die er vernünftigerweise verlangen müsste.

Es ist noch eine weitere dieser mörderischen Wirtschaftsstrukturen zu erwähnen, die es dringend zu beseitigen gilt: der Verkauf landwirtschaftlicher Anbauflächen in Afrika, Asien oder der Karibik an ausländische Finanzgruppen unter undurchsichtigen Bedingungen, bei denen nicht selten Korruption oder Zwang eine Rolle spielen. Diese Praxis, ein Erbe des Kolonialzeitalters, wird als Landgrabbing bezeichnet.

Im letzten Jahr sind allein auf dem afrikanischen Kontinent 41 Millionen Hektar Land ausländischen Finanzgruppen in die Hände gefallen, die die indigenen Bauern von ihrem Land verjagt haben. Dadurch sind diese Unternehmen, die auf den geraubten Ländereien Blumen oder Lebensmittel für den Export in Industrieländer anbauen, auch für den Tod von Zehntausenden – vielleicht sogar von Millionen – Menschen verantwortlich. Auch hier ist ein Totalverbot dieses unrechtmäßigen, kriminellen Landraubs unverzichtbar. Dazu brauchte man nur zu untersagen, dass diese ausländischen Gruppen landwirtschaftliche Nutzflächen aufkaufen, die von indigenen Bauern bestellt werden. Das ist eine Entscheidung, die ohne Schwierigkeiten getroffen und unverzüglich in Kraft gesetzt werden könnte, eine Entscheidung, die Millionen Menschen augenblicklich das Leben retten könnte.

Ich wiederhole mit Nachdruck: Der Hunger ist kein Schicksal. Er ist menschengemacht und könnte, wenn man es wollte, im Handumdrehen vom Antlitz unseres Planeten gefegt werden.

Sommer 2023.

Wir befinden uns an der Schwelle schrecklicher Hungersnöte in Afrika, in Nahost, in Asien. Dafür ist im Wesentlichen der Vernichtungskrieg verantwortlich, der seit dem 24. Februar 2022 von Wladimir Putin gegen das ukrainische Volk geführt wird. Die Ukraine war bis zum Sommer 2022 eines der weltweit wichtigsten Exportländer für Getreide. Eine der unmittelbaren Folgen dieses russischen Angriffskrieges ist, neben dem Tod und der Verzweiflung, die er über die Menschen bringt, die Explosion der Preise für Weizen, Gerste, Hirse, Mais, Roggen und für Dünger und Pflanzenöle. Seit dem 24. Februar 2022 bombardieren, verminen und zerstören die russischen Aggressoren systematisch die landwirtschaftlichen Unternehmen, Anbaugebiete und Infrastrukturen, sodass die Arbeit der ukrainischen Landwirtinnen und Landwirte extrem gefährlich wird. Die ukrainische Produktion ist implodiert. Die überwiegenden Teile der Infrastruktur wurden zerstört. Heute ist die Ukraine weltweit das Land mit der höchsten Minendichte: 170 000 Quadratkilometer ihres Territoriums, was ungefähr der doppelten Fläche Österreichs entspricht, sind vermint.**

Russland bombardiert die ukrainischen Schwarzmeerhäfen. Russische Kriegsschiffe machen Jagd auf die wenigen ukrainischen Frachtschiffe, denen es wie durch ein Wunder gelingt, der Seeblockade zu entgehen, und zerstören sie.

Einige Zahlen von Ende 2022: Zwischen 20 und 25 Millionen Tonnen Getreide haben in den ukrainischen Silos festgelegen. Vorwiegend stammten sie aus der Ernte 2021 und hätten bis Ende Februar 2022 exportiert werden müssen. 2023 verdarben sie in den Silos.

Für die Ernte 2023 geht der ukrainische Landwirtschaftsminister von 19,2 Millionen Tonnen Getreide aus, was einer Einbuße von 45 Prozent gegenüber 2021 entspricht.

Bis zum russischen Überfall sind 95 Prozent der ukrainischen Landwirtschaftsexporte über das Schwarze Meer abgewickelt worden. Seit Beginn der russischen Seeblockade bemüht sich die Regierung in Kiew um andere Handelswege. Vor allem hat sie mit Rumänien verhandelt. Seither wird ein Teil des ukrainischen Getreides über Constanța exportiert. Die Route ist kompliziert: Das Getreide muss mit Kähnen und kleinen Schiffen über die Donau herbeigeschafft werden – 2022 konnten nur 625 000 Tonnen ukrainisches Getreide exportiert werden, entweder über Constanța oder auf dem Landweg mit der Eisenbahn –, allerdings haben die Gleise der beiden Länder unterschiedliche Spurweiten, wodurch es zu erheblichen Mehrkosten kommt. Und die Russen greifen systematisch die neuralgischen Punkte an, über die die Ukraine noch einen Teil ihrer Ernte exportieren kann, vor allem die beiden kleinen ukrainischen Häfen Reni und Ismail am Donaudelta in unmittelbarer Nachbarschaft Rumäniens. Dort besteht die Gefahr, dass mit Sprengstoff bestückte Drohnen – wie 2023*** geschehen – auf rumänischem Boden einschlagen, also auf dem Gebiet der NATO, der Organisation des Nordatlantikvertrags.

Seit Beginn dieses Krieges ist Putin in einem Widerspruch gefangen: Wenn er die ukrainischen Exporte verhindert, wird er für einen dramatischen Anstieg der Hungersnöte verantwortlich gemacht, vor allem in Afrika. Wenn er dagegen den Handelsschiffen mit ukrainischen Ladungen die Durchfahrt gestattet, ermöglicht er der Regierung in Kiew, Devisen einzunehmen.

Im Juli 2022 schlug António Guterres, der beharrliche Generalsekretär der UNO, eine Lösung vor: ein Abkommen unter internationaler Kontrolle, das von den kriegführenden Staaten akzeptiert wurde. UNO-Beamte sollten die Ladungen der ausländischen oder ukrainischen Schiffe in Odessa kontrollieren. Anschließend war vorgesehen, dass diese Schiffe sich im Schwarzen Meer in einem Korridor bewegten, der 310 Seemeilen (574 Kilometer) lang und 3 Seemeilen (5,5 Kilometer) breit war und von der türkischen Kriegsmarine überwacht wurde. In Istanbul sollte eine Kommission aus Russen, Türken, Ukrainern und UNO-Beamten die Ladungen aller Schiffe kontrollieren, die in die eine oder die andere Richtung fuhren.

Die Russen waren natürlich von der Furcht besessen, auf diesem Weg könnten Waffen für die Ukraine eingeschmuggelt werden.

Das Abkommen trat in Kraft. Die Kontrollen erwiesen sich als langwierig und kostspielig. So hat die Agentur Bloomberg errechnet, dass diese Kontrollen die Preise für die Transporte zwischen Bosporus und der Einfahrt des Suezkanals vervierfacht haben.

Fast 1000 Schiffe verschiedener Nationalitäten haben den Korridor seit dem 22. Juli 2022 befahren. Das Vier-Parteien-Abkommen zwischen Russland, Ukraine, Türkei und UNO wurde mehrfach ausgesetzt und immer wieder neu verhandelt.

Diese Verhandlungen fanden unter der Schirmherrschaft der UNCTAD statt (der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung), wobei eine Atmosphäre tiefen Misstrauens herrschte.

Mit ihren Betonmauern und Stacheldrahtabsperrungen wirkt die Botschaft der Russischen Föderation an der UNO in Genf, gegenüber dem Völkerbundpalast in der Avenue de la Paix, wie eine Festung. Dort beruft der finstere Sergei Lawrow, Putins Außenminister, am Montag, dem 17. Juli 2023, eine Pressekonferenz ein. Mit monotoner Stimme verkündet er, was wahrscheinlich für Hunderttausende von Menschen auf ein Todesurteil durch Verhungern hinauslaufen wird. Er erklärt: Ab Mittwoch, dem 19. Juli, um Mitternacht wird jedes Schiff, das landwirtschaftliche Erzeugnisse oder andere Güter aus der Ukraine geladen hat, unabhängig von seiner Nationalität von Russland als feindliches Kriegsschiff betrachtet und versenkt.****

45 der 122 Länder der südlichen Hemisphäre importieren in normalen Zeiten mehr als ein Drittel – und damit einen großen Teil – ihrer Nahrungsmittel aus der Ukraine. Für den Nahrungsmittel-Preisindex der FAO wird der durchschnittliche Jahrespreis für eine bestimmte Anzahl von Grundnahrungsmitteln errechnet. Dieser Index ist seit Beginn des Jahres 2023 um 32 Prozent angestiegen.

2022, zu Beginn des Krieges, waren die Lebensmittelpreise bereits erhöht, weil die Lieferketten durch die Covid-19-Pandemie beeinträchtigt waren.

Auch die während des Krieges explodierten Energiekosten treiben die Preise der landwirtschaftlichen Produkte in die Höhe. Bei einem großen Teil ihrer fossilen Energien sind die Europäer von Russland abhängig. 2021 machte die Energie – Gas und Öl – 62 Prozent der Importe der Europäischen Union aus. Folglich führt der Konflikt zu einer Preiserhöhung dieser Brennstoffe, die einen wichtigen Teil der laufenden Kosten bei landwirtschaftlichen Betrieben ausmachen – Versorgung von Maschinen und Tieren, Heizen der Gewächshäuser –, was besonders in Frankreich zu Buche schlägt, da die französische Landwirtschaft führend in der EU und weltweit der größte Exporteur landwirtschaftlicher Produkte ist. Zu einer noch heftigeren Preisexplosion ist es auf dem Düngermarkt gekommen, vor allem beim Stickstoffdünger für den Anbau von Weizen.

Der Vernichtungskrieg, den Putin gegen das ukrainische Volk entfesselt hat, ist nicht die einzige Ursache für die Preisexplosion bei Lebensmitteln und für den dadurch bedingten millionenfachen Hunger. Es gilt auch andere Ursachen zu berücksichtigen.

Um ihre Bevölkerung vor Lebensmittelknappheit zu beschützen, haben 20 Staaten die Ausfuhr von 32 Grundnahrungsmitteln verboten. Dieses Embargo betrifft mehr als ein Fünftel des weltweiten Handels mit Lebensmitteln.

Besonders dramatisch ist das Exportverbot für Getreide, das Indien verhängt hat, und das für Palmöl, das Indonesien beschlossen hat. Argentinien hat den Export von Fleisch eingeschränkt, Iran den von Kartoffeln. All diese Embargos verknappen die Lebensmittel, die auf dem Weltmarkt verfügbar sind, und tragen zur rasanten Preisentwicklung bei.

Schauen wir uns die Entwicklung des Reispreises etwas genauer an. Reis ist das meistkonsumierte Getreide der Welt. Im August 2023 hat sein Weltmarktpreis den höchsten Stand seit 15 Jahren erreicht. Allein im Monat August 2023 ist er um 9,8 Prozent gestiegen. Auf Indien entfallen 40 Prozent des Welthandels mit Reis, gefolgt von Thailand und Vietnam.

Am 21. Juli 2023 hat die Regierung in Neu-Delhi ein totales Exportverbot für weißen Nicht-Basmatireis erlassen, was einem Viertel seiner üblichen Reisexporte entspricht.

Ein anderer Grund für die Preisexplosion und die Verknappung bei Grundnahrungsmitteln ist natürlich die Klimakrise. In Afrika ist ein Drittel der Böden trocken. Als trocken werden Böden bezeichnet, auf denen im Jahresdurchschnitt weniger als 250 Millimeter Regen pro Quadratmeter fallen. Ohne künstliche Bewässerung ist dort keine landwirtschaftliche Produktion mehr möglich. Doch im subsaharischen Afrika werden nur 3,5 Prozent der Böden bewässert. In den übrigen Gebieten müssen sich die Bauern mit dem Regenfeldbau begnügen … wie seit 3000 Jahren.

In den sieben Sahelstaaten liegt der Grundwasserspiegel in einer Tiefe von mehr als 60 Metern. Von dort lässt sich das Wasser nicht mehr mit den traditionellen Mitteln – Seil und Eimer – heraufbefördern. Man braucht Elektropumpen. Doch die sind für die meisten Bauernfamilien unerschwinglich.

Die Sahara breitet sich unaufhaltsam nach Süden aus. Von Wüsten spricht man, wenn die jährliche Regenmenge pro Quadratmeter unter 80 Millimeter sinkt. Auf dem ausgetrockneten, vegetationslosen Boden sterben zunächst die Tiere, dann die Menschen. Ihre letzten Kräfte mobilisierend, fliehen die Überlebenden in Richtung der Küste, wo sie Unterschlupf in Bidonvilles bzw. Slums finden – denen von Dakar, Lagos, Cotonou am Atlantik, von Mogadischu und Mombasa am Indischen Ozean.

Ich liebe die arabische Sprache. Meine erste Frau, die Mutter meines Sohns, ist Ägypterin. Ich erinnere mich an längst vergangene Urlaubstage bei meinen damaligen Schwiegereltern in Kairo, unweit des Soliman-Pascha-Platzes. Mit den ersten Sonnenstrahlen trafen auf dem Hinterhof der Wohngebäude die Bäckerjungen ein, Buben von 12 bis 14 Jahren. Sie zogen schwere Holzkarren hinter sich her, auf denen Fladenbrot, das Grundnahrungsmittel der Ägypter, zu kunstvollen Pyramiden aufgeschichtet war. Mit ihren hellen Kinderstimmen riefen sie: »Aisha! … Aisha!« So heißt dieses Fladenbrot. Der Name bedeutet aber auch »Leben«.

Im März 2022 erklärte UN-Generalsekretär António Guterres: »Die Tsunamis des Hungers bedrohen die Dritte Welt.« Putins Krieg gegen die Ukraine ist eine unmittelbare Bedrohung für Ägypten. Dieses Land mit seiner Bevölkerung von 102 Millionen Einwohnern (die jedes Jahr um eine Million anwächst) ist einer der größten Nahrungsimporteure der Welt.

2022, vor dem Krieg, führte Ägypten jährlich mehr als 12 Millionen Tonnen Getreide ein, darunter 8 Millionen Tonnen aus der Ukraine.

Fladenbrot, ein Grundnahrungsmittel, wird zur Hälfte vom Staat subventioniert. Im Juli 2023 verfügte Ägypten über Vorräte für vier Monate. Wenn die Preise unaufhaltsam steigen, kann der Staat die Subventionen nicht auszahlen. Wie 1977, als die Ernte landesweit von der Dürre vernichtet und die Städte von Hungerrevolten verwüstet wurden. Aber dieses Mal werden die Notkredite der Weltbank nicht ausreichen, um eine noch größere Katastrophe zu verhindern.

Auch Tunesien ist besonders gefährdet. Die Speicherkapazität des Landes ist beschränkt. Seine Vorräte reichen kaum länger als zwei Monate. Algerien führt jährlich 7,7 Millionen Tonnen Getreide ein, den größten Teil aus der Ukraine.

Kommen wir auf Ägypten zurück. Kaum mehr als 10 Prozent dieses wunderbaren Landes sind landwirtschaftlich nutzbar. Mehr als 70 Prozent der Ägypter leben vom staatlich subventionierten Fladenbrot. Nur ein Drittel des dazu notwendigen Getreides wird von ägyptischen Bauern produziert. Der Wegfall der Lebensmittelimporte aus der Ukraine und die daraus resultierende Preisexplosion stellen die Regierung in Kairo vor ein unlösbares Problem.

Der Weltmarktpreis für eine Tonne Weizen steigt unaufhörlich. Im Juli 2023 pendelte er sich bei 485 US-Dollar ein.