Trump in Putins Hand - Craig Unger - E-Book

Trump in Putins Hand E-Book

Craig Unger

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Beschreibung

Trump in Putins Hand liefert die erste umfassende Untersuchung der jahrzehntelangen Beziehungen zwischen Donald Trump, Wladimir Putin und der russischen Mafia, die letztlich dazu beigetragen hat, Trump ins Weiße Haus zu hieven.   Es ist eine erschreckende Geschichte, die in den 1970er Jahren beginnt, als Trump seinen ersten Ausflug in die boomende, geldgierige Welt des New Yorker Immobilienmarktes unternahm und mit der Amtseinführung von Trump als Präsident der Vereinigten Staaten endet. Dieser Moment war der Höhepunkt von Wladimir Putins von langer Hand geplanter Mission zur Untergrabung der westlichen Demokratie, eine Mission, in die er und eine handverlesene Gruppe von russischen Oligarchen und Mafia-Größen Trump hineingezogen hatten und die vor mehr als zwanzig Jahren mit dem Bailout einer ganzen Kette von spektakulären Hotel- und Casino-Pleiten Trumps in Atlantic City ihren Anfang nahm. Trump in Putins Hand bestätigt selbst die schlimmsten Befürchtungen über die russische Verschwörung.   Für die meisten Leser wird es eine haarsträubende Offenbarung sein, dass der Kalte Krieg 1991 keineswegs zu Ende ging, sondern er sich lediglich weiterentwickelt hat, wobei Trumps Immobilien das perfekte Vehikel für die Milliarden von Dollar boten, die aus der kollabierenden Sowjetunion herausgeschleust wurden. In Trump in Putins Hand verfolgt Craig Unger systematisch die tief verwurzelte Allianz zwischen den höchsten Ebenen der amerikanischen Politik und den mächtigsten Strippenziehern der russischen Mafia. Unger zeichnet Donald Trumps schmutzigen Aufstieg vom von der Pleite bedrohten Immobilienmagnaten zum Anführer der freien Welt nach. Parallel dazu zeichnet er den phönixartigen Aufstieg Russlands aus der Asche der Sowjetunion nach dem Ende des Kalten Krieges sowie die unaufhörlichen geheimen Bemühungen der russischen Machtelite nach, sich am Westen zu rächen und Russland wieder zu einer globalen Supermacht zu machen.   Ohne Trump hätte Russland eine Schlüsselkomponente bei seinen Bemühungen, das Land zu imperialer Größe zurückzuführen, gefehlt. Ohne Russland wäre Trump nicht Präsident. Dieses wichtige Buch ist entscheidend für das Verständnis der wahren Kräfte, die im Schattenreich der heutigen Welt am Wirken sind.          

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Veröffentlichungsjahr: 2018

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Das Buch

Trump in Putins Hand ist die erste umfassende Untersuchung der jahrzehntelangen Beziehungen zwischen Donald Trump, Wladimir Putin und der russischen Mafia, die letztlich dazu beigetragen hat, Trump ins Weiße Haus zu hieven.

Die Geschichte beginnt in den 1970er Jahren, als Trump seinen ersten Ausflug in die boomende Welt des New Yorker Immobilienmarktes unternahm und endet mit seiner Amtseinführung als Präsident der Vereinigten Staaten. Dieser Moment war der Höhepunkt der von Wladimir Putin von langer Hand geplanten Mission zur Untergrabung der westlichen Demokratie – eine Mission, in die er und eine handverlesene Gruppe russischer Oligarchen und Mafia-Größen Trump hineingezogen hatten und die vor mehr als dreißig Jahren mit dem Bailout einer Kette spektakulärer Hotel- und Casino-Pleiten Trumps ihren Anfang nahm. Trumps Immobilien boten das perfekte Vehikel für die Milliarden von Dollar, die aus der kollabierenden Sowjetunion herausgeschleust wurden.

Unger verfolgt systematisch die tief verwurzelte Allianz zwischen den höchsten Ebenen der amerikanischen Politik und den mächtigsten Strippenziehern der russischen Mafia. Diese forensische Studie erklärt die wahren Kräfte, die im Schattenreich der heutigen Welt am Wirken sind.

Der Autor

CRAIG UNGER ist Autor des New York Times-Bestsellers »House of Bush, House of Saud: The Secret Relationship between the World’s Two Most Powerful Dynasties« (2004). Der Harvard-Absolvent und Journalist spricht als Experte regelmäßig bei MSNBC, CNN, ABC Radio Network und anderen Sendern. Der frühere Chefredakteur des Boston Magazine schrieb zum Thema bereits für Vanity Fair und The New Republic. Für seine Arbeit wurde Unger vielfach ausgezeichnet, unter anderem vom National Press Club für seine investigativen Recherchen.

Craig Unger

Trump in Putins Hand

Die wahre Geschichte von Donald Trump und der russischen Mafia

Aus dem Amerikanischen von Helmut Dierlamm, Norbert Juraschitz, Karsten Petersen, Thomas Pfeiffer

Econ

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ISBN 978-3-8437-1883-7

Die Originalausgabe erschien 2018 unter dem TitelHouse of Trump. House of Putin. The Untold Story of Donald Trump and the Russian Mafia bei Dutton, einem Imprint der Penguin Publishing Group, New York. © 2018 Craig Unger © der deutschsprachigen Ausgabe 2018 by Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin Umschlaggestaltung: FHCM GRAPHICS, Berlin, unter Verwendung einer Vorlage von Pete Garceau Umschlagabbildung: © Mikhail Pochuyev/Getty Imanges

E-Book: L42 AG, Berlin

Zum Gedenken an Paul Klebnikov, Alexander Litwinenko, Sergej Magnitski, Anna Politkowskaja und die vielen anderen Journalisten, Ermittler und Dissidenten, die ihr Leben verloren, weil sie Putins Kleptokratie untersuchten.

Inhalt

Kapitel eins

Der (virtuelle) Dritte Weltkrieg

Kapitel zwei

Trumps wunderbarer Waschsalon

Kapitel drei

Verheiratet mit der Mafia

Kapitel vier

Brighton Beach

Kapitel fünf

Sexfalle

Kapitel sechs

Gangsterparadies

Kapitel sieben

Der Milliardärsklub

Kapitel acht

Mogilewitschs Coup

Kapitel neun

Daumenschrauben

Kapitel zehn

Die Geldpipelines

Kapitel elf

Leichte Beute

Kapitel zwölf

Spion in geheimer Mission

Kapitel dreizehn

Bayrock

Kapitel vierzehn

Motte und Licht

Kapitel fünfzehn

Putins Rache

Kapitel sechzehn

Blutgeld

Kapitel siebzehn

Krieg mit anderen Mitteln

Kapitel achtzehn

Mit vereinten Kräften

Kapitel neunzehn

Inoffizielle Kanäle

Kapitel zwanzig

Endspiel

Trumps 59 russische Verbindungen

Bildteil

Danksagung

Anmerkungen

Es ist wunderbar, dass der Eiserne Vorhang gefallen ist, aber er war ein Schutzschild für den Westen. Jetzt haben wir die Tore geöffnet, und das ist sehr gefährlich für die Welt. Es kommen russische Kriminelle in die Vereinigten Staaten. Niemand wird die Ressourcen haben, sie zu stoppen. Ihr Leute im Westen kennt unsere Mafiya noch nicht – aber ihr werdet sie kennenlernen, ihr werdet sie kennenlernen!

—Boris Urow, ehemaliger Chefermittler für Kapitalverbrechen im Stab des russischen Generalstaatsanwalts, etwa 19931

Russland hat nie versucht, mich unter Druck zu setzen. ICHHABENICHTSMITRUSSLAND ZU TUN – KEINEDEALS, KEINEKREDITE, ABSOLUTNICHTS!

—Donald Trump, 11. Januar 2017, über Twitter

Kapitel eins

Der (virtuelle) Dritte Weltkrieg

Am 9. November 2016 um 9:32 Uhr Moskauer Ortszeit trat der Abgeordnete Wjatscheslaw Nikonow der Pro-Putin-Partei Einiges Russland ans Rednerpult der Staatsduma, des russischen Äquivalents des US-Repräsentantenhauses, um eine ganz außergewöhnliche Erklärung abzugeben.

Der Enkelsohn von Wjatscheslaw Molotow – dem kaltblütig-skrupellosen Stalinisten, nach dem der Molotowcocktail benannt wurde – war seit etwa 40 Jahren in der sowjetischen und russischen Politik aktiv gewesen und hatte dabei auch zeitweise in Wladimir Putins Stab gedient. Jetzt wollte er eine ziemlich schlichte, zurückhaltende Ankündigung machen, die auf ihre Art jedoch ebenso historisch und aufrührerisch war wie alles, was sein Großvater jemals getan hatte.

»Liebe Freunde, verehrte Kollegen!«, sagte Nikonow. »Vor drei Minuten hat Hillary Clinton anerkannt, dass sie die US-Präsidentschaftswahlen verloren hat. Vor ein paar Sekunden hat Trump begonnen, seine Antrittsrede als gewählter Präsident der Vereinigten Staaten zu halten, und dazu gratuliere ich Ihnen.«1

Obwohl Nikonow nicht erwähnte, was viele im Kreml bereits wussten, wurde sein kurzes Statement mit begeistertem Applaus begrüßt: Donald J. Trump war soeben zu Wladimir Putins Mann im Weißen Haus geworden.

*

Dieses Buch berichtet von einer der größten Geheimdienstoperationen der Geschichte, einem Unterfangen, das jahrzehntelang vorbereitet worden war und durch das die russische Mafia und russische Geheimagenten es schafften, ein entweder absichtlich unwissendes oder unerklärlich ahnungsloses Russian asset zu finden (mit »Asset« ist hier eine Person gemeint, die Einfluss auf die öffentliche Meinung hat), zu kompromittieren und dann als mächtigsten Mann der Welt im Weißen Haus zu installieren. Ohne einen einzigen Schuss abzugeben, schafften es die Russen durch diese Operation, einen Mann an die Macht zu bringen, der sich sofort daranmachte, das westliche Bündnis zu untergraben, das seit mehr als 70 Jahren das Fundament der nationalen Sicherheit der Vereinigten Staaten gebildet hatte; massive Handelskriege mit den langjährigen Verbündeten der Vereinigten Staaten vom Zaun zu brechen; gegen Zuwanderung agitierenden Populisten vom rechten Flügel Auftrieb zu geben und die rechtsstaatliche Verfasstheit der Vereinigten Staaten zu attackieren.

Kurzum, in einer Zeit, in der die USA mit einer neuen Form der Kriegsführung konfrontiert waren – einem hybriden Krieg, der über Cyberkrieg, Hackerangriffe, Desinformation und Ähnliches mehr geführt wurde –, sollten sie von einem Mann geführt werden, der die Abwehr des Landes untergraben und ungewollt dem Kreml in die Hände spielen würde.

Es ist eine Geschichte, die schwierig zu erzählen ist, obwohl Donald Trumps Beziehungen zu Russland im Verlauf der vergangenen 40 Jahre in vielerlei Hinsicht ein offenes Geheimnis sind. Ein Grund, warum sie so lange weitgehend unbemerkt blieben, könnte darin liegen, dass einige ihrer Aspekte so verstörend und grenzüberschreitend sind, dass es vielen US-Bürgern widerstrebt, sich den finsteren Realitäten zu stellen, die sich direkt vor ihren Nasen abspielen.

Das führt dazu, dass die eigentlichen Worte für das, was geschah, häufig durch erbitterte semantische Diskussionen verdrängt werden. Was immer Russland in Bezug auf die Präsidentschaftswahlen 2016 getan hat – war es nun ein Angriff auf die Souveränität der Vereinigten Staaten oder nur eine unerwünschte Einmischung? War es ein feindlicher Akt? Hat die Beeinflussung der Russen das Ergebnis der US-Präsidentschaftswahlen 2016 geändert? War es Landesverrat? Ist Donald Trump ein Verräter? Ein russischer Agent? Oder lediglich ein sogenannter nützlicher Idiot, der irgendwie – durch absichtliche Blindheit oder kolossale Ahnungslosigkeit – nicht einmal weiß, dass er durch Russland kompromittiert wurde?

Präsident Donald Trump bestreitet natürlich, irgendetwas mit Russland zu tun zu haben. Zehn Tage vor seiner Vereidigung hat er getweetet: »Russland hat nie versucht, mich unter Druck zu setzen. ICHHABENICHTSMITRUSSLAND ZU TUN – KEINEDEALS, KEINEKREDITE, ABSOLUTNICHTS!«2

Doch dieses Buch wird zeigen, dass Präsident Donald Trump und Konsorten in den vergangenen 40 Jahren bedeutsame Beziehungen zu mindestens 59 Personen hatten, die Geschäfte zwischen Trump und den Russen förderten – darunter auch Beziehungen zu Dutzenden Personen, die angeblich Verbindungen zur russischen Mafia haben.

Es wird zeigen, dass Präsident Trump die Verwendung von Trump-Immobilien als ein Vehikel zuließ, das wahrscheinlich seit mehr als 30 Jahren dazu diente, enorme Geldsummen – womöglich Milliardenbeträge – für die russische Mafia zu waschen.

Es wird zeigen, dass Präsident Trump in ungefähr demselben Zeitraum immer wieder für dem Kreml nahestehende Oligarchen und einige der mächtigsten Figuren der russischen Mafia eine Operationsbasis bereitstellte, in seinem Trump Tower – dem Kronjuwel seines Immobilienimperiums, wo er seine Privatwohnung und sein Büro hat – und in anderen Gebäuden.

Es wird zeigen, dass in diesem Zeitraum die russische Mafia wahrscheinlich de facto der Russischen Föderation gedient hat, ganz ähnlich wie US-Geheimdienste den Vereinigten Staaten dienen, und dass viele Personen aus Trumps Umfeld enge Beziehungen zum russischen FSB (»Föderaler Dienst für die Sicherheit der Russischen Föderation«) pflegten, dem staatlichen Geheimdienst, der als Nachfolger des gefürchteten KGB (»Komitee für Staatssicherheit«) fungiert.

Es wird zeigen, dass Präsident Trump für sowjetische und russische Geheimdienste seit über 40 Jahren eine Person von Interesse ist, und dass er wahrscheinlich das Ziel einer oder mehrerer Operationen war, die kompromat (kompromittierendes Material) über seine sexuellen Aktivitäten produzierten.

Es wird zeigen, dass russische Akteure, darunter auch Schlüsselfiguren der russischen Mafia, die Schwachstellen der Pay-for-Play-Kultur der US-Politik sehr genau analysierten – vom Vertrieb von Benzin bis zur Wall Street, von Wahlkampfspenden bis zu den Machenschaften von Lobbyisten in der Washingtoner K Street – und dann dutzendweise mächtige Anwälte, Lobbyisten, Steuerberater und Immobilienentwickler engagierten, um das Wahlsystem, die Justiz und diverse Finanzinstitutionen der Vereinigten Staaten zu kompromittieren.

Es wird zeigen, dass Präsident Trump keineswegs das einzige potenzielle »Asset« war, das von den Russen ins Visier genommen wurde, sondern nur einer von zig Politikern – die meisten von ihnen Republikaner, aber auch einige Demokraten – und Geschäftsleuten, die bei Russland in der Schuld standen, und dass seit über 20 Jahren Millionenbeträge von Einzelpersonen und Unternehmen, die aus Russland stammen oder Verbindungen zu Russland haben, an Politiker der Republikanischen Partei fließen, etwa an Mitch McConnell, den Mehrheitsführer im US-Senat.

Es wird zeigen, dass die mächtigsten Funktionäre der nationalen Sicherheitsdienste der Vereinigten Staaten – darunter die beiden FBI-Direktoren William Sessions und Louis Freeh sowie der Sonderermittler der CIA Mitchell Rogovin – letztlich mit Russen zusammenarbeiteten, die als ernsthafte Bedrohung für die Vereinigten Staaten galten.

Es wird zeigen, dass Präsident Trump mit vier Milliarden Dollar verschuldet war, als russisches Geld ihn vor dem Bankrott bewahrte, wodurch er nach wie vor tief in Russlands Schuld steht, weil es seine Businesskarriere wiederbelebte und sein neues Leben in der Politik auf den Weg brachte.

Es wird zeigen, dass Präsident Trump mit einem verurteilten Straftäter namens Felix Sater zusammenarbeitete, der angeblich Verbindungen zur russischen Mafia hatte, und dass Trump die Tatsache nicht öffentlich machte, dass Sater ein Krimineller ist und er selbst von dieser Beziehung profitierte.

Und es wird zeigen, dass Präsident Trump heute, da er Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte ist, im Endeffekt, um es mit den Worten des früheren Nationalen Geheimdienstdirektors James Clapper zu sagen, ein Geheimdienst-»Asset« ist, das dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zuarbeitet3 –, oder, noch schlimmer, wie der ehemalige CIA-Agent Glenn Carle gegenüber Newsweek sagte: »Meiner Einschätzung zufolge arbeitet Trump tatsächlich direkt für die Russen.«4

Aber vielleicht hat James Comey es am besten ausgedrückt. Im Januar 2017, also kaum eine Woche, nachdem Donald Trump als Präsident vereidigt worden war, lud der Präsident den damaligen FBI-Direktor Comey für ein Dinner unter vier Augen ins Weiße Haus ein. Comey hat Trump als »Mann ohne Moral« und »ohne jede Bindung an die Wahrheit« charakterisiert und sein Verhalten mit jenem eines Mafiabosses verglichen; in seinem Buch Größer als das Amt (A Higher Loyalty) schreibt er, Trump habe zu ihm gesagt: »Ich brauche Loyalität. Ich erwarte Loyalität.«5

Diese Forderung habe Comey an eine Initiationszeremonie der Cosa Nostra erinnert, mit Trump in der Rolle des Paten der Mafiafamilie. »Ich war erschüttert«, schreibt Comey. »Eine solche Begegnung hatte ich im Oval Office noch nie erlebt. Und die Tatsache, dass ich in den Trump’schen Dunstkreis gestoßen worden war, verursachte Flashbacks, lauter Dinge aus meiner Anfangszeit als Antimafiaermittler waren plötzlich wieder da. Der Schweigekreis des Einverständnisses. Der Boss mit der absoluten Kontrolle. Die Treueschwüre. Die Weltanschauung nach dem Prinzip ›Wir gegen die‹. Die Lügerei über alles, egal wie groß, im Dienst irgendeines Loyalitätskodex, der die Organisation über die Moral und über die Wahrheit stellt.«6

Comey schreibt, als sei der Vergleich mit der Mafia eine Metapher, doch in gewisser Hinsicht ist er mehr als das. Was folgt, ist die Geschichte der vier Jahrzehnte langen Beziehung Trumps zur Russenmafia und der russischen Geheimdienstoperation, die dazu beitrugen, ihn ins Weiße Haus zu bringen.

*

Am 23. Juni 2017, also sechs Monate nach seiner Amtseinführung, verkündete Präsident Donald Trump über Twitter, sein Vorgänger Barack Obama habe »schon lange vorher« gewusst, dass die Russen sich in die US-Präsidentschaftswahlen eingemischt hätten. Dieser Tweet war insofern ungewöhnlich, als er ein seltenes Zugeständnis des Präsidenten enthielt, dass die Russen die US-Wahlen 2016 manipuliert haben könnten, wurde jedoch davon begleitet, dass Trump sämtliche Ermittlungen in dieser Angelegenheit als »Hexenjagd« denunzierte.

An diesem Tag war der russische Präsident Wladimir Putin gerade unterwegs zur Halbinsel Krim, die Russland 2014 von der Ukraine annektiert hatte. Er hatte gute Gründe, für jede Schutzbehauptung seines US-amerikanischen Freundes dankbar zu sein. Sein Besuch auf der Krim war nicht willkommen, da er lokale Animositäten neu entfachte. Das ukrainische Außenministerium ließ verlauten, dass Kiew »diesen Besuch als grobe Missachtung der staatlichen Souveränität und der territorialen Integrität der Ukraine« betrachtete.7 Dies war ein Thema, das im Schattenspiel zwischen den beiden Männern eine große Rolle spielte: Putins offensichtliche Unterstützung für Trump schien Hand in Hand zu gehen mit Trumps stillschweigender Hinnahme der russischen Aggression in der Ukraine.

*

Während Putin und Trump die Schlagzeilen beherrschten, ereignete sich in der Ortschaft Devens im US-Bundesstaat Massachusetts etwas, das vom Skandal um Trumps Beziehungen zu Russland Lichtjahre entfernt zu sein schien, obwohl es in einem engen Zusammenhang zu dessen Ursprüngen stand. John »Sonny« Franzese, der älteste Häftling aller US-Bundesgefängnisse, wurde aus dem dortigen Gefängniskrankenhaus entlassen, nachdem er wegen Erpressung eine Haftstrafe von acht Jahren abgesessen hatte.8

Wegen seines Alters – Franzese hatte gerade seinen 100. Geburtstag gefeiert – wurde seine Entlassung auf der ganzen Welt gebührend zur Kenntnis genommen, vom deutschen Spiegel9 bis hin zur New York Post, die pflichtschuldigst Franzeses glorreiche Tage in Erinnerung rief, als er es sich mit Frank Sinatra und Boxweltmeister Jake LaMotta an der Copacabana hatte gut gehen lassen.10 Franzese, ein Underboss – italienisch: capo bastone oder sotto capo – der gefürchteten Gangsterfamilie Colombo, war wiederholt einer Anklage wegen Mordes entgangen, weil er es anscheinend meisterhaft verstand, Leichen verschwinden zu lassen. Nach einem solchen Freispruch tauchte allerdings ein Tonband auf, auf dem seine Stimme zu hören war, als er erklärte, wie er sich der Leichen von Dutzenden seiner Mordopfer entledigt hatte: »Zerstückle das Opfer in einem Kinderplanschbecken. Zerkoche die Körperteile in der Mikrowelle. Stopf das, was übrig ist, in den Mülleimer. Fass dich in Geduld.«11

Franzese war ein Mafioso der alten Schule, ein Relikt aus der Ära der »Five Families« der Cosa Nostra Mitte des 20. Jahrhunderts, deren Bandenkriege die Vorlage für den Hollywoodthriller Der Pate (The Godfather) bildeten. Seine Rückkehr nach Brooklyn beschwor diese packende, mythenumwobene Saga wieder herauf, die tief im Bewusstsein der US-Amerikaner verankert ist. Doch aus unerfindlichen Gründen ist der beständigste Teil seines Erbes, der für immer einen Platz in der US-Geschichte haben wird, heute fast völlig in Vergessenheit geraten. Über seinen Sohn Michael hatte Sonny Franzese eine Masche zur Hinterziehung von Benzinsteuern eingefädelt, die sich zu einem milliardenschweren Geschäft auswuchs, das sechs Jahre reibungslos lief, bis das FBI es Mitte der Achtzigerjahre auffliegen ließ. Dieser Skandal hatte weitreichende geopolitische Folgen, weil er der neu angekommenen russischen Mafiaa ihren ersten großen »Erfolg« verschaffte und sie in die Lage versetzte, eine entscheidende Rolle bei Donald Trumps Aufstieg an die Macht zu spielen – eine so entscheidende Rolle, dass man zu Recht sagen kann, Donald Trump wäre ohne den Einzug der Russenmafia in New York nicht Präsident der Vereinigten Staaten geworden.

Sonny Franzese wurde 1917 in Neapel geboren und wanderte als Kind mit seiner Familie in die Vereinigten Staaten ein. Als Jugendlicher fuhr er mit einer Schrotflinte bewaffnet als Wächter auf dem Lieferwagen der väterlichen Bäckerei in Brooklyn mit. In seinem Buch Blood Covenant (»Blutsbande«) berichtet Michael Franzese, dass Sonnys Aufstieg zu einer Zeit begann, als das Mafianachtleben bedeutete, im Stork Club in der West 58th Street in Manhattan zu dinieren, Sherman Billingsleys piekfeinem Refugium für die Schickeria, wo er dem Mädchen an der Garderobe den Hof machte und sie bald darauf heiratete. Er verbrachte seine Abende in der Gesellschaft von Leuten wie Grace Kelly, Marilyn Monroe, Ernest Hemingway, Damon Runyon und Walter Winchell. Bald hatten die Franzeses sich zu einem integralen Bestandteil der Colombo-Gangsterfamilie aufgeschwungen, der jüngsten und womöglich brutalsten der fünf Familien der organisierten Kriminalitätb, die sich in einen epischen und mörderischen Vernichtungskrieg untereinander verstrickt hatten.12

Wenn es darum ging, Einnahmen für die Colombo-Familie zu generieren, war Sonny zuständig für Buchmacherei, Wucherkredite, Prostitution, Schutzgelderpressung und Steuerbetrug. Er war ein gewalttätiger, stiernackiger Mann, der für seine platte Boxernase bekannt war – man sagte ihm eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Boxer Rocky Graziano nach – und sich im Lauf der Zeit zu einem drahtigen, sorgsam gepflegten Don entwickelte, der all die typischen Insignien seines Standes zur Schau trug – einen eleganten Borsalino, Brilli am kleinen Finger, spitze schwarze Schuhe, maßgeschneiderte Anzüge und einen hervorragend sitzenden Mantel. Mittlerweile führte er das Kommando über ein halbes Dutzend Lieutenants, die jeweils bis zu 30 Soldaten in der Organisation befehligten, und erwarb sich den Ruf eines brutalen Vollstreckers. »Er schwamm im größten aller Ozeane, und er war der größte, gnadenloseste, furchterregendste Hai in diesem Ozean«, sagte Phil Steinberg, ein enger Freund von Sonny und eine wichtige Figur in der Musikindustrie. »Er war ein Vollstrecker, und er konnte das, was er machte, besser als jeder andere.« Sein Sohn Michael drückte es so aus: Sonny »konnte den furchtlosesten Berufskiller durch bloßes Anstarren lähmen«.13

Aber manchmal ging er auch deutlich darüber hinaus. Im Jahr 1974 wurde ein Soldat der Colombo-Familie, der sich allzu sehr für Sonnys Frau interessiert hatte, in einem düsteren Kellerloch verscharrt mit einer Schlinge um den Hals gefunden. Laut einem Bericht in Vanity Fair waren dem Mann seine Genitalien abgeschnitten und in den Mund gestopft worden, was von den Ermittlungsbehörden als »offenkundiger Ausdruck von Sonnys Missfallen« gedeutet wurde.14

Als Underboss war es Sonny bestimmt, eines Tages die gesamte Colombo-Organisation zu führen, und mit Sohn Michael unter seinen Fittichen suchten die Franzeses nach Chancen in neuen Branchen der boomenden Unterhaltungsindustrie, die sich der Mafia öffneten. Sie finanzierten Deep Throat, den berühmt-berüchtigten Pornofilm mit Linda Lovelace. Sie förderten Phil Steinbergs Plattenlabels Kama Sutra/Buddah Records, wodurch sich diverse Möglichkeiten für Geldwäsche und Bestechung auftaten – ganz zu schweigen von etlichen Hits unter anderen von The Lovin’ Spoonful, The Shangri-Las und Gladys Knight & the Pips.15

Bald hatte sich Michael zu einem ausgewachsenen Caporegime wie sein Vater gemausert. Er landete als jüngste Person auf der Liste der »50 größten Mafiabosse« der Wirtschaftszeitschrift Fortune und galt als einer der größten Spitzenverdiener aus den Reihen der Mafia seit Al Capone.16 Doch spätestens zu Beginn der Achtzigerjahre vollzog sich in der organisierten Kriminalität von New York ein paradigmatischer Wandel, und zwar aus einem Grund, der noch nicht weithin bekannt war: Die Russen kamen. Tatsächlich hatten einige Russen schon seit 1980 mit italienischstämmigen Mafiosi kollaboriert17, als die beiden kriminellen Organisationen eine Partnerschaft eingegangen waren, um eine der lukrativsten Steuerbetrügereien der US-Geschichte ins Werk zu setzen.

Schon zu dieser Zeit gewährte Michael Franzese, damals Anfang 30, einem Mafioso namens Lawrence Iorizzo seinen Schutz, der 300 Tankstellen auf Long Island und in New Jersey besaß oder belieferte18 und ein Vermögen damit machte, dass er den Steueranteil aus den Benzinverkäufen nicht abführte. Dieser Betrug wurde nur möglich durch die Trägheit, mit der die Steuerbehörden die Benzinsteuern eintrieben.19 Insgesamt erhoben Bund, Bundesstaat und Kommune Steuern in Höhe von 27 Cents pro verkaufter Gallone (3,79 Liter) Benzin, aber sie ließen sich viel Zeit, um diese Gelder einzutreiben – manchmal bis zu einem Jahr.

Nachdem Iorizzo Dutzende von Briefkastenfirmen als Besitzer der Tankstellen in Panama registriert hatte, musste er nur noch jede seiner Tankstellen schließen, bevor der Steuereintreiber kam, und sie mit einem neuen Geschäftsführer als Eigentum einer anderen Briefkastenfirma neu eröffnen. Wenn die Steuereintreiber schließlich auftauchten, um ihr Geld zu fordern, war schon ein großer Teil davon in Iorizzos Tasche gelandet. Als später das FBI gegen das Betrugskartell Ermittlungen aufnahm, das seine Aktivitäten inzwischen auf sechs Bundesstaaten ausgedehnt hatte, nannte es die Untersuchung »Operation Red Daisy«.20

Iorizzos Masche lief reibungslos, abgesehen von einem kleinen Problem: Eine Gruppe von Männern – Michael Franzese beschreibt sie als »Fußvolk von einer anderen Familie, kleine Fische« – versuchte, sich in Iorizzos Geschäfte zu drängen.21 Franzese beschreibt Iorizzo als 1,93-Meter-Mann, der über 200 Kilo auf die Waage brachte, »Pizzas aß wie andere Leute Kartoffelchips« und eigentlich nicht so aussah, als ob er Schutz brauchte. Trotzdem hatte er Franzese gebeten, ihm gegen diese kleinen Ganoven zu helfen, die versuchten, ihn zu erpressen und sich in seinem Revier breitzumachen.

Rasch fand Franzese eine souveräne Lösung, die für beide Seiten akzeptabel war, und so erblickte eine außerordentlich lukrative Partnerschaft das Licht der Welt. Bald strömte so viel Geld herein, dass Franzese innerhalb der Cosa Nostra zum Caporegime befördert wurde.22 Dann traten 1984 drei angeblich russische Gangster – David Bogatin, Michael Markowitz und Lev Persits – mit einem Vorschlag an ihn heran, der Iorizzos Masche sehr ähnlich war. Wie Iorizzo hatten sie ihren eigenen Steuerbetrug am Laufen, und wie Iorizzo brauchten sie Schutz.

Franzese sah sofort seine Chance auf einen weiteren riesigen Coup, doch er begegnete den Russen mit einer Mischung aus Respekt und Verachtung. Bogatin mit seiner hohen Stirn und Nickelbrille sah eher aus wie ein Unternehmensberater als ein russischer Gangster. Sein Vater hatte 18 Jahre in Sibirien eingesessen, weil er dabei »erwischt« worden war, seinen Büroschlüssel so gehängt zu haben, dass er versehentlich über einem Porträt von Josef Stalin baumelte – und so das Antlitz des sowjetischen Diktators entstellte.23 Im Jahr 1966 war Bogatin in die Sowjetarmee eingetreten und hatte in Nordvietnam bei einer Flugabwehreinheit gedient, wo er half, US-Piloten abzuschießen.24 Dann, nachdem er die Armee Mitte der Siebzigerjahre verlassen hatte, begann er, als Drucker zu arbeiten, wurde jedoch bald gefeuert, weil er verbotenes Material für jüdische Dissidenten gedruckt hatte.

Nachdem er auf einer schwarzen Liste des KGB gelandet war, gelang es Bogatin 1977, aus der Sowjetunion auszureisen. Er kam nach New York, arbeitete in einer Fabrik, kaufte ein Auto, lernte Englisch und eröffnete ein privates Taxiunternehmen. Das führte erst zu einer Tankstelle und dann zu einem Großhandel für Benzin.25 Und die ganze Zeit schloss er Bekanntschaften in den Kreisen der russischen Diaspora.

Obwohl er im Kommunismus aufgewachsen war, fühlte Bogatin sich im Kapitalismus wie ein Fisch im Wasser – wodurch er den Respekt von Franzese gewann. Die Russen zählten zu den Pionieren dieser spektakulär lukrativen Betrugsmasche, und sie hatten ungefähr 200 Leute unter sich, die für sie arbeiteten.26 Sie wollten »ihre Muskeln spielen lassen«, sagte Franzese 1996 bei einer Zeugenaussage vor einem Unterausschuss des US-Senats, »und sie würden nicht zögern, Gewalt anzuwenden, falls sie das für notwendig hielten«.

Dagegen fiel es Franzese schwerer, Bogatins Partner ernst zu nehmen – und zwar hauptsächlich wegen dessen Erscheinung. Michael Markowitz trug protzigen Schmuck, schwere Goldkettchen und angeberische bunte Hemden mit breitem Kragen, die er bis zum Bauchnabel aufknöpfte. Aus Franzeses Sicht eiferte Markowitz John Travolta in Saturday Night Fever nach, weckte aber eher Assoziationen zu den »wild and crazy guys«, die Steve Martin und Dan Aykroyd während der Siebzigerjahre in Saturday Night Live spielten. Der elegante Franzese konnte nicht aufhören, sich über Markowitz lustig zu machen – er fand, Markowitz »sah aus wie ein Teppichverkäufer, der gerade im Lotto gewonnen hatte«.27 Und der sollte sein Konkurrent sein?

Am Ende siegte jedoch Geld über modische Vorlieben, und so setzte sich Michael Franzese an einem Samstagmorgen im Herbst 198028 mit Bogatin, Persits und Markowitz im Büro einer Tankstelle in Brooklyn zusammen. »Diese Russenc hatten Schwierigkeiten, Geld einzutreiben, das man ihnen schuldete«, so erinnerte sich Franzese.29 »Sie hatten auch Probleme, die Lizenzen bekommen und zu behalten, die sie brauchten, um den Benzinsteuerbetrug am Laufen zu halten.«

Franzese konnte bei beiden Problemen helfen. Einer seiner Soldaten war ein Bursche namens Vinnie, und laut Aussage von Franzese »war es Vinnies Job zu sagen: ›Entweder du zahlst, oder ich brech dir beide Beine.‹«30

Vinnie war überzeugend – so überzeugend, dass die Colombo-Familie sich den Ruf erworben hatte, dass sie Leute dazu bringen konnte, ihre Schulden zu bezahlen. Aber das war noch nicht alles: Franzese hatte auch Kontaktleute in der Stadtverwaltung, die den Russen en gros die Lizenzen ausstellen konnten, die sie brauchten, um den Staat zu betrügen.

Die Russen waren dringend auf Franzese angewiesen, und der wusste diese Abhängigkeit auszunutzen. »Wir einigten uns, die illegalen Einnahmen zu teilen – 75 Prozent für mich, 25 Prozent für sie«, sagte er.31 »Der Deal wurde allen fünf Mafiafamilien bekannt gegeben, und ich zahlte den Anteil der Colombo-Familie aus meinen illegalen Einnahmen.«

Bald darauf begann das Geld in Strömen zu fließen – fünf bis über acht Millionen Dollar pro Woche. Als das Geschäft expandierte, explodierten die Einnahmen auf 100 Millionen Dollar pro Monat, über eine Milliarde im Jahr. Die Italiener waren die großen Gewinner, aber auch Markowitz und Bogatin waren auf dem Weg zu ausgesprochen lukrativen kriminellen Karrieren.

Daher begann David Bogatin 1984, auf dem Höhepunkt seines Erfolgs, sich nach einem Luxusapartment in New York City umzusehen. Obwohl er der Juniorpartner von Franzese war, hatte Bogatin nach sieben Jahren in New York genug Geld beiseitegeschafft, um eine Immobilie kaufen zu können, wo immer er wollte. Seit etwa zehn Jahren waren russische Juden wie er zu Tausenden nach Brighton Beach in Brooklyn geströmt, aber Bogatin hatte etwas Prestigeträchtigeres im Sinn.

Anstatt sich also nach einem Haus in Brighton Beach umzusehen, fixierte Bogatin sich auf ein protziges, 58 Stockwerke hohes Gebäude in Midtown-Manhattan, überall ausstaffiert mit Spiegeln, Messing und vergoldeten Beschlägen. Es war ein Tempel des protzigen Konsums, mit einem Atrium, das im Eingangsbereich mit rosa-weiß gemasertem Marmor ausgekleidet war, und einem 20 Meter hohen Wasserfall gegenüber einer Galerie mit Luxusboutiquen und Cafés. Der Reiseführer AIAGuide to New York City beschrieb es als »Märchenland für den wohlhabenden Shopper«, ergänzte aber rasch, dass der Stil des Hauses eher einem gewöhnlichen »Malzbier« entsprach als edlem Champagner.32

Ada Louise Huxtable, die Architekturkritikerin der New York Times, nannte das Gebäude »monumental durchschnittlich« und tat es als »absurd überladen« und »protzig und prätentiös« ab.33 Der Hang des Bauherrn für Übertreibungen war so ausgeprägt, dass er sogar die Anzahl der Stockwerke absichtlich übertrieb. So konnte er behaupten, er lebe im 68. Stock – obwohl das Gebäude nur 58 Stockwerke hat. Es steht an der Adresse 721 Fifth Avenue und ist als »Trump Tower« bekannt.

Fuβnoten

aDie Begriffe »russische Mafia« und »ROC« (»Russian organized crime«, zu Deutsch »russische organisierte Kriminalität«) sind zwar geografisch nicht korrekt, werden jedoch durchweg von Strafermittlungsbehörden verwendet, um kriminelle Organisationen aus allen Republiken der ehemaligen Sowjetunion zu bezeichnen, also nicht nur solche aus der russischen Föderation.

bDie fünf Familien waren die Colombos, die Gambinos, die Bonannos, die Luccheses und die Genoveses.

cObwohl er mit russischen Gangstern zusammenarbeitete und oft für einen Russen gehalten wurde, stammte Markowitz tatsächlich aus Rumänien.

Kapitel zwei

Trumps wunderbarer Waschsalon

Dem verstorbenen Journalisten Wayne Barrett zufolge, der für die Village Voice den Bogatin-Deal untersucht hat, ergriff Donald Trump den ungewöhnlichen Schritt, sich persönlich mit David Bogatin zu treffen, als die Transaktion stattfand. Anscheinend fand Trump nichts ungehörig an dem Umstand, dass Bogatin nicht eines, sondern fünf Luxusapartments im Trump Tower kaufen wollte, für insgesamt sechs Millionen Dollar (das entspricht 2018 etwa 14,5 Millionen Dollar)1, obwohl es unwahrscheinlich war, dass ihm legitime Möglichkeiten zur Verfügung standen, um an so viel Geld zu kommen, und er mit nur drei Dollar in der Tasche in den Vereinigten Staaten angekommen war.2

Ein weiterer Aspekt dieses Deals war sehr ungewöhnlich. Der maßlose Hype, der mit dem Glamour des Gebäudes einherging, vernebelte den Umstand, dass der Trump Tower eine Option anbot, die extrem selten zu bekommen war. Damals war der Trump Tower laut dem investigativen Journalisten David Cay Johnston eines von nur zwei Gebäuden3 in New York City, in dem Käufer eine Wohnung über eine Briefkastenfirma kaufen konnten – etwa eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung –, die es ihnen ermöglichte, Immobilien zu erwerben, ohne ihre Identität aufzudecken.

»Wenn Sie eine Immobilie kaufen, ohne sie über eine Hypothek zu finanzieren, ist keine Bank beteiligt, die wissen muss, wo das Geld herkommt – vor allem, wenn es aus dem Ausland überwiesen wird«, sagte Jonathan Winer, der in der Clinton-Administration als stellvertretender Staatssekretär für die Durchsetzung internationalen Rechts tätig war.4 »Die Informationspflichten, die allen Arten von Finanzinstitutionen über ihre Kunden auferlegt wurden, gelten nicht für Personen, die Immobilien verkaufen. Man hätte sie auch ihnen auferlegen sollen, wurden sie aber nicht.«

Dank dieser Gesetzeslücke konnte Trump also Apartments im Trump Tower als ideales Vehikel verkaufen, über das Kriminelle ihr schmutziges Geld in Luxuswohnungen investieren konnten, ohne ihre Identität preiszugeben. Laut dem Büro des Staatsanwalts des Bundesstaats New York bedeutet das, dass Trump, als er den Deal über fünf Apartments mit David Bogatin abschloss, der russischen Mafia geholfen hat, Geld zu waschen, sei es wissentlich oder unwissentlich.5

All das geschah in einer außergewöhnlichen Zeit. Man schrieb das Jahr 1984, und nach beinahe 40 Jahren hatte sich die Machtbalance des Kalten Krieges endgültig in den Westen verlagert. Die UdSSR war in Afghanistan nach wie vor in einen kostspieligen, blutigen und unproduktiven Krieg verwickelt, das »sowjetische Vietnam«, und das schon seit 1979, wodurch die sowjetische Wirtschaft am Boden lag. Präsident Ronald Reagan hatte den Rüstungswettlauf aggressiv auf eine neue Stufe gehoben mit seiner – auch als »Star Wars« bekannten – Strategic Defense Initiative (SDI, »Strategische Verteidigungsinitiative«), mit der die USA vor heranfliegenden Raketen abgeschirmt werden sollten und die es schaffte, die Kosten für den Status einer Supermacht in unerschwingliche Höhen zu treiben.

Im KGB setzte sich langsam die Einsicht durch, dass die sowjetische Wirtschaft zum Untergang verdammt war.6 Nachdem die Sowjetführer Leonid Breschnew und Juri Andropow 1982 beziehungsweise 1984 gestorben waren und der alternde und kranke Konstantin Tschernenko an die Spitze der Macht aufgerückt war, begannen die alten Parteistrukturen zu versagen.

Durch diese Entwicklungen entstand ein riesiges Machtvakuum, in dem sich die russische Mafia breitmachen konnte, zu einer Zeit, als sie auf etwa 9000 kriminelle Banden mit 35 000 Mitgliedern angewachsen war.7 Viele von ihnen – wahrscheinlich auch Bogatin – suchten nach Möglichkeiten, illegale Gelder in den Westen zu transferieren, um sie in Sicherheit zu bringen.

Zwei machtvolle Faktoren in einer neu geschaffenen, globalen Untergrundwirtschaft begannen zusammenzukommen. Auf der einen Seite hatte der Zerfall der Sowjetunion die Schleusen geöffnet, durch die eine unermessliche Flut von Hunderten Milliarden Dollar an Schwarzgeld strömte, das von Oligarchen, reichen Apparatschiks und Gangstern in Russland und seine Satellitenstaaten kam. Auf der anderen Seite bewirkte Donald Trumps Eifer, seine Wohnungen an Briefkastenfirmen zu verkaufen, ohne Fragen zu stellen, dass solche Russen enorme Summen waschen konnten, ohne ihre persönliche Identität preisgeben zu müssen. Im Lauf der folgenden 30 Jahre trugen Dutzende von Anwälten, Steuerberatern, Immobilienmaklern und anderen Wirtschaftsexperten dazu bei, solche Transaktionen in einem riesigen Ausmaß zu ermöglichen.

Wie die Financial Times anmerkte, ermöglicht der Umstand, dass in den USA und in Großbritannien im Gegensatz zu den meisten anderen westlichen Demokratien anonymer Besitz von Immobilien legal ist, die Geldwäsche von 300 Milliarden Dollar pro Jahr allein in den Vereinigten Staaten, die zumeist aus Russland stammen.8 Das hat dazu geführt, dass Luxusimmobilien zu einem sicheren Hafen für russische Oligarchen und ihren kleptokratischen Präsidenten Wladimir Putin, Sohn eines Fabrikarbeiters und russischen Seemanns, geworden sind, in dem sie Milliarden von Dollars verstecken können.

Immobilienkäufe durch Briefkastenfirmen, bei denen der Kaufpreis komplett in bar bezahlt wird, sind für sich genommen noch nicht illegal oder unanständig. In den letzen Jahren kommen sie auf dem Markt für Luxusimmobilien immer häufiger vor. Auch ist der Verkäufer nicht verpflichtet, die Frage zu stellen, wie der Käufer zu seinem Geld gekommen ist. Allerdings scheint Trump diese Gesetzeslücke gezielt ausgenutzt zu haben, um im großen Stil Apartments an Russen zu verkaufen.

Da es so schwierig ist, die Briefkastenfirmen zu durchschauen, die als Käufer dieser Immobilien auftraten, ist es für einen Journalisten – oder auch für jede Person oder Institution, die nicht die Macht hat, Zeugen vorzuladen oder Einsicht in private Unterlagen zu verlangen – so gut wie unmöglich, den Umfang zu recherchieren, in dem über Trump-Immobilien solche Geldwäschemanöver stattgefunden haben könnten. Dennoch kommt Thomas Frank in einer auf BuzzFeed veröffentlichten Untersuchung zu der Einschätzung, dass mehr als 1300 Apartments – ein Fünftel aller seit den Achtzigerjahren von Trump veräußerten Wohnungen – über »geheimnistuerische All-Cash-Transaktionen [verkauft wurden], die es dem Käufer ermöglichen, einer rechtlichen Prüfung zu entgehen, indem er seine finanziellen Verhältnisse und seine Identität abschirmt«.9

In dem BuzzFeed-Artikel wird außerdem erwähnt, dass der Gesamtwert dieser Immobilientransaktionen – Verkäufe, die den Kriterien des US-Finanzministeriums für potenzielle Geldwäsche entsprechen – etwa 1,5 Milliarden Dollar betrug, eine Summe, die unter dem tatsächlichen Betrag des schmutzigen Geldes, das im Spiel war, liegen dürfte. In dem Artikel wurden zahlreiche Immobilien Trumps außerhalb der Vereinigten Staaten nicht berücksichtigt, so zum Beispiel Hochhäuser unter der Marke Trump in Kanada, den Philippinen, Uruguay, der Türkei, in Indien, Südkorea und anderen Ländern, in denen Präsident Trump häufig seinen Namen lizenziert und dafür Lizenzgebühren kassiert.

Als Teenager hatte Donald Trump sich im Trump Village nützlich gemacht, einem Immobilienprojekt in der Nachbarschaft von Brighton Beach auf Long Island, das sein Vater Fred gebaut hatte (tatsächlich ist dies das einzige Immobilienprojekt, das nach Fred Trump benannt wurde, nicht nach Donald). Dort hatte er das Geld aus den Münzwaschautomaten eingesammelt, die von russischen Emigranten und anderen Anwohnern in einem Waschsalon gemeinschaftlich genutzt wurden – in Form von Nickels, Dimes und Quarters. Inzwischen beteiligte er sich an einer ganz anderen Art von Wäsche –, und dieses Mal ging es nicht um Kleingeld, sondern um riesige Summen.

*

David Bogatin setzte sich 1987 aus den Vereinigten Staaten ab, um der Strafverfolgung wegen seiner Benzinsteuerbetrugsmasche zu entgehen, und wurde fünf Jahre später von Polen ausgeliefert.10 Nachdem er zurückgekommen war, musste er für den Steuerbetrug eine Haftstrafe antreten. Es ist nach wie vor unklar, ob Trump etwas über die illegale Herkunft von Bogatins Geld wusste.

Dessen ungeachtet fanden in den folgenden vier Jahrzehnten so häufig ähnliche Transaktionen mit Wohnungen im Trump Tower und anderen Trump-Immobilien statt, dass es kaum vorstellbar ist, dass Trump überhaupt nichts von dem wusste, was sich abspielte. Bogatin mag vielleicht der erste Russe gewesen sein, der über Trump-Immobilien Geld wusch, doch andere Kriminelle, die der italienischen Mafia zugerechnet werden, hatten das auch schon früher getan. So kaufte zum Beispiel Robert Hopkins, ein Angehöriger der Lucchese-Mafiafamilie, der einen der größten illegalen Glücksspielringe von New York betrieb, seine Apartments im Trump Tower schon 1981 – also zwei Jahre, bevor das Gebäude eröffnet wurde. Als er sich mit Trump traf, um das Geschäft zu besiegeln, entnahm er seinem Aktenkoffer 200 000 Dollar in bar, die er ihm auf seinen Konferenztisch legte. Ganz ähnlich hatte auch der italienische Finanzier Roberto Polo, der später wegen Unterschlagung ins Gefängnis wanderte, kurz nach der Einweihung des Trump Tower 1983 im Auftrag von Offshorebriefkastenfirmen sechs Apartments in dem Wolkenkratzer gekauft.11 Und Jean-Claude »Baby Doc« Duvalier, der brutale und korrupte ehemalige Machthaber von Haiti, erstand im August 1983 ein Apartment im 54. Stock des Gebäudes.12

Dennoch war der Kauf von fünf Apartments im Trump Tower durch Bogatin insofern einmalig, als dass er nichts weniger bedeutete als eine Geschäftsbeziehung zwischen dem zukünftigen Präsidenten der Vereinigten Staaten und mörderischen russischen Mafiosi mit ihrer Unterweltkultur von Drogen, Geldwäsche, Schutzgelderpressung, Prostitution und Ähnlichem.

Noch wichtiger ist jedoch, dass diese Transaktion eine erste Kontaktaufnahme durch einen sowjetischen Geheimdienst gewesen sein könnte, durch die herausgefunden werden sollte, ob Trump als potenzielles »Asset« zu gebrauchen sei – als ein Agent, der die öffentliche Meinung beeinflussen kann. In der Welt der Geheimdienste bezeichnet das Wort »Asset« eine Person in einem ausspionierten Land, die nachrichtendienstliche Informationen an eine fremde Macht liefert. Zu den verschiedenen Kategorien von Assets zählen Menschen, die für eine ausländische Regierung arbeiten, weil sie entweder deren Ideologie vorziehen, ihr eigenes Land des Geldes wegen verraten oder erpresst werden, sowie sogenannte nützliche Idioten, die nicht einmal wissen, dass sie benutzt werden, aber dennoch wertvolle Informationen liefern, aufgrund von Sicherheitslücken oder weil sie blind ihre eigenen Ziele verfolgen.

Als er über die Transaktion zwischen Bogatin und Trump befragt wurde, sagte Oleg Kalugin, der ehemalige Chef der Spionageabwehr des KGB, er sei »nicht überrascht. So etwas ist typisch.«

Kalugin weiter: »Normalerweise zielen die Methoden von großen nachrichtendienstlichen und geheimpolizeilichen Organisationen darauf ab, genug Informationen über jemanden zu sammeln, um einschätzen zu können, ob der Mann kooperieren würde. Falls er zur Zusammenarbeit bereit ist, könnte er nützlich sein.«13

Damals war die KGB-Führung zutiefst beunruhigt, weil es nicht gelungen war, mehr Assets in den Vereinigten Staaten anzuwerben, und so wurde die Anweisung ausgegeben, Zielpersonen in den USA ausfindig zu machen, die man kultivieren könnte.14 In Trump hatten die Sowjets einen Mann gefunden, der so berauscht war von einer neuen Klientel mit Koffern voller Geld, dass er sich auf dubiose Transaktionen einließ, ohne Fragen zu stellen. Indem sie Geschäfte mit Trump machte, konnte die russische Mafia sich einen bedeutenden neuen Brückenkopf in den Vereinigten Staaten sichern und eine Offensive starten, mit der sie bis zum heutigen Tag die grundlegendsten demokratischen Institutionen der USA angreift. Darüber hinaus hatten die Russen schon 1984 entdeckt, dass Trump ein offenes Ohr für sie haben würde, solange sie über Geld verfügten.

Durch all das wurde Trump – zumindest am Anfang – zu einem winzigen Teil eines historischen Konflikts, der als unbeabsichtigter Folgeschaden nach dem Ende des Kalten Krieges entstanden war. Für Wladimir Putin war der Zerfall der Sowjetunion »die größte weltpolitische Katastrophe des Jahrhunderts« gewesen15, die jedoch noch übertroffen wurde von dem, was als Nächstes kam: Nach und nach traten sage und schreibe 13 Länder des früheren Ostblocks der NATO bei.a

In Bezug auf die Ukraine zog Putin jedoch eine rote Linie. Als nach dem Beginn der russischen Aggression in der Ukraine im Jahr 2013 die Euromaidan-Proteste ausbrachen, startete Russland eine massive globale Offensive mit dem strategischen Ziel, nicht nur die Vereinigten Staaten zu schwächen, sondern auch Großbritannien, die NATO, die Europäische Union – und in der Tat das gesamte westliche Bündnis.

Die Schlacht wird nicht nur gegen die Vereinigten Staaten geschlagen, sondern gegen den Westen an sich. Russland mischt sich immer wieder in die Innenpolitik anderer Länder ein: in Großbritannien, wo es die erfolgreiche Brexit-Kampagne befeuerte, woraufhin die britischen Bürger dafür stimmten, die Europäische Union zu verlassen; in den Niederlanden, wo es Geert Wilders unterstützte; in Frankreich, wo es Marine Le Pen den Rücken stärkte; in der Ukraine, wo es Viktor Janukowitsch und andere Pro-Putin-Kräfte stützte; und auch in Ungarn, Polen und anderen osteuropäischen Ländern.

Der erstaunlichste Aspekt dieses massiven neuen globalen Konflikts könnte jedoch sein, dass kaum jemand überhaupt bemerkt, dass er stattfindet. Es ist ausgesprochen seltsam. Krieg wird normalerweise als bewaffneter Konflikt definiert. Doch obwohl Wladimir Putin die Souveränität der Vereinigten Staaten und anderer westlicher Nationen angreift – in einem virtuellen Dritten Weltkrieg, wenn man so will –, wird in der Presse, im Fernsehen, Radio oder Internet kaum darüber berichtet. Und zwar aus dem Grund, dass es ein Krieg mit anderen Mitteln ist, ein Krieg, bei dem auf die Bomben, Geschütze und Bodentruppen konventioneller Kriegsführung verzichtet wird und stattdessen eine neue, raffiniert asymmetrische, hybride Form »nonlinearer« Kriegsführung zum Einsatz kommt.

Nur bei seltenen Gelegenheiten greift Russland auf eine altmodische, militärische Intervention zurück, so zum Beispiel 2014, als der russische Einmarsch den Auftakt zur Annexion der Krim im Zuge der Ukraine-Krise bildete. Vielmehr führt Putin einen Schattenkrieg – oder »virtuellen« Krieg – in Form von verdeckten Operationen, Desinformation und Cyberkrieg. Es ist ein Krieg, bei dem Russland durch Hackerangriffe in die Informationssysteme gegnerischer Mächte eindringt; Außenstehende benutzt, etwa Julian Assange und WikiLeaks, um es so aussehen zu lassen, als würden Leaks von heldenhaften, moralisch motivierten Whistleblowern lanciert statt durch russische Geheimdienste; soziale Medien kapert und Algorithmen nutzt, um extrem provozierende »Fake News« viral zu verbreiten; Facebook zu einem der weltweit größten Verbreiter russischer Propaganda macht; ganz gezielt nicht nur »alternative Fakten« und Fake News einsetzt, sondern auch getürkte Websites, die vorgeben, Fake News zu korrigieren und dabei das fundamentale Konzept von Wahrheit, ja der Realität selbst, auf den Kopf stellen.

Natürlich bleiben all diese Vorgänge nicht völlig unbemerkt. Doch in Russland sind investigative Journalisten, übergelaufene Geheimagenten und oppositionelle Politiker unweigerlich brutalen Vergeltungsmaßnahmen ausgesetzt. Im Jahr 2000 veröffentlichte Paul Klebnikov sein Buch Godfather of the Kremlin: The Decline of Russia in the Age of Gangster Capitalism (»Der Pate im Kreml: der Niedergang Russlands im Zeitalter des Gangsterkapitalismus«), in dem er den russischen Oligarchen Boris Beresowski mit einem sizilianischen Mafioso vergleicht. Vier Jahre später, kurz nachdem er als Chefredakteur der russischen Ausgabe der Wirtschaftszeitschrift Forbes engagiert worden war, veröffentlichte Klebnikov eine Liste der 100 reichsten Russen – und wurde durch unbekannte Täter erschossen.16

Ganz ähnlich erging es auch der russischen Journalistin Anna Politkowskaja sowie Alexander Litwinenko, der als Agent für FSB und KGB gearbeitet und Putin beschuldigt hatte, die Ermordung von Politkowskaja angeordnet zu haben, und Sergej Magnitski, einem russischen Rechtsanwalt und Wirtschaftsprüfer, zu dessen Mandanten Bill Browders Vermögensverwaltung Hermitage Capital Management zählte. Sie sind nur einige wenigeb der zahlreichen Menschen, die auf mysteriöse Weise ums Leben kamen, nachdem sie wegen der mutmaßlichen Straftaten Putins und seiner Oligarchen recherchiert hatten.17

Als wichtige Komponente in dieser Schlacht setzt Wladimir Putin eine Geheimwaffe ein, die kaum ein US-Amerikaner versteht. Während die italienische Mafia in den USA weitgehend ihre eigenen Interessen verfolgt, liegen die Dinge in Russland etwas anders. Während die Amerikaner gegen organisierte Kriminalität vorgehen, macht Putin sie sich zunutze. Er macht sie zur Waffe. Russische Gangster werden im Endeffekt zu Putins Vollstreckern. Das ist nicht nur eine Metapher; Oleg Kalugin, der ehemalige Chef der Spionageabwehr des KGB, hat mir sinngemäß gesagt: »Die Mafia ist heute einer der Arme der russischen Regierung.«18

All das bedeutet, dass Putins größter Triumph, seit er zuerst 1999 als Ministerpräsident und dann im Jahr 2000 als Präsident an die Macht kam, seine erstaunliche Befehlsgewalt über einen Mafiastaat ist, über ein politisches System, dass im Endeffekt eine Regierung der, durch die und für die organisierte Kriminalität ist. Die Autorin Karen Dawischa erklärt in ihrem Buch Putin’s Kleptocracy, dass die Mafia sich mit früheren KGB-Funktionären und Mitgliedern der politischen und wirtschaftlichen Eliten zusammentat, um das Fundament für Putins autoritäre Kleptokratie zu bilden19, die eine Ära des globalen Diebstahls in einem unvorstellbaren Ausmaß einläutete und Putin zum reichsten Mann der Welt machte, dessen Vermögen Bill Browder, der CEO von Hermitage Capital Management, auf fast 200 Milliarden Dollar schätzt.20

Aufgrund dieser unermesslichen Gier landeten unzählige Milliarden, die normalerweise für Bildung, Verkehrsinfrastruktur, Gesundheitswesen und andere öffentliche Dienste in Russland und seinen Handelspartnerländern ausgegeben worden wären, auf Offshorekonten, in Hedgefonds und Luxusapartments für Putin und seine Spießgesellen. Er lässt zu, dass diese (seine Spießgesellen) durch Drogenhandel, Erpressung, raffinierte Finanzmaschen, den Sexhandel, Rüstungsgeschäfte und Ähnliches Milliarden verdienen. Dafür müssen sie nur eine grundlegende Bedingung erfüllen: Sie müssen sich an Putins Spielregeln halten, um seine strategischen Ziele voranzutreiben. Dann haben sie freie Hand, um einflussreiche Personen im Westen zu kompromittieren, durch diverse Formen von kompromat, das Geldwäsche, illegitime sexuelle Ausschweifungen und andere potenzielle Skandale belegt – unter der Bedingung, dass sie Putins politischer Agenda dienen, als Informanten fungieren, Geheimdienst-Assets anwerben und Informationen über Personen von Interesse sammeln. Letztlich wurden sie zu geopolitischen Waffen gegen den Westen.

Der frühere Schachweltmeister Garri Kasparow erklärt in seinem Buch Warum wir Putin stoppen müssen (Winter Is Coming), dass Putins Aufstieg nicht von Kreml-Kennern der alten Schule am besten beschrieben wird, sondern dass man ihn »besser versteht, wenn man sich die Leistungen von Don Vito Corleone vor Augen hält: das Netz des Betrugs, die Geheimniskrämerei und die unklaren Trennlinien zwischen dem, was geschäftlich, politisch und kriminell ist. In [Mario] Puzos Büchern ist das System Putin anschaulich beschrieben … eine strikte Hierarchie, Erpressung, Einschüchterung, das nach außen projizierte Image des harten Burschen, die Unterdrückung der Opposition, die Beseitigung von Verrätern, der Kodex von Geheimhaltung und Loyalität und vor allem der Auftrag, für einen stetigen Einnahmestrom zu sorgen.«21

Mit anderen Worten: Es ist eine Mafia – also etwas, womit Donald Trump sich bestens auskennt.

Fuβnoten

aIm Jahr 1999 traten Polen, Ungarn und die Tschechische Republik der NATO bei, gefolgt von Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, der Slowakei und Slowenien kurz vor dem Gipfeltreffen 2004 in Istanbul. Später kamen noch Albanien, Kroatien und zuletzt Montenegro dazu. Und dabei ist Ostdeutschland noch nicht einmal berücksichtigt, das natürlich durch seine Wiedervereinigung mit Westdeutschland ebenfalls in die NATO aufgenommen wurde.

bDem Komitee zum Schutz von Journalisten zufolge wurden in Russland seit dem Ende der Sowjetunion im Jahr 1991 mindestens 58 Journalisten ermordet. Wenn man auch die Todesfälle berücksichtigt, bei denen das Motiv unklar ist, steigt diese Zahl auf 82 Opfer. Und dabei sind die Morde an Alexander Litwinenko und anderen Personen, die außerhalb Russlands ermordet wurden und die – wie Litwinenko – nicht in einem journalistischen Kontext wegen Korruption in Russland recherchierten, nicht berücksichtigt.

Kapitel drei

Verheiratet mit der Mafia

Donald Trump war kein Neuling in Sachen organisierte Kriminalität. Tatsächlich hatte die Familie Trump schon seit drei Generationen an entsprechenden Beziehungen Geschmack gefunden.a

Es begann gegen Ende des 19. Jahrhunderts, als ein vagabundierender Unternehmer, aus dem später Donald Trumps Großvater werden sollte, sich im Zuge des Klondike-Goldrauschs auf die Reise ins kanadische Yukon Territory begab. Dort wollte er sein Glück machen, aber nicht durch Goldschürfen, sondern indem er die grundlegenden Bedürfnisse von Goldsuchern bediente.1 Laut Trump-Biografin Gwenda Blair zählte zu den diversen Unternehmungen, die Frederick (der ursprünglich »Friedrich« hieß) sein eigen nannte, auch ein Restaurant, das manchmal »The Dairy Restaurant« genannt wurde, manchmal »The Poodle Dog«, und »Private Rooms for Ladies« anbot – eine höfliche Umschreibung für Prostitution.2

Eine Generation später begann Fred Trump, Fredericks Sohn und Donalds Vater, Einfamilienhäuser im New Yorker Stadtteil Queens zu bauen.3 Später wurde er durch unerwartete Profite reich, die beim Bau staatlich geförderter Wohnblocks in Brooklyn und Queens anfielen.4

Freds Einfluss war besonders auffällig in den Nachbarschaften Brighton Beach und Coney Island im Stadtteil Brooklyn. Brighton Beach hatte einen wunderbaren Strand mit Blick auf den Atlantik und den benachbarten Vergnügungspark Coney Island und lag nur 16 Kilometer von Manhattan entfernt – alles, was man sich von einem attraktiven Seebad nur wünschen kann. Leider war es verschandelt worden durch die ungeheuerliche Stadtsanierungspolitik des New Yorker »Master Builders« Robert Moses, die Teile dieser soliden Mittelschichtnachbarschaft in einen schwärenden Slum verwandelt hatte.5

Dieser Niedergang war zum großen Teil auf Fred Trumps Projekte in dieser Gegend zurückzuführen, die mit Skandalen, Veruntreuung von Geldern und Vetternwirtschaft in der einen oder anderen Form behaftet waren. Bei neuen Entwicklungsprojekten kam es wegen Trumps Geschäftspraktiken häufig zu Verhören und Ermittlungen durch Bundesbehörden; Trump wurde vorgeworfen, Kriegsveteranen durch betrügerische Mietverträge zu übervorteilen und sich rassistisch zu verhalten. Dem Coney-Island-Historiker Charles Denson zufolge war Fred Trump so geschickt darin, Schwachstellen in Bundesvorschriften auszunutzen, dass einige »Bundesgesetze geändert werden mussten, um die Art von schändlichem Betrugsmanöver zu verhindern, die Trump so meisterhaft beherrschte«.6

Fred setzte normalerweise seinen Willen durch, aber wenn ihm das nicht gelang, pflegte er sich rücksichtslos zu rächen. Als sein Antrag auf Änderung des Bebauungsplans für das Gelände des bekannten Steeplechase Parks auf Coney Island abgelehnt wurde, war Donalds Vater so frustriert, dass er vor Ort eine Party veranstaltete und die Gäste ermunterte, die mit Glasmalerei gestalteten Fenster des Pavillons mutwillig zu beschädigen. Sie warfen Flaschen und andere Gegenstände durch das gläserne, kunstvoll gestaltete Steeplechase-»Funny Face«, eine lokale Sehenswürdigkeit, und schlugen ihm auf diese Weise die Zähne aus. »Dieser traurige Vorfall war ein rachsüchtiger und schändlicher Akt eines erwachsenen Mannes, der sich aufführte wie ein jugendlicher Rowdy. Das hatte nichts mehr mit Geschäft zu tun, es war ein persönlicher Racheakt«, schreibt Denson. Es zeige »eine gestörte Persönlichkeit, die selbst für den abgebrühtesten Immobilienentwickler bizarr war«.7

An Fred Trumps Projekten waren häufig Personen mit Verbindungen zur Mafia beteiligt, und im Umgang mit diesen Leuten nahm er die Hilfe von Brad Zackson in Anspruch, einem verurteilten Verbrecher, der beinahe fünf Jahre eingesessen hatte, nachdem er sich minderschwerer Vergehen schuldig bekannt hatte, um einer drohenden Anklage wegen Mordes zu entgehen.8 Zackson fungierte als Freds Consigliere9 und als exklusiver Makler10 für all seine Immobilien. (Später arbeitete er mit Donald Trumps Wahlkampfmanager Paul Manafort zusammen, laut Real Deal als dessen »real estate fixer«, als sein Problemlöser und »Protegé von Fred Trump mit wechselvoller Vergangenheit und einem Hang zu fantasievollen Deals«.11)

Ermittlungen der Taskforce für organisierte Kriminalität des Bundesstaats New York in den Fünfzigerjahren haben ergeben, dass es ein kompliziertes Beziehungsgeflecht zwischen Freds Partner Willie Tomasello und den Mafiafamilien Gambino und Genovese gab12, und auch zu Lucky Luciano, einem der Väter der modernen organisierten Kriminalität in den Vereinigten Staaten.13 Und wenn es darum ging, Beamte der Stadtverwaltung bei wichtigen Entscheidungen wohlwollend zu stimmen, etwa in Bezug auf Bebauungspläne und Baugenehmigungen, verließ Fred sich auf die Überredungskünste von Kenny Sutherland, einem Mitglied der Lucchese-Familie, die in der politischen Landschaft von Stadt und Staat New York zu enormer Macht gekommen war.14

Unterdessen war Donald schon in der Highschool, der New York Military Academy, so von Geld besessen, dass er mit dem Reichtum seines Vaters prahlte – er sprach von 30 Millionen Dollar – und behauptete, dessen Vermögen würde sich jedes Jahr verdoppeln.15 »Er war schon sehr auf die Zukunft ausgerichtet, dachte eher langfristig als auf die Gegenwart bezogen«, so sein Zimmergenosse David Smith. »Er erzählte häufig vom Geschäft seines Vaters und dass er seinem Beispiel nacheifern, ihn aber übertreffen wolle.«

In seiner Freizeit arbeitete Donald oft genug für seinen Vater, um die Immobilienbranche kennenzulernen. Er machte Botengänge, sorgte für Ordnung auf Baustellen und sammelte die Münzen aus den Waschmaschinen in jenen sieben Hochhäusern ein, die sein Vater Trump Village nannte.16

Letztlich kam Donald jedoch zu dem Schluss, dass die Vision seines Vaters durch die Ärmlichkeit der Außenbezirke von New York erheblich eingeschränkt wurde, und er wollte unbedingt weiterkommen. »Ich will in Midtown-Manhattan aktiv sein, wo die wirklich wichtigen Dinge geregelt werden«, sagte er schon früh in seiner Karriere. »Ich werde mich immer aus den Immobilienprojekten meines alten Herrn heraushalten, außer wenn er mich braucht.«17

Fest entschlossen, die bescheidene Welt von Brooklyn und Queens hinter sich zu lassen, zog es Donald, der damals noch keine 30 war, Mitte der Siebzigerjahre auf die andere Seite des East Rivers, um sein Glück zu machen – nach Manhattan.

Doch zu dieser Zeit war New York City an seinem absoluten Tiefpunkt angekommen. Die Industrie hatte sich aus der Stadt verabschiedet. Die Kriminalität nahm rapide zu. Im Frühjahr 1975 verzeichnete New York ein Haushaltsdefizit von mindestens 750 Millionen Dollar18, hatte einen Schuldenberg von über elf Milliarden Dollar aufgetürmt und galt nicht mehr als kreditwürdig. Im Oktober 1975 kündigte Präsident Gerald Ford an, dass er gegen jede Gesetzesvorlage, die ein Bailout des Bundes vorsah, um New York vor dem Bankrott zu retten, sein Veto einlegen würde. Eine unvergessliche und sehr anschauliche Schlagzeile in der New Yorker Daily News lautete damals kurz und bündig: »Ford to City: Drop Dead.« (»Ford an City: Verrecke.«)

Für Donald Trump war der Umstand, dass die gesamte Stadt kurz vor dem Bankrott stand, eine exzellente Nachricht, da die Immobilienpreise nicht viel weiter fallen konnten. Für das Vorkaufsrecht, das heruntergekommene, von Ratten verseuchte Commodore Hotel an der East 42nd Street zu erwerben, bezahlte Trump exakt einen Dollar.19 Ungeachtet seines desolaten Zustands hatte das Commodore zwei große Vorzüge: Erstens befand es sich direkt neben einem großen Bahnhof, dem Grand Central Terminal, also in einer spektakulären Lage – wenn die Stadt wieder zum Leben erwachen würde. Und da zweitens die Immobilie sehr groß war, hatte sie ein enormes Wertsteigerungspotenzial in einer Stadt, deren Wert pro Quadratfuß bemessen wird. Es war eine einmalige Chance.

Der Mann, der Trump half, heil durch das trügerische Fahrwasser zu steuern, das er durchqueren musste, um sich die politische Unterstützung und die legalen Steuererleichterungen zu sichern, die er für den Abschluss des Geschäfts brauchte, war kein anderer als Roy Cohn. Er war Trumps Mentor und Vorbild, ein skrupelloser Rechtsanwalt mit schläfrigem Blick, der sich als brutaler und erbarmungsloser »Problemlöser« hervorgetan hatte, sowohl für Repräsentanten des Establishments (darunter Richard Nixon, Ronald Reagan und Rupert Murdoch) als auch Mafiosi (Anthony »Fat Tony« Salerno, Carmine Galante und John Gotti).

Cohn war eine ikonische Figur, die die dunklen Seiten ihrer Zeit eindrucksvoll verkörperte. Er ist seit über 30 Jahren tot, wirft aber nach wie vor einen langen Schatten auf die US-Politik. Cohn kam als rechte Hand des Senators Joseph McCarthy zu zweifelhaftem Ruhm, dem demagogischen Kommunistenhetzer der Fünfzigerjahre, als er McCarthys aggressive, inquisitorische Hetzjagd gegen angebliche Kommunisten anführte. Einen seiner größten »Red Scare«-Triumphe errang er in dem Prozess gegen Julius und Ethel Rosenberg, die 1951 wegen Spionage verurteilt wurden. Cohns große Leistung bestand darin, dass es ihm gelang, David Greenglass dermaßen einzuschüchtern, dass er bereit war, als Zeuge gegen seine Schwester Ethel Rosenberg auszusagen. Später gab Greenglass zu, im Zeugenstand gelogen zu haben, als er, durch Cohn unter Druck gesetzt, ausgesagt hatte, dass seine Schwester Mitteilungen getippt habe, die dann an die Sowjets geschickt worden seien. Aufgrund seiner Zeugenaussage wurde Ethel wegen Rüstungsspionage auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet.20

Bei einem von mehreren Vorfällen, die letztlich zur Entziehung von Cohns Zulassung als Anwalt führten, besuchte er einen Mandanten, den Multimillionär Lewis Rosenstiel, an dessen Sterbebett, belog ihn über den Inhalt eines mitgebrachten Dokuments, mit dem er Cohn zu seinem Testamentsvollstrecker ernannt hätte, und kam mit einer krakeligen Unterschrift wieder heraus, die vor Gericht nicht anerkannt wurde.21

In den Siebzigerjahren war Cohn einer von zahlreichen Prominenten, die im Studio 54 verkehrten, der legendären New Yorker Szenediskothek, wo er sich mit Leuten wie Andy Warhol, Bianca Jagger, Liza Minnelli sowie den Clubeigentümern Steve Rubell und Ian Schrager traf. Dort erwarb er sich einen Ruf als »der bösartigste, verdorbenste, grausamste Bastard, der jemals im Studio 54 eine Linie Kokain gezogen hat« – eine Beschreibung, die Tony Kushner einer Figur aus seinem Stück Angels in America in den Mund gelegt hat.22

Kushners Theaterstück ist natürlich eine Fiktion, aber Cohn wurde von Menschen, die ihn im wirklichen Leben kannten, ganz ähnlich beschrieben. »In Cohns Gegenwart wusste man, dass man in der Gegenwart eines durch und durch bösen Menschen war«, erzählte der Anwalt Victor A. Kovner der Vanity Fair.23

»Er war voller Widersprüche, ein jüdischer Antisemit und homophober Homosexueller, extrem geheimnistuerisch, aber unersättlich promiskuitiv«, schrieb Michael Kruse im Politico Magazine.24

Donald Trump hatte Cohn in einem anderen Szenetreff in Manhattan kennengelernt, im Le Club, einem vor der Disco-Ära beliebten Nachfolger von Treffpunkten der Schickeria wie El Morocco und dem Stork Club, wo Problemlöser und Societygrößen sich auf einen Drink trafen und Gefälligkeiten austauschten. Trump war sofort fasziniert von Cohns aggressivem, streitlustigem Stil, der später seine Einstellung zur Politik prägen sollte. Im Jahr 1973 half Cohn den Trumps, eine Klage der Abteilung für Bürgerrechte des US-Justizministeriums abzuwehren, die ihnen vorwarf, dass sie sich weigerten, ihre Mietwohnungen an Angehörige von ethnischen Minderheiten zu vermieten.25 Cohn riet Donald, die Regierung wissen zu lassen, »sie könne sich zum Teufel scheren, und die Sache vor Gericht auszutragen«.26

Und genau das tat Trump, mit Cohn als seinem führenden Anwalt, der die Regierung der Vereinigten Staaten im Auftrag von Trump Management auf 100 Millionen Dollar Schadensersatz verklagte (was 2018 etwa 575 Millionen Dollar entspräche), weil die Vorwürfe der Anklage »unverantwortlich und unbegründet« seien.27 Im Grunde hatte Donald Roy Cohns Credo zu seinem eigenen gemacht: Greife immer an. Entschuldige dich nie. Attacke, Attacke, Attacke.

Marie Brenner hat in Vanity Fair darauf hingewiesen, dass Cohn sich zu der Zeit, als Trump ihn als seinen Anwalt engagierte, eine Sonderstellung geschaffen hatte mit seiner unvergleichlichen Meisterschaft im Umgang mit New Yorks »Favor Bank«, dem unsichtbaren Netzwerk aus stillschweigenden Übereinkünften, durch das Polizisten, Anwälte, Richter, Macher, Lobbyisten und Ganoven die Dinge regelten.28

Cohn war so geschickt, dass Trump ihn an manchen Tagen 15- oder 20-mal anrief, um sich seine magischen Fähigkeiten zunutze zu machen, eine Insiderlösung für großzügig angelegte, aber dubiose steuermindernde Konstrukte, Bebauungsplanänderungen, Vertragsstreitigkeiten und Ähnliches mehr zu erreichen. Er war zu »einem Aushängeschild für jede Form von Bestechung geworden, der bekannteste Problemlöser in New York«, schrieb Wayne Barrett.29 Viele Jahre später, in Momenten der Krise lange nach Cohns Tod, hat man Präsident Donald Trump hin und wieder laut rufen gehört: »Wo ist mein Roy Cohn?«b30

Als das Commodore-Projekt Gestalt annahm, machte Cohn sich in seiner Eigenschaft als Consigliere der beiden größten Mafiafamilien in New York, den Genoveses und den Gambinos31, unentbehrlich, indem er Trump beim schwierigen Umgang mit Betonlieferanten, Abrissunternehmen und anderen Firmen half, die in vielen Fällen von der Mafia kontrolliert wurden.

Damals waren die meisten Bauunternehmer, die mit Fertigbeton bauten, anfällig für Arbeitsniederlegungen von LKW-Fahrern, veranlasst durch Baugewerkschaften und die Gangster, die diese Gewerkschaften kontrollierten. Doch als 1979 der Bau des Trump Tower begann, ließ Trump sich den Fertigbeton in Manhattan von einer Firma namens S & A Concrete liefern, die heimlich den Gangsterbossen Anthony »Fat Tony« Salerno von der Mafiafamilie Genovese und Paul Castellano von den Gambinos gehörte. Beide waren regelmäßig zu Gast bei Roy Cohn in seinem Townhouse an der East Side.32 Wayne Barrett zufolge kann es sogar sein, dass Cohn ein Treffen zwischen Trump und Salerno im Wohnzimmer seines Hauses arrangiert hat.33

Für Zimmererarbeiten nahm Trump eine Firma unter Vertrag, die ebenfalls von den Genoveses kontrolliert wurde.34 Damals war es nicht ungewöhnlich für New Yorker Bauherren, mit Subunternehmern der Mafia zu arbeiten, da die fünf Familien sowohl die größten Bauunternehmen als auch die Gewerkschaften, die die Interessen von deren Arbeitern vertraten, kontrollierten.35 Aber dank Roy Cohn, der sowohl Salerno als auch Castellano als Anwalt vertrat, brauchte Trump sich nie Sorgen zu machen wegen von der Mafia organisierten Arbeitsniederlegungen, die das Ziel hatten, mehr Geld zu erpressen.36 Das war nur einer der vielen Vorteile von guten Beziehungen.

Letzten Endes half Roy Cohn Trump, durch Steuernachlässe von der Stadt 120 Millionen Dollar einzusparen37, wodurch Trump und sein Partner, die Hyatt Corporation der Familie Pritzker, das Commodore für 100 Millionen Dollar renovieren lassen konnten. Sie ließen eine Fassade aus verspiegeltem Glas am Skelett des Gebäudes anbringen und verwandelten es in das Grand Hyatt mit 1407 Zimmern. Im Jahr 1996, also 20 Jahre, nachdem er für das Vorkaufsrecht einen Dollar bezahlt hatte, verkaufte Trump seinen Anteil am Grand Hyatt für 140 Millionen Dollar.38

Cohn starb 1986. Ob er das Genie war, das sich den Trick ausgedacht hatte, Geld über den Kauf von Immobilien durch anonyme Briefkastenfirmen zu waschen, ist unklar. Fest steht jedoch, dass Cohn zu der Zeit, als der Trump Tower geplant wurde, in der Tat Trumps Anwalt war und auch Robert Hopkins39, ein Mitglied der Mafiafamilie Lucchese, vertrat. Cohn hatte Hopkins dazu bewegt40, in dem noch unfertigen Gebäude zwei Einheiten für fast zwei Millionen Dollar zu kaufen, um einen hohen Marktpreis zu etablieren. Und schließlich kannte Cohn sich eindeutig mit kreativer Buchführung aus: Er vertrat Ian Schrager und Steve Rubell, die Eigentümer des Studio 54, als sie beschuldigt wurden, nahezu 2,5 Millionen Dollar ihrer Einnahmen am Fiskus vorbeigeschleust zu haben. Letzten Endes bekannten sie sich nur schuldig, 366 000 Dollar hinterzogen zu haben, und gingen dafür ins Gefängnis.c

Was er von Cohns Verbindungen zur Mafia hielt, hat Trump in seinem Buch