unsterblich 3 - Oliver Marco - E-Book

unsterblich 3 E-Book

Oliver Marco

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Beschreibung

Das Jahr 2067. Die ewiglebenden reAger, obwohl noch in Unterzahl, übernehmen die Welt. Sie haben Regierungen und wichtige Ämter übernommen und passen die Gesetze an. Doch die Endlichen wehren sich zunehmend, unterstützt vom Vatikan und einem unbekannten Mönch, der Angst und Schrecken im reAger-Sündenpfuhl Manhattan verbreitet. Als sich auch noch ein christliches Großereignis ankündigt, schickt LifeGenom-Gründer und US-Präsident Devin Stervals seine bestochenen Agenten los, um dieses mit aller Gewalt und Macht zu unterbinden. Währenddessen versuchen sich die Zwilling Maxx und Smoath und ihr Freund Freak in der neuen Weltordnung zurechtzufinden. Teil 2 des fünfteiligen Science-Fiction-Thrillers.

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Seitenzahl: 388

Veröffentlichungsjahr: 2023

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oliver marco

un:sterblich 3

:: das morden der endlichen ::

DER SCIENCE FICTION ROMAN

3

] DIE ZWANGSHANDLUNG [

{buddha: »wenn es sich lohnt, etwas zu tun, dann tu es von ganzem herzen.«}

UnitedWorldNet

»Ohne Menschen gibt es keinen Glauben. Ohne Glauben gibt es keine Menschen. Menschen, die ewig leben wollen, haben ihren Glauben bereits verloren, denn sie wollen die Verantwortung vor Gott nicht tragen. Sie blicken verschämt zu Boden, wenn Gott sie ansieht und sie verleumden sich selbst, wenn er nach ihnen fragt. Sie hoffen wirklich, ewig zu leben, um Gott nie begegnen zu müssen. Aber Gott ist die Ewigkeit, denn Gott hat keinen Anfang und kein Ende, Gott ist der Ring der Welt, während ihr nur auf einem Weg ohne Horizont seid.«

»Wer bist du, der solche Worte spricht? Der neue Messias?«

»Der neue Messias? Ich? Oh nein. Ihr werdet erkennen, wenn der Messias zurückkehrt, in unsere wahre Welt, dieser Welt, in der Korruption, Neid, Hass und Missgunst um das gottgleiche Geld mehr zählen, als der Mensch und seine Gesellschaft. Er wird wiedergeboren werden und Euch den Weg zeigen, der zum richtigen ewigen Leben führt.«

»Du bist doch ein Ketzer!«

»Warum sollte ich, oh edler Herr?«

Sir Bittersweet fixierte den dicken Herrn im ausgesuchten Gewand hart.

»Wusstet Ihr es nicht? Nachrichten aus anderen Welten berichten vom Tod der Religionen. Das ewige Leben hat die Wissenschaft zu uns gebracht und dieses ewige Leben kann ich sehen und selbst erleben! Und was ich erlebe, brauche ich nicht zu glauben!«

»Die Wissenschaft hat Euch nicht das ewige Leben gegeben, es hat Euch die Alterung genommen, die Faltenbildung, den Verschleiß Eures Körpers. Aber nicht den Tod, das Unglück, die Katastrophe, das Leid. Dann wärt Ihr froh, ein Gläubiger Gottes zu sein.«

»Was erzählt Ihr da von Gott, der kein Anfang und kein Ende hat? Alles hat ein Anfang und alles hat ein Ende! So wie es einen Zeitpunkt des Beginns gibt, gibt es auch einen für das Ende! Lügner!«

»Wer sagt, dass Zeit und Raum Anfang und Ende haben müssen? Vielleicht ist die Zeit ein Ring. Vielleicht ist Gott ein Ring. Vielleicht ist Gott die Zeit.«

Plötzlich begannen sich Streitgespräche zu entzünden unter der Schar der Anwesenden, der Marktplatz füllte sich mehr und mehr mit hinzu geeilten Dorfbewohner, bis das Unvermeidliche geschah und blitzende Schwerter und scharfe Messer gezückt wurden, als die verbale Argumentation ihr Pulver verschossen hatte.

»Einhalt, Einhalt, keine Waffen, Brüder und Schwester, keine …«

Die Worte eines alten heranstürzenden Paters verhallten ungehört. Sir Bittersweet aber lächelte. Er hatte erneut gewalttätige Zwietracht gesät. Es war Zeit, zu verschwinden. Weitere Provokationen warteten.

+++ erneut randale in onlinespiel +++

+++ politiker in realwelt fordern schließung +++

+++ weg mit virtuellen welten +++

+++ kritiker gegen politiker: ursache bekämpfen, nicht symptome +++

+++ appell an sexchat: in onlinespielen gesprochene aufnehmen +++

+++ und für immer speichern +++

+++ sexchat weißt forderung zurück +++

+++ was ist real gemeint, was ist nur teil des spiels? +++

Vatikanstadt

Es war kurz nach Mitternacht. Der Tag der Religionen eröffnete feierlich in Rom. Bereits tausende Pilger standen bei frischen Temperaturen auf dem Petersplatz, beteten, sangen und zündeten Kerzen an. Der Papst ließ es sich nicht nehmen, am Fenster der Basilika zu erscheinen und Grußworte an die Gläubigen zu richten. Während er sprach, stand Smoath im spärlich beleuchteten Hauptschiff der Basilika und betrachtete die Bronzestatue des Heiligen Petrus. Er strich ihm zärtlich mit der verbliebenen Hand über den kaum mehr vorhandenen Fuß, der von unzähligen Pilgern nach und nach abgenutzt worden war. Stramm blickte jener Petrus nach vorne, mit dem er nicht die geringste Ähnlichkeit hatte, weder als er jung aussah, noch jetzt. Und doch spürte er ein gewisses Zusammengehörigkeitsgefühl, eine Spannung, die er sich nicht erklären konnte. Ihn fröstelte. Von draußen trug die warme Luft den Jubel der Pilger herein, jenen Menschen, die eigentlich seine Feinde waren, so wie einst ein Vertreter des Islam sie nannte.

Smoath setzte sich auf den kalten Boden und betrachtete seine Lebenslinien in der linken Hand. Sie waren kaum mehr sichtbar in dem labbrigen Schwulst seiner Haut. Breite und Tiefe, Länge und Verlauf sagten nichts mehr über die Selbsterhaltung aus, so wie es mancher Handleser gerne tat. Der Stummel an seinem rechten Arm sagte eindeutig, dass er aus dem Vatikan nicht mehr mangels ID-Chip fortkonnte. Leider war es dem Vatikan, obwohl er ein eigenständiger Staat war, nicht möglich, Smoath einen neuen Chip zu injizieren - denn im Vatikan wurde normalerweise niemand geboren, schon gar nicht ein nichtgewollter Thomas. Die Zwillinge hatten damals den von Stervals arrangierten Chip in Amerika erhalten. Amerika … die Insel »Forever«. Dort lagerten in der GenBox seine Stammdaten. Ob Stervals wusste, dass Smoath offiziell tot war? Wo war MaryLu? Immer noch Muschitippse in seinem Büro? Er ärgerte sich, dass er keine Vertrauenspersonen, kein Netzwerk innerhalb der Firma hatte, aber das gehörte zum Konzept von Stervals. Die notwendige Sicherheitsüberwachung filterte Daten der Angestellten, tiefere Gespräche am Arbeitsplatz waren daher kaum möglich. LifeGenom war in sich ein eigener Staat, der es geschafft hatte dank seines Produkts unabhängig vom Rest der Welt zu sein und ein eigenes Sicherheitsdenken durchzusetzen. Smoath knirschte mit den Zähnen. McClanahan hätte ihm noch helfen können, als ehemaliger CIA-Chef kannte er doch alle Tricks einer modernen Überwachung. Doch der war verloren. Die Viren, die sich als luftresistent erwiesen hatten, forderten eine absolut dichte Abschottung des Raumes, in dem er lag.

Es war zum Verzweifeln.

+++ konsumindex nach oben +++

+++ luxus und urlaub ist in +++

+++ trotz armut in den usa +++

+++ islam: ewiges leben verboten +++

+++ dennoch drei filialen von lifegenom in istanbul, kairo, bagdad +++

CIA-Zentrale, Langley

Präzise wurden die verschiedenen Etagen auf dem gigantischen Satellitenbild abgetragen. Dächer und Wände lösten sich ebenso im Wohlgefallen auf wie Zimmerdecken und weitere vorgegebene Objekte. Siegesgewiss fletschten Barrel und Simmons ihre versiegelten Zähne und hantierten weiter hastig an den Einstellungen. Schicht für Schicht grub sich das Objektiv in dem Gebilde voran, scheiterte aber paradoxerweise an dünnen Sachen wie Decken oder Papier. Was unter einer Bettdecke vor sich ging, erfuhr die CIA nicht, dafür war die Technik noch zu grob, die abzutragende Schicht zu dünn. Doch das war in diesem Augenblick nicht wichtig. Unten links auf dem riesigen WallScreen war das TopSecret-ePaper eingeblendet, das ihnen einen eindeutigen Befehl vorgab: McClanahan finden und eliminieren. Es war Cones letzte Instruktion bevor er sich das Leben genommen hatte - und sie galt bis auf weiteres. Die Agenten wussten, es war ein testamentarischer Racheakt Cones, der McClanahan nie verzeihen konnte, dass er im Kampf um das ewige Leben kläglich versagt hatte. Auch viele CIA-Leute wollten ihn tot sehen, denn allmählich sickerten immer mehr Details über McClanahan, seine verdeckten Machenschaften und seiner Krankheit ans Tageslicht.

»Ohne Zweifel. Da liegt er.«

Däumling Simmons zoomte erfreut noch weiter heran.

»Was tun wir? Wir haben den Satelliten nur noch zwei Minuten!«

Barrels Muskeln zuckten kurz, so, als könnten sie das Beobachtungsfenster aus dem All am Schließen hintern.

»Er ist nicht zugedeckt. Eine illegale OP zum reAger? Schließlich liegt er in diesem Vergnügungsviertel. Ob er gemeinsame Sache mit Weiß macht? Wir sollten dessen Räume vielleicht auch mal unter die Lupe nehmen.«

»Sollen wir hinfahren um ihn …?«

»Nein. Da kommen wir unauffällig nicht ran. Als Endliche schon gar nicht, nicht mal mit physischem Durchsuchungsbefehl.«

Barrel nickte zustimmend und kratzte sich kurz an seiner Chiphalterung. Einen ShakingSimpson-Anfall konnte er nun nicht gebrauchen. Aber innerlich frohlockte er. Der Chip sollte demnächst entfernt werden können, LifeGenom versprach Heilung und ewiges Leben. Sein Partner Simmons wollte mit seiner OP auf Barrel warten. Ein echter Freund!

»Wir könnten den Strom unterbrechen, aber das könnte auf uns zurückfallen. Früher war es einfacher, als die Stromkonzerne noch das Monopol innehatten. Heute macht jeder seinen Strom selbst. Wir könnten einen Roboter oder eine Drohne losschicken.« Simmons zoomte Richtung Osten. »Dort scheint kaum Überwachung zu sein. Da navigieren wir hinein und bohren uns durch bis zu diesem ominösen einzigen Zimmer des seltsamen Baus.«

»Die operieren den bestimmt zum reAger. Als Versuchskaninchen. Vielleicht sollten wir warten, bis er verreckt?«

»Das wäre ein Ding, wenn die das wirklich probieren. Wir bringen ihn dennoch um, so richtig gemein. Dann denken sie, ihr Experiment ist gescheitert.«

+++ islam: operation zum reAger nur heimlich nachts möglich +++

+++ aber viele wagen es! +++

+++ verwahrlosung von jugendlichen und kindern weltweit steigend +++

+++ eltern depressiv und überfordert +++

+++ endliche glauben ihre freiheit zu verlieren +++

+++ immer mehr einschränkungen +++

+++ bei jobwahl, wohnungen, vergnügungen +++

New York City, Manhattan

Das Kind schrie seine ersten Lebenssekunden in die kinderfeindliche Welt hinaus. Vorsichtig nahm die Mutter den Wurm an sich und lächelte. Der Körper mixte Substanzen der Freude zusammen, aller Schmerz war vergessen. Der Mönch, der Mörder von soeben, stand an der Tür.

Lässig schob er die zerstörte Appartementtür beiseite und trat ein. Der Nerd, sichtlich erschöpft auf dem Boden sitzend und innerlich auf der Suche nach einer Lösung, blickte erschrocken auf. Die Frau im Bett bemerkte die finstere Gestalt zuerst nicht.

Doch seine tiefe Stimme, gerichtet an den Vater, ließ sie aufhorchen.

»Du suchst nach einer Lösung, richtig? Nach einer Lösung, wie du das Kind durch die Welt bringst, so ohne Chip. Denn ohne Chip keine Vaterschaftsprüfung, aber ohne Chip auch kein freies Leben.« Von unten herauf ertönten Sirenen, die plötzlich verhallten. Der Jungbroker wurde bleich, die Polizei stand gleich vor der Tür! »Vielleicht ist es besser, sich selbst zu richten?«

Sterben statt ewig leben. Heftiges Kopfschütteln, Blicke wanderten zwischen beiden hin und her. Plötzlich blitzten die Augen des frischgebackenen Vaters kurz auf, die Tür, der Mönch, der Spalt dazwischen, die Chance! Flink rappelte er sich hoch und rannte Richtung Tür. Doch der Mönch stürzte sich auf ihn und schleuderte ihm die Faust ins Gesicht. Benommen fiel der Typ zu Boden, fasste sich vor Schmerzen ans Kinn. Sein Hemd wurde aufgerissen, bis seine behaarte Brust zu sehen war. Dann schlug der Mönch mit der ausgestreckten flachen Hand zu, das Kreuz formte sich tief in den knackenden Brustkorb ein. Ungläubig riss der Kerl die Augen auf, sein Mund öffnete sich, aber es kam kein Ton heraus. Er begann schwer zu atmen, er fasste sich an die eingedrückte Stelle über seinem Herz und an den Hals, Panik stieg in ihm hoch, während seine ruhelosen Augen nach Hilfe suchten und plötzlich Blut aus seinem Mund schwappte. Bewaffnete und vermummte Polizisten stürmten in die kleine Wohnung. Er blickte kurz auf. Es war das letzte was er auf dieser Welt sah.

Ich war wieder ich und hatte mich in letzter Sekunde in einen nahen Aufzug verkrochen. Auf dem Weg nach unten stoppte ich diesen und klebte die aufgespürte CabinCam ab. Dann kniete ich nieder. Tränen tropften auf den Boden des Lifts. Ich nahm das Kreuz, das um meinen Hals hing, in beide Hände und drückte es fest. Mit tränenerstickter Stimme bat ich Gott um Verzeihung. Ich betete für das Neugeborene, ich jammerte vor Verzweiflung, Unsicherheit und Gewissenlosigkeit. War das meine Aufgabe, mein Sinn des Lebens? Einen Körper zu einer Stelle hinzuführen? Und diesen dann Gott zu überlassen?

Es war doch Gott?

Allmählich beruhigte ich mich und schluckte meine Tränen hinunter, die wie Weihwasser schmeckten. Mein Zittern verebbte, mein Handeln verwandelte sich von Fragen in Antworten. Der reAger war tot, die Endlichen aber lebten.

So unauffällig wie möglich hatte ich das Gebäude verlassen und die grell blinkenden Boden- und Flugpolizeivehikel umgangen. Wie die Nacht durchstreifte ich in Schwarz die grell erleuchtete Stadt Richtung UNO-Gebäude. Das vom Vatikan leicht modifizierte HUD-System führte mich sicher zu meinem nächsten Ziel, vorbei an Fußgängern, vorbei an Überwachungspunkten. Vor dem Appartementhaus, in dem Bent Elnegaard seine Wohnung hatte, blieb ich stehen. Das HUD in den Kontaktlinsen meiner Augen aktualisierte die Sicherheitsüberprüfungen. Nur Gott und René wussten wie und woher, und sie überraschten mich: Das Haus war kaum gesichert. Ich sondierte die Gegend, die ich hell erleuchtet wahrnahm, aber in Wirklichkeit in der Dunkelheit dieses Bezirks lag. Es gab keine schreierischen WallScreens, keine Tag machenden Laternen, keine hellen Wohnungen. Und mein Weg würde über außen in den ersten Stock führen. Und doch war ich gespannt, was Gott mit mir tun würde. Elnegaard war kein reAger. Er war noch immer Endlicher. Zumindest offiziell.

Gott gab mir tatsächlich Hinweise, ich entdeckte sie in Form eines alten knorrigen Baumes, der bis zum ersten Stock reichte. Sofort machte ich mich ans Werk und kletterte sicher, aber langsam und möglichst unscheinbar nach oben. Von dort aus erreichte ich mühelos den kleinen Zielbalkon, der leicht durch das Licht aus dem Wohnzimmer erfüllt wurde. Ich war überrascht, wie locker, wie schnell es vonstatten ging. War einer der wichtigsten Menschen der Welt … so … simpel zu erreichen? Wo war der Haken? Versteckte Überwachung? Minen? Laser? Androiden? Vorsichtig blinzelte ich in das Zimmer. Elnegaard schien allein zu sein und diktierte irgendetwas ins Web. Meine Verwunderung hielt weiter an, diesmal über die nicht verspiegelten Fenster, die eine freie Sicht in die kleine schmucklose Wohnung des Noch-Generalsekretärs der Vereinten Nationen ermöglichten, aber Elnegaard war wohl zu oft unterwegs, als dass er ein herrschaftliches Haus für sich benötigte oder Angst vor der Presse hatte. Die Fensterscheiben erwiesen sich anhand der Sicherheitsmeldungen als verstärkt, bruch- und lasersicher. Hätte ich mich einfach bei der Wohnungstür gemeldet, Cams und Elnegaard selbst hätten den Sicherheitsdienst informiert. Wild fuchtelte ich in meinen Taschen. Ich entnahm meine drei Rollen transparente WallScreens. Diese befestigte ich oben am Fensterrand nebeneinander und ließ sie nach unten auslaufen. Ich wechselte mein Gewand auf unschuldiges Weiß. Dann aktivierte ich die WallScreens. In mir begann es wieder zu Rauschen, die Binde verhüllte mir die Augen und die Sicht. So musste ich nicht ertragen, was ich tat.

Gleißendes Sonnenlicht, ein endloser Horizont und ein Sandstrand unter Palmen leuchteten mit einem intensiven Helligkeitsschlag farbenfroh in Elnegaards Zimmer. Der zuckte zusammen und beäugte irritiert den plötzlichen gleißenden Lichteinfall. Er kniff die Augen zusammen, vorsichtig stand er auf und tastete sich nach vorne. Der Mönch erhöhte Kontrast und Helligkeit, Elnegaard nahm innen schützend seine Hand vors Gesicht.

»Verd… was ist da los?«

Die Illusion, dass sein Zimmer direkt a einem sonnendurchflutenden Sandstrand lag, war perfekt. Unsicher trat er durch sein Zimmer, misstraute seinen Augen und Gedanken und öffnete mit einem Knopfdruck die Balkontür.

Auf dieses klickende Geräusch hatte der Mönch nur gewartet. Brachial durchbrach er die friedliche Strandromantik und schlug drakonisch mit der flachen Hand auf den Kiefer des verdutzten Generalsekretärs. Der taumelte halb bewusstlos zurück, während der Mönch sofort nachsetzte und ihn am Kragen packte. Erbarmungslos wurde er an die gegenüberliegende Wand gedrückt. Elnegaard suchte im gleißenden Gegenlicht Antworten mit seinen uferlosen nassen Augen im schwarzen Nichts unter der Kapuze. Ein Stich ins Herz ließ ihn nach unten sehen. Ungläubig betrachtete er das glänzende Metallkreuz, das tief in seinem Brustkorb steckte. Kein Blut war zu sehen, er starrte nur ungläubig auf die angegriffene Stelle, der bohrende Schmerz vibrierte tief in seinem Herzen, das innerlich voller Hoffnung versuchte, weiteres Blut durch die Bahnen zu pumpen. Der Mönch trat einen großen Schritt zurück, faltete die Hände und flüsterte ein zweizeiliges lateinisches Gebet. Er stand als unwirkliche Todessilhouette vor dem im Hintergrund schimmernden friedlichen Strandbild.

Elnegaard rang mit dem Tod, er versuchte zu sprechen, aber es kam nur Blut über seine ausgedörrten Lippen. Er schloss seine Augen, umfasste das Kreuz mit seiner lächerlichen letzten Kraft und sank dumpf zu Boden.

Es war Zeit zu gehen. Doch der Mönch zögerte, noch gab es etwas zu prüfen. Er holte die Spraydose aus seiner Tasche und besprühte den Hals des Toten. Eine Narbe war eindeutig erkennbar. .3 war mit ihrer Vermutung richtig gelegen. Der Generalsekretär war bereits zu einem reAger geworden. Der Verräter hatte es nicht anders verdient.

+++ neuer squash-roboter vorgestellt +++

+++ noch geschmeidiger, noch schneller, noch stärker +++

+++ halbreales spiel in wohnung mit diesem roboter kein problem +++

CIA-Zentrale, Langley

Es war alles vorbereitet für den letzten Akt. Barrel und Simmons grinsten zufrieden in die WallScreen, als sie beobachteten, wie der Minipanzer mit seinem Bohrer die Wand mit einem kleinen Loch durchbrochen und eine MückenCam ins Zimmer geschickt hatte. Kritisch beäugten sie die Lage in dem sterilen und strahlend hellen Raum im dem verlassenen Bau Nähe Times Square.

»Seltsam, hier steht wirklich nur diese OP-Liege mit unseren Komapatienten, Apparaturen in der Mitte und sonst nichts. Dazu Schläuche und eine Cam am Bett. Fenster zugemauert. Dazu helles Licht, um die Patientenhaut bei Laune zu halten. Und sie haben ihn wahrlich aufgeschnitten.«

»Scheiße, da drüben! Was ist das?«

Roter Nebel in der Größe eines Luftballons schwebte fast regungslos im Raum, knapp über McClanahans Körper.

Simmons kniff die Augen zusammen, als ob er damit seine Auflösung erhöhen könnte: »Sieht aus wie Millionen kleiner fliegender Pixel. Die Cam könnte Proben einsammeln. Danach töten wir mit ihr unseren lieben ehemaligen Chef!«

+++ vorbereitungen für elnegaards abschied +++

+++ veranstaltungen in new york, wien und genf +++

+++ deepgore und minister beraten über tag der religionen +++

+++ tag der religionen könnte gewalt und hass entflammen +++

+++ atheisten versammeln sich wie die gläubigen zu demonstrationen +++

+++ friedliche stimmung +++

+++ zahl der atheisten in letzten jahrzehnten fast verdoppelt +++

+++ forscher: auch atheismus ist eine form der religion +++

+++ atheisten: »fahr zur hölle!« +++

New York City, Manhattan

Mein Herz schlug unbarmherzig bis zum Hals, als ich schemenhaft durch die dunklen Tunnel, Ecken und Straßen den weiten Weg nach New Jersey schlüpfte. Es war kurz vor Mitternacht, als ich in Newark vor den auserkorenen Penthouse-Wohnungen stand. So eine außergewöhnliche Stille hatte ich in einer Stadt schon lange nicht mehr erlebt. Der Geruch der High Society umwehte säuerlich meine Nase, die blitzblank geputzten und breiten Straßen zeugten von unerträglicher Arroganz und unglaublicher Macht. Meine Zielobjekte, die Luxuswohnungen von Geldgeiern, waren in einem dreistöckigen schmalen Haus untergebracht, welches durch hohe Mauern und nicht sichtbare Sicherheitsvorkehrungen geschützt war. Sich nähernde Schritte ließen mich kurz ein paar Meter weiter hasten und hinter einem Busch verstecken. Ein Mann blieb vor dem Haus stehen und nickte in die Kamera oberhalb von ihm. Wenige Minuten öffnete ein schleimiger Kerl das Sicherheitsgitter und trat einen Schritt zum Gehsteig hinaus. Er blickte sich gründlich um. Kurz nickte er. Er schien kein Radar mit Stalkerfunktion zu benutzen. Die Straßen waren leer, nichts Wichtiges, was die Überwachungssysteme hätten erfassen können. Schnell kam er auf den Punkt.

»Du hast es dir überlegt?«

Die krächzende Stimme des Hausbewohners war unwirsch und genervt.

Nur vage konnte der Mönch den Kerl erkennen, aber seine Körperhaltung war anmaßend und herablassend, während sein Gegenüber leicht gebückt und unsicher vor ihm Hof hielt.

»Und Ihre Methode ist genauso sicher wie die von LifeGenom?«

»Wenn du uns nicht traust, dann zisch doch ab!«, blaffte der Villabesitzer zurück.

»Nein, nein, ich vertraue Ihnen!«

»Also gut. Fünfzigtausend New$ für die OP zum ewige Leben, dreißigtausend New$ um deine Kinder aus der Welt zu schaffen, zwanzigtausend New$, um ihre Vergangenheit auszulöschen. Biete dir für ein Schnäppchen von zehntausend New$ noch die sichere Entsorgung deiner Frau an.«

»Ex-Frau. Ich habe mich von ihr bereits getrennt. Ich werde dann aus dieser Stadt verschwinden, wenn ich ewig lebe. Ihr Tod … ist also nicht notwendig.«

»Wie du meinst. Deine beiden Kinder sind natürlich auf deinem Chip verewigt. Das System ist leider arschsicher. Bevor nicht alle Spuren beseitigt sind, pass auf, wo du ihn einsetzt und wo du überwacht wirst.«

»In Ordnung.«

»Und nimm keinen Abschied von deinen Kindern. Das regt dich dein restliches ewiges Leben lang auf.«

Er lachte derb, er wieherte fast wie ein Pferd.

Der Schlag traf den Lebenshändler unerwartet und tödlich. Trotz des zerbrochenen Kiefers, der bis tief in den Rachen gedrückt worden war, lachte er noch, aus Schock, aus Überraschung, scheißegal. Er fiel fast geräuschlos nach hinten zurück auf sein Grundstück. Seine weit aufgerissenen Augen hatten nicht mehr orten können, wer oder was ihn umgebracht hatte.

Sein Gesprächspartner war unfähig zu fliehen, zu reagieren, irgendetwas zu tun.

»Fuck, wer …?«

Vor ihm stand der weiße Mönch, die Kapuze weit über den Kopf gezogen, die Augen verbunden. Mit offenem Mund gaffte er auf dessen kaum sichtbares, schwarzgefärbtes Gesicht, die stumme Erscheinung, die gefalteten Hände. Sein entgeisterter Blick wanderte weg von dem unheimlichen Mörder, zurück auf die Leiche. Seine Zukunft lag tot vor ihm.

Intensiv und herrisch begann der Mönch mit tiefer Stimme zu sprechen.

»Du solltest mir dankbar sein, ich habe dich vor zwei Dummheiten bewahrt. Niemand außer LifeGenom kann dir das ewige Leben bieten. Niemand! Aber bevor ich Werbung für diese Firma laufe … habe ich es richtig verstanden? Dein ewiges Leben gegen das deiner Kinder?«

Die Haltung des Mannes wurde noch ängstlicher und buckeliger, sein schmaler Oberkörper zeugte von tiefster Demut und Unbehagen, seine Finger spielten unsicher mit sich selbst. Vorsichtig trat er einen Schritt zurück. Aber hastig begann er sich zu rechtfertigen.

»Ich habe Schiss vor dem Tod, ich will nicht sterben, ich … ich … will ewig leben, scheiß auf die Kinder, sind wir nicht alle Egoisten? Ich wollte nie Kinder, meine Frau wollte …«

»Du brauchst keine Angst vor dem Tod mehr zu haben. Wieso vor etwas Angst haben, was unvermeidlich ist? Du wirst sterben. Ich weiß, dass mein Erlöser lebt. Das ist deine Hiobsbotschaft, mein Lieber, 19,25a, mein Bibelspruch an dich. Ein Bibelspruch, der den Wendestellen des Lebens zugesprochen wird, so wie du nun eine Wendestelle erleben und ersterben wirst. Tu es für deine Kinder.«

Der Mönch erhob seine Hände. Die implantierten Kreuze traten kampflüstern hervor.

»Nein, nein … oh, mein Gott, nein!«

Der Kerl erhob schützend seine Arme.

»Gott? Du erwähnst Gott?«

»Ich … nein …«

Des Mönchs basslastige Stimme erhob sich mit einem Schlag zu einem ohrenbetäubenden schrillen Orkan, alle Rücksicht und Vorsicht gerieten in Vergessenheit.

»Du … erwähnst … den Herrn? Wer bist du, dass du dir das erlaubst? Wer bist du, der die von dir gezeugten und von deiner Frau auf die Welt gebrachten Kinder dieser Welt wieder entreißt?«

Wütend ließ er seine Zügel los und schlug zu, diesmal nicht mit der flachen Hand, sondern mit den Fäusten. Ein Stakkato an Schlägen prasselte auf den wehrlosen Vater ein, der sich erfolglos zu schützen versuchte, bis er stolperte und zu Boden fiel. Doch der weiße Mönch ließ nicht ab. Fußtritte malträtierten im Rausch seinen schmalen Körper, immer wieder zuckte der geschundene Körper des Hilflosen, als mit einem Schlag Unterlass einkehrte. Doch es war nur eine Pause, ein Stellungswechsel. Sein Peiniger kniete sich neben ihn und trommelte weiter mit unbändiger Maßlosigkeit und Zügellosigkeit auf sein stöhnendes und wehrloses Opfer ein. Noch stärker, noch intensiver, unkontrolliert, brachial. Unlogisch, unnötig!

»Ich vergebe nicht. Ich verschone nicht. Ich verurteile dich! Ich bin dein Richter auf Erden! Dein irdischer Kerkermeister! Dein Lebensbeender!«

Knochen knackten, Haut riss, Blut sprudelte, Gliedmaßen zuckten in einem tanzenden Schauspiel des Übergangs vom Leben in den Tod.

+++ emissionsauflagen: lockerungen, da wieder weniger co2 +++

+++ »die welt hat in letzter minute gelernt« +++

+++ versicherungen: sozialumbau schwerer als gedacht +++

+++ neueinstellungen nötig +++ branche boomt +++

+++ weniger flüchtlingsströme auf der welt +++

UnitedWorldNet

Der Tag der Religionen floss lautstark durch die Foren, im 3D-Netz und in einigen Onlinewelten schlugen Meinungen hin und her. Verbale Auseinandersetzungen mutierten in einigen Fields zu harschen Provozierungen oder gar Streit. G.O. David tobte, fackelte nicht lange und setzte das Web erstmalig seit langem unter Quarantäne oder Exil einzelner Fields und Teile. General Hunt, der den Streit in Goldgerste schlichten sollte, zog sich zu einer Chefstrategiebesprechung zurück. Freak hatte als Sir Bittersweet seine Onlinewelt inzwischen verlassen, er war als normaler User unterwegs und schürte weiter gegen die reAger. Um sicher zu gehen, hatte er sich einen Halo programmiert, einen Heiligenschein, der ihm Sicherheit und Schutz vor den Schergen Sexchats bieten sollte.

Stervals, der im Netz zu Besuch bei G.O. »Sexchat« David war, zeigte sich bestürzt.

»Verdammt, G.O., wie kann so etwas passieren?«

Der Supervisor lag betont leger in einer Hängematte unter Palmen an einem virtuellen Strand und gab seine Befehle über kurze Codes. Dann richtete er sich auf und nahm die Sonnenbrille ab.

»Ich sag es dir, Stervals.«

Stervals virtuelles Ich hatte einen Strohhut auf und eine Badehose an. Sein offenes, schreiend buntes Hawaii-Hemd wehte im Wind. Er kam sich reichlich lächerlich vor.

»Dann sprich.«

»Stervals, du polarisierst die Welt. Nicht alle sind begeistert vom ewigen Leben. Es gibt zu viele Familien, zu viele arme Menschen auf der Welt. Hast du die Geschichtsbücher nicht gelesen? Weißt du nicht, was in den letzten fünfzig Jahren passiert ist? Die Welt ist insgesamt arm. Nicht hier. Nicht in Europa. Nicht in Australien. Nicht überall in Asien. Aber viele Menschen haben andere Probleme. Und nicht das Geld für deinen Scheiß. Es gibt aber auch viele, die mit ihrem Leben und dem Gang der Zeit und Generationen zufrieden sind. Die sind nicht freudetrunken, dass sie sterben müssen, während reiche und in der Regel kinderlose Leute jetzt noch mehr Zeit haben ihr Geld zu verprassen. War früher das Geld das Ziel der Wut, die Umverteilung von oben nach unten, geschieht nun das gleiche mit dem Leben. Manche sind auch aus dem Prinzip der Evolution dagegen. Ich bin dir darüber auch etwas böse, denn so einen Aufruhr im Netz kenne ich nicht und will ich nicht. Von einem Plätschern zu einer Welle, das gab es noch nie, schon gar nicht in der Geschwindigkeit. Die Vlogs schmelzen Speicherplatz weg, so schnell kannst du gar nicht verifizieren. Deine Wahl zum Präsidenten ist so gut wie klar, aber die Unruhen … du musst entweder …«

»Sag mir nicht, was ich zu tun oder zu lassen habe. Ich bin auch hier, um dich zu informieren, wie es mit mir als US-Präsident in vier Monaten weitergeht.«

»Du gehst also davon aus, gewählt zu werden?«

»Ich bin der einzige Kandidat. Und dir ist klar, dass sich in der Übergangszeit einiges ändern wird?«

»Übergangszeit?«

»Die nächsten zwanzig Jahre. Ein unbedeutender Zeitraum in einem langen Leben. Dann werden die letzten Kinder großgezogen und bis auf ein paar Modeerscheinungen aus dem täglichen Leben verschwunden sein. Hast du dich schon für das ewige Leben entschieden?«

»Du erkennst deine Freunde und Anhänger daran, ob sie sich haben operieren lassen, stimmt’s? Stervals! Devin, ich werde dir nicht sagen, ob ich außerhalb des Webs aktiv werde. Ich möchte dich nur sowohl warnen als auch bitten, für Ruhe zu sorgen. Die soziale Ordnung ist wichtiger denn je. Die Lage ist ernst. Ich bin das Netz, Devin Stervals, vergiss das nicht. Ohne mich läuft hier nichts. Auch deine Wahl nicht.«

Stervals verschwand und Sexchat grinste zufrieden. Alle Hebel, Cams und Überwachungstechniken waren so geregelt, dass alles seinen Gang ging. Seinen Gang! Und dieser Mönch ... er kam ihm gerade recht.

+++ stervals auf wahlkampftour +++

+++ schmeichelattacke auf endliche zeigt wirkung +++

+++ prozentpunkte steigen +++

+++ kakaobohnen aus nordafrika teuer wie nie +++

+++ wachstum hechelt bedarf hinterher +++

+++ gen-kakao wächst zu langsam +++

New York City, Manhattan

Gehetzt, unter Paranoia und Schuldgefühlen leidend, hastete ich zur Haustür. Ich lief schnell, aber nicht zu schnell, ich wollte den Eindruck von Eile den Überwachungsgeräten übermitteln und nicht den von Flucht. Die Flucht vor der Natur. Der Sonne schickte sich bereits an, die Nacht zu vergraulen und den Tag hereinzulassen. Fieberhaft verschwand ich im Inneren meines Hauses wie ein Vampir.

Er stand erst seit kurzem vor dem Wohnblock. Der dunkelblaue Dienstwagen war auffällig. Er trug keine Werbebotschaften, war nicht aus einem 3D-Drucker. Er war ein Relikt aus den fünfziger Jahren. Er konnte sogar noch selbst gefahren werden, ohne großartig irgendwelche Sperren aufheben zu müssen. Fliegen konnte er nicht.

Zielstrebig verließ der Besitzer sein treues Vehikel und schlenderte bemüht unauffällig über die ruhige und breite Straße. Der Mönch hatte eben das Haus betreten. Nur langsam bewegte sich die Tür zurück in Richtung Schloss und noch ehe sie zufallen konnte, schob der Kerl seinem Fuß dazwischen und schwenkte diese wieder auf. Verblüfft bemerkte er das dunkle Treppenhaus vor sich. Wieso funktionierte der Bewegungsmelder nicht? Er hob seinen Arm und flüsterte einen Lichtbefehl Richtung seines PA. In diesem Moment spürte er einen Schlag auf seinen Arm, sein PA spielte kurz verrückt. Ein Schlag ins Gesicht ließ ihn in Ohnmacht fallen.

Das Licht im Treppenhaus flammte auf. Der Ertappte erwachte. Er blinzelte in das abgedunkelte Kuttengesicht seiner Zielperson, die sich direkt vor ihm aufgebaut hatte. Er erkannte nicht, wer sich unter der Kapuze befand Er sah nur sein Kinn, das einen Drei-Tage-Bart aufwies. Blitzschnell wurde er hochgezogen und hart an die Wand gequetscht, seine linke Hand wurde zur Seite gedrückt, danach verspürte er einen tiefen Schmerz in der Handmitte. Irritiert blickte er nach links – und erschauderte. Seine Hand war mit einem kleinen Stahlkreuz an die graue Wand gespickt worden, dennoch drang kein Blut aus der Wunde heraus. Der Mönch nutzte den gedanklichen Aussetzer seines Opfers, packte dessen rechte Hand, schob sie nach oben und jagte ein weiteres glänzendes Kreuz direkt in dessen Handmitte, Putz bröckelte Richtung Boden, das Holz dahinter quietschte. Der Typ jaulte kurz auf, versuchte aber sogleich, die Hände ruckartig wieder von der Wand zu lösen, was eine plötzliche schwallende Blutfontäne aus seinen schmerzenden Händen verursachte. Erschöpft ließ er nach, Schwindel erfasste ihn, sein sich drehender Kopf suchte nach Halt und fiel nach vorne. Der Mönch packte sein Kinn und riss es nach oben. Seine Stimme erhob sich wieder zu einem tiefen Orkan.

»Wenn du ohnmächtig wirst, stirbst du!«

»…«

Nur ein Ächzen als Antwort.

»Sieh mich an. Wer bist du, wer schickt dich?«

Keine Antwort.

»Ich habe noch ein drittes silbernes Kreuz. Achte auf die Spitze hier vorne. Wäre es eine Kreuzigung, würde ich es dir in die Füße rammen. Es ist aber eine Folter!« Der Mönch erkannte ein kurzes Zucken in den Augen seines Opfers. »Ich sehe, du verstehst mich. Also, wer bist du?«

Zurück kam nur ein böser Blick, zusammengetragen aus der letzten Kraft der Seele. Der Mönch steckte das Kreuz zurück, nahm dafür die kleine Sprühdose heraus und drückte über dessen Hals ab. Sofort zeichnete sich die weiche Narbe an der Aorta ab.

»Ein reAger, wie ich es mir schon dachte.«

Konzentriert machte der Mönch sich an den Klamotten zu schaffen. Er durchsuchte ihn nach Waffen, nach irgendeinem Hinweis. Sofort versuchte der Gekreuzigte einen Blick unter die Kapuze zu erhaschen. Aber nur eine Nasenspitze war kurz zu erkennen. Zu wenig. Doch da, er hob seinen Kopf. Der Mönch trug eine schwarze Augenbinde. Wie konnte das sein? Wie hantierte der Typ? Über Cams?

Der Mönch grinste ihn an. Arrogant. Herablassend. Überlegen.

Mit einer schnellen Bewegung riss der Schinder den durchsichtigen PA vom Handgelenk des überrascht aufschreienden Opfers. Der Peiniger entfernte sich ein paar Schritte von seinem Opfer, so, als sie dieser nicht in seiner Hand, sondern ein Kunstgegenstand, den er in seiner ganzen Form erleben wollte.

Es war der Moment, wo ich von Gott wieder die Kontrolle über meinen Körper bekam. Ich nahm die Binde ab. Meine Stimme normalisierte sich.

»LifeGenom-Sicherheitschef Gonzalez. Was macht ein Mann deines Ranges hier draußen in der Welt, in diesem Haus? Und dann noch mit so einem tollen Firmen-PA. Schweres Sicherheitsleck, Meister.«

Meine Finger der linken Hand flogen sicher über die manuellen Einstellungen bis zum Sicherheitscheck. Dann hob ich ihn hoch zu Gonzalez’ rechtem Auge und ließ ihn unter dessen Flüchen und Todesandrohungen die Iris scannen. Der instinktive Versuch, die Augen zusammen zu pressen, scheiterten nach einem kleinen Eingriff kläglich. Der PA prüfte und entriegelte sich.

»Gonzalez, Gonzalez … Nun hättest du mal ein Auge zudrücken können. Vielleicht solltest du auf Glasaugen umstellen. Ah, sieh an, eine interne Eilmeldung. Der UNO-Generalsekretär Elnegaard wurde ermordet. Tragisch. Sieh an, er hatte einen Farbstreifen auf dem Hals, so wie ihn Gangmitglieder aus den Suburbs benutzen, um zu erkennen, ob er ein reAger ist. Jeder weiß, dass Elnegaard für das ewige Leben war, aber die Neuigkeit, dass er sich operieren hat lassen, obwohl es in seiner Heimat noch nicht erlaubt ist und er die Abstimmung vermasselt hat, tss, tss … Das ist nicht schön. Er hat sicherlich kein offizielles GenCenter genutzt, sondern das ganze still und heimlich auf einer Privatfarm erledigen lassen, oder? Ein Wunder, dass diese News überhaupt offiziell ist! Vielleicht wurde sie auch nur … gut lanciert.«

Gonzalez war sichtlich geschockt über die Nachricht. Er taumelte geistig, sammelte sich wieder, der Schmerz in seinen Händen ließ nach. Seine Füße suchten Halt und fanden.

»Ich… weiß nicht. Lass mich laufen, sonst wird es …«

»Oh, plötzlich mutig? Du bist nicht in der Lage Forderungen zu stellen. Sieh nur, wie langsam das Blut aus deinen Wunden tropft und immer heftiger zu Boden klatscht. In dem Haus hier wohnen noch zwei alte Weiber, die ihre Bude kaum mehr verlassen und zwei Singles, die nur in Bars oder in der Welt unterwegs sind. Bedeutet: Dich findet hier kein Mensch. Und du bist doch ein wichtiger Sicherheitschef. Daher kann man dich nicht einmal via Chip orten. Blöd, nicht?«

»Ich weiß nichts.«

»Ich ramm dir dieses Ding unten in dein Ding rein, dass du denkst, du bist ein Eunuch. Also, was weißt du?«

»Verflucht, wer bist du?«

Er suchte erneut nach einem Gesicht.

»Dein persönlicher Pontius Pilatus!«

Die Stimme wurde wieder bedrohlicher, doch ich blieb ich.

»Es … es war bei einer Wahlkampfparty auf Stervals Ranch nahe Atlanta. Die Frau des verstorbenen Präsidenten Cone war auch da, sowie einige Politiker und Senatoren.«

»Diese Bande!«

Die offene Faust, die Gonzalez traf, kam unverhofft und wütend. Bewusstlos sackte Gonzalez zusammen und noch ehe das körpereigene Gewicht seine Hände aus den Stahlkreuzen riss, entfernte ich sie gleichzeitig mit einem Ruck. Der besinnungslose Körper glitt nach unten auf den rotnassen Boden. Seelenruhig ging ich hinauf in die Wohnung, während ich weiter seinen PA studierte und danach meine Faust kühlte. Sie tat furchtbar weh.

+++ 27% der gläubigen sind es wegen angst vor dem tod +++

+++ und 14% weil es die eltern vorgelebt haben +++

+++ wissenschaft: religion ist nur ein ergebnis chemischer körperreaktionen +++

Vatikanstadt

Der hohe Dauerton riss Dr. Antonio aus seiner Gedankenwelt. Der Leibarzt des Papstes jagte innerhalb der Katakomben des alten Bahnhofs aus seinem kleinen Labor weiter in das abgedunkelte Überwachungszentrum. Die Bildübertragung zu McClanahan nach New York war unterbrochen. Irgendetwas musste passiert sein! Er informierte umgehend Smoath.

+++ freischaltung gesicherter kommunikationsleitungen gefordert +++

+++ datenschützer empört +++

+++ bisherige speicherung: IP_IDs, dauer, örtlichkeiten 10 jahre +++

+++ breaking news +++ breaking news +++

+++ generalsekretär der uno tot in seiner wohnung aufgefunden +++

+++ bent elnegaard stand kurz vor ende seiner amtszeit +++

UnitedWorldNet

Eilig, aber sicher manipulierte Sexchat sämtliche Cams, auf denen der Mönch sichtbar gewesen war. Der Kerl war ein Amateur. Die Behörden aber würden sich wundern, wenn sie keine Aufzeichnungen, keine Nachrichten, keine Unterlagen zu den abscheulichen Taten hätten. Als Krönung veröffentlichte der UWN-Supervisor die geheime FBI-Tatsache, dass Elnegaard ein reAger war. Innig hoffte Sexchat, nichts vergessen zu haben. Doch er war ein Programm. Alle seine Logik war perfekt. So wie sein Schöpfer es ihm gegeben hatte.

+++ elnegaard war angeblich bereits ein reAger +++

+++ hatte er die abstimmung zum ewigen leben lanciert? +++

+++ fbi dementiert halbherzig +++

+++ angeblich interne querelen wie nachricht offiziell werden konnte +++

New York City, Manhattan

Befriedigt beobachtete ich im Netz die Streitereien und Auseinandersetzungen auf den Straßen der großen Städte der Welt, die durch den Tod von Elnegaard zusätzliche Brisanz gewonnen hatten. Vereinte Religionen konnten so stark sein, aber nur, solange die Kontrolle nicht verloren ging. Wann schon gab es einmal Demonstrationen, in denen Christen und Muslime, Juden und Buddhisten und viele andere als Glaubensbrüder mit ihren Symbolen gemeinsam auf die Straße gingen, um vereinigt gegen ein Thema zu protestieren? Das achtspeichige Rad der Lehre der Buddhisten zusammen mit dem Kreuz oder dem Fisch der Christen, der Davidstern neben dem Halbmond, unglaublich! Der Niedergang der Familienkultur, vieler Traditionen und unzähligen Jobs, die Nachlässigkeit der Gesellschaft und Politik endlicher Menschen gegenüber, ließ die Bürger jeden Alters immer lauter und heftiger skandieren und an ihren Gott klammern. Die Unsicherheit und nervliche Anspannung der Sicherheitskräfte war bis in die Wohnungen der Zuschauer spürbar. Menschenfüllende Bilder aus der Bronx ließen mich an .3 denken. Hatte sie das vollbracht? Innerhalb weniger Stunden? Waren Menschen doch noch aufeinander angewiesen, auch wenn die heutige gesellschaftliche und moderne Ordnung mehr vom Egoismus des Einzelnen ausging? Waren Flashmobs noch immer eine Macht? Die Angst? Der Verlust der gesellschaftlichen Ordnung? Die Wiederentdeckung des freien Willens. Bedächtig ließ ich den Blick schweifen, suchte verschiedene Cams heraus, egal ob privat oder kommerziell, egal ob Amateur oder Profi. Sie alle zeigten die Welle der Reaktion nach neun Monaten LifeGenom und dem Tod der Fruchtbarkeit des Menschen. Im Hintergrund standen in einigen Städten Sicherheitskräfte des jeweiligen Bundesstaates oder die CityArmy. Dazu gesellte sich die moderne USArmy mit ihrer maschinellen Hilfe, die für solche Fälle nur in Ausnahmefällen wie Anfang des Jahres bereitstand, als zwei Soldaten starben. Dieses Bild von Gewaltkräften war ungewohnt. Es verursachte Angst. Furcht. Unbehagen. John Cone war tot. Und Arno Deepgore stand für … ja, für was?

Plötzlich brach das Bild zusammen. Eine schriftliche Meldung des obersten Internethirten G.O. David wurde in verschiedenen Sprachen eingeblendet:

»Im UnitedWorldNet, Internet oder Web5.0, ganz wie ihr wollt, ist es in diversen Onlinespielen zu einem Hort der Prügelei und Auseinandersetzung gekommen. Es wurden Themen in diese virtuellen Spaßwelten hineingetragen, die dort nichts zu suchen haben und entsprechend Diskrepanz bis hin zu Hass und Mordaufrufen führten. Die betroffenen Onlinewelten werden abgeschaltet, die Figuren in ihre angestammten Saveplätze zurückgesetzt. Bis sich die Lage in der realen Welt beruhigt hat, werden diese geschlossen bleiben. Foren und Vlogs, die nur kommunikativ geführt werden können, bleiben online. Wer verbal gegen die gemeinschaftlichen Grundsätze des Netzes verstößt, wird bis auf weiteres ebenso gesucht und bestraft und/oder ausgeschlossen, wie die Initiatoren des Streitfeuerwerks in unserem Netz. Diese Meldung wird zweimal pro User innerhalb der nächsten zwölf Stunden angezeigt, sowie beim Betreten des Webs.«

Die Spirale der Konsequenzen war überraschend schnell in Gang geraten. Was würde das bei den Menschen auslösen? Ich beschäftigte mich weiterhin mit dem eroberten PA. Meine Augen blitzten mit einem Schlag auf. Wenn das nicht eine interessante Neuigkeit war!

+++ abschalten der online-welten sorgt für entrüstung +++

+++ zusammenbruch des netzes erwartet +++

+++ david verteidigt maßnahme +++

+++ sicherheit wichtiger als irgendwelche spiele +++

+++ schnelle klärung versprochen +++

+++ user fordern reaktivierung der online-spiele +++

+++ menschen weltweit verdienen damit ihren unterhalt +++

+++ zudem sorge, dass kämpfe nun in der realität folgen +++

+++ vatikan: religion ist keine chemie, sondern halt in deinem leben +++

+++ weißes haus bittet um ruhe und zurückhaltung +++

UnitedWorldNet

Freaks angeschlossener Körper schwitzte und zuckte unaufhörlich auf seinem Gestell. Im Web dagegen war er auf der Flucht. Er hetzte durch Fields und altherkömmliche 3D-Pages. Sein Phantombild war inzwischen ausgehängt worden, und der Anonymizer, den er normalerweise nutzte, wurde dessen Stellung und Lizenz laut höchster Anordnung entzogen. Sein selbstprogrammierter Halo wankte. Niemand war momentan anonym unterwegs, »Sexchat« David konnte diesen Datenschutz aus äußerst wichtigen Sicherheitsgründen verbieten.

Waren vor knapp hundert Jahren Massenbewegungen erst nach und nach entstanden, war dies in der heutigen, schnelllebigen Zeit komplett anders. Der Tag der Religionen wurde zu einem Kampf der Kulturen, zu einem erwachenden Gefecht zwischen Endlichen und reAgern.

Sir Bittersweet versteckte sich hinter unscheinbaren Foren, die bunt in der dreidimensionalen Internetwelt standen. Würde er das Netz einfach verlassen, würden sie das registrieren und seine IP_ID aus dem v7-Protokoll mit denen des Spiels vergleichen und feststellen können, an welchem Realort er war.

So würde es noch etwas dauern. New York war groß, das Web riesig, Sexchats Schergen waren hyperschnell und schlau, egal ob in echt oder virtuell. Sie hatten Zugriffserlaubnis in fast allen Ländern der Erde. Vorsichtig verließ er die Fields, rannte hinaus in die weiße Unendlichkeit, die zugleich als Abkürzung dienen sollte, ohne dass er eine Field-Adresse einfach so und nachvollziehbar vorgab. Doch die Datenwege war verstopft, verstopft von Datenpaketen und Usern in ihren virtuellen Gefährten wie Baskets, Mobiles, Movers oder Runners. Religiöse Anhänger, Demonstranten, oder einfache Benutzer, Gegenbewegungen, die Ausgesperrten der geschlossenen Onlinewelten, alle waren sie unterwegs. Er kehrte um, wieder hinein in die Unzahl an Fields. Er musste zurück in den Vatikan. Dort war er sicher. Er versuchte, direkt dorthin zu gelangen, er gab die Adresse des Vatikanfields verbal und auch symbolisch vor, doch es funktionierte nicht, es war kein Direktzugriff möglich, deshalb auch der Stau.

Er rannte virtuell hinein in die Flughafenfields der wichtigsten Airlines der Welt, hastete vorbei an demonstrierenden Netzusern, er wusste nicht für wen oder gegen was sie waren, es war ihm auch scheißegal, ihm, den potenziellen reAger, der aber die Endlichen wieder und wieder aufhetzte. Plötzlich fiel sein Halo in sich zusammen.

»Da ist er!«

Sir Bittersweet blickte sich verstört um, war er gemeint oder jemand anderes? Der Typ in der blauen Uniform, der am Eingang des Fields stand, hatte ihn erkannt! Er wollte den Exit-Button drücken, doch der versagte seinen Dienst. Er musste an einer sicheren Stelle ausloggen, um nicht für die Zukunft gesperrt zu werden.

»Da, Sir Bittersweet!«

Sein Herz rutschte orientierungslos durch die Gegend, als er seinen mittelalterlichen Namen hörte. Sofort nahm das Sicherheitspersonal die Jagd nach ihm auf. Freak hetzte durch die verschiedenen Bereiche des Flughafennetzwerkes, immer wieder um sich sehend. Trotz des Geschreis und Aufrufs des Wachpersonals, kümmerte sich keiner der Anwesenden um ihn, sie alle forderten mit erhobenen Fäusten die Freiheit im Web und in der Welt. Freak bahnte sich den Weg durch die virtuellen Aufständischen, seine Verfolger hinterher, bis diese unwirsch von den Beinen geholt wurden. Der Mob hatte sich von ihnen angegriffen gefühlt. Der Sicherheitsdienst versuchte mit Durchsagen die Menge zu beruhigen, doch es gab bereits die ersten Tritte und Faustschläge gegen die beiden. Freak hatte keine Zeit, die Situation zu beurteilen, er rannte durch das Impressum der Fieldteilnehmer, dann weiter durch den fast verlassenen VirtualMerchandiseShop, hinüber durch den ruhigen Check-In-Bereich. Wieder drehte er sich um. Keine Verfolger in Sicht. Er wusste, dass er von den Cams beobachtet würde, dennoch klickte er sich in die Headline des Flughafenfields ein. Er wählte »Buchen & Reisen« und wurde sofort dorthin transferiert. Eine virtuelle Flughafenbegleiterin erschien.

»Wohin soll es gehen, mein Herr?«

»Nächster Flug nach Rom, ab JFK, New York City, New York.«

»Datum, Zeit, Rückflug nötig, welche Airline?«

»Sofort, kein Rückflug, Preis und Airline sind mir egal«, keuchte er hervor.

»Der nächste Flug geht in drei Stunden. Es sind noch vier Plätze frei.«

»Einer genügt mir!«

Sein Schnaufen wurde langsamer.

»Einen Moment … Ihr Konto weist genügend Deckung auf. Der Platz wird für Sie sofort reserviert. Bedenken Sie, dass Sie zwei Stunden vorher sich registrieren und untersuchen lassen müssen. Vielen Dank, dass Sie an …«

+++ neue überwachungssoftware für ihren haushalt verfügbar +++

+++ alles im blick, sogar ihre gesundheit +++

+++ online-spiele noch immer offline +++ verdächtiger entdeckt +++

+++ einige fields wurden geschlossen +++

+++ hat er was mit den reAgern-morden in new york city zu tun? +++

+++ forenuser bemängeln meinungsfreiheit +++ zurückgewiesen +++

+++ meinung nicht gleich fakten +++

New York City, Manhattan

Brasilien also. Umgehend nahm ich Kontakt zu meinem Bruder in Europa auf, dessen Übertragungsbild leicht verpixelt aussah, vielleicht ein Tribut der sicheren Leitung.

Smoath war sichtlich überrascht.

»Hey, Bruder, neues Image? Hm … oh ja, neues Image.«

Die Glatze leuchte wie eine Bowlingkugel und wirkte bedrohlich. Und ungewohnt. So wie Smoath ungewohnt wirkte. Er war noch älter geworden, das Ende seines Bartes nicht zu sehen.

»Hallo, Smoath, stell dir vor, wo Stervals MaryLu hingebracht hat.«

»Sie ist nicht mehr auf der Insel »Forever«?«

Smoaths Neugierde war sofort angestachelt.

»Nein. Sie ist in Brasilien.«

»In Brasilien? Hm, da stört sie nicht im Wahlkampf. Cones Witwe ist da wichtiger. Nach Brasilien könnte ich auch ohne ID-Chip hinkommen, ein tief katholisches Land. Der Papst müsste dorthin doch Connections haben, oder?«

»Frag ihn! Vielleicht kommst du als Diplomat rein. Ich sende dir die Daten dazu.«

»Hier tut sich auch etwas. McClanahan ist tot, Maxx.«

»Was?«

»Weiss ist außer sich, kann sich aber niemanden außer uns anvertrauen. Irgendjemand hat sich irgendwie Zugang verschafft und … dann wurde er vergiftet laut Protokoll. Unabhängig davon, er hätte es wohl sowieso nicht geschafft. Und doch bin ich geschockt. Wer … tut sowas?«

»Weiß Carl, dass du im Vatikan bist, gerade dort, wo sein früherer Chef saß?«

»Nein, nun … keine Ahnung. Ich denke nicht, es wird nicht direkt eine ID_IP des Vatikans, sondern Italiens oder so angezeigt. Sonst hätte er sich sicher auch nicht bei mir gemeldet. Im Gegenteil!«

»Wer hat McClanahan umgebracht? Die CIA?«

»Anders kann es nicht sein. Die Firma vergisst nie. Präsident Cone hatte ihn angeblich jagen lassen. Was mich nur beunruhigt: Die Viren flogen frei herum, deswegen hatten wir den Raum auch abgeriegelt. Was … passiert, wenn sie nun draußen sind?«

»Sollten wir das nicht dem Heimatschutz melden?«

»Was würden die machen? Und wenn es die CIA war, die ihn umgebracht hat und nun alles in die Welt hinausträgt, würde die allmächtige CIA das jemals zugeben? Wenn zu viele Viren nach draußen gelangt sind … dann Gnade uns Gott. Dabei wollten Dr. Leo und Dr. Antonio einen Weg zur Entsorgung … es ist … es könnte noch schwere Folgen haben. Von Freak was gehört?«

»Freak leistet im Netz scheinbar ganze Arbeit. Kann eine Person so einen Unmut hervorrufen? Das Netz ist in Aufruhr, Teile wurden sogar gesperrt!«

»Der Tag der Religionen ist ein unfassbarer Augenblick in der Welt der Gläubigen. Du solltest hier im Vatikan sein, die Menschen, unglaublich, Familien, Kinder, Begeisterung, Einigkeit. Im Forum Romanum in Rom geben sich die reAger provokativ der Ewigen Party hin. Aber das Web wird zurzeit gemaßregelt. Wenn Freak wirklich dran schuld ist … er ist kein Unbekannter im Netz, vorher schon nicht, jetzt noch weniger!«

»Scheiße, Smoath, du hast Recht.«

»Ja, scheiße, alles scheiße. Verdammte Scheiße!«

Smoath flippte mit einem Schlag aus, er gaffte dabei auf den Glaskasten, der sich neben ihm im Labor befand. Spiegelungen. Seine uralte hässliche Fratze und der inzwischen lange weiße Rauschebart ließen ihn fast kotzen. Hatten Weihnachtsmänner eine Zukunft?

+++ david bittet um verständnis +++

+++ tatverdächtigen dicht auf der spur +++

+++ weitere hetzer gefasst +++ webausschluss +++

+++ manche foren bereits wieder geöffnet +++

+++ private vlogs weiterhin unter zensur +++

+++ eilmeldung +++ mordserie in new york city +++

+++ uno-generalsekretär elnegaard unter den opfern +++

UnitedWorldNet

»UnitedWorldNet, Airportfield USA Main #1 verlassen um 0130 in Manhattan, New York City, New York durch IP_ID USA_1971_1138_5241. Genaue Position wird noch ermittelt.«

»Bringt mir diesen Hurensohn. Zudem will ich alle seine Daten haben. Der unabhängige Gerichtshof des Netzes soll seine Zustimmung geben, er hat unser Web aufgewirbelt!«