Until Us: Gavin - Aurora Rose Reynolds - E-Book

Until Us: Gavin E-Book

Aurora Rose Reynolds

0,0
5,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Ein anziehender Country-Star. Eine aufstrebende Musik-Redakteurin. Zwei Welten, die mit einem Boom kollidieren. Als sein Song auf Platz eins in den Charts landet, glaubt Gavin McNeer alles erreicht zu haben, was er je wollte. Doch ein Blick auf die faszinierende Frau, die bei seinem nächsten Auftritt in der ersten Reihe sitzt, und er erkennt, wer zu seinem Glück noch fehlt. In einer Branche zu arbeiten, in der Beziehungen nur allzu kurzlebig sind, hat Alyson Dawson geschworen, sich nicht in heißblütige Musiker zu verlieben. Egal, wie gut sie aussehen. Doch Gavin löst etwas in ihr aus, das sie nicht kontrollieren kann. Mit ihm fühlt sie sich wie im siebten Himmel, bis eine falsche Entscheidung alles zu zerstören droht ...

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 297

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



UNTIL US:Gavin

Aurora Rose Reynolds & Jessica Marin

© Die Originalausgabe wurde 2020 unter dem

Titel LOVE AT THE BLUEBIRD von Aurora Rose Reynolds und Jessica Marin veröffentlicht.

© 2022 Romance Edition Verlagsgesellschaft mbH

8700 Leoben, Austria

Aus dem Amerikanischen von Jennifer Kager

Covergestaltung: © Sturmmöwen

Titelabbildung: © djile (shutterstock)

Redaktion & Korrektorat: Romance Edition

ISBN-Taschenbuch: 978-3-903413-46-7

ISBN-EPUB:978-3-903413-47-4

www.romance-edition.com

1

Gavin

»Sie hören 103.6 Boom! Country Nashville, und das war Gavin McNeer mit seiner neuen Single User. Der aktuell begehrteste Star am Country-Himmel ist heute Morgen zu Gast in unserem Studio. Wie geht’s dir, Gavin?« Der Radiomoderator Trevor Ant drückt einige Knöpfe auf seiner Audiokonsole und signalisiert mir mit einem Nicken, in das zweite Mikrofon zu sprechen.

»Guten Morgen allerseits«, sage ich und kann weder meinen südländischen Akzent noch den tiefen, heiseren Ton in meiner Stimme verbergen. »Danke, dass ich eure Morgenroutine stören darf.« Als ich gedämpfte Schreie hinter mir höre, drehe ich mich überrascht um. Auf der anderen Seite der Glasscheibe hat sich eine Gruppe Frauen versammelt, die unser Gespräch verfolgen. Ich winke ihnen zu und löse weiteres Jubelkreischen aus. Meine Cousine und Vollzeitassistentin Sosie rollt mit den Augen. Ich grinse über ihre Verachtung für meine überschwänglichen weiblichen Fans.

»Bitte entschuldigen Sie die Hintergrundgeräusche. Vor dem Studio haben sich einige von Gavins Fans versammelt«, berichtet Trevor den Zuhörern. In seinen Augen erkenne ich die Verärgerung angesichts der unwillkommenen Besucher. Trevor Ant ist ein altgedienter Radio-Discjockey, der schon sehr lange bei einem der beliebtesten Country-Radiosender in Nashville tätig ist. Er hat immer ein volles Programm und mag es nicht, wenn man ihn bei der Arbeit stört. Eine Schar weiblicher Fans war in seinem Konzept für dieses Interview wohl nicht vorgesehen.

»Wo kommen die denn plötzlich her? Vor fünf Minuten war noch alles ruhig«, frage ich mich laut und wende mich ihnen noch einmal zu. Mein hochgestreckter Daumen löst ein weiteres Johlen aus. Ich lache Sosie an und genieße es, meine freche Cousine zu provozieren.

»Gavin, die Frage, die ich dir schon immer stellen wollte, heißt: Woher kommst du? Und noch interessanter: Wo warst du mein ganzes Leben lang?« CeeCee Walker schnurrt geradezu und leckt sich absichtlich über die Lippen, während sie mich betrachtet. CeeCee ist Trevors junger Sidekick und berichtet hauptsächlich über den Klatsch und Tratsch in der Musikindustrie. Während Trevor einen ausgezeichneten Ruf genießt, munkelt man, dass CeeCee gern mal einen Künstler umgarnt und Interviews ins Bett verlegt. Noch schlimmer ist, dass sie glücklich verheiratet sein soll.

»Ich bin in Austin, Texas, geboren und aufgewachsen und lebe seit vier Jahren in Nashville«, antworte ich, ohne auf ihren Flirt einzugehen. Mein Inneres brennt vor Verärgerung. Als Profi bin ich gezwungen, höflich und zuvorkommend zu sein, aber es nervt mich zunehmend, wenn Frauen Spielchen mit mir spielen. Auf keinen Fall werde ich ihre Annäherungsversuche erwidern.

Merke: Halte dich von CeeCee Walker fern.

»Texaner, daher also dieser sexy Tonfall. Ich muss den zuhörenden Damen sagen, dass Gavin genauso gut aussieht, wie er klingt. Wie ein großes Glas süßer Tee an einem heißen Sommertag.«

Ich lächle sie kalt an, während ich mich unbehaglich in meinem Sitz bewege. Als Sohn attraktiver Eltern bin ich Gespräche über mein Äußeres gewohnt, vermeide sie aber wie die Pest. Ich halte mich fit, indem ich täglich trainiere. Mir ist klar, wie gesegnet ich bin, talentiert und gutaussehend zu sein. Doch manchmal sind beide Eigenschaften zugleich von Vorteil und auch Nachteil.

Ich will mich nicht beschweren. Es ärgert mich nur, wenn ich auf mein Aussehen beschränkt werde. Zu oft wurde ich als Musiker nicht ernst genommen, und mehr als einmal habe vorgeworfen bekommen, dass meine Stimme im Studio verbessert wird und dass ich nur wegen meines hübschen Gesichts so erfolgreich bin. Leute, die mit mir gearbeitet haben, wissen es besser. Aber es gibt genug Idioten da draußen, die weiterhin etwas anderes behaupten.

Meist kümmere ich mich einen Dreck darum, was in den Medien über mich berichtet wird. Ich würde nie behaupten, dass Journalisten eine Plage sind, die auf meine Kosten erfolgreich sein wollen. Doch ich bin mehr als glücklich, wenn ich ihnen im Studio beweisen kann, wie falsch sie liegen. Wie jeder weiß, ist Schönheit nur von kurzer Dauer, meine Musik soll das nicht sein. Das ist alles, was mich interessiert.

Die ewigen Nörgler können mich mal.

»Du magst zwar als Sänger neu für uns sein, aber im Musikgeschäft bist du kein Unbekannter. Du schreibst und produzierst schon seit einer Weile Songs für andere Künstler. Erzähl uns, Gavin, wie hast du in der Branche Fuß gefasst? Das ist keine leichte Aufgabe«, bringt Trevor das Interview wieder auf Kurs und straft CeeCee mit einem Blick, der ihrem Benehmen gilt.

»Das ist richtig, Trevor. Es ist wirklich nicht leicht, in diese Branche reinzukommen, geschweige denn anerkannt zu werden. Für den einen Song, der es schafft, werden tausende andere nie das Licht der Welt erblicken. Vieles in diesem Geschäft hängt davon ab, wen man kennt, und natürlich spielt auch das Timing eine wichtige Rolle. Damals in Austin hatte ich mit meinem Bruder eine Band. Wir wurden ...«

»Oh mein Gott, es gibt zwei von euch?«, ruft CeeCee aufgeregt, was Trevor dazu veranlasst, verärgert die Hände zu heben. Ich beschließe, sie erneut zu ignorieren und mich auf die Beantwortung seiner Frage zu konzentrieren.

»Aus unserem früheren Plattenvertrag wurde nichts. Aber einer unserer Songs weckte großes Interesse bei einem Kollegen, der uns nach Nashville einlud, um ihm bei den Aufnahmen zu helfen. Mein Bruder blieb aus persönlichen Gründen in Austin. Also kam ich allein hierher und hatte das Glück, die richtigen Leute zur richtigen Zeit zu treffen. Ich habe mich als Songwriter bewährt und erzielte mit einigen talentierten Künstlern große Erfolge.«

Trevor wirkte, als hätte ich ihm den Interview-Ball gerade perfekt zugespielt. »Einer dieser Titel stand wochenlang auf Platz eins der Country-Radiocharts. Herzlichen Glückwunsch dazu. Wie war es, Thief of Your Heart mit Tori Langston zu schreiben?«

Ich nicke und setze ein Lächeln auf, um meine Verärgerung zu verbergen, dass er ausgerechnet die Zusammenarbeit mit meiner Ex-Freundin erwähnt hat. Auch wenn es berechtigt ist. Immerhin hat mir dieser Hit zum Durchbruch verholfen und wird seither ununterbrochen im Radio gespielt.

»Danke, Trevor. Es ist sehr aufregend und erfüllt mich mit Stolz, wie sehr dieser Song geliebt wird. Jetzt auch noch User auf Platz zwei der Charts zu sehen, ist unglaublich. Tori war großartig, und ihre Stimme hätte nicht besser passen können.« Ich fasse mich kurz und hoffe, dass das Thema damit beendet ist. Tori Langston ist die letzte Person, über die ich sprechen möchte.

»Gerüchten zufolge, hast du User als Antwort auf Toris Trennung von dir geschrieben. War sie wirklich die Inspiration dafür?« CeeCee lächelt abfällig, wohl wissend, dass mein Agent keine persönlichen Fragen zu meiner früheren Beziehung mit Tori zugelassen hat. Offensichtlich versteht sie die Definition von Vereinbarungen nicht. Sie erhofft sich wahrscheinlich eine Antwort, indem sie mich so öffentlich in die Mangel nimmt. Aber es ist mir egal, ob CeeCee Walker meiner Karriere auf diese Weise einen Boost geben kann; ich würde niemals meine Ex schlecht machen.

Obwohl unsere Trennung geheim gehalten wurde, weiß jeder in der Branche, dass User von ihr handelt. Zeitlich passt einfach alles zusammen. Aber mein Privatleben war schon immer ein Tabuthema, und ich weigere mich, aus der Erwähnung ihres Namens Kapital zu schlagen. Blöd ist nur, dass Toris Vater der Chef des Labels ist, das mich unter Vertrag genommen hat. Tori ist auch eine seiner Künstlerinnen.

Ich lehne mich näher zum Mikrofon vor mir. »Ich denke, jeder kann sich mit dem Text identifizieren. Es kann auch genauso gut von einem Freund, einem Familienmitglied, einem Kollegen oder auch einem Liebhaber handeln. Es gibt viele Arten von Beziehungen, und ich denke, gerade deswegen spricht dieser Song so viele Menschen. Sind wir nicht alle schon einmal ausgenutzt worden, CeeCee?« Ich zwinkere ihr herausfordernd zu. Sie steht auf Psychospielchen? Von mir aus. Ich werde es sehr genießen, sie mit ihren eigenen Waffen zu schlagen. CeeCee Walker denkt, ich brauche sie, aber sie hat keine Ahnung, mit wem sie es zu tun hat.

Während der Mistkerl in mir gehofft hat, dass sie weitere indiskrete Fragen stellen würde, bin ich jetzt froh, Resignation in ihrem Blick zu sehen. Enttäuscht verzieht sie die Lippen. »Ja, das haben wir sicherlich alle«, antwortet sie kühl. »Du bist jetzt bei Charisma Records unter Vertrag. Wirst du auf Tournee gehen?«

»Irgendwann, ja. Ich würde gerne mit einigen größeren Sommerfestivals beginnen und im Herbst kleinere Veranstaltungsorte besuchen. Im Moment konzentrierten wir uns auf eine weitere Single und auf mein Album, das bald erscheinen wird.«

»Ich denke, ich spreche für mich und alle anderen, wenn ich sage, dass wir uns darauf freuen, mehr von dir zu hören, Gavin. Vielen Dank, dass du bei uns im Studio vorbeigekommen bist. Zum Abschied spielen wir einen weiteren Song, den du geschrieben hast: My Town von Scotty Wilkins.«

Ich halte den Atem an und warte darauf, dass die Lichter des On-Air-Zeichens erlöschen. Dann nehme ich meine Kopfhörer ab und stehe auf, erleichtert, dass dieses Interview vorbei ist. Bevor ich mich bei Trevor bedanken kann, öffnet sich die Tür. Ein Praktikant kommt herein und fragt, ob er ein Foto mit Trevor und CeeCee für die Social-Media-Seiten des Senders machen kann. Ich willige ein. Als er fertig ist, wende ich mich an Trevor und bedanke mich für die Einladung zu seiner Show. Ich verabschiede mich bei ihm und allen anderen, in der Hoffnung, das Gebäude so schnell wie möglich zu verlassen, ohne unhöflich zu wirken.

CeeCee Walker zerstört diese Hoffnung, indem sie die Tür blockiert und mich zum Stehenbleiben zwingt.

»Es war so schön, dich heute kennenzulernen, Gavin.« Ihr Blick wandert in aller Ruhe an meinem Körper auf und ab, als wäre ich ein Stück Fleisch, das sie gleich auf den Grill werfen will. »Ich habe mich bereits freiwillig gemeldet, um über deine Release-Party zu berichten. Hier ist meine Karte. Denk an mich, wenn du jemals eine Begleitung zu diesen enorm wichtigen Musik-Events benötigst.« Sie drückt mir die Karte in die Hand und einen Kuss auf die Wange, gefährlich nahe an meinem Mundwinkel.

»Danke, aber ich habe schon jemanden.« Mehr als ein höfliches Lächeln bekommt sie nicht von mir.

Plötzlich ertönt ein lautes Donnern, das CeeCee aufschrecken lässt und ihre Aufmerksamkeit von mir ablenkt.

»Wir müssen los. Geh ihm aus dem Weg!«, ruft Sosie und hämmert mit der Faust gegen die Glasscheibe des Studios. Ich muss mir auf die Unterlippe beißen, um nicht laut zu lachen.

Mist, ich sollte Sosie einen Bonus geben, weil sie heute so schön zickig ist.

»Nochmals danke für dein Angebot.« Ich nicke CeeCee zum Abschied zu und verlasse den Aufnahmeraum. Der Flur ist dermaßen überfüllt, dass ich von meinen Fans eingekesselt werde. Sie sind der Grund dafür, dass meine Songs so weit oben in den Charts stehen. Deshalb nehme ich mir Zeit für sie, gebe Autogramme und stelle mich für Selfies in Pose. So viel dazu, hier schnell rauszukommen. Als der Spuk vorbei ist, erreiche ich ohne weitere Zwischenfälle den Parkplatz. Sosie und Rachel, eine A&R-Beraterin des Labels, erwarten mich bereits.

Sobald die Autotüren geschlossen sind, seufze ich. »Bitte sagt mir, dass die restlichen Interviews, die wir für heute angesetzt haben, nicht so qualvoll sein werden.«

»Der Rest des Tages sollte ruhig verlaufen. CeeCee Walker ist der einzige Barrakuda, der heute auf dem Programm steht«, teilt mir Rachel in ihrer professionellen Art mit. Sosie lacht lauthals über die mehr als treffende Beschreibung und treibt mir ein Grinsen ins Gesicht.

»Danke, dass du mich vorhin gerettet hast, Sos.« Ich streiche ihr über die Haare, wie ich es schon tue, seit sie noch ein Kind war. Sie schlägt meine Hand weg und funkelt mich böse an. Im Gegenzug kneift sie mir in den Bizeps, bevor sie in ihrer Handtasche nach einer Bürste kramt, um ihre Frisur zu richten.

Mit einem tiefen Atemzug erinnere ich mich daran, dass dies meine Zeit ist, der Lohn jahrelanger Bemühungen um Erfolg. Ich habe mich angestrengt und hart gearbeitet, um in die Position zu kommen, in der ich jetzt bin. Jede verdammte Minute davon werde ich genießen. Niemand wird mir diese Chance nehmen. Ich reibe unternehmungslustig meine Hände aneinander. Von einem Blutsauger wie CeeCee Walker lasse ich mir nicht die Laune verderben.

»Lasst die Show beginnen und uns dabei Spaß haben«, ermutige ich meine Begleiterinnen auf dem Weg zum nächsten PR-Termin.

2

Aly

Eine tiefe, sanfte Stimme holt mich langsam aus dem Schlaf. Der beinah geflüsterte Gesang wirkt beruhigend, wird zunehmend lauter, bis er ein Crescendo erreicht und in den ersten Refrain mündet. Der Song weckt meine Sinne, und ich lächle, als Bono von U2 mir sagt, dass es ein wunderschöner Tag ist und ich ihn nicht vergeuden sollte.

Du hast recht, Bono! Das werde ich nicht!

Jeden Morgen wache ich mit meinem absoluten Lieblingslied auf und hoffe auf einen unvergesslichen Tag.

Als ich die Augen öffne, wird mein Lächeln noch breiter. Das Sonnenlicht dringt durch die Vorhänge und verspricht herrliches Wetter hier in Nashville. Ich werfe die Decke zur Seite, schlüpfe in meine Pantoffeln und beginne mit meiner morgendlichen Routine. Anschließend gehe ich in die Küche, um mir einen Kaffee zu kochen.

Während er aufbrüht, fülle ich einen Napf mit Katzenfutter und bereite mir ein Müsli zu. Mit der Schüssel und einer dampfenden Tasse setze ich mich an den Tisch. Wie immer starre ich ins Leere und gehe all die Dinge im Kopf durch, die ich heute erledigen will. Mein Kater Apollo springt zu mir auf den Tisch und holt mich aus meinen Gedanken. Obwohl er hier oben nichts zu suchen hat, kraule ich ihn hinter seinen flauschigen Ohren. Das mag er am liebsten.

»Wir werden diesen Tag rocken, nicht wahr, Apollo?«

Ja, ich bin so eine Frau. Optimistin, Romantikerin mit Bohème- und Hippie-Flair und ein echter Gutmensch. Für mich ist das Glas immer halb voll und jeder Moment auf dieser Erde ein Geschenk. Manche finden eine Frohnatur wie mich lästig. Aber in einer Welt, in der das Leben innerhalb eines Wimpernschlags dunkel und deprimierend werden kann, muss man positiv bleiben, um durchzuhalten. Auch wenn man dafür einige schräge Blicke erntet. Doch mir ist es egal, was andere über mich denken. Wer seine Stunden mit Zweifeln, Stress und Ängsten verbringen will, soll es tun. Ich habe mich anders entschieden, und darüber bin ich verdammt glücklich.

Nachdem ich gefrühstückt habe, räume ich Teller und Tasse in den Geschirrspüler, putze mir die Zähne und mache mich für die Arbeit fertig. Frisch frisiert, geschminkt und mit Handtasche und meinem Autoschlüssel ausgestattet, verlasse ich das Haus.

Der Morgenhimmel ist so schön, dass ich mir wünschte, zu Fuß ins Büro gehen zu können. Leider sind meine Arbeitszeiten unvorhersehbar. Daher ist es besser, mit dem Auto zu fahren, auch wenn ich nur ein paar Kilometer entfernt wohne.

Schon meine Eltern haben in diesem Haus gelebt. Es gehörte ursprünglich meinen Großeltern, die darin eine gute Investition sahen. Da es genau zwischen den Universitäten Belmont und Vanderbilt liegt, verbrachten meine Eltern ihre Collegejahre hier. Sie ließen einiges daran machen und erneuerten die Einrichtung mit modernen Einbauten. Eigentlich wollten sie das Haus verkaufen, entschieden sich wegen der exklusiven Gegend aber dagegen.

Als meine ältere Schwester Valerie ihr Studium begann, zog sie mit ihrer besten Freundin Emma ein. Vier Jahre später folgte ich ihnen, in der Hoffnung, mit Valerie dort zu wohnen. Sie war damals in der Ausbildung zur zertifizierten Wirtschaftsprüferin und studierte und arbeitete parallel. Weil sie viel Ruhe brauchte, beschloss sie, sich eine eigene Wohnung in der Nähe zu suchen. Später mietete meine beste Freundin Willow ein Zimmer. Nach unserem Abschluss ist sie ausgezogen, um näher an ihrem neuen Job zu sein.

Das schöne Wetter genießend, fahre ich ins Büro und stelle meinen Wagen auf dem Parkplatz vor dem Gebäude ab. Ich kann immer noch nicht glauben, dass ich tatsächlich eine Stelle in der Musikindustrie ergattern konnte. Schon als kleines Mädchen habe ich von einer Karriere in dieser Branche geträumt. Musik ist nicht nur mein Leben, sondern auch die Sprache meiner Seele. Alles fing damit an, dass mir meine Mutter zum Einschlafen klassische Musik vorspielte, dann bekam ich Klavier- und Geigenunterricht, was eine absolute Katastrophe war. Seit der Highschool interessiere ich mich mehr für den geschäftlichen Aspekt, ein bisschen Klatsch und Tratsch darf es auch sein. Wenn ich durch die legendäre Music Row in Nashville fahre, überkommt mich heute noch die Aufregung, weil sich so viel Geschichte hinter den Mauern der berühmten Plattenlabel verbirgt.

Nachdem mein Berufswunsch eindeutig war, bewarb ich mich an der Belmont University und studierte dort Musikwirtschaft. Mir war immer bewusst, dass es nicht leicht sein würde, einen der wenigen guten Jobs zu bekommen. Daher setzte ich alles daran, besser als meine Kommilitonen zu sein. Glücklicherweise fand ich ein kleines Plattenlabel namens Big Little Music, bei dem ich in meinem Abschlussjahr als Praktikantin arbeiten durfte.

Nashville ist als Mekka der Country-Musik bekannt, produziert werden hier jedoch alle Stilrichtungen. Big Little Music begann mit Indie-Rock, hat aber inzwischen einen ganzen Katalog voller Künstler verschiedenster Genres und vertritt einige der größten Namen der Branche.

Ich habe meinen Chefs bewiesen, dass ich hart arbeite und absolut loyal bin. Einsatz zahlt sich aus. Nach meinem Abschluss vor drei Monaten wurde mir eine Assistentenstelle in der A&R-Abteilung, Artist and Repertoire, angeboten. Ich weiß, wie glücklich ich mich schätzen kann, denn die meisten aus meinem Jahrgang sind immer noch auf Jobsuche.

Meine Tätigkeit bringt viele Vorteile mit sich, von der Arbeit mit berühmten Künstlern über die Planung von VIP-Partys bis hin zur Teilnahme an Konzerten und Preisverleihungen. Ich nehme meine Pflichten sehr ernst. Wenn ich in dieser Welt aufsteigen will, muss ich mich professionell verhalten, pünktlich sein und in Gegenwart eines Prominenten niemals wie einFan wirken, selbst wenn ich einer bin. Meine wichtigste Regel besagt, dass ich mich nie mit Männern aus der Branche treffe, insbesondere nicht mit gutaussehenden Musikern.

Wie immer wünsche ich jedem, der mir auf dem Weg in meine Abteilung über den Weg läuft, einen guten Morgen. Ich schalte meinen Computer ein und erstelle meine Aufgabenliste für den Tag. Ich bin extra immer eine Stunde früher da als mein Chef, um E-Mails zu bearbeiten und die Stille zu genießen. Denn sobald er das Büro betritt, gibt es viel zu tun und nur noch wenig Ruhe. Nicht selten sitze ich bis in die Abendstunden an meinem Schreibtisch.

Vierundfünfzig Minuten später erklingt das vertraute Geräusch der Stiefel meines Chefs. Ich schaue von meinem Computer auf. »Guten Morgen, Sonnenschein«, singt Shane Adams zur Begrüßung, bevor er sein Telefongespräch fortsetzt und seine Tür hinter sich schließt. Shane ist einer der A&R-Manager hier. Mit ihm als Vorgesetzten habe ich das große Los gezogen. Er verhält sich eher wie mein großer Bruder und vertraut mir genug, um mich meine Arbeit machen zu lassen. Wenn er meint, dass ich Hilfe brauche, weist er mir sanft den Weg. Neben mir gibt es noch zwei weitere Assistenten, die ihm unterstellt sind, aber sie haben nicht so eine enge Beziehung mit ihm wie ich. Wir haben uns vom ersten Tag an gut verstanden. Mit ihm wird jede Aufgabe zu einem Abenteuer. Alle Aufträge, die er seinen Assistenten gibt, sind fair verteilt und immer spannend.

Wenige Augenblicke später kommt er mit seiner leeren Kaffeetasse aus dem Büro und lehnt sich an meinen Schreibtisch. »Ich hole mir noch mehr Koffein, dann treffen wir uns zur Morgenbesprechung. Es gibt viel zu tun. Und vor halb zwölf muss ich mich mit allen meinen Mitarbeitern unterhalten.«

»Klingt gut«, antworte ich lächelnd und frage mich, wie viel wir wirklich zu besprechen haben. Habe ich etwas vergessen? Sobald sich Shane von meinem Schreibtisch entfernt hat, werfe ich einen Blick auf meine To-do-Liste. Nichts, das aus dem Rahmen fällt. Irritiert zucke ich mit den Schultern. Ich sollte mich gedulden. Shane wird bestimmt genug Aufgaben zu verteilen haben. Mit meinem Notizbuch und einem Stift warte ich in seinem Büro auf seine Rückkehr.

»In Ordnung«, sagt er und setzt sich hinter seinen Schreibtisch. »Kommen wir zur Sache.« Er faltet die Hände und sieht mich eindringlich an. »Bitte sag mir, dass sich der heiße Eishockeyspieler gemeldet hat und du mit ihm ein Date hast.«

Ich muss über seinen eifrigen Gesichtsausdruck lachen. Nur Shane würde mein Liebesleben auf Punkt eins der Tagesordnung setzen.

»Ja, er hat mich angerufen. Aber ...« Ich halte eine Hand hoch, um seinen Freudenschrei zu unterbinden. »Aber nicht so, wie du denkst. Ich möchte nur mit ihm befreundet sein.« Seit mich mein College-Freund vor einem Jahr abserviert hat, sind Männer das Letzte, was mich interessiert. Vielmehr muss ich herausfinden, was ich privat mit meinem Leben anfangen will, und bin mit meiner Karriere und der Frage beschäftigt, was ich tun muss, um meine Ziele zu erreichen. Außerdem lässt mir mein voller Terminkalender nicht viel Zeit für Verabredungen. Ich kann mich kaum um meine Katze kümmern, geschweige denn um einen Mann.

»Alyson Dawson, was ist los mit dir? Weißt du, wie viele Frauen für einen Anruf von Brodie Larsen sterben würden?« Er sieht mich so abschätzig an, dass ich wieder zu lachen beginne. Brodie Larsen ist ein angesagter NHL-Spieler, der aus einer sehr berühmten Eishockeyfamilie aus Nashville stammt. Schon sein Vater hat für die Predators gespielt. Als Brodie direkt nach dem College verpflichtet wurde, waren die Fans aus dem Häuschen. Seither ist er einer der beliebtesten Spieler.

Unsere Marketingabteilung hat vor einigen Wochen beschlossen, den örtlichen Sportclubs Eintrittskarten für Veranstaltungen unserer Künstler zu schenken. Die Idee war, dass sie sich mit Tickets für hochrangige Wettkämpfe revanchieren würden. Brodie und zwei andere Eishockeyspieler kamen der Einladung nach und erschienen zu einem der von uns organisierten Konzerte. Natürlich saßen sie in unserer VIP-Lounge.

Nach dem Konzert stellte er sich mir vor und war kein bisschen schüchtern. Wie jeder andere Mensch in Nashville kenne ich Brodies Namen, war aber überrascht, wie gut er aussieht. Er hat dunkles Haar, intensive blaue Augen und einen nicht zu schlanken, trainierten Körper.

Ich unterhielt mich gerne mit ihm, hatte aber nicht das Gefühl, dass er an mir interessiert wäre. Das spielte ohnehin keine Rolle, denn ich verspürte definitiv keinen Funken für ihn. Deshalb war ich überrascht, als er mich am Ende des Abends nach meiner Nummer fragte. Ich gab sie ihm ohne zu zögern, weil ich dachte, es wäre cool, öfter mit ihm zu quatschen.

»Ich würde ihn gern mit meiner besten Freundin Willow verkuppeln. Sie ist umwerfend schön und wäre genau die Richtige für ihn.« Je länger ich über die Idee nachdenke, desto besser finde ich sie. Willow könnte wirklich die perfekte Frau für Brodie sein. Ich muss nur noch herausfinden, wie ich die beiden zusammenbringe.

»Was glaubst du denn, wie du auf Männer wirkst? Warum gibst du ihn so leicht auf? Du verdienst einen jungen, heißen Adonis, der dich verwöhnt. Außerdem würdet ihr zwei wirklich hübsche Babys bekommen.«

Ich schüttle nur den Kopf über Shane. Für einen Ehemann und Babys bin ich nicht einmal annähernd bereit. Erst möchte ich beruflich Fuß fassen und ein bisschen reisen, bevor ich vielleicht eine Familie gründe. Das ist der Grund, warum auf meiner To-do-Liste nirgendwo mireinen Mann angeln steht.

»Ich weiß, dass ich ein guter Fang bin.« Ich verdrehe die Augen. »Ich glaube nur nicht, dass Brodie der Richtige für mich ist.«

»Woher willst du das wissen, wenn du ihm keine Chance gibst?«, fragt Shane mit einem übermütigen Lächeln.

»Für mich hört es sich so an, als würdest du ihm gern eine Chance geben. Warum fragst du ihn nicht einfach, ob er mit dir ausgeht?«, entgegne ich, wohl wissend, dass Shane Adams niemals einer Herausforderung aus dem Weg geht.

»Aly, bitte, nur in meinen Träumen würde dieser Mann seinen Schläger für mich schwingen.«

Schnell vertreibe ich das Bild aus meinen Gedanken. Wenn sein Büro verwanzt wäre, würde sich die Personalabteilung über unsere Unterhaltungen beschweren.

»Dieses Gespräch ist schon weit genug gegangen. Sollten wir nicht über dringendere Dinge reden, wie die Arbeit?«, schlage ich vor, weil ich nicht länger über Brodie Larsen oder mein Singledasein sprechen möchte.

»Als dein Chef mache ich mir Sorgen um deine Work-Life-Balance. Also nein, ich bin noch nicht bereit, das Thema zu wechseln.« Er schnaubt, und ich muss über seinen Hang zur Dramatik lächeln. »Warum benimmst du dich wie eine Siebenundsechzigjährige im Körper einer Dreiundzwanzigjährigen? In deiner Freizeit liest du Bücher, zu Hause. Wie willst du auf diese Weise einen Mann kennenlernen? Diese Buchhelden klingen zwar toll, existieren aber nicht. Echte Männer sind fehlerhaft, jammern, werden fett und vergessen Geburtstage.«

Ich ziehe eine Braue hoch und frage mich, ob er aus eigener Erfahrung spricht.

»Ich will damit nur sagen, Aly, dass du etwas mehr Spaß in dein Leben bringen solltest. Fang an, dein soziales Umfeld über deine Schwester und deine Freunde hinaus zu erweitern. Geh aus und experimentiere, welcher Mann es denn sein soll ... bis du für den Einen bereit bist.« Er betrachtet mich und seufzt, bevor er seine Lesebrille aufsetzt. »Und damit, meine Liebe, schließen wir beide dieses Thema und kommen zum Geschäftlichen.«

»Gott sei Dank, denn in den letzten zwei Minuten bin ich sechsmal fast eingeschlafen«, sage ich ironisch, woraufhin Shane die Augen verengt.

»Ist alles für den Auftritt im Bluebird Café geregelt?«, fragt er mit seiner förmlichen Geschäftsstimme und zeigt damit an, dass er mich nicht länger zu meinem nicht-existenten Liebesleben in die Mangel nehmen wird. Morgen findet der Branchenabend im berühmten Bluebird Café statt, und wir haben eine interessante Mischung aus bereits erfolgreichen Musikern und einigen aufstrebenden Talenten zusammengestellt.

»Ja, alle Newcomer haben ihre Auftrittszeiten erhalten, und jeder hat seine Songliste abgegeben.« Ich schiebe die vollständige Setlist zu Shane hinüber, der zustimmend nickt.

»Hast du Scotty Wilkins gesagt, dass ich ihn rausschmeiße, wenn er seinen süßen Arsch nicht pünktlich ins Café schwingt?« Shane verzweifelt schon, wenn er nur seinen Namen aussprechen muss.

Wir haben Scotty Wilkins aus einer dieser Reality-Singer-Shows unter Vertrag genommen, weil wir dachten, dass der Mann mit seiner Fernseherfahrung unkompliziert, zuvorkommend und dankbar für die Chance sein würde, die wir ihm bieten. Wir lagen völlig falsch. Scotty Wilkins ist einer unserer schwierigsten Klienten. Und weil er einer unserer berühmteren ist, setzt er in der Regel seinen Willen durch.

»Nicht mit genau diesen Worten. Aber ich habe ihm einen Termin eine Stunde vor allen anderen genannt.«

»Das ist mein Mädchen.« Shane lächelt mich stolz an. »Haben wir eine Liste der Künstler, die Charisma Records vorstellt?«

»Nein, obwohl ich mehrfach angerufen und gemailt habe. Erinnere mich noch einmal daran, warum wir sie zu einer Veranstaltung eingeladen haben, die wir ausrichten.« Es ist schon aufwendig, unsere eigenen Talente zusammenzutrommeln. Wenn dann noch die eines anderen Labels dazukommen, entwickelt sich das Ganze zu einem Albtraum.

»Eigentlich haben wir das nicht. Big Daddy Langston hat gehört, wie erfolgreich das Bluebird geworden ist, und wollte Charisma mit ins Boot holen. Ganz bestimmt hat er den Bluebird-Chefs ein hübsches Sümmchen für einen festen Platz an den Dienstagen geboten. Du weißt, dass ihm diese Stadt praktisch gehört.«

Ich habe Atticus Langston bei vielen Veranstaltungen gesehen, aber noch nicht persönlich getroffen. Ihm gehört nicht nur Charisma Records, er ist auch Investor bei einigen anderen Unternehmen und besitzt mehrere Immobilien in Nashville. Er wird nicht umsonst Mr 615 genannt. Vor allem, weil er wie kein anderer mit seinem Geld dazu beigetragen hat, diese Stadt aufzubauen und sie berühmt zu machen. Er produzierte eine unglaublich erfolgreiche Fernsehshow, die die Einwohnerzahl in die Höhe schnellen ließ.

Ein Klopfen an der Tür unterbricht uns. Einer der Praktikanten kommt herein. »Mrs Davidson möchte Sie sprechen, Sir.« Er sieht Shane in die Augen.

Kathleen Davidson ist eine Frau, mit der man in der Branche rechnen muss. Sie gründete Big Little Music vor fünfzehn Jahren. Davor trat sie selbst auf und musste herausfinden, wie schlecht Künstler manchmal behandelt werden. Sie hatte zwei Nebenjobs, um das Geld für die Gründung des Labels zu sparen. Durch intensives Scouting im ganzen Land fand sie ihr erstes Talent und nahm es unter Vertrag. Seither feiert sie kontinuierlich Erfolge und hat sogar einen gewissen Ruhm erlangt. Alle, die mir ihr arbeiten, mögen ihre praktische Herangehensweise. Sie hält ihr Team klein und garantiert somit enge und stabile geschäftliche Beziehungen. Ihre Strategie, ihr Unternehmen mit dem Flair südländischer Gastfreundschaft zu führen, hat sich bewährt. Heute konkurriert sie auch mit großen Namen wie Charisma um neue Stars.

»Kathleen kann uns helfen, eine Liste von Charismas Künstlern für morgen zu besorgen«, sagt Shane und notiert sich etwas. »Ich werde sie um Hilfe bitten. In der Zwischenzeit musst du die Predators anrufen und dafür sorgen, dass wir eine Suite für das Spiel nächste Woche gegen Detroit bekommen. Organisiere uns ein Catering und stell eine Liste mit Künstlern zusammen, die für Gastauftritte infrage kommen. « Ich setze alles auf meine To-do-Liste und folge ihm aus seinem Büro.

In meinem Kopf beginnen sich die Räder zu drehen. Die Veranstaltung könnte die perfekte Gelegenheit sein, Willow und Brodie einander vorzustellen. Ich notiere mir, Shane zu fragen, ob ich eine Begleitperson mitbringen darf, bin mir aber sicher, dass er Ja sagen wird. Ich lächle vor mich hin, bereit, meine ahnungslose, beste Freundin zu verkuppeln.

3

Gavin

Unruhig trommle ich mit den Fingern gegen die Türverkleidung des Wagens, während ich die Landschaft draußen vorbeiziehen sehe. Sosie fährt uns heute Abend zu meiner Show, und aus irgendeinem Grund bin ich nervös. Normalerweise bin ich nur etwas angespannt wegen der Vorfreude auf das Hochgefühl, das ich bei einem Auftritt erlebe. Daher ist diese Nervosität ein fremdes Gefühl. Vielleicht bin ich einfach nur müde. Gestern war ein langer Tag mit vielen Interviews und endlosen Stunden im Studio, um an einem Song für einen anderen Künstler zu arbeiten. Ich kam erst kurz vor Mitternacht nach Hause und schlief ein, während ich mich ins Bett legte.

»Was ist los mit dir?«, fragt Sosie und wirft mir einen seltsamen Blick zu. Sie bemerkt einfach alles. Mich rauszureden, ist unmöglich.

»Nichts. Und warum hast du Tränensäcke unter den Augen?«, entgegne ich ehrlich besorgt, als ich sie genauer betrachte. Sie hat ihr Haar zu einem unordentlichen Dutt gebunden und ihre rote Brille mit dicker Umrandung auf, die die tiefvioletten Schatten unter ihren blauen Augen betont. Irgendetwas ist mit ihr los, über das sie nicht reden will. Wenn ich im Studio bin und für andere Künstler arbeite, hat Sosie frei. Das bedeutet, dass sie gestern nach dem Mittagessen mit der Arbeit für mich fertig war. Was sie in ihrer Freizeit macht, ist ihre Sache. Wenn ich aber feststellen muss, dass es ihr nicht gut geht, wird auch ihr Privatleben zu meiner Angelegenheit. Wir sind immerhin eine Familie.

»Lenk nicht ab, Gav. Ich beantworte deine Frage erst, wenn du meine beantwortest.« Sie schenkt mir ein süßes, falsches Lächeln, bevor sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Straße richtet.

»Gut«, murmle ich. »Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, was mit mir los ist. Aus irgendeinem Grund bin ich nervös.« Meine Befindlichkeiten sind mir gerade egal. Ich gebe sie ihr gegenüber nur offen zu, weil ich wissen muss, was sie beschäftigt.

»Ja, das kann ich sehen. Du bewegst dich wie ein Tasmanischer Teufel.« Ich folge ihrem Blick zu meinem linken Bein. Ich habe nicht einmal bemerkt, dass ich mit dem Knie wippe. Etwas Willensstärke und eine Hand auf meinem Oberschenkel sollten ausreichen, ruhiger zu erscheinen. »Aber du bist doch schon oft im Bluebird aufgetreten. Warum sollte es diesmal anders sein?«

»Wahrscheinlich, weil es sich um eine private Veranstaltung eines anderen Plattenlabels handelt.« Deren Leute werden mich beobachten ... mich beurteilen. Ich spreche den Gedanken nicht laut aus. Meine Nervosität macht keinen Sinn, da das Bluebird Café mein Ort ist. Ich habe sozusagen dort gewohnt, als ich das erste Mal in Nashville gelandet bin. Es ist der Ort, an dem man spielt, wenn man als Songwriter wahrgenommen werden will. Das Bluebird Café ist ein extrem kleiner Veranstaltungsort mit nur neunzig Plätzen, was den Eindruck erweckt, man hätte das Publikum auf seinem Schoß. Während des Programms mit unterschiedlichen Künstlern werden Speisen und Getränke serviert. Das Bluebird hat die Karrieren einiger der berühmtesten Sänger wie Taylor Swift und Garth Brooks ins Rollen gebracht. Man spürt die Besonderheit dieses Ortes, sobald man einen Fuß hinein setzt.

»Die Leute beobachten und beurteilen dich jedes Mal, wenn du die Bühne betrittst«, erinnert sie mich.

»Stimmt.« Ich seufze, denn ich will mich jetzt nicht psychoanalysieren lassen.

»Vielleicht bist du unterbewusst ängstlich, weil du weißt, dass du die Plattenfirma wechseln musst, wenn dein Vertrag mit dem Teufel ausläuft. Big Little Music könnte deine zukünftige Heimat sein.« Ich grinse, weil sie Atticus Langston als Teufel bezeichnet. Vom ersten Tag an hat Sosie seinen hinterhältigen Charme durchschaut. Sie liebt es, mir mit einer gewissen Ironie zu sagen, dass sie jeden Tag für meine Seele betet.

»Das glaube ich nicht. Ich bin lieber bei einem großen Label mit mehr Geld für Marketing und Werbung.«

»Bist du sicher?«, fragt sie vorsichtig. »Du hast doch selbst gehört, wie viele Künstler von Big Little Music schwärmen. Außerdem haben sie einige ziemlich große Namen an Land gezogen, obwohl sie nicht sehr bekannt sind.« Sie zählt ein paar bekannte Sängerinnen und Sänger auf. Woher weiß sie, wer bei Big Little Music unter Vertrag steht?

Bevor Sosie anfing, für mich zu arbeiten, hatte sie keine Ahnung von dieser Branche. Es hat mich nicht gestört. Für mich war nur wichtig, sie aus Kalifornien herauszuholen und vor meiner Tante und meinem Onkel zu retten. Seither nimmt sie ihren Job als meine Assistentin sehr ernst, vertieft sich in dieses Geschäft, setzt sich mit vielen Details auseinander und lernt die wichtigsten Akteure kennen.

Als ich ihre Worte auf mich wirken lasse, wird mir klar, dass sie recht haben könnte. Für ein kleines Label hat sich Big Little Music einen guten Ruf erarbeitet. Die Leute dort kümmern sich um ihre Künstler und nicht darum, wie viel Geld sie aus ihnen herausholen können. Die Firmenphilosophie ist das totale Gegenteil von Charisma Records, wo nur bekannte Namen Verträge erhalten. Sie verdienen genug Geld mit ihrem aktuellen Portfolio und brauchen oder wollen kein Risiko mit Nobodys eingehen.

Der einzige Grund, warum ich bei Charisma gelandet bin, ist der Hit, den ich für Tori geschrieben habe. Sie ist damals zu ihrem Daddy gerannt und hat ihm von mir erzählt. Ich bezweifle sehr, dass sie von meinem Talent oder meinen Qualitäten als Mann geschwärmt hat. Es ging ihr eher darum, mich zu umgarnen und als Songwriter in ihrer Nähe zu halten. Glücklicherweise habe ich nur einen Vertrag für ein einziges Album bei Charisma unterschrieben. Allerdings besitzen sie für zehn Jahre die Rechte an meinen Songs. Das ist der Preis, den man zahlt, wenn man auf der falschen gepunkteten Linie unterschreibt.

Eine Viertelstunde vor meinem geplanten Auftritt parkt Sosie den Wagen hinter dem Bluebird. Da es keine Garderoben oder sonstige Aufenthaltsräume gibt, kommen die meisten Künstler direkt zu ihrem Auftritt oder hängen mit anderen gemeinsam auf dem Parkplatz ab. Ich steige aus und winke ein paar bekannten Gesichtern zu, bevor ich meine Akustikgitarre, eine Martin D28, aus dem Kofferraum nehme und mit ein paar Fingerübungen beginne. Sosie achtet immer sehr darauf, dass wir zehn Minuten vor dem Termin vor Ort sind, obwohl klar ist, dass es im Programm immer einen Zeitpuffer von mehreren Minuten gibt.

Sobald ich aufgewärmt bin, gehe ich zu einer Gruppe von Leuten, die sich in der Nähe des Hintereingangs versammelt haben.

»Wie ist das Publikum heute Abend?«, erkundige ich mich und klopfe Scotty Wilkins zur Begrüßung auf die Schulter. Ich kenne ihn schon seit Jahren und habe mehrere Songs mit ihm geschrieben. Trotz seines aufgeblähten Egos ist er ein guter Kerl.

»Tolle Leute. Vielleicht bleibe ich etwas länger hier, um mich dir zur Verfügung zu stellen. Wenn du weißt, was ich meine«, sagt er zwinkernd zu Sosie. Sie verzieht angewidert das Gesicht.