Untot, Intrige und viel Tee - Uwe Post - E-Book

Untot, Intrige und viel Tee E-Book

Uwe Post

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Beschreibung

Jakeed Om Setta, Agent der Grauen Kirche Zweilands, findet sich auf einem Scheiterhaufen der lila Konkurrenz wieder. Am Nachbarpfahl steht Bikka, die Hexe, mit rot gefärbtem Haar und der Knabenchor schickt sich an, fromme Lieder zu singen... Dies ist der Anfang eines außergewöhnlichen Abenteuers, in dessen Verlauf unter anderem der achte Wochentag entdeckt wird (zum Glück ein zweiter Sonntag!), ein düsterer Geheimbund Treffen in einem hohlen Misthaufen abhält und der Schöpfer persönlich auf den einen oder anderen Tee vorbei schaut. Unkonventionelle Fantasy all inclusive mit Witz, Sex und skurrilen Figuren.

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Uwe Post

Untot, Intrige und viel Tee

Ein ZWEILAND-Roman

BookRix GmbH & Co. KG80331 München

Vorrede

UWE POST

Untot, Intrige und viel Tee

Ein ZWEILAND-Roman

 

(ursprünglicher Titel: Zweiland)

 

8., überarbeitete eBook-Ausgabe

Copyright © 2005-2015 Uwe Post

[email protected]

http://uwepost.de

Twitter: @uwepost

 

 

 

 

Vorwort zur Neuausgabe

 

Dieser Roman erschien ursprünglich 2005 in gedruckter Ausgabe unter dem Namen »Zweiland«, zunächst bei lulu.com, dann bei Books on Demand und zuletzt via Kindle Direct Publishing. Um weitere Plattformen zu bestücken, bin ich zu bookrix gewechselt.

Ich habe die Gelegenheit genutzt, um den Text gründlich zu überarbeiten. Es gibt diverse Korrekturen, ein paar neue Sätze sowie erhellende Ausschnitte aus Sachbüchern eines bekannten zweiländischen Autors. Weitgehend neu geschrieben habe ich den allerersten Abschnitt. Der stammte noch fast wörtlich von einer Kurzgeschichte (»Feuer unterm Hintern«) aus dem Jahr 1994 und entsprach nicht mehr meinen Qualitätsmaßstäben.

Der Roman hat einen neuen Titel erhalten. Zwei Gründe gibt es dafür: Erstens existiert mittlerweile ein anderer Roman namens »Zweiland«, und ich möchte Verwechslungen aus dem Weg gehen. Zweitens kommt es im eBook-Geschäft auf Suchbegriffe an, und »Zweiland« ist einfach keiner.

Falls dir, lieber Leser, liebe Leserin, dieses Buch zusagt, freue ich mich über eine Rezension. Die Unterzeile auf dem Cover (»Ein Zweiland-Roman«) bitte ich übrigens nicht fehlzuinterpretieren als Ankündigung weiterer Bücher aus der gleichen Welt. Denn diese Geschichte ist zuende erzählt. Obwohl ihr ursprünglicher Arbeitstitel anders lautete, nämlich »Fast die ganze Geschichte«. Tja, man weiß eben nie ...

 

Zweiland, in Seinem Jahr … ach nee:

Wetter (Ruhr), im Januar 2015

Uwe Post

 

Dramatis personae

 

Die Allianz des Wahren Kalenders

Jakeed Om Setta, Agent

Bikka Minitia, Hexe

Armia Pilx, Abenteurerin

Neisetsch Madalak, Zauberer

Wanzl Tukrini, Drucker

Herr Graf, Vampir

 

Die Grauen

Der Hauptherrvater, Oberhaupt der Grauen Kirche, Sitz in Etria in der Grauen Burg

Hauptdame Gultuweiti Materia, Stellvertreterin des Hauptherrvaters

Haupthaupt Tako Wantak, Rechte Hand von Materia

Haupthaupt Argut Magmus, Oberhaupt der Burg zu Crassu

Haupt Konvis Inkmuht, Pieselzähler des Argut Magmus Haupt Garl Petak Unful, Weitseher der Grauen Burg

 

Die Lilanen

Hellstes Lila Licht Elvi Justitia, Oberhaupt der Lilanen, Sitz in Ramaschal

Erzvorglauber Davoot Allputra, Privatsekretär von Justitia

Glanzganzfromme Libi Vilma, Herrin von Ramaschal

Funke Gidel Aquato, Predigtschreiber von Vilma

Ganzfrommer Jarak Maladi, Oberhaupt der Burg Dervadal

Funke Barfosch Tartoko, Untergebener von Maladi

 

Der Geheimbund

Die Namen sind aus naheliegenden Gründen nicht bekannt.

 

Und natürlich kein geringerer als

Wahrmut, Schöpfer und Prophet

 

 

 

 

Erster Teil

 

Die Verlorenen Worte

 

 

1 Jakeed

Er sandte mich, Wahrmut, um etwas Neues zu erschaffen. Ich, Wahrmut, schuf am ersten Tag das Holz und baute mir eine Hütte, um ein Zuhause zu haben. Wahrmuts Wahre Worte 1. Buch, 1. Kapitel (Holztag)

Jakeed Om Setta, blond, drahtig, gekleidet in einen schmutzigen Umhang, beschmiert mit Pech, war sechsundzwanzig Jahre alt, und dabei würde es aller Wahrscheinlichkeit nach auch bleiben, denn er war auf einem Scheiterhaufen angebunden.

Er beobachtete, wie ein in lila Prachtumhänge gewandeter Geistlicher der Hexe auf dem Nachbar-Holzstapel etwas ins Ohr flüsterte. Die Unglückliche verrenkte, um dem Mann ins Gesicht zu spucken – ohne Erfolg. Der Geistliche zuckte mit den Schultern und wandte sich Om Setta zu, während ein paar Fackelträger neben dem Knabenchor Aufstellung bezogen.

Die bescheidenen Holzhäuser von Emklu faulten langsam im fahlen Licht des frühen Vormittags vor sich hin. Die Burg warf einen Schatten auf die gegenüberliegende Seite des Tals, als wolle sie auch dort drüben Besitzansprüche erheben, wo die andere, die Graue Kirche die hhänge beherrschte. Schmackhafter Kreuztee wuchs hier, wusste Jakeed, und zuhause musste noch eine angebrochene Dose stehen. Er würde sie nie leeren. Das letzte Ziel seines Lebens bestand derzeit darin, als Märtyrer in die Geschichte einzugehen.

Der Geistliche trat neben sein Ohr und zischte ihm mit einer Mischung aus Niedertracht, Schadenfreude und Knoblauch nicht etwa ins Ohr: »Schwöre vom falschen Glauben ab, um Zugang zum Himmel zu finden«, sondern: »Gleich wirst du knusprig gebraten, freust du dich schon drauf, jaaa?«

Jakeed konnte das Grinsen des lila Gewandeten nicht sehen, aber seine Fantasie genügte, um es sich vorzustellen. Da seine Worte vermutlich keiner posthumen Heiligsprechung im Weg stehen würden, nahm er sich die Freiheit zurück zu zischen: »Möge der Donnerbalken unter dem Gewicht deines fetten Hinterns bersten!«

Ohne dass Jakeed es hätte verhindern können, tätschelte der Geistliche sein wirres Haar und murmelte: »Gar nicht übel, mein Freund.«

Grinsend trat der Mann im lila Gewand einige Schritte zurück, hob die Arme gen Himmel und rief, so dass alle es hören konnten: »Oh Herr, nimm diese verdorbenen Seelen zu dir, nachdem die Flammen sie von ihren ketzerischen Gedanken gereinigt haben!«

»Halt deine dumme Klappe, schaun wir lieber, dass wir's hinter uns bringen«, giftete Jakeeds Mit-Verurteilte. Ein sehr selbstbewusstes Auftreten angesichts der knisternden Fackeln, fand Jakeed. Die Hexe war schlank, nicht allzu groß und trug einen Schmutzfetzen am Körper, der dessen Vorzüge kaum verdeckte. Leider würde Jakeed nicht mehr die Gelegenheit haben, die Frau näher kennenzulernen.

Auf ein Zeichen des Geistlichen hin traten die Fackelträger vor und hielten die Flammen an die mit Pech beschmierten Holzscheite. Der Knabenchor fing zu singen an, allerdings dermaßen unkoordiniert, dass niemand das Lied erkannte. Einige Zuschauer bewegten trotzdem lautlos den Mund.

Die Blicke der Todgeweihten begegneten sich. Jakeed nahm zur Kenntnis, dass die Frau mit den feuerroten Haaren ihm zuzwinkerte. Er roch den Qualm, hörte die Flammen knistern. Überlegte, bis zu welcher Temperatur er sich das Schreien wohl würde verkneifen können.

Jakeed sah noch einmal zu der Hexe hinüber. Ihre Haare waren rot gefärbt. Seltsam, dass ihm das ausgerechnet jetzt auffiel.

Das Feuer prasselte immer lauter. Überall Qualm. Jakeed hustete. Die Menschen schrien und rannten herum, und der Knabenchor – einen Augenblick. Wieso schrie die Menschenmenge? Normalerweise nahm sie eine Verbrennung von Ketzern ruhig zur Kenntnis oder klatschte Beifall und wartete auf die danach folgende milde Gabe der lila Kirche.

Die Luft flimmerte stark vor Hitze, beißende Wolken quälten die Augen. Jakeed konnte nicht sehen, was geschah. Das Prasseln wurde lauter, gleichzeitig platschten eiskalte Tropfen auf ihn herab. Er war auf seine Ohren angewiesen, denn durch die dicht fallenden Wassermassen konnte er rein gar nichts erkennen.

Das war kein natürlicher Regen, soviel stand fest.

Menschen rannten durcheinander, stolperten, fielen in den aufgeweichten Matsch und machten sich die hübschen lila Kutten dreckig. Etwas riss mit Urgewalt den Jakeeds Pfahl aus seiner Verankerung und schleuderte beide in die Höhe. War das wirklich eine Rettungsaktion, oder würde er gleich mit dem Kopf voran aufs Pflaster geschleudert werden?

Jakeed sah nach unten. Die Gestalten auf dem Marktplatz der Stadt wurden immer kleiner. Der dünne, zerfetzte Umhang klebte nass an seinem Leib, und der kühle Luftzug tat ein Übriges. Jakeed freute sich darüber, dass er sich Sorgen über eine mögliche Lungenentzündung machen konnte. Zufrieden stellte er fest, dass die Hexe neben ihm gen Himmel schwebte. Gen Himmel?

Moment. Was hatte der Geistliche gesagt?

Starke Hände nahmen sich seiner an, als er mitsamt seines Pfahls auf einem fliegenden Himmelbett abgesetzt wurde.

»Ein Himmelbett?«, fragte er bibbernd. Er sah ins Gesicht eines freundlich dreinschauenden, älteren Mannes.

»Meine Frau fand, es passe farblich nicht zur neuen Tapete. Dann habe ich mich nachts damit aus dem Staub gemacht... beste Entscheidung meines Lebend... na, darüber können wir auch später noch ausführlich reden, oder?«

Ein schelmisches Lächeln erschien in den Falten unter den weißen Haaren. »Da ist noch jemand, um den ich mich kümmern muss. Nimm derweil diese Decke hier«, fuhr der Mann fort. Er wollte sich schon abwenden, aber Jakeed hielt ihn fest. »Wie ist dein Name?«

»Man nennt mich Neisetsch Madalak, der Zauberer.«

»Danke, Neisetsch Madalak«, sagte der Gerettete und hüllte sich in die Decke.

»Ach, gern geschehen, sowas ähnliches hab ich schonmal gemacht, damals, in Turfo, nein, wie hieß der Ort doch gleich?«

»Kei... keine Ahnung«, sagte Jakeed zitternd.

»Außerdem«, ergänzte Madalak, »werde ich gut dafür bezahlt.«

 

Lila Funke Barfosch Tatoko wrang seinen Umhang aus. Seine Hände schmerzten vor Kälte, und er freute sich auf trockene Kleidung, das warme Kaminzimmer und ein Glas heißen Grienbeerwein. Vorher aber musste er dem Ganzfrommen Maladi, dem Oberhaupt der lila Burg von Dervadal, Bericht erstatten. Es bereitete ihm kaum Sorgen, dass seine beiden fein säuberlich vorbereiteten Feuerstellen in der Nässe des überraschenden Eisregens verglüht waren. Auch, dass die Delinquenten spurlos gen Himmel verschwunden waren, bereitete Tatoko kein Kopfzerbrechen – solche Sabotage­akte der Grauen waren nicht ungewöhnlich, und in den Kerkern fehlte es nicht an Nachschub. Falls nötig, waren leicht neue Opfer zu beschaffen. Man musste nur in der Umgebung einige Piesel oder Honigkuchen verteilen und fragen, ob jemand vielleicht zufälligerweise eine Hexe oder einen Ketzer gesehen hatte.

Nein, das war alles nicht das Problem, das Tatoko hatte. Maladi wird nicht akzeptieren, was passiert ist, dachte Tatoko. Er wird in endlosen Debatten versuchen, komplizierte Theorien aufzustellen, um den sogenannten wahren Schuldigen zu ermitteln.Mit langwierigen Ermittlungen wird er die ganze Burg von Dervadal in Atem halten.

Zwischen Tatoko und seinem Heißwein standen die gefürchteten Verschwörungstheorien Maladis.

Er klopfte an die Tür und betrat den kleinen Raum, in dem Maladi arbeitete. Ausgeblichene lila Wandbehänge schmückten das Zimmer. Sie verdeckten kaum das grobe, 300 Jahre alte Gemäuer. Hoch und höher stapelten sich Papiere auf den Tischen. Ein anderer Teil der Unterlagen bedeckte den Fußboden. Schwere Vorhänge mit dem Wappen von Dervadal, das an schmutziges Geschirr erinnerte, ließen wie üblich kaum Tageslicht herein. Ungewöhnlich war jedoch, dass zwei fromme Wachsoldaten regungslos im Raum standen.

»Möge dein Licht leuchten, Herr«, entgegnete Tatoko und blieb neben der Tür stehen. »Die Verbrennung konnte nicht stattfinden. Es gab plötzlich einen Eisregen, und dann ...«

»Nun, Tatoko«, grinste das bärtige Gesicht Maladis zwischen Papierstapeln und lila Frommenmütze, »wer ist der Schuldige wohl?«

»Ich ... ich weiß es wirklich nicht«, seufzte Tatoko.

»Hehe«, machte Maladi und hob einen Finger, »dir fehlt der Mut, deine Vermutung zu äußern, dabei bin ich sicher, sie ist richtig, denn wer würde diese klaren Zeichen schon falsch deuten, he? Sie liegen so klar vor uns, dass du sie sicher schon längst eingeatmet hast, als du hierher gekommen bist.«

Tatoko hüstelte. »Herr«, entgegnete er, »deine Weis­heit ist grenzenlos.«

»Das will ich meinen, hehe. Nur du und ich kennen die richtige Antwort, ist es nicht so?«

»Herr, ich weiß nicht ...«

»Hehe, das wusste ich, das hat dich endgültig verraten. Natürlich streitest du es ab. Kein anderer als du« – er zeigte mit dem Finger auf Tatoko – »bist der Mann, der die Verdammten gerettet hat. Natürlich gab es gar keinen Eisregen, den hast du erfunden.«

Tatoko erbleichte. »Aber sieh doch, Herr, ich bin ganz nass ...«

»Hehe, du hast deinen Umhang ins Wasser getaucht ...«

»Aber die anderen draußen sind auch nass, der ganze Chor!«

Maladi schüttelte den Kopf. »Das behauptest du. Wo ist er denn, der nasse Chor? Ich sehe ihn nicht.«

»Ich hole ein paar Zeugen«, sagte Tatoko und wollte zur Tür, aber sein Herr hielt ihn zurück: »Keinesfalls! Es besteht die Gefahr, dass du fliehst. Daher werde ich dich einkerkern lassen. Dann kannst du in Ruhe erzählen, wohin du die Hexe und den Agenten gebracht hast.« Er wedelte mit der Hand, und die Wachsoldaten setzten sich in Bewegung.

»Aber ...« Tatoko dämmerte, dass er womöglich nie wieder einen Grienbeerwein zu sich nehmen würde.

»Hehe.« Der Ganzfromme winkte die Wache und den vermeintlich Schuldigen hinaus.

Nachdem Tatoko abgeführt worden war, lehnte sich Maladi zufrieden zurück und grunzte. »Und wieder hat der Weise von Dervadal einen schier unlösbaren Fall aufgeklärt. Hehe.«

Schrattler: Einst schuf ein verrückter ->Zauberer unbekannten Namens eine Kreuzung aus ->Riesenratte und ->Zombie, indem er je einem Exemplar eine magisch verstärkte Paarungsvorliebe einprägte. Wären die zahllosen Nachfahren nicht aus unbekannten Gründen völlig friedliebend (außer wenn sie bei Sie-wissen-schon-was gestört werden), und bei ihren seltenen Versuchen, friedlichen Zeitgenossen zu schaden, total ungeschickt, hätten sie ->Zweiland vermutlich entvölkert. Aus Hutrolfs Enzyklopädie »Wichtigstes über Zweiland«

Dunkle Wolken zogen über den Himmel von Zweiland. Zwei Flüsse befruchteten zahllose Hügel, bedeckt von Feldern und Weiden, nur unterbrochen durch einige Wege, Bäche, Bauernhöfe und Misthaufen.

Im Halbdunkel des vergehenden Tages zwitscherten Gaugaus um den Mist herum. Die Menschen vermuteten, dass Gaugaus keine Gerüche wahrnehmen konnten. Möglicherweise galt das auch für die dunkel gekleidete Figur, die um einen besonders großen Misthaufen schlich, als würde sie einen Eingang suchen.

Nach einigem Herumtasten und Fluchen fand die Figur tatsächlich den Eingang. Ein Mistballen schwang zur Seite und offenbarte einen Zugang ins Innere. Die Person huschte hinein, schloss die getarnte Tür hinter sich, trat durch einen dunklen Vorhang und stand inmitten eines spärlich mit magischen Lampen beleuchteten Raumes, der mindestens so stark roch, wie es von außen zu erahnen war.

An einem länglichen, hohen Holztisch standen acht weitere Figuren, die alle in dunkelgraue Kutten mit Kapuzen gehüllt waren. Vor einem von ihnen lag eine ordentliche Reihe Strohhalme. Er nahm sie in die Hand und räusperte sich.

»Willkommen bei unserer heutigen Geheimversammlung. Da der vorgesehene Beginn dieses Treffens bereits in der Vergangenheit liegt, gehe ich davon aus, dass die Anwesenheit aller Mitglieder Tatsache ist. Mir obliegt es als Sprecher der letzten Versammlung, die geheime Festlegung des neuen Sprechers zu beginnen. Bitte, werte Bündnisgenossen, zieht nun euren Halm.«

Der Sprecher wanderte einmal um den Tisch und ließ jeden Anwesenden einen Strohhalm ziehen.

»Gut«, sagte er dann und ließ seinen Blick durch die Runde streichen. »Wer hat den Längsten?«

Zögerlich hob sich eine Hand.

»Danke, Genosse, damit übergebe ich dir das Wort.«

Alle vermummten Gesichter wandten sich der Figur mit dem längsten Strohhalm zu. Der ließ ihn unschlüssig sinken.

»Äh«, sagte er.

Der bisherige Sprecher ergriff noch einmal das Wort: »Möglicherweise fehlt unserem neuen Sprecher Aufklärung über die Tagesordnung.«

»Die ist ja auch geheim«, murmelte jemand.

»Ich bin sicher«, sagte der alte Sprecher, »dass heute der Bericht des ST-Projektes Inhalt des Abends sein sollte. Der neue Sprecher sollte dies daher ankündigen.« Er nickte dem Kuttenmann am anderen Ende des Tisches zu. Erneut wandten sich diesem alle Kapuzen zu.

»Äh«, sagte der neue Sprecher, »dann bitte ich jetzt, äh, um den Bericht des, äh«, er sah hilfesuchend seinen Vorgänger an, »SD-Projekts?«

»ST-Projekt«, half der geduldig.

»Des ST-Projekts. Bericht des ST-Projekts, bitte«, sagte der neue Sprecher deutlich erleichtert und mit wachsender Selbstsicherheit.

Ein etwas größerer Kapuzenmann räusperte sich. »Genossinnen und Genossen«, begann eine Stimme, die zu einem Mann oder einer Frau gehören konnte, »das ST-Projekt macht gute Fortschritte. Unser Beobachter berichtet, dass die fragliche Person in der Nähe der fraglichen Anlage gesichtet wurde. Damit dürfte der Eintritt in Hauptphase 1 kurz bevor stehen.«

Stille trat ein, weil niemand wusste, worum es ging.

»Wenn das alles war ...«, versuchte der Sprecher, zu weiteren Aussagen anzuregen, allerdings erfolglos.

»Das war alles, Sprecher.«

Die Kapuzen sahen verwirrt von einem zum anderen.

»Damit«, sagte der Sprecher, »scheint mir die heutige Tagesordnung abgearbeitet.«

»Entschuldigung, Sprecher«, sagte ein Kapuzenmann, der bisher geschwiegen hatte.

»Ja?«, fragte der Sprecher. Bisher war es gut gelaufen. Er hoffte, dass jetzt nichts dazwischen kam.

»Wie sieht es mit dem von mir beantragten U-Projekt aus?«

»U-Projekt?«

»U wie Umzug.«

Der Sprecher war verwirrt. »Umzug?«

»Ja. Umzug unseres Versammlungsortes. Irgendwohin, wo es nicht so stinkt.«

Beifälliges Gemurmel erhob sich.

»Oh. Ja. Wer, äh, wer ist für das U-Projekt zuständig?«

»Das bin ich, das bin ich«, sagte eine Frauenstimme.

»Gut, Genossin. Dann berichte uns bitte über den Stand des U-Projekts.«

»Ja, gerne. Der Stand des U-Projekts, ist, nun ...«

»Ja?«

»Derselbe wie letztes Mal.«

Unzufriedenes Gemurmel erhob sich.

»Ich bedaure«, sagte die Genossin, »aber es wurde im Rahmen des Projektes ein Hügelgrab in der Nähe von ... äh ... in der Nähe eines geheimen Ortes besichtigt. Leider erwies es sich als, nun ...« Die Frau zögerte. »bewohnt. Auf die Schnelle konnte leider keine wirksame Maßnahme gegen die dort wohnhaften ungefähr zehn Schrattler getroffen werden. Wir arbeiten aber daran.« Erleichtert entspannte sie sich.

»Darf ich eine Frage stellen?«, ertönte eine feste Stimme.

»Äh, ja, sicher.«

»Schrattler ist die übliche Bezeichnung für untote Plapperratten, richtig?«

»Äh ...« Verunsichert sah die Kapuze der Genossin von einem zum anderen. »Soweit ich weiß, ja.«

»Wie riechen Schrattler?«

»Nicht sonderlich angenehm«, gestand die Leiterin des Umzugsprojekts ein.

»Wie«, erhob sich erneut die feste Stimme, »wird dann ein Hügelgrab riechen, das über einen längeren Zeitraum von Schrattlern bewohnt wurde?«

Erneut kam es zu einer gemurmelten Diskussion, obwohl es auf diese Frage eigentlich nur eine Antwort gab. Der Fragesteller gab sie lautstark selbst: »Zweifellos so ähnlich wie ein besonders großer Misthaufen.«

»Ich schlage vor«, sagte der Sprecher und versuchte, dabei nicht zu atmen, »wir setzen unser nächstes Treffen auf heute in einer Woche an. Wir erwarten dann einen Bericht des U-Projektes mit einem neuen Alternativvorschlag.«

»Einem, der nicht stinkt«, sagte jemand und erntete spontanen Beifall.

»Damit«, versuchte der Sprecher den Lärm zu übertönen, »ist unsere heutige Versammlung beendet.«

Damit verließen die Genossen des Geheimbundes einer nach dem anderen den Misthaufen und wurden von der kalten, feuchten Dunkelheit verschluckt, die so wahnsinnig gut roch.

 

 

2 Armia

 

Sie sagten auch, dass ich ein Schwert bräuchte. Ich fragte, wozu. Sie sagten, um es gegen die Feinde einzusetzen. Wahrmuts Wahre Worte 1. Buch, 5 Kapitel

 

Kopfschmerzen. Schlimme Kopfschmerzen.

Krääätsch. Die nächste Tür. Yaaaaaiiiiaaa! Ein zischender Schrattler. Er griff an. Sprang.

Ssssit!

Fiel in zwei Hälften zerschnitten auf den Boden.

»Kommt davon«, sagte Armia Pilx und machte einen großen Schritt über die entstandene Blutpfütze, damit ihre undichten Schuhe nicht nass wurden.

Armia Pilx war süchtig. Süchtig nach Monstern, dämonischen Kreaturen. Süchtig danach, sie abzuschlachten. Nach ihren Todesschreien.

Hinter der nächsten Ecke warteten drei Skelette.

Selbst schuld, kein Mitleid.

Krach. Kracks. Knirsch.

Mit einem ähnlichen Geräusch hatte alles angefangen.

 

Zuhause in Suanui, wo ihre Eltern jedes Jahr sagten, im nächsten werde alles besser, langweilte sie sich so sehr, dass man im Vergleich zu ihr einen Kuhfladen als lebensfrohen Zeitgenossen bezeichnen konnte. Ihre Kindheit war so leer, dass sie sich nicht mehr daran erinnerte. An jedem Bedanktag, wenn alle in den Gottesdienst gingen – zu den Lilanen, außer in den drei Jahren, als die Grauen die Stadt erobert hatten – zog ihr die Mutter furchtbare Kleider an und hielt nach einem reichen Kirchenmann Ausschau, der ihre Tochter ehelichen könnte.

Einmal ließ sie den Ganzfrommen Horbertu Defakio eintreten, als Armia gerade in der Badewanne angebunden war. Der Lilane wurde rot, Armia riss sich brüllend los und hätte den Geistlichen um ein Haar ersäuft.

Am nächsten Holztag kam Armia nicht vom Brennholz-Sammeln zurück. Sie hatte einen Schrattler beim Pilze vergiften überrascht und mit einem Knüppel zu Brei geprügelt. Daraufhin hatte sie beschlossen, herauszufinden, ob ihr dergleichen beim nächsten Mal genauso viel Befriedigung verschaffen würde.

Es stellte sich heraus, dass das der Fall war.

 

Von der abgestandenen Luft im dreizehnten Untergeschoss der ehemaligen Kupfermine hatte die Abenteurerin nach ungefähr hundert Abzweigungen und fünfzig aufgeschlitzten Minenschrattlern furchtbare Kopfschmerzen bekommen. Allmählich wurde es Zeit für das Obermonster, fand sie. Und anschließend für eine Kanne Erdbeertee.

Die nächste Abzweigung. Links oder rechts? Rechts raschelte und klapperte etwas. Es klang wie ein Skelett mit wallendem Gewand. Ungewöhnlich.

Armia hielt die Luft an und schlich um die Ecke. Ein düsterer Raum. Aus dem Augenwinkel heraus sah sie jemanden oder etwas hinter einer Tür verschwinden. Sie rückte näher und spürte das Kribbeln des bevorstehenden Kampfes. Zwischen zerschlissenen Polstermöbeln hindurch näherte sie sich der Tür, hinter der das Monster verschwunden war. Was würde sie erwarten? Ein lebender Leichnam? Ein Vampir? Ein Zauberer? Zweifellos hatte er sie bemerkt und wollte ihr im Nebenraum einen gebührenden Empfang bereiten.

Eine Prise Unsicherheit prickelte in Armias Nacken. Sie hatte das Gefühl, dass sie etwas offensichtliches übersah, wusste aber nicht, was. Bislang hatte sie ihre Abenteuersucht heil überstanden. Einige kleine bis mittelgroße Narben waren nicht der Rede wert. Aber heute schien es anders zu sein. Sie hatte ein ungutes Gefühl. Noch dazu hatte dieses Obermonster nicht die sofortige Konfrontation gesucht. Es hatte sich versteckt. Es heckte etwas aus.

Sie stand zwei Schritte vor der Tür. Hastig wischte sie den vom Schweiß schlüpfrigen Griff ihres Schwertes an ihrem Mantel ab und nahm es dann wieder fest in die Rechte. Ihre Knöchel traten weiß hervor.

Sie holte tief Luft und sprang. Die Tür gab krachend nach. Ihr Schwert fuhr in den Körper des Hirnschrattlers.

»Jaaaaa!«

Es war der Höhepunkt ihres Trips.

Das Wesen, eine miefige Mischung aus Riesenratte und Tattergreis, gekleidet in einen zerschlissenen, viel zu weiten Anzug, sank vom Donnerbalken zu Boden. Der beißende Gestank der Sickergrube war allgegenwärtig, aber auch der Schrattler roch nicht gerade gut.

»Ach ...« Offenbar war das Monster noch nicht tot. »Ach«, sprach es, »ich hatte ein schönes, erfülltes Leben ...«

Armia überlegte, ob sie sein Leiden beenden sollte.

»... Spaß mit blöden Abenteurern ...«

Sie runzelte die Stirn, während der Hirnschrattler mit brechender Stimme weiter faselte.

»... ab und zu ... kröch ... eine ... hübsche Ratte ...«

Die Abenteurerin verzog angewidert das Gesicht: »Du bist ekelhaft.« Die meisten Schrattler konnten gerade mal »dein Ändää wärd schräcklääch sein« heulen, dieses Monster redete dafür umso mehr.

»... du hast leicht reden ... du triffst auch mal Leute, die was anderes im Sinn haben als dich ... kröch ... dich umzubringen ... mit denen kannst du dann ... kröch ... du weißt schon ...«

Für so etwas hatte Armia gewöhnlich keine Zeit. Nur gelegentlich schnappte sie sich in irgendwelchen Gasthäusern willige Männchen.

»... unsereins dagegen ... kröch ... kann nicht wählerisch sein ...«

Angeekelt holte Armia wieder mit dem Schwert aus. »Sag Auf Wiedersehen!«

»... kröch ... wiedersehen ...«

Das Wesen verstummte und bewegte sich nicht mehr.

Armia Pilx atmete tief ein. Und bereute es sofort. Drückte sich den Ärmel auf die Nasenlöcher. Verzog das Gesicht. Eilig und hustend verließ sie den Abort und versuchte, ihn mit der eingetretenen Tür notdürftig zu verschließen. Sie sah sich im Raum um. Jetzt kam der langweilige Teil: Schätze einsammeln. Die meisten Sachen ließ sie liegen. Für Schmuck interessierte sie sich nicht, denn das meiste von dem Zeug war schon seit Jahrhunderten nicht mehr in Mode. Man wurde ausgelacht, wenn man so etwas trug, und selbst besonders paarungswillige Männer mieden einen mit Argwohn.

Aha, ein vergoldeter Dolch. Sogar scharf. Schon besser. Den steckte sie ein.

In einer Truhe lagen vier unscheinbare Schriftrollen, aber Armia kannte deren Wert. Um historische Papiere rissen sich die Gelehrten, und sie waren leicht zu transportieren. Eine lohnenswerte Beute. Die ersten drei Rollen enthielten tatsächlich Zauberformeln. Die vierte ...

Sie war anders. Nach ein paar Zeilen hatte die Abenteurerin erkannt, was sie gefunden hatte, aber sie hielt es lieber für eine Fälschung, um ihre Kopfschmerzen nicht zu verschlimmern. Leider fand sie keine Beweise dafür, dass es sich um etwas anderes als das Original handelte, obwohl sie sehr angestrengt suchte und ihre ganze Fantasie bemühte.

Die Rolle führte dazu, dass Armia Pilx sich an diesem Abend in der nächsten Taverne bis zur Bewusstlosigkeit betrank, mit dem nächstbesten Kerl ins Bett ging und dem zwar nicht ihre intimsten Geheimnisse verriet, aber durchaus, was sie in der ehemaligen Kupfermine gefunden hatte.

Am nächsten Morgen fühlte sie sich furchtbar. Der Mann war weg, und sie erinnerte sich weder an seinen Namen noch an den, nun... Akt. Nicht einmal an sein Aussehen. Unter diesen Umständen konnte sie ihn schlecht verfolgen und umbringen.

Ihre Kopfschmerzen waren etwa zehnmal so schlimm wie am Tag zuvor in der Kupfermine.

Dagegen half nur Monsterblut, und zwar literweise.

Schlecht gelaunt erkundigte sie sich bei der Bevölkerung nach in der Nähe liegenden Minen oder Ruinen. Erst im Keller einer alten Mühle traf sie auf zwei stumme Schrattler. Einer nutzte ihr blindes Anrennen, um seine Zähne in ihren linken Fuß zu schlagen. Sie zertrampelte sein Rattengesicht mit dem rechten und schlitzte das andere Monster auf.

Schließlich saß sie außer Atem und zitternd in einer modrigen Ecke. Es hatte zu regnen begonnen, und es gab keine trockene Stelle in der verfallenen Mühle. Mit klammen Fingern streifte Armia den linken Stiefel ab. Vor Schmerz kniff sie Augen und Zähne zusammen. Der Schrattler hatte ihren kleinen Zeh fast ganz abgetrennt. Er baumelte nur noch an ein paar Sehnen.

Armia wischte das Blut fort und griff nach ihrem Messer. Sie schloss die Augen, als sie den Rest ihres Zehs abschnitt. Während sie einen sauberen Verband anlegte, nahm sie sich vor, ihren Zeh irgendwo zu begraben und ihn später regelmäßig zu besuchen.

Sie wusste, dass sie eines Tages im Kampf sterben würde.

Und niemand würde sich an sie erinnern oder ihr Grab aufsuchen.

 

Vampire: Überdimensionale ->Stechmücken in Menschengestalt, die sich in ->Fledermäuse verwandeln können und sehr überzeugend sein können, wenn es um ->Blutspenden geht. Dieser untoten, aber besonders romantischen Spezies sind viele der wichtigsten monumentalen Erotikromane der zweiländischen Literaturgeschichte zu verdanken. Warum sie derart mitreißende Autoren sind, ist Gegenstand kontroverser ->Forschung. Aus Hutrolfs Enzyklopädie »Wichtigstes über Zweiland«

 

Wie ist dein Name, Haupt?« Hamjo Sotollo verzichtete zunächst auf eine Antwort und grinste nur. Das hatte mehrere Gründe. Erstens hatte eine angetrunkene Abenteurerin ihm ein wertvolles Geheimnis anvertraut. Zweitens hatte er es bereits an die Lila Kirche verkauft und war gerade dabei, es auch an die Grauen zu verraten – ebenfalls gegen Bezahlung, versteht sich. Drittens war die besoffene Abenteurerin mit ihm ins Bett gegangen, und das war eigentlich das Beste an der Sache gewesen, obwohl ihm davon immer noch eine beachtliche Anzahl Körperteile schmerzte.

»Mein Name«, sagte Sotollo, »tut nichts zur Sache. Lass uns gleich zur Sache kommen, Haupt.«

Forscha Monda-Piku seufzte und kraulte nervös die krausen Haare auf seinem Handrücken. Als Hauptinformationssammler war es seine Aufgabe, seine Zeit in dunk­len Ka­schemmen zu verbringen und angetrunkenen Angebern zuzuhören, die überlebenswichtige Nachrichten verkauften wie andere Leute Äpfel. Nur dass die wenigsten Äpfel innen hohl waren.

Monda-Piku seufzte. »Worum handelt es sich bei deiner Information, unbekanntes Haupt?«

Sotollo beugte sich vor. »Kennst du die Abenteurerin Armia Pilx?«

Das war in der Tat der Fall. Pilx tauchte überall in Zweiland auf, wo unterirdische Ungeheuer ihr Unwesen trieben, hinterließ eine Blutspur und nahm oft nicht einmal die Schätze mit. Menschen tat sie gewöhnlich nichts, und kirchlich gesehen war sie neutral – Sie wurde also von den Grauen und von den Lilanen geduldet, solange sie die Friedhöfe und Gruften beider Kirchen von Vampiren, Schrattlern und anderem Ungeziefer reinigte.

»Ich hörte möglicherweise gelegentlich von einer Person ähnlich klingenden Namens«, antwortete Monda Piku.

Sein Gegenüber strich sich durch die strähnigen Haare. »Wieviel ist es dir wert, zu erfahren, was sie vor wenigen Tagen in einer alten Kupfermine gefunden hat?«

Monda-Piku kratzte sich an der Hand. Die Mücken waren besonders hungrig heute. Er versuchte, sich trotzdem auf seine Arbeit zu konzentrieren. Vermutlich ging es um ein magisches Relikt. Das Wissen darüber war allerdings nicht soviel wert wie der Besitz des Gegenstands. Daher schüttelte Monda-Piku den Kopf. »Mehr als zehn Piesel ist das nicht wert.«

Sotollo machte ein enttäuschtes Gesicht. »Möchte die Graue Kirche etwa, dass ich die Information an die Lilanen verkaufe?«

Monda-Piku entfuhr ein übertriebenes Stöhnen. Natürlich konnte er sich denken, dass der Informant so oder so mit beiden Seiten verhandelte. »Vergiss nicht, dass wir, wenn wir entscheiden, das Objekt besitzen zu wollen, es der Abenteurerin erst abnehmen müssen.«

Traurig meinte Sotollo: »Ja, dann muss ich dir wohl verraten, dass die Lila Seite mir 25 Piesel geboten hat, um zu erfahren, welchen heiligen Gegenstand diese Pilx entdeckt hat. Nur meine Neutralität gebietet mir, auch deiner Seite die Möglichkeit zu geben, die Information zu erhalten.«

»Nun«, sagte Monda-Piku, »so sei es. Hier hast du 15 Piesel, und wenn das, was du zu sagen hast, es wert ist, bekommst du nochmal soviele.«

Sotollo grinste erneut. Dann steckte er die Münzen ein, sah sich nach allen Seiten um und schob dem Grauen ein kleines Papier zu. »Hier habe ich es aufgeschrieben, denn niemand darf es hören.«

Monda-Piku nahm das Papier an, fummelte es auseinander, las es fünfmal und rannte aus der Kaschemme.

Vielleicht war es eine Fälschung. In dem Fall würde Sotollo als Ketzer auf dem Scheiterhaufen enden, soviel war klar. Aber wenn die Information richtig war ...

Wenig später stand Monda-Piku vor seinem Haupthaupt Argut Magmus zu Crassu und jedes seiner Körperteile zitterte.

Jedes. Wirklich jedes.

Er hätte das zuvor nie für möglich gehalten.

 

3 Bikka

 

Ich besuchte die Weisen und bat sie, den Menschen von mir und der Schöpfung zu erzählen. Sie versprachen, nie die Unwahrheit zu sprechen. Wahrmuts Wahre Worte 2. Buch, 5. Kapitel

 

Neisetsch Madalak hatte das Himmelbett in einem stabilen Baumwipfel abgestellt, ohne die entrüsteten Proteste der hier wohnhaften Spitzspatzen zu beachten.

»Das hier ist eine fast so gute Stelle wie damals in der Nähe von, hm, wie hieß der Ort doch gleich?«, murmelte der Zauberer.

»Weiß ich auch nicht«, antwortete Jakeed.

»Macht nichts«, sagte Madalak. Jakeed beobachtete Bikka, aber die sah stur zur Seite.

Inzwischen hatte Madalak aus dem an das Bett angenagelten Kasten einige Kleidungsstücke zu Tage gefördert, die den beiden geretteten Menschen zwar nicht besonders passten, aber immerhin nicht so stanken wie die durchnässten Tuchfetzen, die sie vorher getragen hatten.

»Blau steht mir nicht«, beschwerte sich Bikka, die Hexe mit den rot gefärbten Haaren.

»Es ist ein sehr kleidsames Blau«, sagte Madalak.

»Es steht dir hervorragend«, unterstrich Jakeed, der seine Füße gerade in völlig unpassende Schuhe quetschte.

»Quatsch. Darin sehe ich aus wie eine Meise.« Bikka durchsuchte zum dritten Mal die Kiste nach brauchbareren Kleidungsstücken. Dabei hatte sie genausowenig Erfolg wie bei den beiden Malen davor.

»Wie eine Meise? Wie eine Blaumeise, meinst du?«, grinste Madalak und strich sich über die ergrauten Haare.

»Wie eine Zankmeise«, zischte Bikka böse.

»He, he, bleibt doch etwas ruhiger. Du musst dieses ... Ding ja nicht bis an dein Lebensende tragen.«

»Sag mal«, begann Jakeed, »ich wollte dich schon auf dem Scheiterhaufen etwas gefragt haben.« Er zögerte, als er bemerkte, wie seltsam seine Worte geklungen hatten. »Wieso hast du deine Haare rot gefärbt?«, fuhr er fort.

»Das waren die Lila Funken«, erklärte Bikka geringschätzig, »sie meinten, eine Rothaarige zu verbrennen, sei publikumswirksamer.«

Jakeed nickte. »Hätte ich mir denken können.«

Neisetsch Madalak behauptete: »Das Rot der Haare passt hervorragend zur Farbe des Kleides.«

»Ach was«, grummelte Bikka und begann, den Baum hinunterzuklettern.

»Wohin willst du?«, rief Jakeed ihr nach.

»Ein paar Kräuter sammeln«, antwortete sie.

»Für ein Gebräu, um die Farbe des Kleides zu ändern?«, wunderte sich Madalak.

»Nein, ich habe Kopfschmerzen.« Mit einem Satz sprang sie ein paar Äste tiefer und verschwand.

»Na ja. Kopfschmerzen sind das mindeste, das ich haben würde, nach dem, was passiert ist «, murmelte Madalak.

Jakeed verscheuchte eine penetrante Hutzeltaube, die gerade versuchte, eines der Kopfkissen zu begatten. »So? Ich habe keine. Noch nicht.« Dies sagte Jakeed, während er Bikka mit offensichtlichem Interesse hinterhersah. Er fragte sich, was sie auf den Scheiterhaufen von Dervadal gebracht hatte.

»Der Flammentod«, erklärte Madalak, »wäre für sie angenehmer als deine Nachstellungen.«

»Unverschämtheit!« Jakeed beschloss, es sei ein guter Zeitpunkt zu fragen: »Wieso hast du uns gerettet?«

»Reiner Zufall«, wiegelte Madalak ab.

»Glaube ich nicht.«

»Stimmt auch nicht. Ich arbeite für die Heiligen Grauen, genau wie du.«

»Wie kommst du darauf, dass ich ein Grauer bin?« Jakeed schien empört.

»Ich habe Informationsquellen.«

»Vertrauendwürdige?«, murmelte Jakeed, ließ die Beine über die Bettkante baumeln und wartete darauf, dass Madalak weiter redete.

Der tat ihm den Gefallen. »Jetzt denk aber nicht, dass du so wichtig bist, dass man mich schickt, um dich zu retten.« Es schien Madalak Spaß zu machen, Jakeed zu reizen. Seine Gesichtszüge deuteten auf zahlreiche selbstbewusste Jahrzehnte hin. »Du bist nur einer von vielen Agenten der Grauen Kirche.«

»Und du? Was bist du?«, fragte Jakeed und bemühte sich, seiner Stimme ebenfalls einen verächtlichen Ausdruck zu verleihen.

»Nur ein Söldner. Bezahlt für Sabotage.«

»Geht das Geschäft gut?«

»Nun, ich kann nicht klagen. Für die sabotierte Verbrennungs­zeremonie der Lilanen kassiere ich zwanzig Münzen. Die magischen Utensilien für den Eisregen«, rechnete der Zauberer vor, »haben gerade mal zwei gekostet, und das Bett ist ein Erbstück von meiner seligen Tante Igne. Wo meine Exfrau jetzt schläft, ist mir egal.«

Om Setta fand, dass das alles recht unwahrscheinlich klang, aber er kam nicht dazu, nachzufragen. Jedenfalls verfügte Madalak über deutlich mehr magische Fähigkeiten als die gewöhnlichen Moviker, die lediglich mit magischen Kristallen ausgestattete Gegenstände in Bewegung versetzen konnten.

Bikka kam herauf geklettert. Madalak schaute verwundert drein. Fast schien es, als hätte er nicht damit gerechnet, dass die Frau wieder auftauchen würde. Sein Gesicht faltete sich zu einem geringschätzigen Grinsen zusammen, in dem seine blitzenden grauen Augen wie die Köpfe von eingeschlagenen Nägeln wirkten. »Was macht der Schädel?«

»Fauchen«, fauchte Bikka. »Heb deine Bettstatt in die Lüfte. Wäre nett, wenn du mich auf der anderen Seite der Welt runterlassen würdest.«

»Auf der anderen Seite der Welt?«, grinste Madalak. »Das ist nicht meine Richtung.« Trotzdem vollführte er einige wichtig anmutende Gesten, und das Himmelbett schwebte nach oben und dann Richtung Süden. Jakeed zog es vor, seine Beine nicht mehr frei baumeln zu lassen. Die Luft hier oben schmerzte kalt. Unten – sehr weit unten – zog die trübe Welt vorbei: Felder, Teeplantagen, Wälder. Neben ihm saß eine verdammt attraktive Hexe. Vor kurzer Zeit hatte er sich unter wesentlich ungünstigeren Umständen gewünscht, sie näher kennenlernen zu können. Auch Bikka schien zu frieren. »Soll ich dich wärmen?«, fragte Jakeed.

»Wage es nicht, mich anzuzünden«, keifte die Hexe und zog eine Decke enger an sich.

»Ich habe Kelwi-Tee in einer Wärmflasche«, meinte Madalak.

»Igitt.«

»Magst du keinen Kelwi-Tee?«, fragte Jakeed.

»Geht dich nichts an.«

»Wir sind gleich da«, lenkte Neisetsch Madalak ab.

»Und wenn ich da nicht hin will?«, zischte Bikka.

»Dann kannst du am Boden deiner Wege gehen.«

»Wo?«, fragte Jakeed Om Setta knapp.

»Erkennst du es nicht?« Madalak deutete grinsend nach unten. In der Nähe befand sich eine mittelgroße Stadt an einem Fluß.