Varn - Volker König - E-Book

Varn E-Book

Volker König

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Beschreibung

Der Avatar VARN betritt eine virtuelle Welt. Sein menschenscheuer Schöpfer vermag bald nicht mehr zu unterscheiden, ob er sich in der realen oder der virtuellen Welt befindet. Als er sich in Alida verliebt, scheint er einen Halt gefunden zu haben. Doch eine Tragödie bahnt sich an.

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Veröffentlichungsjahr: 2020

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Inhaltsverzeichnis

Impressum 

Zitat 

1. 

2. 

3. 

4. 

5. 

6. 

7. 

8. 

9. 

10. 

11. 

12. 

13. 

14. 

 

Volker König 

VARN 

Erzählung 

Impressum

© Neuauflage September 2019 

© 2012 Volker König 

Kämmereihude 14, 45326 Essen 

www.vkoenighome.de 

Bildquelle: pixabay 

ISBN der Printversion: 9 783749 483839 

Zitat

Meinst Du nicht, 

er werde ganz verwirrt sein und glauben, 

was er damals gesehen, sei doch wirklicher, 

als was ihm jetzt gezeigt werde? 

 

Platon 

1.

Wenn er aus dem kristallblauen Himmel stürzte, brauchte ich nicht um sein Leben zu bangen. Er ertrank nicht in Seen oder in dem das Land umgebende Meer. Er brauchte nicht zu rasten, erschöpfte nie, brauchte darum nicht zu schlafen, brauchte auch nicht zu essen, zu trinken, zu sitzen. Er fror auch nicht oder zerfloss in Schweiß.

Tatsächlich war ich es, der ihn handeln, war ich es, der ihn reagieren ließ in jener Welt. Ich war der Gott, er das Geschöpf, an meiner statt in jene Sphäre aufgestiegen, um dort Wunder zu tun. Mein Gesandter, mein Sohn. Eines Menschen Sohn, jungfräulich geboren.

Sein Name sollte kernig klingen wie der jenes harten Platoon-Helden Barnes, eines abgeklärten Kriegers, eines Verteidigers der Freiheit, eines Bewältigers von Gefahren, eines lebenden, eines getarnten, eines grausamen und bösen Mannes. Doch böse Helden haben gute Namen. Mein Sohn sollte einen solchen tragen. Denn auch er wäre ein Held, auch er würde ein Krieger sein, der seine Mission verfolgt. Aber ich wollte ein V zu Beginn seines Namens, auf gar keinen Fall ein W, denn W sieht aus wie zwei Hängetitten. V hingegen ist straff. V ist ein Richtig-Haken, ein Zeichen setzender Pfahl, aber auch Symbol des Beckens, des Lebens, der Vereinigung, des Neuanfangs. Und ich wollte seinen Namen noch verkürzen, denn von seiner Verkürzung versprach ich mir, Neugier zu wecken. Ich nannte ihn daher für jeden in jener Welt sichtbar Varn.

In meinem Sohn steckte etwas von mir. Nicht wie in einem leiblichen Sohn, dem ich mein Erbgut mitgeben würde, sondern wie in einem Kunstwerk, einem geistigen Sohn also, dessen Erscheinung ich nach meinem Gusto wählen konnte.

Denn Varn war ein künstliches Wesen, ein Avatar, von mir erschaffen, nicht aus Fleisch und Blut und mit Krankheiten und Kraftlosigkeit, sondern aus winzigen Lichtpunkten zusammengesetzt, ein Lichtwesen.

Ich hätte ihn bildhübsch aussehen lassen können, schöner als ich selbst es bin. Er hätte meiner eigenen Makel ledig sein können, aber ich machte ihn groß und hässlich, mit Metzgerarmen und monströs fettem Bauch, dazu einem fransig herabhängenden grau-weißen Haarkranz, einer dicken, schwarzen Hornbrille vor einem einfältigen Gesicht mit großen Augen und Unterbiss, mit Brontosaurus-Beinen auf der Wiese stehend.

Er klingt wie ein Planet in einem Science-Fiction-Fantasy-Film, und schon darum hätte ich Mitleid mit ihm haben können angesichts der Bildschönen um ihn herum, der Prinzessinnen und Zauberer, der fantastischen, magischen, mystisch entrückten Feen in fliegenden Gewändern und mit wallenden Haaren, mit blitzenden, glitzernden, funkelnden Lichtern drumherum, die von der Welt vor meinem Fenster so weit entfernt schienen, dass sie die Angst und Ungewissheit hier anscheinend nicht zu kümmern brauchte.

Varn sollte nicht seines Äußeren wegen geliebt werden, er sollte das groteske Gegenteil aller anderen sein. Er sollte auffallen. Denn als mein Sohn verwies er auf mich. War er doch nicht grundlos dort. Er hatte eine Aufgabe. Er sollte mich groß machen, sollte über mich berichten, sollte meine Herrlichkeit preisen, sollte meine Botschaft verbreiten und dafür sorgen, dass die Menschen an mich glaubten. Dazu war mir jedes Mittel recht, und ich hatte ihm dafür ein Buch an die Hand gegeben. Ja, ein Buch, das ich selbst verfasst hatte, das etwas über mich und meine Sicht der Welt sagte, über den zurückgezogenen Schreiber, den Denker, den Ausdenker, seinen Schöpfer.

So trug er also den Namen, den ich für ihn wollte, sah genau so aus, wie ich es wollte, sagte, was ich wollte, tat, was ich wollte und hatte dabei doch kein Gefühl, das zu verletzen war. Ich, als sein Schöpfer, habe dagegen Gefühle, und sie haben mich zu einem Lügner gemacht. Einem Lügner und Mörder.

Niemals wäre ich dazu geworden, hätten nicht die Umstände mich getrieben. Dabei wäre es ein Leichtes gewesen, diese Umstände zu umgehen, indem ich Varn gar nicht erst jene Welt hätte betreten lassen. Wenn ich Beobachter geblieben wäre und mich nicht durch Eitelkeit, Selbstbezogenheit und Gier hätte übermannen lassen, wenn nicht die Leidenschaft die Oberhand über mich gewonnen hätte, dann wäre ich niemals in diesen verhängnisvollen Strudel geraten.

Hätte ich mir doch nie die Frist eines vollen Jahres gesetzt. Hätte ich doch bereits nach wenigen Monaten dem Zauber jener Welt den Rücken gekehrt! Selbst noch nach einem halben Jahr wäre ich ohne Schaden aus der Sache herausgekommen. Doch wie ein Süchtiger viele gute Vorsätze hat, die er insgeheim nicht einzulösen gedenkt oder es tatsächlich auch nicht zu Wege bringt, sie einzulösen, so war ich mit Varn Nacht für Nacht in jene seltsame Welt zurückgekehrt.

Denn dort ist alles hell und freundlich, und die Möglichkeiten erscheinen unbegrenzt. Nicht wie in der Welt vor meinem Fenster, die an Eintönigkeit und Schuld erstickt, die es täglich riskiert, ihren Bewohnern den Glauben an sie zu nehmen, die keine Mühe scheut, ihre Bewohner mit Hinterlist in die Irre zu leiten. Zeugen nicht die Toten, die den Weg allen Lebens säumen, davon? Selbst mir, dem Zurückgezogenen, bleiben sie nicht verborgen, liegen mir gar im Weg wie einst der Mann aus dem Nachbarhaus, der offenbar keinen anderen Rat mehr wusste, als sich aus einem der oberen Stockwerke kopfüber auf den Gehweg zu stürzen. Seine Beweggründe werden mir unbekannt bleiben. Er hätte unheilbar krank gewesen sein können am Leib, obwohl auch die Seelen der Menschen befallen werden können von Krankheiten, die ihnen jeden Ausweg verbauen. Selbst die Liebe, die doch eigentlich das Leben erträglicher machen soll, kann gerade das Gegenteil bewirken, wenn sie unerwidert bleibt. Wie viel musste sich in jenem Menschen angesammelt haben, um auf diese Weise sein Leben zu beenden? Sein Sprung mag aus der Ferne ähnlich ausgesehen haben wie der jener Menschen, die an einem Septembertag aus zwei Hochhäusern in New York gesprungen waren, kurz bevor der monströse Doppelphallus in sich zusammenfiel und dadurch jenes mächtige Land entmannte. Jene hatten wahnsinnig vor Angst geglaubt, sich retten zu können, dieser aber wollte sich töten, der Feigling. Wenn er es nicht drauf angelegt hätte, dann hätte er den Fall überleben können, so die Sanitäter, denn er war noch nicht einmal aus so großer Höhe gesprungen. Jetzt konnte er nicht mehr von seinen Qualen erzählen. Jetzt lag er unter einer Plane, und lediglich das stille Blut drumherum erzählte alles. Seine bildhübsche, junge Frau, die mir sogar einmal ein Lächeln geschenkt hatte, stand mit bleichem Gesicht und leeren Augen abseits hinter dem breiten Kreuz eines Polizisten, als sie ihn verluden.

Ein Paradies, ein riesiger Garten Eden, der mit Verheißungen lockt, findet sich jedoch dort. Doch um jene Welt aus Rollen, aus Masken, jenes bunte Treiben, jenen Karneval zu erobern, musste Varn Kenntnisse erwerben.

Wie ein Kind lernte er gehen, laufen, ja fliegen, mit dem Kopf voraus, wie ich es in meinen Träumen tat. Er lernte Gegenstände zu berühren, er lernte, sie zu verschieben, er lernte, neue zu erschaffen. Ich staunte, und es umfing mich eine Leichtigkeit, wie sie mir in meinem Leben aus Fleisch und Blut, dem Leben vor meinem Fenster, versagt blieb.

2.

Nachdem er jene Welt aus der Tiefe meines Rechners heraus betreten, sich aus dem Labyrinth der Dateien und Verzeichnisse, der Passwörter, Codes und Programme gelöst und generiert hatte, wenn er ins Wechselspiel mit dem Programm jener Welt getreten war und sich so eingefügt hatte, dann sprang Varn auf der Suche nach Gleichgesinnten, nach Zuhörern, nach Jüngern umher.

In jener herrlichen Welt ist das ohne weiteres möglich, denn selbst größte Entfernungen sind per Teleport (tp) zu überwinden. Ich war froh, dass ich eine Karte nutzen konnte, um mich zurechtzufinden, denn hätte ich sie nicht gehabt, hätte ich bei der Größe jener Welt schnell die Orientierung verloren.

Ort für Ort wird aus einem schier unerschöpflichen Magazin geladen und auf meinen Bildschirm geschossen, wo er zerplatzt zu Himmel um Himmel, Berg um Berg, Ebene um Ebene, alles bezaubernd schön, der Tageszeit entsprechend sogar in unterschiedlich farbiges Licht getaucht oder in hellem Mondlicht versinkend.

Ich konnte gar nicht genug bekommen von den herausgeschossenen, den zerplatzten Landschaften. Wenn schließlich doch alles appetitlich hergerichtet war und Varn  darin erschien, ließ ich ihn in den Himmel steigen und seine Reise fliegend fortsetzen auf den Horizont zu. Der verschob sich im Näherkommen, einer Fata Morgana gleich. Immer neue Flächen klecksten an seinen vorherigen Rand. So wurde mir, je weiter Varn flog, beständig Neues offenbart.

Von Gier getrieben saugte ich all die Pracht in mich ein. Dass es sich lediglich um Bilder aus meinem Rechner handelte, schmälerte meine Lust keineswegs. Doch wenn Varn leicht wie eine Feder durch die Himmel schwebte und die Landschaften, die Häuser und Avatare unter sich herziehen sah, dann stieß er manchmal sogar an Grenzen.

Transparente, riesige Flächen schirmten den Zutritt Unbefugter ab. Diese Flächen waren Varn zwar durch feine rote Schrift kenntlich gemacht, aber in der Regel übersah er diese Schrift und mit ihr die Grenzen und flog dagegen. Hilflos sich krümmend und verwirrt sich um sich selbst drehend, wirkte er so verdutzt wie ich selbst es dann war. Wer wollte Varn hier ausschließen, und warum? Oder sollte hier etwas eingeschlossen sein? Am Ende ein ganzes Volk?

Damals dachte ich, dass Varn sich in irgendeiner Form den Unmut anderer zugezogen oder sich sogar strafbar gemacht haben musste, um ausgeschlossen zu werden. War etwa über seinen Schöpfer etwas bekannt geworden, was dort nicht bekannt sein konnte und durfte? Wusste man dort, wer die Deckenplatten im Souterrain zerschlagen, wer in die Fußgängerzone gepisst, wer wahllos Außenspiegel abgetreten und wer die Ente im Park mit der Bierflasche erschlagen, ihr den Hals umgedreht und aufgefressen hatte, zubereitet von einer asiatischen Hure? Davon konnte dort niemand wissen. Dennoch wurde Varn die Passage verwehrt. Ich lenkte ihn in andere Richtungen, hoffte durch eine größere Flughöhe doch noch über das Hindernis hinwegzusetzen, versuchte am Ende sogar, per tp in diese Bereiche zu gelangen. Doch all das blieb erfolglos, und so war Varn gezwungen, sie zu umfliegen.

Später stieß er zufällig auf einen kleinen Mann, der ihn in sein Haus einlud. Um dieses Haus betreten zu können, deaktivierte der kleine Mann für Varn eben solch eine Grenze. Im Haus dann öffnete er eine mächtige Bodenklappe und bat Varn in seinen düsteren, leeren Keller. Der kleine Mann entschuldigte sich für die Leere und versicherte, dass hier bald viel mehr los sei, wenn er erst die Bälle und das Inventar installiert habe. Worauf das alles denn hinauslaufe, ließ ich durch Varn fragen. Wenn alles fertig sei, wäre es ein Sexkeller, einer für Sado-Masochisten, gab der kleine Mann geradezu schüchtern zur Antwort.

---ENDE DER LESEPROBE---