Venezianische Rache - Daniela Gesing - E-Book
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Venezianische Rache E-Book

Daniela Gesing

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  • Herausgeber: Midnight
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2019
Beschreibung

Loyalität bis in den Tod Es ist Sommer in Venedig. Die Sonne brennt über der Lagunenstadt und erhitzt nicht nur die Büros der Questura von Kriminalkommissar Luca Brassoni. Eigentlich hat dieser frei und steht kurz vor dem wohlverdienten Sommerurlaub mit der ganzen Familie. Doch ein mysteriöser Mord verlangt die Anwesenheit und vor allem das Ermittlergespür von Brassoni. Der junge Künstler Paolo Grande wird in seiner Wohnung erdrosselt aufgefunden. Die Mordwaffe liegt noch vor Ort. Kurz zuvor war Grande im Kunstmuseum durchgedreht und hat ein Porträt in der Sammlung angegriffen und zerstört. Musste Grande deswegen sterben? Brassoni steht unter gehörigem Druck. Er muss den Fall lösen. Nicht nur um in der Urlaub fahren zu können. Sondern auch, weil kurz darauf ein weiterer Mordanschlag geschieht…

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Venezianische Rache

Die Autorin

Daniela Gesing, Jahrgang 65, hat nach ihrer Ausbildung zur Erzieherin Komparatistik und Pädagogik studiert und bei einer örtlichen Familienzeitung gearbeitet. Die Autorin lebt mit ihrer Familie und ihrem Hund in Bochum. Die Leser lieben ihre Venedigkrimis mit dem sympathischen Ermittler Luca Brassoni.

Das Buch

Es ist Sommer in Venedig. Die Sonne brennt über der Lagunenstadt und erhitzt nicht nur die Büros der Questura von Kriminalkommissar Luca Brassoni. Eigentlich hat dieser frei und steht kurz vor dem wohlverdienten Sommerurlaub mit der ganzen Familie. Doch ein mysteriöser Mord verlangt die Anwesenheit und vor allem das Ermittlergespür von Brassoni. Der junge Künstler Paolo Grande wird in seiner Wohnung erdrosselt aufgefunden. Die Mordwaffe liegt noch vor Ort. Kurz zuvor war Grande im Kunstmuseum durchgedreht und hat ein Porträt in der Sammlung angegriffen und zerstört. Musste Grande deswegen sterben? Brassoni steht unter gehörigem Druck. Er muss den Fall lösen. Nicht nur um in der Urlaub fahren zu können. Sondern auch, weil kurz darauf ein weiterer Mordanschlag geschieht…

Von Daniela Gesing sind bei Midnight in der Reihe Ein-Luca-Brassoni-Krimi erschienen:Venezianische VerwicklungenVenezianische DelikatessenVenezianische SchattenVenezianisches VerhängnisVenezianische IntrigenVenezianische Rache

Daniela Gesing

Venezianische Rache

Luca Brassonis sechster Fall

Kriminalroman

Midnight by Ullsteinmidnight.ullstein.de

Originalausgabe bei MidnightMidnight ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH, BerlinMärz 2019 (1)

© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2019Umschlaggestaltung: zero-media.net, MünchenTitelabbildung: © FinePic®Autorenfoto: © privatE-Book powered by pepyrus.com

ISBN 978-3-95819-238-6

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Inhalt

Die Autorin / Das Buch

Titelseite

Impressum

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

Epilog

Danksagung

Leseprobe: Venezianische Intrigen

Social Media

Vorablesen.de

Cover

Titelseite

Inhalt

Prolog

Du bist am Ende – was du bist.

Setz’ dir Perücken auf von Millionen Locken,

Setz’ deinen Fuß auf ellenhohe Socken

Du bleibst doch immer was du bist.

Mephistopheles, Faust- Erster Teil J.W. Goethe

Wie immer –

Für Ben, Lotta, Christina und Janina

Prolog

Ein kurzer, feiner Nieselregen bedeckte den Boden vor dem Eingang zu den Galerien der Akademie, direkt neben der Scuola della Caritá. Am Himmel erschien kurzzeitig ein Regenbogen, gemalt aus dem Sonnenlicht mit all seinen Spektralfarben, das auf die unzähligen Wassertropfen getroffen war. Paolo Grande, ein junger Künstler aus Bergamo, schlaksig, mit ungekämmten langen Haaren, Jeans und fleckigem Hemd, schlüpfte hastig durch die Eingangskontrolle. Es war ein Montag, kurz vor drei, als Student hatte er einen Preisnachlass auf sein Ticket erhalten. Verstohlen sah er sich um, doch der Besucherstrom hatte inzwischen nachgelassen. Das schöne Wetter lockte die Menschen nach draußen an den Zattere und in die Eiscafés der Stadt.

In der Gallerie dell’Accademia im Sestiere Dorsoduro, einem der sechs Stadtteile Venedigs, am Südufer des Canal Grande, befand sich die größte Sammlung venezianischer Malerei von der Gotik bis zum Rokoko, untergebracht in insgesamt drei Gebäuden. Paolo Grande interessierte sich heute nur für ein Gemälde; das Bildnis des Jacopo Soranzo, um 1550 geschaffen von Tintoretto. Andächtig blieb er vor dem Porträt stehen, wie gebannt starrte er auf das samtrote Gewand des Prokurators, der aus einer der ältesten Patrizierfamilien Venedigs stammte. Immer wieder fiel sein Blick auf das Gesicht des Mannes, den weißen, bauschigen Bart, die leicht gebogene Nase mit der verlängerten Spitze und die Hände, die auf dem Gewand ruhten. Je länger er das Porträt betrachtete, desto größer wurde seine Wut. Paolo spürte, wie es in seinem Kopf zu kribbeln begann, wie sein Herzschlag schneller ging und sein Mund trocken wurde. Mit fester Hand umspannte er das Messer in seiner Tasche, sah sich hastig um und holte tief Luft. Die Museumsaufsicht befand sich in einem der anderen Räume. Dann ging alles ganz schnell. Seine Hand schnellte nach vorne, stieß immer wieder mit dem Messer auf das Bild ein, bis das Gesicht des Jacopo Soranzo zerstört war. Zitternd und aufgeladen mit Adrenalin rannte Paolo daraufhin auf den Ausgang zu. Schon hatte eine der letzten Besucherinnen den Akt der Barbarei bemerkt und schrie um Hilfe.

»Aiuto, aiuto! Hilfe, Hilfe«, rief sie voller Schrecken und drückte ihr Kind, einen Jungen von etwa zehn Jahren, ängstlich an sich, als Paolo an ihr vorbeilief. Offensichtlich dachte sie, er wollte auch sie angreifen, aber sein Blick war starr, er nahm die beiden Personen kaum wahr. Stattdessen warf er das Messer zu Boden, sah sich nach den Wachen um, die bereits Alarm ausgelöst hatten, aber noch nicht zu sehen waren, lief wie in Trance durch die Räume des Museums Richtung Ausgang und verschwand schließlich wie ein Schatten in einer Menschentraube vor der Accademiabrücke. Er entledigte sich seines Hemdes, das er in einem Abfallkorb entsorgte, rannte über die Stufen, die den Canal Grande überspannten, und verschwand in einer der schmalen Nebengassen hinter der Ponte dell’Accademia. Hier lehnte er sich schweratmend an die kühle Wand eines alten Mietshauses und horchte auf die Geräusche seiner Verfolger. Offensichtlich hatten sie seine Spur verloren, aber er wusste, sie würden ihn suchen. Doch das war es ihm wert gewesen. Er fühlte sich wie befreit, als wäre eine jahrelange Last von seinem Herzen abgefallen. Dieses Monster war schuld an dem Tod seiner Mutter, und auch wenn er ihm das nicht nachweisen konnte, so hatte er ihn doch wenigstens symbolisch verletzt, ihm gezeigt, wozu er fähig war. Natürlich hatte es ihm leidgetan, ein Kunstwerk zu zerstören, weil er doch selber ein Maler war, wenn auch in einer völlig anderen Stilrichtung. Aber dies war der einzige Weg gewesen, ihm klarzumachen, dass er keine Ruhe geben würde, bis er als Mörder überführt war. Paolo wischte sich mit einer Hand den Schweiß von der Stirn und lief bis zu seiner kleinen Wohnung am Rande von San Marco. Er würde seine Sachen packen und verschwinden. Er schloss die Wohnungstür in der dritten Etage des heruntergekommenen Hauses auf, kühlte kurz sein Gesicht unter dem Wasserhahn im Bad, dann warf er ein paar Kleidungsstücke in seine Sporttasche, holte sein restliches Geld aus der Dose neben dem Brot und sah sich nach den Schriftstücken um, die seine Mutter ihm kurz vor ihrem Tod überlassen hatte: eine eidesstattliche Erklärung, seine Geburtsurkunde und ein Foto – mehr war ihm nicht geblieben. Doch er konnte die Unterlagen nirgends entdecken, obwohl er sie, bevor er zum Museum gegangen war, noch auf den Tisch gelegt hatte. Verwirrt sah er sich in der kleinen Wohnung um, als er auf einmal Schritte auf dem Flur vernahm. Jemand klopfte an seine Tür.

»Wer ist da?«, fragte Paolo verunsichert. Konnte ihn die Polizei so schnell gefunden haben?

»Es gibt ein Leck in der Wasserleitung im Haus. Wir müssen ihre Rohre überprüfen«, ertönte eine freundliche Stimme. Paolo überlegte kurz, aber er wusste, dass der Hausbesitzer ein cholerischer Mann war und ihm auf die Pelle rücken würde, falls er den Handwerkern nicht öffnete. Er sah durch den Türspion, erkannte aber nur eine Kappe. Seufzend ließ er den Mann im blauen Overall in die Wohnung, der sich samt seinem Werkzeug an ihm vorbeidrängte.

»Dauert das lange?«, fragte er nervös, doch der Mann winkte ab. »Keine Sorge, ich beeile mich!« Dann verschwand er in der Küche. Paolo ging in sein Schlafzimmer, öffnete ein paar Schubladen, um noch einmal nach den verschwundenen Unterlagen zu suchen. Als er sich gerade über ein altes Foto seiner Mutter beugte, bemerkte er Schritte hinter sich und spürte dann plötzlich eine Schlinge über seinem Kopf, die sich blitzschnell am Hals zuzog und ihm den Atem raubte. Er versuchte verzweifelt, sich zu wehren, doch er konnte nichts gegen seinen Angreifer tun. Hilflos ruderte er mit den Armen, bemühte sich, Worte auszustoßen, doch sein Kopf drohte zu zerplatzen ohne Luft, und die Sinne schwanden ihm immer mehr, bis er schließlich leblos zu Boden sank.

Kapitel 1

Commissario Luca Brassoni erreichte der Anruf aus der Questura, als er gerade mit seinem Sohn Luis, fast ein Jahr alt, im kleinen Garten seines Wohnhauses auf der Decke saß und dem Kind dabei zusah, wie es unermüdlich aus den bunten Bausteinen einen Turm zu bauen versuchte. Dabei schien der größte Spaß zu sein, diesen Turm immer wieder umzuschmeißen. Der Commissario amüsierte sich von Herzen über das Lachen seines Sohnes. Wenn er den Kleinen so ansah, konnte er sich ein Leben ohne ihn gar nicht mehr vorstellen. Dieses Jahr wollte er das erste Mal mit Luis, seiner Frau, der Gerichtsmedizinerin Carla Sorrenti, und seinen Eltern gemeinsam in den Urlaub fahren. In sechs Tagen war es soweit. Drei Wochen Adriaküste, ein kleiner Ort an der Emilia Romagna, Strand, Liegestühle, gutes Essen und Ausspannen. In dieser Woche feierte er Überstunden ab. Verärgert registrierte er die Nummer seiner Dienststelle auf dem Handy. Unwillig drückte er die Annahmetaste. Jetzt noch ein größerer Fall, dann war sein kostbarer Urlaub in Gefahr.

»Pronto?«, brummte er in den Hörer.

»Commissario Brassoni, hier spricht Patrizia Bertuzzi, Vice Questore Morandis Vertretung. Ich weiß, Sie haben heute dienstfrei, aber es gibt da einen Mordfall, und wir sind zurzeit personell schlecht bestückt …«

Luca Brassoni entfuhr ein tiefer Seufzer. Patrizia Bertuzzi hatte schon vor ein paar Monaten Roberto Morandis Stelle übernommen, seit der nach einem Herzinfarkt ans Krankenbett gefesselt und anschließend zur Reha gefahren war. Persönliche Probleme hatten zu dem Zusammenbruch geführt, unter anderem ein Seitensprung seiner Ehefrau, den er nicht verkraftet hatte.

Die neue, kommissarische Dienststellenleiterin war eine dynamische, ehrgeizige Frau, und Brassoni kam nicht immer mit ihren Arbeitsvorstellungen zurecht. Aber er wusste, dass sie ein Nein nicht akzeptierte, also winkte er Carla heran, die in einem Liegestuhl ihre Zeitung las. Widerstrebend stand sie auf, setzte sich zu ihrem Sohn und spielte weiter mit Luis. Luca verzog sich zum Telefonieren unter den Baldachin der Terrasse.

»Was ist denn passiert?«, wollte er von seiner neuen Vorgesetzten wissen.

»Ein junger Mann, ermordet in seiner Wohnung. Ein Kapitalverbrechen, und in Venedig ist gerade Hochsaison … Da müssen wir so schnell wie möglich einen Täter vorweisen. Ich weiß, dass Sie und Ihre Frau schon Überstunden genommen haben vor Ihrem wohlverdienten Urlaub. Aber wir brauchen Sie wirklich dringend. Beide. Pietro Gavaldo, der Kollege ihrer Frau, ist auf einer Konferenz in Rom, und Commissario Mancuso, der Ihre Vertretung übernehmen sollte, ist heute Morgen mit einem Blinddarmdurchbruch ins Krankenhaus eingeliefert worden. Und ihr Kollege Maurizio Goldini hat noch mit der Überfallserie am Bahnhof Santa Lucia zu tun. Alleine schafft er das nicht. Kann ich also auf Sie zählen?«

Dies war zwar eine Frage, aber Brassoni wusste, dass er eigentlich keine Wahl hatte. Er war ja noch hier in Venedig.

»Ich spreche mit meiner Frau«, grummelte er missmutig in den Hörer. »Aber ich denke mal, das geht klar, vorausgesetzt, ich kann in sechs Tagen in meinen Urlaub aufbrechen.«»Mein lieber Commissario, bis dahin findet sich bestimmt eine adäquate Lösung, falls Sie nicht vorher schon den Täter ermittelt haben! Ich erwarte Sie dann später hier in der Questura. Ispettrice Valgoni wird Ihnen am Tatort einen Überblick über den bisherigen Stand der Dinge geben. Arrivederci!«

Noch bevor Brassoni etwas antworten oder fragen konnte, hatte sie aufgelegt. Als er wieder zu seiner Frau und seinem Sohn zurückkehrte, war es ihm schwer ums Herz. Wie sehr hatte er die ersten freien Tage bisher genossen.

Carla schob ihre Sonnenbrille in ihre Haare und sah ihn erwartungsvoll an.

»Na, was ist los? Deinem Gesicht nach zu urteilen hat Patrizia Bertuzzi dir deinen Urlaub gestrichen.«

Als er nicht antwortete, sondern nur betreten auf den Boden starrte, setzte sie sich auf.

»Das war doch nur ein Scherz, Luca. Sag mir bitte, dass das nicht wahr ist.«Der Commissario druckste herum.

»Es ist nicht ganz so schlimm, aber es geht in die Richtung …«Carla wurde blass. Brassoni ergriff ihre Hand, während Luis auf seiner Decke mit den Bausteinen um sich warf.

»Es gibt einen Mordfall, und mein Vertreter ist im Krankenhaus. Ich soll nur diese Woche einspringen … In den Urlaub fahren wir auf jeden Fall!«, versprach er großmütig.

Carla seufzte.

»Dio mio, kann es nicht einmal ohne dich gehen?«, seufzte sie.

»Das ist noch nicht alles«, berichtete Brassoni zerknirscht. »Dich brauchen sie auch. Gavaldo ist noch in Rom. Wer soll die Leiche untersuchen?«

Brassonis Frau rollte mit den Augen.

»Luca, das ist doch wohl nicht dein Ernst? Ich wollte die freie Zeit mit Luis genießen. Kann das nicht Gavaldos Assistentin übernehmen?«

Der Commissario schüttelte den Kopf.

»Die neue Chefin besteht darauf, dass du als Leiterin der Gerichtsmedizin, auch wenn du dich offiziell noch in Elternzeit befindest und nur stundenweise in der Pathologie aushilfst, die Untersuchungen durchführst. Silvia Valluzzi wird dir ihrerseits assistieren. Vielleicht dauert es ja nur ein paar Stunden. Ich rufe meine Mutter an, sie wird bestimmt gerne vorbeikommen …«

Brassoni warf seiner Ehefrau einen treuherzigen Blick zu.

»Ich habe wohl keine andere Wahl«, murmelte Carla gespielt frustriert. »Aber ich weiß nicht, ob deine Mutter wirklich so glücklich darüber sein wird, hier schon wieder einzuspringen. Sie ist sicherlich schon mitten in den Urlaubsvorbereitungen!«

Der Commissario winkte ab. Seine Eltern, Ernesto und Sofia Brassoni, waren ganz vernarrt in ihren ersten Enkel, sie rissen sich förmlich darum, ihn so oft wie möglich sehen zu können.

»Da mach dir mal keine Sorgen. Soweit ich weiß, hat sie schon alles vorbereitet, eingekauft und gepackt. Meine Mutter ist in solchen Dingen immer sehr schnell und vorausschauend!«

»Ach, ist das jetzt eine Spitze gegen mich, weil bei uns noch nichts fertig ist?«, fragte Carla empört. »Soweit ich weiß, gehörst du auch zu unserer Familie und kannst mit anpacken.«

Brassoni hob abwehrend die Arme.

»Cara mia, natürlich ist das keine Kritik an dir, mein Engel. Du machst das wirklich alles wunderbar, und ich werde tun, was ich kann. Wir haben schließlich auch noch Zeit.«

In Wahrheit machte es ihn jedes Mal nervös, dass Carla unliebsame Aufgaben immer bis auf die letzte Minute verschob. Aber er hütete sich, das zu sagen. Zumal er es ja ähnlich handhabte.

Carla hatte ihm misstrauisch zugehört.

»Na gut, ich will mich nicht darüber aufregen, obwohl ich dir kein einziges Wort glaube.«

Sie nahm Luis auf den Arm und stapfte Richtung Haus.

»Ich helfe bei den Untersuchungen, aber nur für ein paar Stunden. Ich war wirklich schon in Urlaubsstimmung und lasse mir diese Ferien auf keinen Fall vermiesen.«

»Wir fahren auf jeden Fall an die Adria, das verspreche ich dir«, erwiderte der Commissario erleichtert. »Länger als drei Tage lasse ich mich nicht einspannen. Dann muss die Questura eben jemand anderen als Vertretung einsetzen.«

Carla öffnete die Tür zum Hausflur und rollte seufzend mit den Augen. Sie kannte Luca jetzt schon lange genug, um zu wissen, dass er sich schnell in einen Fall verbissen hatte und nicht lockerließ, ehe der Täter gefasst war.

Kapitel 2

Paolo Grandes Leiche lag noch auf dem Schlafzimmerboden, als Commissario Luca Brassoni am Tatort eintraf. Sein Gesicht war mit einem Tuch abgedeckt. Die Leute von der Spurensicherung waren gerade dabei, ihre Sachen einzupacken. Verwundert begrüßte Brassoni, der im Rang eines Commissario Capo stand, seinen jüngeren Kollegen Maurizio Goldini, mit dem er seit ein paar Jahren zusammenarbeitete.

»Mauro, ich hatte Ispettrice Barbara Valgoni hier erwartet! Als ich von zu Hause aus mit der Questura wegen der Adresse telefoniert habe, sagte man mir, dass du beschäftigt seist …«

Goldini, schlank, hochgewachsen und mit dunklen, glänzenden Locken, hob die Schultern.

»Du kennst das ja. Barbara musste spontan die Begleitung einer weiblichen Gefangenen übernehmen, und die Überfallserie am Bahnhof hängt mir langsam zum Halse raus … Da ist eine ganze Diebesbande am Werk, die ziemlich professionell vorgeht. Jetzt sind sie uns schon zum zweiten Mal entwischt. Ispettore Colludi kümmert sich im Augenblick darum. Ich brauchte etwas Abwechslung. Vielleicht kann ich dir hier ein wenig helfen.«

Brassoni klopfte seinem Kollegen und Freund ermunternd auf die Schulter.

»Das freut mich, obwohl ich eigentlich darauf eingestellt war, dich erst nach meinem Urlaub wiederzusehen. Habt ihr schon Spuren in der Wohnung gefunden? Gibt es Augen- oder Ohrenzeugen? Und warum liegt das Tuch auf dem Kopf des Opfers?«

»Das Tuch hat der Täter wohl dorthin gelegt. Aber sonst war er nicht sehr sorgfältig.«Maurizio Goldini deutete auf das schmale Stück Seil, das einer der Kriminaltechniker bereits eingetütet hatte.

»Der Täter hat sich keine Mühe gemacht, sein Tatwerkzeug zu entsorgen. Allerdings sind nirgendwo Fingerabdrücke zu finden, also gehen wir davon aus, dass er vorsätzlich gehandelt hat und Handschuhe trug.«

»Wer ist das Opfer?«

»Paolo Grande, fünfundzwanzig Jahre alt, Kunststudent, hat sich mit eigenen Werken schon einen kleinen Namen gemacht. Er war Halbwaise, lebte seit dem Tod seiner Mutter vor zwei Jahren alleine hier in der Wohnung. Dank einer kleinen Erbschaft und des Verkaufs seiner Bilder konnte er einigermaßen über die Runden kommen. Die Nachbarn beschreiben ihn als unauffällig und ruhig, allerdings hatte er sich seit dem Tod seiner Mutter wohl verändert. In sich gekehrt, nicht mehr so fröhlich wie früher, einsam.«

Brassoni hatte konzentriert zugehört.

»Wer hat den Toten entdeckt?«

Maurizio Goldini zuckte mit den Schultern.

»Ein anonymer Anruf. Eine Frau, soweit ich weiß. Vielleicht jemand aus dem Haus, der sich nicht zu erkennen geben will.«

Brassoni sah den Kollegen zweifelnd an. Seiner Erfahrung nach waren gerade Nachbarn oft sehr redselig und genossen es, sich bei der Polizei wichtigmachen zu können.

»Was könnte es für ein Motiv für einen Mord geben? Hatte er Streit mit Freunden oder Nachbarn? Viel zu holen war bei einem armen Studenten doch bestimmt nicht?«

Der Commissario sah zu, wie Paolo Grandes Leiche abtransportiert wurde. Was für eine Schande, dass ein junges Leben so zu Ende gegangen war.»Er soll so gut wie nie Besuch gehabt haben«, erklärte Goldini. »Niemand hat einen Streit gehört, die Wohnungstür war unversehrt … entweder hat er seinen Mörder gekannt, oder er hat ihm zumindest vertrauensvoll die Tür geöffnet. Angeblich waren heute Handwerker hier im Haus.«

»Lass das überprüfen. Bis dahin stöbern wir ein bisschen in seiner Familiengeschichte und in seinen Finanzen. Wir nehmen alles mit, was von Belang sein könnte. Dieser Mord war kein Zufall, es muss also einen Auslöser gegeben haben, der den Täter zu diesem brutalen Akt getrieben hat.«

Goldini hielt seinen Kollegen auf, der sich gerade weiter in der Wohnung umsehen wollte.

»Da ist noch etwas. Die Gallerie dell’Accademia hatte einen Anschlag im Museum gemeldet. Jemand, auf den Paolo Grandes Beschreibung passt, hat heute mit einem Messer ein wertvolles Gemälde zerstört. Ich habe keine Ahnung, in welchen Zusammenhang diese Tat mit seiner Ermordung stehen könnte. Warum sollte er so was getan haben? Zumal Grande doch selber Künstler war?«

Brassoni zuckte mit den Schultern.

»Gibt es Bilder von der Überwachungskamera?«

»Ja, natürlich. Wir können uns sie gleich in der Questura anschauen. Die Kollegen vom zuständigen Dezernat haben uns eine Kopie überlassen.«

»Molto bene! Das würde ich mir gerne ansehen. Der Fall scheint interessanter zu sein, als ich dachte!«

Commissario Luca Brassoni nahm den Rest der Wohnung in Augenschein. Sein altes Kinderzimmer hatte der Verstorbene zum Teil zu einer Art Büro umfunktioniert, die andere Hälfte beherbergte fertige Gemälde von eigener Hand, signiert mit dem Kürzel PG.

»Es muss irgendwo ein Atelier geben, in dem Paolo seine Bilder angefertigt hat«, rief er Goldini zu. »Der Junge war wirklich begabt. Ich habe zwar nicht viel Ahnung von Kunst, aber diese Werke könnten mir auch gefallen.«

Er nahm eins der Bilder vorsichtig in die Hand. Es zeigte einen Sonnenuntergang vor der Lagune. Grande hatte sich offensichtlich hauptsächlich für Landschaften begeistert. Personen sah man auf keinem der Gemälde.

»Sein Stil erinnert mich an den Impressionismus, Monet und so weiter …«, fügte Goldini nachdenklich hinzu, der leise ins Zimmer getreten war.

»Stimmt, ein Fiasko, dass er so früh aus dem Leben gerissen wurde. Bestimmt wäre er sehr erfolgreich geworden.«

»Laut der Nachbarin hat er wohl immer mal wieder Bilder in Galerien ausgestellt und auch einige verkauft. Inzwischen sei er auch international gefragt gewesen, das habe er ihr vor ein paar Tagen ziemlich stolz erzählt. Aber er hatte wohl kein Geld, um ins Ausland zu reisen.«

»Was ist eigentlich mit seinem Vater? Lebt der noch?«, wollte Brassoni wissen.

»Darüber habe ich keinerlei Auskünfte. Die Mutter und der Sohn haben hier alleine gewohnt«, antwortete Goldini.

»Andere Verwandte?«

»Eine Tante in Castello, eine Schwester der Mutter. Sonst niemand.«

Brassoni nickte.

»Gut. Ihr sollten wir alsbald einen Besuch abstatten. Ich will mehr über die Familie wissen. Außerdem muss Grande doch irgendwelche Freunde gehabt haben, Kommilitonen von der Uni zum Beispiel.«

»Aber hier in Venedig kann er nicht studiert haben«, stellte Goldini fest. »Diesen Studiengang gibt es hier nicht.«

Brassoni blätterte derweil in den Unterlagen auf dem Schreibtisch des Mordopfers.

»Schau mal, Nuova Accademia Di Belle Arti, Milano. Er hat einen Bachelor in Malerei und visueller Kunst.«

Der junge Commissario betrachtete neugierig das Schriftstück.

»Sage ich doch. Das kann nicht ganz billig gewesen sein. Soweit ich weiß, sind die Studiengebühren dort sehr hoch. Ein ehemaliger Schulkollege von Sarah hatte sich vor einiger Zeit für eine Einschreibung interessiert.«

Brassoni sah seinen Kollegen verblüfft an.

»Was du nicht alles weißt! Dann frage ich mich, wie Paolo Grande sein Studium finanziert hat. Seine Mutter und er scheinen nicht gerade wohlhabend gewesen zu sein.«

Brassoni wies auf die abgenutzten Möbel und die sich stellenweise lösende Tapete.

»Wo du gerade davon sprichst, wie geht es Sarah eigentlich?«, fragte er mit einem Seitenblick auf den Kollegen. Sarah war Juristin und Goldinis Dauerverlobte, aber die Beziehung kriselte hin und wieder gewaltig.

»Gut«, antwortete Goldini einsilbig und wandte sich sogleich ab. Er schien sich bei dem Thema unwohl zu fühlen.

»Sollen wir nicht mal langsam zurück in die Questura? Ich würde mir gerne das Überwachungsvideo und die restlichen Unterlagen ansehen«, fragte er daher.

»Du hast es aber eilig«, meinte Brassoni und zog die Augenbrauen hoch. »Normalerweise bist du doch derjenige, der sich Zeit lässt mit den Untersuchungen am Tatort. Aber ich glaube, hier gibt es im Moment wirklich nichts mehr zu entdecken. Warten wir ab, was die Kollegen von der Spurensicherung gefunden haben. Ich werfe noch einen Blick ins Bad und in die Küche.«

Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, war er auch schon im nächsten Raum verschwunden. Die Küche war ebenso einfach eingerichtet wie der Rest der Wohnung. Außerdem sah es so aus, als hätte Paolo Skrupel gehabt, nach dem Tod seiner Mutter aufzuräumen. Es wirkte exakt so, als käme sie jeden Moment durch die Tür und rührte in ihrer Minestrone. Die Schürze lag über der Spüle, daneben beschriftete Marmeladengläser, eine Lesebrille und eine alte Damenuhr.

Im Bad war es nicht anders. Brassoni ging zurück zu Goldini.

»Ich habe nichts Außergewöhnliches entdeckt. Mit den Nachbarn werden wir uns zu einem späteren Zeitpunkt noch ausführlicher unterhalten. Vielleicht hat jemand ja doch mehr beobachtet, oder es fällt ihm noch etwas ein.«

Dies war erst der Anfang einer schwierigen Ermittlungsarbeit, die die gesamte Questura auf Trab halten sollte.

Kapitel 3

In der Questura fühlte sich alles nach einem Umbruch an. Seit Roberto Morandi, der Vice Questore, aus Krankheitsgründen einen längeren, unbefristeten Genesungsurlaub (so nannte man sein Fortbleiben unter der Hand) genommen hatte, wehte ein neuer Wind.

Patrizia Bertuzzi, klein, kräftig, aber mit einem gesunden Selbstbewusstsein gesegnet, füllte ihre neue Stelle mit viel Elan und fast überbordender Motivation aus. Meist trug sie Hosenanzüge, ihre halblangen schwarzen Haare waren immer kunstvoll hochgesteckt. Brassoni schätzte sie auf Ende dreißig, was ihm ein komisches Gefühl gab, denn er hatte noch nie einen Vorgesetzten gehabt, der jünger war als er. Aber er musste zugeben, dass Bertuzzi dafür gesorgt hatte, dass auch die lethargischsten Mitarbeiter inzwischen diensteifrig bei der Sache waren. Man musste immer damit rechnen, dass die neue Chefin eine Runde durchs Haus machte und nach dem neuesten Stand der Dinge fragte.

Mit Maria Grazia Malafante, der kapriziösen Chefsekretärin, die vor längerer Zeit auch einmal Luca Brassonis Geliebte gewesen war, verstand Bertuzzi sich zur Überraschung aller prächtig. Der neuen Dienststellenleiterin schien es nichts auszumachen, dass die Chefsekretärin hin und wieder den Ton angab, und sie teilte augenscheinlich sogar deren Affinität zu Mode. Außerdem hatte sie schnell bemerkt, wie intelligent ihre Mitarbeiterin war, und verließ sich voll und ganz auf ihre Fähigkeiten. Maria Grazia teilte sich ihre Stelle zurzeit noch mit einer anderen Kollegin, da sie eine kleine Tochter hatte und deshalb weniger arbeiten wollte. Jetzt, am späten Nachmittag, war das Sekretariat nicht mehr besetzt. Brassoni betrachtete den leeren Schreibtisch mit Wehmut, denn Maria Grazia hatte ein Händchen für Recherchen, also würden sie bis morgen früh warten müssen, um ihre Hilfe in Anspruch nehmen zu können.

»Luca, hier hinein!«, hörte er Maurizio Goldini rufen. Der Kollege winkte ihn in den Besprechungsraum, wo Nunzio Sposato, der Leiter der Kriminaltechnik, bereits auf die beiden wartete.

»Ciao Luca, hat die Neue dich aus dem Urlaub geholt?«, frotzelte der smarte Tatortexperte und schüttelte dem Commissario die Hand.

»Tja, sie hat eben erkannt, dass ich unentbehrlich bin«, gab Brassoni mit leicht sarkastischem Unterton zurück.

»Mach dir nichts draus.« Sposato rückte seine Brille zurecht. »Ich wollte morgen eigentlich auch freihaben, weil mein Neffe Geburtstag feiert, aber Bertuzzi hat mir den Tag gleich gestrichen. Die laufenden Ermittlungen gehen vor. Sie legt viel Wert darauf, Venedig zur sichersten und saubersten Stadt in ganz Italien zu machen. Am liebsten hätte sie jeden Fall innerhalb von vierundzwanzig Stunden gelöst, denke ich.«

Brassoni zuckte mit den Schultern und nahm vor dem Laptop Platz, auf dem die Überwachungsszenen aus dem Museum abgespeichert waren. Sposato drückte auf die Starttaste, und sogleich ging es los. Ganz ruhig verfolgten die drei Männer die Szenen, die sich vor dem Gemälde Tintorettos abspielten.

Zum Glück war die Kamera in einer Ecke seitlich neben dem Bild angebracht worden, sodass man Grande sehr gut erkennen konnte.

»Das ist doch ganz eindeutig unser späteres Mordopfer«, rief der Commissario erschüttert aus, nachdem sie sich das Ganze angeschaut hatten. »Welchen Grund könnte der junge Mann gehabt haben, das Porträt Jacopo Soranzos zu zerstören?«

»Vielleicht war er psychisch krank?«, mutmaßte Goldini. »Wir wissen noch zu wenig über diesen Studenten. Normal ist so eine Attacke sicher nicht, zumal er als studierter Künstler um den Wert eines solchen Bildes wusste. Was er getan hat, hat er mit voller Absicht gemacht. Wenn du mich fragst, steckt eine Menge Zorn hinter dem Angriff!«

Brassoni nickte zustimmend.

»Könnte jemand aus dem Museum ihn verfolgt und aus Rache umgebracht haben?«, warf Sposato ein.

»Dio mio, das wäre das erste Mal, dass ein Wachmann oder ein Museumsangestellter einen flüchtigen Täter in seiner Wohnung ermordet. Was für eine Tragödie!« Brassoni hob die Hände zum Himmel. »Nein, nein, das wäre zu weit hergeholt. Das Gemälde wird doch versichert sein, und soweit ich weiß, hat sich die Spur Grandes nach seiner Attacke verloren. Auf dem Messer werden sich seine Fingerabdrücke befinden. Habt ihr auch bemerkt, dass er bei den Messerstichen auf das Porträt immer das gleiche Wort mit den Lippen formuliert hat. Das war eindeutig, auch wenn kein Ton dabei ist. Nunzio, kannst du den Film noch mal in Zeitlupe laufen lassen?«

Sposato spulte zurück zum Anfang und ließ die Bilder in Zeitlupe ablaufen.

»Da!«

Brassoni wies mit dem Zeigefinger auf den Bildschirm. Sposato spulte noch einmal zurück, und alle drei starrten gebannt auf Grandes Lippen.

»Das heißt doch Mörder, wenn du mich fragst«, meinte Goldini und sah seinen Kollegen an.

»Genau. Das denke ich auch. Doch warum nennt er diesen Mann, der schon mehrere Jahrhunderte nicht mehr lebt, einen Mörder?«

»Eine Übertragung? Soranzo wird kaum als Geist in Venedig sein Unwesen treiben.«

»Oder er hat in einer seiner Vorlesungen das Gemälde besprochen, darüber eine Klausur geschrieben und ein Ungenügend von seinem Professor erhalten. Wenn er sich ungerecht behandelt gefühlt hat … Vielleicht fühlte er sich nicht genug anerkannt. Dazu der Tod seiner Mutter … Für manche Menschen reichen solche Dinge, um eines Tages auszurasten.«

»Was auch immer der Grund war, wir werden es herausfinden. Der Fall scheint sehr facettenreich und tiefgründig zu sein. Ich hoffe die paar Tage bis zu meinem Urlaub reichen für die wichtigsten Ermittlungen aus!«

Brassoni stand auf und trat ans Fenster. Nach dem ersten Ärger über seinen überraschenden Einsatz war er jetzt Feuer und Flamme. Seine Stimmung wechselte gerade zwischen Schuldgefühl und Euphorie. Er wusste, wie sehr Carla sich auf den Urlaub freute, und er hoffte, sie würde ihm sein Engagement nicht übelnehmen. Wenn er sich richtig reinhängte, könnte er den Fall vielleicht bis zum Ende der Woche klären.

Der Commissario drehte auf dem Absatz um, verabschiedete sich wortlos von den beiden Kollegen, ging zu seinem Büro und setzte seine neue Espressomaschine in Gang. Ein Schlückchen Kaffee würde ihm dabei helfen, seine grauen Zellen in Schwung zu bringen. Die Urlaubstage, die er jetzt verlor, konnte er schließlich hinten wieder anhängen. Mit einem zischenden Geräusch floss die heiße schwarze Flüssigkeit in seine Tasse. Brassoni strich sich über seine blank polierte Glatze und trank den Espresso in einem Zug aus. Fast hätte er sich die Zunge dabei verbrannt.

Er seufzte und griff zum Telefon. Er musste unbedingt mehr Informationen über Paolo Grande haben. Vielleicht konnte sein Cousin Stefan Mayer, genannt Caruso, ein Journalist, der mittlerweile auch in Venedig lebte, ihn bei den Nachforschungen unterstützen. Caruso war gut vernetzt in der Lagunenstadt, er kannte jeden, der halbwegs wichtig war, und er würde bestimmt etwas über das Mordopfer herausfinden, wozu die Polizei meist viel länger brauchte.

»Ciao, Caruso, come stai, wie geht es dir?«, eröffnete Brassoni das Telefongespräch.

»Danke, bestens, mein Lieber! Womit kann ich dir helfen? Brauchst du Unterstützung bei einem neuen Fall?«Der Commissario bekam prompt ein schlechtes Gewissen, weil er sich von seinem Cousin ertappt fühlte.

»Wie kommst du darauf? Warum muss ich immer etwas von dir wollen, wenn ich mich mal bei dir melde?«, fragte er zerknirscht.

»Na hör mal. Du hast Urlaub, rufst mich aber aus der Questura an, und du bist ansonsten nicht gerade Weltmeister im Telefonieren. Da muss doch was im Busch sein, oder täusche ich mich?«

Der Commissario zögerte einen Moment, bevor er antwortete.

»Ja gut, meinetwegen, du hast recht. Wir haben einen Mordfall, der sehr ungewöhnlich ist, denn er scheint mit der Attacke auf das Gemälde im Museum heute Nachmittag zusammenzuhängen. Der junge Mann, der den Anschlag begangen hat, wurde kurz darauf in seiner Wohnung ermordet. Er war selber ein halbwegs bekannter Künstler, Paolo Grande war sein Name. Vielleicht hast du schon mal von ihm gehört und kannst mir ein paar Hinweise auf Auffälligkeiten in seinem Lebenslauf geben. Hin und wieder gab es Artikel über ihn in der Presse. Wir stehen noch ganz am Anfang der Ermittlungen.«

Stefan Mayer alias Caruso murmelte unschlüssig in den Hörer.

»Hm, Luca, ich weiß nicht recht, seit Patrizia Bertuzzi bei euch am Start ist, hat sich vieles geändert. Du musst auf jeden Fall ihre Erlaubnis einholen, wenn ich dir helfen soll. Ich will nicht, dass sie uns beide am Ende die Ohren langzieht und dich suspendiert. Du weißt, dass sie den Datenschutz und die Verschwiegenheitspflicht, denen ihr unterliegt, sehr ernst nimmt. Da, wo Roberto Morandi mal ein Auge zugedrückt hat, steht sie mit dem Gesetzbuch.«

Der Journalist machte eine Pause. Brassoni fing an zu schwitzen. Ohne Carusos Hilfe würde er viel länger für die Recherchen brauchen.

»Caruso, ich stehe unter Druck. Ich musste ganz plötzlich einspringen, und ich würde gerne schnell vorankommen. Wenn ich dir verspreche, mir das Okay von der neuen Chefin zu holen, besorgst du mir dann Informationen? Ganz offiziell?«

Caruso grinste amüsiert in den Hörer.

»So verzweifelt kenne ich dich gar nicht. Ist es nicht eher Carla, die dir Druck macht wegen des Urlaubs? Aber keine Sorge, ich tue, was ich kann. Der Name Paolo Grande ist mir nicht unbekannt, ich glaube, ich habe in einer Ausstellung junger Künstler im letzten Jahr ein paar Bilder von ihm gesehen. Melde dich bei mir, wenn Bertuzzi zugestimmt hat. Und jetzt muss ich noch einen Reisebericht schreiben. Ciao, Luca!«

Mit einem Anflug von Erleichterung legte der Commissario den Hörer auf die Station. Auf Stefan war Verlass. Heute würde er selber nicht mehr viel erreichen, aber vielleicht könnte er mit der einzigen Verwandten der Familie Grande, der Tante, schon einmal telefonieren oder sie sogar noch aufsuchen. Wenn sie ein gutes Verhältnis zu ihrer Schwester und ihrem Neffen gehabt hatte, würden ihre Aussagen Aufschluss über Paolos Motiv und seine Ermordung geben können. Sie war bereits von einem dafür extra geschulten Kollegen der Polizia di Stato über den Tod des jungen Mannes informiert worden. Brassoni war immer froh, wenn er diese Aufgabe nicht übernehmen musste.

Zum Glück trat gerade eben Maurizio Goldini in sein Büro, der sämtliche Adressen und Notizen in der Akte mit sich herumtrug.

»Was war eben los, Luca? Du bist so schnell verschwunden.«Der Commissario winkte kopfschüttelnd ab.

»Gar nichts, ich musste nur kurz in Ruhe über alles nachdenken, die ersten Informationen verdauen und sortieren. Ich würde gerne heute noch mit Grandes Tante sprechen, hast du ihre Telefonnummer und Adresse?«

Goldini, dessen Jeanshemd halb aus der Hose hing, blätterte müde und kraftlos in seinen Unterlagen.

»Hier, da steht alles, was wir bisher wissen.«

Er überreichte Brassoni die Akte.

»Was ist los mit dir, Mauro? Willst du mir nicht erzählen was dir zu schaffen macht? Du siehst erschöpft aus.«

»Jetzt nicht, Luca. Ich muss erst mal selber meine Situation in den Griff bekommen.«

Brassoni zog eine Augenbraue in die Höhe. So kannte er seinen Kollegen gar nicht.

»In Ordnung, wie du möchtest. Dann wollen wir mal sehen, was die Dame uns erzählen kann.«