Venus Muscheln - Rieke van Houden - E-Book

Venus Muscheln E-Book

Rieke van Houden

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  • Herausgeber: neobooks
  • Kategorie: Erotik
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2021
Beschreibung

Melinda freut sich auf ihren Aufenthalt an der Küste. Sie hofft, neben der Arbeit, dort auch Erholung zu finden. Was als ruhige Auszeit vom quirligen Stadtleben geplant war, entpuppt sich als aufregendes Abenteuer. Melinda entdeckt ihre Liebe zu Frauen. Zunächst ist sie verwirrt und schämt sie sich dafür. Eigentlich liebt sie Piet, ihren Freund. Andererseits macht ihr der Sex mit einer Frau auch richtig viel Spaß.

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Seitenzahl: 187

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Rieke van Houden

Venus Muscheln

Für Frauen, die Frauen mögen

 

 

 

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Inhaltsverzeichnis

Melinda

Ines

Ruby

Impressum neobooks

Inhaltsverzeichnis

Rieke van Houden

Venus Muscheln

Für Frauen, die Frauen lieben

Melinda

Es war Juli. Ich war gerade 24 Jahre alt geworden und arbeitete als Volontärin bei einer Amsterdamer Zeitung.

Zu der Zeit waren mein Leben und meine Ansichten darüber noch simpel. Es gab Gut und es gab Böse. Es gab schwarz und es gab weiß. Für mich gab es Freunde und es gab Nicht-Freunde.

Genauso einfach verhielt es sich meiner Ansicht nach mit der Liebe. Es gab die Männer und es gab uns Frauen. Männer lieben Frauen und Frauen lieben Männer. Sie haben Sex miteinander. Punkt, aus, fertig.

Nie und nimmer hätte ich bis zu diesem Sommer gedacht, dass eine Lesbe in mir schlummerte und nur darauf wartete, wachgeküsst zu werden. Aber genau das sollte bald geschehen. In diesem besagten Sommer kostete ich meine erste Venus Muschel, und - ich kam auf den Geschmack. Muschis lecken machte mir auf einmal genauso viel, wenn nicht noch mehr Spaß, wie Schwänze lutschen. Es war anders - anders gut. Ich empfand es zunehmend als erfreuliche Bereicherung meines Sexlebens.

In diesem Sommer begann sich dadurch mein gesamtes, so schön einfaches Bild vom Leben, vielmehr von der Liebe, zu verändern. Ich begann ihre Vielfalt zu entdecken.

Damals schickte mich der Redaktionsleiter meiner Zeitung für eine Woche nach Zeeuws-Vlaanderen – an die Küste von See Flandern an der Nordsee. Ich sollte einen Bericht über das Ferienleben am Strand schreiben.

Mir wurde aufgetragen, am Strandabschnitt zwischen Cadzand und Nieuwvliet über dieses Thema meine Recherchen zu betreiben. Die Gegend war genau richtig für mein Vorhaben. Viele Urlauber kommen dorthin. Das Klima ist gut, das Meer ist sauber und die breiten, feinsandigen Strände laden zum Verweilen ein. Die perfekten Voraussetzungen für Erholung und Spaß.

Ich wurde von meinem Chef in einem Hotel einquartiert, das unmittelbar an ein Ferienresort angrenzte. Er kannte es noch aus seinen früheren Reisen und meinte, das wäre standesgemäß – was zumindest seine Zeitung betraf, die ich ja schließlich repräsentierten, würde. Tatsächlich hatte er mir nicht zu viel versprochen. Mit so viel Komfort hatte ich ehrlich gesagt zumindest für mich, einer jungen Volontärin, die sich erst noch ihre Sporen verdienen musste, nicht gerechnet. Mein Chef erwies sich als überraschend großzügig.

Für diese Gegend, in der es sonst fast nur Campingplätze und Ferienhäuschen gab, war das Hotel schon wirklich etwas Besonderes. Es war mit vier Sternen plus ausgezeichnet und somit quasi upperclass. Die Übernachtungen mit Frühstück waren vom Preis her allerdings auch upperclass. Aber egal, mir sollte es Recht sein -der Verlag zahlte schließlich diesen Luxus. Um ehrlich zu sein, genoss ich meinen Aufenthalt ohne schlechtes Gewissen. Ich fand es toll dort.

Im Hotel gab es einen Swimmingpool, eine Sauna, zwei Whirlpools, ein nobles Restaurant und eine vortreffliche Piano Bar, in der jeden Abend ein Pianist dezent auf einem Flügel sein Repertoire zum Besten gab. Die Bar hatte es mir besonders angetan. Zum einen waren es die wunderbaren Cocktails, die der Keeper vorzüglich mixte, zum anderen aber noch vielmehr das angenehme Ambiente. Beides, gepaart mit der musikalischen Untermalung, ließen mein Herz höherschlagen. Es lag ein Hauch Verruchtheit in der Luft. Das mag vielleicht auch an der Gestaltung des Interieurs gelegen haben. In der Mitte des Raums stand das Herzstück - die Bar. Sie wurde wegen ihres ungewöhnlichen Aussehens auch Ufo genannt. Ihr Tresen war länglich oval geformt und in seiner modernen Art erinnerte sie mich an die Bar aus der Serie „Raumschiff Orion“, einer gleichnamigen Science-Fiction Serie aus den 1960ger Jahren. An den Seitenwänden des Raums gab es einige lauschige Séparées. Sie boten den Gästen die Möglichkeit vertraulicher miteinander zu sein, ohne den Blicken der anderen Gäste ausgesetzt zu sein. Diese Nischen, es waren insgesamt sieben Stück, waren sehr geschmackvoll eingerichtet. Im Gegensatz zum Ufo, hatte man hier den Eindruck, man wäre in die Zeit von Sissi oder Josefine Mutzenbacher zurückversetzt worden. Denn im Gegensatz zum klaren, futuristischen Style der Bar, waren diese Nischen üppig, beinahe überladen, ausstaffiert.

Mir gefielen die kleinen Besonderheiten, die mir wie aus einer anderen Zeit vorkamen. Da waren zum Beispiel die kleinen Tischchen aus poliertem Mahagoniholz. Sie standen jeweils rechts und links neben einem, mit purpurnem Samt bezogenen, Sofa. Das Sofa selbst war außergewöhnlich geformt. Es ähnelte einer Kidney Bohne. Das hatte den Vorteil, dass zwei Personen dort nebeneinandersitzen konnten und trotzdem einander zugewandt miteinander reden oder flirten konnten. Auf jeden Fall sah man einander ohne Mühen in die Augen – bei was auch immer man machte. Jeder Tisch hatte auf seiner Mitte ein Deckchen aus goldfarbenem Brokat liegen. Auf einem davon stand ein Telefon. Es war kein modernes Telefon mit Tastatur und Display - nein, es war so eins wie früher, mit einer Wählscheibe. So ein kastenförmiger Apparat mit einem knochenförmigen Handteil in dem sich am oberen Ende der Hörer und am unteren Ende die Sprechmuschel befand. Das Gehäuse des Telefons war mit einer smaragdgrünen Samthusse umkleidet. Nur die Wählscheibe war ausgespart. Neben dem Telefon lag die Getränkekarte. Wenn man einen Getränkewunsch hatte, konnte man über dieses Telefon dem Barkeeper eine Bestellung durchgeben. Wenig später wurden die Getränke dann ans Séparée gebracht. Auf dem anderen Tisch stand ein Leuchter mit einem massiven, ziselierten Fuß aus glänzendem Messing. In ihm spiegelte sich dezent die indirekte Beleuchtung des Raums wider. Über dem Sofa war an der Decke eine mit Blättern und Blüten verzierte Rosette aus Stuck angebracht. Mittig entsprang dem Bouquet eine Kette aus glänzenden Messinggliedern, die am Ende einen glitzernden Kristallleuchter hielt. Obwohl jedes Teil für sich sehr schwülstig daherkam, wirkte es in Kombination miteinander einfach nur edel - selbst jetzt in der digitalen Zeit.

Der Architekt des Hotels musste damals bei der Planung des Hotels ein besonderes Augenmerk auf diesen Bereich gelegt haben. Ich vermutete er hatte sich selbst dabei im Blick, denn die Anfertigung, besonders der Séparées, schien mir ziemlich individuell.

Tatsächlich erzählte mir der Keeper eines Abends, dass dies tatsächlich so gewesen sei. Der Architekt hatte nicht nur Bezahlung in Form von Geld vom Bauherrn, sondern auch eine lebenslange, kostenfreie Nutzung des Hotels erhalten.

Davon machte er wohl auch reichlich Gebrauch, wie mir der Barmann zuflüsterte.

Mir gefiel es in der Bar – vor allem auch, weil es hier anders war als Draußen. Vor dem Eingang zur Bar hörte man die Geräusche des Hotelgeschehens: geschäftiges Treiben in der Lobby und an der Rezeption oder, wenn die große Eingangstür zum Hotel sich öffnete, die hektischen Beats der Leute, die zum Strand gingen oder von dorther zurückkamen. Sobald man aber die Bar betrat, wurde es ruhig. Man befand sich sofort in einer ganz anderen Welt. Hier war es elegant, gedämpft und anmutig, mit einer Prise Erotik gewürzt. Ich entdeckte diese Welt für mich – jeden Tag ein bisschen mehr. Bisher kannte ich nur das quirlige Leben in Amsterdam, die schrillen Clubs und die lauten Kneipen. Klar, die machten mir auch Spaß. Dort konnte man bei einem Bierchen Leute treffen, lachen, tanzen, das Leben genießen. Doch diese Bar, in diesem Hotel, neben einem stink normalen Ferienresort, die hatte etwas ganz Besonderes, etwas das mich magisch umfing. Hier fühlte ich mich auf seltsame Weise heimisch. Ich fühlte mich wie zu Hause angekommen, ohne dass ich jemals hier gewesen war. Das hier war eine ganz andere Liga. Ich spürte, hier spielte meine Liga. Welche auch immer das sein mochte.

Damals, bei meinem ersten Besuch, hatte ich noch keine Ahnung, was das für mich bedeuten sollte. Damals war ich Melinda, die junge Volontärin einer Zeitung in Amsterdam. Melinda, die bisher wenig von der Liebe erfahren hatte. Melinda, die dachte, dass nur Männer sie glücklich machen würden. Doch ehrlich gesagt, hatten die Jungs mich niemals zu meiner vollen Zufriedenheit glücklich machen können. Selbst der Sex mit Piet, meinem Freund, den ich zurzeit hatte, war auch nicht gerade das, was ich mir erhoffte. Piet war zwar gut gebaut und hatte einen ordentlichen Freudenspender. Doch mir war er irgendwie nicht genug. Er bereitete mir meist zu wenig Freude. Etwas fehlte. Seit ich mich für Sex interessierte war meine Vorstellung davon, dass es ein Feuerwerk geben müsse, ein Feuerwerk der Ekstase, ein Funkenflug, wenn der Orgasmus mich explodieren ließ. Die wenigen Male allerdings, in denen ich einen Orgasmus hatte, kamen bisher an meinen Wunsch nicht einmal annähernd heran. Leider war es jedes Mal enttäuschend gewesen. Piets Schwanz konnte mich leider nicht zufrieden stellen. Er besorgte es mir nicht wirklich. Sein Riemen drang zwar mächtig tief in mich ein und dehnte ordentlich meine Muschi, doch letztendlich wollte es mir bei ihm nur ab und zu kommen – und dann bestenfalls mit leichtem Glimmen, was bei weitem nichts mit Feuerwerk zu tun hat. In mir keimte immer stärker die Vermutung, mit mir sei was nicht in Ordnung. Denn meine Freundinnen gingen, zumindest nach ihren eigenen Aussagen, jedes Mal ab wie eine Rakete, wenn ein dicker Lümmel sie fickte. Da konnte ich nicht mitreden, leider. Noch kein Schwanz konnte mir ein solches Vergnügen auch nur annähernd verschaffen. Dennoch ließ ich Piet gewähren und spielte einfach mit. Wahrscheinlich, so dachte ich zumindest zu diesem Zeitpunkt, gehörte sich das so. Es war ja auch nicht unangenehm – eher ganz nett. Und der Sex mit Piet hatte auch seine Vorteile: Ich wusste immer, was als nächstes geschehen würde. Das machte ihn in gewisser Weise entspannt. Mit Piet war der Sex immer berechenbar, unaufgeregt und brav. Aber wie gesagt, es fehlte etwas, vielleicht sogar mehreres. Heute weiß ich es besser: Es fehlte mir unter anderem die richtige Atmosphäre, wenn wir es miteinander machten. Ich glaube, ein bisschen Verruchtheit hätte unserem Liebesleben ganz gutgetan. Der Sex mit Piet war hell und klar – beinahe steril. Wir hätten es auch im Labor treiben können. Das hätte wahrscheinlich keinen Unterschied gemacht und sich genauso angefühlt. Wer weiß, vielleicht hätte ich mehr Gefallen an der Sache gefunden, wenn das Drumherum gepasst hätte. Allerdings wäre Piet trotzdem immer noch nur ein Kerl mit einem drängelnden, aufdringlichen Penis geblieben. Sei´s drum. Irgendetwas fehlte mir und ich konnte es bis dahin nicht genau benennen.

Als ich die Bar des Hotels zum ersten Mal betrat, wusste ich sofort, es war genau diese Stimmung, die ich haben wollte. Es war genau dieser Hauch von Verruchtheit und erotischer Atmosphäre. Das entsprach wohl insgeheim eher meiner Vorstellung. Mich wunderte allerdings, dass in diese Stimmung kein Kerl hineinpasste. Irgendwie passte kein Mann, selbst Piet nicht in dieses Bild, in mein Bild. Das war seltsam. Ich konnte mir eher vorstellen, mit einer Freundin hier zu sitzen und einen Cocktail mit ihr zu trinken als mit meinem Freund. Aber gut, zunächst klammerte ich diesen seltsamen Gedanken einfach aus und dachte nicht weiter über diese Vorstellung nach.

Ich wollte meinen Aufenthalt an der Nordseeküste von See Flandern genießen. Ich war fest entschlossen meine Arbeit und mein Vergnügen miteinander zu verbinden. Dazu sollte sich auch tatsächlich reichlich Gelegenheit bieten.

Zunächst wollte ich das Hotel und die Gegend erkunden. Ich wollte wissen, wo ich überhaupt war.

Nachdem ich mein Zimmer bezogen hatte, orientierte ich mich im Haus. Mein Zimmer, das übrigens sehr geräumig und komfortabel war, lag in der obersten Etage. Es besaß einen kleinen Balkon, von dem aus ich knapp über die Dünen hinweg aufs Meer blicken konnte.

Mit dem Fahrstuhl konnte ich bequem in die anderen Etagen gelangen. In den zwei Etagen unter mir befanden sich ausschließlich weitere Gästezimmer. Ich muss zugeben, ich war froh, als ich entdeckte, dass es keine Familienzimmer im Hotel gab. So wurde ich vom

üblichen Familienchaos verschont.

Ich fuhr mit dem Fahrstuhl ins Erdgeschoss. Hier befand sich natürlich die Rezeption und eine moderne Lobby. Hinter diesem Bereich führte ein Gang zur Bar. Er war recht breit. Es konnten gut zwei Paare aneinander vorbeilaufen, ohne dass jemand ausweichen musste. Der Boden war mit einem dicken Teppich ausgelegt. Es ließ sich angenehm weich auf ihm laufen. Mir fiel überaus angenehm auf, dass dieser Teppich die Geräusche des geschäftigen Treibens an der Rezeption und die Lärmkulisse von draußen, die ab und zu durch die offenstehende Türe des Entrees ins Innere drang, stark dämpfte. Man kam aus der Lobby, betrat den Gang und sofort war es ruhig. Lediglich dumpfe Töne drangen hierher durch. Abends wurde diese angenehme Ruhe von dezenter Musik aus der Bar untermalt. Die Besucher wurden von den Klängen des Pianos stilvoll empfangen. Als Gast tauchte man hier in einen Ort abseits des normalen Lebens ein. Es war eine andere Welt. Eine distinguierte Welt. Eine Welt in der Menschen zusammenkamen, die gute Drinks und gute Musik zu schätzen wissen und die wissen, dass man zu solch einem Ort nicht in Strandkleidung geht. Zum Glück galt ein verbindlicher Dresscode im Hotel. Schon an der Rezeption wurde mit einem Schild darauf hingewiesen, dass kurze Hosen und Badelatschen sowohl im Restaurant als auch in der Bar unerwünscht sind. Mir gefiel das sehr.

Legerer, aber deshalb nicht weniger exklusiv, ging es im Spa Bereich zu. Als Hotelgast bekam ich beim Einchecken die Keycard zu meinem Zimmer. Diese Karte ermöglichte es mir auch mit dem Fahrstuhl in den unteren Bereich zu gelangen. Dort gab es einen recht ordentlichen Swimmingpool, der sogar eine Direktverbindung zu einem Außenpool hatte. Er lag mitten in einer gepflegten Gartenanlage. Wenn man wollte, konnte man von drinnen nach draußen und wieder zurückschwimmen. Im Außenbereich gab es zudem noch zwei Whirlpools und einige Liegestühle. Alles konnten die Hotelgäste ungestört nutzen. Der ganze Bereich war gut vor den Blicken neugieriger Urlauber, die nicht im Hotel wohnten, versteckt. Eine mit Pflanzen begrünte, hohe Mauer umgab das gesamte Areal und vereitelte jede Bemühung, hier hineinzulauern. Das war auch gut so, denn unmittelbar neben der Anlage verlief der offizielle Weg zum Strand für Jedermann. Ich glaube, viele hätten gerne einen Blick auf die schöne Urlaubswelt der vermeintlich Reichen geworfen.

Nachdem ich mich im Hotel umgeschaut hatte, zog ich mich für meinen ersten Strandbesuch um und ging nach draußen, um zu sehen, was es hier zu entdecken gab.

Als ich durch die Lüftungsschranke des Haupteingangs schritt, schlug mir sofort die heiße Luft des Sommers entgegen. Erst jetzt fiel mir auf, dass das gesamte Innere des Hotels aufs Angenehmste temperiert war. Die Konstrukteure hatten die Klimaanlage so geschickt entworfen, dass mir, als Gast, während des Aufenthalts überhaupt nicht in den Sinn kam, dass die Raumluft künstlich geregelt wurde. Erst jetzt, wo ich beim Verlassen die Stufen des Hotels hinabging, bemerkte ich den ungeheuren Unterschied zwischen Drinnen und Draußen.

Es muss so gegen Mittag gewesen sein, als ich mich auf den Weg zu meiner ersten Erkundungstour machte.

Im Draußen umfing mich neben der heißen Hochsommerluft auch das pralle Leben der Ferienzeit. Es roch nach Sonnencreme, überhitztem Asphalt und wenn man genau hin roch, ein wenig nach Meer.

Unten an den Stufen blieb ich einen Moment stehen. Von der einen Seite strömten Männer, Frauen und Kinder aus der Feriensiedlung in Richtung Strand. Einige trugen zusammengerollte Liegematten unter ihren Armen, andere schleppten Kühlboxen mit sich herum. Sie schienen schwer zu sein. Wahrscheinlich waren sie bis oben hin mit kühlen Getränken und Boterhams, den typisch niederländischen Stullen gefüllt. Viele Kinder hielten bunte Eimerchen, Schäufelchen, Bälle oder Köcher zum Fangen von kleinen Krebsen, die bei Ebbe zwischen den Poldern in den Prielen dümpelten, in ihren Händen. Andere Trupps zogen gleich einen Bollerwagen hinter sich her. Das Wägelchen transportierte das ganze Gedöns für einen Tag am Strand. Aus der Gegenrichtung kamen ähnliche Gruppierungen vom Strand zurück und gingen ziemlich entkräftet zu ihren Ferienhäusern. Viele von ihnen hatten wegen der großen Hitze hochrote Köpfe. Der Marsch vom kühleren Strand, wo laut Urlaubsführer fast immer eine wunderbar erfrischende Brise blies, über die heißen Sanddünen, hinter denen sich landwärts die Hitze der Mittagssonne brutal staute, hatte sie scheinbar viel Kraft gekostet.

Ich blieb noch einen weiteren Moment unten an den Stufen des Hotels stehen. Um ehrlich zu sein, betrachtete ich etwas unmotiviert die Menschen, die unablässig an mir vorbeiliefen. Eigentlich verspürte ich keine Lust mich der Hitze auszusetzen. Am liebsten hätte ich mich umgedreht, wäre sofort wieder ins angenehm temperierte Hotel gegangen und hätte mir einen kühlen Cocktail an der Bar gegönnt. Aber ich musste es tun. Schließlich lautete mein Auftrag, die Leute in ihrem Urlaub am Strand zu interviewen. Zudem war ich mit meinem Flatterkleid, den Bambuslatschen an meinen Füßen und meinem großen Strohhut auf dem Kopf nicht gerade passend für einen Besuch an der Bar gekleidet. Mit einem kleinen Aufnahmegerät für die Interviews bewaffnet nahm ich meine Tasche und reihte mich entschlossen in den Tross der Menschen ein, die zum Strand unterwegs waren.

Nach wenigen Metern überquerte ich eine kleine Zufahrtsstraße, die das Ferienresort vom Strandbereich trennte. Eben noch lief ich über einen gepflasterten Weg, ein Stück geteerte Straße und nun durch kleine Sandverwehungen, die der Wind hinter die Dünen auf den eigentlich plattierten Steinweg zum Meer geweht hatte. Ich spürte die heißen Sandkörnchen an meinen nackten Füßen und war froh, dass meine Fußsohlen durch meine Bambusschläppchen vor der Gluthitze des Untergrunds geschützt waren. Ich kam mir vor wie im Backofen. Jetzt konnte ich verstehen, warum die Leute, die vom Strand kamen, so erhitzt waren und ihre Köpfe zu glühen schienen. Wie gut, dass ich mich entschlossen hatte, meinen großen Strohhut aufzusetzen. Der schützte mich zumindest ein wenig vor der unerbittlich strahlenden Mittagssonne.

Nach einem kurzen Fußmarsch hinter den Dünen, erreichte ich mit dem Trupp Gleichgesinnter eine Treppe, die recht steil über die Dünen führte. Während die Strandbesucher, die ohne Bollerwagen unterwegs waren, die Stufen erklommen, marschierten diejenigen mit Transportkarre weiter. Etwas später fand ich heraus, dass weiter hinten ein Dünenweg zum Strand führte auf dem man bequem, ohne Stufen, seine Sachen mit dem Karren zum Strand bringen konnte. Über diesen Weg wurden auch die typischen Strandpavillons mit frischer Ware beliefert. An diesem Küstenabschnitt gab es vier von ihnen. Zwischen Cadzand und Nieuwvliet waren sie in regelmäßigen Abständen errichtet worden, um die Besucher mit Getränken, Eis, Snacks und kleinen Speisen zu versorgen. Außerdem gab es dort saubere Toiletten. Das fand ich persönlich sehr wichtig. Als Stadtmensch war ich es gewohnt, dass es beinahe an jeder Ecke die Möglichkeit gab, ein WC aufzusuchen. Zuvor hatte ich mir ehrlich gesagt schon ein wenig Sorgen darum gemacht, was ich am Strand machen würde, wenn ich mal müsste. Löcher buddeln und hinein damit?! Igitt, das wollte ich mir erst gar nicht vorstellen. Umso erleichterter war ich, als ich diese Bauten auf Pfählen in den Dünen erblickte.

Der Weg nach oben stellte sich beschwerlicher heraus als ich dachte. Die Stufen der Holztreppe waren in ungewohnt weitem Abstand zueinander. Außerdem waren sie zum Teil knöcheltief mit Sand zugeschüttet, der vom Wind und Füßen angetrieben, permanent von den Sanddünen auf die Treppe rieselte. Das Geländer an der Seite, dass uns Strandgängern Halt geben sollte, falls einer mal strauchelte, machte mir keinen besonders soliden Eindruck. Zum einen sah es ziemlich wackelig aus, zum anderen war das Holz unbehandelt. Man konnte sich leicht einen Splitter in Hand und Finger einziehen, wenn man sich daran festhielt. Der Aufgang wurde zu allem Überfluss durch diverse Strandbesucher erschwert, die auf dem Rückweg waren. Ankommende wie Heimkehrer drängten mit ihrem Strandequipment, samt der kastigen Kühltaschen eng aneinander vorbei. Dadurch geriet der Tross der Pilger sowohl in die eine als auch in die andere Richtung oft ins Stocken. Nichtsdestotrotz, und das wunderte mich, blieben alle sehr gelassen. Ich hörte weder

Murren noch ungeduldiges Quengeln.

Nach etwa zwanzig Stufen war ich oben angekommen. Ich blieb stehen, trat aber einen Schritt beiseite, um die Nachfolgenden an mir vorbeiziehen zulassen. Ich wollte den Moment auskosten, an dem ich zum ersten Mal die Nordsee vor mir sah. Hier oben auf der Düne war es angenehm kühler als noch kurz zuvor auf Landseite. Der Wind vom Meer blies die Hitze der Mittagsglut einfach weg. Er streichelte meine Haut und ließ einen wohligen Schauer über meinen Körper laufen. So wie der Wind das Gras auf der Düne bewegte, pustete er auch meine Haare ordentlich durch. Meine rotblonden Locken wehten von der einen Seite meines Kopfes zur anderen Seite. Zum Glück hatte ich meinen Hut vorsorglich abgesetzt und hielt ihn in meinen Händen. Die steife Brise hätte ihn mir bestimmt vom Kopf geweht.

Es war herrlich dort oben im Wind und in der Sonne zu stehen, auf die sanften Wellen der Nordsee zu sehen und die salzig, würzige Meeresluft zu atmen.

Ich beobachtete, wie die Wellen zum Strand rollten und jedes Mal mehr Sand unter sich begruben, bevor sich das Wasser wieder zurückzog. Es muss einsetzende Flut gewesen sein, schloss ich daraus.

Über mir kreischten einige Möwen. Vom Strand her drangen die Geräusche der Badegäste zu mir herauf. Lachen, Jauchzen und einige Wortfetzen wurden vom Wind zu mir heraufgetragen.

Ich setzte meinen Sonnenhut auf, legte eine Hand oben auf meinen Kopf, um ihn zu halten und stieg, vom kühlenden Wind begleitet, die letzten Stufen zum Strand hinab.

Ines

Die Treppe, die von der Düne zum Strand führte, endete unvermittelt. Ich befand mich auf einem kleinen Plateau aus Pflastersteinen.

Erneut blieb ich einen Moment stehen und schaute aufs Meer. Der Strand lag nur noch wenige Meter unterhalb. Ich stand gleichauf mit dem Dach eines Strandpavillons, das unmittelbar an meiner linken Seite aufragte. Ein Stückchen weiter rechts von mir, erblickte ich eine Hütte der Strandwacht. Zwischen beiden Gebäuden, eigentlich handelte es sich vielmehr um solide gebaute Pfahlbauten, führte das letzte Stückchen Weg hinab zum Strand. Ab dem Plateau, auf dem ich stand, gab es nur noch Sand. Von hier aus war der Weg unbefestigt.

Es roch nach Poffertjes, jenen leckeren in Fett gebackenen kleinen Küchlein aus Pfannkuchenteig und nach Frietjes, den holländischen Pommes Frites. Der Geruch aus der Frituur überdeckte hier, zwischen den Hütten, den würzig, salzigen Duft des Meeres. Ich musste weiter gehen. Ich wollte zum Meer, zu seinem Strand. Ich wollte seinen Duft riechen, das Rauschen der Brandung hören, die Farbe des Wassers sehen, den Sand beim Laufen zwischen meinen Zehen spüren, eben alles mit all meinen Sinnen aufnehmen. Da störten die fettigen Duftschwaden, die der Strandpavillon verbreitete, gewaltig. Erst viel später, als ich schon wieder einige Zeit in Amsterdam war, bemerkte ich, dass genau diese Mischung aus Frituur Geruch und dann wieder Meeresluft auch den Reiz eines Strandurlaubs ausmachte. Jedes Mal, wenn ich Freunden von meinem Aufenthalt an der Küste von See Flandern erzählte, erinnerte ich mich auch an diese Gerüche, die sich abwechselten, je nachdem, in welchem Abschnitt des Strands ich mich gerade befand. Wie es so oft im Leben ist: Die Vielfalt macht´s.