Verführerische Abgründe - Yvi Lips - E-Book
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Verführerische Abgründe E-Book

Yvi Lips

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Beschreibung

»Solange wir auf den fertigen Vertrag warten, würde ich mir gern etwas genauer anschauen, was ich gerade durch den Handel bekommen habe. Zieh dich aus.« Leonard Herzbach – erfolgreiche Marketingmogul – querschnittgelähmt Nie hätte Leonard damit gerechnet, in eine solche Situation zu kommen. Nach einem schweren Autounfall ist er plötzlich nicht mehr gut genug. Nicht für seine Verlobte Lisa und auch nicht für seinen Vater, der ihm die Geschäftsführung von Mogula entzieht. Doch er ist bereit, für sein Recht, seinen Erfolg und seine Firma zu kämpfen und zu beweisen, dass er trotz Rollstuhl alles erreichen kann. Maria Müller – kunstbegeisterte Kassiererin – jüngere Schwester von Lisa Entsetzt hält sie die Kündigung ihres Vaters in den Händen. Ihr ist klar, dass Leonard wegen Lisas Verrat jeglichen Kontakt zu ihrer Familie abbrechen will. Aber ohne diesen Job bei Mogula würde ihr Vater erneut jeglichen Halt verlieren. Sie fleht Leonard an, seine Entscheidung zu überdenken. Doch mit seiner Bedingung hat sie nicht gerechnet. Ist sie bereit, ihren Körper für sechs Monate seinem eiskalten Kalkül zu unterwerfen, obwohl ihr Herz eigentlich seine Liebe will?

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Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Epilog

Yvi Lips

Verführerische Abgründe

Sein erster Schritt

Yvi Lips

Verführerische Abgründe

Sein erster Schritt

ELYSION-BOOKS TASCHENBUCH

1. Auflage: April 2024

VOLLSTÄNDIGE TASCHENBUCHAUSGABE

ORIGINALAUSGABE

© 2024 BY ELYSION BOOKS, LEIPZIG

ALL RIGHTS RESERVED

UMSCHLAGGESTALTUNG:

Ulrike Grabowski

PRINTED IN GERMANY

Buch ISBN 978-3-96000-305-2

ebook ISBN 978-3-96000-306-9

www.Elysion-Books.com

Kapitel 1

»Ich werde diesen Krüppel nicht heiraten!«

»Lisa, er kann dich hören. Wir sollten in Ruhe darüber reden. Überlege doch, was du nicht nur ihm damit antust. Du liebst ihn doch.«

»Pah, Liebe. Er hat mir ein Leben geboten, wie ich es immer wollte. Partys, Shopping in jeder Metropole und Urlaube mit der High Society. Aber was soll ich denn jetzt mit ihm anfangen? Er kann ja nicht mal alleine aufs Klo gehen. Soll ich ihn etwa pflegen? Niemals! Dazu bin ich zu jung. Ich will mein Leben genießen.«

Ich höre Lisas Pfennigabsätze über den Linoleumboden klappern. Habe ich mich wirklich so sehr in ihr getäuscht? Ist sie so berechnend? Nur einen Tag vor dem Unfall sind wir aus Mailand gekommen. Sie war glücklich und hat mir während des Flugs nicht nur gesagt, sondern auch gezeigt wie sehr sie mich liebt. Nie wäre ich auf die Idee gekommen, dass sie das nur wegen der teuren Tasche und diesen dummen High Heels mit den roten Sohlen gemacht hat. Lisa ist alles für mich. Stopp! Sie war alles für mich. Jetzt hinterlässt sie Leere, die jedes Gefühl von Liebe in Schmerz verwandelt. Ich habe ihr die Welt zu Füßen gelegt. Und jetzt lässt sie mich einfach sitzen? Ich bin ihr vollkommen egal. Das zeigt sie in beeindruckender Weise, weil sie weiß, dass ich höre, wie sie über mich redet. Ich fühle mich so elend. Sie hat mich weggeworfen wie eine alte Handtasche. Bin ich denn wirklich nichts mehr wert?

Ich schlage auf die Matratze des Krankenhausbettes. Mein Kiefer verkrampft sich aus Wut und Verzweiflung. Verdammtes Herz! Nie wieder werde ich einer Frau vertrauen. So wie Lisa mich mit einem ordentlichen Fick in der Privatmaschine für Schuhe und die Tasche bezahlt hat, konnte ich mir doch jede Frau kaufen. Bei denen weiß ich wenigstens, was ich von ihnen erwarten kann. Ich habe Geld, wer braucht da Gefühle.

»Das kann sie doch nicht machen? Sie lässt Leonard im Stich, obwohl er gerade jetzt ihre Hilfe braucht?« Ich höre Marias Stimme vor meiner Zimmertür. Kann sie nicht einfach den Mund halten? Ich brauche auch das nicht. Wer will schon Hilfe? Die kann ich mir kaufen. Ich wollte einen Menschen, der zu mir steht. Jemanden, der mir Mut macht und mit dem ich einen Weg finde, diese beschissene Situation zu akzeptieren. Alles andere kann man kaufen. Schließlich habe ich meine Millionen nicht als Langstreckenläufer gemacht. Ich brauche einen Schreibtisch, ein Büro und gute IT. Und wenn ich durch diesen dummen Unfall in eine Tüte pissen muss, dann ist es eben so. Ich werde Personal finden, die mir auch dabei behilflich sind.

Solange ich Geld habe, stehen mir auch als Krüppel die Türen der Welt offen. Außerdem kann ich so auch noch die Behindertenabgabe für die Firma sparen. Wie geil ist das denn?

Ich merke nicht, wie mir die Tränen über die Wangen laufen, wie ich schluchze und meine Hände sich in die Laken klammern.

Ich bin Leonard Herzbach, Geschäftsführer der Werbeagentur Mogula. Niemand kann mir das Wasser reichen. Ich bin stark und unabhängig, frei und kreativ.

... und verdammt verloren!

Nein, hör auf so einen Mist zu denken. Du bist ein Mann und die Frauen liegen dir zu Füßen.

... Füße, auf denen du nicht mehr gehen kannst!

Ich brülle wütend auf. »Halts Maul!«, schreie ich, so laut ich kann. »Halts Maul! Halts Maul! Halts Maul!«

»Leonard? Was ist denn los?« Maria steht mit aufgerissenen Augen neben mir. Meine Wut steigt ins Unermessliche, als ich in ihrem entsetzten Gesicht Lisas wunderschöne türkisgrüne Augen sehe. Augen, die mich noch vor wenigen Tagen lustverhangen angeschaut haben. Diese Augen sind das Tor zur Hölle. Sie haben mich in ihren Bann gezogen, nur um mir im nächsten Moment den Dolch in den Rücken zu stoßen. Ich will sie nicht mehr sehen. Keinem aus dieser Familie will ich je wieder begegnen.

Meine Hände ballen sich zu Fäusten. Will sich dieser Backfisch auch noch über den Krüppel lustig machen? Kommt sie an mein Bett, um mich mit ihrem übermäßigen Wohlwollen zu verhöhnen.

»Verschwinde.« Dieses Wort kommt als Knurren aus meinem Mund. Soll sie doch Angst haben. Ich werde jedem das Fürchten lehren, der mich unterschätzt, der mich nur auf meine Gehfähigkeit reduziert.

Party und Urlaub. Ich bin eine wandelnde Geldbörse für Lisa gewesen. Vielleicht bin ich ja auch selbst schuld. Ich habe sie einfach zu sehr verwöhnt, ihr jeden Wunsch von den Augen abgelesen. Türkisfarbenen Augen.

Und das ist ihre Dankbarkeit. Mit dem Unfall ist ihre vermeintliche Liebe einfach so verpufft.

»Ich werde nicht verschwinden.«

»Willst du mich auch ficken, damit du eine neue Handtasche bekommst? Da muss ich dich leider enttäuschen, Schätzchen. Ich habe gerade einen Schlauch in meinem Schwanz, damit ich mich nicht anpisse. Und wirst du geil?«

»Das bist nicht du, Leonard. Wie kannst du so etwas sagen?« Ich schließe die Augen, als sich meine Matratze bewegt. Sie setzt sich doch tatsächlich auf mein Bett. Es reicht! Ich will allein sein. Mein Oberkörper protestiert, als ich mich zu ihr umdrehe. Das Korsett drückt hart auf die Prellungen.

»Was ist so schwer, daran zu verstehen, dass du gehen sollst. Nimm deinen Vater mit. Ihr bekommt kein Geld von mir. Du brauchst weder zu betteln, noch mir meine Windeln zu wechseln. Auch mein Urinbeutel ist noch nicht voll. Für was könntest du sonst nützlich sein?«

Ihre Augen werden immer größer. »Aber Leonard ...«

»Halt deine Klappe und geh endlich. Ich bin mit eurer Familie fertig. Wag dich nicht mehr hierher.«

Langsam steht sie auf. Ihre Finger zucken in meine Richtung. Will sie noch immer nicht aufgeben? Aber dann verschränkt sie ihre Hände vor der Brust. »Ich will dir nur sagen, dass ich nicht so denke wie meine Schwester. Sie hat kein Recht, so über dich zu reden.«

»Du hast gesagt, was du sagen wolltest. Da hinten ist die Tür.«

Sie steht noch immer mit hängenden Schultern da und knetet ihre Hände.

Was muss ich noch tun, um endlich meine Ruhe zu haben?

»Raus!« Meine Stimme überschlägt sich beinahe.

Maria dreht auf dem Absatz um und rennt aus dem Zimmer. Bevor die Tür ins Schloss fällt, höre ich noch ihr Schluchzen. Warum heult sie? Hat sie etwas anderes erwartet? Denkt sie, ich falle auf die Nächste aus der Familie herein?

Lisa ist weg, dann holt sich die kleine Schwester ihren Anteil vom Dukatenesel? Sie sind doch alle gleich. Als wenn ich so dumm bin, erneut einer Frau auch nur so weit zu trauen, wie ich spucken kann. Soll sie sich doch einen anderen Idioten zum Ausnehmen suchen. Ich werde in Zukunft Gegenleistungen einfordern, die jede geldgierige Schlampe an ihre Grenzen bringt. Der Krüppel soll Feiern finanzieren und mit Champagnerflaschen um sich werfen? Dann kann die Dame der Nacht auch dafür leiden. So leiden, wie ich jetzt. Verraten und wertlos!

Ich schlage auf mein Kissen, presse es mir auf den Mund und schreie meinen Frust heraus, bis ich heiser bin. Leonard Herzbach ist ein Krüppel! Ein Behinderter! Was soll ich nur machen? Ich will keine Pfleger oder Pflegerinnen, die mir mein Leben lang den Urinbeutel wechseln. Ich bin ein erfolgreicher Geschäftsmann und stehe mit beiden Beinen im Leben. Ein sarkastisches Schnauben kommt über meine Lippen. Mit beiden Beinen im Leben stehen, was für eine beschissene Metapher.

Meine Hände tasten nach der Fernbedienung fürs Bett. Ich schiebe mich in eine sitzende Position und schlage die Decke weg. Da sind sie, diese nutzlosen Dinger, die mir der Unfall vom Rest meines Körpers abgetrennt hat. Sie liegen da, auf dem weißen Laken, als sei nichts geschehen. Ich muss sie einfach nur über die Bettkante schwingen und hier herauslaufen. Zurück in mein Leben. Ich streich über meine Oberschenkel. Es fühlt sich an, als würden meine Handflächen über haariges Pergament fahren. In meinen Beinen kommt die Berührung nicht an. Frustriert presse ich die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. Die Wut steigt wieder in mir auf, siedend heiß und brennend. Das Leben ist ein Scheiß Verräter!? Verdammt!

»Warum ich?« Mit Fäusten schlage ich auf meine nutzlosen Beine ein, schreie sie an, schreie Lisa an, schreie die ganze Welt an.

Eine Schwester stürmt ins Zimmer. Diese Dame scheint so routiniert zu sein, dass sie nicht mal das Wort an mich richtet. Ich bin eine Nummer mit einer Diagnose, menschlich nicht mehr vorhanden, da der Behandlungsstatus im Vordergrund steht. Auf meiner Akte steht geschrieben: Nervenleitfähigkeit irreversibel eingeschränkt. Mein roter Stempel, der mich nun mein ganzes Leben lang begleiten wird, irreversibel eingeschränkt. Ein Mensch mit Handicap. Ein Behinderter. Oder wie Lisa schon wundervoll geschrien hat, ein Krüppel.

Die Schwester zieht eine Spritze aus ihrer Tasche und injiziert eine klare Flüssigkeit in meinen Infusionsbeutel. Dabei nuschelt sie etwas von, zur Ruhe kommen und psychologischer Betreuung. Sie hat gut Reden. Das einzige Problem, das sie mit ihren Beinen hat, ist die Cellulite, die ihre weiße Hose ausbeult.

Kapitel 2

Zwei Wochen später kann ich schon das erste Projektmeeting ansetzen. Ich habe noch immer Schmerzen durch die Prellungen am Oberkörper und das Korsett zur Stabilisierung meines Rückens bringt mich um, aber das soll mich nicht aufhalten. Ich will endlich raus aus dem Krankenhausbett und mein Leben wieder aufnehmen. Auch wenn die Ärzte protestieren, unterschreibe ich den Wisch, dass ich auf eigene Gefahr hin das Krankenhaus verlasse. Tom hilft mir in den Rollstuhl und wir fahren gemeinsam in seinem Familyvan zu Mogula.

»Hast du dir das Ding gekauft, weil ihr noch mehr von deiner Sorte in die Welt setzen wollt?«

Tom zuckt mit den Schultern. »Leila ist ein Sonnenschein. Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen, als ihr Vater zu sein, und mit der richtigen Frau ist das Familienleben eine echte Bereicherung.«

Seine Worte versetzen mir erneut einen Schlag. Die richtige Frau. Er glaubt daran, dass es sowas geben kann. Tom ist ein Träumer. Nina ist jetzt noch wundervoll. Solange er in seine Rolle passt. Vater, Liebhaber, Versorger. Aber wie würde sie reagieren, wenn er das nicht mehr könnte?

»Wir fahren in drei Monaten in den ersten Urlaub mit Leila. Ich bin so gespannt, wie sie auf das Meer reagiert. Sie liebt Wasser.« Tom plappert von seiner heilen Welt und ich starre aus dem Fenster, um den Neid abzuschütteln, der an mir hochkriecht. Ich wollte auch eine Familie mit Lisa gründen. Sie war zwar immer skeptisch gewesen, weil sie ihre Figur durch die Schwangerschaft nicht ruinieren wollte, aber wir hätten einen Weg gefunden. Ich schüttle den Kopf, um diese Gedanken loszuwerden. Sie sind längst nicht mehr wichtig. Es wird keine Kinder mit türkisfarbenen Augen geben, die mich nach der Arbeit zuhause begrüßen. Ich habe nur noch Mogula. In dieses Baby werde ich meine Zeit und Mühen investieren, damit das Unternehmen noch mehr wachsen kann. Lange genug habe ich die Firma führungslos gelassen. Wenn ich wieder arbeiten kann, werde ich mich schneller erholen. Ich liebe meinen Job und gemeinsames Brainstorming mit meinem Team hat mich schon immer von allen Sorgen abgelenkt.

Wie falsch ich doch gelegen habe. Diese Sitzung ist ein einziges Desaster.

»Ich brauche einen Werbespot, der die Generation Z anspricht.« Ich starre Mayer, unseren Marketingexperten wütend an. »Mit rosa Plüschhasen bekommen Sie heute keine Zwanzigjährige mehr vom Sofa. Wir müssen die jungen Singlefrauen erreichen. Wenn sie einmal mit einem Waschmittel zufrieden sind, dann werden sie für den Rest ihres elenden Daseins nicht mehr wechseln. Egal, ob sie die vollgekotzten Strampler oder die Socken ihres übergewichtigen Fabrikarbeiters waschen.«

Ich rolle hinter meinem Platz an der Stirnseite hervor und halte auf Mayer zu. »Und was denken Sie, mit welchem Produkt eben dieser Fabrikarbeiter wäscht, wenn seine Frau bemerkt, dass sie sich mehr vom Leben wünscht und ihn von heute auf morgen verlässt?«

Ich hebe die Augenbrauen und warte auf eine Antwort. Aber Mayer schaut mich nur erschrocken an. Es macht keinen Sinn, weiter auf ihn einzureden. Er ist so unsicher im Umgang mit mir, dass er seinen Schneid verloren hat, genauso wie alle anderen. Selbst in der Firma versuchen sie mich in Watte zu packen. Nur kein ernstes Gespräch, keine Diskussion. Es könnte den Chef an sein Trauma erinnern. Er könnte zusammenbrechen unter der Last seines schrecklichen Schicksals. So ein Bullshit! Dabei habe ich die Streitgespräche mit Mayer immer als Höhepunkt meines Tages erlebt. Er ist normalerweise einer meiner fähigsten Mitarbeiter, immer mit mir auf Augenhöhe und dieser blöde Rollstuhl hat ihn zu einem Duckmäuser mutieren lassen.

Ich starre ihn an, warte auf irgendetwas. Er sinkt immer weiter in sich zusammen.

»Darf ich Ihnen einen Kaffee bringen? Dann können Sie uns ihr Konzept noch genauer vorstellen, Herr Herzbach.« Xenia, meine Sekretärin legt ihre Hände auf die Knie und beugt sich zu mir vor. Was bin ich? Ein Kleinkind, dem man erklären muss, dass es jetzt keinen Lolly haben kann? Ich koche innerlich. Meine Hände ballen sich zu Fäusten. Wie gern würde ich ihr die Überheblichkeit aus dem Gesicht wischen. Mir fehlen nur die Nervenblitze in den Beinen. Mein Kopf ist völlig intakt. Der Kopf, der diese Firma aufgebaut und zu ihrem Erfolg geführt hat. Warum nimmt mich denn nur niemand mehr ernst?

Ich besinne mich auf meine Stellung, ignoriere Xenia und rolle zurück auf meinen Platz. Alle sehen mich an, als sei ich eine tickende Zeitbombe und sie haben Recht. Ich bin kurz davor, die Fassung zu verlieren. Ist es denn so schwer, mich zu behandeln, wie sie es noch vor einem Monat getan haben? Zwei auf der Intensivstation und zwei Wochen ohne die ganzen Schläuche, länger haben sie nicht gebraucht, um mich mit einem Stempel zu versehen.

»Xenia, bring jedem einen Kaffee, der einen haben will. Und jetzt reden wir über die Kampagne, ansonsten suche ich mir Mitarbeiter, die mit einem sitzenden Chef umgehen können.«

Zwei Stunden später sehe ich aus dem bodentiefen Fenster in meinem Penthousebüro und bin erschöpft. Das war die schwerste Sitzung meines Lebens gewesen. Hätte ich meinem Team einen waschenden Nudisten als Hauptdarsteller in dem Clip vorgestellt, hätten sie diese Idee auch noch gelobt. Jeder behandelt mich wie ein rohes Ei und gefährdet damit die Firma.

Ich lasse den Blick über die Geschäftsgebäude schweifen. Viele Büros sind hell erleuchtet und ich sehe die Angestellten geschäftig durch die Zimmer eilen. Auch auf den Straßen unter mir muss alles schnell gehen. Die Ampelphasen reichen geradeso aus, dass die Businesspeople von einer Straßenseite zur anderen hetzen können, bevor die Fahrzeuge in allen Abstufungen von Grau und Beige, sich wieder in Bewegung setzen. München ist eine schnelle Stadt. Sie hängt Menschen gnadenlos ab, die der Geschwindigkeit nicht standhalten. Anscheinend sehen mich selbst die Menschen, denen ich ihren Wohlstand garantiert habe, nicht mehr auf der Überholspur, sondern mit einem Defekt auf dem Pannenstreifen. Haben sie Recht?

Ich kann nicht mehr durch die Büros rennen und mir schnell Antworten oder neue Pitches abholen, während ich den Kunden am Telefon habe. Auch die Grünphasen der Ampeln reichen für mich nicht mehr aus. Noch bin ich zu unbeholfen im Umgang mit meinem fahrbaren Untersatz. Aber ist das ein Grund aufzugeben?

»Herr Herzbach, ihr Vater möchte sie sprechen.« Die Stimme von Xenia reißt mich aus meinen Gedanken.

»Ja, stell ihn durch.«

»Nein, er ist hier.«

Erschrocken fahre ich zu meinem Schreibtisch herum und starre auf das rote Licht der Sprechanlage. Mein Vater kommt nie hierher. Er brüstet sich immer damit, dass Mogula das einzige seiner Unternehmen ist, um das er sich keine Sorgen machen muss und es deshalb nur zu den Firmenfeiern aufsucht. Was macht er jetzt hier?

»Herr Herzbach? Möchten Sie ihren Vater empfangen?«

Ich schüttle die böse Vorahnung ab. »Natürlich Xenia, schicken Sie ihn herein.«

Ich habe noch nicht ganz ausgesprochen, da wird schon die Tür aufgerissen und kracht scheppernd gegen den Türstopper. Wäre dieses Stück Gummi nicht gewesen, hätte mein Vater sicherlich ein Loch in den Putz geschlagen. So ist mein Vater, energisch und stets mit einer Prise Aggressivität in seiner Aura. Als Kind habe ich mich bei ihm immer gefühlt wie ein Reh im Angesicht eines Wolfes. Ich durfte keine Schwäche zeigen, sonst wäre ich verloren gewesen. Noch heute verberge ich meine Gefühle hinter einer Maske aus Gleichgültigkeit, wenn er in meiner Nähe ist. Genau wie jetzt.

Ich straffe die Schultern und richte meinen Rücken kerzengerade auf. Meine angeknacksten Rippen protestieren, aber ich ignoriere sie. Es ist schon schlimm genug, dass ich nicht auf Augenhöhe mit ihm sein kann.

»Nimm Platz, Vater. Was führt dich zu mir?« Natürlich setzt er sich nicht, genießt den Vorteil, dass er von oben auf mich herabsehen kann. Innerlich fluche ich, aber nach Außen gebe ich mich gelassen und lehne mich zurück. Wie gern würde ich die Füße auf meinen Schreibtisch legen, um ihm zu zeigen, dass er mich nicht einschüchtern kann. Leider bin ich nicht mehr in der Lage mit einer solchen Respektlosigkeit aufzuwarten.

»Ich habe nicht viel Zeit, Junge.«

Ich runzle die Stirn, wegen dieser unpassenden Anrede. Junge? Hat er mich jemals Junge genannt?

»Der Vorstand hat eine Entscheidung bezüglich der Geschäftsführung von Mogula gefällt.«

Ich beuge mich nach vorn und starre ihm in die Augen. Das hat nichts anderes zu bedeuten, als dass er eine Entscheidung gefällt hat. »Wir setzen Benedikt als zweiten Geschäftsführer ein. Er ...«

Ich lasse ihn nicht aussprechen. »Das kann nicht dein Ernst sein. Dieser Idiot hat bereits zwei deiner Unternehmen gegen die Wand gefahren und jetzt willst du ihn auf Mogula loslassen? Das ist meine Firma. Ich habe sie groß gemacht.«

»... und jetzt sitzt du im Rollstuhl und brauchst Unterstützung.«

Ich kralle mich an der Tischkante fest. »Wie kommst du denn auf diese Idee? Ich kann nicht laufen. Nicht mehr und nicht weniger. Wie soll das denn meine Arbeit beeinflussen?«

Jetzt setzt sich mein Vater doch. »Wie willst du denn so zu Presseterminen, zu Geschäftsessen, zu Promo-Events? Du hast ja nicht mal eine Begleiterin. Lisa ist abgehauen, weil sie dich für schwach hält und genau das werden auch unsere Geschäftspartner denken. Benedikt kann dich bei all diesen Terminen vertreten und du kannst weiterhin der Kopf der Firma bleiben.«

»Wie oberflächlich kann man sein, Vater? Schämst du dich dafür, dass ich im Rollstuhl sitze? Deshalb bin ich nicht mehr der geeignete Sohn, der im Namen der Firma in die Kameras winken kann?«

Er verdreht genervt die Augen. »Jetzt tu doch nicht so. Noch vor wenigen Wochen hättest du genauso entschieden. Es geht dabei nicht um dich, sondern nur um die Firma!«

»Wenn es dir um die Firma geht, dann gib mir eine Chance zu beweisen, dass ich weiterhin die richtige Wahl für dich sein kann. Gib mir ein halbes Jahr mit meinem Team. Wir gehen in direkte Konkurrenz mit Benedikt. Wer in dieser Zeit den größeren Fisch an Land zieht und mehr Aufmerksamkeit in der Presse einfährt, bekommt den alleinigen Sitz in der Geschäftsführung.« Ich beuge mich vor und verenge die Augen zu Schlitzen. »Teilen liegt mir nicht. Da komme ich ganz nach dir, Vater!«

Unvermittelt lacht er auf, erhebt sich wieder und beginnt im Raum auf- und abzugehen. »Ich mag diesen Durchsetzungswillen, aber ich glaube, dass du dir zu viel zumutest. Benedikt kann dich unterstützen, damit du mehr Zeit für die Reha hast.«

»Benedikt wird alles kaputtmachen, was ich hier erarbeitet habe. Das ist mein Verdienst. Nur wegen meiner Arbeit erhältst du mit diesem Baby Tantiemen in Millionenhöhe. Warum soll ich das jetzt nicht mehr schaffen?«

»Es tut mir leid, es sagen zu müssen, aber niemand will einen Behinderten auf dem roten Teppich sehen, kein Kunde will mit einem Rollstuhlfahrer seinen Geschäftsabschluss feiern. Mir wäre es lieb, wenn du im Hintergrund bleibst und Benedikt die Außenwirkung der Firma übernimmt.«

»Hörst du dich eigentlich selber reden? Was bin ich für dich? Der Krüppel, den man in den Keller sperren muss, wenn Besuch kommt, damit man sich nicht für ihn schämen muss? Verdammt! Ich bin es: Leonard. Der Sohn, der dir die Konten füllt, und du schämst dich für mich?«

»Schau mich nicht so an! Ist es denn so verwunderlich? Nicht mal deine Freundin wollte bei dir bleiben. Jeder wird es wissen, wenn du mit Hostessen bei Festen auftauchst. Alle werden über den defekten Mann tuscheln, der es nicht mal mit Geld schafft, eine Frau zum Bleiben zu bewegen. Wer soll dich denn ernst nehmen?«

Nun brülle ich. Die Ader an meinem Hals pocht, als würde sie gleich platzen. »Ich will mich ernst nehmen. Probiere es doch aus. Was hast du zu verlieren? Gib mir ein verdammtes halbes Jahr. Ich verspreche dir, dass du dich danach bei mir entschuldigen wirst.«

Mein Vater sieht mich mit schiefgelegtem Kopf an. Ich fühle mich wie eine Laborratte. Er schätzt offensichtlich ein, ob er mich aussortieren muss oder es auf einen Verlust ankommen lassen soll.

»Okay, du bekommst ein halbes Jahr. Wer in dieser Zeit mit seinem Team den größeren Fisch an Land zieht, bekommt den alleinigen Geschäftsführungsposten. Ich richte euch beiden das gleich Budget ein. Macht was draus. So lange übernehme ich die Verwaltung der Bestandskunden und die Leitung der allgemeinen Prozesse. Benedikt und du, ihr seid beide für die nächsten sechs Monate Projektmanager. Nicht mehr und nicht weniger.«

Ich schlucke schwer. Mit diesen Worten hat mein Vater mir die Firma abgenommen. Ich bin raus, bis ich mich bewähre. Als ob ich das in den letzten fünf Jahren nicht oft genug getan hätte.

»Ich gehe jetzt. Such dir dein Team zusammen. Es ist nicht viel Zeit. Den Vertrag findest du morgen früh auf deinem neuen Schreibtisch in der Projektleitung. Ich sage Xenia Bescheid, dass sie ab Montag für mich arbeitet. Bis dahin solltest du umgezogen sein.«

Bevor ich antworten kann, fällt die Tür ins Schloss und ich starre auf das Türblatt. Wie hat diese Verhandlung so in die Hose gehen können? Ich beuge mich nach vorn und stütze den Kopf in die Hände. Zwei Säulen meines Lebens sind schon weggebrochen. Lisa ist abgehauen und an ein ausschweifendes Leben, wie ich es bisher gelebt habe, ist nicht mehr zu denken. Ich habe nur noch meine Arbeit, meine Firma, mein Können. Sollte ich mir das auch noch nehmen lassen? Wer wäre ich dann noch? Ich muss kämpfen, auch wenn die ganze Welt sich gegen mich verschworen hat. Aber jetzt schreit alles in mir nach Flucht. Die Wände meines Büros wollen mich zerquetschen. Ich muss hier raus!

Heine Hand zittert, als ich den Knopf der Gegensprechanlage betätige. »Xenia, ich brauche einen Fahrer zum La Fajette.«

»In Ordnung, Herr Herzbach. Sie werden in zehn Minuten vor dem Eingang abgeholt.«

»Sagen Sie Tom Bescheid. Er begleitet mich.«

»Sofort.« Xenia unterbricht die Verbindung und ich werfe mir meinen Mantel über. Tom, Alkohol und die Mädchen dieses Stripschuppens. Das ist es, was ich jetzt brauche. Einfach Mal abschalten. Morgen werde ich mir einen Plan zurechtlegen.

Kapitel 3

Tom wartet schon im Foyer. Natürlich ist er schneller als ich. Früher habe ich auch die Treppe genommen. Zwei Stufen gleichzeitig. Heute quäle ich mich mit dem verfluchten Rollstuhl in den Aufzug. Jemand muss der Hausverwaltung sagen, dass die Musik in dem verspiegelten Kasten zum Selbstmord einlädt, besonders, wenn der Passagier seinen defekten Körper von allen Seiten präsentiert bekommt. Langsam lasse ich die Luft aus meinen Lungen entweichen. Du kannst es jetzt nicht ändern. Freue dich auf einen schönen Abend mit deinem besten Freund.

»Hey, du Verrückter. Als Xen mir gesagt hat, dass du unbedingt eine Auszeit im La Fajette brauchst, wollte ich es ihr nicht glauben. Dieser Schuppen? Fahr doch lieber in die Reha? Du bekommst ein paar Wochen im Bayerischen Wald von Papa Staat finanziert?«

»Wenn ich Urlaub machen will, dann zahle ich ihn selbst. Der Bayerische Wald hat wenig Vielversprechendes für mich zu bieten. Ich stehe nicht so sehr auf Kühe und Schweine.« Ich rolle Richtung Ausgang. »Heute bist du meine Reha. Ich brauche unbedingt Ablenkung, sonst töte ich noch jemanden.«

»Oh Mann, da werde ich wohl alle scharfen Gegenstände vor dir in Sicherheit bringen müssen, damit meine Überreste morgen nicht aus der Isar gefischt werden.«

»Du bist witzig. Wie soll ich dich denn ans Isarufer transportieren?«

»Keine Ahnung. Aber du bist Leonard Herzbach. Dir fällt immer etwas ein.« Tom grinst mich an. Seine Gegenwart tut mir gut. Ich weiß, er wird mich nie wie einen Krüppel behandeln. Die Oberflächlichkeit gehört zu den Speichelleckern meines Vaters und die gilt es ab morgen auszusortieren, wenn ich mir mein Team zusammenstelle mit dem ich Vater und Benedikt den Wind aus den Segeln nehme. Schlimm genug, dass ich mich schon wieder beweisen muss. Als wenn ich ihnen nicht schon während der letzten fünf Jahre die Taschen bis oben hin mit Geld vollgeschaufelt hätte.

Draußen parkt der Firmenwagen direkt vor dem Eingang. Ich weiß, es wird schwer werden, einigermaßen würdevoll einzusteigen. Tom öffnet die Tür. »Brauchst du Hilfe?«

Allein diese Frage ... Aber er meint es ja gut. Tom kann ich vertrauen. »Ich schaff das schon. Halt einfach die Tür fest.«

Ich rolle so nah wie möglich heran und haue die Bremse rein. Fußstützen hochklappen, linke Lehne runter. Ich stütze mich ab und schiebe meinen Hintern in die Limousine. Anschließend ziehe ich meine Beine hinterher. Das hat doch super geklappt. In meiner Fantasie bin ich unzählige Male abgerutscht und auf den Bordstein geknallt, aber nichts davon ist passiert. Stolz schaue ich auf. Tom hebt den Daumen und bringt den Rollstuhl zum Kofferraum. Mein Blick fällt auf zwei junge Mädchen aus der Buchhaltung, die vor dem Gebäude stehen und immer wieder die Köpfe zusammenstecken. Sie kichern und die Blonde hat dabei nicht einmal den Anstand so zu tun, als würden sie nicht über mich reden. Immer wieder starrt sie zu mir herüber. So ein Miststück. Sie verdankt mir ihren Job. Ich kann mich zwar nicht mehr an ihren Namen erinnern, aber sobald ich wieder die Geschäftsführung innehabe, wird sie die Fristlose erhalten. Mobbing von Behinderten. Damit kann sie es vergessen, jemals wieder in einer renommierten Firma Fuß zu fassen. Ich grinse sie an und weiß, dass meine Augen dabei bösartig funkeln. Diesen Blick habe ich perfektioniert. Entsetzen huscht über ihr Gesicht und sie zieht ihre Freundin schnell mit sich in die Dunkelheit davon.

Tom steigt neben mir ein und wir fahren zum La Fajette. Es ist nicht die nobelste Absteige, aber ich weiß, der Club hat eine Rampe vor dem Eingang. Damit bleibt mir wenigstens etwas Würde.

Tom steuert einen Tisch direkt an der Bühne an. Er stellt einen der opulenten samtgepolsterten Stühle zur Seite und lässt sich selbst in einen anderen fallen. Er lehnt sich zurück und stöhnt. »Das ist eine tolle Idee. Ich muss das jetzt Nina beibringen.« Er zückt sein Telefon und wählt Nina unter »Traumfrau« an. Keine zwei Minuten dauert das Gespräch. »Ich soll dir liebe Grüße sagen und du sollst aufpassen, dass ich ordentlich Hunger habe, wenn ich nach Hause komme.« Er zwinkert mir zu und ich weiß, dass diese Aussage zweideutig ist.

Ich grinse und bestelle uns zwei Bier.

Die erste Tänzerin kommt auf die Bühne. Sie lehnt sich lasziv an die Stange und wartet auf ihren Einsatz. Sobald der Bass der Musik durch mich vibriert, bewegt sie ihren schlanken Körper fast wie eine Schlange. Sie windet sich um die Stange, hält sich nur mit ihren Oberschenkeln an dem glatten Metall fest. Ihre Muskeln sind dabei angespannt, aber ihre roten Lippen lächeln die Kunden verführerisch an. Dabei fällt mir auf, ihr Blick wandert immer über mich hinweg. Sie überspringt mich regelrecht. Den Krüppel will sie nicht anmachen. Ich bin für sie unsichtbar.

Ich bestelle mein zweites Bier. Es ist nur ein Wirbel in mir defekt. Das Ding ist so groß wie ein Golfball und deshalb soll ich nicht mal in einem Schuppen wie diesem noch etwas wert sein? Ich bin hierhergekommen, um die Schmähungen meines Vaters zu vergessen, die Blicke meiner Angestellten. Und jetzt ist es hier das Gleiche?

Ich stürze das Bier in einem Zug herunter und ordere das Nächste.

Die Stimme des Betreibers klingt blechern über die alte Lautsprecheranlage. »Unser heimlicher Star, Natalie, wird euch gehörig einheizen. Viel Spaß dabei.«

Eine wunderschöne Blondine betritt die Bühne. Sie hat einen Bikini an, der wirklich nur das Nötigste bedeckt. Der wenige Stoff funkelt und projiziert Lichtflecken im ganzen Raum. Diese Frau ist ein Edelstein. Viel zu schön für eine Bruchbude wie diese. Ich ziehe ein Bündel Geldscheine aus meiner Hosentasche und halte ihr einen davon hin. Sie kommt auf allen vieren zu mir herübergekrochen. Ihre Brüste wackeln vor meinem Gesicht. Ich stecke ihr den Schein unter das schmale Bändchen, das die beiden Dreiecke zusammenhält. Sie lächelt strahlend, doch dann fällt ihr Blick auf die Räder rechts und links von mir. Ihr Lächeln verrutscht für eine Sekunde. Das reicht, damit ich das Mitleid in ihrem Blick erkenne. Die Bierflasche kracht lauter auf den Tisch, als ich es beabsichtigt habe. Sie zuckt zurück, steht auf und tanzt weiter. Ganz so, als wäre nichts geschehen.

Ich trinke das dritte und vierte Bier, während Natalie weitertanzt. Jetzt vermeidet auch sie, mich anzuschauen. Das werde ich ihr nicht durchgehen lassen. Nicht ihr, wo mein Geldschein noch immer zwischen ihren Brüsten steckt. In meinem Kopf verschwimmt das Gesicht von Natalie mit dem von Lisa. Das Wort Krüppel hallt in meinem Geist. Das Bier macht sich langsam bemerkbar. Damit schwindet auch die Kraft, mich zu beherrschen. Ich winke eine Bedienung heran. »Ich will einen Labdance mit Natalie. «

Sie wirft einen erschrockenen Blick auf mich. »Das kostet einhundert Euro. Natalie ist unsere teuerste Tänzerin.« Fast kommt es mir so vor, als wolle sie mir sagen, dass für mich ja auch eine von den billigen Schätzchen reichen würde, weil ich ja sowieso keinen mehr hochbekomme.

Ich reiße zwei Fünfziger aus dem Bündel und knurre: »Natalie!«

Die Bedienung zieht kurz die Augenbrauen nach oben, nimmt dann aber das Geld und zeigt auf eine Tür links von der Bühne. Ich nicke ihr zu.

»Was dagegen, wenn ich etwas Spaß habe?«

Tom lacht. »Warum sollte ich. Es ist dein Abend.«

Er klopft mir auf die Schulter. Ich rangiere durch die Tischgruppen und komme trotz meines angetrunkenen Kopfes gut durch.

Natalie wartet bereits auf mich. »Du wolltest mich also ganz für dich allein, mein Kleiner? Meinst du, dass du das schaffst?« Sie beginnt, sich zu bewegen. Ihre Hüften schwingen sexy zu der langsamen aber viel zu lauten Musik. Der Raum ist nur wenig beleuchtet.

Ich rolle neben einen Tisch und stelle die Bremse fest.

Natalie kommt zu mir herüber und reibt ihren runden Arsch über meinen Schwanz. Ich warte, dass er sich regt. Früher wäre das Ding schon hart wie Stein gewesen und hätte sich auf seinen Einsatz gefreut. Jetzt regt sich nichts.

Ich werde diesen Krüppel nicht heiraten. Lisas Worte schlagen plötzlich auf mich ein. Ich kralle meine Hände in die Armlehnen.

»Ist alles in Ordnung bei dir? Da scheint wohl ein bisschen mehr defekt zu sein.« Sie kichert.

Was soll das? Ist diese Schlampe lebensmüde? Niemand macht sich über mich lustig. Ich kann es nicht mehr schlucken. Meine Wut bricht aus mir heraus.

Sie sitzt seitlich auf meinem Schoß und schaut mich mit schief gelegtem Kopf an. Ich packe zu. Meine Finger umschließen ihren Hals. Ihren Kopf presse ich an meine Schulter. Ihre Hände krallen sich um meine Handgelenke. Sie röchelt.

»Es gibt keinen Grund, sich über mich lustig zu machen. Ich muss dich nicht ficken können, um dich zum Schreien zu bringen.«

Sie hält ganz still, aber ihre Augen sind panisch aufgerissen. Mit der freien Hand greife ich in meine Tasche und ziehe die Geldrolle hervor. Es müssten noch ungefähr eintausend Euro sein. Ich werfe das Geld auf den Tisch.

»Das wird wohl reichen, damit ich mir deine Angst und Unterwerfung kaufen kann.«

Ihre Augen heften sich an die Rolle. Ihre Pupillen weiten sich. Ich bemerke genau, wann das Geld gewinnt. „Kann ich das als Zustimmung deuten?“

Sie nickt und sofort dränge meine Hand zwischen ihre Beine und ramme drei Finger auf einmal in ihre trockene, enge Fotze. Sie schreit. Ob vor Schmerz oder vor Lust ist mir egal. Meine Hand an ihrem Hals drückt fester zu. Sie soll still sein. Sicherlich bringe ich ihr kein Mitleid entgegen. Nur ihre Selbstgefälligkeit werde ich zerstören. Ich will sie brechen. Ich, Leonard Herzbach, habe Macht. Und auch Lisa wird das noch zu spüren bekommen. Wie von Sinnen ramme ich meine Finger in die wimmernde Frau. Sie windet sich auf mir. Inzwischen ist sie so nass, dass ihr Saft über meine Finger fließt. Gut so! Ich zeige diesem Körper, wie er sich zu unterwerfen hat.

Ich lasse ihren Hals los. Sie schnappt nach Luft. Selbst in dem gedämpften Licht sehe ich die Abdrücke auf ihrer Haut, die mein Griff hinterlassen hat. Ich packe ihre Haare und reiße ihren Kopf nach hinten.

»Bettle, flehe, du Miststück. Ich will es hören.«

»Ich ...«

Sie kann nur noch schreien, als ich sie zwinge ihren Körper so zu verdrehen, dass mein Mund an ihre Nippel gelangt. Durch unseren Kampf hat sich der Mikro-Bikini verschoben. Die dunkelroten Stifte ragen mir hart entgegen.

Mein Daumen presst sich fast brutal auf ihre Klit, während ich auch den vierten Finger in sie schiebe. Gleichzeitig nehme ich ihren Nippel zwischen meine Zähne. Ich bin nicht vorsichtig, nicht zärtlich.

Ich markiere sie, zeige ihr, dass dieses Fleisch mir gehört.

»Ich komme!« Ihre Stimme ist rau und zittert.

»Nein!« Mein Befehl lässt sie zusammenfahren.

»Kann nicht stoppen.« Sie keucht, wie nach einem Marathon. Ihr Fleisch krampft um meine Hand. Die nasse Höhle zerquetscht mich fast, bevor sie rhythmisch an mir saugt.

»Ich habe Nein gesagt!« Ich ziehe meine Hand heraus und verreibe ihren Saft in ihrem Gesicht. Dann schlage ich ihr fest auf die Wange und zwinge sie dann mir in die Augen zu schauen.

»Du hast nicht gehorcht. Ich entscheide, wann du kommen darfst. Wir machen weiter, bis du weißt, wer hier der Boss ist. Knie dich auf die Lehne, sofort!«

Unbeholfen steht sie auf. Ihr Blick zuckt zum Geld.

»Denk nicht mal daran! Die Kohle gibt es erst, wenn ich mit dir fertig bin.«

Blitzschnell greife ich nach ihrem runden Busen. Eindeutig Silikon, aber die Sensibilität der Nippel hat durch den Eingriff anscheinend nicht gelitten. Ich quetsche die harten Spitzen zwischen Daumen und Zeigefinger, ziehe sie dann ohne Gnade an mich heran. Sie beißt sich auf die Unterlippe und atmet stoßweise. An ihren Wimpern hängen Tränen, aber ihre Augen mit dem verlaufenen Mascara betteln um mehr. Sie kniet sich auf die Lehnen meines rollenden Gefängnisses. Ihre Beine sind gespreizt. Meine Hände krallen sich in das Fleisch ihrer Pobacken. Unerbittlich ziehe ich sie an mich heran. Ihre geschwollenen Schamlippen glänzen. Ich greife mir beide und ziehe sie auseinander, lege das rosa Fleisch und ihre Klit frei. Ihr Loch pulsiert.

Ach, plötzlich ist der Krüppel doch zu etwas zu gebrauchen? Ich hole sie an ihren Schamlippen zu mir heran, bis ihre Fotze direkt vor meinem Mund schwebt. Dann sauge ich ohne Vorwarnung und mit aller Kraft ihre Klit in die Mundhöhle. Meine Zunge schlägt auf sie ein. Ich kenne keine Gnade. Natalie schreit und bettelt, dass sie kommen darf, aber ich habe nicht vor, sie so schnell zu erlösen. Aber wieder kommt sie in einem gewaltigen Orgasmus, ohne meine Erlaubnis abgewartet zu haben. Das kann ich ihr nicht durchgehen lassen. Sie muss bestraft werden, leiden, wie sie es noch nie erlebt hat.

Sie zuckt, versucht, von mir wegzukommen, aber ich umklammere ihren Arsch wie ein Schraubstock. Meine Zähne schaben über die nasse, harte Perle. Ihr Loch schmatzt und ihr Saft läuft über mein Kinn und tränkt mein Hemd. Sie bettelt, fleht, schreit. Es tut gut. Ich bin der Boss. Meine Macht über sie beflügelt mich.

»Du darfst kommen!«

Sofort wirft sie in einem kehligen Stöhnen den Kopf in den Nacken. Ihre Bauchmuskeln ziehen sich zusammen. Ich lasse sie los. Natalie schlägt hart auf dem Boden auf. Sie reibt über ihre Muschi und zuckt in den letzten Zügen ihres Orgasmus. Dann bleibt sie schwer atmend liegen.

Ich nehme die Geldrolle und ziehe mir einen Fünfziger heraus. »Für die Reinigung. Du hast mein Hemd versaut.«

Den Rest werfe ich neben sie auf den Boden und rolle aus dem Zimmer.

Tom grinst mich an. »Hat Natalie dir ordentlich eingeheizt?«

Ich zucke mit den Schultern und nehme einen großen Schluck von meinem Bier, während ich ihren Namen schon wieder vergesse.

Kapitel 4

Maria

Heute Morgen ist die Welt wieder in Ordnung. Meine Bilder sind wieder farbenfroher. Schwarze dicke Linien werden durch strahlendes Apfelgrün ersetzt. Gesichter lächeln mich aus den abstrakten Werken an. Und wo noch vor wenigen Monaten langsam gezogene Pinselstriche die Monotonie meines Alltags zeigten, kleckse und spritze ich das Glück heute regelrecht auf die Leinwand. Alles in mir lacht und das bricht heraus, während meine Leidenschaft für die Kunst mich erfüllt.

Es gibt im Moment keine Sorgen. Auch wenn wir seit Tagen nichts mehr von Lisa gehört haben, wissen wir doch, dass sie sich melden wird, wenn sie etwas braucht. Lisa ist nicht der Mensch, der sich allein aus einer schwierigen Situation holt. Sie weiß welche Menschen immer wieder springen, wenn sie nach ihnen ruft, und wir gehören dazu. Aber bisher ist alles still geblieben.

Der Duft nach Pancakes zieht mich in die Küche. Die Normalität des Anblicks meiner Mutter am Herd und meines Vaters, der in der Zeitung liest, treibt mir fast die Tränen in die Augen. Viel zu lange habe ich auf eine richtige Familie verzichten müssen.

Als Vater vor drei Jahren seine Elektrofirma schließen musste, weil wegen Corona die Aufträge ausblieben, brach für ihn eine Welt zusammen. Diese Firma war sein Lebenswerk gewesen. Er hatte sie sich selbst erarbeitet und jeden übrigen Cent in Maschinen und Werkzeuge investiert. Seine Mitarbeiter waren Freunde und Mutter hat die Buchhaltung gemacht.

Am Tag, als er die Kündigungen übergeben musste, ist er erstmals in die Kneipe am Eck gegangen und hat sich den Kummer von der Seele gesoffen. Mutter und ich haben ihn am späten Abend abgeholt und nach Hause gebracht, weil er nicht mehr allein laufen konnte.

Von diesem Tag an ging er immer öfter ins Eck. Es gab immer einen Grund, sich die Sorgen wegzutrinken. Eine Absage bekommen, ein Schnaps richtet es. Die Hypothek fürs Haus nicht mehr zahlen können, wir trinken einen mehr, dann vergessen wir es. Die Frau, die sich eine Vollzeitstelle in einer Packerei suchen muss, um das Leben zu finanzieren, wir sehen es nicht, wenn der Kopf vom Alkohol benebelt ist.

Mutter stumpfte mit jedem Tag mehr ab. Wenn Vater nach ihrem harten Arbeitstag wieder einmal vollgekotzt im Flur lag, machte sie nur noch einen großen Schritt über ihn hinweg und ging schlafen. Nicht, ohne vorher die Tür zum Schlafzimmer abzuschließen.

Meine Familie zerfiel, bis Leonard Vater die Stelle als Hausmeister bei Mogula anbot. Es war keine hochbezahlte Arbeit, aber für meinen Vater bedeutet es die Welt, dass jemand ihn beschäftigen will, obwohl er nicht mehr der Jüngste ist. Er machte eine Wendung um 180 Grad. Nach einem Jahr ständigem Komasaufen, ging er nun zu den anonymen Alkoholikern und machte sogar einen vierwöchigen stationären Entzug. Er wollte gut genug für Mogula und auch für seinen zukünftigen Schwiegersohn und Boss sein. Nie soll Leonard es bereuen, ihn eingestellt zu haben. Ich setze mich zu meinem Vater an den Tisch.

»Du bist noch zuhause?«

»Ich habe diese Woche Urlaub und kann die Zeit ganz mit deiner wundervollen Mutter verbringen.« Er zwinkert ihr zu und sie errötet doch tatsächlich.

Sie sind wie Teenager, die die Finger nicht voneinander lassen können. Ich muss nicht fragen, was sie machen, während ich im Supermarkt an der Kasse sitze? Grinsend schüttle ich kurz den Kopf und versuche, die Gedanken zu vertreiben, die mir durch den Kopf huschen. Da ich diese Phase in meiner Jugend übersprungen habe, ist ihre Flirterei für mich noch weniger nachvollziehbar, auch wenn ich mich über ihre neu entfachte Liebe sehr freue.

»Ich gehe mal zum Briefkasten.«

»Das ist nett von dir.« Mutter schaut nicht von der Pfanne auf.

Ich schlurfe nach draußen und schaue die Post durch. Eine Rechnung vom Energieversorger, ein Umschlag von Mogula, einmal Werbung vom hiesigen Möbelhaus und ein Brief für unseren Nachbarn gegenüber. Ich seufze. Der Postbote wird es wohl nie lernen. Wir sind die Familie Müller.

Herr Miller von gegenüber mäht seinen akkuraten Rasen. Ich winke ihm zu und das Röhren des Motors erstirbt.

»Wieder mal das i und das ü verwechselt?«

Ich nicke. »Inzwischen könnten wir fast einen Sammelbriefkasten aufstellen.«

Er lacht sein meckerndes Lachen. »Das würde dem armen Kerl manches Kopfzerbrechen ersparen.«

Ich gebe ihm seinen Brief und öffne unsere Post beim Zurückgehen. Vielleicht kann ja das Meiste davon gleich draußen in der Papiertonne bleiben. Bei dem Brief von Mogula zögere ich kurz. Eigentlich geht es nur Papa etwas an, was darin steht. Aber es könnte auch wieder nur die Information zum Datenschutz sein, die gefühlt jeden Monat verschickt wird. Warum soll ich die mit hereinbringen, wenn wir alle kaum ein Wort von den ganzen Paragraphenmurx verstehen.

Kurzentschlossen öffne ich den Umschlag und überfliege den Text. Dann bleibe ich mitten auf der Straße stehen und lese noch einmal. Ich kann nicht glauben, was dort steht. Und doch sind die Worte ganz eindeutig, schwarze Schrift auf weißem Papier. Das Logo von Mogula prangt farbenfroh in der Ecke. Was für ein Hohn.

Sehr geehrter Herr Müller,

wir kündigen ihnen hiermit aus persönlichen Gründen fristgerecht zum 31.07. dieses Jahres. Eine Zusammenarbeit ist uns aufgrund privater Vorkommnisse nicht mehr möglich. Ihnen wird eine Abfindung für den Verlust ihres Arbeitsplatzes in Höhe von 15.000 Euro mit der letzten Entgeltabrechnung ausbezahlt.

Alle weiteren Informationen zur Beendigung Ihres Beschäftigungsverhältnisses erhalten sie zu gegebener Zeit in einem gesonderten Schreiben.

Mit freundlichen Grüßen Leonard Herzbach

Das hat er nicht wirklich getan?

Wie kann er Vater dafür bestrafen, dass Lisa ihn so emotionslos abserviert hat? Er kann doch nichts für die Handlungen meiner Schwester. Mein Blick wandert von dem Brief zu unserem Küchenfenster. Vater zieht Mutter gerade auf seinen Schoß und küsst sie. Ein Stich ins Herz. Soll das alles wieder vorbei sein?

Wenn Papa diesen Job verliert, reißt ihm das doch wieder die Beine weg und noch einmal verkraftet das unsere Familie nicht. Das Lachen meiner Mutter übertönt sogar den Rasenmäher von Herrn Miller. Sie quietscht wie ein junges Mädchen.

Entschlossen zerknülle ich den Brief und gehe zurück ins Haus. Ich werde dafür sorgen, dass Leonard diese Kündigung zurücknimmt. Papa wird nie etwas davon erfahren. Ich kann nicht zulassen, dass sein Glück erneut zerstört wird.

Leonard muss mich anhören. Er war doch immer ein so liebenswerter Mann. Sein Lächeln hat sich auch in mein Herz gestohlen, obwohl es immer nur Lisa gegolten hat. Sie war seine Prinzessin, sein größter Schatz.

Ich kann ja verstehen, dass er alle Erinnerungen an sie aus seinem Leben tilgen will. Dazu gehört auch ihr Vater. Aber Papa ist Hausmeister, nicht sein Sekretär. Er wird Leonard sicherlich nicht oft auf den Fluren über den Weg laufen. Die Firma ist groß. Kann er es denn nicht überleben, wenn Papa mal an ihm vorbeigeht oder im Foyer seine Arbeit macht? Es muss doch einen Weg geben, mit dem er leben und Papa seinen Job behalten kann.

Innerlich verfluche ich Lisa. Sie weiß gar nicht, was alles durch ihren Egoismus zerstört wird. Dabei hat sie immer betont, wie sehr sie in Leonard verliebt ist. Und nur, weil er nicht mehr auf seinen Beinen stehen kann, ist er jetzt weniger attraktiv für sie? Nur deshalb ist sie in der Lage ihre Liebe einfach abzuschalten?

»Ich gehe auf den Dachboden«, rufe ich noch schnell im Vorbeigehen in die Küche. Ich will nicht, dass sie mein Gesicht sehen, denn ich bin mir sehr sicher, dass Mama mir meine Emotionen sofort an der Nasenspitze ansieht. Was soll ich ihr sagen, wenn sie mich fragt, warum ich so erschrocken aussehe? Die Angebote vom Möbelstore waren enttäuschend? Das ich nicht lache.

»Willst du denn keine Pancakes?«

»Heb mir einfach welche auf, okay?«

Ich warte nicht auf ihre Antwort und werfe die Bodenklappe hinter mir zu. Meine bunt gefleckte Trittleiter steht in der Mitte des sonnendurchfluteten Raumes. Ich lasse mich darauf sinken wie auf einen Hocker. Die Bilder um mich herum verhöhnen mich nun mit ihrer Fröhlichkeit. Es zuckt mir in den Fingern sie sofort wieder gegen die Dunkleren auszutauschen, damit mein kleines Reich zu meiner Stimmung passt.

Ich schließe die Augen und lege den Kopf in die Hände. Leonards Gesicht taucht vor mir auf. Ich sehe sein verschmitztes Grinsen, während er Lisa neckt, sein Staunen, wenn er in ihren Augen versinkt. Augen, die meinen so ähnlich sind, aber er hat es nie bemerkt. Ich war unsichtbar für ihn. Einfach nur die kleine Schwester.

Ob er mich trotzdem empfangen wird, damit ich ihm unsere Situation erklären kann? Im Krankenhaus hat er mich brüsk rausgeschmissen. Ich sehe noch immer sein hasserfülltes Gesicht vor mir und höre sein Brüllen. Es macht mir Angst, mich erneut dieser Situation auszusetzen. Aber mir bleibt keine Wahl. Ich muss mit ihm reden, so schnell wie möglich. Aber es darf mich niemand von Papas Kollegen sehen. Sie würden ihm sicherlich sofort mitteilen, dass sie mich gesehen haben. Wie soll ich diesen Besuch erklären? Keine Lüge, die mir durch den Kopf huscht, klingt auch nur halbwegs glaubwürdig.

Ich straffe den Rücken und stoße die Luft aus. Es muss heute sein, bevor mich der Mut verlässt. Nach den offiziellen Arbeitszeiten. Leo ist immer lang im Büro. Ich straffe die Schultern. Trübsal blasen, bringt mich nicht weiter. Noch ist nichts verloren und ich werde für das Glück meiner Familie kämpfen wie eine Löwin.

Von neuer Energie durchflutet, stoße ich eine Leinwand von ihrem Stativ und stelle eine Unberührte darauf.

Meine Gedanken fliegen. Ich überlasse mich dem Sog. Der Pinsel zeigt mir, welches Bild entstehen will.

Erst, als das Licht langsam schwächer wird, erkenne ich, dass es jetzt an der Zeit ist unter die Dusche zu springen und mein Vorhaben umzusetzen.

Ich werfe einen letzten Blick auf das Gesicht von Leonard, das mir liebevoll von der Leinwand entgegenschaut. Ich weiß, dass dieser Leonard noch da ist, ganz tief unter der Verzweiflung und dem Hass auf die Welt verborgen.

»Alles wird gut.«

Kapitel 5

»Herr Herzbach? Besuch für Sie.« Leonards eisblonde Sekretärin wirft mir einen mitleidigen Blick zu. Ich runzle die Stirn. Warum hat sie denn Mitleid mit mir? Sie weiß nicht, wer ich bin, hat nicht nach dem Grund meines Besuches gefragt.

Sie trippelt auf ihren roten High Heels zu der Tür hinter ihrem Schreibtisch und hält sie mir weit auf. Kurz bevor ich den Raum betrete, kommen mir Zweifel. Ich zögere. Die Frau hat wohl wenig Geduld. Sie schiebt mich vorwärts und schnaubt undamenhaft. Mit einem lauten Knall schlägt sie die Tür hinter sich zu. Ich sehe Leonard, wie er sich damit müht, den Rollstuhl in meine Richtung zu bewegen. Es tut mir weh, ihn so zu sehen. Ich bewundere ihn, seit Lisa ihn zum ersten Mal mit zu uns nach Hause gebracht hat. Damals war ich gerade achtzehn Jahre alt geworden und träumte noch von einer Zukunft als Malerin. Träume, die wohl jedes Mädchen irgendwann mal hat. Träume, die mit jeder weiteren Absage von einer bezahlbaren Kunsthochschule verpufft sind. Inzwischen habe ich mich damit abgefunden und arbeite noch immer im Supermarkt. Ein Job, der mich nur über Wasser halten sollte, bis das Studium beginnt. Aber jetzt schon seit drei Jahren meinen beruflichen Alltag bestimmt. Er macht mich nicht besonders glücklich, lässt mir aber nicht genügend Freizeit, um darüber nachzudenken, was mir im Leben fehlt.

Leonard hingegen, hat sich seine Träume erfüllt. Er ist glücklich mit seiner Arbeit und ermöglichte meiner Schwester ein Leben, von dem sie zuvor wohl nicht einmal zu träumen gewagt hat. Vom ersten Augenblick an habe ich mich in ihn verliebt. Zuerst so, wie es kleine Mädchen tun. Ich habe Fotos von ihm unter meinem Kopfkissen versteckt und sie heimlich nachts geküsst. Wie gern wäre ich an Lisas Stelle gewesen. Er sollte mir verliebt über die Wange streichen, mir seine Lippen auf den Mund pressen und mir sagen, dass ich die Frau seiner Träume bin. Niemals hätte ich Leonard gehen lassen. Deshalb kann ich nicht verstehen, wie sie ihn im schwersten Moment seines Lebens fallenlassen konnte.

Sie wirft vier Jahre Beziehung einfach weg und sieht sich nicht mehr nach dem Mann um, der vor dem Unfall angeblich ihre große Liebe gewesen war. Genau deshalb bin ich nun hier, stehe auf dem spiegelnden Marmorboden in diesem ultramodernen Büro und fühle mich völlig fehl am Platz.

»Was machst du hier?«