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Das Buch behandelt in der 4., aktualisierten Auflage in bewährter Weise die Grundlagen des Rechts der öffentlichen Auftragsvergabe. Es wendet sich sowohl an Praktiker, die sich in kurzer Zeit einen Überblick über das komplexe Rechtsgebiet verschaffen wollen, als auch an Studierende der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften. Die Autoren stellen die tragenden Grundsätze, Ziele und Begriffe des Vergaberechts anhand der aktuellen europäischen wie nationalen Vorschriften prägnant dar. Behandelt werden die Anforderungen an eine fehlerfreie Ausschreibung, an die Abgabe eines einwandfreien Angebots sowie an die rechtssichere Prüfung und Wertung der Angebote durch den Auftraggeber. Den vergaberechtlichen Aspekten interkommunaler Zusammenarbeit sowie Fragen des Rechtsschutzes sind jeweils eigene Kapitel gewidmet. Indem das Buch wesentliche Strukturen und Zusammenhänge aufzeigt und anhand praxisnaher Beispielsfälle sowie Tipps die Rechtsanwendung veranschaulicht, soll es auch ein Gespür für taktische Aspekte im Vergabeverfahren entwickeln helfen.
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Seitenzahl: 311
Veröffentlichungsjahr: 2021
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Eine Einführung anhand von Fällen aus der Praxis
Dieter B. Schütte
Michael Horstkotte
Mathias Schubert
Jörg Wiedemann
4., aktualisierte Auflage
Verlag W. Kohlhammer
4., aktualisierte Auflage 2021
Alle Rechte vorbehalten
© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Print:
ISBN 978-3-17-038568-9
E-Book-Formate:
pdf: ISBN 978-3-17-038569-6
epub: ISBN 978-3-17-038570-2
mobi: ISBN 978-3-17-038571-9
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Das Buch behandelt in der 4., aktualisierten Auflage in bewährter Weise die Grundlagen des Rechts der öffentlichen Auftragsvergabe. Es wendet sich sowohl an Praktiker, die sich in kurzer Zeit einen Überblick über das komplexe Rechtsgebiet verschaffen wollen, als auch an Studierende der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften. Die Autoren stellen die tragenden Grundsätze, Ziele und Begriffe des Vergaberechts anhand der aktuellen europäischen wie nationalen Vorschriften prägnant dar. Behandelt werden die Anforderungen an eine fehlerfreie Ausschreibung, an die Abgabe eines einwandfreien Angebots sowie an die rechtssichere Prüfung und Wertung der Angebote durch den Auftraggeber. Den vergaberechtlichen Aspekten interkommunaler Zusammenarbeit sowie Fragen des Rechtsschutzes sind jeweils eigene Kapitel gewidmet. Indem das Buch wesentliche Strukturen und Zusammenhänge aufzeigt und anhand praxisnaher Beispielsfälle sowie Tipps die Rechtsanwendung veranschaulicht, soll es auch ein Gespür für taktische Aspekte im Vergabeverfahren entwickeln helfen.
Die Rechtsanwälte Dieter B. Schütte und Michael Horstkotte beraten Zweckverbände und Stadtwerke und leiten Fachseminare im Bereich des Vergaberechts. Dr. Mathias Schubert ist Privatdozent für Öffentliches Recht, Europarecht und Völkerrecht an der Universität Rostock und Referent im Wissenschaftlichen Dienst des Schleswig-Holsteinischen Landtages. Jörg Wiedemann befasst sich als Richter am OLG Naumburg mit dem Vergaberecht.
Das Buch wendet sich auch in seiner vierten Auflage vornehmlich an Studierende der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften sowie an Praktiker in der Wirtschaft und Verwaltung, die sich einen verständlichen Überblick über die wichtigsten Fragen des Vergaberechts verschaffen wollen. Naturgemäß kann im Interesse der Verständlichkeit zwar nicht jeder Aspekt des Rechtsgebiets erschöpfend aufgearbeitet werden. Durch seinen einfachen Aufbau und zahlreiche anschauliche Fälle aus der Praxis soll dieses Buch vielmehr einen Einstieg in die komplexe und ständigen Neuerungen unterworfene Materie verschaffen und seinen Lesern wertvolle Hinweise zur Vertiefung der angesprochenen Rechtsfragen sowie die wichtigsten wissenschaftlichen Entwicklungen liefern. Dies wird abgerundet durch praktische Tipps, die ein Gespür für die taktischen Aspekte des Vergabeverfahrens vermitteln.
Auch die nun vorliegende vierte Auflage ist umfangreich neu bearbeitet worden. Vor allem das Vergaberechtsmodernisierungsgesetz aus dem Jahr 2016, die nachfolgenden Anpassungen der vergaberechtlichen Vorschriften und die in die Gesetzgebung einfließende Digitalisierung der Verwaltungsabläufe brachten größere Umbrüche mit sich. Neben zahlreichen Änderungen innerhalb der VOB gingen die VOL/A und VOF völlig in der VgV auf. Für Vergaben im Unterschwellenbereich sieht nun die UVgO ein vergleichbares Regulatorium vor. Die Reformen sind auch an der Sektorenverordnung nicht spurlos vorbei gegangen. Für die Verteidigung und Sicherheit wurde mit der VSVgV eine eigenständige Regelung geschaffen, die den besonderen Geheimhaltungsanforderungen dieser Bereiche Rechnung trägt. Und mit der KonzVgV wurde auch die Vergabe von Konzessionen in einer eigenen Vergabeordnung geregelt. Letztere und die SektVO sollen in diesem Buch gleichwohl nur eine Nebenrolle einnehmen.
Ebenso wie der europäische und deutsche Gesetzgeber sind die Vergabekammern und -senate in den letzten Jahren nicht untätig geblieben. Das Buch bildet neben den Grundzügen des Vergaberechts und dem Ablauf des Vergabeverfahrens – von der ersten Absicht, etwas zu beschaffen, bis zum Rechtsschutz – auch die wichtigsten Entscheidungen und Tendenzen in der Rechtsprechung ab. Die Betrachtung berücksichtigt hierbei alle wesentlichen Entwicklungen bis zum Mai 2020.
Die Autoren Schütte und Horstkotte beraten als Rechtsanwälte schwerpunktmäßig Zweckverbände und Stadtwerke; der Autor Schubert ist bei dem Landtag Schleswig-Holstein, der Autor Wiedemann als Richter am OLG Naumburg mit dem Vergaberecht befasst. Die oben genannten Autoren führen auch Fachseminare auf dem Gebiet des Vergaberechts durch. Wir danken ferner Rechtsanwalt Westburg für die redaktionelle Mitarbeit und Recherche, die ebenfalls einen wichtigen Beitrag zu dieser Neuauflage dargestellt hat.
Sommer 2020Die Autoren
Die in dem Buch zitierten Gesetze und Verordnungen können über folgenden Link eingesehen werden
https://dl.kohlhammer.de/978-3-17-038568-9
Vorwort zur 4. Auflage
Abkürzungs- und Literaturverzeichnis
A.Einführung in das Recht der öffentlichen Auftragsvergabe
I.Vergaberecht als Rechtsgebiet
II.Grundsätze und Ziele des Vergaberechts
1.Transparenzgebot
2.Wettbewerbsgrundsatz
3.Gleichbehandlungsgrundsatz
4.Mittelstandsförderung
5.Verwirklichung des europäischen Binnenmarktes
6.Das Gebot wirtschaftlicher Beschaffung
7.Treu und Glauben
8.Beurteilungsspielraum und Ermessen
9.Weitere Grundsätze
III.Anforderungen an die Kommunikation
IV.Rechtsgrundlagen des Vergaberechts
1.Überblick
2.Europäisches Recht
a.Der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union
b.Die EU-Vergaberichtlinien
3.Nationales Recht
a.Überblick, Vergaberechtsreform 2016 und 2019
b.Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)
c.Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (VgV)
d.Vergabe- und Vertragsordnungen
aa)Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB)
bb)Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen (VOL) bzw. die Unterschwellenvergabeordnung (UVgO)
e.Die Sektorenverordnung (SektVO)
f.Die Vergabeordnung Verteidigung und Sicherheit (VSVgV)
g.Die Konzessionsvergabeordnung (KonzVgV)
h.Landesrecht
B.Die Ausschreibung
I.Öffentliche Auftraggeber
1.Gebietskörperschaften als „klassische“ Auftraggeber
2.Andere juristische Personen als funktionelle Auftraggeber
3.Verbände
4.Sektorenauftraggeber
5.Sonstige Auftraggeber
II.Auftragsnehmer
III.Öffentlicher Auftrag
1.Begriff
2.Abgrenzung der Auftragsarten
a.Bauauftrag
b.Lieferauftrag
c.Dienstleistungsauftrag
d.Auslobungsverfahren
e.Einordnung gemischter Aufträge
IV.Zweiteilung des Vergaberechts – Die Schwellenwerte
1.Grundsatz
2.Schwellenwerte
3.Ermittlung der Auftragswerte
4.Anzuwendende Vorschriften bei Erreichen oder Überschreiten der Schwellenwerte
a.Liefer- und Dienstleistungsaufträge
b.Freiberufliche Dienstleistungen
c.Vergabe von Bauleistungen
5.Anzuwendende Vorschriften bei Nichterreichen der Schwellenwerte
V.Arten der Vergabe
1.Überblick
2.Vergabeverfahren ab Erreichen der Schwellenwerte
a.Offenes Verfahren
b.Nicht offenes Verfahren
c.Verhandlungsverfahren
d.Wettbewerblicher Dialog
e.Innovationspartnerschaft
3.Arten der Vergabe unterhalb der Schwellenwerte
a.Öffentliche Ausschreibung
b.Beschränkte Ausschreibung
c.Freihändige Vergabe und Verhandlungsvergabe
VI.Teilnehmer am Wettbewerb
1.Grundsätze
2.Eignungskriterien
a.Bei nationaler Ausschreibungspflicht im Übrigen, insbesondere nach dem 1. Abschnitt der VOB/A
b.Bei EU-weiter Ausschreibungspflicht und im Anwendungsbereich der UVgO
3.Eignungsnachweise
4.Besondere Ausschlüsse von der Teilnahme am Wettbewerb
VII.Vergabeunterlagen
VIII.Leistungsbeschreibung
1.Allgemeine Anforderungen
2.Technische Spezifikationen, Produktneutralität
3.Leistungsverzeichnis und Leistungsprogramm bei der Beschreibung von Bauleistungen
IX.Fach- und Teillosvergabe
X.Einleitung des Vergabeverfahrens
XI.Bekanntmachung
XII.Fristen
1.Allgemeines
2.Fristen im nationalen Verfahren
a.Angebotsfrist und Bewerbungsfrist
b.Bindefrist
3.Fristen im EU-weiten Verfahren
4.Rechtsfolgen bei Nichtbeachtung
C.Das Angebot
I.Anforderungen an ein vollständiges Angebot
II.Bindung an das Angebot
III.Zulässigkeit von weiteren Hauptangeboten
IV.Zulässigkeit von Nebenangeboten
D.Die Vergabe
I.Eröffnung der Angebote bei Ausschreibungen
II.Aufklärung des Angebotsinhalts und Verhandlungsverbot
III.Prüfung und Wertung der Angebote
1.Ausschluss fehlerhafter Angebote
a.Zwingend auszuschließende Angebote
b.Nach Ermessen auszuschließende Angebote
c.Nachforderung fehlender Erklärungen oder Nachweise
2.Prüfung der Eignung der Bieter
a.Eignungskriterien
b.Bekanntgabe der Eignungs- und Zuschlagskriterien
3.Rechnerische, technische und wirtschaftliche Prüfung
4.Wertung der Angebote
a.Aussonderung von Angeboten mit unangemessen hohem oder niedrigem Preis
b.Engere Wahl der Angebote
c.Entscheidung über das wirtschaftlichste Angebot
aa)Zuschlagskriterium Wirtschaftlichkeit
bb)Einzelne Wertungskriterien
cc)Soziale und umweltbezogene Aspekte
dd)Nebenangebote und Preisnachlässe
ee)Veränderung der Angebotsbedingungen beim Zuschlag
5.Gebot der strikten Trennung der einzelnen Prüfungs- und Wertungsstufen
IV.Ausgeschlossene Personen
V.Informations- und Dokumentationspflichten; Wartepflicht
1.Informations- und Wartepflicht vor Vertragsschluss
a.Regelungen im GWB
b.Regelungen in der VOB/A und der UVgO
2.Dokumentation des Vergabeverfahrens
VI.Aufhebung der Ausschreibung
VII.Auftragsvergabe und Insolvenz
E.In-house-Geschäfte und Interkommunale Zusammenarbeit im Vergaberecht
I.Vergaberechtliche Entwicklung der interkommunalen Zusammenarbeit
1.Institutionelle interkommunale Zusammenarbeit
2.Vertragliche interkommunale Zusammenarbeit
II.Die institutionelle Zusammenarbeit
1.Das Kontrollkriterium
2.Das Tätigkeitskriterium
3.Keine direkte private Kapitalbeteiligung
III.Die vertragliche interkommunale Kooperation
F.Rechtsschutz
I.Überblick: Der Rechtsschutz im Vergaberecht
II. Primärrechtsschutz bei Pflicht zur EU-weiten Ausschreibung
1.Vergabeprüfstelle
2.Allgemeine Voraussetzungen für den Primärrechtsschutz
a.Antragsbefugnis
b.Rügeobliegenheit
c.Antragsfrist
3.Vergabekammer
a.Aufbau und Organisation der Vergabekammer
b.Zugang zum Nachprüfungsverfahren
c.Das Nachprüfungsverfahren als Antragsverfahren
d.Ablauf des Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer
e.Entscheidungsbefugnisse der Vergabekammer
f.Vorläufiger Rechtsschutz
4.Vergabesenat
a.Aufbau und Organisation der Vergabesenate
b.Zugang zum Vergabesenat
c.Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde
d.Suspensiveffekt und vorläufiger Rechtsschutz
e.Ablauf des Beschwerdeverfahrens
f.Beschwerdeentscheidung
g.Fortsetzungsfeststellung
III.Primärrechtsschutz bei Vergaben ohne Pflicht zur EU-weiten Ausschreibung
1.Die Rechtswegfrage
2.Betroffenheit eines subjektiven Rechts?
3.Schadenersatz des Auftraggebers bei missbräuchlicher Inanspruchnahme von Rechtsschutz
IV.Der Sekundärrechtsschutz
1.Allgemeine Ersatzansprüche
a.Ersatz bei Verletzung des vorvertraglichen Vertrauens
b.Sonstige Anspruchsgrundlagen im BGB
c.Sonstige Anspruchsgrundlagen außerhalb des BGB
2.Besonderer Ersatzanspruch bei Pflicht zur EU-weiten Ausschreibung
Stichwortverzeichnis
Gegenstand des Vergaberechts ist die Beschaffung von Gütern sowie Bau- und Dienstleistungen durch die öffentliche Hand. Es ist damit Teil der sog. Fiskalverwaltung. Die Beschaffung der für die Verwaltung erforderlichen Leistungen und Güter – z. B. Grundstücke, Bauwerke, Fahrzeuge, Büromaterial und anderes Mobiliar – erfolgt durch privatrechtliche Verträge, etwa Kaufverträge, Werkverträge, Mietverträge, für deren Abwicklung die Vorschriften des BGB und seiner Nebengesetze gelten. Die Verwaltung tritt hierbei wie ein Kunde, d. h. ohne die Ausübung hoheitlicher Befugnisse, auf.
Die Aufträge der öffentlichen Hand machen einen erheblichen Teil des Wirtschaftsvolumens sowohl national als auch in der Europäischen Union aus. Der Auftragsvergabe kommt hierdurch ein besonderer Steuerungsmechanismus gegenüber der Wirtschaft zu. Wegen der großen Nachfragemacht der öffentlichen Hand soll für Wirtschaftsteilnehmer ein gleichberechtigter Zugang zu diesem speziellen Markt gewährleistet werden. Aus diesem Grunde, und zur Verhinderung einer möglichen Korruption und anderer wettbewerbswidriger Zustände, hat die EU die öffentliche Auftragsvergabe im Rahmen ihrer Kompetenzen für die Gestaltung des EU-Binnenmarktes und insbesondere des Wettbewerbsrechts vergaberechtlichen Regeln unterworfen.
Zugleich ist das Vergaberecht Teil des Haushaltsrechts, denn die Verwendung öffentlicher Finanzmittel hat dem gesetzlichen Ziel einer sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung zu entsprechen. Um eine höhere Nachhaltigkeit zu erreichen, wird dieses Ziel heute nicht mehr ausschließlich im Sinne einer preisgünstigen Beschaffung verstanden, sondern nach dem Grundsatz des besten Preis-Leistungs-Verhältnisses interpretiert.
Auch aus diesem Grund hat der Gesetzgeber die öffentlichen Auftraggeber zu einer transparenten, wettbewerbsorientierten und diskriminierungsfreien Vergabe nach dem Prinzip der Wirtschaftlichkeit verpflichtet.
Die Gesamtheit derjenigen Vorschriften, die ein Träger öffentlicher Verwaltung bei der Beschaffung von sachlichen Mitteln und Leistungen, die er zur Erfüllung von Verwaltungsaufgaben benötigt, beachten muss, bildet das Vergaberecht.
Bei der Anwendung und Auslegung des Vergaberechts ist ein bestimmter Katalog von Grundsätzen zu beachten, der sich im Wesentlichen zu folgendem Gebot zusammenfassen lässt: Der öffentliche Auftraggeber ist zu einer möglichst transparenten und diskriminierungsfreien Beschaffung im Wettbewerb nach dem Prinzip der Wirtschaftlichkeit verpflichtet.
Das vergaberechtliche Transparenzgebot entstammt dem primären Unionsrecht (AEUV)1 und ist in § 97 Abs. 1 Satz 1 GWB normiert.2 Es fordert im Wesentlichen übersichtliche, nachvollziehbare Verfahren und vorhersehbare Entscheidungskriterien. Dem potenziellen Bieter soll von Anfang an klar sein, welche Anforderungen das konkrete Vergabeverfahren an ihn stellt und wie seine Chancen bei einer Teilnahme stehen. Die Transparenz des Vergabeverfahrens dient sowohl den Interessen des Auftragnehmers als auch denen des Auftraggebers. Eine transparente Vergabe gewährleistet Informationen der Bieter über den konkreten Beschaffungsbedarf und ermöglicht so die Erstellung passgenauer Angebote, sie stärkt zugleich das Vertrauen der Bieter in die Verlässlichkeit der öffentlichen Hand, mindert Missbrauch und Verschwendung von öffentlichen Geldern und Korruption. Sie dient zudem der Verwirklichung des Wettbewerbsgebots3: Wettbewerb kann nur funktionieren, wenn potenzielle Bieter überhaupt Kenntnis von den nachgefragten Leistungen und den Ausschreibungsbedingungen erlangen können.
Das Transparenzgebot wird ex ante durch die öffentliche Ausschreibung und Öffentlichkeit verwirklicht; es stellt Anforderungen an die Leistungsbeschreibung in Bezug auf den Leistungsinhalt, die Veröffentlichung der Auswahl- und Zuschlagskriterien sowie der Auftragsbedingungen. Der Inhalt der Leistung und die Bedingungen des Auftrags müssen so eindeutig und erschöpfend beschrieben werden, dass alle (potenziellen) Teilnehmer am Vergabeverfahren die Leistungsbeschreibung gleich verstehen und ihr entnehmen können, welche Erklärungen sie wann abzugeben haben. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz4 und das Transparenzgebot liegt vor, wenn nicht alle Bieter oder Bewerber zum Zeitpunkt der Angebotserstellung über die gleichen Informationen verfügen und damit die gleichen Chancen haben. Die Zuschlagskriterien müssen in den Vergabeunterlagen oder der Bekanntmachung zudem so gefasst sein, dass alle durchschnittlichen fachkundigen Bieter sie bei Anwendung der üblichen Sorgfalt in gleicher Weise auslegen können. Insbesondere bei auslegungsbedürftigen Zuschlagskriterien ist anzugeben, welche Erwartungen der Auftraggeber an die zu erbringende Leistung hat.5 Der Auftraggeber muss sich während des gesamten Verfahrens an diese Auslegung der Zuschlagskriterien halten. Er darf die Beschreibung des Auftragsgegenstandes damit – auch im Verhandlungsverfahren – nicht mehr grundlegend ändern.
Die ex-post-Transparenz wird durch Informations- und Dokumentationspflichten des Auftraggebers geprägt. So sollen alle Bieter darüber informiert werden, wie die anderen Teilnehmer geboten haben, um ihnen Rückschlüsse zu geben, bestimmte Fehler in Zukunft zu vermeiden und die Teilnahme an Vergabeverfahren taktisch zu optimieren. Die im Vergabevermerk festgehaltene Begründung für die Entscheidung muss detailliert genug sein, um von einem mit dem Vergabeverfahren vertrauten Leser nachvollzogen zu werden. Insbesondere die für die Beurteilung des Bieters und des Angebotes erforderlichen Nachweise sind in der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen zu dokumentieren.
Auch die vom Europarecht zur Verfügung gestellten Rechtsschutzmöglichkeiten erfordern die Transparenz des Vergabeverfahrens, um anhand einer lückenlosen Dokumentation jeden einzelnen Schritt nachvollziehen zu können.6 Die in der Dokumentation enthaltenen Angaben und mitgeteilten Gründe für die getroffenen Entscheidungen müssen detailliert genug sein, um für einen mit der Sachlage des jeweiligen Vergabeverfahrens vertrauten Leser nachvollziehbar zu sein.
Fall 1:Der unsichtbare Preisnachlass
Sachverhalt:
Die B-Stadt-Klinikum GmbH hat im Rahmen des Neubaus der Psychiatrischen Klinik B-Stadt mit dem Los 2 die Heizungsinstallation und mit dem Los 3 die Sanitärinstallation EU-weit im offenen Verfahren ausgeschrieben. Preisgünstigste Bieterin war im Eröffnungstermin am 16.10.2009 die Firma Warm GmbH. In einem Schreiben vom 15.10.2009 hatte sie bei einer Gesamtauftragserteilung einen Gesamtpreisnachlass von 5 % angeboten. Sowohl das Originalangebot als auch das Schreiben wiesen keine Kennzeichnung auf. Auch das Submissionsprotokoll enthielt keinen derartigen Eintrag. Schließlich wurde der Zuschlag für beide Lose auf die Angebote der Firma Warm GmbH erteilt. Hiergegen legt die unterlegene Firma Heiß GmbH Rechtsbehelf ein. Mit Erfolg?
Lösung:
Um ein ordnungsgemäßes Vergabeverfahren gewährleisten zu können, gibt § 14 Abs. 3 Nr. 2 VOB/A vor, dass im Eröffnungstermin die Angebote geöffnet und in allen wesentlichen Teilen gekennzeichnet werden müssen. Durch die Kennzeichnung soll identifizierbar sein, welchen Inhalt das Angebot zum Zeitpunkt des Ablaufs der Angebotsfrist hatte. Nachträgliche Änderungen sind verboten. Die Kennzeichnungspflicht besteht natürlich auch für alle Angaben, die den Preis betreffen. Die fehlende Kennzeichnung des Preisnachlasses sowohl im Originalangebot als auch im Anschreiben des Bieters sowie das Fehlen entsprechender Vermerke im Eröffnungsprotokoll machen einen eindeutigen Nachweis, dass der Preisnachlass bereits im Eröffnungstermin vorgelegen hat, unmöglich. Die Wertung eines nicht gekennzeichneten Preisnachlasses stellt einen schwerwiegenden Verstoß gegen das Transparenzgebot dar, der zur Rechtswidrigkeit des Verfahrens und damit zur Begründetheit des Rechtsbehelfs führt.
Unterlegene Bieter haben in Vergabeverfahren, welche der EU-weiten Ausschreibungspflicht unterliegen, einen Anspruch darauf, vor Zuschlagserteilung über ihre Ablehnung informiert zu werden. Diese Informationspflicht als Ausdruck des Transparenzgebotes ist als Verpflichtung zur Vorabinformation in § 134 Abs. 1 GWB festgeschrieben. In einzelnen Bundesländern ist auch eine Vorabinformationspflicht in Unterschwellenvergaben geregelt.
Das Gebot des fairen Wettbewerbs (§ 97 Abs. 1 GWB7) fordert, dass jedes in der EU ansässige Unternehmen unter den gleichen Voraussetzungen Zugang zur öffentlichen Auftragsvergabe hat. Das Wettbewerbsgebot entspringt damit den Grundfreiheiten des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs (Art. 34 und 56 AEUV) und der Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV). Die Auftragsvergabe muss in allen Phasen des Vergabeverfahrens einen möglichst wirksamen Bieterwettbewerb um die Aufträge gewährleisten. So soll bereits bei der Wahl der Verfahrensart dasjenige Verfahren bevorzugt werden, das den größeren Wettbewerb schafft. Verboten sind vermeidbare rechtliche und/oder faktische Maßnahmen, durch die ein Unternehmen an der Teilnahme ge- bzw. behindert wird, sowie offensichtliche Wettbewerbsverzerrungen wie Subventionen. Absprachen der Bieter mit dem Ziel, Wettbewerb durch Ausgleichszahlungen oder Einigungen über die Abgabe bzw. Nichtabgabe von Angeboten etc. auszuschalten, sind bereits nach § 1 GWB unzulässig. Nachträgliche Preisabsprachen und anderweitige Verhandlungen über den Auftrag sind nur im Verhandlungsverfahren möglich. Schließlich kann ein Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot auch darin liegen, dass ein Auftraggeber absichtlich eine Aufhebung des Verfahrens herbeiführt, um den Auftrag anschließend im Verhandlungsverfahren zu vergeben, oder die Leistungsbeschreibung und -anforderungen ohne triftigen Grund soweit einengt, dass sie nur bestimmten Herstellern oder einem kleinen Kreis von Bietern eine Teilnahme am Vergabeverfahren erlaubt. Eine Umgehung des Vergaberechts durch „Flucht ins Zuwendungsrecht“, d. h. eine den Wettbewerb ausschließende Tarnung einer Direktvergabe als Zuwendungsbescheid, ist ebenso ausgeschlossen.8
Dagegen ist es nicht per se unzulässig, wenn ein Bieter oder Bewerber vor Einleitung des Vergabeverfahrens den Auftraggeber berät oder anderweitig unterstützt, soweit der Wettbewerb durch die Teilnahme des Bieters oder Bewerbers nicht verfälscht wird.9
Das Wettbewerbsgebot fordert zudem einen Geheimwettbewerb zwischen den an der Ausschreibung teilnehmenden Bietern. Aufgrund dessen kann dasselbe Unternehmen nicht sowohl als einzelner Bieter als auch als Mitglied einer Bietergemeinschaft an einem Vergabeverfahren beteiligt sein.
Fall 2:Aus Alt mach Neu
Sachverhalt:
Die Stadt H hat die Lieferung von Kopiertechnik für die Schulverwaltung beschränkt ausgeschrieben. Dabei wurden fünf Bieter zur Angebotsabgabe aufgefordert. Die Firma „Aus Alt mach Neu“ GmbH legte ein Angebot über sogenannte „Rebuild-Geräte“ vor, die sich dadurch auszeichneten, dass Teile der Geräte bereits in einem vorherigen Produktionsverfahren hergestellt worden waren, so dass bei ihnen nicht der vollständige Erzeugungsaufwand realisiert werden musste und die Produktionskosten somit geringer ausfielen als bei Neugeräten. Die Mitbewerber boten hingegen allesamt fabrikneue Geräte an. Die Abgabe von Nebenangeboten war ausgeschlossen worden. Bei der Vergabeentscheidung wurde das Angebot über die Rebuild-Geräte nicht berücksichtigt. Zu Recht?
Lösung:
Eine Gegenüberstellung der Rebuild-Geräte mit den neuen Geräten der anderen Anbieter ergibt, dass es sich hier um einen evidenten Unterschied handelt, der eine Vergleichbarkeit der Angebote i. S. v. § 23 Abs. 1 UVgO nicht zulässt. Anderenfalls käme es zu einer unzulässigen Wettbewerbsbeeinflussung. Das Angebot hätte lediglich als Nebenangebot berücksichtigt werden können. Gem. § 25 UVgO muss der Auftraggeber allerdings Nebenangebote ausdrücklich zulassen; tut er dies – wie im vorliegenden Fall – nicht, sind Nebenangebote unzulässig. Das hat zur Folge, dass ein dennoch abgegebenes Nebenangebot gem. § 42 Abs. 1 Nr. 6 UVgO zwingend auszuschließen ist. Die Nichtberücksichtigung erfolgte somit zu Recht.
Fall 3:Kein Auftrag trotz Wissensvorsprungs
Sachverhalt:
Die Stadt V möchte ihren Flughafen ausbauen und beauftragt die Anlagenbau GmbH mit der Ausschreibung eines ersten Bauabschnittes. Vor Submission besichtigte einer der Bieter, die Großbau GmbH, den betroffenen Teil des Flughafens in Begleitung eines Vertreters der Anlagenbau GmbH sowie eines Vertreters der auf einem Teil des Flugplatzes ansässigen Bundeswehr. Letzterer erklärte, dass eine bestimmte Erdaufschüttung im Rahmen der Bauarbeiten zur Errichtung der Befeuerungsanlagen beseitigt werde und die Kosten hierfür nicht in das Angebot einzubeziehen seien. Die Auftraggeberin und der Mitbieter, die Grundbau GmbH, wurden vom Ergebnis der Besichtigung nicht informiert. Bei Submission stellte sich heraus, dass das Angebot der Grundbau GmbH i. H. v. 1.200.000 € auch die Beseitigung der Erdaufschüttung umfasste, das Angebot der Großbau GmbH i. H. v. 1.050.000 € hingegen nicht. Daraufhin wurde entschieden, beide Angebote ohne die besagte Position zu werten, was dazu führte, dass nun das Angebot der Grundbau GmbH preisgünstiger war und schließlich den Zuschlag erhielt. Die Großbau GmbH beantragte hiergegen ein Nachprüfungsverfahren. Ist dieses begründet?
Lösung:
Die hier erteilte Auskunft bzgl. der Erdaufschüttung ist eine wichtige Aufklärung, da sie den Leistungsumfang bestimmt und somit unerlässliche Kalkulationsgrundlage ist. Sie hätte somit auch der Grundbau GmbH unverzüglich mitgeteilt werden müssen. Das Unterlassen dieser Mitteilung stellt zugleich einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot dar, denn die Grundbau GmbH verfügte nicht über die gleichen Informationen für die Angebotserstellung. Auch die anschließende Herausnahme der betreffenden Position war unzulässig, da die Angebote im Rahmen der Angebotswertung mit ihren Inhalten verbindlich sind. Sie stellen eine Willenserklärung i. S. von § 145 BGB dar. Die Vergabe war somit in mehrfacher Hinsicht rechtswidrig. Der Antrag erweist sich als begründet.
§ 97 Abs. 2 GWB verpflichtet die öffentlichen Auftraggeber, alle Teilnehmer in allen Phasen des Verfahrens gleich zu behandeln und ihnen gleiche Chancen beim Zugang zum Wettbewerb zu gewähren. Eine Bevorzugung oder Benachteiligung einzelner Teilnehmer darf nur in gesetzlich vorgesehenen Fällen erfolgen und muss auf nachvollziehbaren, auftragsbezogenen Erwägungen beruhen. Der so normierte Gleichbehandlungsgrundsatz (Diskriminierungsverbot)10 ist damit einfachgesetzlicher Ausdruck des allgemeinen gemeinschafts- und verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 18 AEUV). Er gilt somit unabhängig von der Anwendbarkeit des GWB und der Erreichung der Schwellenwerte nach der Vergabeverordnung bei sämtlichen Beschaffungsvorgängen der öffentlichen Hand.
Den Auftraggebern ist es untersagt, einzelne Anbieter zu bevorzugen oder zu benachteiligen. Dies verbietet nicht nur offensichtliche Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit11, sondern auch alle Formen versteckter bzw. mittelbarer Diskriminierung, die bei Anwendung anderer Unterscheidungsmerkmale de facto – wenn auch subtiler – zum selben Ergebnis führen.12
Fall 4:Unzulässige Diskriminierung?
Sachverhalt:
Die Ausschreibung einer sächsischen Stadt, die Erd- und Abbrucharbeiten sowie Altlastenbeseitigung umfasst, enthält als Mindestbedingung in der Bekanntmachung unter anderem folgendes Erfordernis: „Standortnachweis Produktionsstätten Neue Bundesländer“. Ist dies zulässig?
Lösung:
Eine solche Ausschreibung ist rechtswidrig. Der Standort ist kein Kriterium, das einen Nachweis für die Eignung eines Bieters darstellt. Es liegt somit ein Verstoß gegen § 6 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A vor, wonach der Wettbewerb nicht auf Unternehmen, die in einer bestimmten Region ansässig sind, beschränkt werden darf. Es handelt sich hierbei um eine Ausprägung des allgemeinen Diskriminierungsverbots.
Der Auftraggeber muss allen Bietern gleichzeitig die gleichen Informationen zukommen lassen und ihnen die Chance geben, innerhalb gleicher Fristen und zu gleichen Anforderungen Angebote abzugeben und an nachträgliche Änderungen der Auftragsbedingungen anzupassen. Daher wäre es etwa unzulässig, wenn die Vergabestelle als Termin der Angebotsabgabe einen vor dem Eröffnungstermin liegenden Tag bestimmt, dann aber die Angebotsfrist bis zum Eröffnungstermin verlängert, ohne sämtliche Bieter zu informieren bzw. (nach der neuen Frist) verspätete Angebote zu werten. Ebenso müssen von den Auftragsbedingungen abweichende und (zumindest grundsätzlich auch) verspätete Angebote vom Wettbewerb ausgeschlossen werden.
Das Gleichbehandlungsgebot ist ebenfalls verletzt, wenn der Auftraggeber Nebenangebote wertet, obwohl diese in der konkreten Vergabe nicht zugelassen sind. Die Bieter sind an ihre Angebote gebunden und dürfen diese nicht nachträglich ändern und ergänzen.13 Der Gleichbehandlungsgrundsatz fordert zudem eine marken- und produktneutrale Ausschreibung.14
Eine Diskriminierung liegt hingegen nicht vor, wenn die unterschiedliche Behandlung sachlich gerechtfertigt und verhältnismäßig ist. So kann es u. U. gerechtfertigt sein, für den Fall der Auftragserteilung eine Präsenz vor Ort zu verlangen, z. B. bei einem Auftrag zur Bauüberwachung, oder die Ausschreibung eines Baugrundstücks für ein Verwaltungsgebäude auf das Gemeindegebiet beschränken.15 Auch die Mitteilung abweichender Zielvorstellungen in verschiedenen Ausschreibungen zum selben Auftragsgegenstand kann aus sachlichen Gründen gerechtfertigt sein.16
Im Rahmen der Auftragsvergabe hat der Auftraggeber vornehmlich mittelständische Interessen zu berücksichtigen (§ 97 Abs. 3 GWB). Das kann insbesondere durch Teilung der Aufträge in Fach- und Teillose vollzogen werden17, um auch kleinen und mittleren Unternehmen zu ermöglichen, an größeren Aufträgen zu partizipieren. Aufgrund dessen darf eine Losvergabe nur noch in begründeten – und aktenkundig zu begründenden – Ausnahmen unterbleiben. Grenzziehend wirkt das Gebot wirtschaftlicher Beschaffung: Eine Aufteilung des Gesamtauftrags in Fach- und Teillose hat nicht zu erfolgen, wenn sie in hohem Maße unwirtschaftlich oder eine einheitliche Gesamtleistung nicht mehr gewährleistet ist.18 Gleiches gilt, wenn die Aufteilung nur mit unverhältnismäßigem Aufwand hergestellt werden kann19 oder die Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen unmöglich gemacht wird.20
Mittelständische Interessen sind darüber hinaus bei der Auftragsvergabe zu berücksichtigen, etwa im Rahmen der Eignungsprüfung. So dürfen keine Referenzen verlangt werden, die nur von größeren Unternehmen beigebracht werden können, für den konkreten Auftrag indes nicht erforderlich sind. Ebenso wenig darf der Auftraggeber Auswahlkriterien formulieren, die die Größe eines Unternehmens ohne Auftragsbezug als positives Differenzierungsmerkmal einführen. Dagegen darf aus § 97 Abs. 3 GWB nicht gefolgert werden, dass der Mittelstand bei der Auftragsvergabe gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz immer bevorzugt zu behandeln sei. Das Schlagwort lautet also: mittelstandsgerechte, nicht mittelstandsbevorzugende Vergabe.21
Zahlreiche Vorschriften des Vergaberechts dienen der Beseitigung jeglicher Handelshemmnisse innerhalb der Europäischen Union. EU-weite Ausschreibungen ohne Diskriminierung ausländischer Unternehmen setzen die Grundfreiheiten des AEUV – den freien Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital – um und sollen damit einen wesentlichen Beitrag zur Verwirklichung des europäischen Binnenmarkts leisten.
§ 97 Abs. 1 GWB unterstellt infolge dessen das deutsche Vergaberecht dem Kriterium der Wirtschaftlichkeit.22 Es kommt daher nicht auf den niedrigsten Preis, sondern auf das beste Preis-Leistungs-Verhältnis an.
Der öffentliche Auftraggeber soll dazu angehalten werden, nachhaltig zu beschaffen und dabei wie ein Marktteilnehmer zu handeln, der dem wirtschaftlichen Wettbewerb ausgesetzt ist; er soll bei der Beschaffung unternehmerisch-rational, vorhersehbar und nachvollziehbar eigennützig „wie ein Privater“ handeln.23 Er folgt damit zugleich dem aus dem Haushaltsrecht stammenden Gebot der sparsamen und wirtschaftlichen Vergabe. Das Gebot der Wirtschaftlichkeit erfordert ebenfalls eine effiziente Gestaltung des Vergabeverfahrens.24 So muss eine europaweite Ausschreibung erst ab bestimmten Auftragswerten erfolgen, während geringwertige Leistungen teilweise freihändig vergeben werden können. Der Umfang der erforderlichen Aufklärung der Angebote und der Prüfungstiefe von Angaben der Bieter hängt auch davon ab, bis zu welchem Maße dem Auftraggeber der Einsatz seiner zeitlichen, personellen und sachlichen Ressourcen für die Durchführung des konkreten Vergabeverfahrens möglich und zumutbar ist.
Der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verbietet auch im Vergaberecht die Ausübung von Rechten zu nicht vertragskonformen oder missbräuchlichen Zwecken. Er hindert den Auftraggeber daran, ohne rechtzeitige Ankündigung von seiner bisherigen Vergabepraxis (z. B. dessen Kriterien für die Vollständigkeit und Form von Angeboten) oder früheren Entscheidungen grundlos abzuweichen. Hat sich der Auftraggeber hinsichtlich des gleichen Vergabegegenstands dahingehend festgelegt, ob ein Bieter geeignet ist, muss er sich daran halten, kann bei anderen Losen oder Vergabeverfahren jedoch davon abweichen.25
Dem Auftraggeber stehen in allen Phasen des Verfahrens eine Vielzahl von Entscheidungsspielräumen zu. Nach herrschender Meinung wird zwischen Beurteilungsspielräumen bei der Bewertung von Tatbestandsvoraussetzungen und Ermessensspielräumen bei der Auswahl der Rechtsfolgen unterschieden.26 Die Ausfüllung eines Beurteilungsspielraumes ist gerichtlich nur daraufhin nachprüfbar, ob sich der Auftraggeber an die gesetzlich vorgegebenen oder selbst bekannt gemachten Entscheidungskriterien gehalten hat, ob er von einer zutreffenden und vollständigen Ermittlung der für die Beurteilung maßgeblichen Tatsachen ausgegangen ist und ob er den ihm eingeräumten Entscheidungsspielraum in vertretbarer, sachbezogener und nicht willkürlicher Weise genutzt hat. Hierzu zählen beispielsweise die Feststellung des Vorliegens eines Ausschlussgrundes oder eines Grundes für die Aufhebung einer Ausschreibung, aber auch die Feststellungen für die Vergabe von Punkten im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsbewertung der Angebote. Bei einem Ermessensspielraum unterliegt die Entscheidung des Auftraggebers der gerichtlichen Nachprüfung nur insoweit, dass der Auftraggeber deutlich macht, dass er sich bewusst ist, eine Ermessensentscheidung treffen zu müssen, dass er sich mit seiner Entscheidung in den Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens bewegt und dass er seine Entscheidung auf sachbezogene, nicht diskriminierende und nicht willkürliche Erwägungen stützen kann. Die Nachprüfungsinstanz kann, von Ausnahmen einer sog. Ermessensreduzierung auf Null abgesehen, ihr Ermessen nicht an die Stelle des Ermessens des Auftraggebers setzen.27 Das betrifft Fragen wie die Aufteilung eines Auftrags in Lose bzw. die Auswahl und Gewichtung von Zuschlagskriterien28 und die Länge der Zuschlags- und Bindefristen bei der Vorbereitung der Ausschreibung oder den Ausschluss von Angeboten beim Vorliegen von fakultativen Ausschlussgründen, die Eignung der Bieter, die Wahl des wirtschaftlichsten Angebots, die Wertung zugelassener Nebenangebote29. Teilweise ist der Ermessensspielraum stark beschränkt, z. B. bei der Wahl der Verfahrensart. Die Besonderheit des Vergabeverfahrens besteht in der Pflicht des Auftraggebers zur Veröffentlichung seiner Entscheidungsmaßstäbe zum Beginn des Verfahrens, so dass alle Teilnehmer am Vergabeverfahren (und auch eine Nachprüfungsinstanz) in gleicher Weise darüber informiert sind, welche Kriterien für die Beurteilung und die Auswahlentscheidungen maßgeblich sind. Die Auslegung der bekannt gemachten Entscheidungsmaßstäbe erfolgt nach den allgemeinen rechtlichen Regeln für die Auslegung von Willenserklärungen (§§ 133 und 157 BGB), also nach dem objektiven Empfängerhorizont. Das stellt hohe Anforderungen an die Formulierung der Entscheidungskriterien in der jeweiligen Bekanntmachung (Auftragsbekanntmachung oder Vergabeunterlagen).
Für die Vergabe von Bauaufträgen gelten weitere Grundsätze. § 2 Abs. 5 VOB/A normiert, dass die Durchführung von Vergabeverfahren zum Zwecke der Markterkundung unzulässig ist. Ferner soll nach § 2 Abs. 6 VOB/A der Auftraggeber erst dann ausschreiben, wenn alle Vergabeunterlagen fertiggestellt sind und wenn innerhalb der angegebenen Fristen mit der Ausführung begonnen werden kann (sog. Ausschreibungsreife). Überdies soll der Auftraggeber die Vergaben so gestalten, dass eine ganzjährige Bautätigkeit gefördert wird (§ 2 Abs. 7 VOB/A).
Da öffentliche Vergaben besonders anfällig für Absprachen und andere Marktverzerrungen sind, hat sich der Gesetzgeber dazu entschlossen, besondere Erfordernisse für die Kommunikation zwischen Auftraggebern und Teilnehmern am Vergabeverfahren (Interessenten, Bewerber, Bieter) zu regeln.
Während lange Zeit der Grundsatz der Schriftlichkeit (vgl. zu den Anforderungen an die Schriftform § 126 BGB) für alle wesentlichen Elemente der Kommunikation galt, ist nunmehr in den Vergabeverfahren mit EU-weiter Ausschreibungspflicht die Kommunikation zwischen dem Auftraggeber bzw. der für ihn auftretenden Vergabestelle und den Teilnehmern am Vergabeverfahren grundsätzlich mit elektronischen Mitteln zu führen (§ 97 Abs. 5 GWB), d. h., dass der Auftraggeber alle Informationen elektronisch zur Verfügung stellen muss, z. B. die Auftragsbekanntmachung, die Vergabeunterlagen oder nachträgliche Bieterinformationen, dass die Teilnehmer alle wesentlichen Willenserklärungen innerhalb des Vergabeverfahrens, insbesondere Angebote und Teilnahmeanträge, elektronisch zu übermitteln haben und dass auch die Vorabinformation über die Nichtberücksichtigung des Angebotes oder der Zuschlag regelmäßig in elektronischer Form erteilt wird. Dabei legt der Auftraggeber jeweils fest, mit welchem Sicherheitsniveau die Kommunikation erfolgen soll.
Gleiches gilt grundsätzlich auch für die nationale Ausschreibung von Liefer- und Dienstleistungsaufträgen nach der UVgO (vgl. § 7 UVgO); teilweise haben die Bundesländer eigene Übergangsregelungen für die zeitliche Umsetzung der eVergabe getroffen. Im Bereich nationaler Ausschreibungspflichten für Bauaufträge steht dem öffentlichen Auftraggeber derzeit noch ein Wahlrecht hinsichtlich der Art und Weise der Kommunikation zu (vgl. § 11 VOB/A). Je mehr sich jedoch die öffentliche Auftragsvergabe über elektronische Medien etabliert, desto geringer wird die Bedeutung dieses Wahlrechts in der Praxis werden.
Das Gebot der Gleichbehandlung und des fairen Wettbewerbs ist auch bei der Kommunikation zwischen Auftraggebern und Marktteilnehmern zu beachten. Der Auftraggeber muss den elektronischen Zugang zum Vergabeverfahren daher – abgesehen von begründeten Ausnahmefällen – so gestalten, dass sich auch Bieter ohne eigene IT-Abteilung an diesem beteiligen können.30 Daher stellt die Verwendung allgemein verfügbarer Kommunikationsmittel eine wesentliche Voraussetzung für einen diskriminierungsfreien Zugang zum Wettbewerb dar. Diese müssen auch sicherstellen, dass die Angebote und sonstigen rechtserheblichen Erklärungen der Bieter dem Auftraggeber bei rechtzeitiger Absendung fristgerecht zugehen.31
Nach dem Grundsatz der Vertraulichkeit der übermittelten Daten muss der Auftraggeber bei der Mitteilung, dem Austausch und der Speicherung der Daten der Marktteilnehmer gewährleisten, dass die Inhalte der Angebote und der Teilnahmeanträge bis zum Ablauf der Eingangsfrist vertraulich bleiben und nicht von anderen z. B. Konkurrenten zur Kenntnis genommen werden können. Der Auftraggeber muss ferner sicherstellen, dass die Daten nicht durch Unbefugte verändert oder in anderer Weise manipuliert werden können.
• Die Integrität und Vertraulichkeit der Daten erfordert daher bei schriftlicher Übermittlung der Angebote oder Teilnahmeanträge die Verwendung eines verschlossenen und als Angebot bzw. Teilnahmeantrag gekennzeichneten Umschlages (bspw. § 38 Abs. 8 UVgO), auf dem ein Eingangsvermerk anzubringen ist und der bis zum Ablauf der Angebotsfrist unter Verschluss gehalten werden muss (bspw. § 39 Satz 2 UVgO).
• Erfolgt die Übermittlung auf dem elektronischen Wege d. h. in der Form des § 126b BGB bedarf es einer Verschlüsselung (vgl. § 7 Abs. 4 UVgO i. V. m. § 11 Abs. 2 VgV). Ferner sind zum Schutz der Informations- und Kommunikationstechnologie vor fremden Zugriffen geeignete organisatorische und technische Maßnahmen zu ergreifen, die dem aktuellen Stand der Technik entsprechen. Überdies sind die Anforderungen des § 10 Abs. 1 Nrn. 1–7 VgV (z. B. Sicherstellung der Datenintegrität und Verschlüsselung) zu beachten. Hierbei muss der Aufraggeber allen Unternehmen eine diesen zugängliche Verschlüsselungsmethode für die Zusendung der Unterlagen vorgeben.
Bei einer Übermittlung der Angebote und Teilnahmeanträge per Telefax (vgl. § 38 Abs. 1 UVgO) dürfte nach den vorstehenden Grundsätzen ebenfalls eine Verschlüsselung gefordert werden.
Das Vergaberecht ist Gegenstand vielfältiger Regelungen auf europäischer und nationaler Ebene. Entsprechend dem allgemeinen Rangverhältnis der Rechtsnormen finden sich auf höchster Stufe die Vorgaben des Europäischen Rechts, die die Ausgestaltung des nationalen Rechts prägen.
Hier ist zunächst der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) zu nennen.32 Die Normen des AEUV gehören zu dem sog. EU-Primärrecht und gelten in allen Mitgliedsstaaten unmittelbar und ohne weitere Umsetzung. Gleiches gilt für Verordnungen der EU, z. B. zur Verwendung von Standardformularen für die Auftragsbekanntmachung oder für die Einheitliche Europäische Eignungserklärung oder über die Anpassung der sog. Schwellenwerte. Auf Grundlage des AEUV bzw. seines Vorgängers, des EG-Vertrages, sind die EU-Vergaberichtlinien erlassen worden. Die Richtlinien gehören zum sog. EU-Sekundärrecht, sie enthalten verbindliche Vorgaben für einen EU-weiten Mindeststandard, welcher von den Mitgliedsstaaten im Rahmen ihrer nationalen Gesetzgebung eingehalten werden muss.
Der deutsche Gesetzgeber hat die EU-Vergaberichtlinien ins nationale Recht umgesetzt. Die grundsätzlichen Bestimmungen finden sich im Vierten Teil des GWB. Von dessen Ermächtigung, nähere Bestimmungen über das Vergabeverfahren durch Rechtsverordnung zu treffen, hat die Bundesregierung durch Erlass der Vergabeverordnung(VgV), der Sektorenverordnung (SektVO) und der Vergabeordnung für die Bereiche Verteidigung und Sicherheit (VSVgV) Gebrauch gemacht. Die Vergabeverordnung verweist ihrerseits wegen der Auftragsvergaben im Baubereich auf die Abschnitte 2 (EU) und 3 (VS) des Teils A der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/A). Bei der Anwendung dieser Vorschriften sind wiederum zahlreiche landesrechtliche Regelungen zu beachten, die sich im Haushaltsrecht und den jeweiligen Vergabegesetzen der Länder, Erlassen und weiteren Rechtsquellen finden.
Das nationale Vergaberecht ist somit mehrstufig aufgebaut; für diesen Aufbau hat sich die Bezeichnung „Kaskadenprinzip“ durchgesetzt. Zugleich ist es einer Zweiteilung in ein Vergaberecht für die Auftragsvergabe bei EU-weiter Ausschreibungspflicht und eines für die Vergabe bei nationaler Ausschreibungspflicht unterworfen; hierfür haben sich umgangssprachlich die Begriffe Oberschwellenvergabe und Unterschwellenvergabe eingebürgert.
Das europäische Recht bildet den Ausgangspunkt und den Rahmen des nationalen Vergaberechts. Gleich, ob es sich um EU-weit auszuschreibende Beschaffungen oder um nationale Verfahren handelt – stets sind die Rechtsgrundsätze des Gemeinschaftsrechts (Transparenzgebot, fairer Wettbewerb) sowie die Vorschriften des AEUV zu beachten. Daher sollen zunächst die europäischen Grundlagen des Vergaberechts dargestellt werden.
a. Der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union. Der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ist neben dem Vertrag über die Europäische Union (EUV) einer der Gründungsverträge der Europäischen Union (EU). Er ist mit Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon am 1.12.2009 an die Stelle des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG-Vertrag) getreten. Die europäischen Gründungsverträge werden als Primärrecht bezeichnet, da sie die Grundlage für den Erlass weiterer Rechtsnormen (Sekundärrecht) darstellen. Für das Vergaberecht sind neben dem Diskriminierungsverbot (Art. 18 AEUV) in erster Linie die Grundfreiheiten:
• der freie Warenverkehr (Art. 28 ff. AEUV), der das Verbot von Zöllen und Abgaben gleicher Wirkung sowie das Verbot mengenmäßiger Ein- und Ausfuhrbeschränkungen enthält,
• der freie Personenverkehr, insbesondere die Freizügigkeit der Arbeitnehmer (Art. 45 AEUV) und die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV),
• der freie Dienstleistungsverkehr (Art. 56 AEUV) und
• der freie Kapitalverkehr (Art. 63 ff. AEUV).
von Bedeutung. Wesentliches Merkmal aller Grundfreiheiten ist deren unmittelbare Anwendbarkeit, d. h. jeder Unionsbürger kann sich auch ohne eine Umsetzung ins nationale Recht auf sie berufen.
b. Die EU-Vergaberichtlinien. Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft gelten gem. Art. 288 Abs. 3 AEUV in den Mitgliedstaaten nicht unmittelbar; erforderlich ist vielmehr eine Umsetzung in nationales Recht. Dabei verbleibt den Mitgliedstaaten jedoch hinsichtlich der Form und der Mittel ein gewisser Spielraum, um nationale Besonderheiten zu berücksichtigen. Lediglich das Ziel der Richtlinien ist für alle Mitgliedstaaten verbindlich.33