Wasser Energie Verkehr - Dieter B. Schütte - E-Book

Wasser Energie Verkehr E-Book

Dieter B. Schütte

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Beschreibung

Die Sektorenverordnung gilt für die Vergabe von Aufträgen in den Bereichen Energie, Trinkwasser und Verkehr. Öffentliche Auftraggeber sind in diesen Sektoren bei der Vergabe von Liefer-, Bau- und Dienstleistungsaufträgen betroffen. Das Buch beschäftigt sich mit den praktischen Abläufen der Vergabeverfahren für Sektorenauftraggeber und differenziert nach Vergaben oberhalb und unterhalb der Schwellenwerte. Wichtige Strukturen und Zusammenhänge werden anhand von praktischen Beispielsfällen nachvollziehbar. Besonders aktuellen Aufgabenstellungen, wie z. B. dem Verhandlungsverfahren, sowie Fragen des Rechtsschutzes sind jeweils eigene Kapitel gewidmet. Die diesbezüglich relevanten Texte zentraler Vergabevorschriften stehen gesammelt über einen Link zum Download zur Verfügung.

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Seitenzahl: 294

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Wasser – Energie – Verkehr

Vergaberecht für Praktiker – Eine Einführung anhand von Fällen

bearbeitet von

Dieter B. SchütteRechtsanwalt, Bad Doberan

Michael HorstkotteRechtsanwalt, Fachanwalt für Vergaberecht und Verwaltungsrecht, Rostock

Olaf HünemörderRechtsanwalt, Fachanwalt für Vergaberecht, Bad Doberan

Jörg WiedemannRichter, Naumburg

unter Mitarbeit von

Mathias WestburgRechtsanwalt, Ludwigslust

2., überarbeitete Auflage

Verlag W. Kohlhammer

2. Auflage 2025

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN: 978-3-17-040994-1

E-Book-Formate:

pdf:  ISBN 978-3-17-040995-8

epub: ISBN 978-3-17-040996-5

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

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Die Sektorenverordnung gilt für die Vergabe von Aufträgen in den Bereichen Energie, Trinkwasser und Verkehr. Öffentliche Auftraggeber sind in diesen Sektoren bei der Vergabe von Liefer-, Bau- und Dienstleistungsaufträgen betroffen. Das Buch beschäftigt sich mit den praktischen Abläufen der Vergabeverfahren für Sektorenauftraggeber und differenziert nach Vergaben oberhalb und unterhalb der Schwellenwerte. Wichtige Strukturen und Zusammenhänge werden anhand von praktischen Beispielsfällen nachvollziehbar. Besonders aktuellen Aufgabenstellungen, wie z. B. dem Verhandlungsverfahren, sowie Fragen des Rechtsschutzes sind jeweils eigene Kapitel gewidmet. Die diesbezüglich relevanten Texte zentraler Vergabevorschriften stehen gesammelt über einen Link zum Download zur Verfügung.

Die Rechtsanwälte Dieter B. Schütte, Michael Horstkotte und Olaf Hünemörder beraten Stadtwerke, Zweckverbände und andere kommunale Versorgungsbetriebe und leiten Fachseminare im Bereich des Vergaberechts.

Jörg Wiedemann befasst sich als Richter am OLG Naumburg mit dem Vergaberecht.

Vorwort zur 2. Auflage

Die öffentliche Hand ist zur Erfüllung ihrer Aufgaben darauf angewiesen, Bau-, Liefer- und Dienstleistungen, welche sie nicht mit eigenen Kapazitäten erbringen kann, auf dem Markt zu beschaffen. Nach dem jeweils für sie geltenden Haushaltsrecht sind Träger der öffentlichen Hand verpflichtet, nach einer Wirtschaftlichkeitsuntersuchung zu entscheiden, ob sie solche Leistungen besser aus eigener Kraft erbringen oder unter Rückgriff auf die Ressourcen des Marktes einkaufen. Begeben sie sich auf den Markt, dann gelten hierfür spezielle Regelungen. Während das öffentliche Auftragswesen lange Zeit nahezu ausschließlich als internes Recht der Verwaltung, nahezu ausschließlich im Haushaltsrecht geregelt und allein vom Grundsatz der sparsamen und wirtschaftlichen Mittelverwendung geprägt war, gewannen seit etwa Mitte der 1970er Jahre – ausgehend von der Entwicklung und Stärkung des Binnenmarktes in der Europäischen Gemeinschaft bzw. später der Europäischen Union – zunehmend auch Aspekte des Wettbewerbsrechts an Bedeutung. Inzwischen hat die EU nicht nur Grundfreiheiten der Unternehmen im Binnenmarkt normiert – diese Grundfreiheiten sind sog. EU-Primärrecht, gelten unmittelbar in allen Mitgliedsstaaten und sind im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) geregelt –, sondern es sind Richtlinien geschaffen worden, welche zu einer Harmonisierung der nationalen Rechtsordnungen führen sollen – sog. EU-Sekundärrecht, welches grundsätzlich zu seiner Geltung einer Umsetzung in das jeweilige nationale Recht bedarf.

Im Rahmen des europäischen Vergaberechts gibt es Sonderregelungen für Wirtschaftsbereiche (sog. Sektoren), die spezifischen Marktstrukturen und Marktmechanismen unterliegen. Das sind leitungsgebundene Infrastrukturen (Trinkwasser, Elektrizität, Gas und Wärme) und feste Infrastrukturen für Verkehr (Eisenbahn, Straßenbahn, Trolleybus, Seilbahn, Bus, Häfen und Flughäfen) sowie im Bereich fossiler Brennstoffe. Im deutschen Recht sind diese Regelungen teilweise im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und ganz überwiegend in der Sektorenverordnung (SektVO) enthalten. Auch Jahre nach Inkrafttreten der Sektorenverordnung am 18.4.2016 sind nicht alle Rechtsfragen, die mit dieser Verordnung aufgeworfen wurden, geklärt und nicht alle Praktiker mit den neuen Regelungen vertraut.

Aus diesem Grund wendet sich dieses Buch an jene Praktiker, die sich einen schnellen Überblick über das Vergaberecht in den Bereichen der Wasser- und Energieversorgung und des Verkehrs verschaffen wollen. Durch die prägnante Darstellung und Vielzahl nützlicher Querverweise ist dieses Buch auch für Studierende der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften interessant, die sich mit dem Sektorenvergaberecht vertraut machen wollen.

Anhand einfacher Strukturen und anschaulicher Fälle soll das Werk ein schnelles Einarbeiten in das komplexe Rechtsgebiet ermöglichen. Praxisnahe Tipps sollen ein Gespür für die taktischen Aspekte im Vergabeverfahren vermitteln und beim Aufdecken der gängigsten Fehlerquellen helfen. Zugleich widmet sich das Buch der neuesten Rechtsprechung zum Vergaberecht, die bis zum Stand März 2024 eingearbeitet ist, um auch einen (Aus-)Blick auf die aktuellen Entwicklungen in diesem Rechtsgebiet zu ermöglichen.

Die Autoren Schütte, Horstkotte und Hünemörder beraten als Rechtsanwälte schwerpunktmäßig Stadtwerke, Zweckverbände und andere kommunale Versorgungsbetriebe. Der Autor Wiedemann ist als Richter am Oberlandesgericht Naumburg mit dem Vergaberecht befasst. Die Autoren führen regelmäßig Fachseminare auf dem Gebiet des Vergaberechts durch. Sie sind Autoren zahlreicher Fachveröffentlichungen zum Vergaberecht und zum Recht der öffentlichen Versorgungsunternehmen. Die Autoren danken Herrn Rechtsanwalt Johannes Jenß für seine sorgfältige Recherche und die Gesamtredaktion.

Für Anregungen und Rückfragen zu diesem Buch sind wir dem Leser dankbar. Nehmen Sie Kontakt zu der Kanzlei Schütte Horstkotte und Partner, Neuer Markt 17, 18055 Rostock auf unter [email protected] bzw. [email protected] oder telefonisch unter 0381/4930260.

Die AutorenApril 2024

Die in dem Buch zitierten Vorschriften können über folgenden Link eingesehen werden

https://dl.kohlhammer.de/978-3-17-040994-1

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Literaturverzeichnis

A.Grundlagen des Vergaberechts in den Bereichen Trinkwasser, Energie und Verkehr

I.Gegenstand des Vergaberechts

II.Rechtsgrundlagen

III.Sektorenvergaberecht als Sonderrecht

IV.Neustrukturierung des Sektorenvergaberechts

V.Aufbau der Sektorenverordnung

VI.Rechtsgrundlagen für Vergaben im Sektorenbereich

1.Grundprinzipien des Vergaberechts

a)Transparenz.

b)Wettbewerb.

c)Vertraulichkeitsschutz.

d)Gleichbehandlung.

e)Wirtschaftlichkeit.

f)Förderung mittelständischer Interessen.

g)Verwirklichung des freien europäischen Binnenmarktes.

h)Treu und Glauben.

i)Anforderungen an die Kommunikation.

2.Ermessen und Beurteilungsspielraum des Auftraggebers

3.Vergaberecht kraft eigener Geltung

4.Verpflichtung zur Anwendung von Vergaberecht durch Haushaltsrecht

B.Anwendungsbereich der Sektorenverordnung

I.Persönlicher Anwendungsbereich – Für wen gilt die SektVO?

1.Öffentliche Auftraggeber im Allgemeinen

2.Öffentliche Auftraggeber im Sektorenbereich

a)Begriff des Sektorenauftraggebers.

b)Reine Sektorenauftraggeber.

c)Öffentliche Auftraggeber.

d)Abgrenzung zu Vergaben in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit.

3.Auftragnehmer

II.Vergaberechtlich relevante Tätigkeiten

III.Sektorentätigkeiten: Der sachliche Anwendungsbereich – Wann haben Sektorenauftraggeber die SektVO anzuwenden?

1.Trinkwasserversorgung

a)Das Erfordernis fester Netze.

b)Versorgung der Allgemeinheit.

c)Betreiben und Bereitstellen der Netze.

d)Gewinnung von Trinkwasser.

e)Transport und Verteilung von Trinkwasser und die Versorgung der Netze mit Trinkwasser.

f)Erweiterungen der Tätigkeit.

g)Einschränkung.

2.Elektrizitäts-, Gas- und Wärmeversorgung

a)Das Erfordernis fester Netze.

b)Versorgung der Allgemeinheit.

c)Betreiben und Bereitstellen der Netze.

3.Verkehrsleistungen

a)Bereitstellen und Betreiben von Verkehrsnetzen.

b)Erbringen von Verkehrsleistungen.

4.Flug- und Schiffsverkehr

5.Fossile Brennstoffe

6.Mischaufträge mit und ohne Sektorenbezug

a)§ 111 GWB.

b)§ 112 GWB.

c)Sonderfälle.

7.Tätigkeiten im Zusammenhang mit den Sektorentätigkeiten

a)Abgrenzungskriterien.

b)Einzelne Tätigkeiten im Detail.

IV.Anwendung des Vergaberechts bei Inhouse-Geschäften

V.Anwendung des Vergaberechts bei Kooperationen zwischen Kommunen und anderen selbstständigen staatlichen Einheiten

VI.Anwendung des Vergaberechts bei Vertragsverlängerungen

1.Vertragsverlängerungen ohne Pflicht zur Neuausschreibung

2.Vertragsverlängerungen mit Pflicht zur Neuausschreibung

VII.Anwendung des Vergaberechts bei Nebenangeboten

VIII.Schwellenwerte

1.Schwellenwerte im Sektorenvergaberecht

a)Bedeutung der Schwellenwerte.

b)Geltungsdauer.

c)Höhe.

2.Ermittlung der Schwellenwerte

a)Methode und Zeitpunkt der Auftragswertermittlung.

b)Umgehungsverbot.

c)Schätzung des Auftragswertes in besonderen Fällen.

IX.Ausnahmen

1.Ausnahmen in der SektVO

2.Ausnahmen der §§ 137 bis 140 GWB für den Sektorenbereich

a)Beschaffung von Trinkwasser, Energie und Brennstoffen.

b)Unternehmensverbünde, § 138 GWB.

c)Netze in Drittstaaten.

d)Finanzdienstleistungen.

3.Ausnahmen für Sektorentätigkeiten, die unmittelbar dem Wettbewerb ausgesetzt sind

a)Verfahren nach § 3 SektVO.

b)Vergabe von Bau- und Dienstleistungskonzessionen.

c)Vergabe von Konzessionen an Subventionsempfänger und im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge.

4.Allgemeine Ausnahmen nach GWB

a)Arbeitsverträge.

b)Staatlich verliehene Monopole.

c)Immobilienbezogene Geschäfte.

d)Schlichtungs- und Schiedsgerichtsleistungen.

e)Katastrophenschutz, Zivilschutz, Gefahrenabwehr.

C.Vorbereitung des Vergabeverfahrens bis zur Bekanntgabe – Auswahl der Verfahrensart und Vertragsform; Erstellung der Unterlagen

I.Die Auswahl der Vergabeart

1.Verfahren bei Sektorentätigkeiten oberhalb der Schwellenwerte

a)Grundsatz.

b)Offenes Verfahren.

c)Nicht offenes Verfahren.

d)Verhandlungsverfahren.

e)Planungswettbewerbe.

f)Innovationspartnerschaft.

2.Verfahrensarten unterhalb der Schwellenwerte

3.Ausschreibung im Ganzen oder losweise Vergabe?

II.Die Auswahl der Vertragsform

1.Die Wahl der richtigen Vertragsart

2.Die Wahl der zweckmäßigsten Form des Vertragsabschlusses

III.Die Vergabeunterlagen

1.Leistungsbeschreibung als Herzstück des Vergabeverfahrens

a)Gegenstand der Leistungsbeschreibung.

b)Inhaltliche Anforderungen an die Leistungsbeschreibung.

2.Fristen

a)Bemessung der Fristen.

b)Länge und Berechnung der Fristen.

c)Fristen für zusätzliche Unterlagen und Auskünfte.

d)Zuschlags- und Bindefrist.

3.Eignungs- und Wertungskriterien

4.Anforderung von Subunternehmererklärungen

D.Durchführung des Vergabeverfahrens

I.Bekanntmachung der Eignungs- und Zuschlagskriterien

1.Inhalt und Zweck der Bekanntmachung

2.Form und Veröffentlichung der Bekanntmachung

3.Inhalt der Vergabeunterlagen

II.Aufforderung zur Angebotsabgabe

III.Öffnung der Angebote

IV.Prüfung und Wertung der Angebote (§ 51 SektVO)

1.Erste Stufe: Eignung der Angebote

a)Ausschluss von Angeboten mit sofort erkennbaren, groben Fehlern.

b)Ausschluss von unvollständigen Angeboten.

c)Ausschluss von abweichenden Angeboten.

d)Ausschluss von widersprüchlichen Angeboten.

e)Ausschluss von doppelten Angeboten.

2.Zweite Stufe: Eignung der Bieter

a)Gesetzliche Auswahlkriterien.

b)Fachkunde.

c)Leistungsfähigkeit.

d)Zuverlässigkeit und Gesetzestreue.

e)Bestimmung und Nachweis der Eignungskriterien.

3.Dritte Stufe: Ausschluss ungeeigneter Angebote

a)Ausschluss von Angeboten mit ungewöhnlich niedrigem Preis.

b)Ausschluss von Angeboten aus Drittstaaten.

4.Vierte Stufe: Entscheidung über das wirtschaftlichste Angebot

a)Prüfung der Wirtschaftlichkeit.

b)Zulässigkeit von Nachverhandlungen.

c)Preisrecht und Vergabe.

5.Abschluss: Informationspflichten und Zuschlag

V.Ablauf des Verhandlungsverfahrens

1.Unterschiede zum offenen und nicht offenen Verfahren

a)Bei der Angebotsprüfung.

b)Bei der Eignungsprüfung.

2.Verhandlungsstrategien

a)Sukzessives Abschichten.

b)„Preferred bidder“.

c)Verhandlungspflicht des Auftraggebers.

3.Formen der Verhandlungen

4.Verhandlungsgegenstände

5.Häufige Fehler in den Verhandlungen

VI.Das dynamische Beschaffungssystem

VII.Aufhebung und Einstellung des Vergabeverfahrens

1.Möglichkeit zur Aufhebung oder Einstellung des Verfahrens

2.Teilaufhebung oder -einstellung des Verfahrens

3.Folgen einer unberechtigten Aufhebung oder Einstellung des Verfahrens

VIII.Nach der Vergabe – Auftragsänderungen

E.Rechtsschutz

I.Rechtsschutz im Vergaberecht

II.Vorabinformations- und Wartepflicht

1.Vorabinformationspflicht

2.Wartepflicht

3.Folgen eines Verstoßes

III.Rügeobliegenheiten des Bieters

1.Gegenstand und Zweck

2.Rügefristen

3.Rügeberechtigung

IV.Akteneinsichtsrecht des Bieters

V.Rechtsschutz oberhalb der Schwellenwerte

1.Primärrechtsschutz im Nachprüfungsverfahren

a)Antrag, §§ 160 Abs. 1, 161 GWB.

b)Antragsbefugnis.

c)Antragsfrist.

d)Erfüllung der Rügeobliegenheit.

e)Besonderheiten bei De-facto-Vergaben.

2.Sekundärrechtsschutz (Schadensersatz)

a)Allgemeine Ersatzansprüche.

b)Besonderer Ersatzanspruch bei Pflicht zur EU-weiten Ausschreibung.

3.Sonstiger Rechtsschutz

a)Eilverfahren.

b)Sofortige Beschwerde zum Oberlandesgericht.

c)Divergenz- und EuGH-Vorlage.

d)Fortsetzungsfeststellung.

e)Europarechtliches Vertragsverletzungsverfahren.

VI.Rechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte

1.Die Rechtswegfrage

2.Betroffenheit eines subjektiven Rechts?

VII.Schadenersatz des Auftraggebers bei missbräuchlicher Inanspruchnahme von Rechtsschutz

Stichwortverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

a. A.andere Ansicht/Auffassunga. a. O.am angegebenen OrtABl.AmtsblattAbs.Absatza. E.am EndeAEUVVertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Uniona. F.alte(r) FassungAOAbgabenordnungArt. ArtikelBAnzBundesanzeigerBauRBaurecht (Zeitschrift)BayObLGBayerisches Oberstes LandesgerichtBBBetriebsberater (Zeitschrift)BGBBürgerliches GesetzbuchBGBl.BundesgesetzblattBGHBundesgerichtshofBKartABundeskartellamtBR-Drs.Bundesrats-DrucksacheBT-Drs.Bundestags-DrucksacheBVerfGBundesverfassungsgerichtBVerfGEEntscheidungssammlung des BVerfGBVerwGBundesverwaltungsgerichtbzgl.bezüglichbzw.beziehungsweiseca.circaders.derselbed. h.das heißtDÖVDie Öffentliche Verwaltung (Zeitschrift)DVBl.Deutsches Verwaltungsblatt (Zeitschrift)EGEuropäische GemeinschaftenEUEuropäische UnionEuGHGerichtshof der Europäischen GemeinschaftenEuZWEuropäische Zeitschrift für Wirtschaftsrechtf./ff.(fort-)folgendeFn.Fußnotegem.gemäßGemHVOGemeindehaushaltsverordnungGGGrundgesetzggf.gegebenenfallsGWBGesetz gegen WettbewerbsbeschränkungenHGrGHaushaltsgrundsätzegesetzh. M.herrschende MeinungHrsg.Herausgeberhrsg. v.herausgegeben vonIBRImmobilien und Baurecht (Zeitschrift)i. d. F.in der Fassungi. d. R.in der Regeli. e. S.im engeren Sinnei. H. v.in Höhe voni. S. d.im Sinne des/der/dieseri. S. v.im Sinne voni. V. m.in Verbindung mitinsb.insbesondereinsg.insgesamtJuSJuristische Schulung (Zeitschrift)JZJuristenzeitungKGKammergerichtKOMEuropäische KommissionKVKommunalverfassung Mecklenburg-VorpommernLGLandgerichtLuftVZOLuftverkehrs-Zulassungsordnungm. w. N.mit weiteren NachweisenNJWNeue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift)Nr. NummerNVwZNeue Zeitschrift für VerwaltungsrechtNZBauNeue Zeitschrift für Baurecht und Vergaberechto. ä.oder ähnliche(r/s)o. g.oben genannte(r)OLGOberlandesgerichtOLGROLG-ReportÖPPÖffentlich-Private Partnerschaft(en)RLRichtlinieRMRRechtsmittelrichtlinieRn.RandnummerRs.RechtssacheS.Seites.siehes. o.siehe obens. u.siehe untenSektVOSektorenverordnungSKRSektorenkoordinierungsrichtlinieSlg.Sammlungsog.sogenannte(r/s)SRMRSektorenrechtsmittelrichtlinieStGBStrafgesetzbuchTVGTarifvertragsgesetzTz.TextzifferUAUnterabsatzu. a.unter anderem/und andereu. ä.und ähnliche(s)usw.und so weiteru. U.unter UmständenVergabeRVergaberecht (Zeitschrift)VgGVergabegesetzvgl.vergleicheVgVVergabeverordnungVKVergabekammerVKRVergabekoordinierungsrichtlinieVOBVergabe- u. Vertragsordnung für BauleistungenVOFVergabeordnung für freiberufliche LeistungenVOLVergabe- und Vertragsordnung für LeistungenVO PR Nr. 30/53Verordnung PR Nr. 30/53 über die Preise bei öffentlichen AuftragnehmernVS VgVVergabeverordnung für den Bereich Verteidigung und SicherheitWiStGWirtschaftsstrafgesetzWuWWirtschaft und Wettbewerb (Zeitschrift)z. B.zum BeispielZfBRZeitschrift für Baurechtzit.zitiertz. T.zum Teil

Literaturverzeichnis

Ax, Thomas/Schneider, Matthias/Siewert, Josephine, Auftragsvergabe, 2. Aufl., Berlin 2010

Burgi, Manfred/Dreher, Meinrad/Opitz, Marc (Hrsg.), Beck’scher Vergaberechtskommentar Band 1 – GWB, 4. Aufl., Verlag C. H. Beck 2022

Dies., Beck’scher Vergaberechtskommentar Band 2 – VgV, SektVO, KonzVgV, SVgV, VOB/A-EU, VOB/A-VS, 3. Aufl., Verlag C. H. Beck 2019

Dierkes, Mathias/Hamann, Rolf, Öffentliches Preisrecht in der Wasserwirtschaft, 1. Aufl., Nomos Verlag 2009

Erbguth, Wilfried, Allgemeines Verwaltungsrecht mit Verwaltungsprozess- und Staatshaftungsrecht, 5. Aufl., Baden-Baden 2013

Erlenkämper, Friedel/Zimmermann, Uwe (Hrsg.), Rechtshandbuch für die kommunale Praxis, Baden-Baden 2009

Eschenbruch, Klaus/Opitz, Marc/Röwekamp, Hendrik (Hrsg.), Sektorenverordnung – Kommentar, 2. Aufl., Verlag C. H. Beck 2019

Marx, Fridhelm, Vergaberecht für Versorgungsbetriebe, Baden-Baden 2011

Noch, Rainer, Vergaberecht kompakt, 5. Aufl., Neuwied 2011

Röwekamp, Hendrik/Kus, Alexander/Portz, Norbert/Hans-Joachim Prieß (Hrsg.), Kommentar zum GWB-Vergaberecht, 5. Aufl., Werner Verlag 2020

Schütte, Dieter B./Horstkotte, Michael/Schubert, Mathias/Wiedemann, Jörg, Vergabe öffentlicher Aufträge – Eine Einführung anhand von Fällen aus der Praxis, 4. Aufl., Stuttgart 2021

Trautner, Wolfgang E./Schwabe, Christof, Praxishandbuch Sektorenverordnung, Berlin 2011

Willenbruch, Klaus/Wieddekind, Kristina/Hübner, Alexander (Hrsg.), Vergaberecht – Kommentar, 5. Aufl., Werner Verlag 2023

Ziekow, Jan/Völlink, Uwe-Carsten (Hrsg.), Vergaberecht – Kommentar, 5. Aufl., Verlag C. H. Beck 2024

A.Grundlagen des Vergaberechts in den Bereichen Trinkwasser, Energie und Verkehr

I.Gegenstand des Vergaberechts

1Das Vergaberecht regelt die Beschaffung von Liefer-, Bau- und Dienstleistungen durch die öffentliche Hand.

Da die Vergabe öffentlicher Aufträge bis heute einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor darstellt, ist sie für Wettbewerbsverzerrungen anfällig. Die öffentlichen Auftraggeber sind daher zu einer transparenten und diskriminierungsfreien Beschaffung im Wettbewerb verpflichtet. Die Verhinderung von Wettbewerbsverzerrungen dient zugleich der Durchsetzung einer wirtschaftlichen Haushaltsführung, und trägt damit auch den Verpflichtungen aus dem Haushaltsrecht, allen voran dem HGrG und der Haushaltsordnungen des Bundes und der Länder sowie ihrer jeweiligen Gemeindehaushaltsverordnungen, Rechnung.

Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber verbindliche Vorgaben geschaffen, die die öffentliche Auftragsvergabe regeln. Die Gesamtheit dieser Vorschriften, die Träger öffentlicher Verwaltung bei der Beschaffung von sachlichen Mitteln und Leistungen, die sie zur Erfüllung von Verwaltungsaufgaben benötigen, anzuwenden haben, bilden das Vergaberecht.1

II.Rechtsgrundlagen

2Das Vergaberecht folgt einem mehrstufigen Aufbau, der sich in den vielfältigen Regelungen auf europäischer und nationaler Ebene niederschlägt.

Entsprechend dem Rangverhältnis der Rechtsnormen finden sich auf höchster Stufe die Vorgaben des Europäischen Rechts, welche die Ausgestaltung des nationalen Rechts prägen.

Hier ist zunächst der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) als Primärrecht zu nennen, der unmittelbare Geltung in den Mitgliedsstaaten hat.

Auf Grundlage des AEUV – oder genauer des durch diesen abgelösten EGV – sind die EG-Vergaberichtlinien als sog. Sekundärrecht erlassen worden, namentlich die:

–  Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG

–  Richtlinie 2009/81/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe bestimmter Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit und zur Änderung der Richtlinien 2004/17/EG und 2004/18/EG

–  Richtlinie 2014/25/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/17/EG

–  Richtlinie 2014/23/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Konzessionsvergabe

–  Richtlinie 2014/55/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über die elektronische Rechnungsstellung bei öffentlichen Aufträgen

Zudem sind die Rechtsmittelrichtlinien der EG2 zu beachten.

Der deutsche Gesetzgeber setzt die EU-Richtlinien in nationales Recht um. Während sich die grundsätzlichen Bestimmungen im 4. Teil des GWB finden, hat die Bundesregierung von dessen Ermächtigung, das Vergabeverfahren durch Rechtsverordnungen näher auszugestalten, durch Erlass der Vergabeverordnung(VgV) Gebrauch gemacht. Die Vergabeverordnung verweist ihrerseits auf die Teile A der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/A). In den Sektoren Wasser, Energie und Verkehr erfolgte eine Umsetzung in Gestalt der Sektorenverordnung (SektVO). Ferner wurden mit der Konzessionsvergabeordnung (KonzVgV) und der Vergabeordnung Verteidigung und Sicherheit (VS-VgV) weitere Regelungen für die Vergabe von Konzessionen und Aufträgen im Verteidigungs- und Sicherheitsbereich geschaffen. Für die Vergabe von Lieder- und Dienstleistungsaufträgen unterhalb der EU-Schwellenwerte wurde die Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) geschaffen.

Das nationale Vergaberecht ist somit dreistufig aufgebaut; für diesen Aufbau hat sich die Bezeichnung „Kaskadenprinzip“ durchgesetzt. Zugleich ist es einer Zweiteilung3 in ein Vergaberecht oberhalb und unterhalb der Schwellenwerte unterworfen, die bis heute fortdauert und sich auch auf den Sektorenbereich erstreckt.

III.Sektorenvergaberecht als Sonderrecht

3Die Vorschriften über die Vergabe von Aufträgen im Sektorenbereich – Energie, Trinkwasser und Verkehr – verschafften den öffentlichen Auftraggebern seit Inkrafttreten der ersten Sektorenrichtlinie4 eine Reihe von Privilegien, die das Vergaberecht in diesen Bereichen liberaler gestalten.

Das Sektorenvergaberecht stellt somit einen Sonderbereich des Vergaberechts für die Einrichtungen der öffentlichen Daseinsvorsorge dar. Da die Aufgabe der Daseinsvorsorge zu den Kernaufgaben der öffentlichen Hand gehört und damit bis heute weitgehend vom Staat oder durch von diesem beherrschte (und so dem öffentlichen Zweck verpflichtete) Privatunternehmen erfüllt wird, hielt man es für geboten, den Sektorenbereich gesondert vom restlichen Vergaberecht zu regulieren.5

Die Einbindung der Sektorenauftraggeber in den Geltungsbereich des Vergaberechts sollte die im Sektorenbereich weitestgehend abgeschotteten Märkte für den Wettbewerb öffnen. Die Leitungsgebundenheit und damit einhergehende Örtlichkeit der von den Versorgungsunternehmen zu erbringenden Leistungen hatte die betreffenden Unternehmen nicht selten dazu animiert, auch bei Auftragsvergaben an andere Unternehmen nur regionale Bieter in die Auswahl zu ziehen. Darüber hinaus wollte der europäische Gesetzgeber mit dem Sektorenvergaberecht die unterschiedlichen Regulierungen in den Einzelstaaten vereinheitlichen.

IV.Neustrukturierung des Sektorenvergaberechts

4Das deutsche und europäische Vergaberecht waren seit dem Erlass der Richtlinie 90/531/EWG und ihrer Umsetzung starken Änderungen unterworfen.

So ist am 24.4.2009 eine grundlegende Neuregelung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) in Kraft getreten, die für alle ab diesem Tag begonnenen Verfahren maßgeblich ist (§ 131 Abs. 8 GWB a. F.).

Mit Inkrafttreten der Sektorenverordnung (SektVO) am 29.9.2009 sind die Abschnitte 3 und 4 der VOB/A, VOL/A und die §§ 8 und 9 VgV a. F. ausgegliedert und in der SektVO zusammengefasst worden, die nunmehr für alle ab diesem Tag begonnenen Verfahren Geltung beansprucht (§ 34 SektVO a. F.). Infolge der Trennung des Sektoren- vom sonstigen Vergaberecht wurde die VgV nicht mehr auf den Sektorenbereich anwendbar, § 2 Nr. 1, §§ 7 und 12 VgV a. F. wurden aufgehoben und erstmals eigene und einheitliche Vergabevorschriften für alle Auftraggeber der Bereiche

–  Trinkwasserversorgung

–  Energieversorgung (Elektrizitäts-, Gas- und Wärmeversorgung) und

–  Verkehr

geschaffen. Infolge dessen haben Vergaben von Sektorenaufträgen durch Sektorenauftraggeber ausschließlich nach der SektVO zu erfolgen, selbst dann, wenn es sich um Vergaben von Bauaufträgen handelt, die außerhalb des Sektorenbereichs nach der VOB/A vergeben werden müssten.

Der Gesetzgeber hat die Umstrukturierung des Vergaberechts genutzt, um auch die verbliebenen Vergabeordnungen zu verschlanken und zu vereinheitlichen und – wie die SektVO – dem Ablauf des Vergabeverfahrens nachzubilden. Die SektVO erhält zudem eigenständige Regelungen zu den Schwellenwerten und zur Schätzung der Auftragswerte (§ 2 SektVO). Sie gilt ausschließlich für Beschaffungsvorgänge, die die EU-Schwellenwerte überschreiten, vgl. § 1 Abs. 1 SektVO. Hieraus ergibt sich, dass die Vergaben von Stadtwerken, Energieversorgungs- und Verkehrsunternehmen sowie Kommunen, die die Trinkwasser- oder Energieversorgung über einen Eigenbetrieb oder Regiebetrieb betreiben, nach der SektVO erfolgen.

Am 18. April 2016 wurden durch das Vergaberechtsmodernisierungsgesetz neben dem GWB die SektVO VgV und VSVgV neu gefasst und um eine Konzessionsvergabeordnung (KonzVgV) ergänzt. Die VOL/A und VOF fielen im Oberschwellenbereich weg; im Unterschwellenbereich wird die Vergabe von Lieder- und Dienstleistungsaufträgen nun durch die UVgO geregelt.

V.Aufbau der Sektorenverordnung

5Die SektVO ist in fünf Abschnitte untergliedert und um drei Anhänge erweitert: Abschnitt 2 gibt den Ablauf des Vergabeverfahrens wieder, die Abschnitte 3 und 4 enthalten besondere Vorschriften für energieverbrauchsrelevante Leistungen bzw. Planungswettbewerbe, Abschnitt 1 enthält allgemeine Bestimmungen und Abschnitt 5 enthält Übergangs- und Schlussbestimmungen.

VI.Rechtsgrundlagen für Vergaben im Sektorenbereich

6Hinsichtlich der rechtlichen Grundlagen, die zur Anwendung von vergaberechtlichen Vorschriften verpflichten, ist zwischen dem eigentlichen Vergaberecht, das Geltung aus sich selbst heraus beansprucht und zu seiner Anwendung verpflichtet6 und den haushaltsrechtlichen Vorschriften zu unterscheiden, die die Anwendung von Vergabevorschriften unabhängig davon vorschreiben.7

1.Grundprinzipien des Vergaberechts

7Das Vergaberecht auf europäischer und nationaler Ebene ist von einer Reihe übergeordneter Prinzipien geprägt, die sich wie ein roter Faden durch die Regelungen ziehen und den öffentlichen Auftraggeber zu einer möglichst transparenten und diskriminierungsfreien Beschaffung im Wettbewerb nach dem Prinzip der Wirtschaftlichkeit verpflichten. Auch bei Vergabeverfahren, die in den Anwendungsbereich der SektVO fallen sind diese Grundprinzipien zu beachten.8 Auf Grundlage des primären Gemeinschaftsrechts (AEUV) hat sich der Auftraggeber daher von diesen folgenden Prinzipien leiten zu lassen:

8a) Transparenz.. Das Transparenzgebot (§ 97 Abs. 1 Satz 1 GWB und § 35 SektVO) fordert im Wesentlichen übersichtliche, nachvollziehbare Verfahren und vorhersehbare Entscheidungskriterien. Dies soll den potentiellen Bietern einerseits die Möglichkeit geben, ihre Chancen bei einer Teilnahme am Vergabeverfahren von vorne herein zu erkennen und ihre Angebote zielgerichtet an den Bedürfnissen des Auftraggebers zu orientieren. Andererseits zwingt die Öffentlichkeit den Auftraggeber dazu, unparteiisch zu verfahren und keinen Bieter entgegen dem Grundsatz Wirtschaftlichkeit zu bevorzugen. Transparenz ist damit zugleich eine Voraussetzung für die Verwirklichung des Wettbewerbsgebots: Wettbewerb kann nur funktionieren, wenn potenzielle Bieter chancengleich Kenntnis von den nachgefragten Leistungen und den Ausschreibungsbedingungen erlangen können.9

Ex-ante-Transparenz wird vor allem durch öffentliche Ausschreibungen erzielt; an ihr sind die Leistungsbeschreibung in Bezug auf den Leistungsinhalt, die Veröffentlichung der Auswahl- und Zuschlagskriterien sowie der Auftragsbedingungen zu messen. Der Inhalt der Leistung und die Bedingungen des Auftrags müssen in der Bekanntmachung und den Vergabeunterlagen so eindeutig und erschöpfend beschrieben werden, dass potentielle Bewerber die Leistungsbeschreibung und die Zuschlagskriterien bei durchschnittlicher Fachkunde und Anwendung der üblichen Sorgfalt in gleicher Weise auslegen können. Insbesondere bei auslegungsbedürftigen Kriterien ist daher anzugeben, welche konkreten Erwartungen der Auftraggeber an die Leistung hat.10 Der Auftraggeber muss sich bis zum Ende des Verfahrens an diese Auslegung der Zuschlagskriterien halten und darf diese – auch im Zuge des Verhandlungsverfahrens – nicht mehr wesentlich ändern.11 Dementsprechend darf die Vergabeentscheidung nur auf Kriterien gestützt werden, die vorher bekannt gemacht worden sind.12 Der Auftraggeber darf den sich aus der ursprünglichen Ausschreibung ergebenden Auftragsgegenstand nicht grundlegend ändern. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz und das Transparenzgebot liegt zudem vor, wenn nicht alle Bieter zum Zeitpunkt der Angebotserstellung über die gleichen Informationen verfügen und damit die gleichen Chancen haben.13

Von mindestens ebenso großer Bedeutung ist die sog. ex-post-Transparenz, die weitere Informations- und Dokumentationspflichten an den Auftraggeber stellt. Der Vergabevermerk hat die Vergabeentscheidung detailliert genug zu begründen, um von einem mit dem Verfahren vertrauten Leser nachvollzogen zu werden. Ferner die für die Beurteilung des Bieters und des Angebotes erforderlichen Nachweise in der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen zu dokumentieren.

Gerade die Rechtsschutzmöglichkeiten erfordern die Transparenz des gesamten Vergabeverfahrens, um anhand einer lückenlosen Dokumentation jeden Schritt des Entscheidungsprozesses verfolgen zu können. Die Dokumentation muss während des Vergabeverfahrens, d. h. in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit dem zu dokumentierenden Geschehen erfolgen.14 Die in der Dokumentation mitgeteilten Angaben und Gründe für die getroffenen Entscheidungen müssen allerdings so detailliert sein, dass sie für einen mit dem Vergabeverfahren vertrauten Leser nachvollziehbar sind.15 Insbesondere im Hinblick auf die Auswahl des wirtschaftlichsten Angebotes sind die verlangten Nachweise für die Beurteilung der Bietereignung und die Kriterien der Auftragserteilung in der Bekanntmachung zu dokumentieren, wenn diese nicht in den Vergabeunterlagen genannt sind. Entscheidend ist, dass der Bieter anhand der ihm durch den Auftraggeber mitgeteilten Kriterien in der Lage ist, seine Erfolgsaussichten zu beurteilen und ggf. auch die Entscheidung des Auftraggebers anhand dieser Kriterien nachzuvollziehen. Ferner sollen alle Bieter darüber informiert werden, wie die anderen Teilnehmer geboten haben, um für zukünftige Vergabeverfahren Rückschlüsse ziehen zu können. Auf diese Weise können begangene Fehler in Zukunft vermieden und die Teilnahme an Vergabeverfahren taktisch optimiert werden.

9b) Wettbewerb.. Das Gebot des fairen Wettbewerbs (§ 97 Abs. 1 GWB) fordert, dass jedes Unternehmen, egal in welchem Mitgliedstaat der EU es ansässig ist, unter den gleichen Voraussetzungen Zugang zur Auftragsvergabe hat. Das Wettbewerbsgebot stellt insoweit eine direkte Ausprägung der wesentlichen Grundfreiheiten des Europäischen Binnenmarktes – dem freien Waren- und Dienstleistungsverkehr (Art. 34 und 56 AEUV) und der Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) – dar.16

Die Auftragsvergabe muss in allen Phasen des Vergabeverfahrens so erfolgen, dass ein möglichst wirksamer Wettbewerb um die Aufträge gewährleistet ist. Grundsätzlich soll daher diejenige Verfahrensart bevorzugt werden, die den größeren Wettbewerb schafft. Zudem gebietet das Wettbewerbsgebot einen Geheimwettbewerb zwischen den an der Ausschreibung teilnehmenden Bietern, bspw. um Preisabsprachen zu vermeiden. Aus diesem Grund kann sich ein einzelner Bieter nicht zugleich als Mitglied einer Bietergemeinschaft am Vergabeverfahren beteiligen.

Verboten sind ferner vermeidbare Maßnahmen, durch die ein Unternehmen an der Teilnahme gehindert bzw. behindert wird, und anderweitige Verzerrungen des Wettbewerbs wie Subventionen. Absprachen der Bieter mit dem Ziel, den Wettbewerb durch Ausgleichszahlungen, Preisabsprachen, Einigungen über die Abgabe bzw. Nichtabgabe von Angeboten etc. auszuschalten, sind bereits nach § 1 GWB unzulässig. Vorsicht ist auch bei nachträglichen Preisabsprachen und anderweitigen Verhandlungen über den Auftrag geboten; diese sind nur zulässig, wenn der Auftraggeber das Verhandlungsverfahren gewählt hat. Ferner gebietet auch das Wettbewerbsgebot, dass von der Ausschreibung abweichende Angebote nicht berücksichtigt werden dürfen.17 Ein Verstoß gegen das Wettbewerbsgebot liegt schließlich auch darin begründet, dass ein Auftraggeber eine Verfahrensaufhebung herbeiführt, um anschließend im Verhandlungsverfahren vergeben zu können.18 Ebenfalls unzulässig ist eine Verengung der Leistungsbeschreibung auf bestimmte Hersteller19 oder eine unnötige Verschärfung der Anforderungen, die nur noch einem kleinen Kreis von Bietern eine Teilnahme am Vergabeverfahren erlaubt. Ebenso verbietet sich eine „Flucht ins Zuwendungsrecht“ durch eine den Wettbewerb ausschließende Direktvergabe als Zuwendung.20

Nicht generell unzulässig ist es dagegen, wenn ein Bieter oder Bewerber vor Einleitung des Vergabeverfahrens den Auftraggeber berät oder anderweitig unterstützt. Allerdings muss der Auftraggeber sicherstellen, dass der Wettbewerb durch die Teilnahme des Bieters oder Bewerbers nicht verfälscht wird.21

10c) Vertraulichkeitsschutz.. Die Pflicht zur Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen schließt auch die Vertraulichkeit der zum Zwecke der Ausschreibung übermittelten Daten (insb. Geschäftsgeheimnisse und persönliche Angaben zu den Eignungskriterien) ein. Daher enthält die SektVO neben Anforderungen zur Übermittlung und Speicherung der Daten auch Vorgaben zur Ausgestaltung des Verfahrens wie § 5 SektVO.

11d) Gleichbehandlung.. Der Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 97 Abs. 2 GWB) stellt die vergaberechtliche Ausprägung der Diskriminierungsverbote aus Art. 18, Art. 34, Art. 49, Art. 56 AEUV dar. Er verpflichtet öffentliche Auftraggeber, alle Teilnehmer des Vergabeverfahrens in allen Schritten des Verfahrens22 nach objektiv nachvollziehbaren, auftragsbezogenen Kriterien gleich zu behandeln und ihnen gleiche Chancen beim Zugang zum Wettbewerb zu gewähren. Eine Bevorzugung oder Benachteiligung einzelner Teilnehmer darf lediglich erfolgen, soweit das Gesetz dies ausdrücklich gestattet, und soweit diese aufgrund sachlicher Erwägungen erfolgt.

Bereits die Auswahl der teilnehmenden Unternehmen hat anhand objektiver, allen Interessenten zugänglichen Kriterien zu erfolgen (§ 46 Abs. 1 SektVO). Damit verbieten sich nicht nur jede Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit (Bsp.: unnötige Beschränkung auf regionale Bieter23), sondern alle Formen versteckter oder mittelbarer Diskriminierung, die bei Anwendung anderer Unterscheidungsmerkmale zu dem gleichen Ergebnis24 – bspw. zu einer vermeidbaren Bevorzugung ortsansässiger Teilnehmer durch eine entsprechende Ausgestaltung der Eignungskriterien25 – führen. Der Auftraggeber muss allen Bietern gleichzeitig die gleichen Informationen zukommen lassen und ihnen die Chance geben, innerhalb gleicher Fristen26 und zu gleichen Anforderungen ihre Angebote abzugeben bzw. ihre Angebote an nachträgliche Änderungen in den Vergabeunterlagen anzupassen.27 Folglich wäre es unzulässig, wenn die Vergabestelle als Termin der Angebotsabgabe einen vor dem Eröffnungstermin liegenden Tag bestimmt, dann aber die Angebotsfrist bis zum Eröffnungstermin verlängert, ohne sämtliche Bieter zu informieren28 oder verspätete Angebote in die Wertung einzubeziehen.

Das Gleichbehandlungsgebot ist ebenfalls verletzt, wenn der Auftraggeber Nebenangebote wertet, obwohl diese in der konkreten Vergabe nicht zugelassen sind oder nur bestimmte Angebote, die unter demselben Mangel leiden, ausschließt.29 Die Bieter sind zugleich an ihre Angebote gebunden; eine nachträgliche Änderung und Ergänzung ist ihnen (soweit der Auftraggeber keine wesentlichen Änderungen an den Vergabeunterlagen vornimmt) untersagt.30 Der Gleichbehandlungsgrundsatz fordert des Weiteren eine marken- und produktneutrale Ausschreibung.

Eine Diskriminierung liegt hingegen nicht vor, wenn die unterschiedliche Behandlung sachlich gerechtfertigt und verhältnismäßig ist. So kann es u. U. gerechtfertigt sein, für den Fall der Auftragserteilung eine Präsenz vor Ort zu verlangen, z. B. bei einem Auftrag zur Bauüberwachung.

Da sich der Gleichbehandlungsgrundsatz bereits aus dem Verfassungsrecht ergibt (Art. 3 Abs. 1 GG), ist er unabhängig von der Anwendbarkeit des GWB und der Erreichung der Schwellenwerte bei sämtlichen Beschaffungsvorgängen der öffentlichen Hand zu beachten.

12e) Wirtschaftlichkeit.. § 97 Abs. 1 Satz 2 GWB und § 52 Abs. 1 SektVO unterstellen die Vergabe dem Kriterium der Wirtschaftlichkeit. Entscheidend ist daher nicht allein der niedrigste Preis oder die beste Bewertung bei den anderen, für die Vergabeentscheidung relevanten Kriterien (wie der Ausführungsdauer, Qualität, Ästhetik, Vertragsabwicklung und der Gewährleistung), sondern das beste Preis-Leistungs-Verhältnis. Eine Beschränkung auf den niedrigsten Preis ist nur dort möglich, wo der Gegenstand der Ausschreibung homogene Angebote erwarten lässt.31 Der Auftraggeber wird dadurch gezwungen, wie ein Marktteilnehmer zu handeln; er soll bei der Beschaffung unternehmerisch-rational, vorhersehbar und nachvollziehbar eigennützig, d. h. „wie ein Privater“ vorgehen. Das Ziel dieser Anforderungen liegt auf der Hand: die wirtschaftliche Vergabe soll dabei helfen, die Haushaltsdisziplin zu wahren und die Vergabeentscheidung von persönlichen oder weltanschaulichen Motiven frei zu halten. Das Gebot der Wirtschaftlichkeit wirkt sich darüber hinaus aber nicht nur auf die Vergabeentscheidung an sich aus, sondern fordert auch eine möglichst effiziente Gestaltung des Vergabeverfahrens.32 Eine Konsequenz dessen ist, dass eine europaweite Ausschreibung erst ab bestimmten Auftragswerten erfolgen muss und geringwertige Leistungen z. T. freihändig vergeben werden können.

13f) Förderung mittelständischer Interessen.. Im Rahmen der Auftragsvergabe sollen nach § 97 Abs. 4 GWB mittelständische Interessen gefördert werden. Das geschieht insb. durch Teilung der Aufträge in Fach- und Teillose, soweit dies ökonomisch und technisch sinnvoll ist.33 Eine Losvergabe darf nur noch in begründeten – und in der Dokumentation zu begründenden34 – Ausnahmefällen unterbleiben.

Die Förderung mittelständischer Interessen ist damit ein von allen öffentlichen Auftraggebern zu beachtender Rechtsgrundsatz. Die Pflicht zur mittelstandsfreundlichen Vergabe dient zugleich – wenn auch nur indirekt – dem Primat der Wirtschaftlichkeit und dem Wettbewerbsgebot, indem sie einer marktbeherrschenden Konzentration auf größere Unternehmen entgegenwirken soll.35 Dies soll im Zuge der Umsetzung der Sektorenvergaberichtlinie beibehalten werden.36

Mittelständische Interessen sind aber auch über die Losvergabe hinaus bei der Auftragsvergabe zu berücksichtigen, etwa im Rahmen der Eignungsprüfung. So dürfen keine Referenzen verlangt werden, die nur von größeren Unternehmen beigebracht werden können, aber für den konkreten Auftrag nicht erforderlich sind.37 Ebenso wenig darf der Auftraggeber Auswahlkriterien formulieren, die die Größe eines Unternehmens ohne auftragsbezogenen Grund als positives Differenzierungsmerkmal einführen.38 Freilich darf aus § 97 Abs. 4 GWB nicht gefolgert werden, dass der Mittelstand bei der Auftragsvergabe bevorzugt zu behandeln sei; darin läge ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, auch der Wettbewerbsgrundsatz und die Wirtschaftlichkeit wären berührt. Die Regelung zielt insofern nur auf eine mittelstandsgerechte, nicht mittelstandsbevorzugende Vergabe.

Die Begriffe „Mittelstand“ bzw. „kleine und mittlere Unternehmen (KMU)“ sind bislang nicht im deutschen Recht definiert. Nach der Empfehlung der Europäischen Kommission betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen handelt es sich um KMU, wenn das Unternehmen weniger als 250 Personen beschäftigt, einen Jahresumsatz von max. 50 Millionen EUR oder eine Jahresbilanzsumme von max. 43 Millionen EUR hat und bestimmte Unabhängigkeitskriterien erfüllt.39 Entscheidend ist aber letztlich die relative Größe der Marktteilnehmer, wobei es auf die vorhandenen Marktstrukturen ankommt.

14g) Verwirklichung des freien europäischen Binnenmarktes.. Das Vergaberecht dient zudem der Beseitigung jeglicher Handelshemmnisse innerhalb des Europäischen Binnenmarktes. Konkretisiert werden vor allem die Grundfreiheiten des AEUV, die den freien Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gewährleisten sollen. Durch Sicherstellung eines fairen Wettbewerbs und EU-weite Ausschreibungen ohne Diskriminierung ausländischer Unternehmen (s. o.) soll das Vergaberecht einen Beitrag zur Verwirklichung des Europäischen Binnenmarktes leisten.

Gleichwohl stellt auch die RL 2014/25/EU klar, dass sich hieraus weder eine unmittelbare Pflicht der Mitgliedsstaaten zur Vergabe von Leistungen an Dritte (Privatisierung)40 noch eine zwingende Entscheidung zugunsten einer grenzübergreifenden Vergabe41 oder Liberalisierung der mitgliedsstaatlichen Rechtssysteme (z. B. Abbau sozialer Standards)42 ergibt.

15h) Treu und Glauben.. Der zivilrechtliche Grundsatz von Treu und Glauben fließt über das Gebot des fairen Wettbewerbs auch in das Vergaberecht ein. Er verbietet dem Auftraggeber die Ausübung von Rechten zu vertragsfremden Zwecken und jedes weitere rechtsmissbräuchliche Verhalten.43 Er verbietet dem Auftraggeber zudem, ohne Ankündigung von seiner früheren Vergabepraxis z. B. von den von ihm angewandten Angebotskriterien abzuweichen oder sich ohne triftigen Grund in Widerspruch zu seinem eigenen, rechtserheblichen Tun (bspw. der Einschätzung, ob ein Bieter geeignet ist) hinwegzusetzen. Voraussetzung ist jeweils, dass ein schutzwürdiges Vertrauen des Bieters darauf besteht, dass sich der Auftraggeber in einer bestimmten Art und Weise verhalten wird.

Fall: „Heute so, morgen so“

Die Stadt S schreibt ein größeres Vorhaben im Sektorenbereich in mehreren Losen mit nahezu identischen Eignungsanforderungen aus. Das Unternehmen U bewirbt sich daraufhin mit ebenfalls nahezu wortgleichen Anträgen auf mehrere Lose. U erhält den Zuschlag für zwei Lose. Auf Nachfrage wird ihm jedoch mitgeteilt, dass er bei einem weiteren Los mangels Eignung ausgeschlossen wurde. U ist angesichts dieser „Willkür“ aufgebracht. Zu Recht?

Lösung:

Der Grundsatz von Treu und Glauben soll verhindern, dass der Auftraggeber willkürlich von seinen eigenen Einschätzungen und Erklärungen abweicht. Nach der Rechtsprechung ist der Auftraggeber jedoch nicht an seine Wertungen bei anderen Losen oder früheren Vergabeverfahren gebunden.44 Ihm steht daher hinsichtlich jedes Loses ein individueller Beurteilungsspielraum zu, der durch seine persönlichen Wertungen bei anderen Ausschreibungen nicht gebunden wird.45 Entscheidend ist vielmehr, dass sämtliche Bieter des jeweiligen Loses gleich und nicht aufgrund willkürlicher Erwägungen behandelt wurden.46

Sofern die Stadt nachvollziehbar darlegen kann, warum sie bei den o. g. Losen zu unterschiedlichen Ergebnissen kam, würde einem Nachprüfungsantrag des U daher kein Erfolg beschieden sein.

16i) Anforderungen an die Kommunikation.. Aufgrund der Anfälligkeit öffentlicher Vergaben für Absprachen und andere Marktverzerrungen hat sich eine Reihe von Erfordernissen für die Übermittlung von Informationen zwischen Auftraggebern und Bietern/Teilnehmern entwickelt, die in §§ 9 bis 12 SektVO festgehalten sind.

In Vergabeverfahren mit EU-weiter Ausschreibungspflicht ist nunmehr grundsätzlich mit elektronischen Mitteln zu kommunizieren (§ 9 Abs. 1 SektVO). Hierbei kann der Auftraggeber zur Sicherstellung der Identifizierbarkeit des Erklärenden die Registrierung in einem elektronischen Vergabeportal verlangen (§ 9 Abs. 4 SektVO). Von der elektronischen Form kann grundsätzlich nur in Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb abgewichen werden (§ 9 Abs. 3 SektVO).

Hieraus ergibt sich, dass der Auftraggeber alle Informationen wie die Auftragsbekanntmachung, die Vergabeunterlagen oder Bieterinformationen kostenfrei und in elektronischer Form zur Verfügung stellen muss. Auch die Vorabinformation über die Nichtberücksichtigung des Angebotes oder den Zuschlag werden regelmäßig elektronisch erteilt. Ebenso stehen die Teilnehmer in der Pflicht, alle wesentlichen Willenserklärungen, insbesondere Angebote und Teilnahmeanträge, elektronisch zu übermitteln.

Um einen diskriminierungsfreien Zugang zum Vergabeverfahren zu ermöglichen, müssen die verwendeten Mittel allgemein verfügbar, nichtdiskriminierend und mit allgemein verbreiteten Geräten und Programmen kompatibel sein (§ 11 Abs. 1 Satz 1 SektVO). Hieraus folgt, dass für den Abruf der Ausschreibungsunterlagen keine Endgeräte gefordert oder Dateiformate verwendet werden dürfen, die lediglich einem kleinen Kreis von Anwendern verfügbar sein dürfen. Auch soweit für den Zugang zur Vergabe bestimmte Apps oder Zertifikate heruntergeladen werden müssen, müssen diese mit aktuellen und auf dem freien Markt verfügbaren EDV-Systemen kompatibel sein.