Verhaltenstraining in der Grundschule - Franz Petermann - E-Book

Verhaltenstraining in der Grundschule E-Book

Franz Petermann

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Beschreibung

Das Verhaltenstraining in der Grundschule stellt ein altersgerecht gestaltetes Präventionsprogramm zur gezielten Förderung der emotionalen und sozialen Kompetenz sowie der moralischen Entwicklung von Grundschulkindern dar. Es wurde speziell für Kinder in der 3. und 4. Klasse der Grundschule entwickelt und umfasst 26 Einheiten. Es kann in inklusiven und exklusiven Schulsettings mit Klassen und kleineren Gruppen durch Lehrkräfte (Regelschullehrkräfte und Lehrkräfte für Sonderpädagogik) oder an anderen pädagogischen Einrichtungen durch pädagogische Fachkräfte durchgeführt werden. Zunächst lernen die Kinder, ihre eigenen Gefühle und die Gefühle anderer besser wahrzunehmen und zu verstehen. Zudem üben sie, wie unangenehme Gefühle (z.B. Wut) angemessen bewältigt werden können. In der nächsten Stufe lernen die Kinder eine eigenständige Konfliktbewältigung mittels eines Problemlöseplans und anhand von praktischen Übungen zur sozialen Kompetenz. In der abschließenden Trainingsstufe werden die Kinder beim Aufbau von Wertmaßstäben im Hinblick auf Fairness, Selbstverantwortung und Zivilcourage unterstützt, der Aufbau prosozialen Verhaltens wird systematisch gefördert. Die Stärken des Programms liegen in der wissenschaftlichen Fundierung der Trainingsinhalte und der motivierenden Gestaltung des umfangreichen Trainingsmaterials, wie zum Beispiel dem spannenden Hörspiel "Abenteuer auf Duesternbrook", in dem vier Kinder eine geheimnisumwitterte Burg erkunden. Die Neubearbeitung berücksichtigt aktuelle Forschungsergebnisse zu sozialen und emotionalen Kompetenzen sowie die Anwendung des Programms in inklusiven Bildungssystemen. Die vielfältigen Arbeitsmaterialien des Programms sind auf der beigelegten DVD verfügbar.

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Franz Petermann

Ute Koglin

Nandoli von Marées

Ulrike Petermann

Verhaltenstraining in der Grundschule

Ein Programm zur Förderung emotionaler und sozialer Kompetenzen

3., überarbeitete Auflage

Prof. Dr. Franz Petermann, geb. 1953. Seit 1991 Inhaber des Lehrstuhls für Klinische Psychologie und seit 1996 Direktor des Zentrums für Klinische Psychologie und Rehabilitation der Universität Bremen.

Prof. Dr. Ute Koglin, geb. 1972. Seit 2014 Inhaberin des Lehrstuhls für Sonder- und Rehabilitationspädagogische Psychologie der Universität Oldenburg.

Dr. Nandoli von Marées, geb. 1980. Seit 2009 als Schulpsychologin in Baden-Württemberg tätig.

Prof. Dr. Ulrike Petermann, geb. 1954. Seit 2007 Inhaberin des Lehrstuhls für Klinische Kinderpsychologie im Studiengang Psychologie der Universität Bremen.

Wichtiger Hinweis: Der Verlag hat gemeinsam mit den Autoren bzw. den Herausgebern große Mühe darauf verwandt, dass alle in diesem Buch enthaltenen Informationen (Programme, Verfahren, Mengen, Dosierungen, Applikationen, Internetlinks etc.) entsprechend dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes abgedruckt oder in digitaler Form wiedergegeben wurden. Trotz sorgfältiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes und der digitalen Produkte können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autoren bzw. Herausgeber und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.

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www.hogrefe.de

Illustrationen: Irene Stetzka und Iris Walter

Umschlagabbildung: © shutterstock.com / Pressmaster

Satz: ARThür Grafik-Design & Kunst, Weimar

Die 1. und 2. Auflage des Bandes erschienen unter der Autorenschaft von Franz Petermann, Ute Koglin, Heike Natzke und Nandoli von Marées.

Format: EPUB

3., überarbeitete Auflage 2019

© 2007, 2013 und 2019 Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, Göttingen

(E-Book-ISBN [PDF] 978-3-8409-2931-1; E-Book-ISBN [EPUB] 978-3-8444-2931-2)

ISBN 978-3-8017-2931-8

http://doi.org/10.1026/02931-000

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Anmerkung:

Sofern der Printausgabe eine CD-ROM beigefügt ist, sind die Materialien/Arbeitsblätter, die sich darauf befinden, bereits Bestandteil dieses E-Books.

Zitierfähigkeit: Dieses EPUB beinhaltet Seitenzahlen zwischen senkrechten Strichen (Beispiel: |1|), die den Seitenzahlen der gedruckten Ausgabe und des E-Books im PDF-Format entsprechen.

|5|Vorwort

Die Förderung der psychischen und körperlichen Gesundheit von Kindern ist eine der vordringlichen Aufgaben unserer Gesellschaft. Während der Erhalt und die Förderung der körperlichen Gesundheit von Geburt an, beispielsweise durch die kinderärztlichen Vorsorgeuntersuchungen, einer gewissen Systematik unterliegt, führt die rechtzeitige und systematische Förderung der psychischen Gesundheit von Kindern vielfach noch ein Schattendasein. In Anbetracht repräsentativer Studien, in denen Kinder und Jugendliche mit einer psychischen Störung einen Anteil von bis zu 20 % ausmachen, mutet die Vernachlässigung frühzeitiger und regelhafter Fördermaßnahmen für die seelische Gesundheit unserer Kinder fast fahrlässig an.

Man geht heute davon aus, dass eine nachhaltig wirksame Förderung der psychischen Gesundheit von Kindern bereits im Kindergartenalter einsetzen sollte. Kinder, die bereits in diesem Lebensalter Verhaltensauffälligkeiten aufweisen, tragen ein hohes Risiko, eine psychische Störung zu entwickeln.

Eine einmalig durchgeführte Fördermaßnahme greift jedoch oft zu kurz. So unterscheiden sich die sozialen und kognitiven Anforderungen an Kindergartenkinder deutlich von denen an Schulkinder. Es lag daher nahe, ein Angebot zur Förderung der psychischen Gesundheit von Kindern zu entwickeln, das dem geschilderten Bedarf Rechnung trägt.

In den letzten Jahren erstellten wir verschiedene Multikomponentenprogramme, mit denen die sozialen und emotionalen Fertigkeiten von Kindern gezielt und regelmäßig vom Kindergartenalter bis zum Abschluss des Schulalters gefördert werden. Die zentralen Bestandteile dieses Ansatzes bilden vier Verhaltenstrainings für Kinder: Neben dem vorliegenden Verhaltenstraining in der Grundschule, das sich vor allem an Kinder der dritten und vierten Grundschulklassen wendet, wurden bislang das Verhaltenstraining im Kindergarten sowie das Verhaltenstraining für Schulanfänger für Kinder der ersten und zweiten Grundschulklassen entwickelt und bereits in dieser Reihe veröffentlicht; 2016 erschien das Emotionstraining in der Schule für Kinder der fünften bis siebten Klasse. Darüber hinaus liegt auch ein Training mit Jugendlichen mit dem Präventionsprogramm JobFit-Training vor, das in dieser Reihe im Jahr 2017 in der 10. Auflage erschienen ist. Das JobFit-Training |6|ist ab der achten Klasse einsetzbar und zielt auf die Veränderung von Arbeits- und Sozialverhalten.

Alle Verhaltenstrainings wurden so aufgebaut, dass sie mit der gesamten Gruppe/Klasse und von der Lehrkraft/pädagogischen Fachkraft in der Schule oder anderen pädagogischen Einrichtungen durchgeführt werden können. Die Trainings sind sowohl inhaltlich als auch im Hinblick auf die Materialien auf die jeweiligen Altersgruppen (Kindergartenalter, 1./2. Klasse; 3./4. Klasse; 5.–7. Klasse etc.) abgestimmt. Alle Programme sind praxiserprobt und ihre Wirksamkeit konnte bereits im Rahmen von wissenschaftlichen Studien nachgewiesen werden.

Im Verhaltenstraining in der Grundschule werden die Kinder in drei Kernbereichen gefördert: ihren emotionalen und sozialen Kompetenzen sowie ihrer moralischen Entwicklung. Das Programm umfasst insgesamt 26 Trainingseinheiten, die in einer Frequenz von zwei Einheiten pro Woche durchführbar sind, sodass das Training innerhalb eines Schulhalbjahres problemlos realisiert werden kann.

Im Grundlagenteil dieses Buchs werden Sie zunächst in das Thema „Prävention von Verhaltensproblemen im inklusiven Bildungssystem“ eingeführt. Im Anschluss erhalten Sie Informationen zu den Trainingsbereichen emotionale und soziale Kompetenzen sowie zur moralischen Entwicklung von Kindern. Im Kapitel 5 werden Ihnen Materialien zur Zusammenarbeit mit den Eltern zur Verfügung gestellt.Diese Materialien liegen seit der 2. Auflage des Bandes 2013 auch in russischer und türkischer Sprache vor. Der Grundlagenteil schließt mit dem Kapitel 6 ab, in dem Sie einen umfassenden Überblick über die Ziele, den Aufbau sowie die wichtigsten Materialien des Verhaltenstrainings erhalten.

Im zweiten Teil dieses Buches werden alle 26 Trainingseinheiten im Detail erläutert, sodass eine problemlose Durchführung für die Lehrkraft (pädagogische Fachkraft) möglich ist.

Dem vorliegenden Handbuch wurde zusätzlich eine DVD beigefügt (hintere Innenseite des Buchrückens). Auf dieser DVD finden Sie alle Arbeitsblätter und Tonmaterialien des Trainings. Um die Motivation der Kinder aufzubauen und über den Trainingsverlauf aufrechtzuerhalten, wurde jeder Trainingseinheit eine Sequenz des eigens für dieses Training entwickelten Hörspiels „Abenteuer auf Duesternbrook“ vorangestellt. Neben dem Hörspiel und den Arbeitsblättern befindet sich auf der DVD noch ein Rapsong, den die Kinder im Rahmen des Trainings bearbeiten.

Abschließend möchten wir uns noch einmal herzlich bei allen Kindern, Eltern sowie Lehrerinnen und Lehrern bedanken, die uns bei den Evaluationsstudien unterstützt haben und uns wertvolle Rückmeldungen zum Training gegeben haben. Ein besonderer Dank gilt unseren Illustratorinnen Irene Stetzka und Iris Walter, die uns bei der Gestaltung des Trainings sehr unterstützt haben.

|7|Wir wünschen Ihnen und Ihren Schülerinnen und Schülern Erfolg bei der Durchführung dieses Programms. Über ein Feedback zum Training würden wir uns selbstverständlich sehr freuen (E-Mail: [email protected] oder [email protected]).

Bremen, Oldenburg

Franz und Ulrike Petermann,

und Freiburg

Ute Koglin und

im März 2019

Nandoli von Marées

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1 Prävention von Verhaltensproblemen im inklusiven Bildungssystem

2 Trainingsbereich: Emotionale Kompetenz

2.1 Was versteht man unter emotionaler Kompetenz?

2.2 Wie regulieren Kinder ihre Emotionen?

2.3 Welche Defizite im Bereich emotionaler Kompetenz zeigen Kinder mit problematischem Sozialverhalten?

3 Trainingsbereich: Soziale Kompetenz

3.1 Was versteht man unter sozialer Kompetenz?

3.2 Wie ist der Zusammenhang zwischen emotionalen und sozialen Kompetenzen?

4 Trainingsbereich: Moralische Entwicklung

4.1 Was versteht man unter Moral?

4.2 Wie entwickelt sich moralisches Verhalten?

4.3 Welche Rolle spielt Moral in sozialen Interaktionen?

4.4 Wie fördert man die Moralentwicklung?

5 Kooperation mit den Eltern

5.1 Öffentlichkeitsarbeit

5.2 Elternabende und Elternbriefe

6 Konzeption und Aufbau

6.1 Zielgruppe

6.2 Durchführung des Trainings

6.3 Trainingssetting

6.4 Ziele des Verhaltenstrainings

6.5 Aufbau des Trainings

6.6 Das Hörspiel „Abenteuer auf Duesternbrook“ als Rahmen des Trainings

6.7 Aufbau der Trainingseinheiten

6.8 Umgang mit den Materialien

7 Trainingseinheiten

7.1 Trainingsbereich: Emotionale Kompetenz

7.1.1 Erste Trainingseinheit: Vorstellung der Protagonisten

7.1.2 Zweite Trainingseinheit: Einführung des Verstärkerplans

7.1.3 Dritte Trainingseinheit: Emotionswissen vertiefen

7.1.4 Vierte Trainingseinheit: Emotionsstärken wahrnehmen, einschätzen und benennen I

7.1.5 Fünfte Trainingseinheit: Emotionsstärken wahrnehmen, einschätzen und benennen II

7.1.6 Sechste Trainingseinheit: Vertiefung des Wahrnehmens, Einschätzens und Benennens von Emotionsstärken

7.1.7 Siebte Trainingseinheit: Sammeln von Wutkontrollstrategien

7.1.8 Achte Trainingseinheit: Erstellen eines Wutkontrollplans

7.1.9 Neunte Trainingseinheit: Ärgerwahrnehmung vertiefen

7.1.10 Zehnte Trainingseinheit: Wutkontrollstrategien praktisch einüben

7.2 Trainingsbereich: Soziale Kompetenz

7.2.1 Elfte Trainingseinheit: Soziale Wahrnehmung und Wutkontrolle I

7.2.2 Zwölfte Trainingseinheit: Soziale Wahrnehmung und Wutkontrolle II

7.2.3 Dreizehnte Trainingseinheit: Soziale Wahrnehmung und Wutkontrolle III

7.2.4 Vierzehnte Trainingseinheit: Soziale Wahrnehmung/Handlungsalternativen finden I

7.2.5 Fünfzehnte Trainingseinheit: Soziale Wahrnehmung/Handlungsalternativen finden II

7.2.6 Sechzehnte Trainingseinheit: Handlungskonsequenzen erkennen

7.2.7 Siebzehnte Trainingseinheit: Handlungskonsequenzen bewerten

7.2.8 Achtzehnte Trainingseinheit: Umfassende soziale Problemlösung

7.3 Trainingsbereich: Eigen- und Sozialverantwortung

7.3.1 Neunzehnte Trainingseinheit: Akzeptanz von Regeln fördern

7.3.2 Zwanzigste Trainingseinheit: Gerechter Umgang miteinander I

7.3.3 Einundzwanzigste Trainingseinheit: Gerechter Umgang miteinander II

7.3.4 Zweiundzwanzigste Trainingseinheit: Eigenverantwortung erlernen I

7.3.5 Dreiundzwanzigste Trainingseinheit: Eigenverantwortung erlernen II

7.3.6 Vierundzwanzigste Trainingseinheit: Zivilcourage fördern I

7.3.7 Fünfundzwanzigste Trainingseinheit: Zivilcourage fördern II

7.3.8 Sechsundzwanzigste Trainingseinheit: Abschlusseinheit

8 Festigung und längerfristige Stabilisierung der Trainingseffekte

9 Ergebnisse zur Effektivität des Verhaltenstrainings in der Grundschule

9.1 Erste Studie: Kurzfristige Effektivität

9.2 Zweite Studie: Mittelfristige Effektivität

Literatur

Anhang

Mitmach-Plan

Materialien auf der DVD

Materialien auf DVD

|13|1 Prävention von Verhaltensproblemen im inklusiven Bildungssystem

Prävention verfolgt das Ziel, das Auftreten von Krankheiten oder psychischen Störungen zu verhindern oder abzumildern und folgt damit dem Gedanken „Vorbeugen ist besser als Heilen“ (Petermann & Petermann, 2011). Dieses Ziel kann dadurch erreicht werden, dass Gesundheitsrisiken reduziert werden und Ressourcen und Kompetenzen aufgebaut werden, die gesundheitsförderlich sind.

Im schulischen Kontext mischen sich bisweilen Ansätze der Prävention und der Förderung. Die Förderung sozialer und emotionaler Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern gehört bereits lange zum Selbstverständnis von Lehrkräften. Seit der Unterzeichnung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen und der Umsetzung eines inklusiven Bildungssystems steht die sozial-emotionale Förderung aller Schülerinnen und Schüler jedoch besonders im Fokus und geht auch mit besonderen Herausforderungen bei denjenigen Schülerinnen und Schülern einher, die bereits ausgeprägte Verhaltensprobleme aufweisen. Laut Bildungsberichterstattung (Autorengruppe Bildungsberichterstattung, 2018) wiesen im Schuljahr 2016/2017 rund eine halbe Million Kinder an allgemeinbildenden Schulen einen sonderpädagogischen Förderbedarf auf. Dies bedeutet, dass ihre Beeinträchtigungen so stark ausgeprägt sind, dass sie dem Unterricht nur mit besonderer Unterstützung folgen können. Obwohl dem Förderschwerpunkt Lernen nach wie vor die meisten Schülerinnen und Schüler zugeordnet sind, hat sich die Anzahl der Kinder mit dem Förderschwerpunkt sozial-emotionale Entwicklung verdoppelt (Autorengruppe Bildungsberichterstattung, 2018). In den Bundesländern variiert die Anzahl der Kinder, die eine Förderschule besuchen oder inklusiv unterrichtet werden, deutlich in Abhängigkeit davon, wie die Länder danach streben ein inklusives Bildungssystem umzusetzen. Für alle Kinder werden jedoch Maßnahmen nötig, die eine Förderung und Prävention sozial-emotionaler Kompetenzen erlauben.

Eine schulische Prävention und Förderung wird auch aus Sicht von Nachbardisziplinen der Pädagogik und Sonderpädagogik, wie der Psychologie und Psychotherapie, als besonders wichtig angesehen. Daten aus dem Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS) zeigen auf, dass rund 20 % der Kinder und Jugendlichen in Deutschland Probleme im Bereich sozial-emotionaler Entwicklung aufweisen |14|(Hölling et al., 2014). Kinder aus Familien mit einem niedrigen Sozialstatus weisen deutlich höhere Belastungen auf als Kinder aus Familien mit einem mittleren oder hohen Sozialstatus. Dieser hohen Anzahl an Kindern mit sozial-emotionalen Problemen steht seit Jahren der Appell der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) entgegen, die auf eine flächendeckende strukturelle Unterversorgung von Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten und -therapeutinnen hinweist (BPtK, 2006). Die Prävalenzrate psychischer Störungen ist bei Kindern ebenso hoch wie bei Erwachsenen, dennoch entfallen nur 12,2 % der Psychotherapeuten und Psychotherapeutinnen auf den Bereich „Kinder und Jugend“. Auch die Anzahl von Schulpsychologinnen und Schulpsychologen pro Kind lässt deutlich zu wünschen übrig. Für August 2018 berichtet Seifried (2018) eine durchschnittliche Verteilung von 7 258 Schülerinnen und Schüler auf einen Schulpsychologen1. Dabei variiert das Verhältnis über die Bundesländer von 4 413 in Bremen bis auf 15 062 Kinder auf einen Schulpsychologen im Land Niedersachsen. Kinder mit Erlebens- und Verhaltensstörungen besuchen jedoch in aller Regel eine Schule und müssen und sollen von den Lehrkräften in der Schule unterrichtet werden. Für Kinder mit gravierenden externalisierenden Verhaltensstörungen (ADHS, aggressives Verhalten) können sich für die Lehrkräfte und Mitschülerinnen und Mitschüler erhebliche Schwierigkeiten und Belastungen ergeben, da diese Kinder Grenzen anderer überschreiten. Als „Systemsprenger“ laufen sie Gefahr durch Ausschluss und Weiterreichen an andere Institutionen aus dem Bildungssystem ausgeschlossen zu werden (Baumann, Bolz & Albers, 2017). In einem inklusiven Bildungssystem müssen jedoch für alle Kinder Lösungen bereitgestellt werden. Zusammenfassend verdeutlicht diese Problemlage die herausragende Stellung der Schule, Kinder in ihrer sozialen und emotionalen Entwicklung zu fördern.

Aus dem angloamerikanischen Sprachraum haben sich als Antwort auf ähnliche Herausforderungen zur Förderung und Prävention Mehrebenenprogramme für den schulischen Kontext entwickelt. Diese Ansätze finden zunehmend auch im deutschen Sprachraum Aufmerksamkeit. Ein prominentes Beispiel dafür ist das Response-to-Intervention-Programm mit dem Anspruch, das „Wait-to-fail-Problem“ zu lösen (vgl. Grosche & Huber, 2012). Demnach wird argumentiert, dass das bisherige Bildungssystem erst nach einer Eskalation von Problemverhalten mit der Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs reagiert. Ein präventiv ausgerichtetes Förderkonzept handelt im Vergleich dazu optimaler Weise bevor solche Verhaltensprobleme und Defizite in der sozial-emotionalen Entwicklung auftreten. Beim Response-to-Intervention-Modell (RTI) handelt es sich um ein dreistufiges Präventionsmodell. Zunächst bezog es sich vorwiegend auf Schü|15|lerinnen und Schüler mit Beeinträchtigungen des Lernens. Für Schülerinnen und Schüler mit Problemen in der sozial-emotionalen Entwicklung kann das Modell weiter ausdifferenziert werden (Gresham, 2005; s. Abb. 1).

Abbildung 1: Das Response-to-Intervention-Modell (Grosche & Huber, 2012, S. 34)

Nach dem RTI-Modell wird in der ersten Stufe für alle Kinder ein hochwertiger regulärer Unterricht angeboten (vgl. Grosche & Huber, 2012). Für alle Kinder einer Klasse werden dabei evidenzbasierte Maßnahmen zur Förderung der sozial-emotionalen Entwicklung eingesetzt. Diese Grundausrichtung entspricht einer „universellen Prävention“, die für alle Kinder einer Klasse angeboten wird. Neben dieser allgemeinen Förderung wird im RTI-Modell essenziell eine begleitende Diagnostik zur Feststellung des Erfolgs dieser Förderung durchgeführt. Dadurch wird es erst möglich zu überprüfen, ob eine Schülerin oder ein Schüler auf die Förderung angemessen reagiert hat. Wenn ein Kind auf die Maßnahme positiv reagiert, z. B. im Sinne einer Reduktion von problematischem Verhalten, wird das Kind wie bisher weitergefördert. Sollte ein Kind nicht ausreichend auf eine Maßnahme ansprechen, werden Angebote aus der zweiten Stufe bereitgestellt, die beispielsweise auch in Kleingruppen angeboten werden können. Diese zweite Stufe bezieht sich – deckungsgleich mit den Prävalenzraten aus der KiGGS-Studie – auf ca. 20 % aller Schülerinnen und Schüler. Auf dieser Stufe findet eine Intensivierung der Förderung statt und eine engmaschige Wirkungskontrolle. Auf der dritten Stufe befinden sich ca. 5 % der Kinder, mit den stärksten Problemen, die in der Ausrichtung eine intensive Einzelfallhilfe erhalten. Besonders bei Kindern mit chronischen Erlebens- und Verhaltensstörungen muss für diese Kinder die Förderung im Über|16|gang zur Therapie auch in einem multiprofessionellen Team (Schulpsychologin, Jugendhilfe, Schulsozialarbeit) abgestimmt werden (vgl. Huber, 2015).

Mit dem Verhaltenstraining in der Grundschule werden alle Kinder einer Klasse/Gruppe gefördert. Es kann daher im Sinne des Mehrebenenmodells auf der ersten Stufe mit der gesamten Klasse durchgeführt werden. Es werden unmittelbar Kompetenzen bei den Kindern aufgebaut, die problematisches Verhalten verringern und angemessenes Verhalten fördern. Darüber hinaus kann das Klassen-/Gruppenklima durch die Einführung verbindlicher Regeln positiv beeinflusst werden, aber auch dadurch, dass die Kinder während der Einheiten von den anderen erfahren, wie sie sich zum Beispiel in bestimmten Situationen fühlen, wovor sie Angst haben oder was sie besonders gerne mögen. Die Kinder können sich im Rahmen des Trainings auf diese Weise genauer kennenlernen.

Das Verhaltenstraining in der Grundschule kann ebenfalls als standardisierte und evidenzbasierte Kleingruppenförderung der zweiten Stufe eingesetzt werden. Es kann in dieser Stufe vollständig mit allen Einheiten durchgeführt werden, aber je nach Bedarf kann ein Fokus auf bestimmte Einheiten gelegt werden. Beispielsweise können wir empfehlen, besonders die Einheiten zur Emotionswahrnehmung und Emotionsregulation (s. Kap. 7.1) kleinschrittig für Kinder mit Regulationsschwierigkeiten durchzuführen. Eine ähnliche Empfehlung wird auch für Kinder ausgesprochen, die eine intensive Einzelfallhilfe benötigen. Allerdings sollte die Förderung – zum Beispiel Arbeitseinheiten aus dem Grundschultraining – mit bereits bestehenden Therapiemaßnahmen für das Kind abgestimmt werden. Werden ähnliche Inhalte bereits im Rahmen einer Psychotherapie mit einem Kind erarbeitet, besteht die Gefahr einer mangelnden Abstimmung der Interventionen für ein Kind.

Inhaltlich greift das vorliegende Verhaltenstraining in der Grundschule Kompetenzen auf, die sich in einer Reihe von empirischen Studien als besonders wichtig für eine angemessene sozial-emotionale Entwicklung bewährt haben. Zentral fokussiert das vorliegende Trainingsprogramm besonders auf drei Hauptelemente:

die Förderung emotionaler Kompetenzen,

die Förderung sozialer Kompetenzen und

die Förderung der Moralentwicklung.

In Kapitel 2 und Kapitel 3 werden daher wichtige Begrifflichkeiten zur emotionalen und zur sozialen Kompetenz erläutert. Eine Förderung in diesen Bereichen wirkt sich positiv auf die soziale Entwicklung von Kindern aus. Die Wirksamkeit darauf basierender Präventionsmaßnahmen konnte durch verschiedene Studien festgestellt werden. In unserem Training haben wir darüber hinaus den Bereich der Moralentwicklung einbezogen, was bislang eher eine Ausnahme darstellt. Der Einbezug der Förderung der Moralentwicklung basiert auf der Ansicht, dass es nicht nur wichtig ist, Kindern dabei zu helfen, Regeln zu lernen und sie auch einzuhalten, sondern dass es auch wichtig ist, dass sie den Sinn dieser Regeln verste|17|hen und positiv bewerten. Erst dadurch entsteht auch bei den Kindern die Überzeugung, dass eine Regel richtig und wichtig ist, sodass sie zum Beispiel auch dann eingehalten wird, wenn keine Erwachsenen anwesend sind. Darüber hinaus existieren auch Situationen, für die es keine „expliziten“ Regeln gibt, sondern in denen die Schülerinnen und Schüler eigenständig beurteilen müssen, ob sie etwas tun oder eben nicht tun. Im Rahmen des Trainings lernen sie, solche Situationen schrittweise zu überdenken und die Konsequenzen für alle Beteiligten zu bewerten. Die Fördermethode im Training richtet sich dabei nach den aktuellen wissenschaftlichen Ergebnissen zur Moralentwicklung (vgl. Kap. 4).

Wirksamkeit präventiver Maßnahmen. Mit Hilfe präventiver Maßnahmen können wir die soziale Entwicklung von Kindern fördern und ihre Entwicklung positiv beeinflussen. Besonders Maßnahmen, die auf die Förderung emotionaler Kompetenzen und sozialer Problemlösefähigkeiten abzielten, schnitten in Analysen zur Wirksamkeit im Vergleich zu anderen Maßnahmen gut ab. Von Kindern, die an solchen Maßnahmen teilnehmen, werden nach dem Training geringere Verhaltensprobleme berichtet (Durlak & Wells, 1997). Das Verhaltenstraining in der Grundschule wurde begleitend zur Entwicklung in Grundschulklassen umgesetzt. In den vergangenen Jahren wurden erste Wirksamkeitsstudien zur kurz- und mittelfristigen Effektivität des Trainings durchgeführt (Marées & Petermann, 2009, 2010a). Die Ergebnisse dieser Studien sind in Kapitel 9 am Ende dieses Manuals kurz dargestellt.

Die Wirksamkeit einer Maßnahme kann dadurch verstärkt werden, dass sie kein einmaliges Ereignis bleibt. Es sollte mit der Förderung früh begonnen werden und es sollten im Entwicklungsverlauf wiederholt ähnliche Fördermaßnahmen angeboten werden, das heißt, zu unterschiedlichen Altersstufen wieder aufgegriffen bzw. vertieft werden. Dies ist besonders sinnvoll, da bei früh auftretenden Verhaltensauffälligkeiten ein besonderes Risiko der Verfestigung besteht (Tremblay, 2010). Kinder, die bereits vom Kindergarten bis zur Grundschule oppositionell-aggressives Verhalten zeigen, weisen ein besonders stabiles Problemverhalten auf. Vor diesem Hintergrund bietet es sich zum Beispiel an, zunächst das Verhaltenstraining im Kindergarten (Koglin & Petermann, 2013), dann das Verhaltenstraining für Schulanfänger (Petermann, Natzke, Gerken & Walter, 2016) und schließlich das vorliegende Verhaltenstraining in der Grundschule durchzuführen. Als Weiterführung ab der 5. Klasse kann vertiefend das Emotionstraining in der Schule eingesetzt werden (Petermann, Petermann & Nitkowski, 2016). Dadurch kann erreicht werden, dass die Auseinandersetzung mit eigenen Gefühlen und Gefühlen anderer, aber auch die angemessene Lösung von Konflikten zwischen Kindern selbstverständlich zum Alltag gehört.

1

Häufig wird in diesem Buch aus Gründen der besseren Lesbarkeit auf geschlechtsdifferenzierende Formulierungen verzichtet bzw. jeweils abwechselnd die männliche oder weibliche Form verwendet. Selbstverständlich sind an den gegebenen Textstellen sowohl männliche als auch weibliche Personen gemeint.

|18|2 Trainingsbereich: Emotionale Kompetenz

Emotionen werden als Gefühlszustände beschrieben, die mit physiologischen Reaktionen, wie etwa dem Erröten bei Scham, und Kognitionen, wie zum Beispiel dem Gedanken an ein eigenes Fehlverhalten, einhergehen (vgl. Dalgleish & Power, 1999; Petermann & Wiedebusch, 2016; Zins & Elias, 2006). Sie prägen unser Verhalten und spielen eine bedeutsame Rolle für unsere zwischenmenschlichen Beziehungen. So können uns Emotionen (Ängste) vor Gefahren warnen und geeignete Verhaltensweisen auslösen (z. B. Flucht bei der Begegnung mit einem Tiger) und damit unseren Fortbestand sichern.

Wir unterscheiden zwischen primären und selbstbezogenen, sekundären Emotionen (Petermann & Wiedebusch, 2016). Zu den primären Emotionen zählen Ekel, Überraschung, Freude, Angst, Trauer und Ärger. Diese Emotionen werden von Säuglingen bereits im Laufe des ersten Lebensjahrs gezeigt. Insbesondere der mimische Ausdruck dieser Emotionen gilt als universell und kulturübergreifend. Als selbstbezogene oder sekundäre Emotionen werden zum Beispiel Stolz, Scham und Schuld bezeichnet. Sekundäre Emotionen können bei Kindern frühestens ab der Mitte des zweiten Lebensjahres beobachtet werden, da das Erleben dieser Emotionen bestimmte kognitive Fertigkeiten voraussetzt, die sich erst im Laufe der Kindheit herausbilden. Bevor ein Kind beispielsweise ein Gefühl wie Scham erleben kann, muss es zumindest ein basales Bewusstsein über sich selbst entwickelt sowie soziale Normen und Verhaltensstandards verinnerlicht haben.

Wenngleich die grundsätzliche Bedeutsamkeit von Emotionen für unser Leben als unbestritten galt, wurde erst in jüngerer Zeit wieder der Umgang mit Emotionen und seine Beziehung zu Sozialverhalten oder etwa der psychischen Gesundheit genauer untersucht. In diesem Zusammenhang wurde der Begriff der emotionalen Kompetenz geprägt.

2.1 Was versteht man unter emotionaler Kompetenz?

Im Laufe der vergangenen Jahre wurden verschiedene Konzepte von emotionaler Kompetenz bei Kindern und Jugendlichen diskutiert. Ein vielfach beachtetes Konzept legte Saarni (1999, 2002) vor. In diesem Konzept werden emotionale Kom|19|petenzen vor allem im Hinblick auf ihre Funktion im Rahmen sozialer Beziehungen betrachtet. Anhand ihres Ansatzes gelten Kinder als emotional kompetent, wenn sie emotionale Fertigkeiten in sozialen Beziehungen anwenden und sich dessen bewusst sind, welchen Nutzen die Verwendung emotionaler Fertigkeiten mit sich bringt (emotionale Selbstwirksamkeit). Man kann also von emotionaler Selbstwirksamkeit sprechen, wenn:

Kinder sich dessen bewusst sind, dass ihr eigener Emotionsausdruck ihre Mitmenschen beeinflussen kann, und

sie gelernt haben, ihr emotionsbezogenes Verhalten zu steuern, um gewünschte Reaktionen bei anderen hervorzurufen.

Im Rahmen ihres Konzeptes zur emotionalen Kompetenz beschreibt Saarni acht emotionale Schlüsselfertigkeiten, die Kinder in sozialen Beziehungen erlernen und die stark von familiären und kulturellen Einflüssen geprägt sind (s. Kasten 1).

Kasten 1:Acht Schlüsselfertigkeiten emotionaler Kompetenz (modifiziert nach Saarni, 2002)

Die eigenen Gefühle erkennen,

die Gefühle anderer erkennen und verstehen,

die Fähigkeit, altersangemessenes Emotionsvokabular verstehen und einsetzen zu können,

sich in andere einfühlen können,

wissen, dass Gefühlserleben und Gefühlsausdruck unterschiedlich sein können,

mit belastenden Emotionen und Problemsituationen angemessen umgehen können,

wissen, dass soziale Beziehungen durch emotionale Kommunikation mitgeprägt werden,

emotionales Selbstwirksamkeitserleben.

Die Zusammenstellung dieser Schlüsselfertigkeiten erfolgte anhand von empirischen Befunden, nicht nach einem theoretischen Erklärungsmodell, sodass es über die genannten emotionalen Fertigkeiten hinaus weitere geben mag, durch die Saarnis Konzept ergänzt werden kann. Die Entwicklung dieser Fertigkeiten kann nach Saarni nur in sozialen Beziehungen gelingen, das heißt, in den Beziehungen der Kinder zu ihren Eltern, zu Gleichaltrigen oder auch Lehrkräften.

Eltern, jedoch später auch anderen Bezugspersonen, kommt in der emotionalen Entwicklung von Kindern eine wichtige Funktion zu. Sie stellen sowohl im Hinblick auf die Darbietung als auch die Bewertung von Emotionen wichtige Vorbilder für ihre Kinder dar. Kinder imitieren die emotionalen Ausdrucksweisen und orientieren sich an den Bewertungen ihrer Eltern. Durch ihre Reaktionen auf kindliche Emotionsäußerungen verdeutlichen Eltern ihren Kindern, wie angemessen ein geäußertes Gefühl ist und helfen ihrem Kind dabei, Emotionen zu |20|regulieren. So werden Eltern ihren Kindern im Grundschulalter beispielsweise verdeutlichen, dass ungezügelte Wutanfälle während des Unterrichts nicht geeignet sind, um mit Misserfolgen umzugehen. Darüber hinaus werden Eltern, die ihre Kinder kompetent im Umgang mit Emotionen „coachen“ nicht selbst bei jedem geringen Anlass in Wut ausbrechen, da sie wissen, dass Kinder ein solches Problemlöseverhalten sehr oft nachahmen. Anhand solcher Beispiele wird deutlich, dass Kinder emotionale Kompetenzen vor allem in sozialen Beziehungen erwerben (Fern & Petermann, 2018).

Saarni (2002) verknüpfte die emotionale Kompetenz auch mit der Moralentwicklung. Sie ging davon aus, dass nur derjenige über emotionale Kompetenz verfügt, der die emotionalen Fähigkeiten auf der Basis grundlegender moralischer Überzeugungen anwendet. Nutzt ein Kind die Fähigkeit, Emotionen bei anderen zu erkennen und zu manipulieren nur, um egoistische Ziele zu erreichen, ist dieses Kind nicht emotional kompetent.

Ein weiteres Konzept zur emotionalen Kompetenz wurde von Denham (1998) vorgelegt. Nach dieser Vorstellung besteht emotionale Kompetenz aus drei Hauptkomponenten: dem Emotionsausdruck, dem Emotionsverständnis und der Emotionsregulation. In diesem Konzept wird die Bedeutung eines gekonnten Umgangs mit der Darbietung von Emotionen (Emotionsausdruck) stärker betont (s. Kasten 2).

Kasten 2:Komponenten emotionaler Kompetenz nach Denham (1998)

Emotionsausdruck

nonverbale emotionale Botschaften durch Gesten mitteilen können

Einfühlungsvermögen in Bezug auf die Gefühle anderer zeigen können

selbstbezogene Gefühle (wie etwa Scham) zeigen können

sozial missbilligte Gefühle (wie zum Beispiel Neid oder Wut) kontrollieren können, indem Erleben und Ausdruck entkoppelt werden

Emotionsverständnis

eigene Gefühle unterscheiden können

Gefühle anderer unterscheiden können

Emotionsvokabular (zum Beispiel das korrekte Benennen von Gefühlen) beim Sprechen über Gefühle einsetzen können

Emotionsregulation

negative Gefühle bewältigen können

positive Gefühle bewältigen können

|21|2.2 Wie regulieren Kinder ihre Emotionen?

Die Fähigkeit zur Emotionsregulation wurde besonders in der frühen Kindheit im Zusammenhang mit der psychosozialen Anpassung von Kindern untersucht (Calkins, 2010; Kullik & Petermann, 2012).

Nach Hoeksma, Oosterlaan und Schipper (2004) umfasst die Emotionsregulation drei Komponenten:

Die Wahrnehmung einer Bedarfssituation, das heißt, die Notwendigkeit einer Regulation von Gefühlen muss klar erkannt werden, zum Beispiel, wenn das Kind eine massive Wut auf eine Autoritätsperson (etwa die Lehrkraft) wahrnimmt („Der ist so mega fies! Jetzt habe ich ab und zu die Hausaufgaben nicht und schon will er sich bei den Eltern beschweren …“).

Die Festlegung eines Regulationsziels, im oben genannten Beispiel etwa mögliche Konsequenzen einer massiven Ärgerreaktion in Gegenwart der Lehrkraft verhindern („Ich könnte platzen, aber wenn ich ihn jetzt auch noch ,anmache‘, wird es womöglich noch schlimmer.“).

Veränderung des emotionalen Zustands in die gewünschte Richtung, zum Beispiel eine Neubewertung der Situation vornehmen („Na ja, wenn ich’s genau betrachte, hat der Lehrer nicht so unrecht. Ich war in letzter Zeit ein bisschen faul …“).

Emotionsregulation kann automatisiert oder willkürlich, also intentional ablaufen. Eine zentrale Rolle bei der erfolgreichen Regulation von Emotionen spielt jedoch die willkürliche Steuerung (vgl. Eisenberg, Smith, Sadovsky & Spinrad, 2004). Diese wird definiert als Fähigkeit, eine dominante Reaktion zugunsten einer weniger dominanten Reaktion zu unterdrücken. Die willkürliche Steuerung erfolgt offensichtlich vor allem mit Hilfe der Aufmerksamkeits- und Verhaltenssteuerung.

Kinder regulieren ihre Emotionen, indem sie diese vermeiden, hemmen, aufrechterhalten oder verändern (vgl. Eisenberg et al., 2004; Eisenberg & Spinrad, 2004). Durch das Steuern von Emotionen wird das Auftreten, die Art, die Intensität oder die Dauer von Emotionen beeinflusst. Eine gelingende Emotionsregulation trägt dazu bei, körperliche oder soziale Anforderungen bewältigen zu können. So kann man Gefühle beispielsweise regulieren, indem man die Aufmerksamkeit umlenkt, Selbstberuhigungsstrategien einsetzt, Hilfe bei anderen sucht oder das Verhalten in Abhängigkeit von der Situation hemmt oder aktiviert. Emotionsregulationsstrategien, die im Kindesalter häufig auftreten, fasst Kasten 3 zusammen.

|22|Kasten 3:Emotionsregulationsstrategien in der Kindheit (modifiziert nach Petermann & Wiedebusch, 2016, S. 81)

Interaktive Strategien (z. B. mit anderen reden, um Hilfe bitten),

Aufmerksamkeitslenkung (z. B. die eigene Wut regulieren, indem man an was „Schönes“ denkt),

Selbstberuhigungsstrategien (z. B. Selbstgespräche oder Verhaltensrituale),

Rückzug aus der emotionsauslösenden Situation (z. B. Weggehen oder Abwenden),

Manipulation/Veränderung der Situation (z. B. Gegenstand entfernen),

kognitive Regulationsstrategien (z. B. Gefühle oder Situation herunterspielen, die Situation neu bewerten),

externale Regulationsstrategien (z. B. Wut und Ärger körperlich ausagieren) und

Einhalten von Darbietungsregeln wie Maskieren (z. B. eigene Emotionen verstecken oder andere vorspielen).

2.3 Welche Defizite im Bereich emotionaler Kompetenz zeigen Kinder mit problematischem Sozialverhalten?

Kinder mit aggressivem Verhalten. Solche zeigen Abweichungen in vielen der von Denham (1998) und Saarni (1999, 2002) definierten Bereiche emotionaler Kompetenz. Petermann und Wiedebusch (2016, S. 134) fassen die emotionalen Defizite von Kindern mit oppositionell-aggressivem Verhalten wie folgt zusammen:

häufiges Erleben negativer Gefühle (besonders Ärger/Wut),

eine mangelnde Emotionsregulation,

eine eingeschränkte Fähigkeit, eigene Gefühle und die Gefühle anderer wahrzunehmen und zu verstehen,

ein mangelndes Emotionsverständnis und

eine geringere Empathie.

Für den Ausdruck von Emotionen wiesen Calkins und Dedmon (2000) darauf hin, dass Kleinkinder mit aggressivem Verhalten in Stresssituationen stärker zum Ausdruck negativer Emotionen neigten als nicht aggressive Kinder. In einer weiteren Studie mit sieben- bis zehnjährigen Kindern waren aggressive Kinder weniger gut in der Lage, ihren Ärgerausdruck zu modulieren (Bohnert, Crnic & Linn, 2003). Insgesamt korrelierte das intensivere und häufigere Ausdrücken von Ärger mit stärkeren Ausprägungen aggressiven Verhaltens bei den untersuchten Kindern.

Probleme mit der Emotionsregulation sind ein wesentliches Merkmal aggressiver Kinder (Eisenberg et al., 2005b; Kullik & Petermann, 2012). Den Kindern man|23|gelt es an Strategien, diese intensiv erlebten negativen Gefühle angemessen zu steuern. Die eingeschränkte Emotionsregulation bezieht sich sowohl auf die Intensität als auch auf die Dauer der Emotionen und auch darauf, gleichzeitig die begleitenden physiologischen Prozesse und Verhaltensweisen zu steuern (Eisenberg et al., 2005a; Petermann & Wiedebusch, 2016). Eine unzureichende Emotionsregulation geht mit weniger prosozialen und stärkeren aggressiven Verhaltensweisen einher. Diese Kinder werden stärker von Gleichaltrigen abgelehnt und zeigen zudem Defizite in der moralischen Entwicklung auf (Eisenberg et al., 2004). Die Ablehnung erfolgt unter anderem deswegen, weil aggressive Kinder eher ausagierende Emotionsregulationsstrategien anwenden, beispielsweise Spielzeug zerstören, Herumschreien und ähnliches (Kullik & Petermann, 2012). Dadurch stellen sie für andere Kinder keine attraktiven und verlässlichen Spielpartner dar. Die Ablehnung von Gleichaltrigen kann im Weiteren dazu führen, dass die Kinder noch weniger Gelegenheit dazu haben, angemessene Regulationsstrategien und prosoziales Verhalten zu erlernen (Fern & Petermann, 2018).

Schließlich weisen Studien darauf hin, dass bei aggressiven Kindern ein geringeres Einfühlungsvermögen zu beobachten ist (De Wied, Goudena & Matthys, 2005). Die Fähigkeit, sich in eine traurige Person einzudenken, geht in der Regel mit der Motivation einher, dieser zu helfen. Kann ein solch belastender Zustand beim Gegenüber nicht wahrgenommen werden, unterbleibt auch Hilfeverhalten. Pardini und Byrd (2012) berichten, dass Kinder mit geringer Empathie und aggressivem Verhalten dazu neigen, die Folgen aggressiven Verhaltens für ihr Opfer kaum zu berücksichtigen, ebenso wie deren Ausdruck von Trauer oder Stress. Diese Kinder bewerten aggressives Verhalten als wirksames Mittel, um andere zu dominieren.

Kinder mit ängstlichem Verhalten. Bei diesen Kindern konnte ebenfalls vielfach ein Mangel an emotionalen Kompetenzen beobachtet werden. Petermann und Wiedebusch (2016, S. 131) stellen besonders folgende Schwierigkeiten bei Kindern mit Ängsten und emotionalen Problemen heraus:

ein eingeschränkter mimischer Emotionsausdruck,

eine geringere Fertigkeit, Emotionen bei anderen zu deuten (Ausdruck, Ursachen),

eine mangelnde Emotionsregulation,

eine selektive Aufmerksamkeit für bedrohliche Informationen und

ein mangelndes Emotionsverständnis.

Rieffe und De Rooij (2012) berichten über Kinder aus der mittleren Kindheit, dass eine geringe Fähigkeit eigene Emotionen zu differenzieren mit internalisierenden Problemen, wie Sorgen oder Ängsten, einhergeht. Besonders das Verbergen eigener Gefühle vor anderen ging mit einem Anstieg von Sorgen und ruminativen Gedanken einher.

|24|Die Fähigkeit zur Emotionsregulation ist bei Kindern mit ängstlichem Verhalten ebenfalls eingeschränkt (Kullik & Petermann, 2012). Die mangelnden Fertigkeiten drücken sich darin aus, dass die Gefühle sehr intensiv erlebt werden. Ängstliche Kinder sind nur eingeschränkt dazu in der Lage, negative Gefühle herunter und positive Gefühle herauf zu regulieren. Sie schätzen zudem selbst ihre Fähigkeit mit Gefühlen angemessen umzugehen eher als gering ein. Die Kinder setzen vermehrt hemmende Strategien ein, um anderen negative Gefühle nicht zu zeigen (Beispiel: „Ich bin traurig, aber ich zeige es keinem.“). Aus diesem Grund tendieren sie dazu, sich aus Situationen mit hoher emotionaler Erregung zurückzuziehen oder sie versuchen, solche Situationen zu vermeiden.

Ängstliche Kinder wenden sich verstärkt potenziell bedrohlichen Aspekten einer Situation zu, das heißt, sie vernachlässigen positive („beruhigende“) Merkmale. Die Fertigkeit, sich von negativen Reizen abzuwenden, zum Beispiel durch Wegsehen, geht bereits bei Säuglingen mit einer besseren Emotionsregulation einher (Posner & Rothbart, 2000). Für das Emotionswissens bestätigt eine Metaanalyse von Trentacosta und Fine (2010) einen Zusammenhang zwischen einem geringen Emotionswissen und internalisierenden Problemen. Southam-Gerow und Kendall (2000) berichten, dass ängstliche Kinder weniger Strategien kennen, um eigene Gefühle zu regulieren.

|25|3 Trainingsbereich: Soziale Kompetenz

Sozial kompetentes Verhalten ermöglicht es Kindern, zwischenmenschliche Ziele zu erreichen und dabei gleichzeitig soziale Beziehungen aufzubauen und aufrechtzuerhalten. Sie stellt eine Hauptkomponente psychosozialer Gesundheit dar und zeigt somit Zusammenhänge zu verschiedenen Entwicklungs- und Bildungszielen auf (Luecken, Roubinov & Tanaka, 2013). Soziale Kompetenzen ermöglichen es Kindern, an sozialen Aktivitäten teilzuhaben und sich in einer Schulkasse integriert zu fühlen. Sie gehen auch mit guten Schulleistungen einher, da soziale Kompetenzen Lernen unterstützen können (z. B. durch die Fähigkeit, andere um Hilfe zu bitten) und sie haben einen positiven Einfluss auf die Qualität der Schüler-Lehrer-Beziehung (Zhang & Nurmi, 2012).

3.1 Was versteht man unter sozialer Kompetenz?

Kinder müssen über eine Reihe von verschiedenen Fertigkeiten verfügen, um sozial kompetent handeln zu können. Nach Rose-Krasnor (1997) liegt soziale Kompetenz dann vor, wenn ein Kind in einer sozialen Situation effektiv handeln kann. Das Kind erreicht in einer Interaktion eigene Ziele und gleichzeitig erhält es positive Beziehungen über die Zeit und über verschiedene Situationen aufrecht. Kann es eigene Ziele durchsetzen, aber über die Zeit keine Freundschaften erhalten, liegt keine soziale Kompetenz vor. Umgekehrt gilt auch ein Kind, das nicht dazu in der Lage ist, eigene Ziele und Wünsche umzusetzen, als wenig kompetent, auch wenn es Freundschaften aufbauen konnte.

Weitere Aspekte sozialer Kompetenz wurden von Caldarella und Merrell (1997) erarbeitet. Demnach lassen sich fünf Bereiche sozialer Kompetenz unterscheiden:

Fähigkeiten zur Bildung positiver Beziehungen zu Gleichaltrigen (u. a. soziale Perspektivenübernahme; anderen helfen oder andere loben),

Selbstregulationskompetenzen (wie Konflikte bewältigen oder die eigene Stimmung regulieren),

schulbezogene Kompetenzen (auf die Anweisungen der Lehrkraft hören; um Hilfe bitten),

kooperative Kompetenzen (Anerkennung sozialer Regeln; angemessene Reaktionen auf Kritik zeigen) und

|26|positive Selbstbehauptung und Durchsetzungsfähigkeiten (Gespräche oder Aktivitäten beginnen).

Kinder mit einer geringen sozialen Kompetenz werden von anderen Kindern häufiger als Spielpartner abgelehnt, sind schlecht in die Gleichaltrigengruppe integriert und zeigen vermehrt Verhaltensauffälligkeiten wie aggressives Verhalten oder Ängste (Palmen, Vermande, Dehovic & van Aken, 2011). Dabei wird von einer wechselseitigen Beziehung zwischen sozialer Kompetenz und Verhaltensproblemen ausgegangen. Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten haben Schwierigkeiten, Freundschaften aufzubauen und mit anderen Kindern zurechtzukommen. Dadurch haben sie seltener die Möglichkeit, sozial kompetentes Verhalten zu üben und weiterzuentwickeln. In Folge davon können sich Verhaltensprobleme verstärken. Allerdings kann ein Kind, das eine Verhaltensstörung aufweist, durchaus soziale Kompetenz besitzen und sich beispielsweise liebevoll um Jüngere oder Hilfsbedürftige kümmern, während es mit anderen Kindern häufig körperliche Auseinandersetzungen hat.

Neben dieser kindbezogenen Sichtweise auf soziale Kompetenz lässt sich auch nachweisen, dass Gruppenprozesse einen Einfluss auf die soziale Kompetenz oder das Ausmaß aggressiven Verhaltens haben (Chung-Hall & Chen, 2010). Wird in einer Schulklasse aggressives Verhalten von den Kindern eher befürwortet und wechselseitig verstärkt, weisen die Kinder im Durschnitt mehr aggressives Verhalten auf. Hingegen zeigen Kinder in Schulklassen, in denen prosoziale und kooperative Normen eingeführt wurden, auch mehr sozial angemessenes und helfendes Verhalten. Dieses Ergebnis unterstreicht die Bedeutung von für alle Kinder gültigen Klassenregeln.

Das Modell der sozialen Informationsverarbeitung von Crick und Dodge (1994) kann ebenfalls herangezogen werden, um sozial-kompetentes Verhalten von Kindern zu erklären und zu fördern. Es stellt deswegen eine wichtige Basis für das Verhaltenstraining in der Grundschule dar.

Dieses Modell beschreibt einen Denkprozess, der in sozialen Situationen durchlaufen wird. Er geht der Ausführung einer Handlung unmittelbar voraus und bestimmt die Art der Handlung (z. B. sozial-kompetente oder aggressive Reaktion). Die Abbildung 2 beschreibt die soziale Informationsverarbeitung als Prozessmodell.

Vereinfacht dargestellt, wird eine soziale Situation (wie z. B. durch ein anderes Kind angerempelt zu werden) zunächst wahrgenommen und interpretiert („Warum hat er mich angerempelt?“). Anschließend wird überlegt, welche Handlungsalternativen nun zur Verfügung stehen („Was kann ich jetzt tun?“). Im nächsten Schritt werden die Konsequenzen einer Handlung überdacht und bewertet („Ich remple zurück und dann weint er.“). Zuletzt wird eine Handlungsmöglichkeit ausgewählt und ausgeführt. Dieser Urteilsprozess vollzieht sich oft recht unwillkürlich, er ent|27|hält Feedbackschleifen und es werden auch nicht immer alle Schritte gleichermaßen durchdacht. Das Modell ist dennoch geeignet, den grundlegenden Urteilsprozess darzustellen.

Abbildung 2: Vereinfachtes Modell der sozialen Informationsverarbeitung nach Crick und Dodge (1994)

Besonders bei aggressiven Kindern konnte wiederholt aufgezeigt werden, dass diese auf jeder Stufe der Informationsverarbeitung, im Vergleich zu unauffälligen Kindern, typische Verzerrungen aufweisen. Schon Dodge, Laird, Lochman und Zelli (2002) konnten beispielsweise signifikante Zusammenhänge zwischen der sozialen Informationsverarbeitung von Grundschülern und Verhaltenseinschätzungen ihrer Lehrkräfte aufzeigen. Kinder mit einer verzerrten Informationsverarbeitung wurden von den Lehrkräften als aggressiver beurteilt. Aus diesem Grund hat die Förderung sozial-kognitiver Problemlösefähigkeiten auch oft Eingang in die pädagogisch-therapeutische Arbeit mit Kindern gefunden, die massiv aggressives Verhalten zeigen (z. B. das Training mit aggressiven Kindern; Petermann & Petermann, 2012).

Aggressive Kinder nehmen demnach soziale Situationen gehäuft falsch wahr und sie beachten weniger Reize als unauffällige Kinder. Gleichzeitig werden jedoch vermehrt Reize verarbeitet, die für die soziale Situation unerheblich sind (Coie & Dodge, 1998).