Emotionale Kompetenz bei Kindern - Franz Petermann - E-Book

Emotionale Kompetenz bei Kindern E-Book

Franz Petermann

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Beschreibung

Der Begriff der emotionalen Kompetenz umfasst eine Reihe von Fertigkeiten in den Bereichen Emotionsausdruck, Emotionsverständnis und Emotionsregulation. Emotional kompetente Kinder sind sich ihrer eigenen Gefühle bewusst, sie können ihre Gefühle mimisch und sprachlich zum Ausdruck bringen sowie eigenständig regulieren, sie können die Gefühle anderer Personen erkennen und verstehen, und sie können sich im Umgang mit anderen empathisch und prosozial verhalten. Das Buch beschreibt aus entwicklungspychologischer Sicht die Ausbildung dieser zentralen Basiskompetenz in den ersten sechs Lebensjahren und zeigt Bezüge zum Sozialverhalten, schulischen Erfolg und Wohlbefinden von Kindern auf. Es werden sowohl temperamentsbedingte und familiäre Einflüsse auf die emotionale Entwicklung im Kindesalter diskutiert als auch Risikofaktoren aufgezeigt. Altersspezifische Verfahren zur Diagnostik emotionaler Kompetenz bei Kleinkindern, Vorschul- und Schulkindern werden vorgestellt. Zu den ausführlich beschriebenen Interventionen gehören Programme zur Förderung eines responsiven Erziehungsverhaltens von Bezugspersonen (Eltern, pädagogische Fachkräfte) sowie Trainingsprogramme zur Förderung sozial-emotionaler Kompetenz von Vorschul- und Grundschulkindern. In die 3., überarbeitete Auflage des Buches wurden sowohl eine Vielzahl aktueller empirischer Befunde zur emotionalen Entwicklung als auch Neuentwicklungen im Bereich diagnostischer Verfahren und präventiver Programme zur Förderung sozial-emotionaler Kompetenz aufgenommen.

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Franz Petermann

Silvia Wiedebusch

Emotionale Kompetenz bei Kindern

3., überarbeitete Auflage

Klinische Kinderpsychologie

Band 7

Emotionale Kompetenz bei Kindern

Prof. Dr. Franz Petermann, Prof. Dr. Silvia Wiedebusch

Herausgeber der Reihe:

Prof. Dr. Franz Petermann

Prof. Dr. Franz Petermann, geb. 1953. Studium der Mathematik und Psychologie in Heidelberg. Seit 1991 Lehrstuhl für Klinische Psychologie und Psychologische Diagnostik an der Universität Bremen. Seit 1996 Direktor des Zentrums für Klinische Psychologie und Rehabilitation.

Prof. Dr. Silvia Wiedebusch, geb. 1963. Studium der Psychologie in Münster. Seit 2008 Professorin für Entwicklungspsychologie an der Hochschule Osnabrück.

Wichtiger Hinweis: Der Verlag hat gemeinsam mit den Autoren bzw. den Herausgebern große Mühe darauf verwandt, dass alle in diesem Buch enthaltenen Informationen (Programme, Verfahren, Mengen, Dosierungen, Applikationen, Internetlinks etc.) entsprechend dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes abgedruckt oder in digitaler Form wiedergegeben wurden. Trotz sorgfältiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes und der digitalen Produkte können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autoren bzw. Herausgeber und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.

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E-Mail: [email protected]

Internet: www.hogrefe.de

Satz: Matthias Lenke, Weimar

Format: EPUB

3., überarbeitete Auflage 2016

© 2003, 2008 und 2016 Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, Göttingen

(E-Book-ISBN [PDF] 978-3-8409-2710-2; E-Book-ISBN [EPUB] 978-3-8444-2710-3)

ISBN 978-3-8017-2710-9

http://doi.org/10.1026/02710-000

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Anmerkung:

Sofern der Printausgabe eine CD-ROM beigefügt ist, sind die Materialien/Arbeitsblätter, die sich darauf befinden, bereits Bestandteil dieses E-Books.

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Kapitel 1 Was ist emotionale Kompetenz?

1.1 Konzepte zur emotionalen Kompetenz

1.2 Emotionale Kompetenz als Entwicklungsressource

1.3 Sozial-emotionale Kompetenz

1.4 Emotionale Kompetenz und Bildung

1.4.1 Schulreife und Schulerfolg

1.4.2 Inklusive Bildung

Kapitel 2 Entwicklung von Emotionsausdruck und Emotionsverständnis

2.1 Entwicklung des Emotionsausdrucks

2.1.1 Entwicklung primärer Emotionen

2.1.2 Entwicklung sekundärer Emotionen

2.2 Entwicklung des sprachlichen Emotionsausdrucks

2.2.1 Entwicklung des Emotionsvokabulars

2.2.2 Emotionale Kommunikation

2.3 Entwicklung des Emotionsverständnisses

2.3.1 Erkennen mimischen Emotionsausdrucks

2.3.2 Verständnis situativer Einflüsse auf das Emotionserleben

2.3.3 Verständnis kognitiver Einflüsse auf das Emotionserleben

2.3.4 Verständnis multipler Emotionen

2.3.5 Trennung von emotionalem Erleben und Ausdruck

Kapitel 3 Entwicklung der Emotionsregulation

3.1 Kindliches Temperament

3.1.1 Physiologische Reaktivität

3.1.2 Emotionalität

3.2 Emotionsregulation

3.2.1 Entwicklungsverlauf der Emotionsregulation

3.2.2 Erwerb von Emotionsregulationsstrategien

Kapitel 4 Familiäre und außerfamiliäre Einflüsse

4.1 Emotionales Familienklima

4.2 Emotionale Kompetenz und Bindung

4.3 Emotion Talk

4.4 Sensitiver Umgang mit Emotionen

4.5 Ko-Regulation von Emotionen

4.6 Emotionale Erziehungskompetenz

4.6.1 Diagnostik der emotionalen Erziehungskompetenz

4.6.2 Förderung der emotionalen Erziehungskompetenz

4.7 Zukünftige Forschungsbedarfe

Kapitel 5 Störungen beim Erwerb emotionaler Kompetenz

5.1 Risikofaktoren in der emotionalen Entwicklung

5.2 Temperamentsbedingte Vulnerabilität

5.3 Entwicklungsstörungen und -retardierungen

5.3.1 Down-Syndrom

5.3.2 Autismus

5.4 Verhaltensstörungen

5.4.1 Emotionale Störungen

5.4.2 Aggressives Verhalten

5.4.3 Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS)

5.5 Kinder depressiver Mütter

5.6 Misshandelte Kinder

Kapitel 6 Diagnostik emotionaler Kompetenz

6.1 Methoden und Probleme der Erfassung emotionaler Fertigkeiten im Kindesalter

6.2 Diagnostik emotionaler Fertigkeiten mit allgemeinen Entwicklungstests

6.3 Diagnostik emotionaler Fertigkeiten mit Entwicklungsscreenings

Dortmunder Entwicklungsscreening für den Kindergarten (DESK 3-6; Tröster et al., 2004)

Entwicklungsbeobachtung und -dokumentation (EBD 3-48; Petermann, Petermann & Koglin, 2015; 48-72; Koglin, Petermann & Petermann, 2015)

Kompetenzen und Interessen von Kindern in Kindertageseinrichtungen (KOMPIK; Mayr, Bauer & Krause, 2011)

6.4 Diagnostik emotionaler Fertigkeiten mit spezifischen Erhebungsverfahren

6.4.1 Erhebungsverfahren für Säuglinge und Kleinkinder

6.4.2 Erhebungsverfahren für Vorschulkinder

6.4.3 Erhebungsverfahren für Schulkinder

6.5 Zusammenfassende Bewertung

Kapitel 7 Interventionen zur Förderung emotionaler Kompetenz

7.1 Ziele präventiver Interventionen zur Förderung emotionaler Kompetenz

7.2 Förderplanung

7.3 Übersicht der Förderprogramme

7.4 Förderprogramme für Bezugspersonen

7.4.1 Programme für Eltern

7.4.2 Programme für frühpädagogische Fachkräfte

7.5 Förderprogramme für Vorschulkinder

7.5.1 Fördermaterialien

7.5.2 Förderprogramme

7.6 Förderprogramme für Grundschulkinder

Promoting Alternative Thinking Strategies – Curriculum (PATHS; Greenberg, Kusche, Cook & Quamma, 1995)

Curriculum „Fit und stark fürs Leben“ – Klassen 1 bis 2 (Burow, Aßhauer & Hanewinkel, 1998)

Verhaltenstraining für Schulanfänger (Petermann, Natzke, Gerken & Walter, 2013a)

Verhaltenstraining in der Grundschule (Petermann, Koglin, Natzke & Marées, 2013b).

Lubo aus dem All! – 1. und 2. Klasse (Hillenbrand, Hennemann, Hens & Hövel, 2015)

Mich und Dich verstehen (Bieg & Behr, 2005)

Prinzipien zur Förderung emotionaler und sozialer Kompetenz bei Schulkindern

7.7 Zusammenfassende Bewertung

Literatur

|9|Vorwort

Emotionale Kompetenz hat sich in den letzten Jahren zu einem ernst zu nehmenden und zentralen Konzept entwickelt, das durch entwicklungspsychologische und klinische Studien deutlich an Aussagekraft zugenommen hat und vor allem im frühpädagogischen Bereich zunehmend an Bedeutung gewinnt. In den letzten Jahren gelang es verschiedenen Arbeitsgruppen, die Begrifflichkeit auf den Prüfstand zu stellen und die in diesem Kontext geforderten Fertigkeiten eines Kindes zu spezifizieren.

Um was geht es in unserem Buch? Unser Anliegen ist es, für die ersten sechs Lebensjahre das gesicherte Wissen über die Entwicklung emotionaler Fertigkeiten zusammenzutragen und zu ordnen. Unter „emotionaler Kompetenz“ verstehen wir dabei in erster Linie die Fertigkeiten eines Kindes, in der Interaktion mit anderen eigene Emotionen auszudrücken und die des Gegenübers zu erkennen. Durch diese Begriffsdefinition ist es gerechtfertigt, den Ausdruck „emotionale Kompetenz“ in vielen Bereichen mit dem der „sozial-emotionalen Kompetenz“ gleichzusetzen. Im Bereich der Emotionsregulation werden Strategien früh ausgebildet und eingeübt. Familiäre Einflüsse, die einen angemessenen Umgang mit Gefühlen fördern, sind hier besonders bedeutsam. Insgesamt kann die Entwicklung einer hinreichenden emotionalen Kompetenz als eine der zentralen Entwicklungsaufgaben des Kindesalters angesehen werden.

Als Entwicklungspsychologen und Klinische Kinderpsychologen fokussieren wir sowohl die normale als auch die abweichende emotionale Entwicklung. Neben den Befunden zur Entwicklung emotionaler Fertigkeiten bei gesunden Kindern stellen wir aus diesem Grund auch Befunde zu Beeinträchtigungen emotionaler Fertigkeiten bei verschiedenen Risikofaktoren und Entwicklungsstörungen des Kindes vor. Entwicklungsdefizite im Bereich der emotionalen Kompetenz sollten frühzeitig erkannt werden; zur Erhebung emotionaler Fertigkeiten von Klein- und Vorschulkindern wurden in den letzten Jahren verstärkt spezifische diagnostische Verfahren entwickelt.

Der Erwerb emotionaler Fertigkeiten besitzt vor allem für die schulische und soziale Entwicklung von Kindern eine große Bedeutung. So stellen emotionale Kompetenzen wichtige Basisfertigkeiten eines Kindes dar, mit denen die Anforderungen des Kindergartens und der Grundschule bewältigt werden können. In den Bildungs- und Erziehungsplänen der Bundesländer, die frühpädagogischen Fachkräften einen Orientierungsrahmen für ihr pädagogisches Handeln bieten, wird die Förderung emotionaler Kompetenz – als einer der zentralen Basiskompetenzen von Kindern – ausdrücklich eingefordert. Kom|10|petenzförderung in diesem Bereich soll Kinder sowohl dazu befähigen, mit ihren eigenen Gefühlen angemessen umzugehen als auch in sozialen Interaktionen auf die Gefühle anderer angemessen einzugehen. Langfristig gesehen ist die Förderung emotionaler Kompetenz, indem sie das Selbst der Kinder stärkt, auch als Beitrag zur Gesundheitsförderung und Prophylaxe gegen aggressives und Suchtverhalten angelegt. Da die emotionale und soziale Kompetenz eng miteinander verknüpft sind, werden Präventionsprogramme für diese Altersgruppe nur in enger Anlehnung an Konzepte zur Entwicklung eines angemessenen Sozialverhaltens erfolgreich entwickelt und eingesetzt werden können.

Seit 2001 beschäftigten wir uns mit einer Bestandsaufnahme zum Thema „emotionale Kompetenz“ und legten hierzu bereits vor einigen Jahren Übersichtsarbeiten vor, die in dieses Buch einbezogen wurden (Petermann & Wiedebusch, 2001, 2002a, 2002b; Wiedebusch & Petermann, 2002, 2006). Vor diesem Hintergrund wurden am Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitation der Universität Bremen eine Vielzahl von Projekten im Bereich der Diagnostik und Förderung emotionaler Kompetenz im Kindergartenalter durchgeführt. Einige wichtige Projekte sollen kurz benannt werden:

Konzipierung und Erprobung eines Förderprogramms zur Verbesserung der sozial-emotionalen Kompetenz bei Kindergartenkindern, das wir unter dem Titel „Verhaltenstraining im Kindergarten“ veröffentlicht haben (Koglin & Petermann, 2013).

Erstellung einer Entwicklungsbeobachtung und Entwicklungsdokumentation für Kinder im Krippen- und Kindergartenalter (EBD 3-48). Dieses Projekt wurde durch die EBD 48-72 fortgeführt. Hierzu liegen umfassende Ausarbeitungen vor, die die vorliegende Publikation ergänzen (Koglin, Petermann & Petermann, 2015; Petermann, Petermann & Koglin, 2015).

Projekte im Bereich der Kindergartendiagnostik, die von verschiedenen Sponsoren (u. a. BMW-Stiftung) unterstützt wurden. Mit diesen Projekten wird es im Sinne eines entwicklungsorientierten Frühdiagnostikums möglich werden, Risikokinder gezielt zu identifizieren (vgl. die Verfahren NES von Petermann & Renziehausen, 2005; BASIC-Preschool von Daseking & Petermann, 2009).

In unserem aktuellen Projekt widmen wir uns der Entwicklung eines Testverfahrens zur Erfassung emotionaler Kompetenzen im Vorschulalter (EMK 3-6; Petermann & Gust, 2016a). Zudem werden wir dazu ein Programm zur Förderung der emotionalen Kompetenzen (EMK-Förderprogramm; Petermann & Gust, 2016b) vorlegen.

Bei der Publikation dieses Buches unterstützte uns der Hogrefe Verlag durch die gewohnt reibungslose Kooperation. Vielfältige Helfer im Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitation der Universität Bremen unterstüt|11|zen uns bei den Ausarbeitungen; vor allem danken wir Frau Dr. Nicole Gust (Bremen), die mit dem Erstautor in den letzten Jahren zum Thema dieses Buches intensiv arbeitete und an der Aktualisierung der vorliegenden Auflage mitwirkte.

Bremen und Osnabrück, im Dezember 2015

Franz Petermann und

Silvia Wiedebusch

|13|Kapitel 1Was ist emotionale Kompetenz?

In den letzten beiden Jahrzehnten hat sich die Emotionspsychologie zu einem herausragenden Forschungsgebiet innerhalb der Psychologie entwickelt, was sich an einer deutlichen Zunahme von Forschungsarbeiten und Publikationen in diesem Bereich bemerkbar macht (vgl. Lewis, Haviland-Jones & Barrett, 2008). Die beiden grob unterscheidbaren und wenig aufeinander Bezug nehmenden Forschungsstränge beziehen sich zum einen auf Emotionen bei Erwachsenen, zum anderen auf die Entwicklung von Emotionen im Kindesalter (Camras & Shuster, 2013).

Zu lernen, mit den eigenen und den Gefühlen anderer umzugehen, ist eine bedeutende Entwicklungsaufgabe der frühen Kindheit, die im Verlauf der emotionalen Entwicklung zur Ausbildung entsprechender Fertigkeiten und zum Erwerb einer umfassenden emotionalen Kompetenz führt (Denham, 1998; Denham, Zinsser & Bailey, 2011; Saarni, 1999, 2011). Dazu gehören vor allem die Fähigkeiten, sich seiner eigenen Gefühle bewusst zu sein, Gefühle mimisch oder sprachlich zum Ausdruck zu bringen und eigenständig zu regulieren sowie die Emotionen anderer Personen zu erkennen und zu verstehen (vgl. untenstehenden Kasten). Vom Säuglingsalter an verändern und erweitern sich die Fähigkeiten, die Gefühle und den Gefühlsausdruck anderer zu verstehen und über Gefühle zu kommunizieren, beträchtlich. Bis zum Schulalter erwerben Kinder in der Regel ein Set von Verhaltensweisen und Fertigkeiten, mit deren Hilfe sie ihre Emotionen weitgehend eigenständig regulieren können (McClelland, Geldhof, Cameron & Wanless, 2015).

Noch sind nicht alle entwicklungspsychologischen Fragen geklärt: So sehen Denham et al. (2011) weitere Forschungsbedarfe, um erklären zu können, wie die Entwicklung verschiedener emotionaler Fertigkeiten miteinander verzahnt ist, welche wechselseitigen Einflüsse zwischen den Komponenten der emotionalen Kompetenz bestehen und wie die Entwicklung emotionaler Fertigkeiten mit anderen Entwicklungsbereichen zusammenhängt. Dennoch ist der Kenntnisstand nach Denham et al. (2011) ausreichend, um sich stärker anwendungsbezogenen Themen widmen zu können. Hier sind vor allem die Erhebung des emotionalen Entwicklungsstandes (Denham, 2015; vgl. Kap. 6) sowie die frühe Kompetenzförderung gemeint, die Kinder befähigen soll, Meilensteine in der emotionalen Entwicklung zu erreichen (vgl. Kap. 7).

Eine alters- und entwicklungsangemessen ausgebildete emotionale Kompetenz von Klein- und Vorschulkindern ist die Voraussetzung für weitere gelingende Entwicklungsschritte. Nach Saarni (2011) stellen emotionale Fertigkeiten eine |14|Ressource dar, die Kindern hilft, zukünftige Herausforderungen in verschiedenen Entwicklungsbereichen bewältigen zu können (vgl. Kap. 1.2). In bisherigen Studien mit Kindern hat sich immer wieder gezeigt, dass die emotionale Kompetenz von Kindern mit ihrer sozialen und schulischen Entwicklung verknüpft ist (Denham et al., 2011). So geht eine hohe emotionale Kompetenz mit dem erfolgreichen Aufbau sozialer Beziehungen und einer positiven schulischen Entwicklung einher (Denham, 2007; Garner, 2010; vgl. Kap. 1.3 und 1.4), ebenso mit Wohlbefinden sowie physischer und psychischer Gesundheit. Umgekehrt erwies sich eine geringe emotionale Kompetenz als Risikofaktor, beispielsweise für gesundheitsgefährdendes Verhalten wie den Tabak- und Alkoholkonsum von Jugendlichen (Trinidad & Johnson, 2002).

Nach einer Einführung in Konzepte zur emotionalen Kompetenz werden in diesem Kapitel die Zusammenhänge zwischen emotionaler, sozialer und schulischer Entwicklung aufgezeigt.

Bereiche emotionaler Kompetenz

Zu den Bereichen, in denen Kinder emotionale Fertigkeiten entwickeln, gehören

der eigene mimische Emotionsausdruck,

das Erkennen des mimischen Emotionsausdrucks anderer Personen,

der sprachliche Emotionsausdruck,

das Emotionswissen und -verständnis und

die selbstgesteuerte Emotionsregulation.

1.1 Konzepte zur emotionalen Kompetenz

In der entwicklungspsychologisch ausgerichteten Emotionsforschung wird überwiegend der Begriff emotionale Kompetenz verwendet, um die Gesamtheit der diesbezüglichen Fertigkeiten von Kindern zu beschreiben (Denham et al., 2011). Die Ausbildung dieser Kompetenz und ihr Nutzen für die weitere Entwicklung werden dabei aus verschiedenen theoretischen Positionen heraus betrachtet. Holodynski und Friedlmeier (2006) sprechen hier von einer „unkoordinierten ‚Patchworkarbeit‘ mit vielen verschiedenen Theorien“ (S. 5) und Wigelsworth, Humphrey, Kalambouka und Lendrum (2010) bemängeln die uneinheitliche Terminologie in diesem Forschungsfeld. Im Vordergrund stehen jedoch die subjektive Bewertung von Gefühlen und die sich daraus ergebende Handlungsbereitschaft für die Regulierung sozialer Interaktionen (Eisenberg, Fabes, Guthrie & Reiser, 2000; Friedlmeier, 1999b). Nach Saarni (2011) sollte die emotionale Entwicklung von Kindern daher ausgehend von einem bio-ökologischen Theorieansatz betrachtet werden, in dem Menschen als dynamische Systeme |15|verstanden werden, die in ein soziales Gefüge integriert sind. Die Entwicklung emotionaler Kompetenz spiegelt somit die sozialen Erfahrungen eines Kindes sowie den kulturellen Kontext, in dem das Kind aufwächst, wider. Aus einer funktionalistischen Perspektive heraus können Emotionen zudem als Versuch einer Person definiert werden, bedeutsame Beziehungen zu anderen zu knüpfen, aufrechtzuerhalten, zu verändern oder abzubrechen (Campos, Mumme, Kermoian & Campos, 1994). Demnach werden Gefühle meistens in einem sozialen Kontext und mit einer kommunikativen Absicht ausgedrückt, wobei durch den Emotionsausdruck soziale Signale an andere Personen weitergegeben und zurückgewonnen werden (Saarni, 1999; Denham, 1998). Diese emotionale Kommunikation setzt eine Reihe verschiedener Fertigkeiten im Umgang mit Gefühlen voraus, die zusammen als emotionale Kompetenz (vgl. obigen Kasten) bezeichnet werden. Ungeachtet ihrer theoretischen Verortung beziehen sich die nachfolgend dargestellten Konzepte auf diese übereinstimmenden zentralen Fertigkeiten im Umgang mit den eigenen und den Gefühlen anderer (zu einer kritischen Auseinandersetzung mit den Emotionstheorien vgl. Holodynski & Friedlmeier, 2006).

Saarni (1999) legte ein Konzept zur emotionalen Kompetenz vor, bei dem die emotionalen Fertigkeiten einer Person vor allem im Hinblick auf ihren Nutzen für soziale Interaktionen betrachtet werden. Von emotional kompetentem Verhalten spricht sie, wenn Kinder ihre emotionalen Fertigkeiten in Interaktionen mit anderen Personen anwenden und selbstwirksames Verhalten zeigen (Saarni, 1999, 2002, 2011). Dies ist der Fall, wenn

sie sich darüber bewusst sind, dass ihr eigenes emotionales Ausdrucksverhalten die Reaktionen anderer Personen beeinflusst und

sie gelernt haben, ihr Verhalten strategisch zu steuern, um gewünschte Reaktionen hervorzurufen.

Saarni (1999) benennt eine Reihe emotionaler Schlüsselfertigkeiten, die im Entwicklungsverlauf erworben und stark vom familiären und kulturellen Umfeld geprägt werden (vgl. folgenden Kasten). Diese Auflistung beruht allerdings nicht auf einem theoretischen Erklärungsmodell, sondern orientiert sich an empirischen Befunden zur emotionalen Entwicklung und kann daher auch noch um weitere Fertigkeiten ergänzt werden. Eine zukünftige Aufgabe bei der Weiterentwicklung des Konzeptes besteht darin, die emotionalen Fertigkeiten in eine hierarchische Struktur einzuordnen und es von anderen Erklärungsmodellen in diesem Bereich abzugrenzen (Saarni, 2002).

Emotionale Schlüsselfertigkeiten nach Saarni (1999)

Die Fähigkeit, sich seiner eigenen Emotionen bewusst zu sein.

Dies schließt das Wissen darüber ein, dass in einigen Situationen auch mehrere, widerstreitende Emotionen erlebt werden können.

|16|Die Fähigkeit, die Emotionen anderer wahrzunehmen und zu verstehen.

Dies schließt die Interpretation von Hinweisen auf Emotionen, die sich aus der Situation oder aus dem Ausdrucksverhalten anderer Personen ergeben, ein.

Die Fähigkeit, über Emotionen zu kommunizieren.

Dies schließt die Kenntnis des in der jeweiligen Kultur gebräuchlichen Emotionsvokabulars und den Erwerb emotionaler Skripte ein.

Die Fähigkeit zur Empathie.

Diese ermöglicht, am emotionalen Erleben anderer Personen Anteil zu nehmen.

Die Fähigkeit zur Trennung von emotionalem Erleben und emotionalem Ausdruck.

Hierzu zählen die Erkenntnis, dass das emotionale Ausdrucksverhalten anderer Personen nicht mit ihren erlebten Emotionen übereinstimmen muss und die Fähigkeit, den Einfluss des eigenen emotionalen Ausdrucksverhaltens auf andere abschätzen zu können und ihn bei der Selbstpräsentation strategisch zu berücksichtigen.

Die Fähigkeit, mit negativen Emotionen und Stresssituationen umzugehen.

Dies schließt den Einsatz von Selbstregulationsstrategien ein, mit denen die Dauer und Intensität negativer Emotionen verringert werden können.

Die Fähigkeit, sich der emotionalen Kommunikation in sozialen Beziehungen bewusst zu sein.

Dies beinhaltet das Wissen darüber, dass soziale Beziehungen zu anderen Personen von der Art und Weise geprägt sind, in der über Emotionen kommuniziert wird.

Die Fähigkeit zur Selbstwirksamkeit.

Diese ermöglicht es, in sozialen Interaktionen bei anderen Personen erwünschte Reaktionen hervorzurufen.

Auch Denham (1998) benennt emotionale Schlüsselfertigkeiten, die den Emotionsausdruck, das Emotionsverständnis und die Emotionsregulation betreffen (vgl. Tab. 1). Da sich emotionale Fertigkeiten über mehrere Jahre entwickeln, können je nach Alter und Entwicklungsstand des Kindes einige Schlüsselfertigkeiten bereits vorliegen, während gleichzeitig in anderen Bereichen der emotionalen Kompetenz noch entsprechende Fertigkeiten fehlen (vgl. Walden & Smith, 1997).

|17|Tabelle 1: Komponenten emotionaler Kompetenz nach Denham (1998)

Emotionale Kompetenz …

Beschreibung

im Emotionsausdruck

nonverbale emotionale Mitteilungen durch Gesten äußern können

empathisches Einfühlungsvermögen in Bezug auf die Gefühle anderer zeigen können

selbstbezogene Gefühle zeigen können

sozial missbilligte Gefühle kontrollieren können, indem Erleben und Ausdruck von Emotionen voneinander getrennt werden

im Emotionsverständnis

eigene Gefühlszustände unterscheiden können

Gefühlszustände anderer Personen unterscheiden können

Emotionsvokabular bei der Kommunikation über Gefühle einsetzen können

in der Emotionsregulation

negative Gefühle bewältigen können

positive Gefühle bewältigen können

Um den vielfältigen Verflechtungen emotionaler und sozialer Fertigkeiten gerecht zu werden, stellten Halberstadt, Denham und Dunsmore (2001) sowie Halberstadt, Dunsmore und Denham (2001) das Konzept der affektiven sozialen Kompetenz vor. Dieses, im Gegensatz zu Saarnis Ansatz, strukturierte Konzept betont die Kommunikation über Emotionen und beschreibt die Fähigkeiten,

sich seiner eigenen Gefühle bewusst zu sein, sie akzeptieren und regulieren zu können,

eigene Gefühle kommunizieren zu können und

die Gefühle anderer interpretieren und darauf in angemessener Weise reagieren zu können.

Komponenten affektiver sozialer Kompetenz nach Halberstadt et al. (2001)

1. Senden emotionaler Botschaften

Kompetente Kinder wissen, wann sie in einer sozialen Situation emotionale Botschaften senden müssen. Sie identifizieren und senden situationsangemessene emotionale Botschaften auf klare und prägnante Weise. Außerdem treffen sie angemessene Entscheidungen darüber, was sie kommunizieren und was nicht.

|18|2. Empfangen emotionaler Botschaften

Kompetente Kinder wissen, wann sie in einer sozialen Situation emotionale Botschaften empfangen. Sie können die Emotionen anderer angemessen identifizieren und interpretieren. Emotionale Botschaften werden nicht verwechselt und müssen nicht wiederholt werden. Außerdem treffen sie angemessene Entscheidungen darüber, ob sie wahre oder falsche Signale empfangen.

3. Erleben von Gefühlen

Kompetente Kinder wissen, wann sie in einer sozialen Situation Gefühle erleben. Sie können ihre emotionalen Erfahrungen erkennen und richtig interpretieren. Außerdem können sie angemessene Entscheidungen darüber treffen, ob sie ihre emotionalen Erlebnisse im Hinblick auf das Ziel der sozialen Interaktion abschwächen, zurückhalten oder verstärken müssen.

Im Kern des grafisch als Windrad dargestellten Konzeptes stehen individuelle Merkmale des Kindes, wie beispielsweise das Temperament, das Selbstkonzept, das soziale Regelwissen oder die Motivation, mit anderen zu interagieren. Darauf bezogen sind drei Komponenten angeordnet, nämlich das Senden emotionaler Botschaften, das Empfangen emotionaler Botschaften und das Erleben von Gefühlen (vgl. obenstehenden Kasten). Außerdem wird die affektive soziale Kompetenz durch weitere Faktoren, wie zum Beispiel familiäre und kulturelle Einflüsse, mitbestimmt. Das Konzept wurde dahingehend kritisiert, dass sowohl die Emotionsregulation (Eisenberg, 2001) als auch die kognitive Repräsentationen von Emotionen (Saarni, 2001) zu wenig Beachtung finden sowie kontextuelle Einflüsse auf die emotionale Kommunikation zu unspezifisch formuliert sind (Saarni, 2001); insgesamt wurde es jedoch als differenzierter Erklärungsansatz der Wechselwirkungen zwischen emotionaler und sozialer Kommunikation anerkannt.

In den darauffolgenden Jahren beschäftigten sich Halberstadt und Lozada (2011a, 2011b) vor allem mit den kulturellen Sozialisationseinflüssen auf die emotionale Entwicklung von Kindern, deren Verständnis in einer multikulturellen Gesellschaft immer wichtiger wird. Der bisherige Forschungsstand zeigt, dass der Umgang mit Emotionen von der Kultur geprägt ist, in der Kinder aufwachsen. Beispielsweise belegen mehrere Studien unterschiedliche Einflüsse der europäischen und der asiatischen Kultur auf die Entwicklung von Emotionen bei Kindern (Halberstadt & Lozada, 2011a). Die Autorinnen fordern mehr systematische, kulturübergreifende Studien ein, um kulturelle Einflussfaktoren identifizieren und ihr Zusammenspiel mit weiteren Sozialisationsfaktoren klären zu können.

|19|Als Synonyme für emotionale Kompetenz werden häufiger auch die Begriffe emotionale Intelligenz und emotional literacy verwendet. Das inhaltlich verwandte Konzept der emotionalen Intelligenz (Mayer, Caruso & Salovey, 2000; Mayer, Roberts & Barsade, 2008) wird ebenfalls definiert als die Fähigkeit, Emotionen bei sich und anderen wahrzunehmen, zu verstehen und zu bewältigen. Da dieses Konzept aber in der Intelligenzforschung verwurzelt und nicht entwicklungspsychologisch ausgerichtet ist (Salisch, 2002), wird es hier vernachlässigt. Der Begriff emotional literacy bezeichnet die Fähigkeit, Emotionen „lesen“ zu können, und drückt die Vertrautheit mit dem kulturell geprägten Umgang mit Gefühlen aus (Park, Haddon & Goodman, 2003).

Der Erwerb emotionaler Kompetenz – wie auch der Fähigkeit zur Emotionsregulation als zentralem Bestandteil dieser umfassenden Kompetenz – wird sowohl durch psychobiologische Faktoren, wie individuelle Besonderheiten des kindlichen Temperamentes (vgl. Panksepp, 2001; Wolke, 2008), als auch durch die emotionale Sozialisation innerhalb der Familie beeinflusst (Sohn, Sokhadze & Watanuki, 2001; Bhangoo & Leibenluft, 2002). Dabei beziehen sich die Einflussfaktoren auf unterschiedliche Emotionskomponenten, die nach Saarni (1999) und Webster-Stratton (2000) folgendermaßen beschrieben werden können:

Neurophysiologische Erlebniskomponente. Emotionsbegleitend auftretende körperliche Veränderungen, die durch biochemische, physiologische und neurophysiologische Prozesse bedingt sind, werden wahrgenommen.

Kognitive Bewertungskomponente. Emotionen werden auf dem Hintergrund des individuellen Emotionswissens und bisheriger emotionaler Erfahrungen bewertet sowie sprachlich repräsentiert.

Interpersonale Ausdruckskomponente. Emotionen zeigen sich im Gesichtsausdruck und Verhalten und werden mit bestimmten Handlungsabsichten in sozialen Interaktionen ausgedrückt.

Während sich Temperamentsfaktoren auf die neurophysiologische Erlebniskomponente von Emotionen auswirken (vgl. Kap. 3), werden durch familiäre Einflüsse vor allem die kognitive Bewertungs- und die interpersonale Ausdruckskomponente beeinflusst (vgl. Kap. 4).

1.2 Emotionale Kompetenz als Entwicklungsressource

Kinder, die eine angemessene emotionale Kompetenz erworben haben, können auch in anderen Entwicklungsbereichen weitere Kompetenzen ausbilden. Einige Studien liefern dabei Hinweise darauf, dass ein positiver Zusammenhang zwischen der Ausprägung der emotionalen Basiskompetenzen und anderer Kompetenzen vorliegt (vgl. Tab. 2). Somit stellen gut entwickelte emotionale Kompetenzen eine wichtige Entwicklungsressource dar.

|20|Tabelle 2: Zusammenhang der emotionalen Kompetenz mit weiteren Kompetenzen von Kindern

Insbesondere ein umfangreiches Emotionswissen scheint mit anderen grundlegenden Kompetenzen zusammenzuhängen. Die Arbeitsgruppe um Denham konnte in mehreren Studien bei Drei- bis Vierjährigen aufzeigen, dass Emotionswissen die Qualität der Emotionsregulation und prosoziales Verhalten voraussagt. Diese Kompetenzen sind nach Denham et al. (2012a, 2014b) insbesondere für Initiierung und Regulation von sozialem Austausch und für die Kommunikation während sozialer Interaktionen wichtig. Des Weiteren konnten Denham et al. (2012b) illustrieren, dass Emotionswissen mit einer höheren Selbstregulation zusammenhängt und den späteren schulischen Erfolg voraus|21|sagt. Dies trifft insbesondere für Jungen, ältere Vorschüler und für Kinder mit einem höheren sozio-ökonomischen Risiko zu. Auch eine aktuelle Studie von Salisch et al. (2015) bestätigt an einer Stichprobe von 261 Kindern im Alter zwischen 46 und 72 Monaten einen positiven Zusammenhang zwischen einem umfassenden Emotionswissen und dem Sprachverständnis, der Gedächtnisspanne sowie der Verhaltensregulation.

Ein differenziertes Emotionsverständnis stellt eine weitere wichtige Ressource im Entwicklungsprozess dar. So wiesen Köckeritz et al. (2010) darauf hin, dass ein gut ausgeprägtes Emotionsverständnis mit einer besseren Verhaltensregulation sowie mit einem besseren rezeptiven Sprachverständnis einhergeht. Ähnlich berichten Cole et al. (2009) von drei bis vier Jahre alten Kindern, die zunächst über das Wissen über Emotionsregulationsstrategien interviewt und anschließend in einer Freispielsituation beobachtet wurden. Die Ergebnisse dieser umfassenden Studie zeigen, dass Kinder, die in einem vorgeschalteten Interview mehr Emotionsregulationsstrategien benennen konnten, sich im Freispiel häufiger sprachlich geäußert haben.

Neben den sprachlichen Kompetenzen hängt das Emotionsverständnis positiv mit kognitiven Fähigkeiten zusammen. So konnten Blankson et al. (2013) zeigen, dass die kognitive Kontrolle (exekutive Fähigkeiten, inhibitorische Kontrolle) und das kognitive Verständnis (Verständnis mentaler Zustände bei sich und Anderen) bei Drei- bis Vierjährigen mit der emotionalen Kontrolle (Emotionsregulation) und dem emotionalen Verständnis (Emotionen benennen, Gründe für Emotionen verstehen) zusammenhängen.

Schließlich bilden eine breite Palette von Emotionsregulationsstrategien und ein differenziertes Wissen über die Effektivität solcher Strategien eine wichtige Ressource für eine erfolgreiche Emotionsregulation (Cohen & Mendez, 2009; Gross, 2002) sowie einen wichtigen Schutzfaktor im Prozess der Entstehung und Aufrechterhaltung von Verhaltensauffälligkeiten (Silk, Shaw, Skuban, Oland & Kovacs, 2006). Eine große Bandbreite an Emotionsregulationsstrategien gilt als gute Ressource, um den Anforderungen der Entwicklung gerecht zu werden und kritische Lebensereignisse angemessen zu bewältigen (Chambers, Gullone & Allen, 2009; Saarni, 2002).

Die dargestellten Ergebnisse zum Zusammenhang zwischen emotionalen Fertigkeiten und Entwicklungsressourcen zeigen, dass Kinder, die umfangreiche emotionale Kompetenzen entwickelt haben, wie z. B. ihre eigenen Gefühle ausdrücken und regulieren oder die Gefühle anderer richtig interpretieren, in anderen Entwicklungsbereichen – Kognition, Sprache, Selbstregulation – gute Kompetenzen zeigen. Eine frühe Förderung emotionaler Fertigkeiten im Kindesalter kann somit wichtige Ressourcen stärken und die Entwicklung in anderen Bereichen unterstützen.

|22|1.3 Sozial-emotionale Kompetenz

Die emotionale und soziale Entwicklung eines Kindes sind auf vielfältige Weise miteinander verbunden (vgl. Petermann, 2002). Dies zeigt sich beispielsweise, wenn Kinder lernen, Emotionen vorzutäuschen und in sozialen Interaktionen strategisch einzusetzen (Saarni, 1999). Darüber hinaus weisen neuere Arbeiten darauf hin, dass verschiedene emotionale Fertigkeiten des Kindes eine notwendige Voraussetzung für die Entwicklung eines angemessenen Sozialverhaltens darstellen (vgl. Denham, Bassett & Zinsser, 2012; Denham et al., 2014a). In zahlreichen Studien gingen emotionale Fertigkeiten mit einer höheren sozialen Kompetenz sowie einem höheren sozialen Status und besseren Akzeptanz in der Gleichaltrigengruppe einher (vgl. Tab. 3). Umgekehrt beherrschen Kinder, die ein unangemessenes beziehungsweise gestörtes Sozialverhalten zeigen, verschiedene emotionale Fertigkeiten nur unzureichend. Beispielsweise können sozial auffällige Kinder den mimischen Emotionsausdruck anderer Personen schlechter erkennen und interpretieren (Deimann, Kastner-Koller, Benka, Kainz & Schmidt, 2005) und sie weisen ein schlechteres Emotionsverständnis auf (Bohnert, Crnic & Lim, 2003). Des Weiteren gehen aggressives Verhalten und Bullying häufig mit geringen Fähigkeiten zur Emotionsregulation einher (Buckley, Storino & Saarni, 2003). Emotionale Fertigkeiten, die Empathie und prosoziales Verhalten erst ermöglichen, so etwa die Fähigkeit zur emotionalen Perspektivenübernahme, sind bei diesen Kindern nicht angemessen entwickelt (vgl. Liao, Li & Su, 2014).

Tabelle 3: Auswirkungen emotionaler Fertigkeiten von Kindern auf ihre soziale Kompetenz

Studie

Emotionale Kompetenz

Soziale Kompetenz

Schultz, Izard, Ackerman & Youngstrom (2001)

umfangreiches Emotionswissen, Fähigkeit zum Erkennen von Emotionen im mimischen Ausdruck

weniger soziale Probleme, weniger soziale Zurückgezogenheit

Izard et al. (2001)

Fähigkeit zum Erkennen und Benennen von Emotionen im mimischen Ausdruck

positives Sozialverhalten, mehr Sozialkontakte zu Gleichaltrigen

Denham et al. (2001)

positive Responsivität und Reaktionen bei emotionalen Ausdrücken Gleichaltriger

höhere soziale Kompetenz

Smith (2001)

umfangreiches Emotionswissen, gute Emotionsregulation

Akzeptanz und Wertschätzung durch Gleichaltrige

|23|Collins & Nowicki (2001)

Fähigkeit zum Erkennen von Emotionen im Klang der Stimme

höhere Akzeptanz durch Gleichaltrige

Cooley & Triemer (2002)

Fähigkeit zum Erkennen von Emotionen im mimischen Ausdruck

häufigere Sozialkontakte zu Gleichaltrigen

Denham et al. (2002b)

umfangreiches Emotionswissen

weniger aggressives Verhalten gegenüber Gleichaltrigen

Miller et al. (2005)

bessere Kompetenzen im spontanen Benennen und Erkennen von Emotionen

besserer Status unter den Gleichaltrigen,

weniger negative Erfahrungen mit den Gleichaltrigen

Denham et al. (2012a)

umfangreiches Emotionswissen,

angemessener Ausdruck von spezifischen Emotionen

angemesseneres prosoziales Verhalten,

höherer Status unter Gleichaltrigen,

freundlicherer Umgang mit Gleichaltrigen und Erwachsenen

Liao et al. (2014)

bessere affektive Perspektivenübernahme,

besseres Verständnis von Emotionen

effektiveres Verhalten in Situationen mit offener Aggression,

leichteres Versöhnen,

positivere Interaktionen mit den Gleichaltrigen

Denham et al. (2014)

differenziertes Emotionswissen

prosoziales Verhalten

Insbesondere die Arbeitsgruppe um Denham konnte sehr differenziert Zusammenhänge zwischen Emotionswissen und einer Reihe sozialer Kompetenzen aufzeigen (Denham, 2006; Denham, Wyatt, Bassett, Echeverria & Knox, 2009; Denham, Bassett & Zinsser, 2012). Schon Denham et al. (2001) belegten, dass positive emotionale Kontakte zu Gleichaltrigen eine zentrale Rolle für späteren sozialen Erfolg spielen. So beobachteten sie Drei- bis Vierjährige beim freien Spiel mit Gleichaltrigen. Sie unterschieden zwischen „positiven Spielgruppen“, in denen die Kinder untereinander konfliktarme Sozialkontakte aufwiesen, über|24|wiegend positive Gefühle zeigten und sensibel auf die Emotionen anderer reagierten, und „negativen Spielgruppen“, in denen die Kinder untereinander konfliktreiche Sozialkontakte hatten, überwiegend negative Gefühle (z. B. Ärger) äußerten und nicht auf die Emotionen anderer eingingen. Die Kinder in positiven Spielgruppen wurden als sozial kompetenter eingeschätzt als Kinder in Spielgruppen, die sich durch negative Kontakte auszeichneten. Die Zuordnung der Kinder zu positiven versus negativen Spielgruppen blieb bei den meisten Kindern über ein Jahr lang stabil. Ungefähr zwei Drittel der Kinder gehörten auch noch im Alter von vier Jahren der gleichen Art von Spielgruppe an wie mit drei Jahren. Darüber hinaus scheint ein umfangreiches Emotionswissen mit einem höheren Status bei den Gleichaltrigen und mit einem sozial angemessenen Verhalten zusammenzuhängen (Denham et al., 2012). Schließlich bedingt ein differenziertes Wissen über Emotionen stärker ausgeprägtes prosoziales Verhalten (Denham, Bassett & Zinsser, 2012).

In einer Längsschnittstudie untersuchten Izard et al. (2001) die Beziehung zwischen der Fähigkeit Fünfjähriger, den mimischen Ausdruck verschiedener Emotionen (Freude, Traurigkeit, Ärger, Angst, Interesse, Überraschung, Ekel, Verachtung und Scham) richtig erkennen und benennen zu können und ihrem späteren Sozialverhalten, das von den Lehrkräften im dritten Schuljahr eingeschätzt wurde. Die emotionale Fertigkeit, Gefühle anderer richtig zu interpretieren, wirkte sich langfristig positiv auf das Sozialverhalten der Kinder aus: Kinder, die im Vorschulalter mangelnde Fähigkeiten besaßen, emotionale Gesichtsausdrücke zu erkennen und zu deuten, hatten in der Grundschulzeit weniger Kontakte zu ihren Mitschülern. Zehnjährige Jungen, die die Emotionen Freude, Angst, Trauer und Ärger im mimischen Ausdruck Erwachsener gut erkennen konnten, hatten dagegen nach Einschätzung ihrer Lehrkräfte mehr Sozialkontakte zu ihren Mitschülern (Cooley & Triemer, 2002). Des Weiteren wurden Zehnjährige, die Emotionen in der Stimmlage erkennen konnten, von Gleichaltrigen besser akzeptiert (Collins & Nowicki, 2001). Miller et al. (2005) konnten außerdem zeigen, dass die Kinder, die ihre Emotionen korrekt benennen und am mimischen Ausdruck erkennen können, einen besseren Status unter den Gleichaltrigen besitzen und weniger negative Erfahrungen in einer Gleichaltrigengruppe machten (Miller et al., 2005). Diese Ergebnisse sprechen übereinstimmend dafür, dass Kinder, die die Fähigkeit erlernt haben, Emotionen im nonverbalen Ausdruck anderer Personen zu erkennen, mehr soziale Beziehungen zu Gleichaltrigen aufbauen und bei Gleichaltrigen beliebter sind.

In einer Studie von Schultz, Izard, Ackerman und Youngstrom (2001) stellte sich das Emotionsverständnis Sechs- bis Siebenjähriger als signifikanter Prädiktor für ihre sozialen Probleme und ihre soziale Zurückgezogenheit im ersten Schuljahr heraus. Je geringer das Wissen der Kinder darüber war, welche Gefühle andere Personen in bestimmten Situationen zeigen, desto mehr soziale Probleme hatten sie nach Einschätzung ihrer Lehrkräfte. Des Weiteren waren Kin|25|der, die Schwierigkeiten hatten, den mimischen Ausdruck von Emotionen zu deuten und situative Auslöser von Emotionen zu erkennen, im Umgang mit Gleichaltrigen sozial zurückgezogener. Eine aktuelle Studie von Liao et al. (2014) verdeutlicht auch, dass ein umfassendes Emotionsverständnis sowie eine gut entwickelte affektive Perspektivenübernahme (= Emotionen von anderen richtig erkennen) in Konfliktsituationen mit Gleichaltrigen von Vorteil sind: So können diese Kompetenzen die Versöhnung erleichtern und positive Gleichaltrigen-Interaktionen fördern. Dabei verhalten sich Kinder mit einer gut entwickelten affektiven Perspektivenübernahme in Situationen, in denen offene Aggressionen gezeigt werden, deutlich prosozialer (Liao et al., 2014).

Ebenso geht eine gute Emotionsregulation mit besseren sozialen Kompetenzen einher. Smith (2001) berichtet, dass Vier- bis Fünfjährige, die von Gleichaltrigen in ihrer Vorschulgruppe als Spielpartner bevorzugt wurden und beliebt waren, emotional und sozial kompetenter waren als Kinder, die weniger gut akzeptiert wurden. Die ausgeprägteren emotionalen Fertigkeiten dieser Kinder zeigten sich darin, dass sie über ein größeres Emotionswissen verfügten, ihre Emotionen besser regulieren konnten und weniger aggressive Konfliktlösungen vorschlugen. Nach Smith (2001) ist davon auszugehen, dass diese Fähigkeiten die soziale Interaktion vereinfachen und Kinder lieber mit Gleichaltrigen spielen, die ihre Emotionen gut regulieren können und weniger intensive Emotionen zeigen. Auch aktuellere Studien berichten von ähnlichen Befunden. So weisen Spritz und Kollegen (2010) darauf hin, dass die Emotionsregulation einen bedeutsamen Prädiktor für soziale Kompetenzen und positive Beziehungen zu Lehrkräften darstellt. Dabei mediiert die Ausprägung der emotionalen Labilität den Zusammenhang zwischen Schüler-Lehrer-Konflikten und Sympathie unter Gleichaltrigen (Spritz et al., 2010).

Die Arbeitsgruppe um Nancy Eisenberg betont ebenfalls die Einflüsse der Emotionalität und der Emotionsregulation auf das Sozialverhalten von Kindern:

Bei der Emotionalität eines Kindes wirkt sich die Häufigkeit der gezeigten Emotionen, die Intensität dieser Gefühle, die (positive oder negative) Valenz der Emotionen und die Art der negativen Gefühle (z. B. Ärger, Traurigkeit, Angst) auf die soziale Kompetenz aus.

Mit der Emotionsregulation wird häufig beabsichtigt, bestimmte soziale Ziele zu erreichen. Sie wird hier definiert als ein interner Prozess, bei dem das Auftreten, die Intensität oder Dauer subjektiv erlebter Gefühlszustände und emotionsbezogener physiologischer Veränderungen initiiert, aufrechterhalten oder verändert wird. Durch die Auswirkungen der Emotionsregulation auf die Verhaltenskontrolle wird das Sozialverhalten entscheidend beeinflusst.

Individuelle Unterschiede in den beiden genannten Bereichen beeinflussen zahlreiche Aspekte sozialer Kompetenz, zum Beispiel das Verhalten in sozialen Interaktionen, sozial angemessenes Verhalten, Beliebtheit bei Gleichaltrigen und |26|prosoziales Verhalten (Eisenberg et al., 2002). Durch den positiven oder negativen Gefühlsausdruck und die Fähigkeit, Gefühle zu kontrollieren, werden die Wahrnehmung und das Sozialverhalten im Umgang mit Gleichaltrigen geprägt. Beispielsweise werden Kinder von Gleichaltrigen häufiger zurückgewiesen, wenn sie im Sozialkontakt eine mangelnde Emotionsregulation zeigen.

Zwischen der Emotionalität, der Emotionsregulation und der sozialen Kompetenz von Kindern wurden von Eisenberg und Mitarbeitern folgende Zusammenhänge ermittelt:

Kinder mit einer optimalen Emotionsregulation besitzen eine hohe soziale Kompetenz und wenig Anpassungsprobleme.

Kinder mit einer mangelnden Fähigkeit zur Emotionsregulation zeigen dagegen eine geringe soziale Kompetenz und weisen häufig externalisierende Verhaltensstörungen auf.

Kinder, die Defizite in der Emotionsregulation aufweisen und gleichzeitig eine hohe negative Emotionalität zeigen, sind besonders schlecht reguliert und weisen häufig aggressives Verhalten und andere externalisierende Verhaltensstörungen auf.

Verschiedene negative Emotionen wirken sich vermutlich unterschiedlich auf die soziale Kompetenz aus: Bei häufigem und intensivem Erleben von Ärger kann eine geringe soziale Kompetenz vorausgesagt werden, bei häufigem und intensivem Erleben von Angst dagegen eine soziale Hemmung.

In mehreren Studien (z. B. Eisenberg et al., 2000; Eisenberg, Cumberland et al., 2001) konnten langfristige Prognosen zur Qualität des Sozialverhaltens – und hier sowohl zur Ausprägung der sozialen Kompetenz als auch zum Auftreten externalisierender Verhaltensstörungen – getroffen werden, wenn bei der Vorhersage sowohl die Emotionsregulation als auch die negative Emotionalität der Kinder berücksichtigt wurde. Emotionale Fertigkeiten von Kindergartenkindern, die sich auf den emotionalen Ausdruck, das Emotionswissen und die Emotionsregulation bezogen, stellten sich als Prädiktoren ihres späteren Sozialverhaltens heraus (Denham et al., 2003; zusammenfassend Koglin & Petermann, 2013).

Insgesamt weisen die Ergebnisse der Studien darauf hin, dass emotionale Kompetenzen eine Basis für die Ausbildung und Differenzierung sozialer Kompetenzen darstellen. Ein umfassendes Emotionsverständnis und Emotionswissen sowie eine effektive Emotionsregulation haben eine große Bedeutung für das Gelingen sozialer Anpassungsleistungen (Deneault & Ricard, 2013).

1.4 Emotionale Kompetenz und Bildung

Durch sozial-emotionales Lernen sollen die im Kapitel 1.1 beschriebenen Kompetenzen von Kindern in vorschulischen und schulischen Bildungseinrichtungen gestärkt werden (vgl. Weissberg, Durlak, Domitrovich & Gullotta, 2015). |27|In den letzten Jahren hat es „an explosion of interest in social and emotional learning“ (Weissberg et al., 2015, S. 3), vor allem in schulischen Kontexten, gegeben und zahlreiche Förderprogramme wurden erprobt und evaluiert (vgl. Kap. 7). Dabei hat sich gezeigt, dass sozial-emotionale Fertigkeiten mit Schulerfolg einhergehen und die Lernmotivation erhöhen (Denham & Brown, 2010; Garner, 2010) sowie mit einem positiveren Sozialverhalten, weniger Verhaltensauffälligkeiten und einem geringeren Stresserleben verbunden sind (Collaborative for Academic, Social, and Emotional Learning [CASEL], 2012). Denham et al. (2011) fordern nunmehr bildungspolitische Maßnahmen, um pädagogische Standards zur Erhebung und Verbesserung sozial-emotionaler Lernprozesse bei Kindern festzuschreiben und damit eine verbindliche Regelung zur Förderung dieses Entwicklungsbereiches in Bildungseinrichtungen zu etablieren. Darüber hinaus ist es ein wichtiges Ziel, das Verständnis und die Wertschätzung der emotionalen Kompetenz von Kindern beim Personal in (Vor-)Schulen zu verbessern. (Früh-)Pädagogische Fachkräfte sollten zukünftig darin geschult werden, emotionale Fertigkeiten von Kindern zu erheben und durch gezielte Interventionen zu verbessern (Denham et al., 2011). Diese Forderungen zur Qualifizierung des Personals erscheinen berechtigt, da Bezüge zwischen den sozial-emotionalen Kompetenzen von Kindern und der pädagogischen Qualität der Bildungseinrichtung nachgewiesen sind (vgl. Schüpbach, Ignaczewska & Herzog, 2014).

Die 1994 gegründete amerikanische Organisation „Collaborative for Academic, Social, and Emotional Learning“ (CASEL) verfolgt seit Jahren das Anliegen, sozial-emotionales Lernen als einen integralen Bestandteil der schulischen Ausbildung zu etablieren. Die beteiligten Forscherinnen und Forscher weisen eindringlich auf die bislang zu wenig beachteten Zusammenhänge zwischen sozial-emotionalen Kompetenzen von Kindern und ihrem Schulerfolg hin. Schulisches Lernen, das meistens ausschließlich mit kognitiven Fähigkeiten verknüpft wird, setzt ihrer Meinung nach ebenso gut entwickelte Fähigkeiten im Umgang mit Gefühlen voraus (CASEL, 2012). CASEL geht davon aus, dass alle Kinder von einer Förderung sozial-emotionaler Fertigkeiten profitieren würden und entsprechende Interventionen daher in das reguläre Unterrichtscurriculum integriert werden sollten (Payton et al., 2000, vgl. Kap. 7.6). In den USA wurde im Januar 2015 ein entsprechender Gesetzesentwurf im House of Representatives vorgelegt (Academic, Social, and Emotional Learning Act 2015). Aktuelle Umsetzungsmöglichkeiten finden sich im 2013 CASEL Guide, in dem evaluierte Förderprogramme für das Vorschul- und das Grundschulalter vorgestellt werden (CASEL, 2012).

Wenn amerikanische Forscher schreiben, dass sozial-emotionales Lernen „currently the zeitgeist in education“ (Humphrey, 2013, S. 1) ist, fragt man sich, warum in Deutschland von diesem Zeitgeist noch so wenig spürbar ist. Hierzulande fehlt es an vergleichbaren bildungspolitischen Bestrebungen, sozial-emo|28|tionales Lernen durch entsprechende Förderprogramme curricular zu verankern. Im Folgenden wird aufgezeigt, wie entscheidend diese Kernkompetenzen für die individuelle Bildungsbiografie sind und wie sie zum Gelingen eines inklusiven Bildungsangebotes beitragen können.

1.4.1 Schulreife und Schulerfolg

Die Zusammenhänge zwischen Emotionen und Lernen in (vor-)schulischen Kontexten sind vielfältig und komplex; es ist belegt, dass sich die emotionale Befindlichkeit und die emotionalen Fertigkeiten von Kindern auf ihre Aufmerksamkeitsleistungen, ihre Lernmotivation und die Aktivierung kognitiver Lernprozesse auswirken (vgl. Hascher, 2010). In den letzten Jahren ist der Erwerb sozial-emotionaler Kompetenz in der frühen Kindheit zunehmend als ein kritischer Entwicklungsverlauf im Hinblick auf Schulreife, Lernbereitschaft und schulische Erfolge erkannt worden (Denham, 2006).

Schon die sozial-emotionalen Fertigkeiten von drei- und vierjährigen Kindern erwiesen sich als direkte oder indirekte Prädiktoren ihrer späteren Schulreife (Denham, Bassett, Zinsser & Wyatt, 2014a). So stellte sich beispielsweise das Emotionswissen dreieinhalb- bis fünfjähriger Vorschulkinder als Prädiktor ihrer frühen Literacy-Fähigkeiten heraus. Kinder mit einer höheren emotionalen Kompetenz in diesem Bereich verfügten über eine höhere phonologische Bewusstheit sowie über eine bessere Kenntnis des Alphabets (Curby, Brown, Bassett & Denham, 2015). Kontrolliert wurden dabei weitere mögliche Einflussfaktoren wie beispielsweise das Alter und Geschlecht der Kinder sowie der Bildungsstand der Mutter. Bierman et al. (2008) berichteten, dass ein einjähriges Programm (Head Start REDI Program) zur Förderung sozial-emotionaler Fertigkeiten sich positiv auf den Vokabelreichtum sowie die Literacy-Fähigkeiten von Vierjährigen auswirkte. Eine Verbesserung sozial-emotionaler Fertigkeiten von Vorschulkindern und Grundschulkindern der ersten Klasse durch eine Intervention (You Can Do It!) führte zu besseren Lesefertigkeiten der Kinder (Ashdown & Bernard, 2012).

Bereits im Vorschulalter können Bezüge zwischen dem Emotionswissen von Kindern und ihrem Erfolg in Bildungseinrichtungen nachgewiesen werden (Denham, Bassett, Way, Mincic, Zinsser & Graling, 2012b). Auch nach dem Übergang in die Grundschule sind emotionale Fertigkeiten von Kindern positiv korreliert mit den Schulleistungen im ersten Schuljahr (Perez & Gauvain, 2009). Kinder, die über eine gute emotionale Kompetenz verfügen, erzielen mit höherer Wahrscheinlichkeit frühe schulische Erfolge als Kinder, die mangelnde emotionale Fertigkeiten aufweisen (Raver, 2002). Izard (2002a) verweist im Hinblick auf den Schulerfolg vor allem auf die positiven Auswirkungen eines umfangreichen Emotionswissens und einer angemessenen Emotionsregulation. Dagegen erreichen Kinder mit nicht altersgemäß entwickelten sozial-emotiona|29|len Fertigkeiten eine unzureichende Schulreife, weniger schulische Leistungserfolge und sie haben häufiger Konflikte mit Mitschülern (Raver, 2002; Izard, 2002a; Blair, 2002). In Längsschnittstudien konnte inzwischen auch gezeigt werden, dass emotionale Fertigkeiten Prädiktoren späterer schulischer Leistungen sind (Izard et al., 2001; Howse, Calkins, Anastopoulos, Keane & Shelton, 2003). Ferner bestehen Zusammenhänge zwischen emotionalen Fertigkeiten von Kindern, ihrem Lernverhalten sowie schulischen Problemen (Izard, 2002a; Zins, Bloodworth, Weissberg & Walberg, 2004; Elias, 2006).

Im Einzelnen ist ein Zusammenhang zwischen emotionaler Kompetenz und Schulleistungen für die folgenden emotionalen Fertigkeiten empirisch belegt (vgl. auch Abb. 1):

Kinder, die überwiegend positive Emotionen und prosoziale Verhaltensweisen zeigen, haben weniger Probleme, sich in den Klassenverband zu integrieren. Dagegen knüpfen Kinder, die häufig negative Emotionen (z. B. Ärger) und aggressive Verhaltensweisen zeigen, schlechter Sozialkontakte zu ihren Mitschülern und erfahren daher weniger Unterstützung und Zusammenarbeit im Klassenverband, was sich wiederum ungünstig auf ihre schulischen Leistungen auswirkt (Ladd, Birch & Buhs, 1999). Eine gute Integration in den Klassenverband und die Fähigkeit, kooperativ mit anderen zusammenzuarbeiten, wirken sich dagegen günstig auf den Schulerfolg aus (Coolahan, Fantuzzo, Mendez & McDermott, 2000). Das emotionale Erleben und der emotionale Ausdruck von Schülern weist auch Bezüge zu ihrem Lernverhalten auf. Während das überwiegende Erleben negativer Emotionen die Lernfähigkeit beeinträchtigt (Roeser, van der Wolf & Strobel, 2001), ist ein häufiges Erleben positiver Emotionen mit höheren Lernleistungen verbunden (Izard, 2002b). Ein positiver Emotionsausdruck begünstigt sowohl die Lernbereitschaft seitens der Schüler als auch ihre von den Lehrern wahrgenommene Unterrichtbarkeit (Denham, 2006).

Kinder, die emotionale Botschaften Gleichaltriger erkennen können, sind in der (Vor-)Schule im Vorteil. In einer Längsschnittstudie von Izard et al. (2001) erwies sich die Fähigkeit Fünfjähriger, Emotionen im mimischen Ausdruck erkennen und benennen zu können, als Mediatorvariable zwischen ihren sprachlichen Fähigkeiten und ihrem späteren Schulerfolg. Bei zehnjährigen Mädchen ging die Fähigkeit, Emotionen von Mitschülern im mimischen Ausdruck sowie in der Stimmlage zu erkennen, mit signifikant besseren Schulleistungen einher (Collins & Nowicki, 2001).

Ein ausgeprägtes Emotionswissen begünstigt schon bei drei- und vierjährigen Vorschulkindern angemessenere Verhaltensweisen im Falle von Konflikten mit Gleichaltrigen (Denham et al., 2013; Denham et al., 2014b). Des Weiteren geht das Emotionswissen mit der Aufmerksamkeitsleistung von Schülern im ersten und zweiten Schuljahr einher (Trentacosta, Izard, Mostow & Fine, 2006). Schüler, die fähig waren, Hinweise auf Basisemotionen im emotiona|31|len Ausdruck und Verhalten anderer Personen zu erkennen, konnten auch ihre Aufmerksamkeit besser auf Unterrichtsinhalte fokussieren. Außerdem zeigte das Emotionswissen Bezüge zum Ärgerausdruck der Schüler (nach Einschätzung von Mitschülern). Demnach wurde Schülern, die über ein geringeres Emotionswissen verfügten, von den Mitschülern häufiger ein ärgerlicher Emotionsausdruck zugeschrieben.

|30|

Abbildung 1: Emotionale Kompetenz und Schulprobleme (nach Wiedebusch, 2008, S. 139)

Kinder, die ihre negativen Gefühle schlecht regulieren können und Schwierigkeiten im Umgang mit Gleichaltrigen haben, entwickeln größere schulische Probleme. Raver (2002) hebt die zentrale Rolle der Emotionsregulation für erfolgreiche Interaktionen mit Mitschülern hervor (z. B. Materialien mit anderen teilen, sich abwechseln, sich einigen können). Ein angemessener Umgang mit den eigenen und den Gefühlen der Mitschüler kann das Lernverhalten verbessern und zu schulischen Erfolgen beitragen. McClelland et al. (2015) weisen auf die Bedeutung der Selbstregulation hin, um langfristige soziale Beziehungen aufbauen und schulische Erfolge erzielen zu können. In zahlreichen Studien sind Bezüge zwischen der Fähigkeit zur Selbstregulation und Lernerfolgen in der frühen Kindheit bestätigt worden. Eine gute Fähigkeit zur Selbstregulation beinhaltet dabei die Fähigkeiten, eigene Emotionen, Kognitionen und Verhaltensweisen angemessen regulieren zu können (vgl. Flook, Goldberg, Pinger & Davidson, 2015). Gelingt dies, so können Kinder von Lernanregungen und -aktivitäten in der (Vor-)Schule profitieren. Schon im Vorschulalter sind diese Zusammenhänge erkennbar: Drei- bis fünfjährige Kinder, die eine negative Emotionalität und geringe Fähigkeiten zur Emotionsregulation aufwiesen, passten sich nach Einschätzung ihrer Lehrkräfte in der Einrichtung weniger gut an (Herndon, Bailey, Shewark, Denham & Bassett, 2013). In einer Studie von Shields et al. (2001) konnten Kinder, die eine gute schulische Anpassung zeigten, besser ihre Emotionen regulieren, emotionale Situationen identifizieren und sich in die Gefühle anderer hineinversetzen. Kinder mit einer negativen Emotionalität und geringen Fähigkeiten zur Emotionsregulation hatten dagegen mehr Probleme, sich in den Klassenverband einzufügen. In einer schweizerischen Studie mit fünf- bis zehnjährigen Schülerinnen und Schülern stellte sich heraus, dass die sozial-emotionalen Fertigkeiten den Zusammenhang zwischen kognitiven sowie sprachlichen Kompetenzen und den Schulnoten moderieren. Gute Fähigkeiten zur Selbst- und Emotionsregulation führten hier zu einem besseren schulischen Erfolg (Gut, Reimann & Grob, 2012).

Insgesamt entwickeln Kinder, die bereits im Kindergartenalter über eine altersangemessene sozial-emotionale Kompetenz verfügen, eine positivere Einstellung zur Schule, sie können sich dem Schulalltag früher und besser anpassen und verzeichnen größere schulische Erfolge (Raver, 2002; Denham, 2006; Nix, Bierman, Domitrovich & Gill, 2013). Demgegenüber haben Kinder, die Defizite in diesem Bereich aufweisen und sich beispielsweise aggressiv verhalten oder |32|in der Gleichaltrigengruppe eine Opferrolle einnehmen, häufig Probleme, sich in das schulische Umfeld zu integrieren und bilden Lernschwierigkeiten oder weitere Folgeprobleme aus (vgl. Abb. 1). Die Entwicklung von diagnostischen Verfahren zur Erhebung sozial-emotionaler Fertigkeiten im Kindesalter und von Programmen zur Förderung dieser umfassenden Kompetenz sind auf dem Hintergrund der engen Verknüpfung zu Schulreife, Lernbereitschaft und schulischen Leistungen dringend erforderlich (Denham, 2006). Die Befunde sprechen weiterhin dafür, die sozial-emotionale Kompetenz von Kindern als Kriterium der Schulreife im Rahmen der Schuleingangsdiagnostik zu erfassen (vgl. Helmsen, Petermann & Wiedebusch, 2009). Die Durchführung präventiver Maßnahmen im Vorschulbereich hilft Kindern, die sozialen und kognitiven Anforderungen beim Übergang in die Schule besser bewältigen zu können (Blair, 2002). Dabei könnte eine Risikogruppe von Vorschulkindern, die ein geringes Emotionswissen hat, Schwierigkeiten mit der Emotionsregulation aufweist, in sozialen Interaktionen häufig negative und selten positive Gefühle zeigt sowie wenig prosoziale und vermehrt aggressive Problemlösungen bei Konflikten mit Gleichaltrigen verfolgt, in besonderem Maße von einer solchen Förderung profitieren (Denham et al., 2012). Auch Nix et al. (2013) betonen die Notwendigkeit, gerade bei Risikokindern die Entwicklung sozial-emotionaler Fertigkeiten in der Vorschulzeit zu forcieren, um die Schulreife dieser Kinder zu fördern.

1.4.2 Inklusive Bildung

Mit der Ratifizierung der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen im Jahr 2009 ist in Deutschland die gesellschaftliche und politische Forderung nach einem tiefgreifenden Umbau des Bildungssystems mit dem Ziel, allen Kindern eine gleichberechtigte Teilhabe an Bildungsangeboten und -chancen zukommen zu lassen, rechtswirksam geworden. Der Implementierungsprozess inklusiver Angebote ist sowohl in Kindertageseinrichtungen wie in Schulen mit großen Herausforderungen verbunden (Hensen et al., 2014; Maykus et al., 2016). Bislang werden in Vorbereitung auf die inklusive Schule Weiterbildungsmaßnahmen für Lehrkräfte angeboten, während die Schülerinnen und Schüler nicht systematisch auf die neuen Herausforderungen des Schulalltags vorbereitet werden. Eine gelingende inklusive Betreuung und Beschulung setzt vor allem bei den Kindern ein hohes Maß an sozial-emotionalen Fertigkeiten voraus (Wiedebusch & Petermann, 2013). Verlangt schon das soziale Miteinander in relativ homogenen Klassenverbänden ein emotional kompetentes Verhalten der Kinder (z. B. bei Gruppenarbeiten, bei Konflikten mit Mitschülerinnen und Mitschülern, bei der Zurückstellung eigener Bedürfnisse), so gilt dies umso mehr für heterogene Klassen. Ein gegenseitiges Verständnis der emotionalen Befindlichkeit, Toleranz und Respektieren des Andersseins, eine hohe Frustrationstoleranz, erprobte Emotionsregulationsstrategien und Problemlösefertigkeiten sind hier die Voraussetzung für das Gelingen des Schulalltags. Es bedarf ausgeprägter Fähig|33|keiten zur Perspektivenübernahme und Empathie, um die gleichberechtigte Teilhabe aller Kinder verwirklichen zu können. Darüber hinaus können unterschiedlich weit entwickelte emotionale Fertigkeiten der Kinder soziale Konflikte hervorrufen. So zeigen sich gerade bei Kindern mit Entwicklungs- und Verhaltensauffälligkeiten, tiefgreifenden Entwicklungsstörungen oder Behinderungen häufig verlangsamte oder spezifisch veränderte Entwicklungsverläufe und -muster der emotionalen Kompetenz (vgl. Wiedebusch & Petermann, 2013; vgl. Kap. 5), die soziale Interaktionen zwischen den Mitschülerinnen und Mitschülern erschweren können.

Bei der Umsetzung inklusiver Bildungsangebote in Schulen sind daher begleitende Fördermaßnahmen zur Verbesserung der sozial-emotionalen Kompetenz aller Schülerinnen und Schüler unerlässlich. In den letzten Jahren sind in Deutschland mehrere manualisierte Interventionsprogramme zur Förderung der emotionalen Kompetenz von Grundschulkindern konzipiert, im Primarbereich erprobt und weiterentwickelt worden (vgl. Kap. 7.6). Die Ziele dieser Programme liegen darin, das Erleben von und den Umgang mit Emotionen bei sich selbst und bei anderen wie auch das Verhalten im Klassenverband und die sozialen Beziehungen zu einzelnen Mitschülerinnen und Mitschülern zu verbessern, prosoziale Verhaltensweisen im Schulalltag auf- und aggressive Verhaltensweisen abzubauen. Die vorliegenden Evaluationsergebnisse belegen entsprechende positive Auswirkungen auf das Sozialverhalten (z. B. Schick & Cierpka, 2010; Marées & Petermann, 2009, 2010; Hennemann, Hillenbrand & Hens, 2011). Hillenbrand, Hennemann, Hens und Hövel (2015) weisen explizit auf die Möglichkeit hin, das Förderprogramm „Lubo aus dem All!“ (vgl. Kap. 7.6) in inklusiven Klassen der Jahrgangsstufen 1 und 2 einzusetzen und hierdurch Schülerinnen und Schüler mit Verhaltensauffälligkeiten oder Lern- und Aufmerksamkeitsproblemen besser in den Klassenverband zu integrieren, wie dies zurzeit im Rügener Inklusionsmodell geschieht (vgl. Mahlau, Diehl, Voß & Hartke, 2011). Daneben liegen im deutschsprachigen Raum bislang keine Praxismaterialien vor, die speziell auf Herausforderungen und Konflikte in inklusiven Grundschulklassen eingehen und das Ziel haben, das gemeinsame Leben und Lernen von Kindern mit unterschiedlichsten Beeinträchtigungen durch den Erwerb der hierfür erforderlichen emotionalen Kompetenz zu erleichtern. In den nächsten Jahren wird es im Zuge der Umsetzung schulischer Inklusion notwendig sein, Förderprogramme (weiter) zu entwickeln, die Alltagsprobleme in heterogenen Klassen aufgreifen und Grundschulkinder in die Lage versetzen, die Gefühle und ggf. bestehenden Teilhabebarrieren ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler besser nachvollziehen zu können. Auf diese Weise soll ein „caring thinking“ (Camhy, 2005) ausgebildet werden; eine Grundhaltung, die von Achtung und Respekt vor anderen Menschen sowie von verantwortungsvollem Handeln ihnen gegenüber gekennzeichnet ist. Sozial-emotionales Lernen in Bildungseinrichtungen trägt dazu bei, ein soziales Bewusstsein und eine soziale Achtsamkeit bei Kindern zu fördern: „the |34|competencies to (…) show caring and concern for others“ (Weissberg et al., 2015, S. 6). Das Erleben von Empathie ist dabei ein zentraler protektiver Faktor, der sich günstig auf das Sozialverhalten von Kindern auswirkt (vgl. Kap. 2). Entsprechend sollte der Schwerpunkt von Interventionen für inklusive Gruppen in Bildungseinrichtungen darauf liegen, die Fähigkeit zur emotionalen Perspektivenübernahme als affektive Komponente sowie die Ausbildung empathischer Einstellungen als kognitive Komponente von Empathie zu stärken.

|35|Kapitel 2Entwicklung von Emotionsausdruck und Emotionsverständnis

In den ersten sechs Lebensjahren erzielen Kinder wichtige Fortschritte in ihrer emotionalen Entwicklung, die sie dazu befähigen, in sozialen Situationen zunehmend emotional kompetent zu agieren. Hierzu gehören

die Entwicklung von Emotionen und sprachlichem Emotionsausdruck,

das zunehmende Emotionswissen und -verständnis und

schließlich die Entwicklung der Emotionsregulation.

Die Entwicklungsverläufe der verschiedenen emotionalen Fertigkeiten beginnen zwar auf unterschiedlichen Altersstufen, verlaufen dann aber größtenteils zeitlich parallel und beeinflussen sich gegenseitig (vgl. Abb. 2). So beginnt beispielsweise der sprachliche Ausdruck von Emotionen gegen Ende des zweiten Lebensjahres und wird im weiteren Entwicklungsverlauf bis zum Schulalter zunehmend differenzierter, wobei die Kommunikation über Gefühle auch von zahlreichen anderen Entwicklungen, wie etwa dem wachsenden Verständnis für die Ursachen und Auswirkungen von Emotionen, beeinflusst wird.

Für alle genannten Bereiche werden die entwicklungsbedingten Veränderungen im Folgenden aufgezeigt. Dabei werden vorrangig Studien berücksichtigt, in denen die emotionalen Fertigkeiten von Kindern bis zum sechsten Lebensjahr untersucht wurden. Studien mit älteren Kindern werden nur einbezogen,

wenn bei den Erhebungen mehrere Altersgruppen berücksichtigt wurden und die jüngsten Kinder bis sechs Jahre alt waren,

wenn in einem Bereich keine oder unzureichende Befunde zum Entwicklungsstand jüngerer Kinder vorliegen,

wenn aus Studien mit älteren Kindern Rückschlüsse auf den Entwicklungsverlauf emotionaler Fertigkeiten gezogen werden können.

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Abbildung 2: Emotionale Entwicklung in den ersten sechs Lebensjahren