Violas Porträt - Christoph-Maria Liegener - E-Book

Violas Porträt E-Book

Christoph-Maria Liegener

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Beschreibung

Eine wunderschöne junge Frau wird von ihrem Freund porträtiert. Ein Bild entsteht, das es in sich hat. Die Grenzen zwischen Realität und Fantasie verschwimmen. Wir tauchen ein in die wundervolle Welt der Kunst und der Künstler. Ein Blick in die Ewigkeit.

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Ich war da, ich musste gehen. Ich machte keine Spuren. Aber der Wind hörte mein Lied.

(Indianische Weisheit)

Inhalt

Viola und Georg

Elisabeth und Raphael

Hanna und Lars

Regina und Martin

Susanne und Ludwig

Désirée und Ansgar

Marie und Theo

Beate und Jens

Ines und Eugen

Elfriede und Roland

Irene und Lothar

Valerie und Adrian

Birgit und Harald

Bernadette und Albert

Naomi und Eduard

Evelyn und Rudi

Julia und Thorsten

Lea und Kai

Emma und Noah

Sophia und Luca

Agnes und Michael

Helen und Bernhard

Franziska und Sebastian

Amalia und Leonhard

Viola und Georg

Viola verzauberte alle. Ihr großen Augen sahen neugierig in die Welt, ihr ausdrucksstarker Mund lächelte dazu. Ein liebevoller Charakter entfaltete sich mit dem Lächeln auf ihren noch jugendlichen Gesicht. Weibliche Reize zeigten sich dezent und doch anmutig. Die Natur hatte sie mit Gesichtszügen beschenkt, die Tiefe genauso wie Freude widerspiegelten. Gerne lachte sie laut heraus, wenn sie etwas lustig fand. Und sie fand vieles lustig, nahm alles mit Humor. Sie besaß ein fröhliches Temperament, eine Frohnatur, gepaart mit Intelligenz. Wenn sie einen Raum betrat, war es, als ob die Sonne aufginge.

Kurz gesagt: Sie war wirklich richtig nett.

Eigentlich könnte man es für ungerecht halten, dass eine Frau sowohl gut aussah als auch einen großartigen Charakter hatte. Viele haben nur eins von beidem – oder keines. Viola hatte alles.

Man konnte es andererseits verstehen. Wenn ein Mensch so fantastisch aussieht wie Viola, sind alle freundlich zu dieser Person. Wenn aber alle freundlich zu einer Person sind, ist es leicht für diese Person, freundlich zu allen anderen zu sein. Und das wiederum macht die Person noch attraktiver. Ein lächelndes Gesicht ist einfach sympathischer als ein mürrisches. Ein sympathisches Gesicht prägt die gesamte Ausstrahlung, macht die ganze Person sympathisch, was wiederum zu sympathischen Reaktionen der Mitmenschen führt. Ein positiver Rückkopplungsmechanismus, der einen attraktiven Menschen hervorbringt, eine Person, die mit sich und ihrer Umwelt im Reinen ist. So ein Mensch war Viola.

Jeder wollte mit Viola befreundet sein, jeder suchte ihre Nähe. Sie war überall beliebt.

Georg war einer ihrer heimlichen Verehrer. Wie viele andere auch war er verliebt in Viola. Er wusste: Wenn er sie gewinnen wollte, musste er etwas Besonderes tun. Und das konnte er. Er war ein begnadeter Künstler. Viola und er gingen auf die gleiche renommierte Kunstakademie. Das war schon mal etwas. Immerhin kannten sie sich also bereits. Nur näher hatten sie sich bisher noch nicht kennengelernt. Aber das konnte ja noch kommen.

Georgs Bilder ergriffen die Betrachter sofort und eröffneten ihnen Blicke, die sie vorher nie gekannt hatten. Georg war so gut in dem, was er machte, dass er vom Verkauf seiner Bilder leben konnte, obwohl er nicht dem Mainstream der modernen Kunst folgte. Mit anderen Worten, er praktizierte nicht die gängigen Versionen moderner Kunst, sondern malte, wie es ihm gefiel, und tatsächlich mit Können – er schuf echte Kunst: impressionistisch bis postimpressionistisch – also schon wieder altmodisch in dieser schnelllebigen Welt der Kunst.

Als Vorbilder dienten ihm Monet, Renoir und Van Gogh. Wenn er malte, öffnete er sich dem Augenblick, fing das Licht mit all seinen Reflexionen ein, löste diese auf in ihre Teile, winzige Lichtblitze, die er auf die Leinwand tupfte. Diese vereinten sich dann im Auge des Betrachters zu jenem Eindruck, den der Künstler beabsichtigt hatte, wobei es allerdings so war, dass der Betrachter aktiv an der geistigen Rekonstruktion des Bildes beteiligt war. Es floss also auch etwas vom Betrachter ein in das, was er zu sehen glaubte. Er erlebte damit Ähnliches wie das, was der Maler erlebt hatte. Das fesselte den Betrachter und das erklärte Georgs großen Erfolg.

Nun wollte er Viola malen, in der Hoffnung, dass sein Bild sie in seinen Bann schlagen würde. Er nahm allen Mut zusammen und fragte sie ganz direkt:

„Darf ich dich malen?“

Im Prinzip war das nichts Ungewöhnliches. Die Studenten der Kunstakademie saßen öfter füreinander Modell. So kam es, dass Viola der Sache offen gegenüberstand. Hinzu kam, dass sie Georgs Werke sehr schätzte. Also antwortete sie:

„Wenn ich mich dafür nicht ausziehen muss, bin ich einverstanden.“

Und er beruhigte sie:

„Keine Angst. Ich dachte an eine Szene im Botanischen Garten.“

Es war also ausgemacht. Sie trafen sich dort und er malte sie in einem sommerlichen Blumenmeer, üppig belaubte Bäume neben ihr und im Hintergrund ein Wäldchen. Die Sonne funkelte zwischen den Blättern hindurch und wärmte sie. Noch war es nicht zu heiß an diesem makellosen Sommertag. Schmetterlinge tanzten zwischen den Blüten und einer setzte sich auf Violas Haar. Sie lachte und freute sich darüber.

Georg konzentrierte sich auf das Bild und bat sie, sich möglichst nicht zu bewegen. Lächelnd stand sie dort, Tupfen von Sonnenlicht auf ihrem leichten Kleid. Ihr goldenes Haar glänzte im Licht, ihre blauen Augen leuchteten.

Sie plapperte munter drauflos:

„Da wir gerade inmitten von Blüten stehen, verrate ich dir, dass meine Mutter mich Blütenfee genannt hat.“

„Oh, wie schön! Darf ich dich auch so nennen?“

„Ja, gerne!“

„Also dann, meine liebe Blütenfee, halte doch ein bisschen still, damit ich dich besser malen kann!“

Es wurde ein lebensgroßes Bild und, als er fertig war, zeigte er es ihr. Tatsächlich wurde es ihrer Schönheit gerecht. Gleichzeitig konnte man, wenn man ein Gespür dafür hatte, die Verliebtheit des Künstlers in sein Modell erspüren, wobei offen blieb, ob es eine Begeisterung des Malers für sein künstlerisches Objekt oder die Leidenschaft Georgs für die Frau Viola war. Viola war wie vom Blitz gerührt und stieß hervor:

„Das verschlägt mir ja den Atem!“

Markus erwiderte:

„Und mir verschlägt es den Atem, wenn ich dich sehe.“

Upps! Er hätte sich auf die Zunge beißen können! Da hatte er mehr gesagt, als unter Kommilitonen üblich war. Aber es war einfach so aus ihm herausgeplatzt, ohne dass er es steuern konnte. Nun war es gesagt und er konnte es nicht zurücknehmen. Wie herausgedrückte Zahnpasta, die man auch nicht wieder in die Tube zurückbekommt. Aber es entsprach der Wahrheit und – wer weiß? – vielleicht hatte es auch sein Gutes, dass es jetzt erst einmal heraus war.

Viola stand noch unter dem Eindruck des Bildes. Sie konnte Georg seine Anzüglichkeit nicht übelnehmen. Was er gesagt hatte, war ihm nur so herausgerutscht und es war ja schmeichelhaft. Deswegen würde sie sich nicht zieren. Im Gegenteil, ihre natürliche Art brachte es mit sich, dass sie sich immer für ein Kompliment bedankte, auch wenn es ihr zu viel sein mochte. Hier kam noch etwas hinzu: Sie empfand eine gewisse Zuneigung zum Schöpfer ihres Porträts. Aus diesem Gefühl heraus konnte sie nicht anders, als zu tun, was sie tat. Sie sagte:

„Danke!“

Und zusätzlich drückte sie Georg einen Kuss auf die Wange. Der errötete und wusste nichts dazu zu sagen.

Jetzt geschah etwas, womit Georg nicht gerechnet hatte: Viola bekam einen heftigen Schluckauf. Zwischen zwei Anfällen stieß sie hervor:

„Entschuldigung! Das habe ich seit meiner Kindheit: Wenn ich mich richtig freue, bekomme ich einen Schluckauf.“

„Das macht doch nichts“, beruhigte Georg sie.

Als der Schluckauf vorbei war, hatte Viola Gelegenheit, noch etwas loszuwerden, was sie beunruhigte. Sie brachte jetzt doch noch das Einzige zur Sprache, was sie an dem Porträt störte:

„Du hast das Porträt ja signiert! Ein Porträt zu signieren, bringt bekanntermaßen der porträtierten Person Unglück.“

„Was?“, stieß Georg hervor. „Davon habe ich ja noch nie etwas gehört. Das ist doch purer Aberglaube. Meine Signatur wird mal sehr wertvoll werden.“

„Na gut“, lenkte Viola ein. „Dann wollen wir mal das Beste hoffen!“

Georg schnaufte vor Erleichterung. Der Kuss wirkte immer noch nach und der geküsste Georg schwebte immer noch auf Wolke sieben. Diese Situation musste er nutzen und sie um ein Date bitten.

Stockend fragte er:

„Könntest du dir vielleicht vorstellen, mit mir zu Abend zu essen?“

Wenn Viola ihm eine Abfuhr hätte erteilen wollen, hätte sie es sicher auf die nettestmögliche Art getan. Aber das Bild hatte ihr Herz erobert. Sie entschied spontan, Georg eine Chance zu geben. Also antwortete sie:

„Klar! Schlag etwas vor!“

Georg schlug ein romantisches kleines Restaurant in der Nähe vor und Viola sagte zu. Georg konnte es kaum glauben.

Das war geschafft!

Danach ging es zügig vorwärts. Sie trafen sich oft und malten miteinander, wobei sie voneinander lernten: Markus von Viola ihre Empathie und ihre Suche nach der Seele in den Dingen, Viola von Markus seine Technik und seinen Blick auf die Dinge. Sie verstanden sich derart gut, dass sie gute Freunde wurden. Da konnte es schon mal passieren, dass sie sich bei der Diskussion eines in Arbeit befindlichen Bildes an der Hand berührten und dann anlächelten. Sie diskutierten viel und näherten ihre Ansichten gegenseitig an. Nach und nach lernten sie auch ihre Familien kennen und schenkten sich immer mehr Vertrauen.

Schließlich malten sie ein großes Bild gemeinsam. Es sollte ihre Gefühle ausdrücken und gestaltete sich bunt und abstrakt. Sie kicherten und lachten dabei. Mittendrin in ihrer Arbeit tupfte Georg seinen Finger in die Palette und dann auf Violas Gesicht.

„Jetzt passt du zu dem Bild!“, rief er.

„Na warte!“, erwiderte Viola, tat dasselbe und meinte: „Jetzt passt auch du dazu.“

Sie beklecksten sich noch eine Weile und, als sie genug hatten, machten sie sich daran, sich gegenseitig wieder zu säubern. Ihre Overalls konnten so bleiben, wie sie waren, aber die Gesichter bedurften der Reinigung. Als Georg Viola wiederhergestellt hatte, zupfte er ihr vorsichtig die Haare aus dem Gesicht, strich dann zärtlich über ihre Haarpracht und vergrub schließlich seine Hände in der Tiefe ihrer Locken. Dabei hielt er ihren Kopf fest, brachte sein eigenes Gesicht näher an ihres und sah ihr tief in die Augen. Dabei bemerkte er, dass auch sie sich ihm entgegenneigte, was er als Bestätigung auffasste, dass er weitermachen durfte. So küsste er sie zaghaft auf die Lippen und sie gab seinen Kuss feurig zurück. Sie knutschten leidenschaftlich, warfen dabei die Leinwand um, stolperten darüber, fielen auf das Gemälde und wälzten sich darauf herum.

Die Farben waren alle verwischt, aber das Bild hatte etwas Spontanes erhalten. Es gefiel ihnen und sie beschlossen, es so zu lassen – als Erinnerung an diesen Augenblick ihres ersten Kusses.

Kaum konnten sie wieder japsen, bekam Viola wieder einen Schluckauf-Anfall. Georg lachte:

„Das ist gut. Es zeigt mir, dass es dir gefallen hat.“

Dann verriet er Viola ein Geheimnis:

„Weißt du, dass ich von diesem Kuss geträumt habe, seit ich dich das erste Mal gesehen hatte?“

„Nein“, antwortete Viola. „Aber auch ich habe seit einiger Zeit daran gedacht und mich gefragt, wann du den Mut dazu aufbringen würdest.“

„Na, dann hättest du mir doch etwas mehr entgegenkommen können!“, protestierte Georg.

„Schon, aber das hätte uns die Spannung genommen.“

Oft spielten sie beim Malen Musik ab, von Pop bis Wagner, von Schlager bis Rap. Viola sang lauthals mit, während Georg sich darauf beschränkte, mit dem Pinsel den Takt zu schlagen. Und hier zeigte sich nun, dass Viola doch nicht alles vom Schicksal geschenkt bekommen hatte: Singen konnte sie nicht. Sie sang hell und fröhlich, aber falsch. Ihre Singstimme hörte sich wie eine Quietsche-Ente an, was sie aber selbst nicht zu wissen schien. Oder sie wusste es und es machte ihr nichts aus.

Georg merkte es wohl, aber auch ihm machte es nichts aus. Im Gegenteil, jetzt, da er mitbekam, wie schlecht sie sang, verlor auch er seine Hemmungen und sang genauso falsch mit. Gut, dass kein anderer diese Katzenmusik hörte. Die beiden jedoch genossen es und zum Schluss gab es ein Küsschen.

Wenn Markus am Anfang von Violas Erscheinung geblendet war, so erkannte er nun nach und nach, dass auch sie nur ein Mensch war. Ihre Unbekümmertheit hätte man auch als Oberflächlichkeit interpretieren können. Ihre Neugier könnte als Zeichen einer großen Unwissenheit gewertet werden. Es hing alles nur davon ab, wie man es betrachtete. Und Georg betrachtete es mit den Augen der Liebe. Alles war schon in dem Gesicht enthalten, das er so einfühlsam gemalt hatte. Jetzt verstand er es immer besser und verliebte sich immer mehr in Viola.

Auch sie lernte, seine menschlichen Vorzüge genauso zu schätzen wie seine Begabung als Künstler.

Es ließ sich auf die Dauer nicht leugnen: Zwischen ihnen wuchs das zarte Pflänzchen der Liebe. Wenn es sich auch nicht um eine Liebe auf den ersten Blick gehandelt hatte und Georg hatte aktiv werden müssen, um den Prozess in Gang zu bringen, so hatte dieser Prozess sich doch verselbständigt und lief nun immer schneller ab. Ohne dass sie es aussprechen mussten, wussten beide mit der Zeit, dass sie füreinander bestimmt waren.

Dass Viola bis zu ihrem Zusammentreffen mit Georg so unverdorben geblieben war, konnte wohl als das Verdienst ihrer Eltern betrachtet werden, die ihre Tochter mit Argusaugen bewachten. Nun wollten sie Georg unter die Lupe nehmen. Damit hatte er rechnen müssen und er nahm es mit Fassung hin.

Violas Vater war ein recht hohes Tier in einem Industriekonzern. Er war gewohnt, in einer strengen Hierarchie Anweisungen zu geben und erwartete offenbar von Georg bedingungslose Unterordnung. Der jedoch ging Hierarchien aus dem Weg und sah keinen Grund, sich zu unterwerfen. Violas Vater, Herr Reutlinger, stellte gleich klar:

„Ich wünsche, dass ich über jeden Schritt eures gemeinsamen Lebens unterrichtet werde.“

Worauf Georg antwortete:

„Das werden Viola und ich von Mal zu Mal entscheiden.“

Herr Reutlinger fauchte:

„Wollen Sie mir etwa widersprechen?“

Georg entgegnete:

„Wollen Sie mir etwa Vorschriften machen?“

Jetzt sah sich Viola genötigt einzugreifen:

„Papa, vertrau mir einfach! Wir werden dich nicht enttäuschen.“

Herr Reutlinger war es nicht gewohnt, Menschen zu vertrauen. Wenn überhaupt, vertraute er der Macht der Hierarchie. Andererseits liebte er seine Tochter und schwieg versöhnlich.

Frau Reutlinger war eine freundliche liebenswerte Frau. Georg konnte verstehen, dass Viola von ihr zu so einem offenherzigen Menschen erzogen worden war. Er sah Viola im Geiste schon als liebevolle Mutter seiner Kinder. Frau Reutlinger begrüßte ihn herzlich als den Partner ihrer Tochter.

Das Treffen endete harmonisch und Violas Eltern billigten die Wahl ihrer Tochter.

Jetzt kam der Rückbesuch bei Georgs Mutter dran. Viola musste keine Qualitätskontrolle fürchten, nicht nur, weil sie über jede Kritik erhaben war, sondern auch, weil Gertrud, Georgs Mutter, die ihn allein erzogen hatte, nie auf die Idee gekommen wäre, der Wahl ihres Sohnes im Weg zu stehen. Sie umarmte Viola sofort und hätte sie am liebsten gleich als Schwiegertochter willkommen geheißen.

Eines Tages beim gemeinsamen Abendessen fragte Viola:

„Georg, hast du dir eigentlich schon einmal Gedanken über eine eigene Familie gemacht?“

Georg errötete. Niemals hätte er selbst es gewagt, dieses Thema aufs Tapet zu bringen. Aber wenn Viola es ansprach, durfte er antworten:

„Ja, das habe ich und ich wüsste auch schon, mit wem ich sie gründen wollte.“

Jetzt war es an Viola, ein wenig zu kokettieren:

„Na, mit wem denn?“

Nun saß er in der Falle: Er musste Farbe bekennen und sagte leise:

„Mit dir.“

Damit war auch das gesagt und sie beschlossen zu heiraten. Alles ging seinen Gang. Es wurde eine Hochzeit in kleinstem Kreise. So war es ihnen am liebsten. Schließlich ging es um sie und nicht um die Gesellschaft.

Dann kam die Hochzeitsnacht.

Sie übertraf alle ihre Erwartungen. Mit soviel Liebe und Zärtlichkeit vereinigten sie sich, dass sie sich fühlten wie Adam und Eva im Paradies. Violas Schluckauf kam hinzu und wollte auch nach einer Salve von Anfällen nicht enden.

Die Hochzeitsnacht machte Georg zum glücklichsten Menschen auf Erden, nur um ihn danach abstürzen zu lassen. Omne animal post coitum triste – jedes Lebewesen ist nach dem Beischlaf traurig. Irgendjemand hatte diesen Ausspruch Aristoteles zugeschrieben. Dabei ist er obskuren Ursprungs. Bei Georg traf er jedoch zu. So sehr er sich vorher auf dieses Erlebnis gefreut hatte, so traurig war er, als es vorbei war. Dieser Augenblick stellte die Erfüllung aller seiner Träume dar. Alle Wiederholungen würden wunderschön sein, aber an dieses erste Erlebnis nicht heranreichen. Er war glücklich und wusste doch, dass jetzt die Zeit der Vorfreude vorbei und die Zeit der Verantwortung angebrochen war. Die unbeschwerte Jugend mit ihren Träumen wich dem Erwachsenenleben mit seinen Kämpfen.

Sicher ist die Vereinigung von Frau und Mann ein Wendepunkte des Lebens. So hat die Natur es eingerichtet. Mit allen Kräften arbeitet man auf diesen Moment hin, der den Fortbestand der Art sichern soll. Aber auch die Zeit danach ist wichtig und schön. Wichtig, weil die Kinder der Fürsorge beider Elternteile bedürfen. Schön, weil jetzt das eigentliche Leben zu zweit beginnt, weil man erst jetzt wirklich ganz nur aufeinander und die neue Familie bezogen ist. Ab jetzt löst man die Probleme zu zweit, ist mit dem Menschen zusammen, den man liebt, und hofft, dass es für immer so bleiben wird.