Vom Entdecken der Welt - Michael Schottenberg - E-Book

Vom Entdecken der Welt E-Book

Michael Schottenberg

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Beschreibung

»Reisen ist Leben.« Ob Baskenland, Vietnam, Ligurien, Indien oder die Faröer-Inseln – für Weltenbummler Michael Schottenberg ist das Reisen ureigene Notwendigkeit und Sehnsuchtserfüllung. Kein Wunder, dass er neben seiner zahlreichen Leserschaft auch das TV-Publikum der »Studio 2«-Reiserubrik »Schotti to go« allwöchentlich in seinen Bann zieht. »Schottis« Reiseberichte aus aller Welt sind Kaleidoskope der besonderen Art: Unbekanntes, Überraschendes, Verborgenes, Geschichten und Begegnungen mit Menschen, erzählt von einem Entdecker und Reisephilosophen. Folgen Sie Michael Schottenberg neben einem exklusiven Blick hinter die Kulissen der Sendung an seine Lieblingsorte von Europa bis Asien, zwischen herausfordernden Abenteuern und landschaftlicher Schönheit, zwischen Erstaunen und Verzauberung. Reisefieber garantiert! Aus dem Inhalt: Zwischen den Welten Istanbul – Stadt am Bosporus Über das Lächen Unterwegs in Burma Die Null-Achter Stockholm – Venedig des Nordens Tante Malles fromme Tage Die Insel Mallorca Die Wüstenkönigin Jaisalmer und die Wüste Thar und vieles mehr

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MICHAEL SCHOTTENBERG

VomEntdeckender Welt

Mit 452 Abbildungen

Bildnachweis

Alle Bilder stammen von Michael Schottenberg, mit Ausnahme der folgenden:

Martina Berger (18), Madeleine Pichler (78 links oben, 81 links unten, 83 links unten, 83 rechts unten, 86), Milan Turkovic (78 links unten, 84)

Weltkarte Seite 20/21: © designed by freepik

Der Verlag hat alle Rechte abgeklärt. Konnten in einzelnen Fällen die Rechteinhaber der reproduzierten Bilder nicht ausfindig gemacht werden, bitten wir, dem Verlag bestehende Ansprüche zu melden.

Redaktioneller Hinweis:

In Fällen, in denen aus Gründen der Stilistik das generische Maskulinum verwendet wird, sind grundsätzlich immer alle Geschlechter gemeint.

Der Umwelt zuliebe #ohnefolie

Besuchen Sie uns im Internet unter: amalthea.at

© 2023 by Amalthea Signum Verlag GmbH, Wien

Alle Rechte vorbehalten

Umschlaggestaltung und Satz: Johanna Uhrmann

Umschlagabbildungen: Cover: © Martina Berger;

Rückseite und vordere Klappe: © Michael Schottenberg

Lektorat: Madeleine Pichler

Herstellung: VerlagsService Dietmar Schmitz GmbH, Heimstetten

Gesetzt aus der Museo und Mokoko

Designed in Austria, printed in the EU

ISBN 978-3-99050-247-1

eISBN 978-3-903441-12-5

FÜR CLAIRE

Inhalt

Der lange Weg

Vom Touristen zum Reisenden

Die Welt entdecken

Ein paar Gedanken zum Buch

Am Ende der Welt

Die Färöer-Inseln

Von Steinen, Schmökern und Schinakeln

Antwerpen – Stadt an der Schelde

Nicht daheim und doch zu Hause

Die slowakische Hauptstadt Bratislava

Zwischen den Welten

Istanbul – Stadt am Bosporus

Königin der Karibik

Kuba – Insel der Schönheit

S’agapao, agapi mou!

Athen – Die heimliche Geliebte

Ich hab noch einen Koffer in …

Unterwegs in der Stadt der Städte – Berlin

Nah am Wasser

Baden in Budapest

Über das Lächeln

Unterwegs in Burma

Die große Sichel

Ligurien – Das gelobte Land Italiens

Die Null-Achter

Stockholm – Venedig des Nordens

Land der Pintxos

An der Biskaya – Bilbao und das Baskenland

Mädchen und Möwe

Opatija – Die Kamelienstadt

Weg ins Paradies

Marrakesch – Verwirrend, exotisch, authentisch

Die goldene Stadt

Prag – Juwel an der Moldau

Radeln, Rauchen, Rotlichtviertel

Amsterdam ist eine Reise wert

Die Gärten Eden

Cornwall – Frankreich – Italien – Marokko – Österreich

Das große Ganze

Hanoi – Hauptstadt des Lächelns

Tante Malles fromme Tage

Die Insel Mallorca

Im kulinärrischen Mittelpunkt Europas

Elsass, Land der schönen Schrullen

Wo Plečnik draufsteht, ist auch Plečnik drin!

Ljubljana – Stadt an der Ljubljanica

Die Wüstenkönigin

Jaisalmer und die Wüste Thar

Die Unendlichkeit der Zeit

Cornwall – Land der Geschichten

Im Reich der Sinne

Lissabon – Stadt am Tejo

Die TV-Illustrierte

Ein Blick hinter die Kulissen von Studio 2

Der lange Weg

VOM TOURISTEN ZUM REISENDEN

Der „Einser-Weg“ führt ziemlich genau an jenem gelben Häuschen vorbei, in dem ich seit einiger Zeit lebe und schreibe und sogar ein paar Hühner halte. Weiter unten, jenseits der Straße, überquert eine kleine Brücke den Bach, von dort geht’s hinauf auf die obere Waldstraße, entlang des Forstes über den Hahnschlag bis zum Winkelberg, wo der Weg steil abfällt, um dann den Gegenhang hinauf in weitem Bogen bis zum Kogel zu führen. Wer zu hören vermag, dem sei die Musik des Waldes anempfohlen. Der Kuckuck zum Beispiel, von dem meine Großmutter einst behauptete, sein Ruf bringe Glück, wenn man gleichzeitig mit ein paar Münzen klimpert – dann, aber nur dann, ginge ein geheimer Wunsch in Erfüllung. Seither machte sich der Bub nie ohne Erspartes auf den Weg, um, kaum dass der Vogel seine markante Stimme durch den Wald schickte, die Geldbörse zu schütteln. Und natürlich stand da gleich hinterm nächsten Baum ein wie von Geisterhand verstecktes Goldtöpfchen bereit. Dass die alte Frau verschmitzt lächelte, als der Bub die Münzen herausklaubte, fiel diesem natürlich nicht auf. Warum auch, Großmütter sind immer gut für Wunder.

Die Wege, die jungen Menschen endlos erscheinen, werden im Laufe des Lebens kürzer. Bald schon tauschte der Halbwüchsige Schusters Rappen gegen ein schneidiges Dusika-Fahrrad ein, später dann gegen einen gebrauchten Fiat, gerade noch leistbar, dennoch reichlich Schrott. Es kam die Zeit der preisgünstigen ÖKISTA-Fahrten, später dann, nach ersten Engagements, die der Pauschalreisen. Kaum, dass im Juni der letzte Vorhang der Spielzeit fiel und die Schauspielkollegen wie die Zugvögel zu den Sommerspielen flatterten, bestieg der junge Mann den Ferienflieger, der ihn zu den Stränden Griechenlands, an die feuchtheißen Küsten Südostasiens oder in die Straßenschluchten der Neuen Welt brachte. Aus dem Buben wurde ein Tourist. Die Geheimnisse der Welt aber sollten für ihn im Dunkeln bleiben, so lange, bis er eines Tages, gar nicht mehr jung, die Langsamkeit entdeckte. Da aber war er längst schon zum Reisenden geworden – und das kam so plötzlich, dass er gar nicht merkte, wie ihm geschah.

An diesem Tag war eine lange Busfahrt auf dem Programm gestanden, weswegen ich mich nach Ankunft im Quartier bald hinlegen wollte. Doch ich hatte Hunger. Ein Taxi brachte mich in die Stadt Nyaung U. Für die Strecke benötigte der Fahrer eine halbe Stunde. Ich achtete nicht auf den Weg, warum auch, wollte ich doch mit dem gleichen Wagen wieder zurück. Ein Fehler, denn kaum sah ich mich um, war der Kerl verschwunden. Also machte ich mich nach dem Essen zu Fuß auf den Weg. Am Nachthimmel Burmas war nicht ein einziger Stern zu sehen, kein Wunder, es war Monsunzeit. Ich ging sicher schon eine halbe Stunde, ohne einer Menschenseele zu begegnen, als mir der Schein einer Kerosinlampe entgegenleuchtete. An einem Imbissstand lehnte ein Mann, der eine milchige Flüssigkeit aus einem Pappbecher schlürfte. Mit Händen und Füßen versuchte ich ihm zu erklären, dass ich Hilfe benötigte, da ich den Weg zu meinem Hotel nicht fände. Der Mann lachte, schlug mir auf die Schulter und gestikulierte in jene Richtung, aus der ich gerade gekommen war. Ich entschloss mich, seinem Rat nicht zu folgen und geradeaus weiterzugehen. Ich bekam gerade noch mit, wie er den Kopf schüttelte. Ein endloses Asphaltband lag vor mir, links und rechts Dschungel. Irgendwo heulte ein Hund. Ich beschleunigte meine Schritte. Das Bellen kam näher und ging in Knurren über. Andere Hunde waren hinzugekommen. Ich blieb stehen. Eiskalter Schweiß rann mir über den Rücken. Instinktiv tat ich das einzig Richtige – ich ging weiter. Schritt für Schritt. Lange. So lange, bis sich das Kläffen in der Nacht verlor.

Paharganj, die Hölle von New Delhi

Unterwegs in Burma

Durch den Dschungel von My Son

Hätten mich die Hunde angefallen, mein Weg wäre dort, in den Wäldern um Nyaung U, zu Ende gewesen. Ich kann mich nicht erinnern, jemals so gelähmt vor Angst gewesen zu sein wie damals auf der endlos langen Straße in Zentralburma – weder in Paharganj, einem der düstersten Viertel Delhis, wo die Kopfgeldjäger zu Hause sind, noch in Varanasi, der Stadt des Todes, als ich in einem morschen Boot am Ufer des Ganges hockte und meinen Blick nicht von den auf Holzstößen brennenden Menschenleibern lösen konnte, und auch nicht in Mumbai, als ich um drei Uhr früh den menschenleeren Colaba Causeway entlangging, dort, wo einige Wochen zuvor zwei Terroristen eine Handgranate ins Café Leopold geworfen und mit Sturmgewehren ein paar Menschen umgelegt hatten. Nie mehr wieder fühlte ich eine solche Angst wie damals inmitten des Dschungels, als ich von wilden Hunden umzingelt war.

Reisen eröffnete mir die Möglichkeit, mein Leben neu zu ordnen. Zwischen atemberaubend schöner Natur und dem Trubel von Metropolen, zwischen Begegnungen mit Gefahr und Tod fand ich, Schritt für Schritt, zur Langsamkeit zurück. Lässt sich Leben nicht auch als „Erkennen des Augenblicks“ erklären? Havannas Malecón, jene atemberaubend schöne Küstenstraße, die von der Gischt des Ozeans zu jeder Tages- und Nachtzeit mit Milliarden Wassertropfen überzogen ist, der Grünstreifen Galle Face Green im Herzen von Colombo, am Ufer der Lakkadivensee, auf dem Kinder ihre Wünsche Papierdrachen anvertrauen und sie in den Himmel steigen lassen, oder der Lungomare, Uferweg zwischen Volosko und Lovran in der Kvarner Bucht von Istrien – wo habe ich nicht schon überall den Zauber der Stille entdeckt, die nichts mit Gleichgültigkeit oder Apathie zu tun hat, vielmehr mit der Erkenntnis: Lebe in der Gegenwart und sei offen gegenüber Neuem. Es braucht Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die nicht zu ändern sind, und es braucht Mut, Dinge zu ändern, die zu ändern sind. Aber wie viel Wissen braucht es, das eine vom anderen zu unterscheiden.

Die Brücke

Erst das langsame Reisen hat mich zum Reisenden gemacht. Erfahrung bringt Genauigkeit, Genauigkeit Erkenntnis, Erkenntnis Wissen und Wissen Erfahrung. Seither betrachte ich die Welt anders. Ein Gutteil der Faszination des Reisens ist der Tatsache geschuldet, dass ich zumeist alleine unterwegs bin. Wie oft überlasse ich mich dem Zufall! Kein Tag gleicht dem anderen und die Spontanität steigert die Freude am risikoreichen Spiel. Es ist spannend, einer Welt zu begegnen, mit nichts anderem im Gepäck als mir selbst.

Der Waldweg führt mich an einem ehemals bewirtschafteten Gasthaus vorbei, später an einem Bauernhof. Hier zweigt die Straße nach links ab, dann nach rechts – der nächste Aufstieg ist erreicht. Vor mir liegt die Hügelkette des Dschungels von My Son, nahe der Stadt Hoi An, in Vietnam. Ich kann mich nicht sattsehen an den Ruinen einer alten Khmer-Siedlung. Ich lasse den Jachthafen von Västerås an den Gestaden des Mälaren-Sees hinter mir. Hoch droben am Winterhimmel ziehen Möwen ihre Bahn, um später in der Nähe des Frachthafens in ihr Schlafquartier zurückzukehren. Ich wandere über die Budapester Champs-Élysées, die Andrássy út, in Richtung Heldenplatz, mache halt am „Haus des Terrors“, der Gedenkstätte unzähliger Holocaust-Opfer, und gedenke, zum wievielten Male, der Gerechten der Welt. Dann nehme ich auf einer der Parkbänke Platz, die sie in den Giardini della Biennale in der Nähe der Vaporetto-Station aufgestellt haben, genieße die wärmenden Strahlen der Frühlingssonne und verliere mich abermals in Gedanken.

Welt im Schnee

Vielleicht bin ich ja auch nur deshalb ein Leben lang unterwegs, um jenen Buben wiederzufinden, der das Rufen des Kuckucks mit dem Klimpern von Münzen beantwortet hat. Fortgehen ist die beste Möglichkeit, um anzukommen. Der Unterschied zwischen einem Reisenden und einem Touristen ist: Der eine genießt, dass die Welt auf den Kopf gestellt ist, und der andere erschrickt vor dem Chaos des Ungewohnten.

Unter Reisen verstehe ich das Aufspüren unbekannter Plätze, versunkener Landschaften, vergessener Bräuche und – die Suche nach Menschen und ihren Geschichten. Das übermütige Lachen burmesischer Frauen, die Zufälligkeit der vom Wind geformten, riesigen Sanddünen entlang der pakistanischindischen Grenze, das Glucksen der Wasserwelt im Ibmer Moor in Oberösterreich, die Rufe der Halbwüchsigen am Nachtmarkt von Hanoi, das Grollen eines aufziehenden Unwetters an der Nordsee – Geschichten, die nur der versteht, der zu sehen und zu hören vermag.

Von der Straße in Richtung Albrechtskappe steige ich den Graben hinunter bis nach Sulzbach, von dort geht es zurück nach Hause. Der „Einser“ hat mich einmal mehr in weitem Bogen rund ums Dorf geführt. Währenddessen hat es zu schneien begonnen. Wie lange bin ich schon unterwegs? Die Wege sind jetzt mit einer kuscheligen Decke aus Neuschnee überzogen. Frau Holle schüttelt ihr Bettzeug aus, und die Bäume und Häuser versinken unter der weißen Last. Langsam stapfe ich über verschneite Wege, zurück über die kleine Brücke, auf deren Handlauf jetzt die Eiskristalle wie Wattebäuschchen festkleben. Nicht lange, und die Welt schmückt sich erneut mit Farbe, die Himmelschlüssel recken neugierig ihre Köpfe aus der Erde, die Osterglocken blühen unten am Bach und ich, ich werde es nicht erwarten können, erneut meinen Rucksack zu packen, Geschichten zu sammeln, und die Welt in all ihrer Vielfalt zu entdecken. Schritt für Schritt.

Die Welt entdecken

EIN PAAR GEDANKEN ZUM BUCH

Meine Reisen haben mich quer über die Kontinente geführt. Von Vietnam bis ins benachbarte Bratislava, von den Färöer-Inseln bis nach Kuba. So unterschiedlich sie waren, eines blieb doch immer gleich: meine Neugier auf Begegnungen und meine Freude über Unerwartetes. Mein erster Blick gilt stets dem geografischen Umfeld und den politisch-sozialen Zusammenhängen, der zweite sinnlichen Erfahrungen. Ich suche Landestypisches. Ich möchte ein Land verstehen können, begreifen, im wahrsten Sinne des Wortes. Nie sind es Hits und Highlights, Must-sees und Must-haves, nach denen ich Ausschau halte, mich interessiert Regionales. Ich möchte essen, was man isst, lachen, worüber man lacht, und staunen, worüber man staunt. So erfahre ich Leben und entdecke Geschichten. Die Momentaufnahmen meiner Begegnungen ergeben ein Kaleidoskop bunter Kristalle, die, zusammengefügt, ein einzigartig aufregendes Mosaik ergeben.

Machen Sie es sich also auf Ihrem Sofa bequem und lassen Sie sich von mir entführen. Meine Worte und Ihre Träume lassen uns die Welt entdecken!

Wer schon vorweg einen Blick hinter die Kulissen meiner wöchentlichen Reiseerzählungen im Rahmen der ORF-Sendung Studio 2 werfen möchte, der blättere auf Seite 244 vor, zäume den Pegasus verkehrt herum auf und nehme auf seinen Schwingen Platz. Die Realität einer Live-Sendung wird ihn bald schon zur Erde zurückführen – nicht allerdings ohne so manch neue Erfahrung von der Himmelsreise mitzubringen.

Ich wünsche Ihnen spannende Entdeckungen!

Am Ende der Welt

DIE FÄRÖER-INSELN

Achtzehn baumlose Inseln liegen wie Steine im Ozean, südöstlich von Island, nördlich von Großbritannien, bewohnt von fünfzigtausend Fischern und fast doppelt so vielen Schafen. Kein Wunder – das Wort „Färöer“ bedeutet „Schafsinseln“. Der Rest sind Seevögel.

Felswände, wie von Grafit geschwärzt, stürzen steil hinunter in den Nordatlantik. Die Weiden sind grün, dass die Augen schmerzen. So viel Natur ist man nicht gewöhnt. Die Zeit hält den Atem an. Auf den Dächern der Hauptstadt Tórshavn wächst Gras, in den Kühltruhen der Geschäfte liegen tiefgefrorene Papageientaucher und der Wind droht den Fremden zu verwehen.

Vergiss alles, Wanderer, was du über die Welt weißt – hier auf den Färöern ist nichts so wie anderswo. Die Möwen, die über dem Westhafen von Tórshavn schweben, blicken mit kalten Augen auf die reiche Beute der letzten Nacht, die an Bord der kleinen Fischkutter in Kisten verstaut ist. Zipfelmützenkinder verstecken sich wie vorwitzige Kobolde hinter Kaimauern und Hausecken, kaum dass sie der wenigen Touristen ansichtig werden, und die Fischer, die Nacht für Nacht auf rauer See ihre nasse Arbeit verrichten, hocken reglos auf der Mole und schütten Gallonen von „Föroya Bjór“ (Bier) in sich hinein, erleichtert, den neuen Morgen erlebt zu haben. Hinter jedem Haus verbergen sich schaurige Sagen. Von Robben und Meerjungfrauen erzählen sie, von Ewigkeit und Sehnsucht. Die Färöer liegen viel zu weit hinter dem Horizont verborgen, als dass sie eine Verbindung zum Rest der Welt hätten. Trotzdem die Inseln ein eigenständig verwaltetes Gebiet sind, stehen sie unter dänischer Kronherrschaft – die eigene Flagge haben sie sich bis heute bewahrt, ganz zu schweigen von der Autonomie des Fischfanges. Werden Wale vor den Buchten gesichtet, läuten die Mobiltelefone. Dann beenden die Färinger ihre Arbeit, sogar die Gottesdienste werden unterbrochen und die Fischer erobern das Nordmeer. Möglichst viele Boote versuchen möglichst viele Wale einzukreisen, um sie in die nächste geeignete Bucht abzudrängen. Das Gemetzel beginnt, und das „Brot der Färöer“ wird eingebracht – immer unter Aufsicht der Seetrolle, die hoch droben auf den Klippen hocken und keckernd die Männer zu ihrem grausamen Tanz um Tod und Leben anstiften.

Unterwegs auf den Schafsinseln

Die Gongingasse in TórshavnHinter jeder Ecke lauern Kinder und Trolle.

Regierungsviertel auf der winzigen Halbinsel TinganesAbtauchen in Anderswelt

Vogelfelsen von VestmannaSchroffe Felsen, keckernde Seevögel: Naturspektakel am Meer

Von Streymoy nach VágarDer Tunnel führt unterhalb der Nordsee hindurch.

Die sagenhaft schöne Insel Nólsoy

DIE VÖGEL VON NÓLSOY

Ich stehe auf der MS Ritan, dem einzigen Fährschiff, das die Überfahrt von der Insel Streymoy nach Nólsoy wagt. Kommt einem die Hauptstadt Tórshavn schon wie ein Freilichtmuseum vor, drüben wird’s um einiges skurriler. Die See ist rau. Nicht umsonst hängen alle naselang Karabiner an der Reling des Schiffes. Sie helfen dem wetterungeübten Passagier an Bord zu bleiben. Man kettet sich besser an, dann erst legt der Käpt’n ab.

Willkommen auf Nólsoy

Zwei gekreuzte Knochen stechen drüben ins Auge. Sie markieren den Ortseingang. Auch in Mombasa stehen solche Dinger herum, dort aber sollen sie Elefantenzähne darstellen. Auf Nólsoy ist alles echt, zumindest behaupten das die etwas mehr als zweihundert Inselbewohner. Es handelt sich um die Kieferknochen eines Pottwales, die den Besucher schon von Weitem grüßen. Der winzige Flecken am Ende der Welt verdankt den Namen jenem Mann, der seinen Allerwertesten hier als Erster zur Ruhe setzte – ein gewisser Sir Nól.

Ich gehe durch den Ort. Einige wenige Holzhütten stehen dicht an dicht gedrängt und das ist gut so – der Sturm hätte sie sonst längst zu Kleinholz gemacht. Im Fenster eines der bunten Häuschen entdecke ich das, was man hier am häufigsten antrifft: Vögel. Die Tiere in Jens-Kjeld Jensens Auslage aber sind schon lange nicht mehr von dieser Welt, sie sind ausgestopft. Meister Jensen ist nicht nur Präparator, sondern auch Hobbyornithologe. Nacht für Nacht führt er Wissbegierige an die Steilklippen, dorthin, wo seine Lieblinge rasten und brüten, und erzählt fantastische Geschichten. Nach den Vögeln befragt, gibt er gerne Auskunft: Am liebsten mag er die putzigen Tierchen geschmort in Rotwein.

KULINARISCHES

Wer sich zu Hause von Fast Food, Fish & Chips oder Instant Noodles ernährt, bleibt besser daheim. Hier isst man anders. Ganz anders. Kein Wunder, dass sich Küchenkünstler aus aller Welt auf den Faröern nicht einkriegen vor Begeisterung. Seit jeher gilt Fischen und Jagen als die Grundlage lokaler Nahrungsbeschaffung. Jagdglück aber ist wankelmütig, also war die fachgerechte Aufbewahrung des Beutegutes immer schon von entscheidender Bedeutung. Gemüse wird eingeweckt: Meeresportulak (eine Art Grüngemüse), Kuckucksblume, Rentierflechte und Topinambur. Der Gout der Gärung verklärt hiesige Gaumen. Schafe und Fische werden an die Leine gehängt, gleich neben der Wäsche. Der unnachahmliche Geschmack, der durch den Prozess des Fermentierens und Lufttrocknens entsteht, nebst der Philosophie, zu verwerten, was die Natur bietet, macht die Küche der Färöer außergewöhnlich. Auf den Speisekarten der Restaurants steht nicht umsonst: Fermentierter Kabeljau mit Sauerampfer. Darunter: Lammdarm auf Senf und Kraut. Noch Fragen?

WASSER IST LEBEN

Ich will nach Gjógv, dem letzten Ort an der Nordostküste der Insel Eysturoy. Links von mir verbergen sich die schwarzen Felsen von Funningur hinter einer dicken Wolkenschicht, rechts fallen Klippen senkrecht in die schäumende See. Die Straße windet sich den Slættaratindur hinauf, den mit achthundertachtzig Metern höchsten Berg der Färöer. Wiesen, Matten, Weiden. Kein einziger Baum. Dafür Tausende Schafe, als wäre die Welt schwarz-weiß gefleckt. Seit Jahrhunderten schon stehen sie da, scheinbar reglos, und fressen das dickhalmige Gras. Eine letzte Kurve. Der Ausblick raubt mir den Atem.

Villa in Gjógv

Auf den Faröern hält die Zeit den Atem an.

Gjógv besteht nur aus wenigen Häusern, auf deren Dächern aber setzt sich das Weideland fort. Wellen und Wind haben die Küste geformt. In einem scharfen Taleinschnitt liegt der winzige Naturhafen. Über Schienen hieven Trolle die Boote ins Wasser, um sie gleich darauf in der schäumenden See zu versenken. Zumindest raunt man sich das so zu. Der Ort erscheint wie ausgestorben. Stille. Nur der Wind erzählt von alten Sagen. Manchmal vermeint man Seeteufelchen beim Lachen zuzuhören – wahrscheinlich über jene Streiche, die sie den Menschen seit jeher spielen.

Im Hafen der Trolle

Ein Mann steht da und gießt das Gras, das auf dem Dach seines Hauses wächst. Hier, wo es mehr regnet als sonst wo auf der Welt, wo Windböen das Wasser aufwärts fließen lassen und man vor lauter Nebel blind ist, sprengt ein Zwerg sein winziges Reich.

„Warum tust du das?“, frage ich auf Englisch.

Der Kleine sieht mich verwundert an. „Wasser ist Leben“, sagt er.

„Und davon hast du nicht genug?“

„Doch. Aber ich will mehr haben.“

„Und dann, wenn du alles Leben hast, was dann?“

„Dann kann ich sterben. Dann bin ich glücklich.“ Sagt’s und wendet sich dem grasgrünen Dach seiner Hütte zu.

Es hat wieder zu regnen begonnen. Ich frage: „Ist dies hier das Ende der Insel?“

„Nein“, sagt er, „es ist der Beginn.“ Er blickt hinaus übers Meer. Und dann, dann sagt er nichts mehr. So und nicht anders hört sie sich an, die letzte Antwort auf die letzte Frage – am Ende der Welt.

Von Steinen, Schmökern und Schinakeln

ANTWERPEN – STADT AN DER SCHELDE

Flandern, eine der drei Regionen Belgiens, befindet sich im nördlichen Teil des Königreiches. Rund achtzig Kilometer von der Nordsee entfernt, scheldeaufwärts, liegt der Hafen von Antwerpen. Gemessen am Ladeaufkommen ist er der zweitgrößte Hafen Europas, weltweit die Nummer siebzehn.

Im Jahre 2020 betrug der Frachtgutumschlag zweihunderteinunddreißig Millionen Tonnen. Riesige Schinakeln aus Singapur und Hongkong liegen hier vor Anker, überdimensionierte, aus der Form geratene Container-Monster. Die Ladekapazität eines dieser Giganten entspricht dreihundertachtzig LKW-Zügen – und das sind nicht mal die größten Pötte. In koreanischen Werften wird bereits an über sechshundert Meter langen Schiffen gebaut. Die Treibstoffmenge, die nötig ist, solche Kähne um die Welt zu schieben, ist unvorstellbar.

In der Hafenanlage Antwerpens stehen sowohl Windräder als auch die Kühltürme eines Atommeilers. Die Frage nach Pest oder Cholera stellt sich nicht, eher schon die nach Profit. An den Engstellen der Einfahrt stauen sich die Kähne. Vorfahrt hat der, der mehr Bruttoregistertonnen vor der Schraube hat, also reihen sich die Kleinen hinter den Nicht-ganz-so-Kleinen, die Großen hinter den Größten ein – wie Entenküken hinter Mamas Bürzel.

Am Grote Markt

Betritt man die Stadt vom Wasser aus, landet man in der sündigen Meile des Hafenviertels, wo Damen jeglichen Alters in Schaufenstern stehen und frech die neugierigen Blicke der Seebären erwidern. Später werden die Männer in der Liebfrauenkirche ihr Gewissen erleichtern und Gott Neptun um Sündenerlass bitten.

Im Schokolademuseum kommen andere Feinspitze auf ihre Kosten, während nebenan, auf den Diamantbörsen, der Wert glitzernder Steine steigt oder fällt. Nicht weit vom Klunkerviertel entfernt steht die Wiege des wohl bedeutendsten Sohnes der Stadt, Peter Paul Rubens, und noch ein paar Gassen weiter befindet sich das wohl schönste Buchdruckermuseum der Welt. Die Werke der größten flämischen Maler wurden hier auf Pergament und Bütten verewigt. Der Charme und der kulturelle Reichtum der Millionenstadt, deren Zentrum immer noch wie ein großes Dorf wirkt, ziehen die Besucher magnetisch an. Beeindruckende Museen, moderne Architektur, mittelalterliche Gassen, schicke Boutiquen und Restaurants – der Zauber Antwerpens erschließt sich jedem.

Antwerpener Street Art

Flandern und Flanieren – das gehört zusammen wie Schelde und Schippersstraat. Am besten, man plant gleich ein paar Zusatztage ein, lässt sich treiben und genießt das süße Angebot der alten Kaufmannsstadt: Moules et frites (Miesmuscheln mit Pommes), Seefbier (die Rezeptur des exklusiven Bierchens stammt aus dem 16. Jahrhundert) und Antwerpse Handjes (süß-salzige „Händchen“ – Cookies, Kekse, Knabbereien). Die Stadt hat von allem viel zu bieten, vor allem aber für alle etwas. Welkom in Vlaanderen!