Waldanda - Volker Hesse - E-Book

Waldanda E-Book

Volker Hesse

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Beschreibung

Mehr als eineinhalb Jahre sind vergangen. Quentin hat in Filitosa die neue Heimat gefunden, von der er immer geträumt hat. Seine Müllerlehre geht ihm gut von der Hand und auch in der Magie hat er schon einiges gelernt. Im zweiten Lehrjahr müssen alle Lehrlinge eine besondere Aufgabe lösen, Quentin wird aufgetragen, einen seltenen Stein zu suchen. Auf dem Weg zum Stauf, einem erloschen Vulkan weit im Norden von Waldanda, stößt er eines Abends unvermittelt auf den schwarzen Magier, der eine seltsame Bitte an ihn richtet. Soll Quentin ihm vertrauen?

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Inhalt

Prolog:

Waldanda

Erster Teil: Begegnungen

Viele Vorbereitungen

Aufbruch

Eine Überraschung

Entdeckungen, Erschütterungen und Entscheidungen

Sommersonnenwende

Zweiter Teil: Die freie Zeit

Neue Ziele

Der Geheimgang

Merlhusen

Dunkelheit

Starke Herzen

Reisen und ein Geständnis

Dritter Teil: Ein neuer Plan

Allein unter vielen

Die Anhörung

Königliche Überraschung

Keine Flucht

… aber eine Verfolgung.

Vierter Teil: In der Höhle des Löwen

Seukeþō

Listen …

… Fallen …

… und Überraschungen.

Fünfter Teil: Licht und Dunkel

Versprechen

Nach Filitosa

Die Versammlung des Ältestenrates

Sechster Teil:

Nebulōn

Bekannte Wege

Abschied

Die Zaubersprüche

Die Zaubersprüche der Magier lassen sich nur ungefähr übersetzen. Sie entstammen der „magischen Sprache“, dem Germanischen. Genaueres über diese geheimnisvolle alte Sprache findet ihr bei Professor Köbler unter http://www.koeblergerhard.de/germwbhinw.html. Er hat die magische Sprache genauestens untersucht. Es gibt noch viel mehr Zaubersprüche, hier nur diejenigen, die in diesem Buch verwendet werden.

Aigana … Eigen, Habe, Besitz

Aiþa sprekan … Ich spreche einen Eid

Anōn … Ahnin

Anslǣpan … Einschlafen

Auþjan … vernichten, verwüsten

Bilaþja … Bild einfangen / bannen

Blaka argaz … der böse Schwarze

Brehan … Aufleuchten

Dailiþō … Teilung

Dauþu … Tod

Dólōn … Auslöschen

Duram andōn … Tür / Tor öffnen

ǣfradōn … unverletzlich

Exili … Verbannung

Fakkla … Fackel

Faraþla failīga … Sichere Überfahrt (ins Totenreich)

Felu sǣliz, leuba duhter! … Viel Glück, geliebte Tochter!

Fewur … Feuer

Ferisōn … Entfernen

Fifaldōn … Schmetterling

fulgēn … folgen

Furhtalīkaz … Ängstlich / Furcht / Angst

Gebō … Gabe

Gahwerban … Alles wird wie vorher grautaz … groß (werden)

Hagjō sprautaz … Hecke sprießen

Hagla … Hagel

Haima niwjan … Direkt übersetzt: Dorf erneuern, aber hier:

Karte neu zeichnen

Hardjan … härten, hart machen

hlusēn Hertam … auf das Herz hören

Hridō lennan … Fieber weggehen

Kortin blakaz … Schwarzer Vorhang

lītīla … klein (werden)

Luka … Loch

Nadraz … Natter

Nebulōn … Dunkelheit, Nebel

Porta … Tür, Tor

Regna … Regen

Saira lennan … Schmerz weggehen

Seukeþō … Seuche

Snaiwa … Schnee

Sterkan … Erstarren

Sundiþō … Heilung

Swiftjan … Schweigen

Tandjan … Anzünden

þeudanu … der König

þeudana jungī … die junge Königin

þīna mugan huguz lausan! … Möge dein Geist frei sein!

tua … sei stark

Waldanda … Die Mächtige

Weljakwumōn … Willkommen

Wikka walda … die mächtige Hexe (Amina)

Wikkō gaskeinan … Zauberer erscheinen

Vertrauen

Wer ist der Klügere?

Ist es der, der dem Fremden nicht vertraut, weil seine

Erfahrung ihn lehrt, dass oft nichts Gutes zu erwarten ist?

Weil enttäuschtes Vertrauen viel stärker schmerzt

als manche Krankheit? Und weil man sich diese

Enttäuschung besser ersparen sollte?

Oder ist es der, der dem Fremden sein Vertrauen schenkt,

obwohl seine Erfahrung ihn vor Enttäuschung warnt?

Obwohl er den tiefen Schmerz des Verrats schon mehr

als einmal ertragen musste? Der sich dennoch immer

wieder der Aufgabe stellt, aus dem Fremden einen

Freund zu machen?

Vielleicht ist der erste der Klügere,

oft ist jedoch der zweite der Zufriedenere.

Wohl aber demjenigen, der auf gute Freunde zählen darf!

Freunde, die ihm verzeihen, wenn er sein Vertrauen einmal

vorschnell verschenkt und sie damit enttäuscht hat.

Dieser ist sicher unter allen der Glücklichste.

Prolog:Waldanda

Es war Mittagspause. Grillen zirpten im Ufergras. Quentin saß mit seiner Angel am großen, stillen See von Filitosa. Die Sonne schien heiß auf den Holzsteg, der in den See hinausführte und Quentin sah in seiner Zunftkleidung von Weitem fast aus wie ein kleines weißes Segel an der Spitze eines großen Schiffes. Die Fische bissen bei der Hitze nicht, sie hatten sich in das kühle, tiefere Wasser zurückgezogen und warteten auf die Nacht. Quentin merkte davon nichts, er war in Gedanken versunken.

Es war nun schon über eineinhalb Jahre her, dass er diesen geheimen Ort der Zauberer und Hexen zum ersten Mal betreten hatte. Damals hatten ihn die Magier aus der Gefangenschaft der Horden aus dem Osten befreit, und er war als Lehrling in die Zunft der Müller aufgenommen worden. Natürlich hatte er auch gemeinsam mit Kerstin, Adele, Michael, Thorben, Astrid und Wulf seine Lehre als Zauberer angetreten. Manchmal zweifelte er immer noch, ob er das alles nicht nur träumte und im nächsten Moment in der Mühle seines Heimatdorfes weit im Südwesten aufwachen würde. Dann würde er Simon, seinem besten Freund, von diesem verrückten Traum erzählen, bevor sie wieder durch die Wälder tobten oder im Bach schwimmen gingen.

Aber es war die Wirklichkeit und diese Wirklichkeit war schöner als alle Träume, die er in seinem früheren Leben gehabt hatte. Quentin lächelte, legte sich auf den Steg und schob die Kappe über das Gesicht. Träumen war eine gute Idee – jedenfalls so lange, bis Dietrich der Müllermeister ihn wieder zur Arbeit rufen würde.

Bevor die träge Mittagshitze ihn in den Schlaf hinüberzog, dachte er noch ein wenig über all die Veränderungen nach, die geschehen waren. Das Land, in dem sie alle lebten, hieß jetzt Waldanda. Ein schöner Name, er klang so weich und doch gewaltig. Es war ein Wort aus der alten Sprache und hieß so viel wie „die Mächtige“. Ihre Hauptstadt hieß genauso, sie lag etwa fünf Tagesreisen entfernt im Nordosten.

Sie hatten auch einen König namens Einar. Ein guter König, soweit Quentin das beurteilen konnte. Zumindest hatten die Älteren bisher nie über ihn geklagt. Aber eigentlich interessierte Quentin sich nicht übermäßig für den König und seine Politik. Die war weit weg und Quentin hatte mit seinen beiden Lehren mehr als genug zu tun.

Morgen sollten sie ihre Aufgaben von Korbinian bekommen, da stand ihnen sicher einiges bevor! Ihr Lehrmeister der Magie hatte nicht einmal angedeutet was sie erwartete, er hatte immer nur gelächelt. Es blieb ihnen nichts übrig, als zu warten …

… Waldanda … ein schöner Name … dachte Quentin noch, bevor er einschlief.

Das helle Licht fiel durch die bunten Fenster des Conveniums, der großen Versammlungshalle der Magier im Haupthaus von Filitosa. Winzige Staubflöckchen schwebten leicht durch die Sonnenstrahlen. Korbinian, das Oberhaupt der Magier, saß mit seinem Freund Samuel bei einer Tasse Tee zusammen. Mittag war vorüber und oft genossen sie gemeinsam die Stille, wenn die meisten Zauberer und Hexen in ihren Zimmern waren, um nach dem Essen ein wenig zu ruhen.

Samuel setzte seine Tasse ab. „Ich glaube, es war eine gute Entscheidung, jedem Magier zu überlassen, ob er sich den anderen Menschen offenbaren will oder nicht“, sagte er zu Korbinian. „In vielen Dörfern und Städten herrscht allerdings noch großes Misstrauen gegenüber unserer kleinen Gemeinschaft. Auch wenn es schon gut eineinhalb Jahre her ist, dass wir wieder im Bewusstsein der anderen Menschen … aufgetaucht sind.“ Er musste lächeln.

Auch Korbinian lächelte in der Erinnerung an die Verfolgung der Horden und die Befreiung aller Verschleppten. Merkwürdig: Im Nachhinein erinnert man sich stets an die gute Seite von allem, selbst wenn es äußerst gefährlich war. So, wie die Suche nach Quentin, dem ‚siebten Lehrling‘, dachte er bei sich.

Dann wurde sein Gesicht ernster. „Wir müssen weiter geduldig sein. Seit Generationen hat niemand mehr geahnt, dass es uns überhaupt noch gibt. Wir dürfen sie nicht überfordern.“

Samuel nickte. „Immerhin: Viele unserer Brüder und Schwestern berichten davon, wie gut die anderen sie aufnahmen, nachdem Gebæ, ihre Gabe, bekannt wurde. Ich habe etliche Male gehört, dass zu ihnen gesagt wurde: ‚Ich habe es immer geahnt‘, oder etwas in der Art.“

Nachdenklich strich sich Korbinian über den langen Bart und nahm noch einen Schluck Tee. Dann wechselte er das Thema: „Gut, dass König Einar immer ein offenes Ohr für uns hat und uns sehr wohlgesonnen ist. Das ist äußerst wichtig für unsere Gemeinschaft.“

„In der Tat.“ Samuel nahm den letzten Schluck, rückte seinen Stuhl zurück und stand auf. „Du wirst bald wieder zu ihm reisen?“

„Ja. In ein paar Tagen werde ich aufbrechen. Und“, er erhob sich ebenfalls, „ich wäre dankbar, wenn du mich begleiten könntest.“

Samuel blickte zuerst überrascht, dann begannen seine Augen zu leuchten. „Ich bin wahrlich nicht unersetzbar in unserem kleinen Dorf. Selbstverständlich komme ich gern mit!“ Er konnte seine Freude kaum verbergen.

Gemeinsam verließen sie das Convenium, um wieder an ihre Arbeit zu gehen.

König Einar schritt in seinem Arbeitszimmer auf und ab. Kunstvoll gewebte Teppiche machten den Tritt seiner edlen Schuhe fast lautlos. Die schweren Vorhänge an den Fenstern waren halb zugezogen, aber trotz des gedämpften Lichts strahlten die seidenen Bespannungen an den Wänden in prachtvollen Farben. Ein Schreiber stand aufmerksam an einem Pult in der Ecke des Raumes und verhielt sich ganz still, um den Herrscher von Waldanda nicht in seinen Gedanken zu stören.

Waldanda. Einar war nun schon seit etwas mehr als einem Jahr König dieses wundervollen Reiches. Das Volk hatte ihn zum König gewählt – ein ungewöhnlicher Akt. Normalerweise wurde eine Krone von Generation zu Generation weitergegeben, aber in Waldanda war es anders gekommen.

Einer seiner Vorfahren hatte es sich vor langer, langer Zeit mit dem Volk gründlich verdorben. Er war herrschsüchtig und verschwenderisch gewesen. Und er hatte sich das alles mit Magie erschlichen. Hexen und Zauberer, die um seine Gunst ebenso buhlten, wie seine eigene Seele nach Macht und Geld trachtete, hatten ihm stets mit Rat und Tat zur Seite gestanden – bis das Volk von seinen Machenschaften endgültig genug hatte und ihn davonjagte.

Danach hatte es keinen König mehr gegeben, bis die Bürgermeister der Städte und die Zunftmeister ihm, dem einzigen direkten Nachkommen, die Krone wieder anboten. Sicher, sie hätten auch jeden anderen fragen können, ob er ihr König werden wolle, aber ihre Wahl war auf ihn gefallen. Vor dem Hintergrund der düsteren Vergangenheit seiner Familie war das fast ein Wunder.

Aber mit dieser Vergangenheit hatte er selbst natürlich ebenso wenig zu tun, wie heutzutage die vielen Hexen und Magier im Land mit den eilfertigen Günstlingen, mit denen sein Urahne sich seinerzeit umgeben hatte. Und das schien das Volk genauso zu sehen.

Die Menschen wollten nach all den Überfällen durch fremde Krieger, von denen die Horden aus dem Osten nicht einmal die schlimmsten gewesen waren, wieder einen König, der ihre Sicherheit garantierte. Und da es die Magier gewesen waren, die beim letzten Mal ganz allein die Horden in die Flucht geschlagen hatten, wollte das Volk offenbar auch diesen besonderen Menschen mit ihrer seltsamen Gabe wieder vertrauen.

Sicherheit und Vertrauen! Im Moment war die Sicherheit seine Hauptsorge. Einar war seit einigen Monaten dabei, ein Heer aufzustellen, das weitere Überfälle verhindern sollte. Und das kostete Geld. Natürlich hatte er nur wenige Steuern vom Volk erheben können und er musste außerdem seine Ausgaben stets mit dem Rat der freien Grundbesitzer, Bürgermeister und Zunftmeister abstimmen. Sie kamen zweimal im Jahr zusammen, zuletzt erst vor zwei Wochen und sie hatten all seine Ausgaben und Planungen gebilligt. Trotzdem musste er klug mit jedem Taler umgehen, den das Volk ihm anvertraute.

Nachdenklich schritt er weiter auf und ab, während der Schreiber wie aus Stein gemeißelt weiter aufmerksam an seinem Pult wartete.

Der schwarze Magier saß in einem hohen Lehnstuhl am Kopfende eines langen, alten Tisches. Außer rings um seinen Platz herum bedeckte eine dicke Staubschicht das wurmstichige Holz. Spinnweben hingen in den Ecken der schmutzigen Fenster, deren Vorhänge mottenzerfressen und unordentlich von den Stangen hingen. Längst verblichene Wandteppiche und Bilder ließen ahnen, dass in diesem Haus einmal vermögende Menschen gewohnt hatten. Aber es war schon lange verlassen und der schwarze Magier wirkte mit seiner bleichen Haut und den dunklen Kleidern wie ein Gespenst in einem Geisterhaus.

Auf dem Tisch brannten mehrere Kerzen in einem Leuchter, der vielleicht früher einmal die Zierde des Tischschmucks gewesen war. Nun aber war er über und über bedeckt von herabgelaufenem Wachs. Die Kerzen warfen ein unstetes Flackerlicht in den Raum, sodass manche Möbelstücke an den Wänden mehr zu ahnen als zu sehen waren.

In einem silbernen Pokal stand ein tiefroter, alter Wein vor dem schwarzen Magier. Unberührt. Der Zauberer bewegte sich nicht, seine Augen waren auf einen Punkt in weiter Ferne gerichtet.

Mit einem Ruck erwachte plötzlich der reglose Körper aus seiner minutenlangen Starre und die Faust fuhr so heftig auf den Tisch nieder, dass der Pokal umstürzte und der Wein sich wie ein Meer aus Blut über den Tisch ergoss.

„Einar!“, knirschte der schwarze Magier zwischen den Zähnen hervor. „Lächerlich! Ein Spielball der Zünfte und der Bürgermeister! Ein Gönner der undankbaren Magier von Filitosa!“

Mit einer schnellen Bewegung stellte er den Pokal wieder auf und goss sich aus einer staubigen Flasche neu ein. Dann setzte er den reich verzierten Kelch an den Mund und stürzte den Wein in einem einzigen Zug hinunter. Kleine Rinnsale liefen von seinen Mundwinkeln herab, wie winzige blutige Flüsse. Zornig rammte der Zauberer den leeren Pokal auf den Tisch zurück.

„Einar! Du wirst Deine Lektion schneller lernen, als dir lieb ist! Und auch ihr, ehrloses Pack von Filitosa! Dem ich zu verdanken habe, dass ich hier in diesem Rattenloch hausen muss! Ihr werdet schon noch sehen!“

Erster Teil: Begegnungen

Viele Vorbereitungen

Korbinian suchte in seinem Kontor die Dinge zusammen, die er auf die Reise zu König Einar mitnehmen wollte. Als Geschenk eine wundervoll gemalte Karte des Reiches, die Amina mit Samuels und Linneas Hilfe in stundenlanger Arbeit angefertigt hatte, Unterlagen über verschiedene Probleme, die er mit dem König besprechen wollte und einiges mehr. Als er fertig war, war es nahezu Mittag und Korbinian beschloss, vor dem Essen noch einen kleinen Spaziergang zu machen.

Während er zwischen den vielen handwerklichen Betrieben im Dorf umherwanderte, dachte er wie so oft in den letzten Tagen über das Königreich nach.

Die Gründung vor etwas über einem Jahr war recht schnell gegangen, kam aber für ihn selbst nicht ganz unerwartet. Die Menschen wollten einfach Schutz vor den immer wiederkehrenden Plünderungen und ein König, der alle vereinte, gab zumindest die Hoffnung, dass sie in Zukunft von solchen Kriegern wie den Horden verschont blieben.

Korbinian kannte den König schon ein wenig von den bisherigen Treffen. Einar strengte sich redlich an. Seine Arbeit begann früh und endete oft erst dann, wenn die meisten schon längst schliefen. Er hörte auf Ratschläge, wenn sie klug waren, aber er hatte auch schon hier und da Rückgrat gezeigt, wenn er merkte, dass er übervorteilt werden sollte.

Sein Amt übte er mit Glanz, aber nicht übertrieben aus. Und wenn er doch einmal die Nase ein wenig zu hoch trug, so holte ihn seine Tochter Svea schnell auf den Boden zurück. Das hatte Korbinian ein- oder zweimal bei seinen Besuchen, heimlich in sich hineinlächelnd, feststellen können.

Die Minister des Königs waren nicht nach ihrem Stand, sondern nach ihrer Erfahrung ausgewählt. Das gab dem Volk zusätzlich Vertrauen. Alles in allem konnte man mit König Einar wirklich zufrieden sein.

In zwei Tagen musste Korbinian aufbrechen. Er freute sich schon auf die lange Reise zusammen mit seinem alten Freund Samuel, auf viele Gespräche und alte Geschichten.

Langsam ging er zum Haupthaus zurück. Heute Nachmittag würde er den Lehrlingen aus dem vorletzten Jahr ihre Aufgaben zuweisen. Er freute sich schon jetzt diebisch beim Gedanken an die verzweifelten Gesichter, die schier unlösbare Probleme vor sich glaubten. Es würde wie in den vergangenen Jahren sein: Zuerst war die Welt voller Schwierigkeiten, aber bis zum Ende des Tages würde jeder von ihnen eine Idee haben.

Quentin saß auf einem Sack Getreide vor dem hohen Tor der Windmühle und grübelte. Die Windmühlenflügel drehten sich nicht, der Wind würde wahrscheinlich erst gegen Abend wiederkommen. Immer wieder faltete er das Blatt auseinander. Darauf standen nur drei Worte: „Ein seltener Stein.“

Dietrich beobachtete Quentin verstohlen aus dem Augenwinkel. Scheinbar angestrengt machte er sich an den Brettern zu schaffen, die die Außenwand des Unterbaus, also des Erdgeschosses bildeten. Er klopfte hier und da einen Nagel nach, prüfte die Gängigkeit der Fensterläden und musste sich dabei die ganze Zeit Mühe geben, nicht in lautes Lachen auszubrechen. Der Anblick des verzweifelt nachdenkenden Lehrlings auf dem Kornsack war wirklich zu komisch!

Schließlich konnte er aber Quentin nicht mehr so dasitzen sehen und ging zu ihm hinüber. „Na, Quentin, was beschäftigt dich so sehr?“, fragte er aufmunternd.

Quentin sah seinen Lehrherrn niedergedrückt an. „Ich habe keine Ahnung, wo ich suchen soll.“

Dietrich spielte den Ahnungslosen. „Suchen? Wonach denn? Hast du etwas verlegt?“

„Nein. Korbinian hat uns vorhin unsere Aufgaben gegeben.“

„Aah!“, machte Dietrich und wiegte bedeutungsschwer seinen Kopf hin und her. „Und Deine Aufgabe ist wohl schwierig?“

Quentin seufzte. „Ich soll einen seltenen Stein suchen. Einen seltenen Stein!“

„Oh, das ist wirklich nicht einfach.“ Jetzt kam auch Dietrich ins Grübeln. „Lass mich ein wenig überlegen.“

„Nein!“, fuhr Quentin auf. „Du darfst mir nicht sagen, wo ich suchen soll! Niemand darf uns etwas sagen, sonst haben wir die Aufgabe nicht bestanden!“

Dietrich legte beruhigend seine große Hand auf Quentins Schulter und drückte ihn auf den Sack zurück. „Das weiß ich. Aber Korbinian hat nicht gesagt, dass kleine Denkanstöße verboten sind, oder?“

Über Quentins Gesicht huschte ein Lächeln. „Nein, das hat er nicht. Hast du etwa eine Idee?“

„Langsam, langsam“, bändigte Dietrich Quentins Vorfreude. „Ich muss auch erst einmal ein wenig nachdenken.“ Er setzte sich ebenfalls auf einen Getreidesack. Dann starrten die beiden gemeinsam in den Himmel und überlegten.

So saßen sie eine ganze Weile da, bis Dietrich unvermittelt fragte: „Kennst du viele Steine, Quentin?“

„Natürlich, deswegen ist die Aufgabe ja auch so schwer!“

„Also gut. Aber du kannst mir bestimmt sagen, welcher Stein hier in Filitosa am seltensten vorkommt.“

„Die Mühlsteine!“, kam es sofort.

Dietrich lachte. „Nein, das nun wahrlich nicht mein Lieber. Die Mühlsteine sind aus Sandstein und der kommt auch in allen möglichen Treppenstufen, Türstürzen, Fensterbänken, Säulen und Mörsern vor. Das ist nicht selten genug!“

Quentin murmelte missmutig etwas vor sich hin, dachte aber weiter nach.

„Geh in Gedanken einmal durch das Dorf“, ermunterte Dietrich seinen Lehrling. „Es fällt dir bestimmt etwas ein, was es nur an einer Stelle gibt.“ Er stand auf und wandte sich dem Eingang zu. „Wenn dir etwas eingefallen ist, dann sag mir Bescheid.“

Eine ganze Weile später fand Quentin Dietrich in seinem kleinen Kontor. „Ich hab‘s!“, platze er herein. „Der schwarze Fußboden in der Eingangshalle des Haupthauses! Das sind doch Steine, oder?“

Dietrich lächelte und klopfte Quentin anerkennend auf die Schulter. „Ja, das sind Steine. Und sie sind ziemlich selten.“

Quentins freudestrahlendes Gesicht verblasste ein paar Augenblicke später. „Aber wo soll ich nur solche Steine finden …“

Jetzt machte Dietrich ein strenges Gesicht. „Du musst dich schon ein wenig bemühen! Nur noch ein kleiner Hinweis von mir. Diese Steine sind aus Feuer geboren. Und du warst schon einmal ganz in der Nähe einer solchen Stelle.“

Svea fand ihren Vater wie gewohnt in seinem Arbeitszimmer. Einar blickte von einem Stück Papier auf und staunte einmal mehr über die Anmut seiner Tochter. Die dunklen Haare fielen ihr weit den Rücken hinunter. Ihre ebenso dunklen Augen blickten fröhlich in die Welt, nahmen aber manchmal auch schon einen kleinen ernsthaften Ausdruck an. Wie schnell doch aus Kindern Erwachsene wurden! Es kam ihm vor, als wäre es erst gestern gewesen, dass sie auf seinem Schoß die ersten Worte gesagt hatte. Und nun wurde sie ihrer Mutter von Tag zu Tag ähnlicher, die eine wunderschöne Frau gewesen war. Und die leider viel zu früh von ihnen gegangen war, als vor Jahren eine furchtbare Krankheit über das Land hergefallen war. Er riss sich aus den düsteren Gedanken und lächelte seine Tochter an. „Was möchtest du, mein Schatz?“

„Nichts Besonderes. Ich wollte nur aufpassen, dass du nicht zu viel arbeitest. Was machst du gerade?“

Einar lächelte. Da war er wieder, dieser kleine, ernsthafte Ausdruck in den Augen. Svea liebte es, so zu tun, als müsse sie auf ihn Acht geben. „Ich bereite mich auf den Besuch von Korbinian vor.“

„Ach, diesem Zauberer?“

„Svea“, tadelte Einar seine Tochter. „Korbinian ist das Oberhaupt der Magier in diesem Land. Du solltest respektvoller über ihn sprechen.“

„Entschuldige“, lenkte Svea ein. „Sag, wo wohnen eigentlich die Zauberer?“

„Es sind nicht nur Zauberer, sondern auch Hexen“, erklärte Einar. „Und sie wohnen überall im Land. Sicherlich bist du auch schon einmal einem von ihnen begegnet, ohne es zu wissen. Sie haben irgendwo in Waldanda ein Dorf, das so etwas ist wie ihr Versammlungsort. Aber niemand weiß, wo dieses Dorf liegt.“

Svea war erstaunt. „Auch du nicht? Du bist aber doch der König!“, protestierte sie.

Einar lachte leise. „Das bedeutet doch nicht, dass ich alles wissen muss. Wenn Korbinian eines Tages glaubt, dass ich es erfahren soll, dann wird er es mir schon von allein erzählen. Vergiss nicht, was wir den Magiern zu verdanken haben. Da wollen wir ihnen ihr kleines Geheimnis doch nicht neiden, oder?“

Svea zuckte mit den Schultern. „Wenn du meinst …“ Sie schielte auf die Liste, die vor Einar lag. „Über was wollt Ihr denn reden?“

„Oh, da gibt es so einiges. Zum Beispiel möchte ich mit ihm über die Beschlüsse der Versammlung mit den freien Grundbesitzern, Bürgermeistern und Zunftmeistern sprechen. Und über den Fortschritt bei der Aufstellung unseres Heeres.“

Svea machte ein wichtiges Gesicht. „Wenn du schon alles weißt, was du mit ihm besprechen willst, dann kann ich dir ja jetzt zeigen, was ich für uns gekocht habe.“ Natürlich gab es genug Personal in der Küche, aber Svea kochte für ihr Leben gern. Schon als kleines Kind, als ihr Vater noch nicht König war, war sie immerzu zu Hause in der Küche herumgewuselt und hatte beim Kochen geholfen.

„Also gut“, lachte Einar und stand auf. Er winkte seinem Schreiber, der sofort herbeieilte und die Papiere säuberlich zusammenlegte. „Dann lass uns in die Küche gehen.“

Amina klopfte an der Tür zum Kontor der Bäckerei und trat ein. „Wo ist denn der kleine Sonnenschein?“ fragte sie in den Raum hinein und sah sich im Spaß suchend um.

„Mina!“, krähte die kleine Grian und strahlte ihr schönstes Kinderlächeln. Grian war nun schon bald drei Jahre alt. Mit kleinen, schnellen Schritten lief sie auf Amina zu und streckte die Arme in die Höhe. Lachend nahm Amina sie auf den Arm, gab ihr einen Kuss und ging hinüber zu ihrer Zwillingsschwester Adina, die mit Heliane über den Bestandslisten gebrütet hatte. Herzlich begrüßten sich die drei.

„Was machst du hier in der Bäckerei?“, fragte Amina ihre Schwester. „Ich dachte, Heliane ist jetzt hier die Leiterin?“

Heliane winkte ab. „Adina macht mir meine Arbeit schon nicht streitig, keine Angst. Aber bei den Vorbereitungen für die Sommersonnenwende kann ich jede helfende Hand gut gebrauchen.“ Sie stellte die Schreibfeder zurück in den Halter und legte Adina eine Hand auf den Arm. „Geht nur, wir sind ohnehin fast fertig. Und Grian will bestimmt lieber mit euch an der frischen Luft sein, als hier im stickigen Kontor.“

Die beiden Schwestern verabschiedeten sich und Grian winkte Heliane zum Abschied zu. Dann schlenderten sie langsam durch das Dorf zum See, wo Grian sofort anfing, die Enten aufzuscheuchen.

„Gibt es viel zu tun?“, fragte Amina ihre Schwester.

„Oh ja“, lachte Adina, während sie gleichzeitig ein Auge auf ihre Pflegetochter warf. „Du weißt doch, wie das jedes Mal bei einer Feier ist: Säckeweise Mehl einlagern, einen Arbeitsplan aufstellen, dann die Ungewissheit, wie viele wirklich zur Feier kommen, nur um am Ende festzustellen, dass man wieder viel zu viel gemacht hat.“

„Genau“, pflichtete Amina ihr bei. „Das war in der Metzgerei auch nie anders.“

Amina und Adina hatten so wie jeder andere Lehrling in Filitosa ein Handwerk erlernt und im vorletzten Herbst ihre Prüfung gemacht. Eigentlich hätten sie, wie die anderen Gesellen aus ihrem Lehrjahr, auf der dreijährigen Wanderung sein sollen, aber beide genossen eine Ausnahme:

Adina, weil sie Grian aufzog, die sie in einem Dorf gefunden hatte, das von den Horden geplündert worden war. Grians Eltern waren erschlagen worden, Verwandte gab es offenbar nicht. Adina hatte damals kurzentschlossen das kleine Mädchen in ihre Obhut genommen, nicht zuletzt, weil sie gespürt hatte, dass Grian ebenso wie sie die Gabe hatte.

Amina hatte als Hexe eine seltene Begabung: das Zweite Gesicht. Sie konnte allein aus reinem Willen mit anderen Magiern über weite Entfernungen in Kontakt treten. Eine solche Fähigkeit hatte es schon seit undenklichen Zeiten nicht mehr gegeben und so hatte Linnea, eine sehr alte Hexe aus dem Dorf, sie unter ihre Fittiche genommen und half ihr nun gemeinsam mit Korbinian, alles zu lernen, was eine wirklich große Magierin lernen musste.

„Wo ist Milan?“, fragte Adina.

Amina errötete leicht in Gedanken an ihren Freund. „Er ist noch in der Schmiede und versucht verzweifelt Thorben beizubringen, wie man einen gedrehten Vierkantstab herstellt, ohne ihn jedes Mal zu zerstören.“ Sie lachte. „Ich glaube, wenn Thorben das nicht bald begreift, wird Milan noch verrückt.“

Während die Sonne sich langsam dem Horizont näherte, plauderten die Schwestern noch eine kleine Weile, während Grian enttäuscht den Enten nachsah, die sich ganz gemein auf den sicheren See geflüchtet hatten, anstatt weiter mit ihr Fangen zu spielen.

Die Sichel des abnehmenden Mondes zog friedlich ihre Bahn über den Himmel. Alle anderen Lehrlinge wussten schon, wie sie ihre Aufgabe lösen wollten und schliefen. Kerstin wusste, welches seltene Kraut sie suchen wollte. Adele wusste, wie sie an ein neues Schnittmuster für die Schneiderei kommen würde. Michael wusste, wo er ein schönes Glas für die Glasbläserei finden konnte. Thorben war eingefallen, wo er eine praktische Sache für das Leben in Filitosa suchen würde. Astrid hatte sich ausgedacht, wo sie eine neue Käsesorte suchen wollte. Und auch Wulf schlief tief und fest und träumte dabei von seinem Plan, eine neue Technik für die Tischlerei zu finden.

Nur Quentin lag seit Stunden mit offenen Augen auf seinem Bett und starrte an die dunkle Decke. Ein Stein, der aus Feuer geboren ist. Und ich war schon einmal in der Nähe. Was kann das nur sein … Er wälzte sich hin und her.

Lodernde Feuer zogen durch seine Gedanken. Er dachte an Gießereien, aber: konnte man denn Steine schmelzen? Bestimmt nicht. Aber wie sollten Steine sonst aus Feuer geboren werden? Woher wollte Dietrich wissen, dass er schon einmal in der Nähe einer solchen Stelle gewesen war? Er musste sich der Lösung auf einem anderen Weg nähern.

Was wusste Dietrich von seiner Vergangenheit? Nicht allzu viel. Er wusste von Balsberg, aber da fiel Quentin nichts ein, was so aussah wie der Fußboden in der Eingangshalle. Und er wusste natürlich von seiner Verschleppung durch die Horden und von der Befreiung. Aber er war selbst nicht dabei gewesen. Also musste es etwas sein, was ihm erzählt worden war. Oder war es doch hier in Filitosa? Nein, das konnte nicht sein, weil es Teil der Aufgabe war, allein durch Waldanda zu reisen.

Langsam ging er den Weg der Horden noch einmal Stück für Stück in Gedanken. Dann setzte er sich mit einem Mal auf und rief ein lautes „Ja!!!“ quer durch den Raum – was ihm umgehend Schelte von seinen Mitbewohnern einbrachte, die schlafen wollten.

Das ist es!, freute er sich lautlos weiter. Der Stauf, der brennende Berg! Am Stauf waren überall diese achteckigen Steine zu finden, nur waren sie viel länger, richtige Stangen aus schwarzem Stein. Und Falk hatte ihm damals erklärt, dass nach der Sage diese kegelförmigen Berge früher einmal Feuer gespuckt hatten. Aus Feuer geboren!

Aber der Stauf lag so weit im Norden! Bis zur Sommersonnenwende musste die Aufgabe erledigt sein, das waren nur noch fünfzehn Tage. Damals hatten sie für den Weg von dort nach Filitosa etwa fünf Tage gebraucht, aber da hatten sie ständig die Pferde gewechselt. Also: Einen Tag für die Vorbereitungen abgezogen blieben ihm vierzehn Tage. Irgendwie musste das reichen!

Als Quentin endlich einschlief, begleiteten ihn feuerspeiende Berge und achteckige Steine in das Reich der Träume.

Aufbruch

Die Rathausuhr von Alm schlug die zweite Stunde. Simon saß auf seinem Strohsack in der zugigen Dachkammer der Wirtschaft. Erst vor einer halben Stunde waren die letzten Zecher sturzbetrunken aus dem Schankraum getorkelt, nicht ohne ihm noch wüste Beschimpfungen zuzurufen, weil er schon schließen wollte.

Eine kleine Kerze brannte in einer Laterne und warf ein wenig Licht in die ungastliche Kammer. Ein Strohsack als Bett, eine alte Kiste als Tisch. Kein Stuhl, keine Vorhänge am Fenster. Simon seufzte.

Vor einem Jahr hatte er sein Heimatdorf verlassen, um in die Welt hinauszuziehen und Koch zu werden. Außerdem war ihm ohne Quentin das kleine Dorf immer enger vorgekommen. Niemand hatte vergessen, dass Quentin und er die besten Freunde gewesen waren. Und da damals niemand etwas mit ihm und dem komischen Jungen zu tun haben wollte, war er auch ohne Freunde geblieben, nachdem Quentin plötzlich verschwunden war.

Es hatte kaum ein halbes Jahr gedauert, da konnte Simon es nicht mehr aushalten. Er hatte seine Sachen zusammengepackt und war nach Alm gewandert, wo sein jetziger Lehrherr ihm eine Ausbildung versprach, wenn er nur ordentlich mit anpackte.

Eine Lehre – von wegen! Er durfte nichts weiter tun, als den Müll nach draußen zu tragen, jeden Tag alles zu wischen, die dreckigen Töpfe zu schrubben und bis tief in die Nacht die Gäste zu bewirten, wenn der Wirt selbst schon lange im Bett lag. Zum Lohn ließ man ihn in der kleinen Kammer schlafen und jeden Tag mindestens einmal den Gürtel des Wirts spüren. Ohne Grund, einfach so. Einen Lehrvertrag hatte er auch nicht und auf seinen ohnehin mageren Lohn wartete er nun schon mehrere Monate.

Simon griff in die Hosentasche und nahm vorsichtig ein abgegriffenes, zusammengefaltetes Stück Papier heraus. Er zog die Laterne etwas näher und begann zum hundertsten Mal angestrengt zu buchstabieren, was dort geschrieben stand.

Es war ein Brief von Quentin, den dieser in ein Paket an seine Eltern gelegt hatte. Quentins Eltern hatten ihn einem fahrenden Händler mitgegeben, der ihn vor einiger Zeit vorbeigebracht hatte. Langsam fuhr sein Zeigefinger über die sorgsam gemalten Buchstaben. „… Es geht mir gut, ich bin in der Lehre beim Müller zu Balsberg …“

Simon ließ den Brief in seinen Schoß sinken und dachte, wie schon viele, viele Male zuvor über die Möglichkeit nach, einfach fort zu gehen. Schlimmer als hier konnte es für ihn in Balsberg auch nicht sein. Und selbst wenn: dann hätte er immerhin Quentin wieder an seiner Seite!

In dieser Nacht fasste Simon endlich einen Entschluss. Vorsichtig faltete er den Brief wieder zusammen und steckte ihn ein. Dann suchte er leise seine Sachen zusammen und verließ auf Zehenspitzen die Kammer. Auf dem Weg zur Haustür sah er noch einmal in der Räucherkammer vorbei. Einen Teil seines ausstehenden Lohnes nahm er in Würsten und Schinken vom Haken, wobei er sich ein Lächeln nicht verkneifen konnte. Der Wirt würde morgen früh mit hochrotem Gesicht durch die Wirtschaft toben und alles zusammenschreien – aber dann war er schon längst über alle Berge!

Simon war fast auf der Straße, als er hinter sich im Stall einen Huf aufstampfen hörte. Er drehte sich um und ging zu Stalltür.

„Recht hast du!“, flüsterte er leise, während er dem Esel über die Nüstern streichelte. „Du hast hier auch noch nie etwas zu lachen gehabt. Komm, alter Graukittel, ich nehme dich mit, dann erlebst du wenigstens einmal etwas. Und außerdem schuldet mir der alte Sklaventreiber ohnehin noch Lohn. Zusammen mit den Würsten und dem Schinken sollte das jetzt erledigt sein. Aber sei leise, damit niemand etwas merkt!“

Rasch warf er dem Esel eine Satteldecke und Packtaschen über und legte ihm das Zaumzeug an. Seine Habseligkeiten verstaute er in den Taschen. Der Esel machte kein Geräusch, so, als hätte er den Plan genau verstanden. Als Simon vorsichtig in den Hof spähte und leise aus der Tür trat, kam das Tier von ganz allein hinter ihm her. Einen Augenblick später waren die beiden Ausreißer im Dunkel der Gassen verschwunden.

Alle jungen Lehrlinge, Quentin, Kerstin, Adele, Michael, Thorben, Astrid und Wulf, standen an der Pferdekoppel. Gespannt sahen sie zu, wie einer der älteren Zauberer jedem von ihnen ein Pferd aussuchte. Dann zeigte er ihnen, wie sie das Tier satteln mussten, wie viele Pausen sie auf ihrer Reise machen sollten, was ein Pferd zu fressen brauchte und vieles mehr. Als die Einweisung endlich fertig war, war es bereits Zeit zum Mittagessen. Eilig rannten sie zum Haupthaus.

Während des Essens gab es natürlich kein anderes Thema als ihre Aufgaben und wie jeder von ihnen sie erfüllen wollte. Wie im Flug verging die kurze Verschnaufpause vor ihrer Abreise. Als sie aufstanden, um ihre Sachen zu packen, war der Nachmittag schon halb vorbei.

Quentin packte seinen Rucksack. Ein kleines Messer hatte er ohnehin immer dabei. Eine lange Schnur. Eine kleine Pfanne und einen Kessel, Gewürze, eine Gabel und einen Löffel. Ein kleines Frühstücksbrett. Einen Wasserschlauch. Ein paar Bögen Papier und einen Kohlestift. Eine Kerze. Nadel und Faden. Eine gewachste Angelschnur und ein paar Haken. Schließlich noch ein wenig Kleinkram und eine Decke.

Als er mit Packen fertig war, suchte er seine Wanderkleidung aus der Holztruhe hervor – in den weißen Müllersachen konnte er ja kaum auf die Suche nach den seltenen Steinen gehen. Er legte alles ordentlich auf den Stuhl an seinem Bett und überlegte dann noch einmal, ob er an alles gedacht hatte.

„Fertig!“, sagte er mehr zu sich selbst, dann lief er schnell die Treppen hinunter, um noch einmal in der Mühle vorbeizuschauen.

Tara war auf der Reise von Alm nach Filitosa, ein Weg, den sie schon viele Male gegangen war. Wie immer machte sie Rast unter einem großen, alten Baum. Der Baum stand allein auf weiter Flur und man konnte von dort aus die ganze Umgebung betrachten. Jedes Mal, wenn Tara zur Sommersonnenwende nach Filitosa zurück kehrte, machte sie hier eine Pause und genoss das satte Grün der Getreidefelder ringsumher, die kleinen Hecken und Büsche, zwischen denen die Vögel hin- und herflogen, die Lerchen, die über den Feldern ihre wunderschönen Lieder sangen.

Tara wanderte gern. Auf die Frage, warum sie den weiten Weg nicht zu Pferd bestritt, hatte sie einmal völlig verständnislos geantwortet: „Zu Pferd? Dann bekomme ich doch von der wundervollen Natur gar nichts mit!“ Und so empfand sie es noch immer. Auf Wanderschaft fühlte man sich auf eine Weise mit der Natur verbunden, die man sonst nicht erlebte, schon gar nicht in einer so großen Stadt wie Alm.

Verträumt blickte sie zurück in die Richtung, aus der sie gekommen war, als sie plötzlich einen Reiter auf seinem Esel sah, der sich auf sie zubewegte. Aufmerksam musterte sie den Jungen. Ein schlechtes Gewissen stand ihm überdeutlich ins Gesicht geschrieben. Aber Tara spürte mit ihren magischen Fähigkeiten noch etwas anderes: Dieser Junge war ein herzensguter Mensch. Sie lächelte und winkte ihm zu.

Simon kam auf seinem Esel, den er „Hannes“ getauft hatte, langsam näher und winkte zurück. Als er Tara erreicht hatte, wünschte er artig einen guten Tag und wollte schon weiterreiten, aber Hannes blieb stehen.

Simon drückte seinem Gefährten sanft die Fersen in die Seite und sagte „Hüh!“, aber der Esel stand weiter wie angewurzelt auf der Stelle und schaute zu Tara hinüber. Die zwinkerte dem braven Tier verschwörerisch zu.

„Na, mein Junge, willst du einer alten Frau etwas Gesellschaft leisten?“, fragte die Hexe.

„Ich… also eigentlich wollte ich noch ein Stück weiter, bevor es dunkel wird“, wich Simon aus.

Tara lächelte. „Nun, ich glaube, dein Esel ist da anderer Meinung. Komm schon.“ Sie klopfte auffordernd neben sich auf den Boden. „Gönn dem Tier eine kleine Verschnaufpause und setz dich zu mir.“

Wie zur Unterstützung gab Hannes ein lautes „I-Aaah!“ von sich. Simon zuckte mit den Schultern und rutschte vom Rücken des Esels herunter. Die alte Frau war ihm nicht ganz geheuer, aber da Hannes ohnehin gerade seinen Kopf durchsetzen wollte, ergab er sich in sein Schicksal.

Er ließ den Esel stehen und ging zu Tara hinüber. Da erwachte Hannes plötzlich aus seiner Starre und trottete hinter ihm her. Simon drehte sich entgeistert zu ihm um und stemmte die Hände in die Hüfte. „Toll, Hannes. Manchmal frage ich mich wirklich, wer von uns beiden eigentlich bestimmt, wo es langgeht.“

Tara lachte. „Na, ihr beiden seid mir ein schönes Paar!“ Sie stand auf, ging zu dem Esel hinüber und streichelte sanft über seine Nüstern. Dann blickte sie Simon an. „Du hast ihm geholfen, zu fliehen?“

Simon trat entsetzt einen Schritt zurück. „Wie… Ihr könnt doch gar nicht wissen… Woher kennt Ihr den Esel? Wer seid Ihr?“

Tara blickte Simon offen ins Gesicht. „Weißt du, es ist gar nicht so schwer, Tiere zu verstehen. Man muss nur richtig hinhören.“ Simon blickte sie an, als zweifele er an ihrem geistigen Zustand.

„Jetzt komm schon“, sagte Tara und zog Simon am Ärmel zum Baum hinüber. Etwas widerwillig folgte ihr der Ausreißer und setzte sich hin. „So“, fuhr Tara fort, „jetzt können wir uns unterhalten. Mein Name ist Tara. Und wie heißt du?“

„Simon. Ich heiße Simon.“

„Fein. Guten Tag, Simon. Ich bin eine Hexe, und du?“

Mit einem Satz war Simon wieder aufgesprungen. „Eine… Hexe?“

Unbeeindruckt saß Tara weiterhin da, mit dem Rücken an den Baum gelehnt, und sah Simon von unten herauf an. „Simon, ich habe nicht gesagt ‚ich habe die Pest‘, sondern nur, dass ich eine Hexe bin. Ich glaube ja auch nicht, dass du mich ausrauben willst, nur weil dein Esel bis gestern Nacht noch einem Wirt aus Alm gehört hat.“ Sie klopfte erneut auf die Stelle neben sich. „Hinsetzen.“

Mit einem gequälten Lächeln nahm Simon wieder Platz, ließ aber die Hexe nicht aus den Augen. „Woher wisst Ihr das alles?“

Tara lächelte. „Na siehst du, jetzt unterhalten wir uns. Also: Ein bisschen hat mir dein Hannes verraten, den Rest dein Gesicht. Ach ja“, Tara nahm einen Wasserschlauch in die Hand und entkorkte ihn. „Außerdem habe ich den Wirt schon einmal mit dem Esel zusammen gesehen. Damals musste dein Hannes ein viel zu schweres Fass tragen und hat dabei noch ständig Prügel mit einem Stock bekommen.“ Sie nahm einen langen Schluck und reichte dann den Schlauch an Simon weiter. „Hier, nimm. Keine Angst, ich werde dich schon nicht vergiften.“

Simon zögerte zuerst, dann entschloss er sich, Tara zu vertrauen. Eigentlich war es doch recht interessant, er hatte sich noch nie mit einer Hexe unterhalten!

Immer besser kamen sie ins Gespräch. Simon erzählte von seinem Heimatdorf, von der Wirtschaft in Alm und von seinem Plan, zu Quentin nach Balsberg zu fliehen.

Tara horchte auf. „Quentin? Ein seltener Name.“

„Findet Ihr? Hm, mag sein, darüber habe ich mir noch nie Gedanken gemacht“, antwortete Simon.

Tara blickte ihn an. Das also war Simon, Quentins bester Freund. Der Held vieler Lausbubenstreiche und derjenige, über den Quentin mehr erzählt hatte, als über irgendjemanden sonst. Sie erhob sich. „So, mein Lieber, genug gerastet. Ich muss heute noch ein Stück schaffen, und auch du wirst daran interessiert sein, möglichst schnell einen guten Abstand zu Alm zu haben.“

Simon lachte verlegen und stand ebenfalls auf. „Da habt Ihr recht. Hannes und ich müssen auch weiterziehen.“

„Ich wünsche dir alles Gute bei Deiner Suche, Simon.“

„Danke, Tara. Euch auch alles Gute!“

Bald war Simon hinter dem nächsten Hügel verschwunden, aber Tara lächelte immer noch vor sich hin. Quentin würde Augen machen, wenn sie ihm das erzählte!

Die Sonne lugte noch nicht über dem Horizont hervor, als Quentin aufbrach. Bevor er Filitosa in nördlicher Richtung verließ, winkte er noch schnell Michael zu, der sich gerade anschickte, sein Pferd nach Süden zu lenken. Auch Michael hatte ein Rennen gegen die Zeit zu gewinnen, er wollte nach Serding, einer alteingesessenen Glasbläser- und Bierbrauerstadt, die weit im Südosten lag.

In wenigen Tagen würden Michael und er fast an entgegengesetzten Grenzen von Waldanda sein – eine merkwürdige Vorstellung. Die anderen fünf hatten es nicht so weit, sie konnten sich mit ihrer Abreise Zeit lassen und lagen natürlich noch im Bett.

Der Tag versprach schön zu werden, aber im Moment war es noch recht frisch. Quentin zog seinen Mantel etwas fester um sich und setzte sein Pferd in Trab. In sechs Tagen würde er hoffentlich am Stauf sein!

Als einige Stunden später die Sonne schon hoch am Himmel stand, stiegen auch Korbinian und Samuel in den Sattel. Samuel führte ein zusätzliches Packpferd am Zügel, auf das Korbinian die Geschenke für den König und einige Unterlagen gepackt hatte, die er für die Unterredung brauchen würde. Außerdem hatten sie noch ein Zelt für die Übernachtung mitgenommen. Die sieben Lehrlinge hatten sich ausgiebig darüber lustig gemacht, schließlich waren Korbinian und Samuel ja auch nicht mehr die Jüngsten. Die beiden Magier konnten ihrerseits die Nächte in freier Natur kaum erwarten. Es steckte noch eine Menge Jugend in ihren alten Knochen!

Samuel freute sich fast noch mehr über die Reise und die Begegnung mit König Einar als Korbinian. Schon lange war er nicht mehr mit seinem alten Freund unterwegs gewesen. Den König hatte er überhaupt noch nie getroffen. Es lagen interessante Tage vor ihnen.

Milan stand mit den Schmiedelehrlingen draußen vor der Tür. Sie machten eine Pause, bevor sie vor dem Abendessen noch einige Eisenbänder für die neuen Weinfässer schmieden wollten, die die Winzer bei der Tischlerei bestellt hatten.

Das kalte Brunnenwasser schmeckte köstlich und Milan hatte gute Laune. Tatsächlich hatte Thorben den Bogen herausbekommen, wie man gedrehte Vierkantstäbe schmieden musste, ohne sie dabei unbrauchbar zu machen. Außerdem war er überhaupt froh, nach seiner dreijährigen Wanderschaft, der Walz, wieder in Filitosa und vor allem bei Amina zu sein. Jetzt konnte er seine Liebste jeden Tag sehen!

Korbinian hatte ihn bereitwillig bei der Ausbildung der Schmiedelehrlinge eingesetzt, zumal Batwin, der alte Schmiedemeister, schon häufiger um Unterstützung gebeten hatte. Milan hatte seinen Meisterbrief in kürzester Zeit erworben. Ein letzter langer Zug aus der Schöpfkelle, dann scheuchte er die Lehrlinge zurück in die Schmiede. Noch ein bis zwei Stunden, dann konnten sie Feierabend machen. Milan freute sich schon auf den Abend mit Amina…

Am nächsten Morgen erwachte Quentin fröstelnd. Die Nacht war sternenklar gewesen und so konnte die Kälte des Nachthimmels ungehindert zur Erde niederfallen. Das Feuer war heruntergebrannt und wärmte schon lange nicht mehr. Als Quentin mit einem Stock darin stocherte, fand er kein einziges Fünkchen Glut. Aber wozu war er schließlich Zauberer?

Schnell baute er aus dem Holz, das er gestern schon gesammelt hatte, eine kleine Pyramide in der kalten Asche. Dann bewegte er die Finger der rechten Hand in einer bestimmten Reihenfolge und murmelte „Fewur“. Etwa einen halben Meter über dem Holz zog sich plötzlich die Luft zusammen und wurde pechschwarz. Ein kleiner Funke entsprang im Zentrum der Finsternis, flog hin und her, wechselte die Farbe von Grellweiß zu Sonnengelb, wurde stetig immer roter, bis mit einem Mal eine Flamme aufflackerte. Sie begann zu tropfen, lauter kleine Flammen fielen auf das Holz, immer mehr, bis die Zweige und Äste Feuer gefangen hatten und von allein weiterbrannten.

Quentin mochte diesen Zauber sehr. Natürlich gab es noch viel beeindruckendere Zaubersprüche, aber die würden sie erst in den nächsten Jahren lernen. Bisher hatte Korbinian ihnen eher die Sorte Magie beigebracht, die praktisch für das tägliche Leben war. Ein wirklich lustiger Zauber war der Fleckenzauber Ferisōn. Eigentlich war er dafür gedacht, einen Papierbogen von Tinte zu säubern, wenn man sich verschrieben oder mit der Feder gekleckst hatte. Die Tinte löste sich dann vom Blatt und man konnte sie einfach zur Seite heruntergießen. Aber sie hatten schnell herausgefunden, dass der Spruch sich auch für alles andere eignete, zum Beispiel Soßenflecken von einem Hemd zu entfernen. Dann löste sich die Soße einfach aus dem Stoff und man konnte sie mit einem Tuch abtupfen.

Das Feuer strahlte eine wundervolle Wärme aus und Quentin träumte noch ein wenig, während das Wasser für den Tee langsam heiß wurde. Er dachte an die Zeit zurück, als er von zu Hause in Richtung Balsberg unterwegs gewesen war. Da hatte er noch verzweifelt jeden Morgen, Mittag und Abend seine Streichhölzer gezählt und gehofft, dass er eine Arbeit gefunden haben würde, bevor sie aufgebraucht waren. Diese Zeiten waren schon lange vorbei. Jetzt konnte er zaubern!

Das kochende Wasser riss ihn aus seinen Gedanken. Schnell nahm er den kleinen Kessel vom Feuer und streute eine kleine Handvoll Blätter hinein. Sofort breitete sich der wundervolle Duft von Minze aus. Die Sonne schickte ihre ersten warmen Strahlen auf Quentins Lagerplatz.

Meara lag zusammen mit ihrem kleinen Sohn Ragnar auf einer großen Decke im Garten ihres Hofes. Ragnar schlief und griff mit seinen kleinen Händchen im Traum nach irgendetwas. Hendrik, Mearas Mann, hatte auf dem Feld zu tun und würde erst abends nach Hause kommen.

Meara war Hendrik im vorletzten Jahr auf ihrem Weg nach Filitosa begegnet, als Korbinian sie alle zur großen Suche zusammengerufen hatte. Schon auf den ersten Blick war Hendrik ihr mehr als nur sympathisch gewesen und sie hatte ihn anschließend einfach nicht mehr vergessen können.

Kurz nach Quentins Befreiung und der Rückkehr nach Filitosa war sie zusammen mit ihrem besten Freund York zu Hendrik zurückgekehrt, ohne genau zu wissen, was sie erwartete. Sie kam auf den Hof, wo Hendrik gerade dabei war, Feuerholz für den Winter zu hacken und aufzustapeln. Als er sich zu Meara umdrehte und sie mit seinen stahlblauen Augen ansah, vergaß sie alles, was sie ihm hatte sagen wollen und flog einfach in seine freudig ausgebreiteten Arme. Ein paar Wochen später waren sie schon verheiratet. Es war eine Feier im ganz kleinen Kreise und York war ihr Trauzeuge gewesen. Zu Beginn des letzten Winters war dann Ragnar geboren worden.

Meara blickte ihren kleinen Sohn stolz an, während sie sich mit einer Bürste die langen, flachsblonden Haare kämmte. Sie war eine der schönsten Frauen weit und breit und so mancher beneidete Hendrik um sein Glück.

Hendrik störte sich nicht an Mearas Gabe. Er hatte es schon damals geahnt, als Meara eine Salbe für sein lahmendes Pferd hergestellt hatte. Die Gabe nahm er als etwas völlig Normales hin, schließlich war er auf dem Land aufgewachsen, wo es ohnehin noch viel mehr Leute gab, die an Zauberei glaubten, als in den Städten.

Hendrik interessierte sich eigentlich überhaupt nicht für Magie, was Meara ein wenig traurig stimmte. Immerhin waren die Menschen mit der Gabe über Jahre hinweg ihre Familie gewesen, ihre engsten Vertrauten und Freunde.

Leise, um Ragnar nicht zu wecken, stand sie auf und ging durch die Hintertür in die Küche, wo ein immerwährender Kalender aus Holz an der Wand hing. Mit drei verschieden großen Holzringen konnte man das Datum einstellen: außen den Wochentag, eins weiter innen den Tag und ganz innen den Monat. Sie rechnete nach. Noch elf Tage bis zur Sommersonnenwende. Meara fasste einen Entschluss: Auch wenn Hendrik und Ragnar die Gabe nicht besaßen, sie wollte trotzdem, dass sie ihre große Familie kennenlernten. Sie würden zur Feier nach Filitosa reisen!

Auch Prinzessin Svea hatte Reisepläne. Wie in jedem Jahr wollte sie nach der Sommersonnenwende zu ihrer Tante Eldrid nach Enden. Sie musste aber ihren Vater noch davon überzeugen, dass sie dieses Mal allein reiten wollte – und das würde nicht einfach werden…

Einar sorgte sich seit dem Tod seiner Frau noch mehr um Svea, als er es schon vorher getan hatte. Aber sie war jetzt fünfzehn und empfand die Fürsorge ihres Vaters oft als erdrückend. Sie wollte frei sein, ihre eigenen Entscheidungen treffen und ihre eigenen Erfahrungen machen. Stattdessen hüllte ihr Vater sie in einen wundervoll gewebten, aber mittlerweile viel zu engen Mantel väterlicher Liebe. Wie sollte sie ihm beibringen, dass sie langsam ihren eigenen Weg gehen wollte, ohne ihn damit zu verletzen?

Svea klopfte an die Tür des Arbeitszimmers und trat ein. Einar blickte auf und sah sie erwartungsvoll an. „Was gibt es, Svea?“

„Vater, ich möchte gern Tante Eldrid besuchen.“

Einar lächelte. „Das wird deine Tante sehr freuen. Aber die Sommersonnenwende feiern wir doch hier, oder?“

„Ja, ich möchte ohnehin erst danach abreisen. So wie im letzten Jahr.“

„… und dem Jahr davor …und dem davor …und dem davor. Ich glaube, wenn du einmal nicht nach der Sommersonnenwende bei deiner Tante auftauchst, wird sie schrecklich enttäuscht sein.“ Er überlegte kurz. „Aber ich werde dich nicht begleiten können. Ich habe zu viel zu tun. Ich hoffe, du verstehst das.“

„Natürlich. Also darf ich?“, fragte Svea freudestrahlend.

„Aber sicher darfst du“, antwortete Einar. „Ich werde alles vorbereiten lassen.“

Svea hatte bereits den Mund geöffnet, um auf die Begleitung zu sprechen zu kommen, aber das konnte noch warten. Stattdessen lief sie zu ihrem Vater hinüber und drückte ihm einen Kuss auf die Wange.

„Danke, Vater“, sagte sie artig und war schon wieder aus der Tür.

Eine Überraschung

Als Quentin am nächsten Morgen die Augen aufschlug, fror er nicht. Dafür hatte sich allerdings der Himmel bewölkt. Grau zogen die Wolkenberge langsam von Südwesten heran, aber es regnete nicht. Noch nicht.

Schnell machte sich Quentin einen Tee und aß den Rest von dem Kuchen, den er gestern in einem Dorf gekauft hatte. Nach dem Frühstück packte er seine Sachen zusammen und machte sich auf den Weg.

Es war schon sonderbar, die gleiche Strecke zurückzureiten, auf der er vor fast eineinhalb Jahren nach Filitosa gekommen war. Immer wieder erinnerten Kreuzungen, Lagerplätze, besondere Bäume oder Dörfer ihn an sein großes Abenteuer.

Wie sehr sie sich damals beeilt hatten, um rechtzeitig vor dem Vollmond in Filitosa zu sein. Da hatte Quentin noch nicht einmal geahnt, warum die Magier ihn eigentlich gesucht hatten. Nur, weil sie noch den siebten Lehrling brauchten, hatten sich Hexen und Zauberer zu hunderten auf den Weg gemacht und das gesamte Land abgesucht …

Es war schon eine seltsame Gemeinschaft. Aber er konnte jedem vorbehaltlos vertrauen, jeder würde für ihn einstehen. Er selbst natürlich umgekehrt genauso.

In Erinnerungen an seine Abenteuer versunken, ritt er weiter. Irgendwann fielen die ersten Regentropfen.

„Ich werde wohl heute Nachmittag in der Scheune arbeiten“, sagte Hendrik, nachdem er sich bei Meara für das Mittagessen bedankt hatte. Ragnar schlief nach dem Stillen tief und fest in seiner Wiege. Hendrik stand auf.

„Warte noch“, sagte Meara und hielt ihn am Ärmel zurück.

Hendrik setzte sich wieder an den Tisch. „Gern, was ist denn?“

Meara suchte nach einem Anfang. „Also … Wie du weißt, bin ich eine Hexe.“

Hendrik schaute Meara von der Seite an und runzelte lächelnd die Stirn. „Das weiß ich doch schon lange.“

„Natürlich, ich will ja auch auf etwas anderes hinaus“, erklärte Meara. „Auch die Magier feiern jedes Jahr die Sommersonnenwende. In Filitosa. Da kommen viele von nah und fern zusammen. Es gibt immer ein großes Fest.“

Hendriks Augenbrauen wanderten nach oben. „Und da möchtest du gern hin.“ Meara nickte und Hendrik fuhr fort. „Hast du Heimweh?“

„Ja… nein… das ist es nicht.“ Meara betrachtete verlegen ihre Hände und suchte nach den richtigen Worten. „Natürlich möchte ich gern nach Filitosa, um alle einmal wiederzusehen. Aber vor allem möchte ich, dass du und Ragnar die Menschen kennenlernt, die für mich so etwas wie meine Familie sind.“

Hendrik zog den Wasserkrug heran und goss sich einen Becher voll. Während er langsam trank, dachte er nach. Meara schaute ihm gespannt zu und wartete auf seine Reaktion.

Endlich stellte Hendrik den Becher auf den Tisch zurück. „Hast du nicht einmal gesagt, Filitosa sei versteckt? Und geschützt? Wie sollen Ragnar und ich dort hineinkommen, wo wir doch die Gabe nicht besitzen?“

Meara atmete auf. Für Hendrik ging es nicht darum, ob sie überhaupt nach Filitosa gingen, sondern nur darum, wie sie es anstellen sollten. „Man kann die Zauber für kurze Zeit unterbrechen. Ihr wäret nicht die ersten Menschen ohne die Gabe, die das Dorf betreten dürfen. Falk aus Balsberg zum Beispiel besucht Filitosa regelmäßig.“

Hendrik riss ungläubig die Augen auf. „Falk? Der Müller?“ Hendrik hatte schon oft seinen Dinkel bei Falk und Finja mahlen lassen. Aber davon hatte er nichts gewusst, ja es noch nicht einmal geahnt!

Meara lachte. „Ja, Falk der Müller. Er bildet zusammen mit dem Zauberer Dietrich bei uns Müllerlehrlinge aus.“

„Das gibt’s doch nicht“, schüttelte Hendrik den Kopf. „Da denkt man, man kennt die Leute …“

Meara lachte immer noch, rutschte näher zu ihrem Mann und gab ihm einen Kuss. „Wann wollen wir fahren?“

„Hm, die Sommersonnenwende fällt auf einen Sonntag. Wie wäre es mit dem Donnerstag davor?“

„Du bist ein Schatz! Danke, Hendrik. Du wirst es nicht bereuen.“ Mit diesen Worten setzte sie sich auf seinen Schoß und küsste ihn noch einmal. Und noch einmal ganz lange.

Korbinian und Samuel kamen gut voran. Die Nacht hatten sie in einem Fährhaus am Uder verbracht und waren nun auf der Straße nach Norden, die sie direkt zur Hauptstadt Waldanda führen sollte. Auch sie wurden vom schlechten Wetter nicht verschont, aber vertieft in ihre Gespräche bemerkten sie den Regen kaum.

„Wirst du auch die jämmerliche Versorgung der Armen ansprechen?“, fragte Samuel gerade seinen alten Freund.

„Unbedingt“, nickte Korbinian. „Da gibt es für Einar noch viel zu tun. Zum Glück haben wir Nachrichten aus allen Städten, da dürfte dem König vieles noch nicht zu Ohren gekommen sein.“

„Denkst du, der Rat hält diese Dinge absichtlich von ihm fern?“

Korbinian schüttelte den Kopf. „Vielleicht nicht absichtlich. Aber wenn der Bau einer Stadtmauer oder einer befestigten Straße gerade wichtiger sind… Ich könnte mir vorstellen, dass ein Bürgermeister nicht immer gerne zugibt, wie schlecht es die Armen in seiner Stadt eigentlich haben.“

Nachdenklich ritten sie weiter, bis Samuel wieder einen Gedanken vorbrachte. „Die drohende Missernte im Süden dürfte wohl dazu führen, dass die Abgaben der Bauern in diesem Jahr nicht so üppig ausfallen werden …“

„Der furchtbare Hagelsturm im Frühling hat wirklich viel vernichtet. Vielleicht muss der König sogar etwas von der Ernte aus den anderen Teilen des Landes in den Süden schicken, damit sie dort den nächsten Winter überstehen können.“ Er lächelte plötzlich. „Eigentlich könnte ich genau das dem König vorschlagen. Vielleicht ist ja noch niemand darauf gekommen!“

„Helfen würde es allemal“, sinnierte Samuel vor sich hin.

So ritten sie Stunde um Stunde weiter Richtung Norden, mal im Gespräch, mal nachdenklich, während sich die Sonne Stück für Stück dem Horizont näherte.

Quentin hatte sich bereits einen Lagerplatz für die Nacht gesucht. Der Regen war im Verlaufe des Nachmittags immer dichter geworden, aber rechtzeitig vor der Dunkelheit hatte Quentin einen kleinen Unterstand gefunden. Ein festes Dach hielt den Regen auf jeden Fall besser ab, als jeder noch so gut gebaute Unterschlupf im Wald.

Eine große Bachforelle garte an einem Stock über dem Feuer. Wenigstens beißen die Fische bei diesem Wetter gut, dachte Quentin. Sein Mantel hing zum Trocknen im Eingang, ließ aber noch einen Spalt frei, damit der Rauch abziehen konnte.

Als Quentin mit dem Essen fertig war, lehnte er sich mit einem wohligen Gefühl im Bauch zurück und stocherte ein wenig im Feuer herum. Draußen war es bereits dunkel, der Regen trommelte auf das Dach der kleinen Schutzhütte.

Plötzlich richtete Quentin sich auf. Da war etwas! Oder vielmehr: jemand. Er konnte die Anwesenheit eines anderen Zauberers überdeutlich spüren. Im nächsten Moment wurde sein Mantel zur Seite geschoben und der unerwartete Besucher bückte sich unter dem niedrigen Türsturz durch.

„Guten Abend, Quentin“, sagte der schwarze Magier und zog Quentins Mantel wieder ordentlich vor dem Eingang zurecht. „Was für ein Wetter, da jagt man ja nicht einmal einen Hund vor die Tür!“ Er schaute Quentin mit seinen unergründlichen, tiefschwarzen Augen an. „Darf ich mich setzen?“

Quentin war wie versteinert. Der schwarze Magier hängte seinen nassen Mantel an einen Nagel, setzte sich und hielt die Hände zum Wärmen nah ans Feuer. Der rote Stein in seinem Ring, den er am linken Zeigefinger trug, warf funkelnde, blutrote Strahlen in den kleinen Raum.

Quentin schwieg noch immer. Er wusste weder, was er sagen, noch, was er tun sollte. Wie hatte der Zauberer ihn gefunden? Oder war es Zufall?

Der schwarze Magier lächelte. „Es ist kein Zufall, dass wir uns hier treffen“, begann er, und Quentin glaubte, er habe seine Gedanken gelesen. Der Zauberer fuhr fort: „Ich habe dich erwartet. Wie du weißt, war auch ich vor langer Zeit einmal Lehrling in Filitosa. Und in jedem Jahr brechen die Lehrlinge aus dem zweiten Lehrjahr ein paar Tage vor der Sommersonnenwende auf, um etwas Besonderes zu suchen.“

Er machte einen kleinen Wasserschlauch vom Gürtel los und nahm einen tiefen Zug daraus. Dann hielt er den Schlauch Quentin hin, der aber schüttelte den Kopf. Sprechen konnte er immer noch nicht. Schulterzuckend legte der schwarze Magier den Schlauch zur Seite.

„Ich wollte mit dir sprechen, Quentin, weil mir viel daran liegt, dass du meine Geschichte auch einmal aus einer anderen Sicht hörst. Natürlich musst du dir dein Urteil selbst bilden. Bisher kennst du nur die Version der anderen Magier – oder jedenfalls so viel sie bereit waren, dir zu erzählen.“

Langsam wich die Angst von Quentin und machte Neugier Platz. Tatsächlich waren Korbinian und die älteren Magier immer sehr zurückhaltend, wenn es um den schwarzen Magier ging. Ob sie wirklich alles erzählt hatten? Der Zauberer schien ihm jedenfalls nichts Böses antun zu wollen, sonst hätte er das wohl schon längst erledigt.

Es war ihm zwar immer noch nicht ganz wohl zumute, aber er nickte dem Zauberer zu. Der heutige Abend konnte noch sehr spannend werden… Der schwarze Magier ließ ein kleines Lächeln aufblitzen.

„Gut, Quentin. Hier ist also meine Geschichte.“ Er räusperte sich. „Schon als Lehrling war ich fasziniert von der Magie. Ich war wissbegierig, fleißig, ich lernte oft bis tief in die Nacht. Es dauerte nicht lange, da war ich der beste meines Jahrgangs – zumindest in der Magie, zum Winzer taugte ich nicht so recht.

Tag für Tag saß ich in der Bibliothek, während die anderen draußen herumtollten oder zum Angeln an den See gingen. Ich sonderte mich langsam von ihnen ab. Sie verstanden meine Fragen nicht, die sich ohnehin fast nur mit der Magie beschäftigten. Also was sollte ich mit ihnen schon anfangen? Ich fragte stattdessen die älteren Hexen und Zauberer und genoss ihre Aufmerksamkeit. Sie erklärten mir, was ich zu wissen begehrte, sie förderten mich, sie respektierten meinen Fleiß und meine Kenntnisse. Bis ich anfing, über neue Zauberformeln nachzudenken.“

Der schwarze Magier nahm seinen Schlauch und trank einen Schluck. Dann legte er ein Stück Holz aufs Feuer und fuhr fort.

„Zuerst waren die älteren Magier nur verwundert ob meiner Ideen. Es ging mir um die Heilung schwerer Krankheiten, wie zum Beispiel der Pest, gegen die in den großen Zauberbüchern nichts zu finden ist. Etwas gegen schlimme Unwetter. Solche Dinge.

Aber sie antworteten mir nicht mehr so frei wie vorher. Stattdessen beobachteten sie mich mit immer größer werdendem Argwohn. Sie nannten es ‚Magie aus dem Grenzbereich‘, dabei wollte ich nur die vorhandenen Formeln ein wenig verbessern, sie ausbauen, um anderen besser helfen zu können. Aber sie haben es nicht verstanden.“

Quentin sah, wie für einen kurzen Moment ein Ausdruck von Traurigkeit über das Gesicht des schwarzen Magiers huschte. Dann waren seine bleichen Züge wieder so verschlossen wie zuvor.

„Wie auch immer. Es endete damit, dass ich den Erfolg meiner Arbeit beweisen wollte. Ich grübelte wochenlang über einem Zauberspruch, und als es im Winter wieder einmal so heftig schneite, als solle die ganze Welt unter einer weißen Decke begraben werden, sah ich meine Stunde gekommen. Ich lud in meinem Eifer die älteren Magier zu einer Vorführung ein, obwohl ich mir mit dem Zauberspruch noch gar nicht ganz sicher war. Wir versammelten uns auf dem Dach des Haupthauses, an der höchsten Stelle. Von dort aus sprach ich den Zauber, der den Schnee in Regen verwandeln sollte.

Was soll ich sagen? Es war ein großer Fehler und er mündete in einer Katastrophe. Statt sich in Regen zu verwandeln, fielen die Schneeflocken plötzlich als Hagel vom Himmel. Die Körner waren so dick wie Hühnereier. Sie zerschlugen Dachziegel und Fensterscheiben. Ein paar der Magier, die gerade draußen waren, hatten anschließend Beulen und blaue Flecken zu beklagen.

Das war das Ende meiner Lehre in Filitosa. Der Rat der Ältesten schloss mich aus der Gemeinschaft aus, weil ich ‚gefährliche Magie‘ geschaffen und praktiziert hatte. Sie jagten mich fort und verboten mir, jemals wieder nach Filitosa zurückzukehren. Sie gaben mir keine Möglichkeit, mich zu verteidigen oder meinen Ruf wiederherzustellen. Dabei hätte ich nur eines der großen Zauberbücher gebraucht, um ihnen meinen Fehler zu erklären. Ich hätte es nur kurz ausleihen müssen, dann hätten sie es sofort verstanden. Aber sie ließen mich nicht mehr in die Bibliothek.“

Der schwarze Magier atmete tief ein und wieder aus. „Ich habe mein ganzes Leben damit verbracht, weiter zu forschen. Mit den bescheidenen Mitteln meiner Erinnerung. Dass ich dabei nicht gänzlich ohne Erfolg war, konntest du ja auf dem Markt in Balsberg oder bei Deiner Befreiung sehen. Aber auch meine Hilfe gegen die Horden aus dem Osten hat an der Haltung der Magier von Filitosa offenbar nichts geändert.“