Warum Frauen oft nicht ernst genommen werden und Männer unfreiwillig Single sind - Stefan Verra - E-Book

Warum Frauen oft nicht ernst genommen werden und Männer unfreiwillig Single sind E-Book

Stefan Verra

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Beschreibung

Wie oft fühlen wir uns ungerecht behandelt: »Warum bekommt er mehr Geld als ich?« – »Warum stehen die Frauen auf ihn – und nicht auf mich?« Schnell haben wir die Schuldigen ausgemacht: die Gesellschaft, die Erziehung, das andere Geschlecht… Oder tragen wir unbewusst vielleicht selbst dazu bei?
Je nach Geschlecht verhalten wir uns nämlich unterschiedlich. Wie wir gehen, wie wir Blickkontakt halten oder in schwierigen Situationen agieren, ist bei Frauen anders als bei Männern. Das Dumme ist nur: Ob wir als kompetent und selbstsicher, sympathisch und vertrauenswürdig empfunden werden oder nicht, das wird durch solche Verhaltensmuster bestimmt. Einiges davon ist angelernt, vieles hat einen evolutionären Hintergrund. Doch was biologisch durchaus sinnvoll ist, kann sich im Umgang miteinander als schwerer Nachteil erweisen – ohne dass wir uns dessen bewusst wären.
Der Körpersprache-Experte Stefan Verra öffnet uns die Augen dafür und zeigt anschaulich, wo die Fallstricke liegen – und wie wir als Frauen oder Männer unser Verhalten so gestalten, dass wir besser ankommen und mehr erreichen in Beruf, Beziehung und Familie.
Mit exklusiven Videoclips!

Die Erstausgabe dieses Buches erschien im Ariston Verlag unter dem Titel »Körpersprache gendert nicht«.

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Seitenzahl: 258

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Zum Buch:

Wie oft fühlen wir uns ungerecht behandelt: »Warum bekommt er mehr Geld als ich?« – »Warum stehen die Frauen auf ihn – und nicht auf mich?« Schnell haben wir die Schuldigen ausgemacht: die Gesellschaft, die Erziehung, das andere Geschlecht… Oder tragen wir unbewusst vielleicht selbst dazu bei?

Je nach Geschlecht verhalten wir uns nämlich unterschiedlich. Wie wir gehen, wie wir Blickkontakt halten oder in schwierigen Situationen agieren, ist bei Frauen anders als bei Männern. Das Dumme ist nur: Ob wir als kompetent und selbstsicher, sympathisch und vertrauenswürdig empfunden werden oder nicht, das wird durch solche Verhaltensmuster bestimmt. Einiges davon ist angelernt, vieles hat einen evolutionären Hintergrund. Doch was biologisch durchaus sinnvoll ist, kann sich im Umgang miteinander als schwerer Nachteil erweisen – ohne dass wir uns dessen bewusst wären.

Der Körpersprache-Experte Stefan Verra öffnet uns die Augen dafür und zeigt anschaulich, wo die Fallstricke liegen – und wie wir als Frauen oder Männer unser Verhalten so gestalten, dass wir besser ankommen und mehr erreichen in Beruf, Beziehung und Familie.

Mit exklusiven Videoclips!

Die Erstausgabe dieses Buches erschien im Ariston Verlag unter dem Titel »Körpersprache gendert nicht«.

Zum Autor:

Stefan Verra, geb. 1973, ist einer der gefragtesten Körpersprache-Experten in Europa. Der in München lebende Österreicher beschäftigt sich seit über 20 Jahren intensiv mit der menschlichen Körpersprache. Der Bestsellerautor und Gastdozent mehrerer Universitäten bringt wissenschaftlich fundiertes Körpersprache-Know-how Organisationen wie der NATO, dem Fraunhofer-Institut sowie MedizinerInnen und JuristInnen näher. Er hält weltweit Vorträge und spricht dabei jährlich vor über 100.000 Menschen. Seine Analysen werden regelmäßig in den Medien publiziert. Über 150.000 Menschen verfolgen seine Körpersprache-Tipps auf Social-Media-Kanälen. Stefan Verra unterstützt mit seinem Wissen Menschen aus dem Autismusspektrum, Hospize und Trans-Menschen.

Stefan Verra

Warum Frauen oft nicht ernst genommen werden

und Männerunfreiwillig Single sind

Unbewusste Signale verstehen – Körpersprache gezielt einsetzen

Mehr erreichen in Beruf, Freizeit, Partnerschaft

Wilhelm Heyne VerlagMünchen

Die Originalausgabe dieses Buches erschien unter dem Titel »Körpersprache gendert nicht. Weibliche und männliche Signale verstehen – und Erfolgsfaktoren gezielt einsetzen« mit der ISBN 978-3-424-20271-7 im Ariston Verlag.

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Aktualisierte Taschenbucherstausgabe 02/2024

© Ariston Verlag 2023

Copyright © 2024 by Wilhelm Heyne Verlag, München,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Redaktion: Bettina Traub, Stuttgart

Fotografien: © Kay Blaschke, München

Umschlaggestaltung: Hauptmann & Kompanie Werbeagentur, Zürich

unter Verwendung eines Fotos von © Kay Blaschke.

Illustration: siehe hier, iStockphoto/Grafissimo

Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering

ISBN: 978-3-641-31934-2V001

www.heyne.de

INHALT

An mir liegt’s nicht! – Doch (auch).

Unterscheiden wir uns überhaupt?

Körpersprache ist universell verständlich

Moderne Zeiten – alte Körpersprache

Weiblich? Männlich? Erkennen wir überall!

Alles nur anerzogen?

Die angeborenen Unterschiede

Wozu Geschlechterzuordnung?

Flirten im Neandertal

Exklusivität in der Partnerwahl ist teuer – ein Rechenmodell

Die Körpersprache ist ein Versprechen

Kulturerrungenschaft

Innere Werte? Nein, in die Körpersprache verlieben wir uns!

Hält er, was er verspricht?

Ein nonverbales Versprechen

Das richtige Geschlecht versprechen

Vermehren und Überleben

Frau & Mann: Spezialisten auf unterschiedlichem Gebiet

Die Körpersprache von Spermien und Eizelle

Den besten Partner herausfiltern – aber wie?

Zappeln lassen

Der Zwang, gewinnen zu wollen

Balzen bis zum Umfallen

Alterseinsamkeit ist männlich

Wo Frauen und Männer zuerst hinsehen

Ein augenscheinliches Geschlechtssignal

Nach diesem Signal suchen Frauen

Ein männlicher Blick

Das Grundprinzip der männlichen Körpersprache

Bart und Muskeln allein versprechen kein Geschlecht

Arme und Ellbogen

Männer und ihre Brust

Warum so breit?

Die Handhaltung der Männlichkeit

Müssen sich Frauen vermännlichen, um nach oben zu kommen?

Der menschliche Gang

Manspreading

Tief und laut

»Ich bekomme kein Gehör im Meeting!«

Machen es Männer besser?

Geschlechtssignale erzeugen Vertrautheit

Weibliche Gendersignale – ein simples Prinzip

Sicherheit vor Aufmerksamkeit

Sozial kompatibler

Der Mann, die große Gefahr

Sexuelle Belästigung

Berührungen …

… aber unzweideutig

Frauen verbinden sich effektiver

»Nur weil ich ein Mann bin!« … »Nur weil ich eine Frau bin!«

»Hilfe! Man sieht es mir sofort an, was ich denke!«

Umgang mit Nervosität

Männermimik zielt auf Sicherheit ab

Männergrippe

Heulende Männer

Machen es Frauen besser?

Das E-Mail-Pingpong – ein Männerspiel

Frauen werden aufgrund ihres Geschlechts bevorzugt?

Müssen Frauen mehr leisten?

Neid unter Frauen

Umgang mit Ablehnung und Niederlage

Männerleistung als Messlatte?

Geschlechtsspezifische Stolperfallen im Beruf

Männerfallen

Frauenfallen

Das schöne sich schön machende Geschlecht

Frauen machen sich älter – und jünger

Zwölf Zentimeter – das Maß der Dinge

Am Handgelenk erkennst du Weiblichkeit

Ein Signal an unverfänglicher Stelle

Die Frauenfaust

»Mein Nein wird nicht ernst genommen!«

Die NN-Regel

Zu hoch wirkt unsicher

Lächelt weniger!

»Immer bleibt die Hausarbeit an mir hängen!«

Weiblicher Territorialkampf

Die Regel der zunehmenden Intensität

Frau und Mann – im Team erfolgreicher

Topweibchen haben’s schwer – mittelprächtige Männchen auch

Kein Stress, meine Damen!

Kein Stress, meine Herren!

Ideologie reduziert Vielfalt

Warum leben wir nicht mit dem eigenen Geschlecht zusammen?

Männlich, weiblich, divers

Zwei Geschlechter – oder mehr?

Transsexuell – das biologische Geschlecht

Transgender – das soziale Geschlecht

Sexuelle Orientierung

Wohin entwickeln wir uns?

Quellen

An mir liegt’s nicht! – Doch (auch).

»Zum dritten Mal: Lasst eure Schultaschen nicht immer im Flur rumliegen!!« Es ist zum Haare raufen! Egal wie oft man es sagt, sie hören einfach nicht. Aber kaum kommt Papa nach Hause, folgen die Kinder sofort! Bei ihm klappt es, aber warum werde ich als Mutter nicht ernst genommen?

Im Meeting bekommt man kein Gehör, im Freundeskreis wird man scheinbar ignoriert und beim Brainstorming regelmäßig überhört. Kann es sein, dass das Frauen öfter passiert als Männern? Werden Männer einfach ernster genommen? Doch wie erklären sich dann die vielen Frauen, die sehr wohl Aufmerksamkeit bekommen? Man muss gar nicht an Michelle Obama, Oprah Winfrey, Giorgia Meloni oder Angela Merkel denken. Die vielen Ärztinnen, die hohes Ansehen bei ihren Patienten genießen, die Lehrerinnen, die eine ganze Schulklasse gekonnt leiten oder die weibliche Führungskraft, die sich auch in der Männerwelt durchsetzt. Das sind alltägliche Beispiele, die gerne übersehen –oder soll ich sagen ignoriert – werden. Warum? Weil es so bequem ist, zu sagen: An mir liegt‘s nicht!

Dabei sind diese Frauen nicht besser gebildet oder haben bessere Beziehungen als jene, die sich schwer tun mit dem Durchsetzen. Nein, ihr Geheimnis ist ihre Wirkung. Sie gehen gekonnter mit ihren nonverbalen Signalen um. Denn am Blick, an der Haltung und der richtigen Gestik zeigt sich, ob jemand ernst zu nehmen ist oder nicht. Und das steht Frauen genauso zur Verfügung wie Männern. Was oft fehlt ist das »gewusst wie«.

Auch Männer machen die Erfahrung benachteiligt zu werden: »Frauen manchen sich nur lustig über mich. Sie lassen sich von mir ausführen, um mich dann doch fallen zu lassen wie eine heiße Kartoffel. In der Firmenkantine habe ich letztens gehört, wie drei Kolleginnen über mich gekichert haben.« »Frauen wird häufig der Vorzug gegeben. Sie bekommen jeden Job. Warum? Na, weil sie eben Frauen sind!« Männer fühlen sich auch benachteiligt, nur hört man seltener davon. Aus gutem Grund, wie Sie in diesem Buch erfahren werden. Natürlich betrifft das nicht die Männer, die den Chefparkplatz in der Firma belegen und von dort mit dem dicken Auto und der Blondine auf dem Beifahrersitz ins schicke Eigenheim fahren. Die haben einen Weg gefunden, wie sie sich Vorteile verschaffen. Vielmehr geht es um die, die im Stillen leiden. Auch ihnen fehlt das Bewusstsein für ihre eigene Körpersprache. Der allzu breite Stand, das unangenehme vor sich hin Grummeln, der stierende Blick lösen unweigerlich Gefühle aus. Und die sind selten positiv. Aber genau das ist oft der Grund, weshalb sie im Beruf übergangen werden und bei der Partnersuche auf Ablehnung stoßen. Ihre Welterklärung klingt ähnlich: An mir liegt’s nicht!

Immer wenn Menschen grundsätzlich dem Geschlecht »die Schuld« für ihre Misere geben, wird es verdächtig. Warum? Weil wir mit unserem Verhalten weit mehr beeinflussen als mit unserer Geschlechtszugehörigkeit. Es ist uns nur leider nicht bewusst, weil wir unser nonverbales Verhalten nahezu nie bemerken. Da unsere Augen nach außen gerichtet sind, nehmen wir die schiefen Blicke, die strengen Stirnfalten oder die kalten Schultern bei anderen wohl wahr. Aber unsere eigene Körpersprache bleibt uns verborgen. Dabei war sie es, die die kalte Schulter erst ausgelöst hat.

Mit einfachen Tipps und lebensnahen Beispielen werden Sie lernen, dass in Ihrer Körpersprache weit mehr Kraft und auch Macht liegt als Sie glauben. Sie werden lernen, bewusster damit umzugehen und so bessere Ergebnisse erzielen. Damit wird nicht jede Ungerechtigkeit aus Ihrem Leben verschwinden. Aber Sie werden erkennen, dass es an Ihnen selbst liegt, ob die Kollegen Ihnen Gehör schenken und Sie ernst genommen werden. Und ob Ihre Kinder den Schulranzen endlich aufräu-men.

Ein Gendersternchen reicht nicht

Gendersternchen, Genderdoppelpunkt, Genderschrägstrich – ein Thema, über das sich viele Menschen mit Begeisterung aufregen. Die Befürworter halten es für einen unumgänglichen Schritt zur Gleichstellung, die Gegner empfinden es als Sprachverhunzung. Diese Diskussion führen wir nun seit vielen Jahrzehnten: 1960 wurde der Schrägstrich (Lehrer/innen) erfunden. In den 1980ern folgten das Binnen-I (LehrerInnen)1, irgendwann kam der Doppelpunkt (Lehrer:innen), und vor wenigen Jahren setzte sich das Gendersternchen durch – eigentlich ein Internet-Suchmaschinenbefehl. Seit mindestens 60 Jahren also betrachten viele die verbale Sprache als den Schlüssel zur Gleichbehandlung.

Und doch ist das sprachliche Gendern in vielen Fällen nicht viel mehr als ein Feigenblatt. Denn in der Realität ist es in vielen Situationen mit der Chancengleichheit nicht weit her. Und zwar für Frauen und für Männer.

Stimmt schon, die Firma, die etwas auf sich hält, stellt eine Genderbeauftragte (meist weiblich) ein und hat damit eine weiße Weste. Im Vorstands-Meeting hat diese Kollegin allerdings einen schweren Stand, sich gegen den Vorwurf der angeblichen Sprachverhunzung durch das Gendersternchen zu verteidigen. Kein Wunder, der Vorstand besteht ja hauptsächlich aus Männern, die dann wiederum ihrerseits zu Hause kritisiert werden, weil sie in Sachen Kindererziehung angeblich keinen Plan haben.

Merken wir eigentlich nicht, dass wir uns auf einem Nebengleis bewegen? Da echauffiert sich die Intelligentia darüber, dass der Genderschrägstrich aus Frauen ein Anhängsel der Männer macht, an der WC-Tür das Diversity-Zeichen fehlt und das Binnen-I nicht alle gefühlten Geschlechter involviert. Und gleichzeitig reden viele vom Auflösen der Geschlechterrollen – »wir sind doch schließlich alle Menschen«. Aber wehe, Sie sprechen jemanden mit dem falschen Pronomen an.

So kann man sich das Wasser auch abgraben! Deswegen ist der Frauenanteil in Vorständen trotzdem nicht höher, bleibt die Hausarbeit unverändert zu 80 Prozent bei den Frauen hängen2und haben Männer mit wenig Bildung und geringem sozialem Status bei Frauen wenig Chancen.3

»Aha, wieder einer, der die Gleichstellung ablehnt!«, könnte jetzt mancher ausrufen. Papperlapapp, denn genau damit wird jede Weiterentwicklung abgewürgt. Das Gegenteil ist nämlich der Fall!

Gleich vorweg: Ich unterstütze das sprachliche Gendern voll und ganz. Vielleicht hat man noch nicht für jede sprachliche Situation die passende Wendung gefunden, vielleicht holpert es manchmal noch. Und vielleicht müssen wir uns einfach auch noch ein wenig daran gewöhnen. Aber der Sinnhaftigkeit tut das keinen Abbruch. Denn das Geschlecht eines Wortes hat eine Auswirkung auf unser Weltbild: »Wissenschaftler haben herausgefunden …« Die meisten Menschen werden dabei unbewusst an Männer denken. Während wir umgekehrt bei dem Satz »Wissenschaftlerinnen haben herausgefunden …« sofort weibliche Forscher im Kopf haben. Es braucht ein Sprachbild, das genderneutral ist und nicht eines, das Überraschung hervorruft, wenn der Wissenschaftler dann doch eine Frau ist.

Und doch ist die Fokussierung auf die Sprache ein allzu bequemes Nebenthema. Weiterhin bestehen Unmengen an geschlechterspezifischen Ungerechtigkeiten, die statistisch gut belegt sind: Jobchancen, Gehälterdifferenzen, Familienerhalt, unfaire Arbeitsaufteilungen. Da sind Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft gefragt.

Außerdem gibt es gefühlte Ungerechtigkeiten, die einem widerfahren. Situationen, in denen man es vielleicht nicht genau benennen kann und doch den Eindruck hat, dass etwas in Schieflage ist.

Nachweisliche oder gefühlte Ungerechtigkeit – beides schmerzt gleichermaßen. Und wer hat’s verbockt? Die Antwort liegt doch auf der Hand: das jeweils andere Geschlecht natürlich! Auf Social Media oder bei Kneipengesprächen zu erfahren, ganz zu schweigen von den Feuilletons der Qualitätsmedien, wo so manche Autoren und Autorinnen diese Sichtweise untermauern. Offensichtlich wird man nur aus einem Grund ungerecht behandelt: Man hat eben – leider, leider – ein X-Chromosom zu viel oder ein Y-Chromosom zu wenig. Echt jetzt? Und wir selber? Haben wir zu solchen Ungerechtigkeiten so ganz und gar nix beigetragen?

Sie merken schon, das wird hier keine Gendersternchen-Selbsthilfegruppe, wo am Ende herauskommt, dass wir die Opfer sind und sich alle gegen uns verschworen haben. Das mag manchmal zutreffen, entscheidend ist jedoch, dass uns eine derartige Denkweise nicht weiterbringt!

Die Ursache liegt nicht im Verbalen, sie liegt an den nonverbalen Signalen, die ein Mensch aussendet. Kleine Signale entscheiden darüber, ob Sie als kompetent und selbstsicher, als sympathisch und vertrauenswürdig eingeschätzt werden. Oder eben nicht. Und hier unterscheiden sich die Geschlechter. Da die meisten Menschen über diese Signale wenig Bescheid wissen, greifen sie auf das zurück, was sie aus der Verantwortung nimmt: Schuld sind die anderen, vor allem das andere Geschlecht!

Ab jetzt nicht mehr! Ich möchte Ihnen vor Augen führen, wie stark die geschlechtsspezifische Körpersprache zu Ihrem Lebenserfolg und zu Ihrem Lebensglück beiträgt. Frauen und Männer unterscheiden sich darin, wie sie an der Supermarktkasse anstehen, ein Telefon halten, beim Gehen die Arme schwingen, die Faust ballen, wenn ihnen etwas gegen den Strich geht, oder von einem Stuhl aufstehen. Sie unterscheiden sich selbst darin, an welchen Körperstellen sie sich beim Zuhören am liebsten anfassen.

Und gerade weil wir uns in unserer Körpersprache so unterschiedlich verhalten, werden wir in bestimmten Situationen unterschiedlich behandelt. Manchmal zu unserem Vorteil, manchmal mit haarsträubenden Nachteilen für das jeweilige Geschlecht. Besser also, darüber Bescheid zu wissen!4

Klischees und Stereotype

An manchen Stellen dieses Buches werden Sie vielleicht denken »Das ist doch alles Klischee!« oder »Ich mache das aber nie!« Dann geht es Ihnen wie mir. Nicht jeder Mensch nutzt jedes einzelne dieser Signale. Dafür bin ich das beste Beispiel. Mit 1,60 Meter Körpergröße, Mimikspiel wie ein ganzer Jahrmarktzirkus gemischt mit italienischer Gestik, passe ich schon mal gar nicht in das stereotype Bild von »Mann«. Und doch weiß ich, dass eine große Anzahl der männlichen Signale in meiner Körpersprache zu beobachten ist.

Mein Tipp vorab: Lassen Sie sich nicht irritieren, weil das eine oder andere Signal nicht in Ihrem Repertoire vorkommt. Konzentrieren Sie sich auf das, was Sie betrifft. Vielleicht sprechen wir an manchen Stellen gar nicht über Sie, sondern über die Menschen, mit denen Sie zu tun haben. Wenn Sie mit offenen Augen durch die Welt gehen, werden Sie sehen, wie oft sich diese Klischees und Stereotype bewahrheiten.

Vielleicht tauchen an bestimmten Stellen des Buches Menschen vor Ihrem geistigen Auge auf, die genau, aber haargenau das Gegenteil von dem tun, was Sie gerade lesen. Dann halten Sie kurz inne und überprüfen Sie, ob Ihnen diese Gegenbeispiele vielleicht deswegen so auffallen, weil sie aus der Reihe herausstechen. Im Alltag sehen wir gerne mal die Ausnahme und übersehen die Regel. Der schwarze Storch prägt sich unter all den weißen Störchen einfach stärker ein. Und doch ist es kein Beleg dafür, dass die meisten Störche schwarz wären.

Gendern im Buch

Liebe Leserin, lieber Leser, ob Sie als Chefin oder Chef, Hausfrau/-mann oder einfach als Interessierter oder Interessierte dieses Buch lesen, jeder/e wird seinen/ihren Nutzen daraus ziehen. Die geschlechtsspezifische Körpersprache ist allgegenwärtig – ob im Gespräch mit dem Bäcker/der Bäckerin, dem/der Nachbar:in, mit dem/der Freund/ Freundin.

Ich habe deswegen bewusst zahlreiche Alltagsbeispiele gewählt und sie teilweise aus weiblicher und männlicher Perspektive beschrieben. Viele dieser Beispiele können Sie im Geiste auch geschlechtlich umdrehen. So habe ich versucht, jedem/ jeder LeserIn die Möglichkeit zu geben, sich darin wiederzufinden.

Wie Sie an diesen Zeilen sehen, wäre es bei durchgängigem sprachlichem Gendern schwer, im Lesefluss zu bleiben. Ich hatte auch die Idee, das Buch ganz in der weiblichen Form zu schreiben – was aber vom eigentlichen Thema so stark abgelenkt hätte, dass ich auf all das bewusst verzichtet habe. Wir überlassen die Diskussion über das sprachliche Gendern vorerst anderen und kümmern uns um die Körpersprache.

Unterscheiden wir uns überhaupt?

Körpersprache ist universell verständlich

In der geschriebenen und gesprochenen Sprache können wir männlich und weiblich leicht unterscheiden – zumindest in der deutschen. Nehmen wir den Artikel der/die/das, vielleicht noch die Endung, und schon ist das Geschlecht nicht nur definiert, es ist auch einzementiert. Ist ein Begriff nicht sächlich, ist er entweder weiblich oder männlich: die Sonne, der Mond, die Säge, der Hammer. So mancher mag da auf die andere Hälfte der Sprachen dieser Welt schauen, die keine Geschlechtszuordnung haben wie Finnisch, Thai, Bengali oder Englisch, zum Beispiel: the sun, the moon, the saw, the hammer.5

In der Sprache, die unser Körper spricht, gestaltet sich das Ganze vielschichtiger. Wir müssen uns zuerst klarmachen, dass sich die menschliche Körpersprache nicht ländertypisch zuordnen lässt. Lassen Sie sich nicht irritieren, wenn Ihnen einige Boulevardmedien und zweifelhafte Youtube-Kanäle weismachen wollen, dass Sie vor einem Auslandsaufenthalt die »dortige« Körpersprache erlernen müssten. Es gibt keine eigene europäische, afrikanische oder chinesische Körpersprache. Wir unterscheiden uns wohl in bestimmten Ritualen wie Begrüßungen oder Essgewohnheiten, und so manche Geste aus anderen Kulturen ist für uns unverständlich. Aber diese spezifischen Signale sind im Zusammenleben der Menschen relativ unbedeutend. Viel wichtiger ist die Emotion, die Gesinnung, die sich dahinter verbirgt, und die verstehen wir weltweit. Über Donald Trumps Handshakes kann man deswegen kulturübergreifend hitzig diskutieren, weil seine Körpersprache überall ähnlich polarisierende Emotionen auslöst. Das Gleiche gilt für die Mimik des Dalai Lama. Einfach gesagt, mag uns ein Begrüßungsritual vielleicht fremd sein, aber wir erkennen immer, ob es freundlich, arrogant oder liebevoll gemeint ist.6 Diese kulturspezifischen Gesten sind also nicht viel mehr als die Zuckerstreusel auf einem Kuchen – sieht hübsch aus, verändert aber kaum etwas am Geschmack des Kuchens.

Und die geschlechtstypische Körpersprache? Ist sie auch nur eine Verzierung, die sich von Kultur zu Kultur unterscheidet? Oder sind die Signale von Frau und Mann überall die gleichen?

Moderne Zeiten – alte Körpersprache

Die Körpersprache ist universell verständlich, was daher rührt, dass sie sehr alt ist. Es klingt paradox, aber die menschliche Körpersprache ist älter als der Mensch selbst. Lange bevor es den modernen Menschen gab, hatten diese Signale bereits existiert: das Senken des Schädels bei Unterlegenheit, das Aufplustern bei Dominanz. Annäherungssignale und selbst Aggression und Erschrecken finden eine Entsprechung bei Mensch und Tier. Den Unterschied macht oft nur, wie intensiv wir einzelne Muskeln bewegen können. Auf der einen Seite hat die menschliche Mimik durch ihre feinen Muskeln eine größere Vielfalt entwickelt. Auf der anderen Seite haben sich bestimmte Muskeln zurückgebildet oder sind ganz verloren gegangen. Unsere Ohren können wir nicht mehr als mimisches Signal einsetzen wie beispielsweise der Hund, der seine Lauscher hebt, dreht und senkt. Wir müssen mit unseren Händen eine Muschel formen, um Zuhören zu signalisieren, oder mit beiden Händen die Ohren zuhalten, um zu verdeutlichen, dass wir nichts mehr hören wollen. Ebenso können wir unsere Kopfhaut nicht mehr nach vorn ziehen, um unsere Federn am Kopf aufzustellen, wenn wir vor Zorn beben. Wir bewegen zwar die Augenbrauen und damit die Kopfhaut, aber unsere Frisur stellt sich dabei nicht bedrohlich auf. Dennoch hoffen wir, mit dieser Minimalversion wenigstens ein bisschen furchteinflößend auszusehen. Demnach haben unsere gemeinsamen tierischen Vorfahren schon ähnlich körpersprachlich kommuniziert, und genauso früh können wir auch den Beginn der geschlechtsspezifischen Signale festsetzen.

Weiblich? Männlich? Erkennen wir überall!

Körpersprache ist die einzige Lingua franca, also die einzige Sprache, die überall verstanden wird. Damit hinkt der Vergleich der Körpersprache mit dem gesprochenen Wort eindeutig. Sprachlich stoßen wir schnell an Grenzen, wenn wir ins Ausland reisen. Aber ob Mann oder Frau uns gegenüberstehen, müssen wir nur in Ausnahmefällen »überprüfen«. Egal, in welchem Land wir uns befinden. Denken Sie an Film- oder Social-Media-Stars. Die spielen mit ihrer Weiblich- beziehungsweise Männlichkeit, und jeder versteht’s, weil die geschlechtsspezifischen Signale weltweit die gleichen sind.

Alles nur anerzogen?

Aber Moment! Das bedarf nun doch einer genaueren Überprüfung: Unterscheidet sich unsere Körpersprache tatsächlich nach Geschlecht? Gibt es da eine eindeutige Zuordnung von Signalen? Gibt es Gesten, die angeboren weiblich sind, Haltungen, die nur Männer zeigen? Gibt es analog zur gesprochenen Sprache Signale oder Zeichen, anhand derer man eindeutig sagen kann: Das ist ein Mann beziehungsweise das ist eine Frau? Oder sind Frauen und Männer in ihrer Körpersprache identisch, und alles, was es an körpersprachlichen Unterschieden gibt, ist nur anerzogen? Wenn wir also endlich aufhören, unsere Kinder geschlechtsspezifisch zu erziehen, werden wir dann alle die gleiche Körpersprache haben? Oder liegt es vielleicht gar nicht an den Eltern, sondern an der Gesellschaft? Sind geschlechtsspezifische Signale von Mimik und Gestik eine Erfindung von Ewiggestrigen, um Frauen kleinzuhalten und Männer weiterhin Männer sein zu lassen? Also nichts, was man nicht mit ein wenig Wokeness hinbekommen würde?

Gleich vorweg: Es gibt keine Signale, die genuin weiblich beziehungsweise männlich wären.

Manche von Ihnen werden vielleicht einwenden: »Blödsinn, jeder erkennt doch Frauen blitzschnell an der Körperhaltung! Die, die mit weit gespreizten Beinen dasitzen, die sind es nicht.« Tatsächlich erkennen wir in der Straßenbahn, im Firmen-Meeting, an der Kassenschlange – eigentlich überall –, ob wir es mit einem Mann oder einer Frau zu tun haben. Aber lassen Sie sich nicht irritieren von Signalen, die sie als weiblich empfinden oder als männlich einordnen. Denn von Natur aus gibt es nur minimale körperliche Unterschiede zwischen Mann und Frau, die sich körpersprachlich auswirken.

Menschenweibchen haben keinen Beutel wie Känguruweibchen, Männer tragen kein Geweih, keinen Hahnenkamm und keine Straußenfedern. Bis auf die primären Geschlechtsmerkmale, also jene, die wir zur Fortpflanzung brauchen, sind die Unterschiede auf den ersten Blick äußerst gering. Jedenfalls so gering, dass sie uns körperlich nicht daran hindern würden, genauso zu agieren, als wären wir das andere Geschlecht.

Die angeborenen Unterschiede

Grundsätzlich sind es mehrere Faktoren, die Einfluss auf die Unterschiede haben, die wir im Alltag beobachten können.

Beweglichkeit

Wenn ich in Seminaren übers Beine-übereinander-Schlagen spreche, gibt es nur wenige Frauen, die das anatomisch nicht schaffen. Sie sind in der Regel gelenkiger als Männer, haben mehr Bewegungsradius zur Verfügung und somit kein Problem, ein Bein über das Knie des anderen Beins zu legen.7 Für einige Männer ist das nicht ohne Weiteres möglich. Sie schaffen es gerade mal, das Fußgelenk des einen Beins auf das Knie des anderen zu legen, einfach weil es schwierig ist, ihr Hüftgelenk entsprechend zu drehen. Oder: Wenn Frauen einen Pullover ausziehen, werden beide Arme vor dem Rumpf überkreuzt, die jeweils gegenüberliegende Hand greift den Bund des Pullovers, und sie ziehen ihn dann über den Oberkörper zum Kopf hin. Wenn Sie Ihren Mann nicht zu SM-Spielchen überreden können, bitten Sie ihn, auf diese Weise den Pullover auszuziehen. Nach etwa 20 Sekunden befindet er sich in einer Zwangsjacke. Sie können dann mit ihm anstellen, was! Sie! wollen! Männer ziehen das Oberteil üblicherweise an der Nackenpartie über den Kopf. Oder: Beobachten Sie, wie sich Frauen und Männer bewegen. Frauen gehen schwungvoller. Das konnte in mehreren Studien belegt werden.8 Becken und Arme schwingen mehr, während Männer etwas steifer gehen. Die Gründe dafür erfahren Sie noch. Diese größere Gelenkigkeit hat zur Folge, dass die gleiche Bewegung bei Mann und Frau unterschiedlich aussieht.

Muskulatur

Männer haben deutlich mehr Muskelmasse.9 Wenn Sie sich einen Arnold Schwarzenegger vorstellen, wie er mit ausgestellten Armen, steifem Nacken und breitem Gang daherstapft, dann haben Sie eine Vorstellung davon, wie ein großer Muskelquerschnitt die Körpersprache beeinflusst. Ein klein wenig spüren Sie das, wenn Sie jemandem beim Umzug geholfen haben. Nachdem Sie einen Tag lang Möbel und Kisten geschleppt haben, bewegen auch Sie sich etwas steifer.

Hormonhaushalt

Hormone wirken sich auf unser Bindungs- und Aktivitätsbedürfnis aus, sie sind der Auslöser unserer Ungeduld und Aggressivität, um nur zwei Faktoren zu nennen. Wenn also manche Gesten und Haltungen verbindlicher oder aggressiver wirken, kommt der darunterliegende Hormonzustand zum Ausdruck. Einen großen Einfluss auf unseren Körper hat das Testosteron. Beim Mann ist deutlich mehr davon vorhanden als bei der Frau, bis zum Faktor 1 zu 500. Wenn also 500-mal mehr von diesem ausschlaggebenden Hormon im männlichen Körper vorhanden ist, können wir nicht so einfach sagen: »Mit ein bisschen genderneutraler Erziehung applanieren wir diese Ungleichheit.« Östrogen, Progesteron und Östradiol beeinflussen ebenfalls das Verhalten, in diesem Fall das weibliche.10

Gehirnentwicklung

Bis zur achten Schwangerschaftswoche sind wir alle gleich. Jungs, haltet euch fest: Bis dahin sind wir alle weiblich. Dann bekommen wir einen Testosteron-Shot, der unser Gehirn, nun ja, wie soll ich sagen, in der Entwicklung etwas hemmt. Nein, nicht alle Teile. Aber bestimmte Kommunikationszentren geben ihre Entwicklung etwas zugunsten von Aktivitätszentren auf. Während bei Mädels diese Zentren munter weiterwachsen. Das wird uns noch mehrfach begegnen. Denn »aktiv« beziehungsweise »kommunikativ« zeigt sich unterschiedlich in der Körpersprache.

Körpergröße

Auch die Körpergröße kann eine Rolle dabei spielen, dass sich Männer und Frauen nicht identisch bewegen und gleiche Körpersprachesignale unterschiedlich wahrgenommen werden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die physischen Unterschiede zwischen Frauen und Männern existieren, jedoch überschaubar sind. Eigentlich sind sie zu gering, um verlässliche Aussagen in Bezug auf das Geschlecht zu treffen, und zu Beginn unseres Lebens ist die Gefahr, sich zu irren, sogar besonders groß.

Wozu Geschlechterzuordnung?

Das ganze Dilemma mit der geschlechtsspezifischen Körpersprache geht schon sehr früh los. Um genau zu sein: spätestens mit der Geburt, denn ab da weiß niemand so recht, ob Junge oder Mädchen. Besuchen Sie mal eine Wochenstation und tippen Sie auf das Geschlecht bei den Neugeborenen. Ihre Fehlerquote wird bei ziemlich genau 50 Prozent liegen. Wir müssen den Kleinen tatsächlich an die Windel, um herauszufinden, ob dort die zukünftige Renée Zellweger oder der neue Leonardo DiCaprio liegt. Sie denken, bei den Kleinen ist das völlig egal? Haben Sie schon mal beim Blick in einen Babywagen begeistert gerufen: »Jaaa, ist der lieb!« Worauf die Eltern das Kinn ruckartig emporgereckt, die Augenbraue gehoben (nur eine!) und kurz angebunden »Sie ist ein Mädchen!« zwischen den Lippen hervorgepresst haben? Diese Peinlichkeit – man kennt sie! Wissen Sie denn überhaupt, was Eltern für einen Aufwand betreiben, um allen, die das Kind nicht persönlich kennen, klarzumachen, ob es sich um einen Jungen oder ein Mädchen handelt? Sobald der Kinderarzt im Ultraschall das Geschlecht festgestellt hat, geht Papa in den Baumarkt und kauft die heute bei uns übliche Codefarbe Himmelblau beziehungsweise Babyrosa, um dem neuen Kinderzimmer den richtigen Anstrich zu geben. Immer zarte Töne, man will bei der Brut nicht gleich mit Nachtblau oder Stierblutrot das junge Seelchen aus dem Gleichgewicht bringen. Und wehe, der Ultraschall lügt. Dann klingelt beim Baumarkt zum zweiten Mal die Kasse. In manchen Gegenden der USA und mittlerweile auch in europäischen Influencer-Haushalten werden Gender-Reveal-Partys geschmissen. Mit dabei eine Rauchbombe, die, wieder farblich codiert, allen in der Nachbarschaft das entsprechende Geschlecht in die Lüftungsanlagen bläst und damit päpstlich verkündet: Habemus filia. Ach ja, ehe ich’s vergesse: Babykleidung, ganz wichtig! Wehe, der Sohn füllt die erste Windel im Strampler mit Schlüsselblumenmuster. Wenn, bitte nur mit Schraubenschlüssel. In manchen Kulturen wird kleinen Mädchen ziemlich bald nach der Geburt das erste Piercing verpasst. In die Ohren, also an gut sichtbarer Stelle, damit die Menschen beim Blick in den Kinderwagen genau wissen, dass es sich um eine sehr junge Dame handelt.

Sie denken die ganze Zeit: Sind wir da nicht endlich weiter? Haben wir das Ding mit den Geschlechtern wirklich nötig? Wieso fragen Sie mich? Sie sitzen doch da mit langem Haar, Schmuck und Mascara. Nein? Sie nicht? Dann tragen Sie wahrscheinlich Bart und eine große Uhr. Also, Sie merken schon, wir kommen nicht umhin, uns nach außen klar zu deklarieren.

Aber mal ehrlich, warum ist es nicht völlig egal, ob es sich um ein Mädchen oder einen Jungen handelt? Schließlich gehen sie in den gleichen Kindergarten, die gleiche Schule, und im Job arbeiten sie auch nebeneinander. Wer braucht da einen Unterschied zwischen den Geschlechtern?

Ja, so gesehen brauchen wir ihn wirklich nicht. Aber für eine bestimmte Sache brauchen wir ihn doch: für die Fortpflanzung. Wer nämlich erst im Ehebett verrät, zu welchem Geschlecht er gehört, hat eine zu hohe Reproduktionsfehlerquote.

Flirten im Neandertal

Damals, vor Zehntausenden von Jahren, war die Erde dünn besiedelt, und es lebten um die 48 Millionen Menschen.11 So viele Einwohner hat heute allein eine Stadt, nämlich Tokio mit Umgebung. Aktuell leben 200-mal so viele Menschen auf dem Planeten. Ich weiß, diese Zahlen sind sehr abstrakt.

Stellen Sie sich vor, Sie lehnen allein an einem Bartresen irgendwo im Neandertal. Stimmung eher Edward-Hopper-mäßig. Einsam. Sehr einsam. Vielleicht kam zufällig mal jemand vorbei, aber das war’s schon. Dieselbe Bar ist heute völlig überfüllt, es stehen nämlich 200 (!) Menschen dicht gedrängt mit Ihnen am Tresen. Das soll Ihnen eine Idee vermitteln, wie unterschiedlich das Zusammenleben damals und heute war. Mit anderen Gemeinschaften gab es selten Kontakt. Klar, hat es damals auch schon Handels- und Wanderrouten gegeben. Nachdem sich aber Tank- und Raststationen für heimliche Datings damals noch nicht wirklich durchgesetzt hatten, waren die Treffpunkte eher zufällig. Die Partnersuche – und das können wir uns nur schwer vorstellen – war nicht so easy peasy wie heute. Mal eben in einen Club gehen und aus Hunderten von Männlein und Weiblein auswählen zu können, die obendrein nicht aus der eigenen Familie stammen und damit Inzucht ausschließen – das hätten die Steinzeit-Menschen wohl auch gerne gehabt.

Ich sollte an dieser Stelle erklären, dass ich Neandertaler und Säbelzahntiger des Öfteren erwähne. Sie sind das Synonym für die lange Entwicklungsgeschichte des Menschen und seiner Vorfahren. Ich meine niemals die Neandertaler beziehungsweise Säbelzahntiger im Besonderen. Ich rufe damit in Erinnerung, dass das meiste, auch das Geschlechtsspezifische in der Körpersprache, sehr, sehr, sehr alt und genetisch festgeschrieben ist. Wir denken nicht in Jahrhunderten, sondern in Jahrtausenden – manchmal sogar in Jahrhunderttausenden. Denn es braucht verdammt lang, bis sich das menschliche Verhalten nachhaltig ändert. Da kann nicht mal Alice Schwarzer selektiv ein paar Elemente ausschalten. Und die war jetzt auch nur ein Synonym.

Steinzeitromantik

Wenn wir schon bei den Neandertalern sind, dann bleiben wir gleich dort und stellen uns vor, wie sie ihre Abende verbracht haben. Rund ums Lagerfeuer, alle gemeinsam. Was die damals wahrscheinlich auch wussten: Hier kann man gut auf Aufriss gehen, denn Feuerlicht verleiht einen vorteilhaften Hautton.