Warum ich schreibe und nicht schweige, obwohl ich nicht schreiben kann - Wilfried Kriese - E-Book

Warum ich schreibe und nicht schweige, obwohl ich nicht schreiben kann E-Book

Wilfried Kriese

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Beschreibung

Schweigen lag Wilfried Kriese noch nie so richtig. Und das obwohl er sprach- und lernbehindert war und Legastheniker ist. Sein Leben war von frühester Kindheit an von Ausgrenzung und Diskriminierung gekennzeichnet. Die Lebenserfahrungen prägten ihn so stark, dass er einfach nicht in der Masse der Gesellschaft verstummen wollte. Deshalb griff er schon als junger Mann zum Stift, um in seiner Sprache gegen gesellschaftliche Vorurteile, Ausgrenzung und Diskriminierung anzukämpfen. Im Jahr 2002 verwirklichte er sich seinen Traum, ein eigenes Magazin herauszubringen und hob den Mauerbruch, das Buchmagazin für Gesellschafts- und Randgruppenthemen, aus der Taufe. In diesem Buch sind alle Beiträge von Wilfried Kriese, die er während eines Jahrzehnts im Mauerbruch veröffentlicht hat, vereint. Sie zeigen einen Querschnitt seines literarischen Schaffens, das nicht nur unterhält, sondern auch die Sinne für Randgruppenthemen, Ausgrenzung und Diskriminierung schärft. Dabei spiegeln die Texte auf eindrucksvolle Weise die Gefühls- und Gedankenwelt des Autors über Eliten, Lebenskrisen, Europa, Religionen, Computerspiele, Medien, den eigenen Schwächen und Stärken, usw. wieder.

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Warum ich schreibe und nicht schweige, obwohl ich nicht schreiben kann

Vorwort Endlich volljährig Die Moral der zehn Gebote Stellen Sie sich vor Sie wären Verleger... Holprige Wege zum Verleger Oh Schreck Europa Das Märchen von der Elite oder was bin ich? Gehöre ich zur Elite? Die Krise-Chancen-Methode Machen Computerspiele intelligent oder doof? Impressum

Vorwort

Wilfried Kriese

Warum ich schreibe

und nicht schweige,

obwohl ich nicht schreiben kann

Von einem Legastheniker, der nicht einmal das ABC kann?!

Mauer Verlag

Wilfried Kriese

72108 Rottenburg a/N

Buchgestaltung: Wilfried Kriese

Titelbildgestaltung: Wilfried Kriese

Tafel: Creativ Collection

Edition Wilfried Kriese 2018

Erstveröffentlichung 2011

Alle Rechte vorbehalten

www.mauerverlag.de

www.wilfried-kriese.de

Schweigen lag mir noch nie so richtig und dass, obwohl ich erst während meiner Jugend richtig sprechen lernte. Als Kind konnte ich meinen eigenen Namen nicht richtig aussprechen; ich sagte „Wiffied“ anstatt „Wilfried“. Bis zu meinem 11. Lebensjahr konnte ich Wörter wie „Geburtstag“ nur schwer verständlich sagen. So kam es, dass für mich jemand nicht „Geburtstag“ hatte, sondern „Gebupap“. Dass dies in meinem Umfeld oft zu Belustigung führte, brauche ich wahrscheinlich kaum zu erwähnen.

Na ja, und das Schreiben fiel mir auch nicht gerade in den Schoß und das schulgerechte Schreiben schon dreimal nicht. Damit stand ich geradezu auf Kriegsfuß. Trotz größter Mühe beim Diktat blendeten mich die mit roten Korrekturstellen übersäten Seiten dermaßen, dass ich schon fast blind wurde gegenüber meiner Muttersprache. Das führte dazu, dass ich das Schule schwänzen besonders durch den Deutschunterricht lernte.

Meine beiden Handicaps entsprangen einem Schock, den ich als zweijähriges Kind erlebte, weil mein Vater an den Spätfolgen seiner Kriegsverletzungen starb. Dieses traumatische Erlebnis sollte auch meine weitere Entwicklung beeinträchtigen. Von der damaligen Schulmedizin und pädagogischen Sichtweise wurde ich nicht als ein Kind eingestuft, das in seiner Entwicklung zurückgeblieben war, sondern als geistig behindert und verhaltensgestört abgestempelt. Dazu kam dann auch noch, das bei mir Legasthenie diagnostiziert wurde.

Für viele Fachleute war sonnenklar, dass ich ein hoffnungsloser Fall war und in eine Einrichtung für geistig Behinderte gehörte. Doch diese Auffassung teilte Gott sei Dank meine Mutter in keiner Weise und setzte alles daran, dass dies nicht geschah.

So kam es, dass ich nicht in eine Anstalt abgeschoben wurde, sondern in die Sonderschule für Lernbehinderte gehen durfte. Dort hatte ich für die damalige Zeit sehr moderne und engagierte Lehrer, die es im Laufe der Jahre verstanden, mich richtig zu fordern und zu fördern. Darum habe ich, obwohl ich meine ganze Schulzeit über ausschließlich Sonderschulen besuchte, viel mehr im Leben erreicht als manch einer mir zugetraut hätte.

Da es den Rahmen dieses Buches sprengen würde, näher auf meinen weiteren Lebensverlauf einzugehen, möchte ich an dieser Stelle auf meine Autobiografie „Halbzeit - die eigenen Schwächen zu Stärken machen“ und auch auf mein Buch „Jeder möchte doch in seinem Leben eine Mauer niederreissen“ hinweisen.

Fakt ist, dass ich durch meinen eigenen Bildungsweg das wurde, was ich heute bin.

Meine stark von Diskriminierung und Ausgrenzung geprägten Lebenserfahrungen brachten mich dazu, dass ich einfach nicht in der Masse der Gesellschaft verstummen wollte. Also griff ich, anstatt zu Gewalt denen gegenüber, die mich ausgegrenzt hatten, lieber zum Stift um mit meiner Sprache gegen die gesellschaftlichen Vorurteile anzukämpfen.

Als Sprachrohr diente mir dabei besonders die Literatur. Trotz meiner Rechtschreibschwäche nutzte ich Buchstaben und Wörter die sich zu aussagekräftigen und wirkungsvollen Sätzen vereinten. So veröffentlichte ich mit 22 Jahren meinen ersten Leserbrief und mit 25 Jahren mein erstes Buch. Inzwischen habe ich 30 Bücher veröffentlicht.

1992 gründete ich den Mauer Verlag um Gesellschafts- und Randgruppenthemen eine Stimme zu geben, aber auch um meiner eigenen Literatur mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen. Im Laufe der Jahre entwickelte sich mein kleines Unternehmen zu einem angesehenen Kleinverlag. Dazu tragen besonders die Bücher der Autorinnen und Autoren bei, die das Verlagsprogramm auszeichnen. Aber es sind auch oft Themen, die bei großen Verlagshäusern allein schon wegen wirtschaftlicher Willkür keine Chance bekommen, ans Licht der Öffentlichkeit zu gelangen. In 20 Jahren habe ich als Verleger mehr als 400 Bücher veröffentlicht. Mehr dazu erfahren Sie aus dem ersten Kapitel.

Im Jahr 2002 verwirklichte ich mir den Traum, ein eigenes Magazin herauszubringen. So wurde der „Mauerbruch“ das Buchmagazin zu gesellschaftlichen und Randgruppenthemen aus der Taufe gehoben.

Der Traum begann bereits während meiner Schulzeit. In der achten und neunten Klasse war ich Redakteur der Schülerzeitung. Die Arbeit an meinen ersten öffentlichen Texten faszinierte mich und dass, obwohl ich damals bei einem Text von 100 Wörtern glatt und sauber 60 oder sogar noch mehr Fehler aufs Papier brachte, die meine Lehrerin aber allesamt verbesserte. Plötzlich stand da in gedruckter Form das im Vordergrund, was mir wichtig war, ohne sichtbare Verbesserungen mit dem Rotstift. So hatte ich mein Geschriebenes noch nie zuvor gesehen.

Als ich dann als junger Mann mit ungefähr 20 Jahren politisch aktiv wurde, träumte ich manchmal davon, eine alternative Zeitung, von denen es in den achtziger Jahren einige gab, selber herauszugeben. Allerdings fehlte mir damals noch das nötige Selbstvertrauen dazu.

Obwohl ich heute Herausgeber, Redakteur und zu guter Letzt auch noch der Verleger des „Mauerbruches“ bin, feiert er 2012 seinen 10. Jahrgang. Die Anstrengungen, die mit einem eigenen Buchmagazin verbunden sind, sind mir die Mühe wert, damit weiter zu machen, weil es eine hervorragende Plattform ist, um meiner Stimme und den Stimmen der Autorinnen und Autoren zusätzlich Gehör zu verschaffen. Während dieses Jahrzehnts bewegten mich viele Themen, die zu den Titeln der einzelnen Ausgaben wurden. Zur Feier des Jubiläums habe ich in diesem Buch alle Beiträge zusammengefasst, die ich selbst in meinem Buchmagazin geschrieben habe. Jeder Beitrag beginnt mit einer kurzen Einleitung, die Sie darüber informiert, was mich damals bewegte.

Ich hoffe, dass der Querschnitt meines literarischen Schaffens Sie nicht nur unterhält, sondern auch ihre Sinne schärfen für Randgruppenthemen, die auch heute noch in der Massenliteratur und in der Vielfalt der Massenmedien viel zu wenig Gehör bekommen.

Ich wünsche Ihnen eine sinnliche Zeit beim Lesen.

Ihr Wilfried Kriese

Endlich volljährig

Jubiläumsprogrammheft zum 18. Geburtstag des Mauer

Verlages, 2010

Was mich bewegte:

Der erste Beitrag entsprang keiner Mauerbruchausgabe, sondern dem Jubiläumsprogrammheft des Mauer Verlages, das im Jahr 2010 zu seinem 18. Geburtstag erschienenen ist.

Denn was wäre der Mauerbruch ohne den Mauer Verlag mit seinen Autoren und Lesern.

Können Sie sich noch an die Vorfreude auf Ihren 18. Geburtstag erinnern und an den Tag, an dem Sie dann endlich volljährig wurden?

Ich konnte diesen Tag 1981 kaum abwarten. Endlich durfte ich abends solange in die Disco, wie ich wollte. Ich war jetzt wahlberechtigt und konnte endlich den Führerschein machen. Jetzt war ich also erwachsen, obwohl ich gerade mal aus meinem pubertären Alter ins 18. Lebensjahr geglitten war und bisher in meinem jungen Leben noch wenige Entscheidungen, mit allen dazugehörigen Konsequenzen, treffen musste. Nun ja, das kommt noch früh genug, denn schließlich sind wir noch unser ganzes restliches Leben lang erwachsen.

Bevor ich Ihnen nun weiter über meine erste Volljährigkeit und meinen anfänglichen jugendlichen Elan erzähle, möchte ich zuerst mit meiner zweiten Volljährigkeit fortfahren.

Dazu muss ich noch erwähnen, dass ich zu den wenigen Menschen gehöre, die zweimal im Leben 18 Jahre alt wurde. Das zweite Mal war 2010 sein, denn da feierte der Mauer Verlag, welchen ich 1992 gegründet habe, seinen 18. Geburtstag.

Vieles, was ich unternehmerisch gesehen erreichte habe, war dem jugendlichen Elan meiner ersten Volljährigkeit zu verdanken. Damals machte ich viele Dinge einfach, weil ich sie für richtig hielt ohne lange nach dem zu schauen, was sich bürgerlich gesehen gehörte oder mich gar nach betriebswirtschaftlichem Denken zu richten. So entstand zum Beispiel mein erstes Buch „Für die Behindertenintegration – Ein direkt Betroffener informiert!“ Mir war schlicht nach dem Buch zumute und mir kam es so vor, als wollte es einfach geschrieben werden. Also schrieb ich es und schrie damit zugleich das heraus, was sich in meinem Kopf verborgen hatte. Dann ging ich auf die Suche nach einem Verlag, fand aber keinen und so gründete ich eben meinen eigenen. Ich verfügte zwar über keine kaufmännische Ausbildung und hatte auch sonst kaum eine Ahnung wie der Literaturmarkt von statten ging, doch das hielt mich nicht davon ab, einfach weiter zu machen. Es machte mir auch nichts aus, dass ich meine ganze Schulzeit über Sonderschulen besucht habe und dazu auch noch Legastheniker bin. Zwar störte das einige andere und sie nahmen mich deshalb als Verleger nicht besonders ernst, sie wollten in den ersten Jahren auch nicht mit mir zusammenarbeiten, doch das änderte sich im Laufe der Zeit. Denn ich wurde mit den Jahren immer professioneller und entwickelte mich als Verleger, aber auch als Schriftsteller immer weiter, was letzten Endes meine Skeptiker überzeugte.

Inzwischen sind fast zwei Jahrzehnte verstrichen und der Mauer Verlag ist zu meinem zweiten Leben geworden. Ja und so kommt es, dass ich nun zum zweiten Mal volljährig werde. Denn schließlich ist der Mauer Verlag nicht irgend so ein anonymer Großverlag ohne jegliches Gesicht, sondern meine Person steht zu 100 Prozent hinter meinem Verlag.

Ja, die zweiten 18 Jahre sind ein richtig schönes Gefühl, zu dem viele Höhen und Tiefen, sowie positiven und negativen Augenblicke gehören, mit allen dazugehörigen schönen und hässlichen Erlebnissen. Aber es ist auch ein Erfolgsgefühl. Denn wie viele Verleger habe ich in all den Jahren kennengelernt und mit ansehen müssen, wie deren oft idealistische und auch sehr glaubwürdige Kleinverlage schon nach kurzer Zeit aufhören mussten oder gar Konkurs gingen. Das tat mir immer in der Seele weh.

Damit es mir nicht so erging, musste ich meinen Verlag immer wieder auf neue Gleise lenken. Denn wie in der Musikbranche war und ist auch im Literaturmarkt vieles im Umbruch. Trotz all dieser Korrekturen bin ich dem Schwerpunkt des Mauer Verlages von Gesellschafts- und Randgruppenthemen treu geblieben. So veröffentliche ich weiterhin die Bücher, die ins Verlagsprogramm passen und nicht irgendwelche Texte, die vom Inhalt her so wenig hergeben wie ein Haufen Mist. Ich muss zwar darauf achten, dass der Mauer Verlag, betriebswirtschaftlich gesehen, eine Zukunft hat, aber mit Klasse und nicht mit Masse. Obwohl ich gegen Masse nichts hätte, solange die Masse nicht vor der Kasse kommt.

Inzwischen wurden fast 400 Bücher im Mauer Verlag veröffentlicht. Die Autoren dieser Bücher sind überwiegend sehr eng mit ihren Werken verbunden. Sie schreiben aus Betroffenheit oder weil sie etwas zu sagen haben, aber auch aus Liebe zur Literatur.

Die Leser finden im Programm des Mauer Verlags Texte, die aus dem Innersten der Autoren heraus entsprungen sind, in den unterschiedlichsten Literaturformen. So ist im Mauer Verlag von Romanen, Sachbüchern, Kinderbüchern, Biografien, Erzählungen bis hin zu lyrischen Texten alles zu finden.

Mit solch einem Programm kann ich als Verleger mit großer Zuversicht in die Zukunft blicken. Von dieser Vielfalt können Sie sich liebe Leserinnen und Leser in diesem Jubiläumsprogrammheft selbst überzeugen.

So wünsche ich Ihnen eine sinnliche und bereichernde Zeit beim Schmökern in dieser Broschüre und besonders beim Lesen der Bücher des Mauer Verlages.

Ihr Wilfried Kriese

PS: Mehr über die Geschichte des Mauer Verlages und den Literaturmarkt erfahren Sie aus meinem Buch „Jeder möchte doch in seinem Leben eine Mauer niederreissen“. Übrigens, dieses Buch gibt es auch als E-Book und Hörbuch unter www.mauerverlag.de kostenlos zum Herunterladen.

Interview mit Wilfried Kriese, Verleger und Schriftsteller. Es ist alles kar nicht (karnicht) so einfach

Von Andreas Mäckler

Mauerbruch Nr. 1 (2002): „Religionen und 11. September“

Was mich bewegte:

Obwohl 2002 schon länger eine starke Wirtschaftskrise im Zeitungen- und Zeitschriftengewerbe stattfand, war es für mich wichtig, ein neues kleines Magazin herauszubringen.

Der „Mauerbruch“ sollte sich an diejenigen Leser wenden, für die Autoren und deren Bücher nicht nur Konsumartikel sind. Denn schließlich hat für mich die Literatur überwiegend eine wichtige gesellschaftliche Rolle.

Gerade kleine Magazine sind der Augapfel in unserer demokratischen Gesellschaft, der es zunehmend an unabhängigen Zeitungen und Magazinen fehlt. Denn entweder werden die Inhalte stark von der Werbung beeinflusst oder von den politischen Gesinnungen der Konzerne. Zudem unterscheiden sie sich kaum voneinander.

Da bietet der „Mauerbruch“ eine ernstzunehmende Plattform für gesellschaftliche und Randgruppenthemen, womit im Zeitschriftenmarkt eine Lücke geschlossen wird, die eine interessierte Leserschaft anspricht.

Die Terroranschläge des 11. September 2001 und die kriegerischen Reaktionen der USA, sowie die Rolle der Religionen inspirierte mich dann auch zum ersten Titel des Mauerbruches.

Einige Fragen an den Autor und Verleger Wilfried Kriese in Rottenburg/Neckar, der als Legastheniger und ehemaliger Lernbehinderter erstmals in Deutschland professioneller Schriftsteller und Verleger wurde.