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Das Leben ist voller Absichten und zielgerichteter Handlungen. Nicht alle Absichten sind wohlgemeint, oft findet man manipulative oder destruktive Bestrebungen, die wir heute als Desinformation und allgemeines Misstrauen in alle Institutionen wiederfinden. Die damit verbundenen Fragestellungen tauchen in allen Lebensbereichen auf: im Alltag und in der Psychologie sowie in der Politik und in der Geschichte. Auch Ideologien und Gedankensysteme kann man als sedimentierte, teils unbewusste Absichten verstehen, die unser Weltbild bestimmen und unsere Entscheidungen lenken. Sie bilden also eine Art Bindeglied zwischen Materie und Bewusstsein. Das Thema wird jedoch über Alltag und Gesellschaft hinaus behandelt, denn es wirft grundsätzliche philosophische und wissenschaftstheoretische Fragen auf. Ausgehend von der heutigen Vertrauenskrise wird die radikale Kritik am modernen Informationssystem von den Medien auf staatliche und nichtstaatliche Quellen erweitert und insbesondere in die Kultur- und Naturwissenschaften hineingetragen. Das vorsichtige, aber explizite Einbeziehen von möglichen Verfälschungen in allen Bereichen übt dabei eine gegenseitige Hebelwirkung aus, um übliche Denkblockaden zu überwinden und damit unwahrscheinliche oder unglaublich klingende Hypothesen in Betracht zu ziehen. Die Thematik entfaltet schließlich jenseits des materialistischen Weltbildes ihre ganze Kraft und bietet so neue Perspektiven für das Verständnis des Weltgeschehens, inklusive von immateriellen Prozessen, Spiritualität und Grenzwissenschaften.
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Seitenzahl: 309
Veröffentlichungsjahr: 2025
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© Text: Emil Anklang© Umschlaggestaltung: Janus Zudnik und Emil AnklangÉmile Anclin4 bis, rue de l’ArceauF-30450 Gé[email protected]
Herstellung: epubli – ein Service der neopubli GmbHKöpenicker Straße 154a, 10997 Berlin
Kontaktadresse nach EU-Produktsicherheitsverordnung:[email protected]
„Niemand hat die Absicht,eine Mauer zu errichten.“
Walter Ulbricht, Vorsitzender des Staatsrats der DDR
„We’ll know our disinformation programis complete when everything the Americanpublic believes is false.“
William Casey, ehemaliger CIA-Direktor
„Unsere Gesellschaft wird von Wahnsinnigen mit wahnsinnigen Zielen geführt. Ich denke, wir werden von Fanatikern mit fanatischen Zielen geführt, und ich denke, ich werde als Wahnsinniger eingesperrt, wenn ich das zum Ausdruck bringe. Das ist das Verrückte daran.“
John Lennon
Überall sehen wir Falschholz, Lederimitationen, Plastikpflanzen, falsche Steinmauern, Kunstrasen oder einen falschen Holzhofen mit falschen Flammen. Die meisten Städte, Zeitungen, Fernseher und Computer-Bildschirme sind mit Werbungen vollgekleistert, oft irreführend, manipulativ, erniedrigend bis hin zu blanken Lügen. Geschmack, Aussehen und Haltbarkeit der Nahrung werden durch chemische Zusatzstoffe verkünstelt, wenn wir es nicht gar mit Gen-Food, „Analog-Käse“ oder Fleischimitationen zu tun haben. Wir begegnen einer unüberschaubaren Fülle von künstlich hinzugefügten Giftstoffen in Nahrung, Kosmetik, Medizin und anderen industriellen Produkten. Auch sollte den meisten die geplante Obsoleszenz der Alltagsgegenstände bekannt sein.
Beim Einkauf im Supermarkt werden wir mit einer meist unwillkommenen Musik berieselt, wenn nicht mit Werbungen belästigt; und immer mal wieder finden wir gerade jenen Artikel nicht mehr, der besonders gut unseren Bedürfnissen entsprochen hatte. Auch Mode, Popkultur und Kunstbetrieb sind keine natürlich gewachsenen Prozesse, sondern voller Einflüsse, Interessen, Manipulationen und Verfälschungen; und neuerdings erhalten hier die „Deep Fakes“ Einzug. Das Ganze wird begleitet von einer Verfälschung der Begriffe und Sprache, von geistloser „Konzeptkunst“ und konzeptlosen „Concept Stores“ über „partizipative Demokratie“, die selten wirkliche Teilhabe ermöglicht, bis hin zu den sog. „Social Networks“, die vor allem die Vereinsamung und Spaltung fördern. Man kann sich an all das gewöhnen und es für normal halten, aber nichtsdestotrotz ist es alles Absicht.
Selbstverständlich ist nicht alles davon das Resultat von unlauteren Absichten. Aber sobald wir einen etwas weniger belanglosen Einkauf machen oder eine finanzielle Entscheidung zu treffen haben, landen wir in einen sinnlosen, zeitraubenden Angebotswirrwar und Tarifdschungel. Entgegen der versprochenen weltbewegenden Verbesserungen durch die Digitalisierung und das Internet sind wir immer mehr mit sinnlosen Formularen konfrontiert, umrahmt von ablenkenden Menüs und Links zu anderen Artikeln, Werbung, Pop-Ups oder Anfragen, sich irgendwo einzuloggen oder ein Konto zu erzeugen, die uns unsere Zeit rauben und unsere Konzentration beeinträchtigen. Und beim nächsten Software-Update oder Veränderung der Internet-Seite müssen wir unsere Gewohnheiten anpassen, wenn wir überhaupt wieder zur ursprünglichen Funktionalität zurück finden.
Dieses Absurdistan ist ja allseists bekannt, auch der Schaden des häufigen Gebrauchs der Bildschirme (cf Manfred Spitzer, Cyberkrank!), aber trotzdem geht es munter weiter in diese Richtung. Manchmal beteuert man uns gar, dass es das bestmögliche Ergebnis der ideal funktionierenden freien Marktwirtschaft sei, sozusagen die „beste aller möglichen Welten“. Was die staatlichen Behörden betrifft, werden wir in ganz ähnlicher Manier mit sich ebenfalls ständig verändernden Formularen, Richtlinien, Vorschriften und Gesetzen konfrontiert, die genauso zeitraubend, absurd und kontraproduktiv erscheinen, wobei uns dann allerdings der diesbezügliche Konsumverzicht meist nicht gewährt ist. Da jene Vorschriften wiederum meist von einem undurchschaubaren Geflecht von ungewählten Bürokraten, korrupten Politikern und unerreichbaren Lobbyisten entschieden wurden, kann man sich selten dem Eindruck unlauterer Absichten verwähren. Und die damit verbundene, immer weiter um sich greifende offensichtliche Gleichgültigkeit von Behörden und privaten Unternehmen wird jeweils von indirekten, mehr oder weniger bewussten, wenn auch passiven Absichten getragen.
Es gibt keine Propaganda in den Medien, sonst würden sie es uns sagen. (Moderne Volksweisheit)
Richten wir unseren Blick auf angeblich seriöse Informationsquellen oder gesellschaftliche Instanzen, so kann leider auch hier nicht davon die Rede sein, dass ein klareres Bild entsteht und Rückhalt zu finden wäre. Zunächst sind wir konfrontiert mit multiplen ideologischen Optionen und Streiteren der Menschheit, von Materialismus bis Religion, von Marxismus bis Neoliberalismus, sowie Fortschrittsglaube gegen Konservatismus; nebst Anarchie, Demokratie, Diktatur und Totalitarismus und anderer politischer Systeme. Mit Ausnahme vielleicht von Parteimitgliedern weiß wohl schon jedes Kind, dass die meisten Politiker und Gewerkschaftler kaum vertrauenswürdiger sind als die nächste Werbung für was auch immer: sie mögen ja die besten Absichten haben, nur können sie ihre Versprechen seltsamerweise nicht umsetzen.
Ähnliches gilt für die meisten Journalisten und Medien, die uns heldenhaft und möglichst rechtzeitig über alles wichtige informieren, aber seit Jahrzehnten immer wieder dieselben Ängste nähren und Probleme darstellen, komischerweise ohne dass sich je etwas daran ändert: immer wieder Krieg und Börsenkrash, Umweltkatastrophe und Arbeitslosigkeit, Wirtschaftskrise und Rassismus, Hungersnot und Terrorismus, oder auch eine absolut bedrohliche Epidemie, „die Verhandlungen der letzten Chance“ oder der Weltuntergang usw.
Die radikale Kritik an der Qualität der üblichen offiziellen Informationsquellen ist daher ein wichtiger, aber auch schwieriger Teil des hiermit vorliegenden Essays. Auch die Probleme des Wissenschaftsbetriebs können nicht ausgelassen werden, zumal gerade die Wissenschaft ihrem Anspruch der seriösesten Wahrheitsfindung bei weitem nicht ausreichend nachkommt.
Es gibt viele Gründe, weiter Hoffnung zu haben und die schönen und guten Seiten des Lebens zu sehen und zu loben, von Bekanntschaften über Kultur und Wissenschaft bis hin zu Naturheilkunde oder einfach Urlaub am Strand. Und natürlich findet man in vielen Geschäften gesunde Ernährung oder gut funktionierende Elektronik und in manchen Zeitungen auch sinnvolle Analysen. Aber die uns allen aus dem Alltag bekannten endlosen Fragestellungen und Diskussionen, ob wir nicht doch hier oder dort abgezockt wurden, ob man das alles nicht doch lieber ignorieren soll, ob man nicht zu paranoid sei oder doch zu naiv, führen wohl nichtsdestotrotz dazu, dass wir in eine immer weiter sich verstärkende Tendenz von Zweifeln, Ängsten, irrationalen Zwangshandlungen oder Impulsreaktionen geraten — oder aber auch in stumpfe Gleichgültigkeit.
In diesem Kontext tragen auch die groß angekündigten Medienereignisse nebst den angeblich ungeahnten Möglichkeiten von Technik und Internet eher nicht zu einem wirklichen Vertrauen in die Zukunft bei, zumal die künstliche Intelligenz uns angeblich bald alle wunderbarerweise ersetzbar macht. Anscheinend bleibt einem kaum etwas anderes übrig, als eine optimistisch resignierte Lebensoptimierung zu betreiben, mit Mülltrennung, Online-Petitionen und „Personal Development“.
Warum hat sich übrigens nach dem Ende des Kommunismus, den viele westliche Demokratien und Medien als die Quelle allen Übels darstellten, insgesamt keine friedlichere Welt ergeben? Warum werden die seit Jahrzehnten allseits bekannten Probleme nicht gelöst? Wieso akzeptieren die real exisitierenden Kapitalisten, in einer immer dystopischeren, gefährlicheren und hässlicheren Welt zu leben? Und warum gehen sie dabei anscheinend das immer weiter wachsende Risiko ein, von einer Revolution weggefegt zu werden, anstatt — etwa wie in der Zeit des Kalten Krieges — Kompromisse mit der Bevölkerung einzugehen? Sind sie wirklich nur profitorientiert, oder werden sie von anderen Motivationen getrieben?
Und wenn in einer kapitalistischen Gesellschaft der Staat, die Politiker, die Medien sowie viele Nonprofit-Organisationen großteils unter dem Einfluss wenn nicht unter der Kontrolle des Kapitals stehen, warum soll man genau diesen Informationsquellen und Interpretationsrahmen trauen, die doch genau die jetzige Situation erzeugt haben? Wir haben auch davon gehört, dass die internationalen Eliten im Rahmen der „Global Governance“ in vielfältiger Weise zusammenarbeiten, angeblich um die Probleme der Nationalstaatlichkeit zu überwinden. Warum werden aber dann die vielen Probleme zusehens mehr und schlimmer? Und warum tendieren währenddessen große Teile der Bevölkerung zu immer kurzweiligeren und bedeutungsloseren Themen, Kämpfen und Freizeitbeschäftigungen? Wohnt vielleicht der Menschheit ein seltsamer Durst nach Chaos und Erniedrigung inne?
Wer erinnert sich noch an diese seltsamen 2010er Jahre? Es scheint inzwischen so lange her und so unverständlich, als die Euro-Krise, Brexit oder die Wahl des Donald Trump zum US-Präsidenten noch als die größten Dramen aller Zeiten erschienen. Oder wer erinnert sich noch an die Weltklimaverhandlungen der COP21 und die darauf folgenden dramatisch inszenierten Proteste der Extinction Rebellion sowie die Friday for Future, die einen leichten Nachgeschmack von Kinderkreuzzug hinterlassen?
Und wie konnte diese von internationalen Verhandlungen begleiteten, tausenden Wissenschaftlern betonten und medial verstärkten klimatischen Dringlichkeit zu einer totalen Immobilität der „Erwachsensen“ führen? Warum hat man dabei so wenig von den für das Überleben der Menschheit völlig überflüssigen oder gar schädlichsten Wirtschaftsbranchen gehört, die aber bekanntermaßen die größten Umweltprobleme verusachen, wie etwa die Kriegstreiberei und das Militär, die Finanzindustrie, aber auch die Digitalisierung und die Pharmaindustrie? Jede radikale Umweltbewegung, die diese Themen nicht systematisch, explizit und massiv in den Vordergrund stellt, scheint mir nicht ganz glaubwürdig.
In seinem Buch Bullshit Jobs beschreibt David Graeber, dass laut Umfragen 30-40 % der Befragten ihre Arbeit als sinnlos und frustrierend betrachten. Es geht bei diesen „Bullshit Jobs“ nicht um harte, aber nützliche Jobs wie Müllabfuhr oder Krankenschwestern, sondern eher um „kleine Chefs“, „Formular-Ausfüllen“, Fassaden-Sekräterinnen, aber auch um oft hoch bezahlte Berufe mit Universitätsausbildung wie Geschäftsanwälten, Militärberatern oder „Community Managern“: nichts davon brauchen wir zum Überleben, aber trotzdem findet das kaum in jenen Medien Erwähnung, die diese Weltuntergangsstimmungen vermittelt haben.
Wieso sollte es also nicht gelingen, mit diesen riesigen menschlichen und kulturellen Ressourcen (nebst Milliarden von Arbeitslosen) langfristig zu planen und uns an klimatische Veränderungen anzupassen? Und wieso sollte es nicht möglich sein, dabei auf demokratische Weise dramatische, aber sinnvolle Überlebensstrategien zu entwickeln, statt weiter in der jetzigen Tendenz in Autoritarismus und Ökofaschismus abzugleiten?
Vielen Antikapitalisten gilt ja die Wirtschaft als der Hemmschuh für jeglichen ökologischen Umbau, die jede Veränderung blockiern würde. Der Staat, die Wissenschaft und die NGOs sind dann die Guten und Hilflosen. Aber dann kam ein kleiner Virus namens Covid19 vorbei. Und mit ihm kamen der Ausnahmezustand, der Stillstand ganzer Wirtschaftsbranchen ohne nennenswerten Protest der Medien und Konzerne, Lockdowns und Maskenzwang statt verantwortungsvolles ruhiges Handlen, Verteuflung von jahrzehntelang bewährten und milliardenmal benutzten Medikamenten, eine massive Forcierung der Digitalisierung und gesundheitsschädigende Panikmache statt einer besonnenen Diskussion über Placebo- und Nocebo-Effekte und der Wichtigkeit der Ausgewogenheit für Gesundheit; nebst vielfältigen, illegalen bis verfassungswidrigen Eingriffen ins Privatleben, und schließlich — die rettende Alleinlösung — die experimentelle Gentherapie, verkauft als Impfstoff.
Inzwischen aber, kaum ein paar Jahre später, tun heute die meisten so, als ob das alles relativ unwichtig, normal oder belanglos gewesen sei. Deshalb sei nochmals daran erinnert, dass zumindest in Frankreich nicht nur Begräbnis-Feiern und ähnliche soziale Ereignisse verboten wurden, sondern auch Frauen dazu gezwungen wurden, während der Geburt eine Maske zu tragen. In Australien wurden „positiv getestete“ Menschen in Lager eingesperrt. Was ist also hier wirklich passiert? Und wie konnte es insbesondere sein, dass die meisten angeblichen Antikapitalisten, die sonst so viel von ihrer Systemkritik halten, mehr oder weniger umstandslos mitgemacht haben?
„Matters of great concern should be treated lightly.“Master Ittei commented, „Matters of small concern should be treated seriously.“ (Yamamoto Tsunetomo, Hagakure: The Book of the Samurai)
Es gibt tausende Wege in die Zukunft und viele Entscheidungsmöglichkeiten. Das einzige, was allerdings nicht geht, ist es keinen Weg zu wählen. Selbst wer versucht, nichts zu wissen, jedes Beabsichtigen zu vermeiden und sich treiben zu lassen, hat dabei doch ständig und indirekt entschieden, jeden Versuch und jede Möglichkeit konkreter Entscheidungen zu verwerfen und sich nur von jenen dringensten Umständen, die das Leben uns mehr oder weniger aufzwingt, treiben zu lassen. Auch in jeder theoretischen Arbeit und Wissenschaft, die sich gern von jeder Subjektivität fernhalten will oder so erscheint, lässt es sich nicht vermeiden, endlos implizite oder explizite Entscheidungen zu treffen, die sich nicht weiter rational erklären lassen.
Der einfache Vergleich von Willen und Absicht im üblichen Sprachgebrauch weist auf wesentliche Fragestellungen, um die es in der ganzen Abhandlung gehen soll. Man vergleiche „ich will nach Japan fahren“ mit „ich habe die Absicht, nach Japan zu fahren“: der erste Satz klingt relativ unbestimmt, während beim zweiten etwa schon konkrete Vorbereitungen getroffen wurden. Im Unterschied zu „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten“ klingt „Niemand will eine Mauer errichten“ viel diffuser, ohne klare Pläne und Zielsetzungen, und vielleicht auch so, als ließe es sich leider nicht vermeiden...
Den Willen verstehen wir gerne als einen unkontrollierbaren Trieb wie eine Kraft der Natur, während es bei der Absicht um zielgerichtetes Handlen geht, d.h. um mehr oder weniger vernunftbegabte Wesen. Auch Nietzsches „Wille zur Macht“ scheint nicht wirklich zu wissen, was er will, weil Macht so abstrakt ist und so beliebige Ziele ihrer Wirkung akzepiert. Dementsprechend sagt er ja dann auch „die Mittel heiligen den Zweck“, als seien Ziel und konkrete Verwirklichung völlig gleich. Den Willen könnten wir also fast noch als rein objektives Phänomen verstehen, vielleicht wie bei Schopenhauer, der auch dem Stein den Willen zuschreibt, herunterfallen zu wollen.
Währenddessen geht es bei Absichten unmittelbar um ein planendes Bewusstsein. Man kann nicht sagen „das Wasser beabsichtigt, die Staudamm-Mauer zu durchdringen“; denn es ist dem Wasser bekanntlich recht, sich aufstauen zu lassen und von seinem Weg beliebig lange abgehalten zu werden. Im Gegensatz dazu lassen die Lebewesen nichts unversucht, um ihre Ziele des Überlebens, der Fortpflanzung oder der Arterhaltung zu verfolgen. Schon bei den Pflanzen kann man dieses zielorientierte, alle Hindernisse überwindende Wachstum und Streben nach Wasser und Sonne erkennen. Zusätzlich interessant wird es, wenn Menschen Ziele verfolgen, die offensichtlich nicht besonders der Arterhaltung dienen, sondern stattdessen kulturellen Überzeugungen oder künstlich geschaffenen und willkürlichen Zielen oder Aufgaben. Ein Mensch kann durchaus sein ganzes Leben dem Schachspiel, dem Alkohol, der Musik oder seiner äußerlichen Erscheinung opfern, ohne dabei irgendeinen besonderen sozialen oder biologischen Nutzen oder Vorteil zu verwirklichen...
Die Komplexität der Absichten begegnet uns im Alltag auf Schritt und Tritt. Von Blicken über Worte bis zu den Taten, vom Einstellungsgespräch über Werbung bis zum Verhör, vom Flirten bis zur Liebe, von der kaum merkbaren Abneigung bis zum grimmigsten mordlustigen Hass, überall beabsichtigen wir etwas. Weiter ist jedes Gefühl und jeder Trieb von einem Bündel von Absichten begleitet. Dabei sind auch allerlei passive Formen von Absichten hervorzuheben: jemanden zu ignorieren oder wegzuschauen, ist eben etwas ganz anderes, als ihn oder sie nicht wahrgenommen zu haben.
Und so versuchen wir tagein tagaus die Absichten der anderen zu erfassen, überall lesen wir Absichten, sowohl wenn wir aneinander vorbei reden, als auch wenn wir uns bestens verstehen, bei Freunden und Fremden, bei Filmen und Büchern, bei den Nachrichten oder bei Politikern. Die Körpersprache, jeder Gesichtsausdruck, der Tonfall, aber auch die benutzten Redewendungen, die Kleidung und noch jede Schminke und jeder Schmuck sind voller Absichten, die idealerweise aufs feinste den Grenzbereich zwischen natürlich und gewollt austarieren: denn zu grob gestrickte Absichten lehnen wir vehement und empört ab!
Klarerweise sind auch sämtliche menschlichen Erzeugnisse nicht nur Ergebnis von Trieben und physikalischen Gesetzen, sondern vor allem von eventuell komplexen Absichten und langfristigen Plänen. Jedes Wort in einem Gedicht, jede Perspektive in einem Film, jedes Detail auf einer Internet-Seite wurde von Menschen entschieden, und dabei meist sehr durchdacht ausgewählt. Ähnliches gilt auch für städtische Einrichtungen, Immobilien, Gesetze, Verordnungen und all den anderen Erzeugnissen der Gesellschaft. Selbst das perfekte Weiß von Papier, Wänden, sanitären Einrichtungen und Krankenhäusern und das schrille Neonlicht sind keine Notwendigkeiten, sondern übersetzen gewisse Absichten und Überzeugungen; der perfekte Glanz der neuen, unbenutzten Fabrikprodukte erzeugt dabei teilweise einen Eindruck von weltfremder Zeitlosigkeit. Dagegen suggeriert Junichiro Tanizaki in Lob des Schattens andere Möglichkeiten in dezenteren Tönen.
Könnte es sich nicht übrigens so verhalten, dass sich manche Wissenschaftler durch ihre Theorien und Suche nach Objektivität unbewusst von dieser alles durchdringenden Absicht (und also von dieser erdrückenden Verantwortung) mit theoretischen Erklärungen entlasten wollen? Dass sie also die unbewusste und paradoxe Absicht nähren, die Existenz ihrer eigenen Absichten zu widerlegen?
Der Begriff von unbewussten Absichten scheint erstmal ein Oxymoron zu sein, denn Absicht impliziert ein zielgerichtetes Handeln und ein entsprechendes Bewusstsein. Aber man kann unbewusste Absichten als eine Art Bindeglied zwischen Materie und Bewusstsein darstellen in dem Sinne, dass sie zwar zielgerichtet und wertend wirken können, dass wir aber keinen direkten Zugriff auf sie haben: als hätte sich ein Teil von uns verselbständigt, entziehen sich diese unbewussten Absichten unserer Wahrnehmung und also unserer unmittelbaren Entscheidungsmacht und können — so wie Gewohnheiten — schwer kontrolliert oder verändert werden.
Dass es sich bei unbewussten Absichten nicht nur um den unkontrollierten Ausdruck der Triebe handelt, sondern dass es um zielstrebiges Handeln geht, wird durch die berüchtigten Freudschen Versprecher und Fehlleistungen aufgezeigt. Wir sind oft durch andere Motive und Kräfte gelenkt, als es uns selbst erscheint, oft durch längst vergangene Ereignisse, manchmal gar durch die Dramen vergangener Generationen. Auch kulturelle Prägungen wirken in einer solchen Tiefe. Und die moderne Soziologie wird nicht müde aufzuzeigen, dass die anscheinend individuellsten Entscheidungen wie Selbstmord oder Heirat statistisch durch die sozioökonomische Situation mitbestimmt werden. Wir sind eben vielschichtige Wesen und können gleichzeitig von psychischen oder gesundheitlichen Problemen geplagt sein, ein hilfreiches soziales Umfeld haben, uns trotzdem einsam fühlen, während wir fröhlich einen Sonntagnachmittag genießen und uns dabei schrecklich über eine Belanglosigkeit aufregen.
Wie immer wir uns geben, bewegen, kleiden und sprechen, vermittlen wir unseren Mitmenschen unwillkürlich unsere Gesinnungen und Einstellungen oder unseren physischen oder psychischen Zustand, oft ohne uns dessen bewusst zu sein. Der Reiz eines guten Krimis mag denn auch darauf aufbauen herauszuarbeiten, wie jemand sich oder andere ungewollt verrät. Manchmal verfolgen wir auch ganz andere Ziele als vorgegeben. Warum nährt man etwa gewisse Konflikte oder haftet man an bestimmten Lastern, Dummheiten und sinnlosen Beschäftigungen? Auch beim Erlernen einer sportlichen Aktivität stehen der Absicht des Lernens unsere üblichen Bewegungsmuster im Weg, die also gewissermaßen unbewusste Absichten sind: wir kontrollieren unseren Körper nur bedingt und tun etwas anderes, als wir wollten.
Mir drängte sich einmal der Eindruck auf, dass viele Menschen gar nicht in den Urlaub fahren, um sich zu entspannen, sondern im Gegenteil um allerlei Stress und unvorhersehbare Probleme zu erleben: stattdessen erholen sie sich dann nach dem Urlaub, wenn sie ihren Arbeitsalltag wieder finden. Auf diese Gedanken kam ich, als im Pariser Metro eine Reise nach London tatsächlich mit dem dortigen U-Bahn-Plan angeworben wurde, als ob das U-Bahn-Fahren in Paris nicht schon genug alltäglichen Stress bedeuten würde. Tatsächlich kommen wir ja nach tagelangen Vorbereitungen, stundenlangen Warten und Eingepferchtsein in öffentlichen Verkehrsmittlen nebst bekannter Demütigungsprozeduren in den Flughäfen sowie Check-In, Warten und Checkout in langweiligen Hotels oft überhaupt nicht erholt vom Urlaub zurück. Während des Urlaubs ist man sinnloserweise damit beschäftigt, neue Gewohnheiten zu finden oder vergessene Gebrauchsgegenstände zu besorgen, um dann wieder in öffentlichen Verkehrsmitteln zum Strand oder Museum zu fahren, Schlange zu stehen usw. Dabei wird auch die eigentlich bereichernde Langeweile des Reisens mit immer schnelleren Fortbewegungsmitteln immer weiter verkürzt, sodass etwa die Wahrnehmung der sich verändernden Landschaft oder des Reiseprozesses mehr und mehr wegfällt. Am besten und lebhaftesten erinnern und erzählen wir oft von den Missgeschicken und Problemen des Urlaubs: das wahre Abenteuer eben...
Ein ebenso allbekanntes und doch seltsames Phänomen besteht darin, dass wir oft gewisse Absichten unter keinen Umständen verwirklichen können, ganz egal welchen Aufwand wir betreiben. Anscheinend steht sich die Absicht manchmal selbst im Wege: Und kaum „lassen wir los“, wie es so heißt, trifft das sehnsüchtig Erhoffte mühelos und unerwartet ein. Aber dieses scheinbar entmutigte Loslassen ist längst nicht für jeden nützlich oder notwendig, das ewig Ersehnte geschieht bei anderen Menschen ohne jegliche Probleme im Fluss des Alltags. Und diese Art von Schwierigkeit betrifft sämtliche Themen des Lebens, vom Aufwachen bis zum Einschlafen, über Gesundheit, Liebe und Kinderwünsche, Geld und Arbeit, bis zum Charisma und der inneren Ausgeglichenheit. Es ist dies um so seltsamer, als es auch dafür keine klaren Regel gibt, wer wie welche Absicht gelassener oder doch kämpferischer und zielstrebiger verfolgen oder im Gegenteil aufgeben und sich anderen Zielen widmen sollte.
Verwandt mit dem Thema dieser überbewussten Absichten sind die widersprüchlichen Absichten. Verschiedene, teilweise unbewusste, und deshalb vielleicht um so wirkmächtigere Absichten verhindern die Verwirklichung der angestrebten Ziele. Vielleicht hat man sich zu sehr mit dem vorgestellten Zustand des angestrebten Ziels beschäftigt und zu wenig der Sache selbst hingegeben und ist also beim bloß Gedachten, also bei einem fiktivem Ziel geblieben? Oder ist es nur die Kehrseite von unbewussten Absichten?
Anscheinend geht es hier nicht mit rechten Dingen zu, denn für denselben Fleiß, dieselbe Geduld, dieselbe Freundlichkeit und Tugend, ja mit derselben Gesundheit, Begabung und derselben Intelligenz werden wir längst nicht mit denselben Ergebnissen belohnt. Im Alltag sowie in der Kunst oder beim Schauspiel sagt man ja, dieses oder jenes sei „zu gewollt“, aber dabei hat sich vielleicht ein begabterer Musiker viel mehr Mühe gegeben — ein anderer aber auch viel weniger.
Bei allem zu sehr Gewollten durchschauen wir allzuleicht die Absichten und lehnen es üblicherweise genau deshalb ab. Dies mag auch im Umkehrschluss als eine Warnung dienen: wir erkennen vielleicht umso schwerer unlautere oder böse Absichten, je natürlicher, entspannter und selbstverständlicher diese verwirklicht werden, oft nur halb verborgen und eigentlich offenkundig.
Das Leben ist also ein endloses Dickicht voller Absichten und zielgerichteter Handlungen. Dabei geht es offensichtlich auch darum, unlautere Absichten zu erkennen; denn nicht alle Absichten sind wohlgemeint, vielmehr zeigen sich auch viele destruktive, manipulative oder täuschende Bestrebungen. Wenn man dabei auch Ideologien, Religionen oder Gedankensysteme als Konglomerate von Absichten versteht, die unsere Interpretation der Welt formen und unsere Entscheidungen lenken, ergibt sich daraus schon eine erdrückende Aufgabe, die eigentlich nicht zu bewältigen ist.
Aber das Thema soll über Alltag, Politik und Geschichte hinaus behandelt werden; denn es wirft grundsätzliche philosophische und wissenschaftliche Fragen wieder auf, nämlich die seit der Neuzeit verworfene Idee von „Zielursachen“ als wissenschaftliches Erklärungsprinzip. Die Thematik entfaltet dabei ihre ganze metaphysische Kraft, wenn wir verstehen, dass ein rein materialistisches Weltbild ohne gänzliche Eigenständigkeit des Bewusstseins nicht tragbar ist.
Jeder Text zielt auf ein gewisses Publikum und verfolgt eine gewisse Absicht. Dies zeigt sich am Stil, an der Wortwahl und an vielerlei mehr. Daher ergibt sich die Frage, warum man schreibt, an wen man sich richtet und was man zu erreichen hofft.
Weder ein Text für Eingeweihte noch ein reiner polemischer Kampf gegen andere Positionen entspricht meiner Motivation, obwohl ironische, zynische oder spöttische Untertöne als Würze gelegentlich mitschwingen werden. Stattdessen richte ich mich möglichst an ein relativ breites Publikum. Insofern wären hier die wissenschaftlich-akademischen Methoden und Einschränkungen kontraproduktiv. Humor und Sarkasmus sind ja auch die beste Medizin gegen die Abgründe der Menschheit, habe ich gehört. Und erdrückt, zersetzt und versteinert der falsche, machtpolitische Ernst nicht alles Neue, Schöne, Schauerliche und Unbekannte?
Die hier vorgelegten Gedanken sind dabei das Ergebnis von jahrzehntelangem Arbeiten an verschiedenen philosophischen, politischen und wissenschaftlichen Fragestellungen. Sie sollen möglichst allgemein verständlich dargestellt und mit zugänglichen Beispielen und Argumenten bereichert werden, um aus der üblichen Einengung der „erlaubten“ Meinungen zu treten (das sogenannte Overton-Fenster) und so die Tür für ein bereichertes Weltbild zu öffnen.
Weltbilder und Ideologien prägen und bestimmen auf subtile, aber sehr tiefe Art und Weise unsere Absichten, das politische Geschehen und das menschliche Zusammenleben. Deshalb müssen einige der wichtigsten philosophischen Fragestellungen kurz dargestellt werden. Als notwendige Kurskorrektur von Empirismus und Rationalismus arbeite ich dabei das Thema der Absichten und zielgerichteten Dynamiken sowie verwandte spirituelle Fragen heraus und trage sie möglichst in die konkreten gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Bereiche hinein.
Im Unterschied vielleicht zu anderen, ähnlichen Untersuchungen soll dabei den Möglichkeiten von absichtlichen Manipulationen und Verfälschungen in allen Themenbereichen eine besondere Aufmerksamkeit gelten. Wenn man aber beständig nach maximaler Gewissheit sucht, unterwandert aber dieses geschärfte Verständnis um mögliche Verfälschungen die Glaubwürdigkeit vieler weit verbreiteter Diskurse. Man gerät eventuell in einen schwierigen und teilweise schwindelerregenden Prozess. Die sich daraus ergebende radikale Kritik des heutigen Weltbildes und Informationssystems ist aber kein Obskurantismus. Wie alle Paradigmenwechsel verwirft sie nicht die üblichen Wissens- und Informationsquellen, sondern sie zielt auf ein neues, tieferes und besseres Verständnis.
In der Komplexität und Vielseitigkeit der angerissenen Themen strebe ich nicht an, ein schlüssiges System darzustellen; dazu gehören dann auch gelegentliche Wiederholungen oder ein Argumentieren in teilweise widersprüchliche Richtungen. Vieles von dem, was ich hier thematisiere und kritisiere, sind häufig vertretene Denkweisen meines kulturellen Umfelds, die ich vielleicht selbst akzeptiert hatte: sonst bräuchte ich mich ja auch nicht damit auseinanderzusetzen. Deswegen wäre ich schon glücklich, wenn ich ein Dutzend Leser hätte und ihnen ein paar neue Einblicke liefern konnte.
Trotz der besten Absichten werden sich manche Behauptungen letztendlich als falsch erweisen. Aber wer entscheidet wohl letzten Endes darüber, was wahr ist? Wieviel Falsches hat schon jahrhundertelang als gesichterte Wahrheit gegolten? Obwohl also oft auch Zweifel geblieben sind, so habe ich mich doch entschieden, den Vortrag nicht zu sehr mit Konjunktiven, Modalverben und abschwächenden Formulierungen zu überladen: alles cum grano salis.
Zu vielen der hier erwähnten Themen gibt es eine unüberschaubare Fülle von hochprofessionellen Studien, viele davon mehr oder weniger im traditionellen Wissensapparat, viele allerdings auch quasi verbannt und gebranntmarkt als Pseudowissenschaft. Auch wenn man sich einiges davon angeeignet haben mag, erkennt man vielleicht in Anbetracht der eigenen ideologischen Verzerrungen das große Bild nicht mehr — es ist zerstückt wie in einem Kaleidoskop. Daher schien es mir notwendig, eine zusammenfassende Darstellung über neue Perspektiven anzubieten, wobei es notgedrungen zu Vereinfachungen und Auslassungen kommt.
Eine Schwierigkeit bestand darin, die Fülle des Materials und die damit verbundenen Themen möglichst sinnvoll und lesbar in Kapiteln zu strukturieren und ein Gleichgewicht zwischen Abstraktion und Beispielen, Abwechslung und Ordnung sowie Humor und Ernsthaftigkeit zu finden. Denn einerseits soll es sich um ein philosophisches Essay handeln, andererseits aber doch möglichst allgemein verständlich bleiben. Daher habe ich einen zu systematischen Aufbau vermieden und stattdessen versucht, die verschiedenen Hauptthematiken (etwa Alltag, Spiritualität, Politik, Philosophie und Wissenschaft) abwechslungsreich mit einander zu verweben.
Im Unterschied zu den Wissenschaften ist die Entwicklung oder Darstellung eines Weltbildes wie in der Philosophie mehr mit einem Spaziergang in einer Stadt mit vielen Abzweigungen zu vergleichen. Es gibt keinen klaren Anfangspunkt und keinenfalls kann man auf die tausenden Gebäude einer vielleicht unbekannten Stadt eingehen. Auch kann kein Argument der Welt dazu führen, dass jeder Leser den vorgeschlagenen Weg mitverfolgt und für sinnvoll hält. Ich kann also nur auf einige Monumente hinweisen, Bemerkungen machen und Fragen stellen.
Manchen Lesern sind auch viele dieser Straßenzüge so bekannt, oder sie interessieren sich nicht für die dortigen Gebäude, sodass sie getrost ganze Kapitel überfliegen oder überspringen mögen. Sie wurden in der Tat möglichst so gestaltet, dass sie relativ unabhängig voneinander gelesen werden können. Hoffentlich ergibt sich trotzdem aus dem Gesamtbild der Sinn, warum so viele verschiedene, scheinbar unabhängige Themen zusammengetragen wurden.
Schließlich werden viele mit Unverständnis reagieren und tausende Gegenargumente vortragen: denn jeder mag dem anderen vorwerfen, altbekannte Irrwege und geistige Verirrungen nicht zu erkennen. Diese Schwierigkeit zeigt sich besonders gut an der Ambivalenz des englischen Wörtchens „debunk“, das sowohl enthüllen, demystifizieren als auch diskreditieren und verspotten bedeuten kann und so auf alles passt, was uns gerade nicht passt. Auch sind wir manchmal für ein bestimmtes Wissen überhaupt nicht zugänglich, ja es wäre uns geradezu abträglich.
Faust: „Nun gut, wer bist du denn?“Mephistopheles: „Ein Teil von jener Kraft,Die stets das Böse will und stets das Gute schafft.“
(Johann Wolfgang von Goethe, Faust)
Manche verwerfen den Begriff des Bösen und die Existenz von bösartigen Absichten oder bösartigen Menschen gänzlich. Sie möchten vielleicht das „Werten“ vermeiden, ersetzen aber meist das Begriffspaar Gut–Böse einfach mit Positiv–Negativ. Damit ist allerdings nichts erreicht, denn die Sprache und die Welt sind nun mal so beschaffen, dass wir unvermeidbarerweise werten und Begriffe benutzen, denen subjektive Färbungen und Verzerrungen anhaften. Ich halte es also für eine Verblendung, wenn wir das Böse als solches leugnen. Vielmehr sieht man in tausenden Fällen, wie Menschen konkret und systematisch unmenschliche oder sadistische Entscheidungen treffen. Dieses Leugnen von Bösartigkeit scheint mir sogar so weltfremd, dass es als Dummheit selbst zu einer Art von Bösartigkeit mutiert: No one is innocent! Denn wie soll man mit verschiedenen Formen von Totalitarismus und menschenverachtender Tyrannei umgehen? Wohl doch nicht, indem man es verharmost oder wegschaut?
Bekanntlich ist der Weg zur Hölle mit guten Absichten gepflastert. Jenseits dessen besteht aber die finstere Seite der Absicht in wirklichen Plänen, Verfälschungen, Manipulationen, Kriminalität und sonstigen unlauteren Mitteln. Es geht allerdings weder darum, das Weltelend zu beklagen, noch um voreilige, groß angelegte Weltveränderungsprojekte darzulegen, sondern darum das Wirken von geleugneten Absichten und schädlichen Ideologien herauszuarbeiten. Die Verbesserung der Umstände auf Erden würde sich dann als Nebenprodukt ergeben, durch einen sinnvolleren Blick auf das Weltgeschehen, ein besseres Verständnis der modernen Propagandamethoden, das Vermeiden von verblendetem Fassadenaktivismus — sowie dem Erkennen vieler neuer Horizonte.
Der vorliegende Text verfolgt indirekt auch politische Absichten, indem er viele soziokulturelle Themen anschneidet und Meinungen hinterfragt. Zwar richtet sich die vorgetragene Kritik oft gegen den linksliberalen und linksalternativen Flügel und gegen die „westlichen Nationen“, aber das darf nicht heißen, dass ich rechten Autoritarismus vorziehen würde. Vielmehr es geht darum, die eigenen Unzulänglichkeiten zu erkennen — oder überhaupt das Lagerdenken zu überwinden.
Allerdings sind die Gräben zwischen den verschiedenen Meinungen größer denn je: was ist wahr und falsch, was aufrichtige Ziele oder Manipulationsabsichten, was der natürliche Gang der Dinge und was veränderungsbedürftige Symptome einer disfunktionalen Gesellschaft? Viele Fakten, Theorien und Zusammenhänge, die ich wiederum für absolut wichtig halte und die neue Perspektiven eröffnen, werden von beiden traditionellen politischen Lagern und deren Medien ausgeblendet. Das Ausmaß der Veränderungen im Weltbild, die ich hier nur andeuten kann, gestaltet sich entsprechend vielfältig und schwierig; und insofern werde ich direkte, mögliche oder notwendige Kritik an den benutzten Quellen meistens vermeiden.
Wenn wir allgemein viel häufiger als vermutet von zielgerichteten Kräften und Dynamiken ausgehen müssen, so heißt das auch, dass alles Komplexe und Lebendige viel leichter entsteht und sich leichter regeneriert als sonst angenommen. Dann hätten wir weniger die Zerstörung von gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Errungenschaften zu befürchten, sondern vielmehr byzantinische Sklerose — und als Folge dessen ein Spektrum von revolutionären bis totalitären Gewaltausbrüchen. Denn wer das bloße Funktionieren der Gesellschaft als Maßstab benutzt, verkennt schnell, dass die sozialen und wirtschaftlichen Prozesse auch in den katastrophalsten Situationen weiter laufen. Das Unterschätzen von Absichten in den historischen Prozessen bedeutet sowohl, die Möglichkeit der zielstrebig organisierten und tiefsten Bösartigkeit zu verkennen als auch spiegelbildlich das Potential zu viel größeren Verbesserungen. Insbesondere verhindert das Erkennen von Absichten viele Errungenschaften und nährt gar Fehlentwicklungen.
In den Schützengräben herrschte die Meinung vor, dass alles wahr sein könnte, nur nicht das, was man drucken ließ. (Pierre Chaine zitiert nach Marc Bloch [1])
Jeder meint zwar bestens darüber Bescheid zu wissen, was mit Politik gemeint ist und wie damit umzugehen ist, doch die Meinungen darüber gehen so krass auseinander, dass mitnichten davon die Rede sein kann, dass Klarheit darüber herrscht. Daher sollen ein paar Bemerkungen als Orientierung dienen.
Entgegen der konservativen oder religiösen Darstellung, aber auch gewissen marxistischen oder systemtheoretischen Einstellungen betrachte ich alle gesellschaftlichen Einrichtungen als das Werk von menschlichen Absichten: Verfassungen, Gesetze, Krankenversicherungen, Steuern, Verkehrsregeln, Schulpflicht, Wissenschaftssysteme, Religionen, Ideologien, Werbungen, Kriege etc. Und all diese Angelenheiten werden mal mit sinnvollen, mal aber auch mit unlauteren Absichten entschieden. Sie betreffen uns ganz konkret im Alltag als Arbeitsrecht, Bauvorschriften, Epidemie-Maßnahmen, Geschäftsöffnungszeiten, Erlaubnis oder Verbot von Heilpraktiken oder staatlicher Finanzierung von verschiedensten Organisationen.
Diese staatlich finanzierten Einrichtungen — von Religion, Kultur und Schule bis hin zu Medien, Wirtschaft und Wissenschaft — beeinflussen, prägen oder bestimmen die öffentliche Meinung massiv und haben im Rückspiegel betrachtet immer wieder ungeheuerliche Propaganda und Desinformation betrieben und die größten Greueltaten erst ermöglicht. Jeweils verändern, ermöglichen oder verhindern diese Strukturen oder Vorschriften verschiedene Lebenweisen, oder machen das Leben als ganzes unmöglich.
Daher sollte es klar sein, warum wir uns immer wieder und meist missmutig oder angespannt mit Politik auseinander setzen: einerseits betrifft sie uns überall, andererseits fühlen wir uns ohnmächtig. Im Sinne der Demokratie sollten wir zwar auf all das einwirken können, doch dies ist meist nicht möglich oder nur in so begrenzten Ausmaße, dass es lächerlich erscheint und mit extremen Aufwand verbunden ist. Und doch fühlen wir uns dazu verpflichtet, insb. im Anblick von Willkür, Ungerechtigkeit und Tyrannei, die uns ja unter Umständen individuell und existenziell treffen und für manche zu den schlimmsten Folgen und Traumata führen (siehe etwa Franz Ruppert, Wer bin ich in einer traumatisierten Gesellschaft?, [2]).
Besonders dramatisch gestaltet sich dieses politische Denken und Wirken, wenn wir zwischen die Fronten geraten und aus verschiedenen Gründen unter keinen Umständen unparteiisch bleiben können. In diesem Sinne betrachte ich apolitische Einstellungen als „Phobophobie“, also als Angst for der Angst, die sich als die Kehrseite von Hedonismus, Materialismus und Konsumgesellschaft erweisen könnte. Und wie auch bei psychischen Ängsten scheint mir die schwierige und richtige Lösung darin zu bestehen, sich mit diesen Themen auseinander zu setzen und durch Diskussion und historische Kontextualisierung zu beleuchten.
Der Jurist Carl Schmitt verstand das Politische als den Konflikt der maximalen Intensität, der im Extremfall zum Krieg führen kann. Man erkennt daran, dass die von professionellen Politikern betriebene Aktivität im Allgemeinen gerade keine Politik ist: nämlich Fremdbestimmung, die uns im großen und ganzen (zu Recht oder zu Unrecht) kalt lässt. Bei den Wahlen wird Politik simuliert, aber die Themen, bei denen wir aufs Ganze gehen und den extremsten Konflikt nicht scheuen, sind meist ganz andere. Desweiteren geht es bei der Politik oft um Ideale, mit denen wir uns zutiefst identifizieren. Dadurch entsteht schnell das Gefühl der existenziellen Bedrohung, etwa wenn ein Ideal wie Tradition, Gleichberechtigung oder Kultur angegriffen wird. Dadurch sind auch die intensivsten Gefühle wie Feindschaften, Aggressionen, Angst und Ablehnung (ebenso wie ihre Gegenteile) notwendige Aspekte der Existenz.
Wer all das sein lässt inkl. Selbsthass, Zweifel und Krisen, mag zwar auf dem Weg der Weisheit sein; wer aber die politischen Konflikte an sich bekämpft, nimmt selbst an einem Kampf teil und unterdrückt oder erstickt eventuell lebenswichtige Gefühle. Konflikte ergeben sich notwendig aus der Vielfalt, der Selbstbestimmung und der Demokratie. Dabei tragen Ressentiments oft ein Gedächtnis über vergangene historische Ereignisse und Ungerechtigkeiten. Wer also meint, dies einfach ignorieren zu können oder gar bekämpfen zu müssen, nährt sie erst recht. Bezüglich des Nationalsozialismus etwa beschreibt Wikipedia die Position des französisch-jüdischen Philosophen Vladimir Jankélévitch folgendermaßen:
Die einzig mögliche moralische Haltung bestehe im Erinnern und in symbolischen Handlungen wie dem Ressentiment gegenüber der deutsch-österreichischen Kultur oder der Ablehnung von Entschädigungen.
Bei all der Schwierigkeiten dürfen wir uns nicht einem Ohnmachtsgefühl hingeben. Denn Menschsein bedeutet eben auch, nach etwas Höherem zu streben, und dies erreicht man in größeren Rahmen umso besser. Die Teilhabe an der politischen Gestaltung muss also explizit eingefordert werden, wenn wir nicht einfach nur Bauern und Figuren auf einem Schachbrett von Machtstrategen sein wollen.
Systemkritik und der damit verbundene Veränderungswillen sind die Grundlage von demokratischer Selbstbestimmung und also Eigenverantwortung. Sicherlich haben tiefgreifende soziale und politische Bewegungen immer wieder grauenhafte Ergebnisse gezeitigt. Aber die Kritik am politischem Gestaltungswillen wie etwa in gewissen Formen von Konservatismus, die es vielleicht als Hochmut und Hybris verwirft, leugnet dabei, dass man dadurch die politische Gestaltung einfach den jetzigen Machthabern und dem rücksichtslostesten Profit- und Machtstreben überlässt. Das geopolitische Chaos wie die multiplen Umweltschäden oder die korrupten Machenschaften der Finanzwelt sind eben auch das Ergebnis von kollektivem Desinteresse oder Resignation.
Vielleicht mehr als jede andere historische Epoche ist die Gegenwart das Ergebnis von vielen, jahrzehntelangen, kleinen, individuellen Entscheidungen und subliminalen Prägungen: denn wir wissen mehr, wir haben mehr Zeit und Handlungsspielräume, informieren uns vielseitig oder unterwerfen uns der Konsumgesellschaft, also auch dem Informationskonsum und der Desinformation.
Wenn sich allerdings unser politisches Denken und Wirken im Wesentlichen auf soziale Themen und Einzelschicksale beschränkt, ist zu befürchten, dass sich eiskalte Machthaber darum kümmern werden, genauso viel Elend und soziale Probleme zu erzeugen, wie wir gerade noch verarbeiten können. Und es zeigt sich auch, dass die Machthabenden alles versuchen, um genau jene politischen Diskurse zu diskreditieren, die möglichst demokratische Entscheidungsprozesse fordern, etwa mit dem Vorwurf der „Ideologie“ oder „Populismus“.
Damit global eine neue, gesündere Dynamik entsteht, könnte es allerdings schon reichen, wenn wir uns wieder kollektiv vermehrt um historische Wahrheit und stärkere Aufklärung der höchsten Machtsphären interessieren. Denn so wie ein kleines Ereignis oder eine einzelne Person die Stimmung einer Versammlung oder einer Organisation entscheidend verändern kann, so hängen gesellschaftliche Dynamik und Gleichgewicht von vielen kleinen Details und deren langfristigen Auswirkungen ab.