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Macht ist eine alltägliche Erscheinung. Sie durchdringt unsere aller Leben. Wir hassen sie, wenn sie unsere Autonomie einschränkt. Wir lieben sie, wenn sie uns hilft, unsere eigenen Ziele zu erreichen. Doch dann ist es eine heimliche Liebe. Im Film STAR WARS ist die Macht ein Energiefeld, das alle Lebewesen umgibt und durchdringt. Für Soziologen ist Macht die Chance, den eigenen Willen gegen Widerstände durchzusetzen. Wer nach Macht strebt, muss wissen, welche Machtmittel ihm zur Verfügung stehen. Wer sich gegen Machtansprüche wehren will, muss erkennen, wie Mechanismen wirken. Der Leser erfährt, welche Machtmittel es gibt, auf welchen Machtplätzen Machtspiele stattfinden und dass jeder Machthaber zugleich auch Machtbetroffener ist.
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Seitenzahl: 79
Veröffentlichungsjahr: 2017
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Kurze Einführung
Geschichten von der Macht
STAR WARS und die Macht
Macht ist wie Sex – nur anders
Macht in der Alltagssprache
David und Goliath
Das tapfere Schneiderlein
Machtsituationen im Alltag
Eltern und Kinder
Chef und Mitarbeiter
Wärter und Gefangene
Die vielen Seiten der Macht
Anatomie der Macht
Repressive Macht
Kompensatorische Macht
Konditionierte Macht
Persönlichkeit
Eigentum
Organisation
Schauplätze der Macht
Das Haus
Der Markt
Die Burg
Der Tempel
Methoden der Machtdurchsetzung
Aktionsmacht
Instrumentelle Macht
Autoritative Macht
Macht der Experten
Informations- und Themenkontrolle
Gatekeeping
Agenda-Setting
Macht der Algorithmen
Vier Definitionen von Macht
Macht braucht Legitimation
Wirkungen der Macht
Macht reduziert Alternativen
Argumentation
Manipulation
Drohung
Gewalt
Macht reduziert Komplexität
Macht als Kommunikationsmedium
Verweigerung der Machtausübung
Macht ermöglicht Herrschaft
Herrschaft, Gehorsam und Disziplin
Herrscher und Herrschaft
Herrschaft braucht Zustimmung
Gegenüberstellung Macht und Herrschaft
Macht löst Konflikte
Konkurrenz
Eroberung
Dissens
Schlüsselfragen zur Machtanalyse
Rückblick und Ausblick
Märchen in der Macht-Matrix
Ausblick
Literaturverzeichnis
Macht ist wie ein Chamäleon. Sie verändert ihr Erscheinungsbild je nach Situation. Oft wird Macht gar nicht mehr erkannt. Wir hassen sie, wenn durch sie unsere Autonomie eingeschränkt wird. Wir lieben sie, wenn wir dadurch unsere Vorstellungen und Ziele durchsetzen können. Es ist dann meist eine heimliche Liebe. Kaum jemand bekennt, dass er nach Macht strebt.
Wir alle haben eine persönliche intuitive Vorstellung von Macht. Wenn es darum geht, sie genauer zu beschreiben, gehen die Meinungen auseinander. Selbst Psychologen und Soziologen sind sich nur darin einig, dass es keine von allen anerkannte Definition gibt.
Utopien von einer machtlosen Gesellschaft gab es immer schon. Wo jedoch Menschen miteinander leben, ist Macht nicht wegzudenken. Sie durchdringt alle Bereiche unseres Daseins. Doch was ist Macht?
Die folgenden Seiten sind eine Spurensuche nach dem, was Macht ausmacht und mit uns macht. Es werden viele Seiten dieses Phänomens beleuchtet. Der Blick wird geschärft. Wer nach Macht strebt, erkennt an vielen Stellen, was zu tun ist. Wer Machtbetroffener ist, durchschaut die Mechanismen schneller und besser.
Ist Macht ein Energiefeld, wie es in den Science-Fiction-Filmen STAR WARS beschrieben wird? Warum bezwingt David den wesentlich stärkeren Goliath, obwohl ihm keine Chancen eingeräumt wurden? Wie kommt das tapfere Schneiderlein zu einem halben Königreich und zur Königstochter als Frau, obwohl er sich überschätzt? Und warum sind sich Sex und Macht ähnlich und doch verschieden?
„Möge die Macht mit Dir sein“, ist der Abschiedsgruß der Jedi-Ritter. Sie sind in der sehr erfolgreichen Science-Fiction- Filmserie die Guten. Die Bösen, das sind die Sith. Während die Jedi ihre Macht dazu verwenden, Wissen zu erwerben und Gutes zu tun, suchen die Sith die Macht um ihrer selbst willen. Wut, Hass und Aggression machen die Sith gefährlich und mächtig. Die Quelle, aus der sowohl die Jedi-Ritter als auch die Sith schöpfen, ist die gleiche: „Die Macht“ („The Force“). Die Jedi sehen sich als Werkzeuge dieser Macht. Die Sith nutzen die Macht als Werkzeug für ihre eigennützigen Zwecke. Die dunkle und die helle Seite der Macht stehen in einem ständigen Kampf gegeneinander: Friede, Wissen, Hoffnung auf der einen Seite, Hass, Verdorbenheit und Angst auf der anderen. Die Macht ist verantwortlich für das Gleichgewicht zwischen Schöpfung und Zerstörung, Leben und Tod. Nicht immer herrscht ein Gleichgewicht. Es gibt Zeiten, in denen die dunkle Seite die Oberhand gewinnt, zu anderen Zeiten ist es die helle Seite.
Abb. 1: In den STAR WARS Filmen ist die Macht ein Energiefeld, zu dem berufene Personen Zugang haben. Die Macht kann für das Gute und das Böse verwendet werden. Die Jedi verkörpern das Gute, die Sith das Böse.
Macht ist in STAR WARS eine „bindende und allgegenwärtige Kraft. Es ist ein Energiefeld, das alle Lebewesen umgibt und durchdringt und somit die Galaxis zusammenhält“.1 Nur auserwählte Personen können mit der Macht Verbindung aufnehmen. Dazu ist eine bestimmte Anzahl Kontaktelemente nötig, sogenannter Midi-Chlorianer. Der Jedi Qui-Gon Jinn beschreibt sie so: „Midi-Chlorianer sind eine mikroskopisch kleine Lebensform, die sich in allen lebenden Zellen befindet. Wir leben in Symbiose mit ihnen. Ohne die Midi-Chlorianer könnte kein Leben existieren und wir hätten auch keine Kenntnis von der Macht.“ 2Je mehr solche Midi-Chlorianer ein Lebewesen besitzt, desto stärker und mächtiger kann es werden. Der Durchschnittsmensch besitzt etwa 2.500 davon. Auserwählte kommen auf bis zu 20.000 dieser Midi-Chlorianer pro Zelle.
Damit wäre im Film geklärt, wie man mit der Macht kommuniziert und sie nutzen kann oder umgekehrt: wie die Macht mit den Menschen Verbindung aufnimmt. Midi-Chlorianer sind sozusagen die Funkstation, die auf der Machtfrequenz empfängt und sendet. Ungeklärt bleibt in den Filmepisoden aber dennoch, was Macht nun eigentlich ist. Man erkennt sie nur an den Wirkungen. Das eigentliche Wesen bleibt auch für die Jedi und Sith ein Mysterium. Die Fans der STAR WARS Serie stört das nicht. Das Geheimnisvolle der Macht, die sowohl das Gute als auch das Böse bewirken kann, trägt sicherlich zur Faszination dieser Serie bei.
Mit Macht ist es wie mit dem Sex: Man weiß, dass es ihn gibt und er praktiziert wird. Im Detail möchte man aber in der Öffentlichkeit besser darüber nicht reden. Beide haben noch mehr gemeinsam: In der Literatur, in Zeitschriften im Kino oder Fernsehen garantieren sie erhöhte Aufmerksamkeit. Mit Macht kann man Sex erzwingen. Sex kann in Beziehungen auch ein Machtmittel sein, um die andere Person gefügig zu machen oder zumindest Wohlverhalten zu erreichen.
Ein wesentlicher Unterschied besteht: Sex hat eine biologische Grenze, sowohl was die rasche Wiederholung des Sexualaktes betrifft als auch mit fortschreitendem Alter. Es gibt, wie die Verhaltensbiologen sagen, eine sogenannte Endhandlung. Darüber hinaus bleibt die Befriedigung aus. Das ist nicht so bei der Macht. Machtgelüste haben keine natürliche biologische Obergrenze. Macht ist eine nach oben offene Erscheinung. Von Macht kann man nicht genug bekommen. Sex ist für das biologische Überleben unserer Spezies unabdingbar. Macht ist für das soziale Überleben menschlicher Gesellschaften ebenso unentbehrlich. Machtfreie Räume gibt es nicht.
Macht hat kein besonders gutes Image. Man denkt sofort an Gewalt, Herrschaft, Unterdrückung oder Manipulation. Macht wird verteufelt, jedoch zugleich heimlich bewundert. Nur wer Macht hat, kann seine Ideen und Vorstellungen auch verwirklichen. Es gibt unter den Soziologen keine für alle verbindliche Definition von Macht. In einem stimmen sie jedoch überein: Macht ist in allen zwischenmenschlichen und gesellschaftlichen Beziehungen vorhanden.
Eine Definition von Macht findet man fast in allen Publikationen zu diesem Thema. Sie stammt von dem Soziologen Max Weber. Sie lautet: „Macht bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht.“3
Aber wäre damit alles über Macht gesagt? Diese Definition ist sicherlich hilfreich. Sie deckt jedoch nicht alle Facetten des Machtbegriffes ab. Denn es gibt auch eine Macht, die gar nicht auf „Widerstreben“ stößt, sondern auf scheinbar freiwillige Gefolgschaft. Denn wie sonst wäre es zu erklären, dass Personen freudig religiöse Rituale durchführen für einen Gott, dem sie noch nie persönlich begegnet sind und den es in den Augen von Atheisten gar nicht gibt?
Und wie ist es in engen persönlichen Partnerschaften oder der Ehe, wenn man freiwillig den Wünschen des anderen Partners entgegenkommt? Und fühlen wir uns „bemächtigt“, wenn wir im Straßenverkehr mit dem Auto auf der rechten Seiten fahren? Gibt es vielleicht Machtquellen, die wir gar nicht mehr wahrnehmen und die dennoch unser Leben unentdeckt steuern oder zumindest wesentlich mitgestalten?
Wir benutzen in alltäglichen Gesprächen sicherlich sehr oft den Begriff „Macht“, alleine oder in seinen unzähligen Wortkombinationen wie: Allmacht, Marktmacht, Übermacht, Vollmacht, Vormacht, Atommacht, Besatzungsmacht, Großmacht, Schutzmacht, Seemacht, Gesetzesmacht, Polizeimacht; Machtergreifung, Machtmissbrauch, Machtwort, Machtmittel, Machtmonopol, Machtzentrum, Machtmensch. Und wir können Macht: ausüben, besitzen, ergreifen, erlangen, haben, übernehmen oder an die Macht kommen. Jemand ist: machtgeil, machtlos, machtvoll, machtversessen. „Macht“ gehört also alleine oder in Wortkombinationen zu den oft gebrauchten Wörtern der Umgangssprache. Jeder glaubt zu wissen, was damit gemeint ist. Und wenn es schwierig wird, können wir ja immer noch im Internet nachlesen. Dort steht beispielsweise:
„Macht bezeichnet sozialwissenschaftlich einerseits die Fähigkeit einer Person oder Interessengruppe, auf das Verhalten und Denken einzelner Personen, sozialer Gruppen oder Bevölkerungsteile einzuwirken. Andererseits stellt eine Extremposition der Macht die Durchsetzungsfähigkeit dar, einseitig definierte Ziele zu erreichen, ohne sich selbst äußeren Ansprüchen gegenüber beteiligten Personen zu unterwerfen oder diesen entgegenkommen zu müssen (wollen). Dies ist bei Vorliegen der Möglichkeit einer Einflussnahme mittels Strafandrohung der Fall, wobei auf die Zielpersonen ein unterdrückender Zwang ausgeübt wird, sich zu fügen.“4
Doch wir müssen in unseren alltäglichen Gesprächen zum Glück nicht immer in einem Lexikon nachschlagen. Im Allgemeinen verstehen wir recht gut, was beispielsweise man mit Freiheit, Geist, Wissenschaft, Wahrheit, Demokratie, Liebe, Religion, Vertrauen oder auch Macht meint. Wissenschaftlich scharfe eindeutige Definitionen sind dazu nicht erforderlich. Woran liegt das? Es sind hauptsächlich drei Gründe5: