Wegweiser durch den deutschen Sozial-Dschungel - Peter Baacke - E-Book

Wegweiser durch den deutschen Sozial-Dschungel E-Book

Peter Baacke

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Beschreibung

Dieses Buch soll all diejenigen ansprechen, die durch chronische Überforderung nicht mehr in ihrem Beruf bestehen können. Burn-out stellt ein ernst zu nehmendes Krankheitsbild dar, das aktueller denn je ist. Den Betroffenen kann neben Erschöpfungssymptomen auch Existenzangst befallen. Finanzielle Sorge ist der Hauptgrund, warum es viele Erkrankte wieder zurück ins Hamsterrad treibt, statt sich im Leben neu aufzustellen. Der Autor beschreibt, wie er nach eigenem Burn-out mit Mitte 50 den Ausstieg schaffte und die Zeit bis zur vorgezogenen Altersrente finanziell optimal überbrücken konnte. Auf seinem Weg erwarb er sich einen Wissensfundus, der oft Sachbearbeitern der deutschen Leistungsträger so im Detail nicht geläufig ist. Der Vorzug dieses Buches liegt darin, dass es praktische Erfahrung mit fundierten Rechercheergebnissen vereint. Der Ratgeber liefert aktuelle Informationen (Stand: 2023) und wissenswerte Erkenntnisse zu den Themen: - Erfolgreiches Vorgehen beim Abfindungsgespräch - Wichtiges zum Aufhebungsvertrag - Vorzüge des Dispositionsjahres - 156 Wochen Krankengeld - das geht! - 29 Monate Arbeitslosenunterstützung - machbar! - Strategie zur Erwerbsminderungsrente - nicht aufgeben! - Leistungsbezug im EU-Ausland - möglich! - So holen sich Geschiedene ihre Rentenpunkte zurück! - Leistungsbezug und Nebentätigkeit - Unterstützung durch den VdK - macht Sinn! - Viele inhaltliche und steuerliche Tipps Der Autor schildert leicht verständlich und chronologisch, wie er seinen persönlichen Ausstieg meisterte. Im ersten Schritt hob er sein Arbeitsverhältnis per Abfindungsvertrag auf und konnte über mehrere Jahre lückenlos Lohnersatzleistungen nutzen. Schließlich wanderte er mit seiner neuen Frau nach einer teuren Scheidung ins grenznahe Ausland und beantragte Erwerbsminderungsrente auf dem Weg zur vorgezogenen Altersrente. Auf seinem Pfad bestätigte sich oft, dass fundiertes Wissen über die deutsche Sozialversicherung unabdingbar ist, um rechtmäßig erworbene Versicherungsansprüche durchsetzen zu können. In Deutschland muss kein gut ausgebildeter Arbeitnehmer, der ein Leben lang die Sozialversicherungen fütterte, bei einem vorzeitigen krankheitsbedingten Berufsausstieg in die Armutsfalle geraten. Vieles ist möglich und Wissen schafft Sicherheit! Das ist das Ziel dieses Buches.

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Seitenzahl: 176

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhaltsverzeichnis

Der Aufbau meines Buches

Grundlagen zu Burn-out

Der Unterschied zwischen Burn-out und Depression

Das Märchen vom Multitasking

Burn-out und das Dramadreieck von Karpman

Erster Therapieansatz – der Gang zum Profi

Kommt Ihnen das irgendwie bekannt vor?

Möglichkeiten des beruflichen Ausstiegs

Das Modell

"Arbeit in Teilzeit"

Das Modell

"Altersteilzeit"

Das Modell

"Komplettausstieg"

Station 1 Erster Krankengeldblock

Krankengeldbezug und Blockfrist

Umgang mit der Krankenkasse

Die Krankengeldhöhe

Station 2 Erste Reha-Phase

Der Reha-Aufenthalt

Das Übergangsgeld der Rentenversicherung

Station 3 Betriebliches Wiedereingliederungsmanagement

Station 4 Beruflicher Ausstieg per Abfindungsvertrag

Die Abfindung – der Einstieg in den Ausstieg

Wieviel Rente steht mir zu?

Was würde ich in Altersteilzeit verdienen?

Mit welchen Lohnersatzleistungen kann ich rechnen?

Welche Abfindungssumme benötige ich mindestens?

Das Abfindungsgespräch – Ihre letzte Tarifrunde!

Was sollte im Aufhebungsvertrag stehen?

Vater Staat greift ordentlich zu!

Wichtiges für die Zeit unmittelbar danach!

Weiter im Krankengeld nach dem Ausstieg?

Station 5 Das Dispositionsjahr

Station 6 Erste Arbeitslosenphase

Die Arbeitsagentur ist heute besser als ihr Ruf!

Dauer und Höhe des ALG I-Bezugs

Arbeitslosigkeit und Urlaub

Das Thema Bewerbungsaufforderung

Station 7 Zweiter Krankengeldblock

Krankengeldblock bei gleicher Krankheit

Kann ein Krankenkassenwechsel sinnvoll sein?

Station 8 Zweite Reha-Phase

Die Bedeutung des Entlassungsberichts

Die Bedeutung des Hausarztbefunds

Station 9 Zweite Arbeitslosenphase

Erneuter ALG I-Anspruch nach der Aussteuerung!

ALG I-Bezug mit Vermittlung auf dem Arbeitsmarkt

ALG I-Bezug nach der Regel zur Nahtlosigkeit

Die ALG I-Höhe nach längerer Auszeit!

Station 10 Erwerbsminderungsrente

Die Chance auf Erwerbsminderungsrente

Voraussetzungen

Die Rentenversicherung prüft nach Befundlage!

Fall A: Die Erwerbsminderungsrente wird bewilligt

Fall B: Die Erwerbsminderungsrente wird abgelehnt

Weiteres Vorgehen bei einer Ablehnung

Wenn der Gutachtertermin droht!

Station 11 Auslaufphase zur vorgezogenen Altersrente

Station 12 Vorgezogene Altersrente

Allgemeines zur Rentenhöhe

Erste Abschätzung mit dem Rentenrechner

Allgemeines zum Rentenantrag

Irrtümer über die abschlagsfreie Rente mit 63 Jahren

Sonderthema Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben

Sonderthema Existenzgründung über die Arbeitsagentur

Sonderthema Sozialversicherungen und Nebeneinkünfte

Sonderthema Rente bei Geschiedenen

Sonderthema Wohnsitz im EU-Ausland

Sonderthema Auszahlung der Altersvorsorge

Wichtige Bausteine der Altersvorsorge

Die Auszahlungssumme und der Fiskus!

Die Auszahlungssumme und die Krankenkasse!

Die Rolle des VdK

Gesetzliche versus Private Krankenversicherung

Anmerkung zur Fachkräfte- und Rentenpolitik

Schlussbetrachtung

Über den Autor

Index

Quellenverzeichnis

Der Aufbau meines Buches

Ich möchte mit diesem Nachschlagewerk anhand meiner eigenen Biografie zum Nach- und eventuell Umdenken anregen, wie nach einer Burn-out-Erkrankung der Ausstieg aus einem langen stressigen Arbeitsleben gelingen kann. Es ist ein Wegweiser durch die sozialrechtlichen Pfade in Deutschland, um finanziell abgesichert den wohlverdienten Ruhestand erreichen zu können.

Mein Buch ist chronologisch so aufgebaut, wie ich die einzelnen "Stationen" ab der ersten Kranken- und Rehabilitationsphase, über die berufliche Ausstiegsplanung und Zeiten der Arbeitslosigkeit bis zum Antrag auf Erwerbsminderungsrente erlebte.

Zu Beginn jedes Kapitels beschreibe ich zunächst meine persönlichen Erfahrungen.

Ich gebe in den einzelnen Stationen interessante finanzielle und steuerrechtliche Hinweise. Darüber hinaus ergänze ich das Wissensspektrum in Sonderthemen.

Beschreibungen und Hinweise werden grafisch gekennzeichnet:

Persönliche Erfahrungen in der jeweiligen

"Station"

Mein persönlicher Lebensabschnitt

Wichtige inhaltliche Hinweise

Finanzielle/steuerliche Tipps

Zur besseren Lesbarkeit des Textes verzichte ich auf das sogenannte "Gendern" und bevorzuge die traditionelle Schreibweise. Dieses Buch ist selbstverständlich an alle Geschlechtergruppen gerichtet.

Grundlagen zu Burn-out

In der gesellschaftlichen Wahrnehmung gilt Burn-out heute immer noch als reine "Managerkrankheit" . Vereinzelte Medienberichte über betroffene Politiker, Leistungssportler, Sänger oder Schauspieler bilden nicht die Lebenswirklichkeit in unserer Gesellschaft ab.

Laut AOK-Report aus dem Jahr 2021 wurden etwa 142 Arbeitsunfähigkeitstage je 1.000 Mitglieder mit Überlastungsstörungen gezählt. In den letzten zehn Jahren stieg die Zahl der Ausfalltage um rund 50 %. Während in 2005 noch ca. ein Fall je 1.000 Mitglieder registriert wurde, versechsfachte sich die Zahl in 2021. Dies führte im Jahr 2021 zu rund 194.000 Burn-out-Betroffenen mit durchschnittlich 4,8 Millionen Arbeitsunfähigkeitstagen.1

Ärzte diagnostizieren bei Burn-out eine Überlastungsstörung mit Depression und/oder generalisierter Angststörung. Die Fachmedizin hat für dieses Krankheitsbild bis dato noch keine eigene Klassifikation in Form eines ICD-Codes (International Classification of Diseases).

Aus meiner persönlichen Erfahrung mit Rehabilitanden auf meinen beiden Klinikaufenthalten erkannte ich, dass Überlastungsstörungen inzwischen auch bei Nicht-Managern weit verbreitet sind.

In den psychologischen Gruppenrunden hatten rund 90 % der Patienten mit Dauerstress in der Partnerschaft, Verlust von geliebten Menschen und mit Mobbing oder Bossing am Arbeitsplatz zu kämpfen.

Vom Begriff Bossing hörte ich zum ersten Mal auf meiner letzten Reha. Bei Mobbing und Bossing handelt es sich um alle Arten von Belästigungen und unfairen Attacken im Arbeitsalltag gemäß § 1 AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, 18.08.2006).2

Bossing ist eine besondere Form von Mobbing, die durch den Vorgesetzten (=Boss) betrieben wird. Es geht um Übergriffigkeiten durch Vorgesetzte, die einen systematischen Charakter entwickeln und über das Maß von einmaligen Unfreundlichkeiten oder Schikanen hinausgehen.

1 Vgl. Radtke, 2023

2 Vgl. Hensche, 2018

Der Unterschied zwischen Burn-out und Depression

Diesen Unterschied erklärte mir eine Reha-Ärztin in einem interessanten Vortrag zum Thema Stressmanagement. Wörtlich übersetzt bedeutet Burn-out "Ausgebrannt sein" durch Dauerbelastung.

Wenn man sich in einer Stresssituation befindet, dann triggert die Hirnanhangdrüse (Hypophyse) die Nebennierenrinde an, Botenstoffe wie Cortisol und Adrenalin zu bilden. Die Stressregulation erfolgt über die sogenannte Hypothalamus-Hypophyse-Nebennierenachse (HPA-Achse). Die HPA-Achse wird auch Stressachse genannt, welche ein komplexes Aktivierungs- und Hemmungsmuster erzeugt. Dieses Muster bildet die Basis für unsere Anpassungsfähigkeit an Belastungssituationen.3

Die Aktivierung von Botenstoffen ist prinzipiell eine normale körperliche Reaktion, die darauf abzielt, dass der Mensch entweder auf eine Angriffs- oder auf eine Fluchtreaktion vorbereitet wird. Diese Hormone sorgen dafür, dass der Körper auf Höchstleistung getrimmt wird. Das Herz schlägt schneller und der Blutdruck steigt. Die Blutbahn weitet sich, damit mehr Energie zum Gehirn und zu den Muskeln transportiert wird.

Unsere Ahnen waren mit diesem Regelsystem in der Lage, schnell auf Gefahren zu reagieren und somit ihr Überleben zu sichern. War die Gefahr gebannt, konnte unser Vorfahr dann wieder auf seine gewohnten Aktivitäten übergehen und dabei überschüssigen Stresshormone unter anderem durch körperliche Bewegung abbauen.

Dieses Überlebensprinzip ist nur auf kurze Stressphasen ausgelegt!

In der modernen Leistungsgesellschaft sind wir immer höheren und länger anhaltenden Belastungen ausgesetzt und haben kaum mehr die Möglichkeit, auf "Null" herunter zu fahren. In Entspannungs- und Bewegungsphasen werden Stresshormone wieder abgebaut. Deshalb ist ein Wechsel aus Spannung und Entspannung für ein gesundes Leben so essenziell.

Hat man nach Dauerbelastung keine Möglichkeit, seinem Körper Ruhe zu gönnen, so kann die Nebennierenrinde erschöpfen. In der Folge reduziert Sie die Hormonproduktion von Cortisol und Adrenalin.

Durch dieses Defizit an Aktivatoren wird wiederum die Leistungsfähigkeit eingeschränkt. Körperliche und geistige Tätigkeiten fallen plötzlich schwerer als zuvor.

Einen Burn-out bzw. eine chronische Erschöpfung kann man durch ein Blutbild des Cortisolspiegels in einem Hormonzentrum nachweisen. Das ist in unserem Gesundheitswesen bedauerlicherweise mit Selbstkosten verbunden, da die Krankenkassen hier nicht einspringen. Es gibt eine neue Methode zur Langzeituntersuchung des Cortisolspiegels. An der Fakultät für Biopsychologie der TU-Dresden wird aktuell die Möglichkeit einer Langzeituntersuchung des Cortisol-Spiegels über menschliche Haarproben beschrieben.4

Diese Methode befindet sich noch im Forschungsstadium, könnte jedoch die künftigen Diagnosemöglichkeiten von chronischem Stress revolutionieren.

Wie äußert sich Burn-out?

Bei Burn-out handelt es sich um einen Krankheitsprozess, ausgelöst durch lange Überlastungsphasen. Der Betroffene fühlt sich von ständigen Umweltanforderungen überfordert. Er kann Aufgaben nicht mehr priorisieren und gerät zunehmend in einen Gefühlszustand der Sinnlosigkeit. Der Patient lebt in einem permanent übererregten Zustand. Es entwickelt sich ein Ungleichgewicht des vegetativen Nervensystems, wobei der sympathische Teil die Oberhand gewinnt. Dies äußert sich in einem hohen Ruhepuls, erhöhtem Blutdruck und Schlafstörungen. Chronischer Stress stellt einen hohen Risikofaktor für eine spätere Angsterkrankung dar.

Ein Burn-out kann auch in eine Depression münden, wenn nicht rechtzeitig gegengesteuert wird.

Im Gegensatz zum Burn-out ist Depression ein Krankheitsbild, das vornehmlich durch den zu schnellen Abbau von Serotonin und Dopamin (=Glückshormone) in den synaptischen Spalten der Nervenzellen im Gehirn ausgelöst wird. Eine Depression kann schleichend oder sogar über Nacht entstehen! Die äußeren Auslöser sind ähnlich wie bei einem Burnout. Depression kann zu Freud- und Antriebslosigkeit, Stimmungsschwankungen bis hin zu Suizidgedanken führen. Der Depressive findet sich in seinem Alltag nicht mehr zurecht. Für ihn können alltägliche Dinge wie Körperpflege bereits zu unüberwindbaren Hürden werden.5

Charaktereigenschaften und Resilienz

Es gibt Menschen in unserer Leistungsgesellschaft, die nichts "umwerfen" kann. Diese Charaktere sind mit einer positiven Eigenschaft ausgestattet, der sogenannten "Resilienz" . Resiliente Personen besitzen eine erstaunliche Widerstands- und Anpassungsfähigkeit gegenüber langen und intensiven Stresssituationen, ohne dabei zu erkranken.

Burn-out-gefährdet sind vor allem Charaktere, die perfektionistisch veranlagt sind und sich selbst zu viel zumuten. Also eigentlich die potenziellen Leistungsträger!

Depressions-gefährdet sind eher hochsensible und empathische Menschen. Dadurch reagieren Sie auf äußere Stressfaktoren sehr vulnerabel.

Die körpereigene "Batterie"

Ich möchte als Diplom-Ingenieur, der lange Zeit in der Elektromobilität tätig war, die Stressantwort eines jungen mit der eines älteren Menschen in Analogie zur Batterietechnik vergleichen!

Ein junger Mensch verhält sich wie ein moderner Lithium-Ionen-Akkumulator. Dieser Akku hat die Eigenschaft, dass er in neuem Zustand oft tiefenentladen werden kann, ohne Schaden zu nehmen.

Ein älterer Mensch, der in seinem Leben schon einige "Tiefenentladungen" erlebte, verhält sich dagegen wie ein konventioneller Bleiakku. Der Bleiakku weist beim Entladen den sogenannten "Memoryeffekt" auf, was bedeutet, dass er sich an seinen letzten Ladezustand erinnert. Wird er beispielsweise mehrmals bis zu 95 % entladen und danach wieder aufgeladen, merkt er sich jedes Mal den letzten Entladezustand. Der neue 100 %-Ladelevel beträgt dann real nur noch 95 % des Ursprungszustands. So nimmt mit jeder Tiefenentladung die Kapazität der Batterie ab. Der Bleiakku verschleißt in seinem Lebenszyklus somit schneller als ein moderner Lithium-Ionenspeicher.

Genauso verhält es sich in unserem Körper in zunehmendem Alter auch mit unserer Nebenniere als wichtigem hormonproduzierenden Organ. Sie wird im Laufe des Lebens durch permanente Produktion von Stresshormonen ermüdet. Die Fachmedizin spricht dann von einer "Fatigue" – der sogenannten Nebennierenschwäche. Der Volksmund ist auch in diesem Fall der beste Mediziner. Nicht umsonst heißt es: "Das geht mir an die Nieren!"

Das Märchen vom Multitasking

Um es vorwegzunehmen: "Das menschliche Gehirn ist definitiv nicht multitaskingfähig!"

Ich fand einen interessanten Artikel unter lernen.net, der die Thematik gut beschreibt.6

Der Begriff "Multitasking" bedeutet, dass man innerhalb eines kurzen Zeitabschnitts mehrere Aufgaben ("Tasks") gleichzeitig erledigen kann. Unter einem "Task" versteht man in diesem Fall eine komplexe Aufgabe, die hohe Konzentration erfordert.

In unserer modernen Leistungsgesellschaft hat sich die Arbeitsweise etabliert, innerhalb kürzester Zeit möglichst viele Aufgaben aus einer langen To-do-Liste abzuarbeiten. Das Ziel besteht darin, produktiver und effizienter zu arbeiten.

Multitasking ist nur in der Computertechnologie umgesetzt. Hierzu muss ein Computer allerdings mehrere Prozessoren besitzen, um Aufgaben wirklich parallel abarbeiten zu können.

Die menschliche Fähigkeit des Multitaskings ist somit eine Illusion. Unser Gehirn ist darauf ausgelegt, Aufgaben nacheinander zu erledigen. Es ist durchaus in der Lage, lange eingeübte und routinierte Tätigkeiten zu parallelisieren, nicht jedoch anspruchsvolle Aufgaben, die vielleicht erst neu erlernt werden müssen.

Beispiele für Multitasking von Routinetätigkeiten:

Gitarre spielen und dabei singen!

Autofahren und Telefonieren (jedoch hohe Ablenkungsgefahr!)

Die Routinetätigkeiten werden dabei über das Kleinhirn gesteuert. Anspruchsvolle Tätigkeiten und Lernaufgaben werden über das Großhirn abgearbeitet.

Der Irrtum des menschlichen Multitaskings liegt darin, dass wir bei anspruchsvollen Aufgaben eigentlich "Singletasking" betreiben und unter Zeitdruck häufig nur von einer zur anderen Aufgabe wechseln. Man spricht auch vom "Taskswitching" .

Diese Art der Problemabarbeitung birgt gravierende Gefahren:

Durch den häufigen Switch zwischen verschiedenen Aufgaben sinkt die Konzentrationsfähigkeit.

Die Informationsaufnahme im Gehirn sinkt.

Die Fehlerquote in der Abarbeitung steigt.

Permanente Ablenkung erhöht die Unfallgefahr.

Die Stressbelastung steigt und kann zu psychischen Überlastungsproblemen wie Burn-out führen.

Burn-out und das Dramadreieck von Karpman

In einem sehr interessanten Vortrag auf meiner zweiten Reha lernte ich das Dramadreieck als ein psychologisches Modell aus der Transaktionsanalyse kennen, welches von Stephen Karpman gegen Ende der 1960er-Jahre entwickelt wurde.7

Laut Transaktionsmodell finden sich in der menschlichen Persönlichkeit drei wesentliche Rollen. In unserer Persönlichkeitsstruktur wechseln wir je nach Lebenssituation ständig diese Rollen!

1. Opfer-Rolle:

Das Opfer ist hilflos und zeigt, dass es nicht alleine zurechtkommt!

2. Verfolger-Rolle:

Der Verfolger übt Kritik. Er setzt das Opfer unter Druck und zeigt dem Opfer, wie hilflos es ist.

3. Retter-Rolle:

Der Retter bietet Hilfe an, ohne explizit darum gebeten zu werden.

Stephen Karpman und das Dramadreieck8

Das Burn-out-Syndrom und die Opferrolle

Mit Burn-out fühlt sich der "Ausgebrannte" in der Opferrolle! Im Beruf wird er vom Chef oder von Kollegen gefordert, Erwartungen aus seinem privaten Umfeld sind nicht mehr zu befriedigen. Finanzielle Sorgen, problematische Partnerschaften, etc. lassen keine Kapazitäten als Retter oder Verfolger mehr zu. Es besteht die Gefahr, systematisch in die passive Opferrolle gedrängt zu werden.

Der Weg aus der Opferrolle

Der Betroffene muss lernen, sich kurz- bis mittelfristig aus der Defensive zu bewegen, indem er zunächst seine bisherige Lebenssituation reflektiert. Er muss lernen, relevante Stressoren zu reduzieren, im besten Fall gänzlich zu überwinden.

Erster Therapieansatz – der Gang zum Profi

In meiner akuten Burn-out-Phase konnte ich private und berufliche Anforderungen nicht mehr in Einklang bringen. Ich wurde in meinem geschwächten Zustand zunehmend freudlos und verzweifelt. Ich hatte Phasen der Lebensangst und entwickelte psychosomatische Symptome. Meine Psychiaterin versorgte mich zunächst medikamentös mit Antidepressiva, Anxiolytika (=angstlösende Medikamente) und Tavor, einem Tranquilizer, der nur begrenzte Zeit wegen Abhängigkeitsgefahr zulässig ist, um aus meinem psychischen Tief zu kommen. Gleichzeitig erhielt ich Unterstützung durch eine Gesprächstherapeutin, die mich in meiner Akutphase auffing.

Resümee:

Jeder länger anhaltende Stress, der nicht durch Entspannungsphasen unterbrochen wird, um die körpereigene "Batterie" wieder aufzuladen, wirkt sich besonders im mittleren Alter ungesund auf unser Hormonsystem und somit auf unsere körperliche und mentale Leistungsfähigkeit aus.

Nach einem Burn-out sind Ruhe und professionelle Unterstützung die Mittel der Wahl!

Der Patient sollte jedoch in einer Ruhephase nicht passiv darauf warten, dass sich etwas an seinem Zustand ändert. Trotz aller Widrigkeiten ist Selbstaktivierung wichtig. Ein Hobby oder eine Beschäftigung, die persönlich Freude und Entspannung bereitet, kann das körpereigene Belohnungssystem reaktivieren.

Ich persönlich konnte mich nach meiner Akutphase wieder durch erste Basteltätigkeiten und frühere Hobbys motivieren. Wirklich hilfreich ist regelmäßige Bewegung. Es sollte allerdings kein übertriebener Sport sein, um nicht dadurch auch noch in eine körperliche Stressfalle zu geraten. Moderate Bewegung ist ausreichend, um das hormonelle Gleichgewicht wieder herzustellen!

Auch nach einem gelungenen Weg aus der Stressfalle kann chronische Erschöpfung nachhaltige körperliche und seelische Spuren hinterlassen.

Aus eigener Krankheitserfahrung weiß ich, dass meine Leistungsfähigkeit heute bei Weitem nicht mehr so hoch ist wie vor dem Burn-out. Bestimmte Symptome treten in belastenden Situationen immer wieder auf. Ich gehe allerdings anders damit um und bewerte diese nicht mehr so stark.

Nach der Akutphase eines Burn-outs ist eine Neujustierung im Leben erforderlich!

Primäre Ziele:

Akzeptieren, dass die Leistungsfähigkeit nach einem Burn-out eingeschränkt ist!

Regel zur Achtsamkeit:

"Es ist, wie es ist!"

Es gilt, Situationen, Gefühle und Gedankenmuster neutral und bewertungsfrei wahrzunehmen!

Neue (körperliche und seelische) Grenzen setzen!

Lernen, auch einmal

"Nein"

zu sagen, um sich von äußerem Druck zu entlasten!

Wichtige Leitfragen:

"Muss ich mir meine aktuelle Lebenssituation so noch weiter antun?"

"Wie schaffe ich mir einen Weg, auf dem ich zunächst einmal Ruhe und die Gelegenheit zum Nachdenken finden kann?"

"Wie führt mich dieser Weg raus aus der passiven Opferrolle wieder in eine aktive Gestalter-Rolle?"

"Wer kann mich auf diesem Weg therapeutisch begleiten?"

"Wie schaffe ich mir finanziellen Spielraum und wer unterstützt mich dabei?"

3 Vgl. Resilienz Akademie, 2022

4 Vgl. Kaden, 2017

5 Vgl. Hery-Moßmann, 2022

6 Vgl. Lernen.net, Multitasking, 2023

7 Vgl. Schlegel, 1993

8 Vgl. Nierlich, Bolliger, 2022

Kommt Ihnen das irgendwie bekannt vor?

Ich führte lange Jahre, vielleicht sogar Jahrzehnte ein belastendes Leben zwischen eigenen hohen Ansprüchen, familiären Konflikten und beruflicher Überforderung. Ich erkannte meine Grenzen zu spät oder ignorierte sie zu lange. Ich lief unweigerlich in einen Burn-out. Diese Phase war hart, aber auch sehr lehrreich für mich. Ich lernte, über mein Leben zu reflektieren und meine persönliche "Tabula rasa" einzuleiten.

Mit Anfang 50 stellte ich mir die entscheidenden Lebensfragen: "Muss ich mir dieses Hamsterrad noch antun?" und "Wie komme ich da raus?"

Mein Berufsausstieg kündigte sich bereits einige Jahre zuvor schrittweise an. Er wurde schließlich durch meinen Aufhebungsvertrag mit Mitte 50 konkret.

Ich akzeptiere heute meinen Gesundheitszustand und befinde mich in einer finanziell relativ abgesicherten Situation. Diese resultiert aus einer ausreichenden Abfindungssumme und zusätzlichen Versicherungsleistungen der sozialen Leistungsträger in Deutschland. Auf die Unterstützung von Krankenkasse, Arbeitsagentur und Rentenversicherung habe ich nach einem langen Arbeitsleben einen Rechtsanspruch. Es handelt sich hierbei nicht um Sozialhilfe, sondern um erworbene Ansprüche, für die ich lange den Höchstsatz an Abgaben leistete. Natürlich werde ich das Einkommen, das ich in meinem alten Beruf erzielte, nie wieder erreichen. Eine wichtige Erkenntnis meines Ausstiegs war eben auch, die Bedeutung von Luxus und Besitz nicht mehr in den Vordergrund zu stellen. Hier geht Zufriedenheit vor materiellem Status!

Ich zog mit meiner neuen Frau - ich bin inzwischen nach langer belastender Ehe wieder glücklich verheiratet - ins grenznahe Ausland. Mir war es ein Bedürfnis, auch örtlich meine Vergangenheit hinter mir zu lassen, ohne allerdings meine in Deutschland erworbenen Ansprüche zu verlieren.

Ich bezeichne mich persönlich als Perfektionisten und zielstrebig, also ein wahrer "110-Prozentiger" . Diese Eigenschaften sind prädestiniert dafür, im Laufe der Zeit in ein Überlastungsrisiko zu geraten.

Ich vollzog mein TU-Studium des allgemeinen Maschinenbaus mit sehr gutem Erfolg in Regelstudienzeit und startete meinen beruflichen Werdegang im Automotive-Bereich in einem deutschen Großkonzern. Schon nach wenigen Jahren erreichte ich durch Förderprogramme im Unternehmen den Aufstieg in die erste Hierarchiestufe als Führungskraft. Mit der ersten Führungserfahrung spürte ich im Laufe der Jahre allerdings, dass weitere Karriereschritte mir zu viel an Energie und Freizeit abverlangen würden. Ich hatte in der sogenannten "Sandwichposition" mit eigenen Mitarbeitern und mit Vorgesetzten des mittleren und oberen Managements zu tun und war auch international tätig.

Im beruflichen Umfeld veränderte sich die Arbeitsweise im Laufe der Jahrzehnte dramatisch und entwickelte sich somit zu meinem ersten Hauptbelastungsfaktor. Im Unternehmen galten die Sätze "Stillstand ist Rückschritt" und "Das Unternehmen ist zum Erfolg verdammt" . Der Globalisierung wurde immer mehr Rechnung getragen! Die modernen Kommunikationsmittel waren Laptop, Diensthandy und privates Handy, um jederzeit für jeden erreichbar zu sein. So bewaffnet saßen wir Kollegen in Gremien und Technikkreisen. Einer trug vor, die anderen bearbeiteten ihre E-Mails nebenbei, ein Weiterer ging raus zum Telefonieren. Es war ein reges Kommen und Gehen und störte die Konzentration der Runde. Meine Vorgesetzten meldeten sich zwischendurch telefonisch oder per E-Mail und benötigten umgehend Rückmeldung. Generell herrschte keine Ruhe mehr in der Atmosphäre von Großraumbüros und Projektflächen, um konzentriert arbeiten zu können. Schließlich bekam ich einen neuen jüngeren Vorgesetzten, der extern von einer Beraterfirma in das Unternehmen kam. Er legte in unserer Organisation eine Schrittzahl vor, die für mich persönlich mit über 50 Jahren nicht mehr zu stemmen war. Zehn Projekte zu 10 % gleichzeitig bearbeiten, sogar im Urlaub erreichbar bleiben, samstags im Homeoffice die Folgewoche vorbereiten, teilweise bis zu fünf Termine parallel im Kalender erhalten, ohne zu wissen, welcher Termin nun oberste Priorität hatte. Es war anscheinend eben alles gleich wichtig. "Multitasking" war gefordert!

Meine private Situation entwickelte sich aufgrund der schweren Depression meiner damaligen Ehefrau ebenfalls zu einem großen Belastungsfaktor. Ich musste in dieser Zeit die Rolle von Berufstätigem, Vater und Hausmann übernehmen. Darüber hinaus war ich mit regelmäßigen Klinikbesuchen meiner Frau beaufschlagt. Laut Statistik besteht bei etwa der Hälfte der Personen mit depressiven Partnern langfristig die Gefahr, selbst in eine Depression zu rutschen.

Meine ersten Burn-out-Signale.

Im Lauf der Jahre bekam ich die ersten psychosomatischen Warnschüsse wie Bluthochdruck (trotz oder gerade auch wegen übertriebenen sportlichen Ausgleichs!), Schlafstörungen, einen Bandscheibenvorfall und erste Verspannungen beim Sprechen. Mir verschlug es regelrecht die Stimme und die Stimmlippen verkrampften. Ich litt zunehmend unter Schluckbeschwerden und Übelkeitsanfällen. Es waren wohl die ersten Anzeichen dafür, dass ich zu viel im Leben "schlucken" musste und "unverdaute" Probleme zu bewältigen hatte! In meiner Akutphase wurden mir innerhalb nur eines Jahres drei Zähne gezogen. Mein Zahnarzt wunderte sich, wie in kürzester Zeit so viel Knochenabbau im Kiefer möglich war. Nachweislich ist vermehrte Cortisol-Bildung dafür verantwortlich, dass Muskel- und Knochenmasse abgebaut werden und die Kollagen- und Elastin-Fasern des Bindegewebes immer weiter schwinden können.

Anfangs rannte ich ausschließlich meinen Symptomen hinterher, studierte meine Leiden im Internet und wies zunehmend "cyberchondrische" Züge auf (= Hypochonder mit Internetanschluss!). Alle konsultierten Ärzte fanden keine körperlichen Ursachen und bescheinigten mir eine Überlastungsstörung.

Nachdem der Leidensdruck immer größer wurde, stellten sich erste Konzentrationsprobleme in der Arbeit ein. Ich verwechselte zunehmend Fachdetails und fühlte immer mehr, dass ich endlich eine Entscheidung treffen musste. Die innerliche Kündigung bahnte sich bereits einige Jahre zuvor an! Mein Hausarzt tat schließlich das einzig Richtige, indem er mich längere Zeit krankschrieb. Er überwies mich gleichzeitig an einen Profi, wie er es nannte – an den Psychiater. Ich unterrichtete meinen Vorgesetzten, dass ich in meinem Zustand nicht mehr weiterarbeiten könne und bereits Antidepressiva einnehme. Ich teilte ihm mit, dass ich mich längerfristig krankschreiben lassen und primär auf meine Gesundung achten würde.

So begann der erste Schritt zum Ausstieg aus der Misere!