Weiblich, ledig, untot - Mary Janice Davidson - E-Book
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Weiblich, ledig, untot E-Book

Mary Janice Davidson

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Beschreibung

Betsy Taylor hat eine fürchterliche Woche hinter sich -- erst verliert sie ihren Job, dann kommt sie bei einem Autounfall ums Leben - und stellt schließlich fest, dass sie gar nicht wirklich tot ist! Außerdem wird sie ständig von einem unheimlichen Heißhunger auf Blut geplagt. Ihre neuen Freunde halten sie für die lange prophezeite Königin der Vampire. Betsy ist da anderer Meinung, doch die Vampire ködern sie mit einer Geheimwaffe, der sie nicht widerstehen kann: Designerschuhe. Mindestens ebenso verlockend ist der Vampir Sinclair ...

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Seitenzahl: 380

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Mary Janice Davidson

Weiblich, ledig, untot

Roman

Ins Deutsche übertragen von Stefanie Zeller

 

Dieses Buch ist Anthony Alongi gewidmet, meinem Lektor und Partner, meiner bärtigen Nemesis und meinem Freund. Das Lob gebührt meinem geliebten Ehemann.

1

Mein Todestag begann schon schlecht. Und wurde leider auch nicht besser.

Ich kam zu spät zur Arbeit, weil ich die Snooze-Taste meines Weckers wieder einmal zu oft gedrückt hatte. Tut das nicht jeder für ein paar Minuten Extraschlaf? Na, also! Deshalb verschlief ich auch regelmäßig. Wegen der blöden Snooze-Taste.

Zeit für ein richtiges Frühstück blieb natürlich nicht mehr,alsoschlangichzweigefüllteKeksehinunter,während ich auf den Bus wartete. Schokoladenfüllung! Mmhhh … Meine Mutter hätte mir applaudiert (von wem sonst stammte wohl meine Vorliebe für das ungesunde Zeug?), mein ErnährungsberatereherdieHändeüberdemKopfzusammengeschlagen.

Der Bus hatte natürlich Verspätung. Den öffentlichen Nahverkehr in Minnesota muss man einfach lieben: gerade mal sechs Busse für eine viertel Million Einwohner! Und wenn sie nicht Verspätung hatten, kamen sie zu früh. Ich wusste schon gar nicht mehr, wie oft mir der Bus vor der Nase weggefahren war. Fahrplan? Was für ein Fahrplan?

Als der Bus endlich angezockelt kam, stieg ich ein und setzte mich erst einmal – in Kaugummi.

Um zwanzig nach neun erschien ich zu meinem Neun-Uhr-Meeting und musste erfahren, dass die wirtschaftliche Rezession,derenExistenzvondenExpertenseitJahrenhartnäckig geleugnet würde, nun auch mich erwischt hatte, und zwar mit voller Wucht: Ich wurde entlassen. Was nicht unerwartet kam. Den letzten Gewinn muss Hamton & Sons erwirtschaftet haben, als ich noch auf die Highschool ging. Aber weh tat es trotzdem. Es ist hart, den Job zu verlieren. Plötzlich wird einem klar, dass man nicht mehr gebraucht wird. Egal ob aus persönlichen, wirtschaftlichen oder anderen Gründen. Man will dich nicht mehr. Punkt.

Die Idee, Kosten zu reduzieren, kam Hamton & Sons ungefähr ein Jahr zu spät. Und schließlich entschied man sich lieberdafür,Leutezuentlassen,als,sagenwirmal,diesechsstelligen Gehälter der Manager zu kürzen. Die Bürokräfte und Sekretärinnen sah man als entbehrlich an. Aber wir wussten, dass die Trottel ohne uns nicht mal in der Lage waren, ein Fax zu senden, ganz zu schweigen davon, die Firma zu leiten. Sie würden schon sehen, was sie davon hätten!

Mit diesem aufmunternden Gedanken packte ich meine Sachen zusammen und versuchte die ausweichenden Blicke meiner Kollegen zu übersehen. Dann ging ich nach Hause.

Um mich zu trösten, machte ich Halt bei Dairy Queen auf einen Blueberry-Milchshake. Auf diese Frühlingsvorboten war immer wieder Verlass: Rotkehlchen, frisches Gras und Dairy Queen begrüßen die neue Saison.

Milchshake schlürfend kam ich zu Hause an. Mein Anrufbeantworter blinkte Unheil verkündend. Und richtig, die Nachricht war von meinem Stiefmonster, und nach dem Lärm im Hintergrund zu schließen nahm ich an, dass sie beim Friseur war. „Dein Vater und ich werden es leider nichtzudeinerPartyheuteAbendschaffen …Ichhabeneue Medikamente verordnet bekommen und ich … wir … können ganz einfach nicht kommen. Tut mir leid.“ Aber sicher tut es das, blöde Kuh. „Hab viel Spaß, auch ohne uns.“ Kein Problem. „Vielleicht lernst du ja auch heute jemanden kennen.“ Was so viel hieß wie: Vielleicht heiratet dich irgendein armer Irrer.

Vom ersten Tag an hatte mein Stiefmonster mich als Rivalin um die Gunst meines Vaters betrachtet. Schlimmer noch: Wann immer mir etwas wirklich wichtig gewesen war, hatte sie die Depressionskarte ausgespielt, um sich zu drücken. Doch schon eine Woche nach unserem ersten Kennenlernen hatte mir das nichts mehr ausgemacht und war mir eigentlich auch ganz recht gewesen.

Ich ging in die Küche, um meine Katze zu füttern, und stellte fest, dass sie schon wieder abgehauen war. Sie war sehr abenteuerlustig, mein kleiner Mitbewohner Giselle, obwohl ich manchmal den Eindruck hatte, ich wäre ihr Mitbewohner. Ein Blick auf die Uhr – oje, noch nicht einmal Mittag. Genug Zeit, um die Schmutzwäsche zu versorgen und sich die Augen aus dem Kopf zu heulen. Ein perfekter Tag.

Alles Gute zum Geburtstag.

Wie das Leben so spielt: Ein Schneesturm kam auf (eher ungewöhnlich für April), und meine Party fiel aus. Auch gut. Ich hatte ohnehin keine Lust gehabt, auszugehen, ein gut gelauntes Gesicht aufzusetzen und zu viele Daiquiris zu trinken. Das Einkaufszentrum ist toll, aber für überteuertes Zeug, streitlustige Wochenendbesucher und Sechs-Dollar-Drinks muss ich in der richtigen Stimmung sein.

Mein einziger Lichtblick an diesem Tag war Nicks Anruf um acht Uhr. Nick Berry war ein super Detective drüben in St. Pauls. Vor einigen Monaten war ich Opfer eines Überfalls geworden und …

Na ja, „Überfall“ war vielleicht untertrieben. Etwa so, als fände man den Zweiten Weltkrieg „bedauerlich“. Ich möchte nicht gerne darüber sprechen – noch nicht einmal daran denken. Eines Tages hatte sich nämlich ein Haufen Irrer auf mich gestürzt, als ich gerade aus Khans Mongolischem Grill gekommen war. Dort gab es ein „All you can eat“-Buffet für elf Dollar fünfundneunzig, Salat, Dessert und Getränke inklusive – kein schlechter Deal, wenn es einen nicht störte, dass die Klamotten anschließend für einige Stunden nach Knoblauch rochen. Ich habe immer noch keine Ahnung, was meine Angreifer eigentlich von mir wollten. Kein Raub, kein Vergewaltigungsversuch, kein wirres Gequatsche von irgendwelchen Verschwörungen auf höchster Ebene.

Sie waren buchstäblich aus dem Nichts aufgetaucht, als ich noch gähnend nach meinen Schlüsseln gesucht hatte. Sie umzingelten mich, kratzten und bissen wie ein Haufen tollwütiger Eichhörnchen, während ich sie mit den Absätzen meiner Manolo Blahniks zurücktrieb und so laut ich konnte um Hilfe schrie. Danach hatte ich drei Tage lang nur nochflüsternkönnen.ZuallemÜberflussstankensiefurchtbar, etwa so wie meine Küche, wenn ich vor der UrlaubsfahrtnachCapeCodvergessenhatte,denMüllzuentsorgen. Alle hatten lange Haare und unheimliche, farbige Augen. Und die ganze Zeit über sprachen sie kein Wort mit mir.

Hilfewarnichtaufgetaucht,aberdieTypenhattenschließlich trotzdem den Rückzug angetreten. Vielleicht hatte sie meine Stimme nervös gemacht. Wenn ich schreie, heulen die Hunde. Oder sie mochten den Knoblauchgeruch nicht. Was immer es war – sie flohen, Hals über Kopf. Als ich an meinem Auto lehnte und versuchte, nicht in Ohnmacht zu fallen, sah ich, dass einige sogar auf allen vieren krabbelten. Ich kämpfte tapfer darum, das Buffet, den Ingwertee und das Sesambrot bei mir zu behalten. Zu schade, wenn auch noch die elf fünfundneunzig zum Teufel gewesen wären! Dann nahm ich mein Handy und rief die 911.

Detective Nick übernahm den Fall und verhörte mich im Krankenhaus, während die Bisswunden desinfiziert wurden. Alle fünfzehn. Der Assistenzarzt, der sich an mir zu schaffen machte, roch nach Koriander und summte die ganze Zeit über die Titelmelodie von Harry Potter und die Kammer des Schreckens. Und zwar falsch. Was mir tatsächlich mehr auf die Nerven ging als das Brennen des Antiseptikums.

Das war im Herbst gewesen. Seitdem waren immer mehr Leute überfallen worden, Männer ebenso wie Frauen, ohne Unterschied. Die beiden Letzten hat man tot aufgefunden. Ich hatte also allen Grund zur Angst – einer Scheißangst sogar –, und schwor, nicht wieder zu Khans zu gehen, bis die schrecklichen Typen gefasst wären. Aber vor allem war ich dankbar, dass mir nicht mehr passiert war.

Detective Nick hat dann noch einmal angerufen. Wir quatschten ein bisschen und – lange Rede, kurzer Sinn – ich versprach, noch einmal das Große Buch der Bösen Jungs durchzublättern. Zum einen, weil ich mich dann nicht mehr ganz so hilflos fühlen würde. Vor allem aber, um Nick wiederzusehen. Er hatte exakt meine Größe (ein Meter zweiundachtzig), dunkelblondes Haar, entsprechend der Dienstvorschriftkurzgeschnitten,hellblaueAugen,denBodyeines SchwimmersundGrübchen!Ersahaus,wieeinemKalender mit Männer-Akten entsprungen. Ich habe gegen das Gesetz verstoßen, Officer, bitte nehmen Sie mich fest!

Ich konnte mich kaum daran erinnern, wann ich das letzte Mal Sex gehabt hatte. Aber Nick mit den Augen zu vernaschen kam Sex sehr, sehr nahe. Dass wir uns richtig verstehen: Ich bin nicht prüde. Nur wählerisch. Sehr, sehr wählerisch. Ich verdiene die gleiche Behandlung wie die schönsten und teuersten Schuhe, die ich mir jemals würde leisten können. Was viel heißen will bei meinem mickrigen Sekretärinnengehalt. Ganz egal, wie viel Geld mein Vater mirhinterherwirft,ichwürdeniemalsSchuhedavonkaufen. Eswärennichtmeine.Eswärenseine.Undsospareicheben monatelang für die verdammten Dinger, denn sie sollen ja schließlich an meine Füße.

Und das bin ich, in wenigen Worten: Elizabeth Taylor (lassenSiestecken!IchhabejedenWitzübermeinenNamen mehr als einmal gehört), Single, einen Job ohne Zukunft (genau genommen nicht mal das), eine Katze als Mitbewohner. Ich bin so langweilig, dass sogar meine Katze jeden Monat dreimal abhaut, auf der Suche nach ein wenig Abenteuer.

Wenn man vom Teufel spricht: Kam da nicht ihr verräterisches Miiiiauuuuu von der Straße herüber? Na, toll. Giselle hasste Schnee. Sie hatte sich wahrscheinlich nach einer kleinen Frühlingsliebelei umgeschaut und war in den Schneesturm geraten. Jetzt war sie da draußen und wartete darauf, dass ich sie rettete. Und wenn ich mich ihrer dann endlich erbarmte,wäresieschrecklichbeleidigtundwürdemichden Rest des Tages keines Blickes mehr würdigen.

Ich schlüpfte also in meine Stiefel und lief in den Hof. Es schneiteimmernoch,undichkonnteGiselleskleinenSchattenmittenaufderStraßeausmachen.IchriefzehnSekunden lang nach ihr, ohne Erfolg (warum rufe ich nach Katzen?), und stapfte dann über den Hof auf sie zu. Normalerweise war das kein Problem, denn ich lebte am Ende einer ruhigen Straße. Aber bei dem Schneetreiben auf der vereisten Straße sah der Fahrer mich nicht rechtzeitig. Und als er mich endlich bemerkte, tat er genau das Falsche. Er trat mit voller Kraft auf die Bremse. Damit war mein Schicksal besiegelt.

Sterben tut nicht weh. Das klingt vielleicht wie eine Phrase. Oder wie dummes Geschwafel, um den Menschen dieAngstvormAbkratzenzunehmen.AberglaubenSiemir, wenn so etwas passiert, ist Ihr Körper derart traumatisiert, dass er alle Nervenleitungen dicht macht. Ich hatte keine Schmerzen, fühlte noch nicht einmal die eisige Kälte, obgleich es an diesem Abend minus zwölf Grad waren.

Ichmussgestehen,dassichnichtgutreagierte.DerWagen kam auf mich zugefahren, und ich starrte in die Scheinwerfer wie ein erschrockenes Reh. Ein großes, doofes, blondes Reh, das gerade ein Vermögen für Strähnchen ausgegeben hatte. Ich rührte mich keinen Zentimeter, obwohl es doch um mein Leben ging.

Giselle dagegen rührte sich. Das undankbare, kleine Biest machte, dass es wegkam. Ich dagegen wurde durch die Luft geschleudert. Der Wagen traf mich mit einer Geschwindigkeit von sechzig Stundenkilometern, was nicht zwangsläufig lebensbedrohlich war, und schleuderte mich gegen einen Baum, was totsicher lebensbedrohlich war.

Wiegesagt,estatnichtweh.Aberichfühlteeinenentsetzlichen Druck auf meinem ganzen Körper. Ich hörte, wie etwas brach. Ich hörte, wie mein eigener Schädel zersprang. Es hörte sich an, als würde jemand in meinem Ohr Eis kauen. Ich fühlte, wie ich blutete, fühlte Flüssigkeit aus mir herausrinnen. Meine Blase entleerte sich ungewollt – zum ersten Mal seit sechsundzwanzig Jahren. Mein Blut im Schnee sah in der Dämmerung schwarz aus.

Das Letzte, was ich sah, war Giselle, die auf meiner Veranda saß und darauf wartete, dass ich sie hineinließ. Das Letzte, was ich hörte, waren die Hilferufe des Fahrers.

Na ja, nicht wirklich das Letzte. Aber Sie wissen, was ich meine.

2

Tot zu sein bringt einen ins Grübeln. Man denkt darüber nach, was man in seinem Leben alles vermasselt hat. Oder ganz einfach verpasst hat.

Zugegeben, mein Leben war nicht besonders aufregend gewesen, aber ich hätte es trotzdem gerne länger als lumpige dreißig Jahre gelebt. Und bei dem Gedanken, wie ich das letzte Jahr einfach so verschwendet hatte … die letzten zehn Jahre verschwendet hatte, wurde mir ganz anders.

In der Schule war ich kein Überflieger gewesen. Meine Noten hatten sich immer im guten Mittelfeld bewegt. Ich war damit zufrieden. Mal ehrlich: Wen kümmerten schon Geometrie, Chemie oder Sozialkunde, wenn es Wichtigeres gab, wie etwa den Miss-Burnsville-Schönheitswettbewerb? Ganz abgesehen von drei oder vier Typen, die ich gleichzeitig am Haken hatte – ohne sie merken zu lassen, dass sie am Haken zappelten. Manchmal war ich bereits beim Mittagessen erschöpft.

Jedenfalls habe ich die Highschool erduldet und das College gehasst (im Prinzip wie Highschool, nur dass es dort Aschenbecher und Bierfässer gab). Schließlich flog ich vom College und modelte ein bisschen. Aber das fand ich schnell langweilig. Jawohl, langweilig. Niemand will mir glauben, dass diese Arbeit einfach tödlich öde ist. Aber es ist wahr. Das Geld ist okay, aber das ist auch schon alles.

Die Medien wollen uns glauben machen, dass das Leben als Model unglaublich glamourös sei. Aber das ist es kein bisschen. Wie die Schafe laufen wir alle brav tagaus, tagein zu den Castings, die Mappe mit unseren Fotos unter dem Arm und ein verzweifeltes Lächeln im hübschen Gesicht. Aus einem von zehn Jobs wird vielleicht etwas – wenn man Glück hat. Dann darf man um halb sechs morgens aufstehen, um achtzehn Stunden oder mehr am Stück zu arbeiten. Bezahlt wird man fünf Wochen später. Und das auch erst, nachdem dein Agent den Scheck zehn Tage lang zurückgehalten hat, um sicherzugehen, dass er auch gedeckt ist.

Am Anfang machte mir das alles noch Spaß. Der Laufsteg ist dazu da, dass man damit angibt. Ich fand es toll, den Leuten mitzuteilen, wie ich meinen Lebensunterhalt verdiente. Schließlich ist Amerika das Heimatland der Oberflächlichen. Das Modeln hat mir immerhin manche Einladung zu einem Drink beschert. Männer sind eben leicht zu beeindrucken.

Shootingsallerdingswarenwirklichfurchtbar.ZehnStunden am Stück auf den Beinen, ein Foto nach dem anderen und dabei immer schön lächeln, lächeln, lächeln. Am schlimmsten aber ist das ganze Getue mit Küsschen hier, Küsschen da und komm mal zu Papa auf den Schoß …

Ganz zu schweigen von den männlichen Models! Die sind noch eitler als Frauen. Den Film Zoolander kann ich mir auch heute noch nicht anschauen, er kommt der Wahrheit einfach zu nahe. Auch wenn ich weiß, dass Ben Stiller eine Komödie drehen wollte. Aber es ist ein Dokumentarfilm geworden.

Ein Date mit einem Mann, der mehr für Haarstyling-Produkte ausgibt als man selbst, ist sehr anstrengend. Und Augenkontakt fast unmöglich, wenn jemand nur am eigenen Spiegelbild interessiert ist. Die meisten männlichen Models sind wie läufige Hunde. Kaum dreht man ihnen den Rücken zu, um sich einen Drink zu holen, machen sie eine andere an. Oder einen anderen. Das ist dann wirklich peinlich. Für mich. Ich hasse es, als Vorwand missbraucht zu werden.

Nach gut zwei Jahren hatte ich die Nase voll. Ganz plötzlich. Ich saß in einem Raum voll großer, blonder Frauen mit langen Beinen und langen Haaren. Frauen mit meiner Körpergröße. Mit meiner Haarfarbe. Mir wurde klar, dass dem Mann, dem ich gleich gegenübergestanden hätte, absolut egal war, dass Schweinelendchen mit Risotto mein Leibgericht war, dass ich Horrorfilme (außer Zoolander) und meine Mutter liebte. Ihm war egal, dass ich mich im Tierschutzbund engagierte und Mitglied der Republikaner war (so ist es! Entgegen der landläufigen Meinung schließt das eine das andere nicht aus!). Ich hätte auch eine gesuchte Schwerkriminelle sein können, er hätte nicht mit der Wimper gezuckt. Das Einzige, was ihn interessierte, waren mein Gesicht und meine Figur.

Ich weiß noch, wie ich dachte: Was mache ich hier eigentlich?

Eine sehr gute Frage. Also stand ich auf und ging. Ich habenochnichteinmalmeineMappemitgenommen.Meine Freundin Jessica nannte mich immer eine Frau der schnellen Entscheidungen, und das stimmt. Wenn ich mich einmal entschieden habe, ziehe ich es auch durch.

Ich nahm eine Arbeit bei einer Zeitarbeitsfirma hier in der Gegend auf, was auch wieder eine Zeit lang Spaß machte, bis ich mich eingearbeitet hatte. Dann begann es mich erneut zu langweilen. Schließlich hatte ich so viel Berufserfahrung vorzuweisen, dass man mich zur Supersekretärin machte – Pardon! zur Assistentin der Geschäftsleitung.

So kam ich zu Hamton & Sons. Dort war mein Job gefährlich und aufregend. Aufregend, weil man sich immer fragte, ob genug Geld da wäre, um die Rechnungen zu bezahlen. Gefährlich, weil ich immer kurz davor stand, meinen Boss zu erwürgen und wegen Totschlags verhaftet zu werden. Dreifachen Totschlags, falls die Broker auf die Idee gekommen wären, sich zwischen uns zu stellen.

Alle klagen über ihren Boss. Das gehört zum amerikanischen Lebensstil. Aber mir war es ernst: Ich hasste ihn wirklich. Schlimmer noch, ich respektierte ihn nicht. Und an manchen Tagen fragte ich mich, ob er nicht verrückt war.

Zum Beispiel letzte Woche, das war mal wieder typisch. IchkampünktlichzurArbeit(sogeradenoch)undtrafschon am Eingang auf verschreckte Broker, die in einem Moment der Unachtsamkeit den Kopierer kaputt gemacht hatten. Den nagelneuen Kopierer. Broker sind wie ungezogene Kinder, die man nicht allein lassen kann. Kleine, kettenrauchende Kinder.

„Er geht nicht“, teilte mir Todd, der Leiter der Broker-Truppe, mit. „Wir müssen ihn zurückschicken. Ich habe Ihnen gesagt, wir brauchen keinen neuen Kopierer.“

„Der alte war ständig überhitzt. Die Kopien waren braun und rochen nach Rauch. Was haben Sie gemacht?“, fragte ich und hing meinen Mantel auf.

„Nichts. Ich habe kopiert, dann hat’s gescheppert. Und dann passierte nichts mehr.“

„Was – haben – Sie – gemacht?“

„Na ja … Ich habe versucht, ihn zu reparieren. Ich wollte Sie nicht damit behelligen“, fügte er eilig hinzu, als er Mordlust in meinen Augen sah.

ErsuchtehastigdasWeite,aberichgriffnachseinemArm und zerrte ihn zurück zum Kopierer. Die Maschine machte ein beunruhigendes Geräusch, so als schnappte sie mühsam nach Luft. Ich zeigte auf ein großes Plakat an der Wand.

„Lesen Sie das.“

„Betsy, ich bin wirklich sehr beschäftigt. Die Börse hat gerade geöffnet und … ja, ja, schon gut … nicht kneifen. Da steht ›‚Falls irgendetwas schiefläuft, rufen Sie Betsy oder Terry‘. Zufrieden?“

„Ich wollte nur sichergehen, dass Sie das Lesen nicht verlernt haben.“

IchließseinenArmlos,konnteaberderVersuchungnicht widerstehen, ihn noch einmal feste zu kneifen. „Hauen Sie ab. Ich kümmere mich darum.“

Zwanzig Minuten und einen ruinierten Rock später (blöder Toner!) lief der Kopierer wieder. Ich sah meine Post durch, musste feststellen, dass wieder einmal eine Mahnung vom Finanzamt darunter war, und marschierte schnurstracks in das Büro meines Chefs. Der glotzte mich mit den leeren Augen eines Wahnsinnigen an. Vielleicht lernte man diesen Blick ja auch im Betriebswirtschaftsstudium. Ich fuchteltemitdemBriefvorseinerNaseherum:„DasFinanzamt hat immer noch nicht – immer noch nicht! – unsere Lohnsteuerabrechnung erhalten!“

„Damit kann ich mich im Moment nicht beschäftigen“, sagte Tom gereizt. Er war kleiner als ich, was ihn sehr ärgerte, und rauchte Kette, als stünde Rauchen demnächst unter Strafe. In Minnesota ist es strikt verboten, in geschlossenen Räumen zu rauchen. Sein Büro aber roch immer wie ein Aschenbecher. „Wir reden darüber, wenn die Börse geschlossen hat.“

„Tom, wir sind mit den Zahlungen fast ein Jahr im Rückstand! Das Geld gehört unseren Angestellten. Wir schulden es dem Staat! Davon haben Sie doch schon gehört? Steuern, Staat? Es ist nicht dazu da, unsere Rechnungen zu bezahlen. Wir müssen jetzt schon mehr als hunderttausend Dollar nachzahlen!“

„WenndieBörseschließt“,sagteerundwandtesichwiederseinemComputerzu.Wegtreten,Betsy!NatürlichwürdeerumdreiUhrnachmittagsfluchtartigdasBüroverlassen,umjedemlästigenGesprächmitmirausdemWegzugehen.

Ich stampfte aus dem Zimmer. Es verging nicht ein Tag, an dem Tom nicht irgendetwas Hinterhältiges tat. Er betrog unsere Kunden, belog die Angestellten oder verfügte über deren Geld, ohne sie darüber zu informieren. Wenn es aufflog, schob er es mir in die Schuhe. Er besaß die unheimliche Gabe, Leute von seiner Unschuld zu überzeugen. Ich muss zugeben, das machte ihn zu einem genialen Verkäufer. Sogar ich war schon oft auf seine Begeisterungsfähigkeit hereingefallen. Und ich kannte ihn!

Ich hasste es, den Vollstrecker zu spielen und Abmahnungen zu schreiben, während er die Gehaltserhöhungen verkünden durfte. Tom übernahm nur solche Aufgaben, die Spaßmachten.Undichhasstees,wennichseineKundenanlügen musste, nette Menschen, die keine Ahnung hatten, dass sie ihr Geld einem Psychopathen anvertraut hatten.

Aber er bezahlte mich gut. Darüber hinaus hatte ich einen Tag in der Woche frei, weil ich an den anderen vier Tagen zehn Stunden arbeitete. So einen Job kündigte man nicht so einfach. Woanders hätte ich sehr viel länger für meine Schuhe sparen müssen. War ich darum nun käuflich?

An diesem Tag blieb ich als Einzige bis fünf Uhr nachmittags. Die Empfangsdame war um halb fünf gegangen, alle anderen bereits eine Stunde vorher, nach Schließung der Börse. Aber Tom lebte in der ständigen Angst, einen lebenswichtigen Anruf zu verpassen, also musste ich jeden Tag bis fünf bleiben. Auf diese Weise konnte ich meinen Lektürerückstand aufholen.

Am Abend sollte ich ausgerechnet Todds Neffen treffen. Der hatte mir versichert, sein Neffe und ich würden ganz toll zusammenpassen. Normalerweise ließ ich mich auf keine Blind Dates ein. Sie führten einfach zu nichts. Aber ich war einsam und seit mehr als einem Jahr mit niemandem mehr ausgegangen. Für Clubs war ich zu alt, für Bingo zu jung. Also traf ich Todds Neffen.

Großer Fehler. Er war einen Kopf kleiner als ich. Mich störte das nicht. Die meisten Männer waren kleiner als ich. Aber es gab Typen, die nahmen das persönlich. Als wäre ich aus reiner Boshaftigkeit so groß geworden, als wäre es Teil meines ganz persönlichen diabolischen Plans. Gerry, der Neffe, war einer dieser Typen. Er sah zu mir hoch, dann schnell weg, um dann erneut hilflos zu mir aufzuschauen, wie geblendet (oder war das etwa Entsetzen in seinen Augen?) von meinen langen Beinen.

Erst riss er ein paar schmutzige Witze. Dann ergötzte er mich mit Storys darüber, wie er die geizigen, gierigen Juden in seinem Wirtschaftsprüfungsunternehmen mit Witz und Verstand ausstach. Anschließend klärte er mich darüber auf, dass die USA alle Dritte-Welt-Länder in die Luft jagen und den Terrorismus mit einem Schlag beenden sollten (mit Terror, nehme ich an). Dann hatte ich genug. Seelenverwandte waren wir nicht. Mir war es recht. Ich hasse Datings.

Ich stimmte einem Gutenachtkuss nur zu, um zu erleben, wie er sich nach mir strecken musste. Er stand auf Zehenspitzen, während ich mich zu ihm hinunterbeugte. Weiche, feuchte Lippen trafen die Gegend zwischen meinem Kinn und meinem Mund, und ich erschnupperte einen Hauch von Bier und Knoblauch. Der Knoblauch störte mich nicht, aber Bier hasste ich wirklich. Als ich den Schlüssel ins Schloss rammte, um endlich ins Haus zu gelangen, brach ich mir fast das Handgelenk.

Das also war ein Tag in meinem Leben. Was für eine Verschwendung. Und jetzt war ich tot. Und ich hatte doch noch gar nichts erlebt. Absolut nichts.

3

Als ich die Augen aufschlug, war um mich herum pechschwarze Dunkelheit. Als Kind habe ich einmal eine Kurzgeschichte gelesen, in der ein Priester in die Hölle kam und dort entdeckte, dass die Toten keine Augenlider hatten. Sie konnten also die Augen vor den Schrecken der Hölle nicht verschließen.Ichhingegenkonntenichtssehen.Alsowarich nicht in der Hölle.

Ich reckte mich versuchsweise ein wenig und stellte fest, dass ich mich in einem kleinen, geschlossenen Raum befand. Ich lag auf hartem Untergrund, aber die Seiten meines kleinen Käfigs waren weich gepolstert. Ein merkwürdiges Krankenhauszimmer.UnddieMedikamentewarenoffenbar phänomenal: Mir tat überhaupt nichts weh. Wo waren denn die anderen? Warum war es so ruhig?

Ich bewegte mich ein bisschen heftiger. Dann hatte ich einen Geistesblitz und setzte mich auf. Mein Kopf knallte gegen etwas Festes, das aber nachgab und nach einem Schubs den Weg freigab. Ich setzte mich auf und blinzelte in die Dunkelheit.

Zuerst dachte ich, in einer großen Industrieküche gelandet zu sein. Dann merkte ich, dass ich in einem Sarg saß. Einem weißen Sarg mit goldenen Schnörkeln an den Seiten und vornehmem pinkfarbenem Satinfutter. Igitt! Er stand auf einem breiten Tisch aus Edelstahl. Der Tisch stand mitten im Raum, an dessen Längswänden sich mehrere WaschbeckenineinerReihebefanden.EinenHerdsahichnirgendwo. Nur ein paar merkwürdig aussehende Instrumente und eine Make-up-Tasche in Industriegröße. Es war also keine Großküche … es war …

IchmachtesolcheinenSatz,dassichmirfastetwasbrach. Voller Panik sprang ich aus dem Sarg, wobei er mit mir vom Tisch rutschte und wir gemeinsam auf den Boden knallten. Ich fühlte den Schmerz in meinen Knien, aber er war mir egal. Ich schüttelte den Sarg von meinem Rücken, kam wieder auf die Füße und begann zu rennen.

IchbrachdurchdieSchwingtürundfandmichineinerbreiten,getäfeltenEingangshallewieder.Hierwaresnochgruseliger.EsgabkeineFenster,nurreihenweiseGarderobenständer.AmEndederHallesahicheineBlondinemitwildemBlickineinemalbernen,pinkfarbenenKostüm.Siewäredurchaushübschgewesen,wennsienichtorangefarbenesRougeundzu vielblauenLidschattenaufgetragenhätte.DerbraunrosaLippenstift

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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