Weihnachten auf Saltön - Viveca Lärn - E-Book
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Weihnachten auf Saltön E-Book

Viveca Lärn

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Beschreibung

Ein zauberhafter Inselwinter in Schweden: Der Hygge-Roman „Weihnachten auf Saltön“ von Viveca Lärn jetzt als eBook bei dotbooks. Es wird kalt auf Saltön und die Inselbewohner freuen sich auf ein beschwingtes Weihnachtsfest. Doch von Jubel, Trubel, Heiterkeit ist dieses Jahr nicht viel zu spüren: Inselpolizist Christer trauert seiner großen Liebe Emily hinterher, die in Göteburg ein eigenes Café eröffnet, und auch bei Kabbe Nilsson hängt der Haussegen mächtig schief. Nur in Thomas Blomgrens Zigarrenladen ändert sich nichts: Klatsch und Tratsch wie eh und je. Frischen Wind auf die Insel bringt nur der samtäugige Journalist, der über die Madonna schreiben will, die angeblich jedes Jahr an Heiligabend vom Kirchturm herabsteigt – und ein Weihnachtswunder können die Saltöner in diesem Jahr wirklich gebrauchen! Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der Wohlfühlroman „Weihnachten auf Saltön“ von Viveca Lärn für Fans von Julie Caplin und Jenny Colgan. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 366

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Über dieses Buch:

Es wird kalt auf Saltön und die Inselbewohner freuen sich auf ein beschwingtes Weihnachtsfest. Doch von Jubel, Trubel, Heiterkeit ist dieses Jahr nicht viel zu spüren: Inselpolizist Christer trauert seiner großen Liebe Emily hinterher, die in Göteburg ein eigenes Café eröffnet, und auch bei Kabbe Nilsson hängt der Haussegen mächtig schief. Nur in Thomas Blomgrens Zigarrenladen ändert sich nichts: Klatsch und Tratsch wie eh und je. Frischen Wind auf die Insel bringt nur der samtäugige Journalist, der über die Madonna schreiben will, die angeblich jedes Jahr an Heiligabend vom Kirchturm herabsteigt – und ein Weihnachtswunder können die Saltöner in diesem Jahr wirklich gebrauchen!

„Die Koordinaten lauten ,Chocolat‘, ,Italienisch für Anfänger‘ und ,Wir Kinder von Bullerbü‘ – einmal ordentlich durchgemixt.“ Bremer

Über die Autorin:

Viveca Lärn wurde 1945 in Göteborg geboren. 1975 erschien ihr erstes Kinderbuch. Neben Romanen, Gedichten und Theaterstücken schrieb sie auch für Film und Fernsehen. Viveca Lärn ist heute eine der erfolgreichsten zeitgenössischen Autorinnen Schwedens. Sie wurde mit dem Astrid-Lindgren-Preis und der Nils-Holgersson-Plakette ausgezeichnet.

Viveca Lärns vierbändige Saltön-Reihe wurde äußerst erfolgreich als Fernsehserie verfilmt. Sie umfasst die folgenden Bände, die auch bei dotbooks erscheinen:

Sommer auf Saltön: Die Mittsommernacht

Sommer auf Saltön: Das Hummerfest

***

eBook-Neuausgabe Januar 2017

Copyright © der schwedischen Originalausgabe 2001 bei Wahlström & Widstrand, Stockholm

Die schwedische Originalausgabe erschien 2001 unter dem Titel En fröjdefull jul bei Wahlström & Widstrand, Stockholm.

Copyright © der deutschen Ausgabe 2004 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg

Copyright © der Neuausgabe 2016 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/Mikael Sundberg

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH

ISBN 978-3-95824-890-8

***

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Viveca Lärn

Weihnachten auf Saltön

Roman

Aus dem Schwedischen von Susanne Dahmann

dotbooks.

Die Personen

Emily Schenker, die nach vielen Jahren Ehe mit Thomas Blomgren den Aufstand geprobt hat. Ist nach Göteborg gezogen und hat ein Café eröffnet.

Doktor Schenker, Emilys Vater, Witwer, der sich in Magdalena Månsson verliebt hat, die Witwe des Konservenfabrikanten der Stadt.

Thomas Blomgren, Inhaber des Zigarrenladens und der Informationszentrale von Saltön.

Paula Blomgren, Tochter von Emily und Thomas, lebt auf einer Missionsstation in Afrika. Schwanger.

Orvar H. Blomgren, der zurückhaltende Bruder von Thomas Blomgren.

Christer Strand, zugezogen. Stattlicher Polizist aus Stockholm.

Johanna Karlsson, Aushilfe im Zigarrenladen ihrer Jugendliebe Thomas Blomgren.

Magnus Karlsson, der Sohn Johannas mit einem italienischen Seefahrer. Besitzt gemeinsam mit dem Bibliothekar Hans-Jörgen das Magazin Sunkiga Sune.

Philip O’Don, »der Botschafter«, Badeanzugdesigner in Paris mit luxuriösem Sommerhaus auf Saltön.

Sara Palm, freimütige junge Witwe aus Stockholm, die Verwirrung stiftet.

William MacFie, älterer Mann, der Ehe und Karriere als Auslandskorrespondent in Paris hinter sich gelassen hat, um mit seinen Tieren auf der Insel zu leben, wo er geboren ist.

Kjell Albert (Kabbe) Nilsson, Gastwirt und Inhaber des Restaurants Kleiner Hund, von Lotten Månsson getrennt.

Magdalena Månsson, ältere Frau und Witwe des alten Fabrikanten Karl-Erik Månsson senior.

Lotten Månsson, Magdalenas Tochter und die Schwester des verstorbenen Fabrikanten Karl-Erik Månsson junior.

Kristina Månsson, die junge (dritte) Ehefrau von Karl-Erik Månsson junior, von der er sich kurz vor seinem Tod getrennt hat.

Lizette Månsson, Karl-Eriks Tochter, die die Fabrik übernommen hat.

Hans-Jörgen Mårtensson, Bibliothekar, Lottomillionär, Lebensgefährte von Magnus Karlsson.

Die alte Greta, ehemalige Bedienung auf den Amerikadampfern.

Klas »Klasse« der Koch, schuftet im Kleinen Hund.

Tommy Olsson, Großstadtjournalist und trockener Alkoholiker, auf der Jagd nach menschlichem Material für seine Wochenzeitung.

Der Fotograf, Großstadtfotograf, der zeitweise mit Tommy arbeitet.

Der Mann mit der Baskenmütze, an Zeitungen mit unbekleideten Mädchen interessiert und an allem, was in Blomgrens Zigarrenladen passiert.

Ragnar Ekstedt, Lehrer.

Kapitel 1

Kjell Albert Nilsson hatte beschlossen, sich am Weihnachtsmorgen das Leben zu nehmen.

Da er sein Restaurant über die Weihnachtsfeiertage immer geschlossen hatte, würde er erst nach drei Tagen gefunden werden. Wenn die kleine Truppe Personal reingetrampelt käme, wäre alles so wie immer. Die Tische würden seit drei Tagen mit weißen Tischdecken und roten Papierservietten zum Mittagessen eingedeckt sein, der Weihnachtsbaum im Fenster würde erleuchtet sein und die Bar sorgsam verschlossen.

Wahrscheinlich würde der Koch seinen Chef finden und ihn dann mit einem Filetmesser oder vielleicht einfach mit dem großen Kochmesser abschneiden. Aber bis dahin war noch viel Zeit.

Kabbe trat, erleichtert über seinen finsteren Entschluss, in den scharfen Wind hinaus und betrachtete die Terrasse des Restaurants Kleiner Hund. Sollte er vielleicht zum ersten Mal eine Mistel über die Tür hängen? Alle weiblichen Gäste mussten den Wirt küssen, ehe sie Platz nahmen. Alle unter dreißig. Vielleicht auch ein paar von den männlichen Gästen. Das Leben ist kurz, halt dich ran, hatte Kabbes Mutter immer gesungen. Sie kam aus Polen, lebte aber auf dem schwedischen Festland, und ihr fehlte ein Bein. Sie war mit nur einem Bein geboren, ein biologisches Wunder. Für Kabbe hatte sie oft ein aufmunterndes Wort parat.

Er sah in den Karton, in dem alle roten, gelben und blauen Lichterketten für draußen zu einem Gewirr von Kabeln verknäult waren. Von Kabbes Leben war ja nicht mehr sonderlich viel Zeit übrig, und die gedachte er wirklich nicht auf solche Probleme zu verwenden. Er war sehnig und ziemlich durchtrainiert, hatte blonde Strähnen im Haar, keine Kinder, aber eine leichte Solariumbräune. Viele Sommergäste hielten ihn bestimmt für nicht mal vierzig.

Kabbe versetzte dem Karton einen Tritt und ging wieder ins Restaurant. Das Leben hatte sich verändert, seit seine Lebensgefährtin als Bedienung gekündigt hatte, um stattdessen zusammen mit ihrer neuen Freundin Sara das erste Reformhaus der Insel aufzumachen.

»Saras und Lottens Gesundheit« stand auf einem Keramikschild über der Tür zu dem ehemaligen Milchgeschäft. Das Schild war ihre erste Tat gewesen, und nach einem Ansturm Neugieriger hatte Lotten noch ein Pappschild an die Tür gehängt: »Eröffnung in Kürze«.

Sowie die beiden den Plan ausgeheckt hatten, einen Laden aufzumachen, hatte Lotten ihn verlassen und war in die Villa ihres verstorbenen Bruders Karl-Erik Månsson gezogen. Das heißt, in der Villa lebte Lizette, die Tochter des Konservenfabrikanten. Lotten musste im Gartenhaus wohnen, der Heimstatt aller freigelassenen Frauen auf Saltön. Sie wohnte dort einfach und gemütlich. Aber als Kabbe ihre Reisetaschen dorthin gebracht hatte, war ihm aufgegangen, dass sie das kleine Gästehaus keineswegs allein bewohnte, sondern es mit Sara teilte. Doch er hatte sich im Griff.

»Sprecht ihr sogar nachts über Eskimofett und Sibirischen Ginseng?«, hatte er gefragt und sein besonderes, schiefes kleines Lächeln aufgesetzt.

Die Frauen hatten sich nur verliebt angeschaut, als würden sie ein großes Geheimnis miteinander teilen.

Kabbe hatte einfach weitergelächelt. Er war kein Mann, der einfach die Fassung verlor.

Und rechnen konnte er. Innerhalb kürzester Zeit hatte er zwei Bedienungen und eine Lebensgefährtin verloren.

Die Großstadtpflanze Sara hatte er wegen hartnäckiger Aufmüpfigkeit rausgeschmissen. Lotten hatte ihn ohne ein unfreundliches Wort verlassen. Und das, wo sie all die Jahre immer so eifersüchtig gewesen war, welche Szenen hatte es nicht gegeben! Aber jetzt war sie einfach aus seinem Leben rausspaziert, frischer und lebendiger denn je und mit einem zerstreuten kleinen Lächeln auf den Lippen. Als ob ihm das was ausmachen würde. Ihm war sowieso alles egal. Und das war genau das Problem.

Er hatte zwei neue Bedienungen eingestellt, doch denen fehlte es an Routine. Die eine war ein langbeiniges blondes Mädchen mit lustiger Himmelfahrtsnase, dem er vielleicht ab und zu einen Platz im Bett anbieten könnte, damit es nicht jeden Abend acht Kilometer mit dem Fahrrad fahren musste. Doch dieses kleine Vergnügen verschob er auf später, denn momentan fehlte es ihm an Motivation.

Der Herbst und damit die Nebensaison im Kleinen Hund ging zu Ende, und es standen goldene Zeiten vor der Tür. Denn wenn Kabbe sein Weihnachtsbuffet auffuhr, dann drängten sich die Leute zu den großen, repräsentativen Abendessen. Er hatte bereits mehr Vorbestellungen denn je. Den Unternehmen in der Umgebung, und zum ersten Mal seit vielen Jahren auch den Bootsbauern, ging es richtig gut. Das Hotel Saltsjöbaden hatte auch angefangen, Konferenzräume anzubieten, aber wer wollte denn da schon essen? Schlemmerkrabben – das war doch lächerlich. Man musste schon ein Anfänger an der schwedischen Westküste sein, um sich an gefrorenen Krabben zu erfreuen, die im Speisesaal in einem Kahn auf eine Eisscholle geschüttet waren.

Das Reservierungsbuch vom Kleinen Hund war bis zum Zweiundzwanzigsten gefüllt. Alles würde perfekt laufen. Nichts durfte dem Zufall überlassen werden, aber es würde auch keine neumodischen Ideen oder Übertreibungen geben. Er hatte vor, sein Schiff bei voller Fahrt zu verlassen.

Früher war Kabbe gern rausgegangen und hatte den Direktoren der Konserven- und Heringsfabriken die Hand geschüttelt. Die glatzköpfigen Herren genierten sich fast, wenn sie zum vierten oder fünften Mal am Buffet zulangten, und murmelten Kabbe dann zu, dass sie nur deshalb so schlemmen würden, weil alles so gut sei. Der gepökelte Lachs! Der eingelegte Hering! Die Dorschleberknödel mit selbst gemachter Butter! Der Kaviar! Und dazu die wunderbare Gerstengrütze! Und der Eierkäse von Tjörn … Doch Kabbe war egal, wie viel sie aßen. Er sah mit kaltem Blick, aber schiefem Lächeln in ihre wässrigen Augen und zählte die Grogs.

Je mehr Grogs, desto besser. Viel Alkohol im Dezember konnte eine Infrarotheizung für die ganze Terrasse oder neue Auslegeware bedeuten.

Kabbe sah übers Meer. Weit hinten erkannte er zwei Fischerboote, die an diesem frostigen Samstagnachmittag durch das kalte Wasser hinausfuhren. Das Meer sah viel dunkler aus als der Himmel. Kein Schnee, kein Eis, aber drei Grad minus. Wenn der Januar fast vorbei war und wenn die Bewohner von Saltön schon dachten, der Winter sei geschafft und sie könnten ihre Spaten in die Erde der kargen Gärtchen setzen, legte sich manchmal ganz unerwartet noch das Eis übers Meer. Lernten sie es eigentlich nie? Aber das brauchte er alles nicht noch einmal zu erleben. Er strich sich über den Schnurrbart, um zu fühlen, ob es ihn noch gab. Ein Kitzeln bestätigte es, hier war Kabbe, der einsamste Mann der Welt.

Am Freitag waren die Krabben nicht weggegangen. Die Leute von Saltön machten ihre Krabben selbst und saßen dann zu Hause in ihren Sesseln, aßen und sahen fern. Die Jüngeren gingen raus und soffen und schlugen sich dann kurz vor Mitternacht. Kabbe hatte im Laufe des Abends zwei Schlägereien abwehren müssen, doch in einem so frühen Stadium, dass alle Fenster und Möbel noch heil waren. Das waren Triumphe.

Heute Abend würde er die Krabben von gestern servieren, in viel Butter und Knoblauch gratiniert. Er würde ihnen irgendeinen verführerischen Namen geben. »Schalentiere zur Wintersonnenwende« vielleicht oder »Krabben à l’Amour«. Am Samstagabend ging alles gut, was irgendwie mit Amour zu tun hatte. Da kamen die Einheimischen gern in den Kleinen Hund, oft paarweise. Bereits nach dem ersten Getränk legten sie einen Schlafzimmerblick auf, selbst wenn sie schon jahrelang verheiratet waren. Die Leute mussten einfach ein bisschen spielen dürfen. Das hatten Kabbe und Lotten auch gemacht, auch wenn er ihrer schnell müde geworden war und wegen der Spannung neue Herausforderungen und neue Blondinen gebraucht hatte. Arme Lotten.

Er musste mit dem Koch über die Krabben diskutieren. Der wollte nämlich unbedingt aus allen alten Krabben- und Hühnchenresten immer Paella machen, nur weil er ein Jahr auf Marbella gearbeitet hatte. Er besorgte auch billigen Safran, mal was anderes als Kurkuma zum Reis. Kabbe musste plötzlich an seinen alten Freund, den Hühner- und Bienenzüchter MacFie denken. Der musste sich jetzt auch mit seinem gackernden Kleinvieh zufrieden geben, seit die garstige Sara sein Haus verlassen hatte und mit fliegenden Fahnen zu Kabbe gezogen war. Ein ganz schöner Skandal.

Das traditionelle Hummerfest auf Saltön war nur, was die Hummer anging, traditionell gewesen. Auch die in Butter geschwenkten Pfifferlinge von Emily hatte es gegeben, aber ansonsten endete alles in einem Chaos, wie es noch keiner gesehen hatte.

Emily hatte das Fest mit Christen dem fetten Polizisten der Insel verlassen, während ihr Mann mit dem Gesicht auf der Papiertischdecke eingeschlafen war, auf die er seine Reiseroute nach Afrika eingezeichnet hatte, wo die schwangere Tochter des Paares hockte und missionierte.

Philip, Gastgeber des Hummerfestes und Badeanzugdesigner und Sommergast aus Paris, hatte sich mit MacFie um Sara geschlagen. Die hatte jedoch beide ignoriert und beschlossen, zusammen mit Lotten ein Reformhaus aufzumachen. Und offenbar nicht nur ein Reformhaus, das war ihm im November klar geworden. Er hatte schon immer schnell denken können, das hatte er von seiner Mutter geerbt, aber was nutzte es ihm? Kabbe war ein furchtbar trauriger Mann, das spürte er tief in der Brust. Er konnte es direkt körperlich empfinden. Es war nicht das Herz. Nicht die Muskeln. Nicht die Lungen. Nicht die Kehle. Es war die schreckliche Erkenntnis, dass sein Leben nicht so geworden war, wie er es sich vorgestellt hatte. Und dabei hatte er sich gar nichts Besonderes vorgestellt. Er hatte lediglich angenommen, dass hinter jeder neuen Tür eine bessere Überraschung wartete. Dass alles immer besser werden würde.

Er dachte an den Herbst zurück, als sich das Leben wie auf einem der Schachbretter in der Bibliothek mit ein paar Zügen hierhin und dorthin verschoben hatte. Aber die Züge schienen doch nur von dem Freiheitsdrang und der einfältigen romantischen Sehnsucht der Frauen bestimmt zu sein, oder?

Emily war nach Göteborg gezogen, und Blomgrens alte Klassenkameradin Johanna tat alles, um Frau Blomgren Nummer zwei zu werden. Emilys Vater hatte sich auf seine alten Tage noch in Kabbes ehemalige Schwiegermutter Magdalena Månsson verliebt. Und so weiter. Wie die Parodie auf eine schlechte Seifenoper im Fernsehen. Wie ein schlecht zusammengestelltes Fischgratin.

Kabbe mochte gar nicht daran denken, wie sehr sich die idyllische Gemeinde verändert hatte. Früher waren die Bewohner von Saltön ihr ganzes Leben lang mit derselben Frau verheiratet und kriegten einen Haufen Kinder. Ein paar soffen sich zu Tode, ein paar zogen weg, aber die meisten blieben, bekamen einen Job, bauten ein Haus, kauften einen Volvo, fuhren zum 50. Geburtstag nach Thailand, wurden zur Silberhochzeit für die Saltö Tidning fotografiert und ließen sich auf dem kleinen Steinfriedhof auf der Halbinsel unterhalb der Kirche begraben.

Jetzt war alles durcheinander gebracht. Woher kam das nur? Sicher war die junge Witwe Sara schuld, die in die Stadt gekommen war und mit ihren Flüchen und ihrer vulgären Art alles auf den Kopf gestellt hatte. Der arme MacFie. Und jetzt: der arme Kabbe? Nein, ihm war wirklich alles egal.

Er trat gegen den Lampenkarton, dass er in die Ecke flog.

Viele Jahre lang war er der Platzhirsch gewesen. In dem Sommer, als er sechzehn wurde, war Kabbe der Erste, der in die neue Ausnüchterungszelle wanderte. An dem Tag, als er achtzehn wurde, war er auch der Erste, der sich in Nyhavn hatte tätowieren lassen. Und auf jeden Fall war er in jedem Sommer der Erste, der Sommergäste aus Stockholm verführte. Als er das Lokal aufmachte, wurde der Kleine Hund schnell zu einer Oase für die schicken Städter. Und Kabbe freundete sich mit Musikern und DJs aus Stockholm und Göteborg an. Wenn er dann im Winter in die Stadt fuhr, erinnerten sie sich an ihn, und er durfte an den Schlangen Vorbeigehen. Blut ist dicker als Wasser. Und jetzt? Jetzt hatte er ziemlich lange völlig unnötigerweise mit einem Knäuel Lichterketten hier herumgestanden.

Ein Taxi kam langsam den Kai entlanggefahren. Kabbe konnte auf dem Beifahrersitz ein Gesicht mit eifrig suchenden Augen erkennen. Er sah auf die Uhr. Eigentlich hatte er die Küche schon geschlossen, aber für einen fetten Touristen machte er immer eine Ausnahme. Lustlos ging er zur Tür und drehte das Schild auf »geöffnet«. Im Augenwinkel konnte er sehen, wie das Auto vor dem Eingang zum Kleinen Hund parkte.

Kabbe steckte den Kopf in die Küche und befahl dem Koch Klas, der gerade Mittagspause machen wollte, sich die Schürze wieder umzubinden.

»Ich sehe keine Gäste.«

»Intuition.«

In »Saras und Lottens Gesundheit« herrschte fast eine sommerliche Atmosphäre. Sara, die einen Kopf größer war als Lotten, stand auf einem Hocker und strich die Decke honiggelb. Sie hatte die Ärmel des Jeanshemdes, das die Uniform im Kleinen Hund gewesen war, hochgekrempelt, und Lotten sah beunruhigt zu, wie die Farbe auf Saras Schultern tropfte.

Das Emblem mit dem kleinen Hund auf dem Rücken des Hemdes erinnerte sie überflüssigerweise an das alte Leben im Restaurant.

»Wenn dir das noch Probleme macht, hast du dich noch nicht freigemacht«, dozierte Sara.

»Dass du immer auf alles eine Antwort hast, wo du doch so viel jünger bist als ich.«

Lotten rieb weiter auf dem alten Marmortresen des Milchgeschäftes herum.

»Tja, vielleicht liegt das daran, dass ich mit einem Mann zusammengelebt habe, der doppelt so alt war wie ich. Ein Wissenspaket. Ein Seminar.«

»Soll ich jetzt vielleicht beeindruckt sein?«, murmelte Lotten und wechselte den Lappen, konnte aber nicht umhin zu lächeln.

»Jetzt sei es doch einfach!«

Sara bespritzte sie mit Farbe.

»So gut wie mit dir hatte ich es noch nie. Keine harten Kanten.«

Jeden Tag kam der Lieferwagen aus der Stadt, und im Keller, der immer noch nach saurer Milch roch, standen stapelweise Büchsen und Pakete.

»Das mit dem Geruch müssen wir bis zum Sommer hinkriegen«, sagte Sara.

Sara fasste alle praktischen Beschlüsse, und Lotten wusste nicht so recht, ob das eine Veranlagung war oder an der Branchenkenntnis lag, die von dem Reformhaus herrührte, das Saras Vater in Stockholm hatte.

»Ich finde, wir sollten Vitamin-C-Brausetabletten mit Orangengeschmack ins Sortiment nehmen«, schlug Lotten vor. »Die schmecken so schön frisch.«

»Bringt nichts«, sagte Sara, und damit war die Diskussion erledigt.

»Vielleicht sollten wir das Fenster putzen, ehe wir anfangen zu dekorieren.«

»Total unnötig. Vergiss es.«

Ihre unterschiedlichen Vorstellungen von Einrichtung trafen in dem kleinen Gartenhaus aufeinander, in dem sie wohnten. Sara kaufte einen schwarzen Stoff mit Leopardentatzen, den sie über das Bett warf.

Am nächsten Tag hatte Lotten das Ganze durch einen rosa Betthimmel mit silbernen Troddeln vervollständigt. Sie wartete nervös auf Saras Urteil.

»Verdammt kitschig«, sagte Sara.

Die Bewohner von Saltön wanderten auf dem Weg zum Kai gern einmal an dem alten Milchladen vorbei, und alle schielten verstohlen in das Schaufenster, wo große Fotografien hingen, die die Besitzerinnen darstellten. Das Bild von Lotten war ein nettes Atelierfoto mit retuschierten Zähnen, während das von Sara sie ganz zeigte und neueren Datums zu sein schien. Die schlaksige Gestalt war leicht wiederzuerkennen, wie sie da mit muskulösen Waden und teuren Joggingschuhen über die Klippen lief. Und die Schuhe waren so elegant, dass manch einer kaum merkte, dass sie nahezu das einzige Kleidungsstück waren, das Sara am Körper trug.

Zwischen den Bildern stand eine elegante Pyramide Ginsengdosen.

»Ist das vorher und nachher? Ich meine, die Bilder«, fragte der Mann mit der Baskenmütze, der auf dem Weg zu Blomgrens Zigarrenladen war, um sich den neuen Playboy anzuschauen.

»Rate mal, Baby«, antwortete Sara von einer Leiter herab, wo sie gerade die Markise reparierte. Der Mann mit der Baskenmütze wurde rot.

Am Samstagnachmittag waren die Straßen auf Saltön fast leer. Die meisten Inselbewohner waren mit dem Auto zu dem großen, vor Göteborg gelegenen Einkaufszentrum gefahren und würden nicht vor dem Abend mit einem Vierundsechzigerpack Haushaltspapier, zwölf Dosen dänischem Rotkohl und einem Gästebett mit passender Matratze zurückkommen. Die Geschäftsleute auf Saltön, abgesehen von Blomgren natürlich, knirschten mit den Zähnen.

»Wenn wir jetzt nur Sommergäste als Kunden bekommen?«, fragte Lotten. »Da werden sich die Einheimischen totlachen, weil wir nach einem Jahr wieder zumachen müssen.«

»Ach was«, meinte Sara. »Es war schließlich die Idee von Magdalena Månsson, auf Saltön ein Reformhaus aufzumachen. Hier gibt es massenhaft Menschen, die keine Lust haben, sechzig Kilometer in ein Einkaufszentrum voller kreischender Kinder und ätzend langer Schlangen zu fahren. Da geht man doch lieber in ein sonniges Geschäft in der Nähe und erhält professionellen Rat, was man gegen seine Krampfadern und für seinen Blutdruck tun kann. Passt doch hervorragend.«

»Wenn es richtig gut läuft, dann können wir ja nach Thailand fahren. Lange weiße Strände und Schnorcheln nach Dorsch.«

»Versuch doch mal, etwas spannender zu sein«, erwiderte Sara. »Mach dich frei.«

»Aber das habe ich doch schon.«

Lotten konnte nicht begreifen, dass Kabbe keinerlei Widerstand geleistet hatte. Zu Anfang, als sie zusammengezogen waren, hatten sie sich viel gestritten, weil Kabbe Lotten nicht zur Teilhaberin vom Kleinen Hund machen wollte. Aber da hatten sie sich sowieso über das meiste gestritten, zum Beispiel über Lottens ermüdende Eifersucht und den Kilometerzähler, der nicht mit seiner Aussage übereinstimmte, wo er angeblich die Nacht verbracht hatte. Sie hatten über kleine und große Sachen gestritten, und in der Zwischenzeit hatten sie nette kleine Shoppingausflüge zusammen unternommen und Kleidung gekauft, die sie dann auf der Strandpromenade vorgeführt hatten. Oft im Partnerlook.

Und jetzt das. Es ging fast zu einfach.

»Du musst dir eine neue Bedienung suchen, denn Sara und ich werden einen Laden aufmachen.«

»Aha. Ja, davon habe ich im Zigarrenladen schon gehört.«

»Ich ziehe übrigens auch hier aus. Ich werde meinen Nachttisch, die Kleider und den Spiegel mitnehmen, den Rest kannst du behalten. Ich habe ja noch eine Menge von meinem Bruder geerbt.«

»Aha. Ja, gut. Tschüs dann.«

Das war fast unverschämt.

»Sei doch froh, dass es so leicht ging«, sagte Sara. »Wenn es Streit gegeben hätte, dann hätte ich dich mit einem Karottenkuchen trösten können.«

Kapitel 2

Ein kleiner, muskulöser Mann mit fragenden braunen Augen und herunterhängendem Schnurrbart betrat den Kleinen Hund.

»Zu spät zum Mittag?«, fragte er.

»Nicht für Leute aus Stockholm«, antwortete Kabbe und reichte ihm die Karte.

Gleichzeitig dachte er, dass niemand den Kummer erahnen konnte, den er unter dem Jeanshemd mit dem Emblem vom Kleinen Hund im Herzen trug. Alles nur eine Frage der Disziplin. Manchmal war das Leben fast zu einfach.

Der Gast sah ihn nach einem schnellen Blick auf die Karte an.

»Meine Güte, und ich habe gedacht, ihr lebt hier draußen von Fischklopsen und Makrelensuppe. Ich nehme die Schweinenoisetten. Rind esse ich nicht in Lokalen, die ich nicht kenne.«

Kabbe lachte, als wären sie im selben Club.

»Und zu trinken? Ein Bier vielleicht?«

»Nein, die Zeiten sind vorbei. Ein Mineralwasser und dann bitte auch gleich die Rechnung.«

»Gern«, sagte Kabbe. »Dahinten gibt es Salat und Brot.«

»Ist mir zu umständlich. Aber geben Sie mir doch ein paar Tipps, womit Sie sich hier draußen so den lieben langen Tag beschäftigen.«

Kabbe ging in die Küche und überreichte dem Koch die Bestellung.

»Das Gesundheitsamt ist da«, sagte er und schielte zum Kopf des Kochs, auf dem eine Wollmütze mit Rentieren thronte. »Vielleicht auch ein Maulwurf«, fuhr Kabbe fort. »Weg mit dem Tran und nimm die Butter zum Braten.«

Er brachte dem Gast sein Mineralwasser.

»Woran genau sind Sie denn interessiert?«

»Der Fotograf kommt morgen«, sagte der Mann, »dann muss die Sache in den Kasten. In der Zwischenzeit rekognosziere ich. Soll heißen, ich beobachte. Wir werden eine Reportage machen, bei der kein Auge trocken bleibt. Schlagzeile: Weihnachten im schwedischen Schärengarten. Die Idylle, von der Sie dachten, dass es sie gar nicht mehr gibt. Gönnen Sie sich diese lebensbejahende Reportage, während Sie mit Ihrer DVD, der Sat-Antenne und dem zwölf Jahre alten Whiskey im Sessel sitzen. Farbbilder. Alte Damen in schwarzen Kopftüchern schliddern mit Kerzen übers Eis, um Wasser für die Weihnachtsbäckerei zu holen. Vielleicht schlagen sie auf dem Heimweg ein Loch ins Eis und nehmen mit rissigen Fingern den Käscher, um sich ein paar Krabben zum Abendessen zu holen. Eine Familie mit sieben Kindern, die in einer Bootshütte ohne Elektrizität auf den Weihnachtsmann wartet. Der junge Fischersmann, der gegen sechs Meter hohe Wogen ankämpft, wenn er die Anchovis für seinen einsamen Fischauflauf à la Jansson nach Hause bringt. Alte Männer, die Netze auslegen, um den letzten Stockfisch des Jahres zu fangen.«

»Klingt gut«, sagte Kabbe und lachte zum ersten Mal über das ganze Gesicht.

Emily hatte gerade den zweiten Tag ihr Café geöffnet, als ein schmutziges Wohnmobil vor dem Fenster parkte.

Hoffentlich würde es nicht ein paar Wochen dort stehen bleiben. Auf Saltön kam es vor, dass Touristenautos vierzehn Tage lang auf einer Stelle standen, bis ein ganzer Packen Parktickets an der Windschutzscheibe flatterte. Aber doch wohl nicht in dem dicht bewohnten Stadtteil Haga mitten in Göteborg.

Emily wollte nicht, dass der Eingang zum Zuckerkuchen im Dunkeln lag. Um vier Uhr in der Frühe schon hatte sie die rosa karierten Gardinen aufgehängt.

Der Eröffnungstag hatte ohne Gardinen und mit zwölf Kunden stattgefunden. Gar nicht schlecht.

Elf hatten Brot und Kuchen zum Mitnehmen gekauft, und ein Gast hatte im Café gesessen, ein wortkarger und flaumiger Priester. Sie hatte ihm kostenlos Kaffee nachgeschenkt, jedoch nicht, ohne darauf hinzuweisen.

»Vielen Dank.«

Bei seinem Beruf war er es natürlich gewohnt, Kaffee gratis zu bekommen. Wurden die Leute nicht deshalb Priester? Aber das war vielleicht nur ein dummes Gerücht. Emily beschloss, der Frage nicht weiter nachzugehen. Sie war ja so diplomatisch geworden, seit sie in Göteborg wohnte.

Aus dem Wohnmobil kletterte ein untersetzter Mann mittleren Alters. Er riss die Tür zum Café auf und musterte Emily mit scharfem Blick.

»Haben Sie Sandwichtorte?«

Emily rang nach Atem. »Also, im Moment gerade nicht, aber ich kann natürlich welche machen. Einen Augenblick bitte, dann hole ich meinen Auftragsblock.«

Sie ging mit klopfendem Herzen hinter den Vorhang. Welch eine Herausforderung. Sie nahm einen Taschenkalender mit, das musste reichen.

»Eine für die Angestellten und eine für die Arbeiter«, murmelte der Mann. »Also, eine muss für vierzig Personen sein und eine für zwanzig. Ich würde sie gern um Viertel vor zwölf abholen.«

Vielleicht würde sie das Café schließen müssen. Emily spürte die Aufregung im ganzen Körper, das Wasser lief ihr im Mund zusammen. Sie schloss die Augen und sah Reihe um Reihe kleine Rosen aus Lachs mit dicken Scheiben Leberpastete und elegant geschnitzten Radieschen.

»Geht es Ihnen nicht gut? Kriegen Sie das hin? Was wird es kosten?«

Unter dem eindringlichen Blick des Mannes fand Emily ihre Beherrschung wieder.

»Natürlich. So ungefähr tausend Kronen, denke ich.«

Sie tat so, als würde sie im Kopf nachrechnen.

Drei Stunden, ja, das würde gehen – wenn sie nur Christer hätte anrufen können, aber der saß in seiner Polizeistation auf Saltön. Zwar war er ein feiner und hilfsbereiter Freund, doch würde er wohl kaum runtergefahren kommen, um Emily beim Tomatenschneiden zu helfen.

»Eintausendvierhundertfünfundneunzig«, sagte sie. »Inklusive Steuern.«

Der Mann nickte bestätigend. Mündliche Absprache gilt.

Um halb zwölf musste Emily in ihre Wohnung hinauflaufen und duschen, aber sie war maßlos stolz auf ihre Sandwichtorten.

Als sie runterkam, standen zwei wütende alte Tanten vor der Tür. Die eine ruckelte an der geschlossenen Tür, und die andere drückte sich die Nase an der Scheibe platt.

Als Emily öffnete, drängten sie sich an ihr vorbei und kauften mit bösen Mienen vier Vanilleplundern.

Das Wohnmobil stand immer noch da, und Viertel vor zwölf kam der Mann herein.

Sie hatte ihm vertraut, hatte nicht einmal nach seinem Namen gefragt. Als er die großen Kartons erblickte, entspannte er sich ein wenig. Emily hob die Deckel stolz hoch, und der Mann brummte anerkennend.

»So soll es sein. Ich habe gestern den letzten Tag in der Puppenstubenfabrik gearbeitet. Vierundzwanzig Jahre, aber jetzt ist Schluss damit. Sowie die Torten hier aufgegessen sind, geht’s auf nach Afrika.«

»Nach Afrika! Und wie lange?«

Der Mann lachte fröhlich.

»Woher soll ich das wissen? Ich habe meine Wohnung und fast mein ganzes Eigentum verkauft. Ich bin ein freier Mann.«

»Sie haben also in einer Puppenstubenfabrik gearbeitet.«

»Ja, deshalb bin ich so klein.« Der Mann lachte kurz. »Ich war Geschäftsführer. Also, Direktor. Puppendirektor.«

Emily öffnete die Tür, während der Mann beide Torten auf einmal heraustrug, und sie hielt ihm auch die Beifahrertür auf. Er stellte die Kartons übereinander gestapelt vorsichtig auf dem Sitz ab. Im Auto roch es ein wenig feucht. Wie geräuchert.

Er sah Emily respektvoll an und gab ihr die Hand.

»Es ist immer schön, auf einen Profi zu treffen«, sagte er. »Ich danke vielmals.«

Er ging ums Auto und sprang hinein.

Emily lief hinter ihm her.

»Aber hallo!«, rief sie. »Die Bezahlung. Sie haben vergessen zu bezahlen!«

Der Mann sah erstaunt aus und suchte in seiner Innentasche.

Wenn er nur keine Pistole rauszieht, dachte Emily. Sie hatte zwar eine Art Verhältnis mit einem Polizisten, aber Christer würde so etwas Verrücktes sicher nicht denken. Er holte seine Brieftasche heraus.

»Entschuldigen Sie bitte«, sagte er. »Ich bin so gedankenverloren, seit ich frei bin.«

Die Brieftasche war völlig platt.

Der Mann sah lange und tief hinein.

»Sie ist leer«, sagte er. »Wahrscheinlich bin ich beraubt worden.«

Emily starrte ihn an.

»Das kann ja wohl nicht wahr sein! Mein erster richtiger Auftrag, und hier stehe ich Auge in Auge mit einem Betrüger. Aber so leicht kommen Sie mir nicht davon, Freundchen! Ich habe Ihre Autonummer, und außerdem kenne ich einen Polizisten.«

Der Mann hörte nicht auf sie. Er legte seine Brieftasche auf den Fahrersitz, ging mit kräftigen Schritten nach hinten und schloss die Tür des Wohnmobils auf.

Er rieb sich die Stirn, und dann rief er Emily.

»Kommen Sie mal her.«

Sie ging wütend auf ihn zu, bis sie ganz nah bei ihm stand. Sie war einen Kopf größer als er.

Er machte die Tür auf.

»Schauen Sie mal!«

Vor ihr stand ein Puppenhaus mit drei Etagen. Vielleicht stellte es eine Villa auf dem Lande dar, vielleicht in England, nein, da waren keine Schornsteine zu sehen. Für Kalifornien war sie zu hoch. Neuengland vielleicht, oder auch South Carolina. Sie war zurückhaltend eingerichtet, und die Möbel, die es gab, mussten festgeleimt sein, denn im ganzen Haus herrschte vollkommene Ordnung. In einem Sessel vor dem Kamin saß eine kleine Frau und strickte, während ihr Mann aus den Tiefen eines Ledersessels fernsah. Zu seinen Füßen lag ein Hund. Im Esszimmer war für acht Personen gedeckt, und in der Küche gingen anscheinend die Vorbereitungen für das Abendessen vonstatten. Der Ofen war eingeschaltet, und die Neonröhre über der Arbeitsfläche leuchtete. Von der Diele aus führte eine Treppe in die obere Etage, wo das Schlafzimmer der Eltern und ein Jungen- und ein Mädchenzimmer lagen. Das Mädchen war auf dem Bett in seinem Zimmer ausgestreckt und las ein Pferdebuch, der Junge saß an seinem Schreibtisch und spielte ein Computerspiel.

In der unteren Etage gab es einen Weinkeller, einen Vorratskeller und eine Garage für zwei Autos – einen roten herrschaftlichen Volvo und einen kleinen japanischen Shoppingwagen. Wand an Wand mit der Garage gab es einen Stall, doch anstelle eines Pferdes stand da ein Doppelbett. Auf jedem Kopfkissen lag ein grau gelockter Kopf.

»Oma und Opa!«

Emily hatte noch nie etwas Vergleichbares gesehen.

»Mein Abschiedsgeschenk von den Angestellten der Fabrik«, sagte der Mann. »Ich würde mal annehmen, dass es ungefähr eintausendvierhundertfünfundneunzig Kronen wert ist. Inklusive Steuern. Was meinen Sie?«

Emily nickte stumm.

Fünf Minuten bevor sie zumachen wollte, kamen zwei Studentinnen mit Ringblöcken herein und begannen, an irgendeiner größeren Gruppenarbeit zu tüfteln. Jede nahm eine Tasse Tee. Emily knirschte mit den Zähnen.

Sie wischte die Tische ab, dass es bis zu den beiden hinüberspritzte, und hustete ein paar Mal, aber die Studentinnen kauten auf ihren Bleistiften und arbeiteten unbekümmert weiter, während sie an ihrem Tee nippten.

Emily begriff, dass sie wahrscheinlich unzählige Studienkollegen hatten, und sie wollte nicht den Ruf bekommen, eine alte Hexe zu sein, die junge Leute auf die Straße warf.

»Mein Tee ist nicht richtig heiß«, klagte das eine Mädchen nach einer Viertelstunde.

Emily versuchte, nicht die Augen zu verdrehen, während sie die Tasse gegen eine neue mit dampfendem Hagebuttentee austauschte.

»Ich muss leider bald schließen«, sagte sie. »Es ist Viertel nach sechs, und es wartet jemand auf mich.«

Das Mädchen starrte entsetzt die riesige Frau in der Schürze mit den großen Flügelärmeln an. Wer sollte auf die warten? Unmöglich ein Mann.

Als sie endlich raus waren, machte Emily das Licht aus und schloss ab. Dann eilte sie über den Hof und die Treppe zu ihrer Wohnung hinauf. Ihr Herz klopfte, und die Luft wurde ihr knapp.

Sie lächelte erleichtert. Das Puppenhaus stand noch da, wo der Mann es hingestellt hatte, und daneben lag eine große Tragetasche mit anderem Zubehör.

»Der Flügel ist handgearbeitet und die Chippendale-Möbel auch. Passen Sie gut darauf auf«, hatte der Mann noch gesagt. »Solche Sachen haben wir in der Firma nicht routinemäßig gefertigt.«

Sie war so glücklich, dass sie ihm fast das Moskitonetz mitgegeben hätte, das sie als Erinnerung an den Besuch bei ihrer Tochter in Afrika auf der Hutablage liegen hatte. Aber wegen dieser Beleidigung nahm sie davon Abstand.

Passen Sie gut darauf auf! Was dachte der eigentlich?

Sie ignorierte die Umzugskartons, die immer noch nicht ausgepackt waren, und stellte das Puppenhaus auf den Küchentisch. Mit einem Messer, etwas Benzin und Alkohol schaffte sie es, die festgeklebten Möbel abzulösen. Als sie damit fertig war, saugte sie das Haus mit der kleinen Düse aus, wischte die Wände in der Küche mit Chlorin und bohnerte den Fußboden im Wohn- und im Esszimmer.

Im Schlafzimmer lag seltsamerweise weiße Auslegeware. Unhygienisch und unpraktisch, aber darüber wollte sie sich nicht weiter auslassen.

Sie legte die sechs Puppen und den Hund in eine Reihe nebeneinander auf ihre Küchenspüle und besah sich ihre Gesichter.

Wer war böse, wer war gut?

Keiner hatte Übergewicht, aber die Oma schien etwas krumm zu sein. Vielleicht brauchte sie einen Rollator. Warum die beiden wohl im Stall wohnten? Ob sie sich das selbst ausgesucht hatten? Sie hätte ihnen ein anderes Leben gegönnt, und plötzlich musste sie an ihren eigenen Papa und Magdalena Månsson denken. Sollte sie den beiden zur Abwechslung vielleicht auch mal etwas Glück wünschen?

Als Christer anrief, war Emily so abwesend, dass er sie irgendwann fragte, ob sie Besuch habe.

»Nein, nein. Was hast du gesagt? Ist es windig auf Saltön? Hast du irgendwelche Bösewichte gefangen?«

»Wenn du müde bist, reden wir vielleicht besser morgen.«

Er klang traurig.

Emily wusste nicht, woher sie die Kraft nahm. Die Arbeit im Café hielt sie achtzehn Stunden am Tag auf Trab, und wenn sie ins Bett fiel, dann schlief sie augenblicklich ein, manchmal noch mit Malerfarbe oder Weizenmehl auf den Armen.

Und jetzt konnte sie sich nicht von dem Puppenhaus losreißen. Gegen drei Uhr nachts war endlich die Liste komplett, welche Kleider die Puppen sofort brauchen würden, welche Möbel verändert und welche Tischtücher genäht werden müssten.

Sowie sie am nächsten Morgen erwachte, ging sie in die Küche und sah in die kleinen, harten Puppengesichter.

Vielleicht sollte sie der Mama eine Brille malen, um ihren stechenden blauen Blick etwas abzumildern.

Emily duschte schnell und zog sich ihre Zuckerkuchenkleider über. Als sie gerade gehen wollte, klingelte das Telefon. Vielleicht sollte sie sich mal ein Handy anschaffen.

»Bist du heute wacher?«

Christer klang nervös.

»Du fehlst mir!«

»Du mir auch«, sagte sie.

Sie merkte sofort, dass sie die bequeme Antwort gewählt hatte, deren sich die Männer, die sie gekannt hatte, so oft bedient hatten. Das hätte Blomgren auch sagen können, und dann wäre sie sicher wütend geworden. Aber Christer war nicht wütend.

»Ist das sicher?«, fragte er.

Er sollte Lotten Månsson mit einer Parkgenehmigung helfen. Sara und sie wollten im alten Milchgeschäft neben dem Schusterladen, der zum Bingolokal umfunktioniert worden war, ein Reformhaus eröffnen.

»Lotten wartet!«, sagte er ermahnend.

Emily versuchte sich zu konzentrieren, doch obwohl sie Saltön erst vor zwei Wochen verlassen hatte, und sie beide als junge Mädchen Freundinnen gewesen waren, konnte sie sich kaum erinnern, wie Lotten aussah.

»Aber vielleicht ist es dir lieber, wenn ich heute Abend runterkomme und dich besuche?«

»Ja, das ist mir lieber.«

»Also, dann um acht Uhr. Ich freue mich.«

Er legte auf, was sie noch eine ganze Weile später ärgerte.

Kurz vor acht Uhr am Abend breitete sie ein Laken über die Puppenstube und schob sie unter den Küchentisch.

Er kam eine dreiviertel Stunde zu spät, genau so lange, wie sie brauchte, um sich doch nach ihm zu sehnen und ihre teilnahmslosen Antworten am Telefon zu bereuen.

Obwohl er groß, dick und einsam war, zog er Frauen doch an. Oder vielleicht genau deshalb. Wahrscheinlich stand schon halb Saltön Schlange.

Sie war gerade dabei, ihre roten Wangen zu kühlen, als sie endlich sein kraftvolles Klopfen an der Außentür hörte.

Sein ganzer großer Bärenkörper war warm und wohlmeinend, die braunen Augen liefen vor Zuneigung fast über, und er hatte neun rote Rosen in Zellophan dabei.

In der Nacht brachte er sie zum Seufzen und zum Lachen.

Am Morgen wollte er über die Zukunft reden, aber das wollte sie nicht. Sie war wirklich froh, dass er sich einen Tag frei genommen hatte und noch ein paar Stunden in Göteborg bleiben konnte. Gleichzeitig konnte sie nicht umhin, immer voller Unruhe an das Puppenhaus zu denken. Was machten die da unter dem Laken? Obwohl Emily als Kind wirklich alles bekommen hatte, worauf sie gezeigt hatte, hatte sie doch nie ein richtiges Puppenhaus besessen. Es war einfach nicht dazu gekommen.

Nun war das Puppenhaus genau zum richtigen Zeitpunkt in ihr Leben eingetreten, und sie hatte tatsächlich das Gefühl, nachlässig zu sein, wenn sie die Puppen unbeaufsichtigt im Haus liegen ließ. Ehe sie das Laken übergeworfen hatte, hatte sie alle in die Badewanne gelegt. Natürlich ohne Wasser, aber immerhin. Der kleine Junge hatte einen ängstlichen Zug um den Mund. Litt er womöglich unter Klaustrophobie?

Und hatte sie die Kühlschranktür zugemacht?

Aber als Christer sie verliebt ansah, vergaß sie sogar fast das Puppenhaus.

»Ich gehe mit ins Café und helfe dir, Emily.«

Sie strahlte ihn an. Dann hatte sie angenehme Gesellschaft, und niemand schnüffelte in der Wohnung herum. Immerhin war er in Stockholm bei der Kripo gewesen.

Kapitel 3

Im Café angekommen fing Christer sogleich an, eine kaputte Tür zu reparieren, eine Glühlampe auszuwechseln und vor der Eingangstür zu fegen.

Emily betrachtete seinen Nacken und seinen Rücken durch das Küchenfenster, während sie die Käsebrote mit Rucolasalat dekorierte.

Bedeutest du Sicherheit? Heute verlässlich, aber acht Jahre jünger als ich.

Als er reinkam, sah er aus, als habe er das Rad noch einmal erfunden.

»Ich könnte dir helfen, günstig an ein Neonschild zu kommen! Ich habe einen Kumpel in Stockholm, der die verkauft. Stell dir nur vor, ›Zuckerkuchen‹ in leuchtenden Buchstaben. Vielleicht mit einer verlockenden Zimtschnecke rechts und links von dem Wort. Dann kommen noch mehr Kunden.«

»Aber Christer. Ich habe doch kein Bordell.«

Um neun Uhr schloss sie die Tür auf, und Viertel vor zehn kam der erste Kunde.

»Neonschild«, sagte Christer ab und zu mit einem Augenzwinkern.

Er fand selbst Aufgaben für sich, ohne dass sie darauf zeigen oder ihm Anweisungen geben musste. Das kannte Emily gar nicht. Und man musste ihn auch nicht nach jedem gewischten Fußboden und jeder begossenen Blume loben.

Wenn er zwischen Küche und Café hin und her ging, musste er den Kopf einziehen.

»Darf ich an der Kasse stehen?«, fragte er, als die ersten Kunden kamen. »Dann kannst du dich deinen süßen kleinen Kuchen widmen.«

»Du weißt doch gar nicht, wie man eine Kasse im Café bedient, Christen Und außerdem mache ich Quiche. Die ist nicht süß.«

»Mach dir keine Sorgen, kleine Quiche.«

Während sie wie der Bäcker in San Remo Brokkoliröschen über die Quiche streute, hörte sie draußen Lachen und das Klappern von Geschirr.

Irgendwie ging Christer alles etwas zu leicht von der Hand. Sie schämte sich für ihre gemeinen Gedanken. Wenn sie sich Blomgren hier an der Kasse vorstellte, dann merkte sie, wie ungerecht sie war. Da hätte sie mindestens fünfmal rausrennen und ihm helfen müssen, um dann am Ende doch alles selbst zu machen.

Sie beschloss, Christer am Abend zu einem luxuriösen Essen in der Küche einzuladen. Vielleicht erst einmal etwas falschen Kaviar …

Da verspürte sie seinen warmen Atem im Nacken.

»Heute Abend gibt es eine Überraschung«, sagte er. »Es reicht, wenn ich morgen früh um fünf nach Saltön fahre. Und das bedeutet: Heute Abend ein festliches Essen.«

Dann sah er sie plötzlich streng an.

»Denn du möchtest doch wohl, dass ich noch eine Nacht bleibe? Sonst sag es bitte.«

Emily sah ihn lange an.

»Ja, also es ist so«, sagte sie und legte ihre großen weißen Hände auf seine Schultern, »ich habe beschlossen, wirklich zu sagen, was ich will und was nicht. Und ich will gerne, dass du noch bleibst.«

Er war nur ein klein wenig größer als sie, aber er schwang sich locker den siebenundneunzig Kilo schweren Körper von Emily über die Schulter und stieg mit ihr die Treppe zur Wohnung hinauf.

Als sie in die Küche kamen, wo es nach einer Mischung aus Thymian, Basilikum und Knoblauch roch, streckte er seinen Fuß unter den Tisch und hob das Laken an.

»Aha, ein Puppenhaus! Na klar, du wirst ja zu Weihnachten Großmutter. Ich wusste gar nicht, dass die Kleinen so früh anfangen, mit Puppenstuben zu spielen. Und hast du bedacht, dass es auch ein Junge werden könnte? Oje, entschuldige bitte, zum Glück ist gerade keine meiner Kolleginnen hier.«

»Nein, hier bin nur ich«, lachte Emily, die auf dem Küchentisch lag, wo er sie abgelegt hatte, und die nun wartete, wie es weitergehen würde.

Um vier Uhr früh klingelte sein Wecker in der Jackentasche, und sie schoss hoch.

Sie weckte ihn mit einer Schale Milchkaffee und den Worten:

»Wenn du bei mir bist, will ich, dass du immer bei mir bist, aber wenn du nicht hier bist, bin ich nicht so sicher.«

In weniger als einer Sekunde war er hellwach.

»Bald wirst du dich entscheiden müssen«, sagte er und ging.

»Wie soll ich wissen, dass das nicht nur eine neue Falle ist?«, sagte Emily zur Puppenmama, als er gegangen war.

Sie hatte die Puppen auf der Fensterbank aufgereiht.

»So, da bleibt ihr jetzt sitzen, während ich eure Küche streiche. Farbe einzuatmen ist nicht gut, vor allem nicht für die Kinder.«

Auf Saltön scheuchte Blomgren gerade den Mann mit der Baskenmütze aus dem Laden und stieß nun den letzten Seufzer des Tages aus.

»Hau jetzt endlich ab, du kannst den Playboy mit nach Hause nehmen und morgen früh wiederbringen.«

Der Mann mit der Baskenmütze hüpfte vor Freude.

»Mach die Fenster gut zu«, sagte Blomgren zu Johanna. »Heute Nacht wird es Frost geben.«

»Unser erster gemeinsamer Frost«, erwiderte Johanna und kuschelte sich an ihn. »Wie romantisch.«

»Frost ist nicht gut für die Fenster«, bemerkte Blomgren.

Seit Emily ihn verlassen hatte, erwog er, mit den Fenstern im Haus weiterzumachen, aber es war einfach die verkehrte Jahreszeit dafür. Stattdessen ging er jeden Abend schweren Schrittes die Kellertreppe hinunter und tischlerte an einem Gitterbettchen. Er war sogar zu unruhig, um noch das Bingo im Fernsehen zu verfolgen.

Wenn Kunden hereinkamen und irgendwelche Dinge kommentierten, die im Fernsehen passiert waren, stand er völlig dumm da, aber Johanna eilte ihm meist zur Hilfe, ehe der Mann mit der Baskenmütze oder Blomgrens Bruder Orvar bemüht werden mussten. Johanna war schnell wie eine Kobra und diesem Tier auch sonst recht ähnlich. Lang, geschmeidig und schlank.

»Nein, also dass Emily dich schon wieder sitzen gelassen hat. Ist es diesmal auch ein Sommergast? Ist sie vielleicht mannstoll?«

»Sie hat mich nicht sitzen lassen. Sie hat sich von mir getrennt. Sie hat in Göteborg eine Bäckerei aufgemacht.«

»Die Tochter vom Doktor? So eine Schande.«

Blomgren starrte sie an.

»Das kann man so nicht sagen. Der Doktor ist stolz auf Emily. Er zwingt jeden seiner Patienten, nach Göteborg zu fahren und Emilys nettes Café in Haga zu besuchen. Wir Leute von Saltön müssen zusammenhalten, sagt er.«

»Zusammenhalten? Wieso das denn?«

Die kleine aufrechte und spindeldürre Gestalt von Magdalena Månsson tauchte plötzlich in der Tür auf.

»Habt ihr solche Servietten, die immer nass sind?«, fragte sie und sah Blomgren forschend an.

Der Mann mit der Baskenmütze lachte verschwörerisch.

»Solche, wie es sie im Flugzeug gibt?«

Plötzlich war es mucksmäuschenstill.

»Ach, will Magdalena auf ihre alten Tage nochmal raus und richtig verreisen?«, fragte Orvar und tätschelte ihr die Schulter. »Wohin soll’s denn gehen? Taka-Tuka-Land?«

Magdalena schob seine Hand weg und ging zum Tresen.

»Der Doktor und ich werden für die Weihnachtseinkäufe nach London fahren«, sagte sie zu Blomgren, »und ich weiß natürlich auch, dass man im Flugzeug so ein feuchtes Tuch bekommt, aber ich will mehr davon haben. Es ist einfach so schön, sich die Stirn abwischen zu können, wenn man im Flugzeug sitzt.«

»Sind Sie denn schon mal geflogen, Magdalena?«, fragte Blomgren.

»Was glaubst du denn? Wie oft wirst du denn wohl geflogen sein, wenn du achtundsiebzigeinhalb bist?«

»Nicht so oft. Geht Emily mit?«

Magdalena lachte.

»Emily? Sicher nicht. Es wird völlig elternfrei.«

Das Telefon klingelte, als Emily gerade dabei war, die Krabbenbaguettes zu füllen.

»Papa, ich hab gerade wirklich keine Zeit zu reden.«