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In dem Buch WENN SICH KREATIVITÄT UND POESIE BEGEGNEN stellt sich die Schreibwerkstatt Ettlingen vor. 7 Autorinnen und Autoren der Schreibwerkstatt präsentieren auf 240 Seiten Texte und Gedichte, die sie in den letzten Jahren bei den Workshops der Schreibwerkstatt zu verschiedenen, in den Workshops vorgegebenen Themen geschrieben haben. Für die Leserin, den Leser wird erlebbar, wie im konkreten Prozess des Schreibens – in authentischer Interaktion mit sich selbst und den anderen allen Themen der Welt ein literarischer, poetischer Ausdruck gegeben wird, im Hin und Her - zwischen Denken und Spüren - zwischen Altem und Neuen Diesen Prozess nachzuverfolgen in den Texten und Gedichten der AutorInnen – dazu lädt dieses Buch ein.
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Seitenzahl: 177
Veröffentlichungsjahr: 2023
Wenn sich Kreativität
& Poesie begegnen
Schreibend die eigene
Kreativität entdecken
Impressum
1. Auflage 2023
Verlag: Tredition GmbH
An der Strusbek, 10 22926 Ahrensburg
Layout/Satz/Lektorat:
Schreibwerkstatt Ettlingen,
© 2022 by Christof Then & Schreibwerkstatt Ettlingen Hohenstaufenweg 15, 76337 Waldbronn
Das Urheberrecht an den Texten liegt bei den jeweiligen AutorInnen.
Alle Rechte vorbehalten. Alle Angaben ohne Gewähr.
Made in Germany
www.schreibwerkstatt-ettlingen.de
Paperback: ISBN 978-3-347-57650-6
Hardcover: ISBN 978-3-347-57651-3
Inhalt
KAPITEL 1
CHRISTOF THEN STELLT SICH UND DIE SCHREIBWERKSTATT VOR
Wie ich zum Kreativ Schreiben gekommen bin
Einladung
Die „Philosophie der Schreibwerkstatt“
Dem inneren Kritiker begegnen
Abläufe
Zusammenfassung
KAPITEL 2
DIE AUTORINNEN DER SCHREIBWERKSTATT STELLEN SICH VOR
Jürgen Artmann
Anti TikTok
Jogging-Rundkurs
Marion Döring
Im Boot
Trotzdem
Tu etwas Zaun an den Mond
Wortspiel
Antonia Maritta
Dämmerung
Der Tiger
Die Zeit
Nebel
Ulrike Held
Falscher Zug?
Hallo Schildkröte
Wald
Draußen ein Schiff
Thomas Helfrich
Das Gebäude
Keine Linie(n)
Virtuelle Müdigkeit
Reimgedicht
Andrea Hoffstätter
Den Moment festhalten
Federleicht
Gletscher
Plätze
Ilona Pfaff
Verlorener Malachit
Geträumte Landschaften der Seele
Vogelfrau
Kulinarische Utopien
KAPITEL 3
THEMENBEZOGENE TEXTE UND GEDICHTE
RÜCKBLICK AUSBLICK
Ulrike Held
Erich Kästner: Die Wälder schweigen
Begrifflichkeiten
Thomas Helfrich
Die Eiche, die Spinner und die Prozession
Stellenanzeige
Marion Döring
Meiner eigenen Spur folgen
Antonia Maritta
Aufbruch
Alles eine Frage der Perspektive
Thomas Helfrich
Das Konstrukt
Zwiegespräch I
Zwiegespräch II
Andrea Hoffstätter
Wege
„Das Samenkorn im Winter“
Ilona Pfaff
Mein Garten Zur Zeit der guten Wünsche
Spurensuche
Jürgen Artmann
Es gibt immer weniger Tote durch Flugzeugabstürze
Antonia Maritta
Gebet einer Ungläubigen
Andrea Hoffstätter
„Mut zum neuen Kalender“
Ilona Pfaff
Rückblick
Marion Döring
Das alte und neue Jahr 2021/22
Zwischenräume
Antonia Maritta
2022
Der Zug des Lebens
Die Säge im Kopf
Ilona Pfaff
Perspektiven
1-2-frei
POESIE DES MALENS
Ulrike Held
Schlaf der Worte
Ulrike Held
„Zwischenzeitlich“
Thomas Helfrich
Der Traum der Muse
Was ist Glück nicht
Marion Döring
Worte zu Salvador Dalí: „Meditative Rose“
Pablo Picasso: „Die Lesestunde“
Herbst
Geteilter Reichtum Erinnerung
Ilona Pfaff
Rimbaud
Lesestunde von Picasso
Jürgen Artmann
Wanderungen
Marion Döring
Verwurzelt, verbunden …
Es trommelt
Thomas Helfrich
Die Räume in den Menschen – Meine inneren Räume
Marion Döring
Pflück dein Glück
Jürgen Artmann Damenhut
Antonia Maritta
Hutladen
Andrea Hoffstätter
Lebenszyklus
Von allen Beiträgen etwas …
Ilona Pfaff
Max Ernst: Reflexionen
Mond und Maulwurf
Andrea Hoffstätter
Salvador Dalí: “Die meditative Rose“
„Die schwebende Rose“
„Reimgedicht“
SCHREIBEND DER EIGENEN KINDHEIT BEGEGNEN
Jürgen Artmann
Heiter bis wolkig
Antonia Maritta
Kindheit
Andrea Hoffstätte
„Ankommen bei mir“ oder „1. Schultag“
Jürgen Artmann
Nicht meine Kohorte
Andrea Hoffstätter
Die „schwache“ und die „starke“ Seite in mir
Einschnitte im Leben
Ilona Pfaff
Der gebrochene Flügel des Marienkäfers
Jürgen Artmann
Bum Bum Becker
Der Bauer
Die Heldentat
SCHREIBEND DER NATUR BEGEGNEN
Ilona Pfaff
Spurensuche
Ulrike Held
Am Nordseestrand
Im Detail
Thomas Helfrich
Hoch oben
Ilona Pfaff
Zeit
Marion Döring
Wintergedichte
Stille
Frühlingsahnung oder im Schnee
Marion Döring
Mein Weg I
Mein Weg II
Jürgen Artmann
Die Gesellschaft in und um den Teich
Revolution
Antonia Maritta
Der Baum, mein Traum
Die Kastanie
Thomas Helfrich
Der Turm
Marion Döring
Sommer
Thomas Helfrich
Jung geblieben
Andrea Hoffstätter
Der Engel in meinem Garten
Ruhe bewahren
Jürgen Artmann
Ein buntes Baumhaus voller Trüffel
Nur 24 Stunden
Spaghetti al Tartufo
Marion Döring
Der Graskopf
Bunter Wind
Im Baumhaus
Anarchisches Reimgedicht
Antonia Maritta
Begegnung mit der Natur
Fledermaus
Jeder ist ein Genie
Natur
Ulrike Held
„Meine grüne Hölle“
Ilona Pfaff
Vor Kurzem, zwischen drei und eins
Schmerlenbach-Natur
Jürgen Artmann
33 rpm
Unter der Kastanie
Antonia Maritta
Ein Stelldichein
Thomas Helfrich
Das Zeitschloss
Die Zeit – aus dem Leben eines Aussteigers
VIRTUELLE BEGEGNUNGEN
Jürgen Artmann
Virtuelle Penne Bombay
Ulrike Held
Zur Lage der Zeit: Corona
Jürgen Artmann
Virtuelle Verwirrung
Ulrike Held
„Digitaldemenz – Team Corona“
Thomas Helfrich
Ringe in mir
Zwiegespräch III
Andrea Hoffstätter
Entfaltung
ROSE - Entfaltung
Ilona Pfaff
Virtuelle Begegnung
KAPITEL 4
KURZBIOGRAPHIEN
Jürgen Artmann
Marion Döring
Antonia Maritta
Ulrike Held
Thomas Helfrich
Andrea Hoffstätter
Ilona Pfaff
PERSPEKTIVE
KAPITEL 1
CHRISTOF THEN STELLT SICH UND DIE SCHREIBWERKSTATT VOR
Wie ich zum Kreativ Schreiben gekommen bin
Ich habe schon immer Gedichte geschrieben, Texte, Tagebuchaufzeichnungen, Kommentare zum Lauf der Dinge, oft in für mich schwierigen Lebenssituationen, dabei habe ich irgendwann die befreiende Kraft des Schreibens entdeckt.
Ich habe erfahren:
Kreativ Schreiben kann ermöglichen, die eigene innere Freiheit zu entdecken und ihr einen Ausdruck zu geben. Schreibend mit mir allein nähere ich mich dem, der ich in meinem Innersten bin, und gleichzeitig verändere ich mich und etwas Neues entsteht aus mir heraus.
Diesen inneren Prozess des Sich-selbst-Findens im poetisch-literarischen Ausdruck erlebe ich immer wieder im konkreten Prozess des Schreibens als authentische Interaktion mit mir selbst, im Hin und Her zwischen Denken und Spüren, zwischen Altem und Neuem.
2015 begann ich die Ausbildung zum Focusing-Trainer in Frankfurt bei Karin Bundschuh-Müller. Und nach einem Jahr Beschäftigung mit allen möglichen Themen war mir plötzlich klar: Kreativ Schreiben ist mein Thema.
Plötzlich war der Gedanke da, das, was ich erlebe beim automatischen, anarchischen, wilden, konzentrierten Schreiben an andere weiterzugeben, ein Angebot zu machen, das einen ähnlichen Prozess des Schreibens möglich macht. Und gegen Ende der Trainer-Ausbildung kam ich auf die Idee, eine Schreibwerkstatt zu gründen.
Vertieft hat sich dieser Prozess noch durch die ECC-Fortbildung (Erlebensbezogenes Concept Coaching) bei Heinke Deloch in München. Und ich konnte das Workshop-Konzept entwickeln, das ich jetzt vorstellen will.
Einladung
Auf den folgenden Seiten möchte ich Ihnen Struktur, Ablauf und Wirkweise der Schreibwerkstatt Ettlingen präsentieren.
Dann werden die AutorInnen des Buches eine persönliche Auswahl an Texten und Gedichten vorstellen.
In einem weiteren Kapitel des Buches werden Texte und Gedichte der AutorInnen zu Themen, die die Schreibwerkstatt Ettlingen in ihrem Programm in ein- oder zweitägigen Workshops angeboten hat, präsentiert:
• Rückblick Ausblick
• Poesie des Malens
• Schreibend der eigenen Kindheit begegnen
• Schreibend der Natur begegnen
• Virtuelle Begegnungen
Die präsentierten Texte der AutorInnen sollen die Dynamik und Wirkungsweise der Schreibwerkstatt verdeutlichen. Gleichzeitig sind die Texte auch als Einladung an Sie gedacht, liebe LeserInnen des Buches, an den Workshops der Schreibwerkstatt teilzunehmen.
Herzlich willkommen in der Schreibwerkstatt Ettlingen!
Die „Philosophie der Schreibwerkstatt“
In den Workshops der Schreibwerkstatt geht es weniger um die Aneignung von „schriftstellerischen Techniken“, als vielmehr darum, sich der eigenen Kreativität zuzuwenden und das literarisch-poetische Potential, das in uns ist, zu entdecken, zu entwickeln und ihm eine Sprache zu geben. Es gibt eine verdeckte Sehnsucht in uns,
• der eigenen inneren Welt,
• der Gesellschaft, in der wir leben,
• den politischen Verhältnissen, die um uns sind, die uns umgeben,
schreibend einen Ausdruck zu geben (kunstvoll, lyrisch, literarisch).
In meiner Schreibwerkstatt geht es darum, sich diesem inneren Raum zuzuwenden.
Struktur, Aufbau und Inhalt der Schreibwerkstatt orientieren sich am Focusing-Prozess, wie ihn der Philosoph und Psychologe Gene Gendlin gefunden und formuliert hat, ohne dass er den Focusing-Schritten im Einzelnen folgt.
Es geht darum, Spüren und Denken, Gefühl und Intellekt so zusammenzubringen, dass die Schreibenden Authentizität und Stimmigkeit, persönliches Wachstum erleben können. Aus dem Anarchisch-Offenen kann sich ein neuer Inhalt entwickeln, eine neue Form „schreibender Wirklichkeit“.
Dabei befinden wir uns, als Schreibende, immer wieder in einem Bereich des „Noch-Nicht-Wissens, in dem uns noch die klare Sprache fehlt.
Wir ringen um Ausdruck und Klarheit, suchen die richtigen Worte, die richtige literarische, poetische Form, und wir haben hier, in der Schreibwerkstatt, den Rahmen, den Raum mit uns selbst, mit unserer sprachlichen Ausdrucksfähigkeit, unserem literarischen und poetischen Sinn zu experimentieren. Das kann wild anarchisch-chaotisch-einfallsreich-strukturiert-ergebnisorientiert sein, ohne inneren und äußeren Bewertungsdruck. Das Innere, das Vor- oder Unbewusste darf sich rühren, in Bewegung setzen, den Schritt ins Unbekannte wagen und Neues schaffen, das Klarheit bringt, neue Zusammenhänge findet, neue Muster des Gestaltens der Erkenntnis und Schönheit.
Und dieses Neue kann sich auch bilden und weiter entwickeln im Dialog mit den anderen TeilnehmerInnen. Dieser Dialog hat mit MITTEILEN und empathisch-wertschätzendem MITEINANDER TEILEN zu tun und ist ein wesentlicher, ganz entscheidender Bestandteil des Wesens der Schreibwerkstatt. Zu diesen inneren Prozessen lade ich Sie bei den „real“ und „virtuell“ stattfindenden Schreibworkshops herzlich ein.
Dem inneren Kritiker begegnen
Es hat sich bewährt, bei den länger dauernden Workshops, gleich zu Beginn, vor dem 1. Schreibprozess, sich möglichen Störungen des kreativen Prozesses zuzuwenden, um sie so gering wie möglich zu halten: Es geht darum, sich nicht von den Selbstentwertungs-Botschaften des inneren Kritikers abbringen zu lassen, seinen eigenen stimmigen Text zu schreiben.
Dazu wurden in der Schreibwerkstatt einige Übungen entwickelt, die die Progressive Muskelentspannung und Übungen des Freiraum Schaffens, wie sie bei einem Focusing-Prozess praktiziert werden, miteinander in Beziehung bringen, mit dem Ziel, mögliche Störungen des konstruktiven, kreativen Prozesses zu überwinden, gerade dann, wenn die Schreibenden eine innere Blockade erleben. Denn eine Erfahrung beim Kreativ Schreiben ist immer wieder: Es gibt den erfüllenden Moment des Schreibens, und es gibt den immer wieder aufkommenden Zweifel am geschriebenen Text.
Der innere Kritiker, der Auslöser dieses Zweifels ist, kann dabei selbstzerstörerisch, aber auch produktiv wirken.
Der Selbstzweifel meldet sich:
Der Selbstzweifel, ausgelöst vom selbstzerstörerischen Teil des inneren Kritikers, hemmt den kreativen Prozess. Er trägt keine „vorwärtsschreitende Energie“ in sich und hat seinen „Sitz“, seinen Ursprung, meist in der Vergangenheit.
Die Haltung dabei ist, ich akzeptiere dich, weil ich dich sonst nicht sehen kann, aber jetzt „HAU AB“ INNERER KRITIKER, ICH KANN DICH NICHT BRAUCHEN!
Der produktive Zweifel meldet sich:
Der produktive Zweifel, ausgelöst vom konstruktiven Teil des inneren Kritikers, lädt die Schreibenden ein, zu experimentieren, zu suchen, nachzudenken, zu spüren, bis irgendwann das Gefühl und die Erkenntnis da sind:
Jetzt sind die Zweifel ausgeräumt, es ist etwas Neues, Weiterführendes entstanden.
Die Haltung dabei ist, es ist gut, eine Suchende/ein Suchender zu sein, das ist Teil meines vorwärtsschreitenden, kreativen Prozesses: DANKE INNERER KRITIKER!
Abläufe
Vor dem Schreibprozess gibt es in der Regel einen Prozess, „Mit mir allein“, in dem man sich allein, mit sich selbst im Dialog, dem Thema zuwendet.
Dem folgt ein Prozess der „Partnerschaftlichen Begegnung“:
Im Dialog mit einer/m TeilnehmerIn besteht die Möglichkeit, sich dem Inhalt, dem Wesentlichen des Themas zu nähern. Dabei ist wichtig, dass die/der BegleiterIn präsent ist, aktiv zuhört, nicht kommentiert, nicht bewertet.
Dann gibt es einen Anleitungstext, der den „kreativen Freiraum“ öffnen und den Schreibprozess intensivieren soll.
Den Anleitungstexten folgen unterschiedlich lange Schreibphasen (ca. 30 min).
Oft enthalten vor allem die über 1, 2 Tage gehenden Workshops zu Beginn eine Einheit, in der zu einem mitgebrachten Lieblingstext, Gedicht oder Bild, geschrieben wird. Man beschäftigt sich mit einem Text, einem Gedicht, einem Bild, das man sehr liebt, und schreibt dazu alles, was kommt, was einem einfällt, was dazu entsteht.
Dem folgt eine Einheit, in der die Lieblingstexte, Gedichte, oder Bilder, und die Texte, die geschrieben wurden, der Gruppe präsentiert werden, was immer wieder sehr persönlich, intensiv und bewegend ist.
Dann wird zu einem bestimmten, vorgegebenen Thema gearbeitet, zum Beispiel:
• Aufbruch – Ankommen
• Schreibend der Natur begegnen
• Hoffnung entwickeln – Visionen teilen
• Schreibend der eigenen Kindheit begegnen
Im nächsten Schritt werden immer wieder die zu dem vorgegebenen Thema geschriebenen Texte den anderen TeilnehmerInnen präsentiert, soweit man den Inhalt des geschriebenen Textes preisgeben will.
Dabei kann es sein,
dass der Text für die ZuhörerInnen etwas ganz anderes als für die AutorInnen bedeutet, dass er andere Assoziationen erweckt, dass er in andere kreative Bereiche führt, dass sich andere Zusammenhänge des Erlebens und Denkens erschließen.
Es geht darum, von den anderen Texten das in den eigenen Text aufzunehmen und weiter zu bearbeiten, was die eigene kreative Welt vorwärtsträgt. In den folgenden präsentierten Texten und Gedichten wird es immer wieder möglich sein, diesen Prozess des Mitteilens und Miteinanderteilens „nachzuerleben“.
In den längerdauernden Workshops gibt es eine Schreibphase, in der die Möglichkeit besteht, die aus dem Moment des Augenblicks entstandenen Texte noch einmal auf Stimmigkeit zu überprüfen und zu überarbeiten.
Gegen Ende des Workshops folgen spielerisch heitere Momentedes Schreibens: „Das Anarchische Reimgedicht“.Es darf sinnlos,chaotisch, anarchisch sein. Es muss sich nur reimen! Es darf ein Paarreim sein (land wand hund rund), ein Kreuzreim (land hund wand rund), ein umarmender Reim (land hund wand rund), eine Mischung aus allem.
Und ganz am Ende des Workshops gibt es erneut eine Begegnung aller Teilnehmenden, aller AutorInnen, in dem die geschriebenen Texte der Gruppe präsentiert werden können, freiwillig und nur das, was man von sich wirklich preisgeben will.
Zusammenfassung
Kreativ Schreiben kann ermöglichen, die eigene innere Freiheit zu entdecken, ihr einen Ausdruck zu geben und mit der eigenen Poesie in Verbindung zu bringen. Diesen inneren Prozess des Sich-selbst-Findens im poetisch-literarischen Ausdruck kann man immer wieder als authentische Interaktion mit sich selbst erleben, im Hin und Her
• zwischen Denken und Spüren,
• zwischen Altem und Neuem.
Es geht also darum, Spüren und Denken, Gefühl und Intellekt so zusammenzubringen, dass die Schreibenden Authentizität und Stimmigkeit, persönliches Wachstum, erleben können.
Dabei befinden wir, als Schreibende, uns immer wieder in einem Bereich des „Noch-Nicht-Wissens“. Wir ringen um Ausdruck und Klarheit, suchen die richtigen Worte, die richtige literarische, poetische Form, und wir haben hier, in der Schreibwerkstatt, die Möglichkeit, mit uns selbst, mit unserer Sprache, unserer sprachlichen Ausdrucksfähigkeit, unserem literarischen, poetischen Sinn zu experimentieren.
Das, was man erleben kann beim automatischen, anarchischwilden, konzentrierten Schreiben, mit den anderen zu teilen, ist ganz wesentlicher Bestandteil der Dynamik und Wirkweise der Schreibwerkstatt Ettlingen. Zu diesen Prozessen lade ich Sie als LeserInnen dieses Buches herzlich ein, und ich wünsche Ihnen viel Vergnügen beim Lesen der Texte und Gedichte.
WENN SICH KREATIVITÄT UND POESIE BEGEGNEN!
KAPITEL 2
DIE AUTORINNEN DER SCHREIBWERKSTATT STELLEN SICH VOR
Jürgen Artman
„Schreiben ist Handwerk und die eigenen Abgründe“, sagte Bodo Kirchhoff. In diesem Sinne ist Schreiben für mich immer auch eine Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Schreiben hat eine reinigende Wirkung und den Vorteil, deutlich günstiger als eine Therapie zu sein.
Anti TikTok
Mein Sohn hat ein neues Hintergrundbild auf seinem Handy. Eine Influencerin, perfekte Wimpern, perfekte Lippen, perfektes Make-up. Er sagt, er hat sie mir schon einmal gezeigt, aber ich erkenne sie nicht wieder. Austauschbar. Ich verlasse das Café und laufe durch Frankfurt. Vor einem Wand-Graffiti bleibe ich stehen, zücke mein Handy, mache ein Bild, stecke das Handy in die Tasche. Auf dem Bild ist eine Mutter mit Kleinkind zu sehen. Darüber prangt ein Slogan.
There is something better than perfection“, hallt es in mir nach, als ich weitergehe.
Frankfurt ist nicht perfekt, die Fassaden sehr gemischt. Lila Gasrohre, die in der Höhe über die Straßen gebaut sind, sind Farbtupfer, die es nicht besser machen.
Das hilflose Kleinkind ist nicht perfekt. Aber es hat einen fordernden Blick. Es fixiert die Mutter.
Diese Augen sagen, dass sie Erwartungen haben.
Zufrieden und erschöpft sieht die Mutter aus. Sie ist nicht perfekt.
Es fehlt jedes Styling, nicht für Instagram geeignet. Der nackte Körper ist nicht perfekt trainiert, die Stirn liegt in Falten, die Haare haben keinen Pep.
Zufrieden sieht sie aus.
Mutter und Kind tragen Gesichtsmasken, nach oben geschoben wie Hüte. Sie glänzen, goldbraun und perfekt. Die beiden haben sie nicht nötig.
Der Film auf der Hauswand läuft vor meinem geistigen Auge. Die Mutter atmet entspannt und gleichmäßig. Das Kind wird auf der Bauchdecke leicht angehoben und senkt sich wieder.
Die Einheit ist perfekt. TikTok.
Jogging-Rundkurs
„Warum zögerst du? Traust du mir nicht?“, sagt gleich zu Beginn der Zebrastreifen. „Ich passe auf dich auf.“
„Danke, doch, ich traue dir, aber ich sehe instinktiv nach links und rechts, wenn ich dich überquere. Das geht nicht gegen dich.“
„Mich hast du nicht mal beachtet. Ich weiß, ich bin hässlich“, weint die alte DB-Zentrale.
„Du bist nicht hässlich, du bist brutal. Das ist halt dein Architekturstil. Dafür kannst du nichts.“
„Hey, wo willst du so schnell hin?“, fragt die Galluswarte. „Bleib hier und trink einen mit. Ich bin das größte Wasserhäuschen weit und breit.“
„Nach dem Joggen vielleicht“, antworte ich im Vorbeiziehen nicht ganz ernst gemeint.
„Du schnaufst wie ein Walross“, sagt die kleine Steigung vor der Eisenbahnbrücke und verdreht die Augen.
„Ja, ich weiß, du bist nicht lang. Aber ich mag halt keine Anstiege.“
„Wir spenden dir Schatten“, sagen die Bäume in Niederrad. Etwas zu viel Schatten für mich. Ich freue mich auf die Sonne.
„Störe mit deinem Gerenne unser Meeting nicht!“, beschweren sich die Banktürme der Frankfurter Skyline. „Wir haben Wichtiges zu besprechen. Wir sind systemrelevant.“
„Ich liebe Lucas, ich liebe Anne, ich liebe Tom, ich liebe Verena!“, rufen hunderte von Vorhängeschlössern auf dem Eisernen Steg wild durcheinander.
Wie viele haben später verzweifelt im Main nach dem Schlüssel gesucht?
„Hallo Kleiner, sieh her und schau, wie hübsch ich bin“, ruft mir die EZB stolz zu.
„Ja, du glänzt wie eine Diva auf der Cocktail-Party im PaillettenKleid. Aber ich muss weiter.“
„Ach verschwinde, du schwitzt. Ich warte auf einen echten Gentleman.“
„Morgen fahren wir los. Erst Main, dann Rhein, vielleicht darf ich aufs Meer. Ich darf bestimmt aufs Meer!“ Ein angelegtes Schiff wippt vor Vorfreude auf den Wellen.
Ich will ihm die Illusion nicht nehmen und sage nichts.
„Boa, is mir schlecht, Alter. Ich habe echt zu viel getrunken und gegessen“, klagt der mit leeren Weinflaschen und Pizza-Kartons vollgestopfte Mülleimer.
„Ja, du tust mir ein wenig leid. Hoffentlich räumt dich jemand auf.“
„Na, wieder da? Siehst fit aus“, lobt mich meine Haustüre. „Danke, Kumpel, dabei habe ich gar nichts anderes getan, als alte Freunde zu besuchen.“
Marion Döring
Auf der Suche sein
meinen stolpernden Gedanken
versuchen zu folgen
Verbunden sein mit der Gruppe
vorlesen, mich zeigen
den anderen lauschen
Mich inspirieren lassen
von deren Worten
Berührendes
in meine Texte weben
Mich wertgeschätzt fühlen
mit all meinen Facetten
dem Leichten und Bunten
dem Abgründigen und Traurigen
mal zart und leise
oder wild, trotzig und laut
nach hinten blicken
in Erinnerungen schwelgen
sie vorüberziehen lassen
Gefühltes in Worte kleiden
auch das Schweigen zeigen
nach vorne gerichtet
mal stotternd und scheu
dann polternd und forsch
immer neugierig und unterwegs
spielend, wieder ein Kind sein
mit Worten jonglieren und
versuchen, den Verstand
auszutricksen, keine Zensur
sinnfreie Fragmente bergen
auf der Suche sein,
meinen stolpernden Gedanken
versuchen zu folgen
Im Boot
Gestern fast ertrunken
im Tränenmeer
Heute sitze ich
im Boot,
lasse mich treiben
Die Segel setzt
der Wind
flüstert zart
deinen Namen
Bäume am Uferrand
ein einzelnes Blatt
flattert tanzend
durch die Luft
Zeitlupentempo
Es fällt sanft
in den See,
zieht Kreise
Ich schaue ihm nach
wie es davon treibt
Mein Boot
trägt mich,
schaukelt hin und her
leiser Wellengang
Eine Träne rollt
zurück ins Auge
Irgendwas bleibt immer
morgen
vielleicht
Trotzdem
Genug dem Verstummten gelauscht,
endlich wieder anfangen,
das Rascheln der Blätter zu spüren,
die alten Träume zu bergen – auch, wenn sie zerklüftet und in
wirre Einzelteile zersplittert sind.
Ein krabbelnder Käfer
am Wegesrand – aus Schatten geborgener Glanz
durch die äußerste Enge hindurch
gekrochen – na und?
Schrittchen für Schrittchen,
stetig, der fernen Sternenspur folgend –
links ein lächelndes Du
gewürzt mit Hoffnung,
rechts eine Prise Trost
Und niemals vergessen,
die Visionen zu dividieren:
Nur so ergibt sich der tiefere Sinn:
Wachsam bleiben und Staunen.
Tu etwas Zaun an den Mond
Lass sein Geheimnis
für sich stehen
Nicht alles muss
ans Licht gebracht werden
ein kleiner Funken
leuchtet einfach so
Es gibt jetzt und hier
nichts weiter zu ergründen,
doch alles wächst
und gedeiht.
Wortspiel
Spiele mit Worten
wie einst als Kind
im Wald,
voller Sehnsucht
abgetrotztes Lächeln.
In diesen Zeilen
ein Zuhause finden,
flüchtig
scheu tastend
Wegweiser ins
kleine Glück.
Antonia Maritta
Warum schreibe ich?
Mit meinem Arbeitsalltag hat Schreiben wenig zu tun, dort beschäftige ich mich mehr mit Zahlen. Um so mehr genieße ich es, in der Schreibwerkstatt meinen Gedanken freien Lauf lassen zu können und mir meine Gefühle und Empfindungen von der Seele schreiben zu können.
In all der Hektik des Alltags sind das Schreiben und die Schreibwerkstatt für mich Kraftquellen, die meine Akkus wieder aufladen.
Dämmerung
Die Nacht ist vorbei, ein neuer Tag bricht an. Ich genieße diese Zeit der Ruhe und bereite mich auf den neuen Tag vor. Die Stadt ist noch nicht erwacht. Die Straßen sind noch leer. Ich fahre mit dem Auto Richtung Osten und erfreue mich an dem wunderschönen Sonnenaufgang. Der Himmel ist leicht wolkenverhangen. Die Sonne geht blutrot am Horizont auf. Nebelschwaden wabern über die Wiesen links und rechts der Autobahn. Ich freue mich. Das Licht ist wunderschön, und ich bin wieder versöhnt mit der Welt. Was mag der neue Tag mir wohl bringen? Sicherlich viel Arbeit, aber auch nette Gespräche mit den Kollegen. Wenn ich mit offenen Augen unterwegs bin, kann ich sehen, wie die Natur erwacht, wie jedes Jahr wieder. Im Moment geht es mir zu langsam.
Abenddämmerung, ein langer Tag liegt hinter mir. Der Tag war anstrengend, und ich bin müde. Ich habe meinen inneren Autopiloten eingeschaltet und lasse die Ereignisse des Tages nochmal Revue passieren. Was war gut, was war schlecht? Bin ich bedrückt und deprimiert? Auf der Autobahn fahre ich Richtung Westen, diesmal dem Sonnenuntergang entgegen. Es regnet nicht, die Sonne geht langsam am Horizont unter. Der Himmel ist rot gefärbt. Der Verkehr ist ziemlich dicht, und ich kann den Anblick nur kurz genießen. Ich freue mich, wenn ich nach jeder Kurve einen neuen Blick auf die untergehende Sonne erhaschen kann. Es ist schön zu leben. Wie wunderschön die Natur doch ist. Ich sitze zu viel im Büro.