Altes Eisen - U.H. Wilken - E-Book

Altes Eisen E-Book

U. H. Wilken

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Beschreibung

Der Autor steht für einen unverwechselbaren Schreibstil. Er versteht es besonders plastisch spannende Revolverduelle zu schildern und den ewigen Kampf zwischen einem gesetzestreuen Sheriff und einem Outlaw zu gestalten. Er scheut sich nicht detailliert zu berichten, wenn das Blut fließt und die Fehde um Recht und Gesetz eskaliert. Diese Reihe präsentiert den perfekten Westernmix! Vom Bau der Eisenbahn über Siedlertrecks, die aufbrechen, um das Land für sich zu erobern, bis zu Revolverduellen - hier findet jeder Westernfan die richtige Mischung. Lust auf Prärieluft? Dann laden Sie noch heute die neueste Story herunter (und es kann losgehen). Sie wollten mich hängen, aber das Beweismaterial reichte nicht aus, mich des Mordes an Jesse Perkins zu überführen. Nun sitze ich im Zuchthaus des Staates Arizona und zähle die Tage meines Lebens. Wenn sich eines Tages die Tür meiner Zelle öffnen wird, dann werde ich ein alter Mann sein. Zu alt, um noch einmal von vorn anfangen zu können. Zu schwach, um noch einmal Cowboy zu sein. Und sie werden mich verachten und vielleicht nach mir ausspucken, weil ich im Zuchthaus gesessen habe und durch diese Zeit gebrandmarkt bin. Keiner wird mich fragen, wie es dazu kam. Es wird sie nicht interessieren. Sie werden nur wissen, dass ich ein ehemaliger Zuchthäusler bin. Und die Welt wird nie erfahren, dass ich unschuldig ins Zuchthaus kam. Es bleibt mir viel Zeit zum Denken. Vor mir liegen noch fünfzehn Jahre, in denen ich grübeln und mich verfluchen werde, in jeder Stunde, in jeder Minute. Und wenn sie uns morgen wieder in die Steinwüste treiben und die langen Peitschen auf unsere Körper niedersacken lassen, dann werde ich wieder daran denken, an die Vergangenheit und an die Zukunft, die keine mehr sein wird. Mein Lager ist hart, und es ist nicht härter und nicht weicher als das Lager meines Zellengenossen. Er liegt letzt unter mir und stochert mit seinen verdreckten langen Fingernägeln in seinen Zahnlücken herum. Das tut er jeden Abend. Das Essen ist schlecht, und hin und wider fallen die Zähne aus. Vorgestern – oder war es gestern? – zeigte er mir einen Backenzahn und freute sich darüber, ich weiß, dass er verrückt ist. Aber er war es nicht vorher.

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Seitenzahl: 133

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Die großen Western – 427 –Altes Eisen

U.H. Wilken

Sie wollten mich hängen, aber das Beweismaterial reichte nicht aus, mich des Mordes an Jesse Perkins zu überführen.

Nun sitze ich im Zuchthaus des Staates Arizona und zähle die Tage meines Lebens.

Wenn sich eines Tages die Tür meiner Zelle öffnen wird, dann werde ich ein alter Mann sein.

Zu alt, um noch einmal von vorn anfangen zu können. Zu schwach, um noch einmal Cowboy zu sein. Und sie werden mich verachten und vielleicht nach mir ausspucken, weil ich im Zuchthaus gesessen habe und durch diese Zeit gebrandmarkt bin.

Keiner wird mich fragen, wie es dazu kam. Es wird sie nicht interessieren. Sie werden nur wissen, dass ich ein ehemaliger Zuchthäusler bin.

Nein, keiner wird mit mir sprechen wollen …

Und die Welt wird nie erfahren, dass ich unschuldig ins Zuchthaus kam. Es bleibt mir viel Zeit zum Denken. Vor mir liegen noch fünfzehn Jahre, in denen ich grübeln und mich verfluchen werde, in jeder Stunde, in jeder Minute.

Und wenn sie uns morgen wieder in die Steinwüste treiben und die langen Peitschen auf unsere Körper niedersacken lassen, dann werde ich wieder daran denken, an die Vergangenheit und an die Zukunft, die keine mehr sein wird.

Mein Lager ist hart, und es ist nicht härter und nicht weicher als das Lager meines Zellengenossen. Er liegt letzt unter mir und stochert mit seinen verdreckten langen Fingernägeln in seinen Zahnlücken herum. Das tut er jeden Abend. Das Essen ist schlecht, und hin und wider fallen die Zähne aus. Vorgestern – oder war es gestern? – zeigte er mir einen Backenzahn und freute sich darüber, ich weiß, dass er verrückt ist. Aber er war es nicht vorher. Das Zuchthaus – dieses verfluchte Höllengemäuer – hat ihm die Sinne genommen. Vielleicht werde ich in zwei Jahren auch so sein wie er – verrückt und abgestumpft. Ich glaube, dann lässt sich diese Hölle leichter ertragen. Und die tausend Gedanken quälen einen nicht mehr …

Aber ich darf nicht aufgeben, ich darf mich und die Hoffnung nicht aufgeben. Wenn ich mich selbst aufgebe, dann ist alles verloren.

Nein, ich muss an alles denken, und ich muss weiter hoffen.

Und ich muss auch an mich glauben. Und an den Herrgott.

Ich denke jetzt sehr oft an ihn. Und wenn ich an ihn denke, denn denke ich nicht mehr an dieses Zuchthaus. Dann sehe ich nicht mehr diese dreckige kleine Zelle, die in die Steine geritzten Worte – dann fühle ich nicht mehr die saugenden Schläge der Peitsche. Dann spüre ich auch nicht mehr die mörderische Hitze dort draußen in der Steinwüste.

Früher habe ich nicht oft an ihn gedacht, und ich habe auch nicht oft gebetet. Das tut man immer erst, wenn man sich selbst bedauert – glaube ich.

Was Higgins unter mir wohl vor Jahren gedacht hat? Er kann es mir jetzt nicht mehr sagen, weil er den Verstand verloren hat. Vielleicht denkt er nur noch an seine Zähne …

Dieses Zuchthaus ist schlimmer als die Hölle.

Noch fünfzehn Jahre …

Ich bin unschuldig. Unschuldig! Ich habe geschrien und geweint, ich habe tausendmal meine Unschuld beteuert – aber sie hörten nicht auf mich. Sie wollten nicht auf mich hören! Sie haben mich zu siebzehn Jahren Zuchthaus verurteilt. Das ist schlimmer als der Strang.

Ja. Jesse Perkins wurde erschossen. Vor zwei Jahren. In Flagstaff. Ich erinnere mich genau daran.

Es war am Abend. Die Kneipen waren brechend voll, denn der Tag war sehr heiß gewesen, und die Männer hatten Durst. Es wurde sehr viel getrunken. Wenn Männer trinken, gibt es immer eine Schlägerei. So auch in der Kneipe ›Digger’s In‹ in Flagstaff. Wir waren mit der ganzen Crew dort. Und es waren auch viele Einwohner Flagstaffs dort. Einige randalierten. Schon ging die Schlägerei los. Stühle flogen krachend gegen den großen Spiegel hinter der Theke. Tische zerbarsten unter dem Gewicht der sich schlagenden Männer. Dann schoss irgendeiner die Petroleumlampen aus. Auch andere schossen nun. Es war stockdunkel, und nur die Mündungsfeuer erhellten für Sekunden die Kneipe. Ich hatte auch meinen Colt gezogen, nur um irgendetwas in der Hand zu haben. Im grellen Licht der Mündungsfeuer sah ich Jesse Perkins frei im Raum stehen. Die anderen lagen zwischen den umgeworfenen Tischen. Es krachte überall, und viele schrien laut irgendetwas. Ich schoss auf die Fensterscheiben, um mir einen Weg zu bahnen. Dann sprang ich durch das Fenster ins Freie, landete auf allen vieren auf der Straße. Als ich aufblickte, erkannte ich Sheriff Tomson. Er piekte mich und drängte mich in die Arme seiner drei Gehilfen. Dann stürzte er in die Kneipe und schrie, dass sie aufhören sollten. Als Stille war und der Wirt eine neue Lampe entzündete, lag Jesse Perkins tot am Boden. Keiner wollte es gewesen sein. Als sie hörten, dass ich die Flucht ergreifen wollte, sagten sie alle aus, dass ich es gewesen sei, der Jesse Perkins umgelegt hatte.

Ich brüllte, dass ich es nicht gewesen war, aber sie ließen mich nicht zu Wort kommen und schrien alle wie die Teufel. Und Tom Morrow sagte: ›Er war es! Ich habe gehört, wie er heute Mittag zu Perkins sagte: Wenn du meine Schwester noch einmal belästigst, dann knalle ich dich übern Haufen! – Ja, Sheriff, das hatte er zu Perkins gesagt!‹

Ja, ich hatte das zu Perkins gesagt. Tom Morrow hatte recht. Aber ich meinte es nicht so. Ich war nur wütend, dass Perkins meiner Schwester nachstellte und ihr unverschämte Angebote machte. Deshalb hatte ich ihm gedroht. Alles sprach gegen mich. Die Trommel meines Colts war leer. Und ich war durch das Fenster gesprungen. Ich hatte auch Perkins gedroht.

Die Männer wurden alle durch Sheriff Tomson verhört. Dann sperrte er mich ein. Perkins wurde begraben, und eine Woche später trat das Gericht zusammen. Sie konnten mir nicht bis ins Letzte beweisen, dass ich Perkins getötet hatte. Aber sie suchten nach irgendeinem Grund, mich ins Zuchthaus zu bringen. Sie trugen allen Schmutz zusammen, den es gar nicht gab, und verurteilten mich. Ich wehrte mich verzweifelt, aber es war alles umsonst. Siebzehn Jahre Zuchthaus – so hieß das Urteil. Meine Schwester und meine Eltern besuchten mich noch ein letztes Mal im Jail, und meine Mutter weinte. Nie werde ich das vergessen. Sie wusste, dass ich unschuldig war. Sie reichte ein Gnadengesuch beim Gouverneur ein, aber es wurde abgelehnt. Man war froh, einen ›Schuldigen‹ gefunden zu haben. Das genügte ihnen …

Und so kam ich hierher …

Noch immer weiß ich nicht, wer damals vor zwei Jahren Jesse Perkins getötet hatte. Man hätte sie alle ins Zuchthaus bringen können, aber sie wollten nur mich.

Heute weiß ich, was Gerechtigkeit heißt …

Wenn ich hier herauskomme, dann werde ich andere Wege gehen. Dann werde ich meine Chancen suchen und versuchen, diese verlorenen Jahre wieder einzuholen. Ich fange dann nicht von unten an, nein. Ich fange von oben an.

Noch fünfzehn Jahre! Wie soll ich diese Hölle überstehen?

Ich muss denken, ich muss nachdenken. Und ich darf nicht verrückt werden. Ich darf nicht in dieser Hölle verrecken. Aber ich werde ein alter Mann sein, wenn ich diese Jahre abgesessen habe.

*

Harte Schritte hallten den langen, dunklen Gang entlang, vorbei an den vielen Zellen, hinter denen Menschen ohne Namen saßen, Menschen, die auf ihrer rauen Bekleidung eine in weißer Farbe gestrichene Nummer trugen. Stille war in den Zellen. Die Insassen hockten oder lagen auf ihren muffig riechenden Strohlagern und starrten stumpfsinnig vor sich hin. Sie hörten die Schritte, ohne sie eigentlich richtig zu hören. Es war ihnen längst egal, was die beiden Wärter wollten, wohin sie gingen …

Die Schritte verstummten. Am Ende des Ganges klirrte ein Schlüsselbund. Ein Schlüssel wurde in ein Türschloss gesteckt. Laut knackte der Schlossbolzen. Dann erscholl eine raue Stimme: »Nummer 222 – herauskommen!«

Ein Lager knarrte, schlürfende Schritte ertönten, eine rostige Türangel quietschte.

Eine Tür fiel mit einem lauten Schlag ins Schloss. Es gab ein vielfältiges Echo im langen, dunklen Gang, den zwei Petroleumlampen nur schwach beleuchteten.

Dann kamen die Schritte wieder zurück. Diesmal waren es drei Männer, die an den vielen Zellen vorbeigingen. Zwei Männer traten fest und sicher auf, das waren die Wärter. Der dritte zog die Füße langsam nach, das war der Gefangene.

Die Nummer 222 wurde abgeführt. Was bedeutete das? Verzerrte Gesichter mit hohlen, eingefallenen Wangen starrten hinter den Türgittern auf den Gang. Glanzlose Augen sahen auf die Türnummer 222, und ein Zelleninsasse sagte müde zu einem anderen: »Was wollen sie mit ihm machen?«

»Vielleicht wollen sie ihn wieder schlagen, wie sie uns immer schlagen, wenn sie Lust dazu haben. Vielleicht führen sie ihn auch zum Himmelspilot, zum Pfarrer«, murmelte ein anderer müde.

Langsam entfernten sich die Schritte. Wieder wurde eine Tür geöffnet. Als sie wieder zufiel, war Stille im Gang.

Die Wärter sprachen kein Wort zu ihm. Sie gingen an seiner Seite wie Roboter. Der eine trug die Schlüssel, und der andere hatte in der rechten Hand eine lange Peitsche. Sie waren beide mit Colts bewaffnet.

Es ging ein paar Stufen hinauf. Ein kurzer Gang. Mehrere Türen ohne Gitterfenster. Es waren Bürotüren.

Vor einer dieser Türen blieben sie stehen. Der eine Wärter legte ihm die Hand in den Nacken, der andere pochte mit dem Handrücken an die Tür.

»Come in!«, sagte eine Stimme hinter der Tür.

Sie schoben ihn in den Raum. Vom hellen Sonnenlicht geblendet, schloss er die Augen, roch die Möbel und den Zigarettenrauch, der im Raum hing.

Mit zitternden Augenlidern sah er den breiten Mann an, der hinter dem wuchtigen Schreibtisch saß und in der rechten Hand die Zigarette hielt. Dieser Mann war der Zuchthausdirektor.

»Geht raus«, befahl er den Wärtern.

Sie sahen ihn verblüfft an und zögerten. Sie waren es nicht gewohnt, dass er sie hinausschickte, wenn ein Zuchthäusler in seinem Amtsraum war.

Warum schickte er sie hinaus? Sie waren etwas gekränkt.

Er war allein mit dem Mann hinter dem Schreibtisch.

»Setzen Sie sich«, sagte Jack Clerance. Er lächelte und zeigte auf den Ledersessel, der vor dem Schreibtisch stand.

Dean Hudson schluckte und setzte sich zitternd.

Der Direktor stützte die Ellbogen auf die Tischplatte, beugte sich leicht vor und sah ihn freundlich an.

»Ich habe die angenehme Pflicht, Ihnen etwas zu eröffnen, das Sie wohl niemals erwartet haben«, sagte er lächelnd. Er zog an seiner Zigarette und zerdrückte die Kippe im Aschenbecher.

Dean Hudson sagte kein Wort. Er zeigte kein Interesse. Er war in diesen langen Jahren misstrauisch geworden.

Jack Clerance erhob sich und trat an einen Aktenschrank heran. Er suchte in einem Stoß Karteikarten, zog schließlich eine Karte hervor und nahm wieder hinter dem Schreibtisch Platz. Dann öffnete er die Mittellade des Tisches und holte eine dünne Akte mit der Nummer 222 hervor.

Er schlug diese Akte auf und sah auf das erste Blatt.

»Hören Sie zu, Hudson«, sprach er und sah auf das Blatt Papier.

Flagstaff, Arizona, den 3. April 1890. Betrifft Jesse Perkins, erschossen am 10. Juli 1888 in der Gastwirtschaft ›Diggers Inn‹ in Flagstaff, Arizona. Am obenangeführten Tage wurde im Digger’s Inn …

Mit ruhiger Stimme las Jack Clerance das Schreiben vor, und Dean Hudson saß verkrampft im Stuhl, während ihm der Schweiß ausbrach und er die Hände knetete, dass die Knöchel weiß hervortraten. Sein Blick saugte sich an den dünnen Lippen des Zuchthausdirektors fest, und er hörte diese Worte, die für ihn die Freiheit bedeuteten, während sein Herz wild schlug: Am 2. April 1890 legte Sam Higgins auf dem Sterbebett ein Geständnis ab. Darin heißt es: Ich habe damals Jesse Perkins erschossen, weil er mich auf gemeinste Art und Weise beschimpft hatte. Ich will nicht an einer alte Sache rühren, aber vor dem Angesicht Gottes versichere ich, dass ich Jesse Perkins erschossen habe. Ich war zu feige, um diese Tat damals zu gestehen. Ich wollte nicht gehängt werden, und ich wollte nicht ins Zuchthaus kommen. Ich war schon immer feige gewesen, mein ganzes Leben lang. Ich wusste schon damals, dass ich in wenigen Jahren an meiner Lungenkrankheit sterben würde, und wollte in dieser kurzen Zeit, die mir noch zum Leben verblieb, frei sein. Ich flehe Gott an, dass er mir noch einmal verzeiht, und ich bitte Dean Hudson, der unschuldig für mich ins Zuchthaus kam, um Verzeihung. Meine letzte Hoffnung ist, dass er mich verstehen kann.

Jack Clerance ließ die Akte auf den Tisch fallen und sah den bleichgewordenen Dean Hudson sanft an.

»Ja«, murmelte er mit schwerer Stimme, »ja, Dean Hudson, das steht hier schwarz auf weiß auf diesem Blatt, und es steht noch eine Menge mehr darauf.«

Er blickte wieder auf die Akte mit der Nummer 222 und las weiter: »Dieses Geständnis wurde in meiner Gegenwart abgelegt. Tomson, Sheriff von Flagstaff, Arizona. – Darunter steht eine Verfügung, Dean: Dean Hudson, im Zuchthaus von Arizona eingesperrt, ist nach Eintreffen dieser Verfügung sofort zu entlassen. Ihm ist seine gesamte Ausrüstung wieder zurückzugeben. Außerdem sind ihm hundert Dollar auszuhändigen. Eine weitere Geldsumme in Höhe von fünfhundert Dollars ist am heutigen Tage an die Bank in Flagstaff überwiesen worden. Das Geld steht Dean Hudson voll zur Verfügung. – Das Hohe Gericht des Staates Arizona bedauert zutiefst seinen Irrtum und bittet um Verzeihung. – Dean Hudson ist nach seiner Entlassung aus dem Zuchthaus ein freier Mann mit allen Rechten eines unbescholtenen Bürgers. Wer ihm seine Zuchthaus-Vergangenheit vorwirft, wird mit schwerer Strafe belegt.

Ich spreche Dean Hudson meinen Glückwunsch aus – Gouverneur von Arizona.«

Mit einem langen Seufzer lehnte sich Clerance in seinen Stuhl zurück und lächelte bitter.

»Auch ich habe viel wiedergutzumachen, Dean«, murmelte er. »Diese zwei Jahre kann dir kein Mensch wiedergeben. Was wirst du jetzt machen?«

Dean Hudson hatte die Augen geschlossen und sein Gesicht in beide Handflächen gelegt. Als Clerance ihn fragte, sah er auf, und Clerance blickte in Augen, die still weinten.

»Ich weiß es nicht«, flüsterte Dean mit zersprungener Stimme. »Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich wieder frei bin und über das weite Land reiten kann. Ich spüre wieder den frischen Wind, der nach Gras duftet. Ich höre wieder die Rinder murren, und ich sehe wieder den blauen Himmel. Oh, mein Gott, ich danke dir …«

Erschüttert senkte Jack Clarence das ergraute Haupt.

*

Der Southern Pacific brachte ihn seiner Heimatstadt Flagstaff näher. Hämmernd schlugen die rollenden Räder über die Schienenabsätze. Draußen huschte die sonnendurchglühte Landschaft Arizonas vorüber.

Dean Hudson war nun 28 Jahre alt. Sein Gesicht war markant und scharf geschnitten. Eine etwas zu große Nase, die ihm einen unerhört kühnen Ausdruck gab, ragte über seine dünnen Lippen, ein starkes Kinn verriet Energie und Willenskraft.

Mit seinen rauchgrauen Augen hatte er schon sehr viel gesehen. Sie waren scharf und hatten den Ausdruck von Schlangenaugen. Sie konnten aber auch sehr weich werden.

Aber je mehr er sich der Heimat näherte, umso mehr bekam er dieses eigenartige Gefühl, das einen Mann erfasst, der lange von der Heimat fort war.

Wie werden sie ihn ansehen, was werden sie zu ihm sagen? Werden sie überhaupt irgendetwas zu ihm sagen? Vielleicht werden sie ihm aus dem Wege gehen …

Und dann dachte er an sein Elternhaus, sah im Geiste seinen Vater vor sich. Sah das gütige, faltige Gesicht seiner Mutter. Und erblickte seine junge Schwester.

Wehe dem, der ihnen ein Leid zugefügt hatte! Er würde ihn zusammenschlagen und beiseite schleudern, wie man ein Stück Dreck beiseitewirft.

Nach Hause …

Auf dem primitiven Bahnhof von Flagstaff standen viele Menschen, die sehen wollten, wer dem Express entsteigen würde. Der Zug kam alle Woche einmal nach Flagstaff, es war jedes Mal ein Ereignis für die Bewohner.

Dean hatte ein beklemmendes Gefühl.

Seine Eltern werden auf dem Bahnhof stehen und mit suchenden Augen nach ihm Ausschau halten.

Er ergriff sein Bündel und begab sich zum Ausgang. Die drei Boys, die sich während der ganzen Fahrt über Billy the Kid unterhalten hatten, standen vor ihm.

Als der Zug hielt, sprangen sie mit einem Satz vom Wagen und verloren sich in der Menge.

Für einen Moment verharrte Dean auf dem untersten Trittbrett und blickte über die Menschen hinweg, suchte seine Eltern. Er konnte sie nirgendwo entdecken, und so betrat er festen Boden und ging langsam über den Bahnsteig.