Gunfighter sterben jung - U.H. Wilken - E-Book

Gunfighter sterben jung E-Book

U. H. Wilken

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Beschreibung

Western Helden – Die neue Reihe für echte Western-Fans! Harte Männer, wilde Landschaften und erbarmungslose Duelle – hier entscheidet Mut über Leben und Tod. Ob Revolverhelden, Gesetzlose oder einsame Reiter auf der Suche nach Gerechtigkeit – jede Geschichte steckt voller Spannung, Abenteuer und wilder Freiheit. Erlebe die ungeschönte Wahrheit über den Wilden Westen Lächelnd zog er die langläufigen Colts, wog sie in den schlanken Händen und betrachtete genießerisch ihren bloßen Körper. Dann drückte er blindwütig ab. Dröhnend entluden sich die Colts – und die Schüsse peitschten durch den Oriental Saloon in Tombstone. Blei schlug in den ölig glänzenden und rauchgebräunten nackten Leib. Kugeln rissen klaffende Löcher. Pulver verbrannte, und beißender Qualm wallte um die Petroleumlampen. Die schrillen Schreie der Animiermädchen gellten in den halbdunklen Nischen. Gläser fielen um, rollten über Tresen und Tisch und zerklirrten auf dem Bretterboden. Thom Hunter lachte – und schoss weiter, bis in jeder Colttrommel nur noch eine Patrone steckte. Das durchsiebte Bildnis der nackten Diva polterte hinter den langen Tresen. Totenstille herrschte nun. Nur der Whisky tropfte zu Boden. Langsam stieß der blonde Thom Hunter die qualmenden Hülsen aus den Kammern. Lässig wandte er sich auf den hohen Absätzen ab und schob die rauchenden Colts zurück in die tief hängenden Halftern. »Ich mag keine Weiber in Öl.« Aus blitzenden türkisblauen Augen blickte er ironisch auf die Anwesenden, verzog das sonnengebeizte Gesicht und stakste sporenklirrend auf langen Beinen hinaus in den Sonnenschein, der im Staub der Fremont Street brannte. Nachmittag in Tombstone. Tucson – Oase der fünfzehntausend Seelen inmitten der roten Wüste. Menschen im Schatten staubiger Palmen, die sich im heißen Wind schwach bewegten. Verödete winklige Gassen und verlassene Hinterhöfe, leere überdachte Gehsteige, vertrocknende Geranien in kleinen Vorgärten.

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Seitenzahl: 136

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Western Helden – 13 –Gunfighter sterben jung

U.H. Wilken

Lächelnd zog er die langläufigen Colts, wog sie in den schlanken Händen und betrachtete genießerisch ihren bloßen Körper.

Dann drückte er blindwütig ab.

Dröhnend entluden sich die Colts – und die Schüsse peitschten durch den Oriental Saloon in Tombstone. Blei schlug in den ölig glänzenden und rauchgebräunten nackten Leib. Kugeln rissen klaffende Löcher. Pulver verbrannte, und beißender Qualm wallte um die Petroleumlampen.

Die schrillen Schreie der Animiermädchen gellten in den halbdunklen Nischen. Gläser fielen um, rollten über Tresen und Tisch und zerklirrten auf dem Bretterboden.

Thom Hunter lachte – und schoss weiter, bis in jeder Colttrommel nur noch eine Patrone steckte. Das durchsiebte Bildnis der nackten Diva polterte hinter den langen Tresen.

Totenstille herrschte nun. Nur der Whisky tropfte zu Boden.

Langsam stieß der blonde Thom Hunter die qualmenden Hülsen aus den Kammern. Lässig wandte er sich auf den hohen Absätzen ab und schob die rauchenden Colts zurück in die tief hängenden Halftern.

»Ich mag keine Weiber in Öl.«

Aus blitzenden türkisblauen Augen blickte er ironisch auf die Anwesenden, verzog das sonnengebeizte Gesicht und stakste sporenklirrend auf langen Beinen hinaus in den Sonnenschein, der im Staub der Fremont Street brannte.

Nachmittag in Tombstone.

*

Tucson – Oase der fünfzehntausend Seelen inmitten der roten Wüste.

Menschen im Schatten staubiger Palmen, die sich im heißen Wind schwach bewegten. Verödete winklige Gassen und verlassene Hinterhöfe, leere überdachte Gehsteige, vertrocknende Geranien in kleinen Vorgärten.

Und ein großer, sehniger Mann im Schatten des offenen Mietstalltores, der gedankenversunken auf einem erloschenen Zigarillostummel kaute und scheinbar schläfrig und gleichgültig auf die heiße Main Street blickte: Rascal, Mann vieler rauchiger Legenden.

Staubwirbel tanzten um die Ecken der Gehsteige und über die Radrinnen, wischten um Bäume herum und quirlten unter den Schwingtüren hindurch in die Saloons und Bars.

Gleich einer erstickenden Glocke lag hitzeflimmernder Dunst über der hundert Jahre alten Stadt, und weit draußen erstarb das Weideland unter den ewig wandernden, glühend heißen Sanddünen.

Niemand ahnte, dass- in zwei Jahren ein furchtbares Erdbeben Tucson heimsuchen sollte. Doch die Stimmung in der Stadt war auch an diesem Tag auf dem Tiefpunkt; die Bewohner und die durchreisenden Fremden waren gereizt, nicht ansprechbar, verdrossen und missgestimmt. Man ärgerte sich über den eigenen Schatten.

Langsam nahm der große Fremde den Stummel aus dem Mundwinkel und warf ihn weg, wollte zurück in den Mietstall zu seinem Pferd, das er hier nur vorübergehend untergestellt hatte – doch in seinen rauchgrauen Augen schwelte es sekundenlang wie unter einem Windstoß auf, als er den knochigen Mann erblickte, der in die Stadt ritt.

Obwohl Rascal zur Legende geworden war, kannte ihn hier in Tucson kaum jemand. Man hatte ihn auch nicht kommen und im Mietstall absteigen sehen. Seine Zurückhaltung schien fast schon Schüchternheit zu sein. Doch wer ihn wirklich kannte, wusste, was ihn dazu bewegte.

Und auch jetzt blieb er in der Deckung des Stalls und beobachtete den Reiter prüfend, abschätzend und dann mit einem melancholischen Ausdruck des Mitleids in den Augen.

Er kannte den Mann, der sein Pferd nun zum nächstgelegenen Saloon lenkte.

Und niemand hörte Rascal schwer und wehmütig sagen: »Mein Gott – was ist aus dir geworden, Stuart Bucket.«

Stuart Bucket war einst einer der schnellsten und gefürchtetsten Revolvermänner im Department Arizona gewesen, und niemals war er einem seiner vielen Gegner aus dem Wege gegangen.

Er war gar nicht mal so alt, aber er sah aus wie ein Hundertjähriger. Und vor dem Saloon rutschte er kraftlos aus dem alten Sattel und knickte in den Knien ein, hielt sich am Sattelhorn fest und legte einen Atemzug lang die Stirn auf den Handrücken.

Bucket war fertig – er war am Ende seiner Kraft, ein wehrloser Mann, über den irgendwann die zweibeinigen Wölfe herfallen würden.

Viele großartige Revolvermänner nahmen ein solch bitteres Ende.

Das Leben eines Gunfighters war wie ein hell loderndes Feuer, das unter grauer Asche erstarb …

Auch Rascal war ein Gunfighter, doch er war ein Mann der Winchester.

Drüben bewegte sich mit flachen, erdhaft schweren Schritten mühsam Stuart Bucket auf den erhöhten Plankensteg und verharrte steif vor der Schwingtür. Matt schimmerten die abgegriffenen Kolben der Colts im Schatten des Vordaches. Er zögerte, lauschte mit geneigtem Kopf – doch dann ging er wie unter einem Zwang hinein, und die Flügel der Schwingtür schlugen leise knarrend hinter ihm zusammen.

Rascal war so erfahren, dass er Unheil voraussehen konnte. Er vermochte Gefahr zu wittern, wo andere glaubten, dass tiefer Friede herrschte. Und schon jetzt wusste er, dass das Auftauchen dieses altgewordenen Revolvermannes Stuart Bucket einen besonderen Grund haben musste, denn sonst würde Bucket sich auch weiterhin verborgen halten und irgendwo in der Stille auf sein Ende warten.

Es war ein merkwürdiger Tag hier in Tucson für Rascal. All die Erinnerungen kamen ihm wieder, sie waren samt und sonders unerfreulich; zu bitter und zu hart war alles gewesen, und die Halunken, die seinen Weg kreuzten, hatten ihn eiskalt werden lassen. Er wirkte gegenüber seiner Umwelt abgestumpft und gleichgültig – doch der Schein trog.

Er hatte etwas Eisiges in den grauen Augen, das die meisten Menschen frösteln ließ, und doch ging von ihm auch ein Hauch von Wärme aus, der manche Menschen anzog. Ihn umgab der Atem der Wildnis und der Weite, und dieser Atem weckte Fernweh und Sehnsüchte nach Freiheit, Wind und Weite.

Nachdenklich verharrte er im Stall, und der heiße Wind fächelte herein und spielte mit seinem sandfarbenen, strähnig-schütteren Haar, ließ Stroh im Hintergrund rascheln und bewegte die hängende Stalllaterne am Querbalken über dem Mittelgang.

Immer wieder fragte er sich, was Stuart Bucket in Tucson wollte. Das konnte nicht gutgehen. Ein Mann, der so schwer angeschlagen war, kehrte wieder in die Öffentlichkeit zurück, und viele kannten ihn noch von seinen großen Zeiten her. Er musste ihren Hass wecken. Nein, das ging nicht gut …

Das war entweder Größenwahn, Unwissenheit oder eine Verzweiflungstat. Vielleicht wollte Stuart Bucket sich nicht eingestehen, dass er zum alten Eisen zählte.

Das Pferd aber, das er ritt, war gute Mittelklasse, und die Hufeisen waren nicht abgelaufen. Dieses Pferd und seine Waffen, zwei Colts und ein Repetiergewehr, waren wohl sein einziger Besitz. Er schien ein Mann ohne Heimat zu sein.

Tucson beherbergte so manchen Halunken.

Es waren vielleicht keine Banditen, doch aufsässige, heißblütige und zynische Männer waren es ganz bestimmt.

»Yea«, murmelte Rascal vor sich hin und stapfte zu seinem Pferd, zog die Winchester aus dem Scabbard und lud sie durch.

Im Saloon schräg gegenüber brüllte jemand wütend und bösartig. Rascal konnte die Worte nicht verstehen.

Im Stallausgang setzte er die Winchester ab und steckte sich einen Zigarillo an, starrte darüber hinweg auf die Schwingtür und bewegte grimmig den Unterkiefer, als wollte er mit den Zähnen den Zigarillo zermahlen.

Dann trat er auf die Main Street hinaus.

Langsam stakste er über die Radrinnen in seinem typischen, unsicher erscheinenden Gang, und sein Schatten glitt neben ihm über den heißen staubigen Boden und erreichte vor ihm Hufe und Beine des Pferdes.

Versonnen und geistesabwesend streichelte Rascal den Hals des Pferdes.

»Yea«, dehnte er erneut – und diesmal hörte es sich entschlossen an, nicht mehr verbittert und nachdenklich.

Ihm stand eine harte, raue Zeit bevor. Das wusste er noch nicht. Er sollte so manchem guten und so manchem bösen Menschen begegnen. Drei Männer jedoch sollten in diesem Geschehen eine besondere Rolle spielen.

Einer war hier im Saloon von Tucson – und das war Stuart Bucket.

Der andere war jung, blond und groß und sollte einem schrecklichen Fieber verfallen: Das war Thom Hunter in Tombstone, dem Rascal noch nicht begegnet war.

Und der dritte Mann hieß Lincoln White, von seinen Freunden »Whitey« genannt – doch nur sehr wenige nannten ihn so …

Nun sollte er also Stuart Bucket hier in Tucson treffen. Lange hatten sie sich nicht gesehen, doch so manches übereinander gehört. Eigentlich war es erstaunlich, dass Stuart Bucket seinen fünfunddreißigsten Geburtstag erlebt hatte.

Denn Gunfighter starben jung.

Lässig stieg Rascal auf den Brettersteg und drückte die Türflügel auseinander. Er verengte die Augen, gewöhnte sich schnell an das hier herrschende Dämmerlicht, erblickte mehrere männliche Gäste, den Bartender, ein Animiermädchen – und zwei Männer, die sich an der Theke gegenüberstanden, aber nicht, um in Freundschaft ein Glas Whisky miteinander zu trinken: Stuart Bucket und ein Mann mit brandrotem Haar, aufgedunsenem Gesicht und hellblauen Augen, deren ganz intensive Farbtönung schon sehr unnatürlich war.

Und dieser Rothaarige warf Rascal einen lauernden und abschätzenden Blick zu, denn er wollte in seinem Vorhaben, diesen gealterten Revolvermann fertigzumachen, nicht gestört werden. Darum fuhr er Rascal auch sofort an: »Misch dich ja nicht ein, Fremder! Halt dich raus, sonst werde ich stocksauer, ist das klar?«

Rascal trat näher und erreichte Bucket, legte ihm sanft die Linke auf die Schulter und sagte, während er kurz auf das ergraute Haar des Gunfighters blickte und dann den Rothaarigen ansah: »Schön, dich zu sehen. Sag nur nicht meinen Namen – ich will ihn vergessen …«

Er wollte unerkannt bleiben, und Stuart Bucket begriff das auch sehr schnell. Es war erschütternd, den gequälten und aufflackernden Ausdruck in seinen Augen zu sehen. So blickte ein getretener und misshandelter Hund seinen Herrn an!

Wie ein Hauch kam es über Buckets Lippen: »Du, Freund?«

»Er wird dir auch nicht helfen können, Bucket!«, fauchte der Rothaarige zynisch. »Ich will endlich wissen, ob du wirklich so gut mit den Schießeisen bist, wie immer behauptet wird!«

»Das ist lange vorbei«, flüsterte Bucket, »schon nicht mehr wahr.«

»He!«, zischte der Rothaarige, jetzt an Rascal gewandt. »Geh zur Seite, hau ab, sonst erwischt es dich auch noch! O verflucht, das ist mein Ernst!«

Kalt antwortete Rascal: »Du hast ja fromme Wünsche! Ich rate dir, schnellstens von hier zu verschwinden! Denn es ist gar nicht mal so sicher, dass du meinen Freund Bucket schaffst und über den Haufen schießt. Er ist immer noch Stuart Bucket – der Mann, der stets fair gekämpft und immer gesiegt hat.«

»Das werden wir ja gleich wissen!«, höhnte der Rothaarige giftig und stieß sich vom Tresen ab, um mehr Bewegungsfreiheit für die Hände zu haben. »Ich werde ihn in Stücke schießen, Fremder – und wenn du nicht abhaust, dann bist du auch dran!«

Frostig blickte Rascal ihn an.

»Halts Maul«, sagte er schroff und verächtlich, wandte sich halb ab und drückte die Hand fester auf Buckets Schulter. »Wie ist es, Stuart?«

Wieder war dieser erschütternde Blick da, dieser verlorene Ausdruck, dieser Hauch von Wehmut.

»Es gibt keine Blumen mehr in der Wüste, Freund«, sagte er leise, »Nein – nirgendwo.«

Keine Blumen in der Wüste – das war so etwas wie ein geflügeltes Wort unter den Gunfightern, und gemeint waren damit all die Gräber der großen Revolverkönige, auf denen keine Blumen leuchteten, über die der Flugsand hinwegtrieb und der heiße Wind in unsterblichem Fleiß den Boden glättete, bis die Gräber einsanken.

Tief atmete Rascal ein; ihm war traurig zumute. Schwach schüttelte er den Kopf und murmelte dumpf: »Doch, es gibt sie – diese Blumen, Stuart. Sie wachsen nicht auf dieser Welt, sie blühen in deinem Herzen.« Manchmal war die Sprache der Gunfighter sprichwörtlich blumig. Sie alle lebten in ständiger Gefahr, hinterhältig erschossen zu werden, und in diesem Bewusstsein entwickelten sie eine große Achtung für das Leben. Gerade weil sie dem Tode immer wieder in die leeren Augenhöhlen blicken mussten, hingen sie am Leben und schätzten es sehr hoch ein – auch das Leben ihrer Gegner. Kein richtiger Gunfighter konnte nach dem Tode seines Gegners darüber lächeln. Das Einzige, was sie alle empfanden, wenn ihre Gegner erschossen vor ihren staubigen Stiefeln lagen, waren Verbitterung und Trauer.

Und das wussten nur wenige Menschen im weiten Westen!

Rascal hätte jetzt Stuart Bucket beistehen können, doch er hätte ihm damit keinen guten Dienst erwiesen. Bucket würde sicherlich noch mehr zerbrechen, haltlos werden und den Glauben an sich selber verlieren. Das durfte nicht sein. Dann wäre er ein lebender Toter.

Keine Blumen in der Wüste …

»Du hast recht«, flüsterte Stuart, »es gibt sie, diese Blumen.«

»He, was gibt es da zu flüstern?«, fauchte der Rothaarige. »Wollt ihr es etwa gemeinsam versuchen?«

Rascal antwortete nicht, stakste zur Seite und setzte sich auf die Kante eines Tisches. Sein Gesichtsausdruck war leer und verriet nichts von seinen Empfindungen. Er wusste jetzt noch nicht, was er tun würde, wenn der Rothaarige Stuart Bucket töten sollte. Und mit ausdruckslosen Augen beobachtete er die beiden Männer und sah, wie Bucket mit sich kämpfte, wie er litt und zweifelte, wie er sich schließlich zu einem Entschluss durchrang.

»Wenn du es nicht anders haben willst, Junge?«, sprach Bucket erschreckend gelassen und seelenlos kalt. »Ich werde dich töten, und es wird mir nicht leidtun. Es ist nur schade um die Kugel, die kostet zehn Cent.«

Bösartig lachte der Rothaarige auf, und seine Stimme drückte Hohn und Verachtung aus: »Was, so arm bist du, so elendig arm, du Hund, dass du jeden Cent umdrehen musst?« Und als Bucket schwieg, fügte er seltsam lauernd hinzu: »Du hast doch immer verdammt viel verdient mit deinen Schießeisen, wie? Einen ganzen Haufen Kopfgeld hast du dir zusammengeschossen! Wo ist das alles geblieben, Bucket?«

Auch darauf gab Bucket keine Antwort.

»Ist ja auch egal, wie?«, spottete der Rothaarige. »Gleich wirst du tot sein, und dann schert sich kein Hund mehr um dich. Los, Bucket – versuch’s jetzt!«

Niemand sah, wie der große hagere Rascal in die Brusttasche seiner zerschrammten und mürben Lederjacke griff, wie er darin suchend herumfummelte.

Stuart Bucket machte sich bereit.

Die nervigen Hände öffneten sich dicht über den Kolben des Colts. Sein Atem kam gepresst, und sekundenlang verdunkelten die Schatten der wildbewegten Vergangenheit seine Augen – dann war er ganz plötzlich kalt, wie einst, und als in dieser Sekunde der Rothaarige nach den Waffen langte, um ihn zu töten, riss er die Colts hervor.

Er hatte keine Zeit, um den Gegner lediglich zu verwunden und kampfunfähig zu machen, er musste voll draufhalten! Es sah so aus, als würde er es schaffen – doch Pascal, der solche Situationen selbst oft genug durchlebt hatte, wusste, dass Stuart es nicht schaffen würde. Da warf er zehn Cent, die er aus der Jackentasche zog, zu Boden, und der klirrende Aufschlag lenkte den Rot-haarigen für Bruchteile einer Sekunde ab. Da traf ihn auch schon Stuart Buckets Kugel.

Leblos brach er zusammen.

Stuart Bucket aber lebte!

Rascal hatte in sein Schicksal eingegriffen – mit diesem billigen Trick! Zehn Cent hatten Bucket vor dem Tode bewahrt!

Steif und wie gelähmt stand Stuart Bucket im Saloon und blickte auf den Toten.

Er konnte nicht einen Funken von Genugtuung empfinden; gähnende Leere war in ihm. Und leer war auch sein Blick, als er nun Rascal entgegensah, der sich erhoben hatte und auf ihn zuging.

»Mir ist eine Münze aus der Tasche gefallen, Stuart … Zu dumm. Weißt du, wo sie liegt?«

Er fragte danach, obwohl er mit dem abgetreten Stiefel darauf stand, und Stuart Bucket schüttelte kaum merklich den Kopf, schob die Waffen in die Halfter zurück und wischte sich dann mit dem Handrücken die Schweißperlen vom grauen Gesicht.

»Trinkst du – einen Whisky – mit mir?«, fragte er stockend.

»Gern, Stuart.« Rascal blickte die Anwesenden kühl an. »Wo ist der Sheriff?«

»Im Sattel, irgendwo«, antwortete jemand mit gepresster Stimme, »mit den beiden Deputys. Der dritte Deputy ist in Annies Saloon und säuft sich die Hucke voll.«

»Dann holt den Sargtischler. Ich will diesen Vollidioten hier nicht länger sehen! Raus mit ihm!«

Zwei Männer fanden sich bereit, hoben den Toten an und schleiften ihn hinaus auf den Gehsteig, wo sie ihn im Schatten des Vordaches niederlegten.

»Ich – ich kann es nicht bezahlen, Rascal«, stöhnte Bucket. »Schon wieder ein Toter! Ich kann für das Begräbnis nicht aufkommen, ich bin wirklich pleite. Hoffentlich krieg ich bald Bescheid, was nun los ist mit diesem Auftrag der Bahn. Es ist meine letzte Chance, und wenn die nicht hinhaut, bin ich am Ende … Komm, trink mit mir, mein Freund.«

Sie tranken.

Der Telegrafenangestellte kam herein, hastete an die Theke und verlangte aufgeregt einen Doppelten. Er bekam ihn, kippte ihn gierig und verkündete dann hustend: »Die Apachen sind los! Sie sind aus der Reservation San Carlos ausgebrochen! Geronimo und seine Gruppe flüchten wieder nach Mexiko! Er hat vierunddreißig Mann bei sich, acht Jünglinge und genau zweiundneunzig Squaws und Kinder! Sie sollen sich mit ihrem verdammten Tiswin-Bier besoffen haben! Und jetzt hauen sie über die Grenze ab!«

Ein vierschrötiger, stämmiger Mann erhob sich vom Stuhl und trat näher.

»Was sagst du da? Geronimo, der Apachenhäuptling, flieht wieder einmal nach Mexiko? General Crook hat ihn doch erst letztes Jahr aus der mexikanischen Sierra Madre zurückgeholt und ins Reservat San Carlos getrieben.«