Wicked Hearts: Fae Revenge - Beatrice Jacoby - E-Book

Wicked Hearts: Fae Revenge E-Book

Beatrice Jacoby

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Beschreibung

**The enemy of my enemy is my friend**  Nachdem Valentina aufgrund ihres außergewöhnlichen Fluchs in das Kabinett einer Fae verschleppt wurde und ihr die Flucht von dort nur knapp geglückt ist, muss sie bereits einen Plan schmieden, der sie in noch größere Gefahren führt. Denn der Bruder ihrer Freundin Eugenia ist durch einen Bann in die Intrigen einer mächtigen Fae verstrickt, mit der auch Valentina noch eine Rechnung offen hat. Ausgerechnet ihr mysteriöser Widersacher Nox bietet dabei die Chance, das Blatt zu wenden und endlich Rache zu üben. Valentina hat keine andere Wahl, als eine widerwillige Zusammenarbeit mit ihm einzugehen. Wird der viel zu attraktive Nekromant diesmal ihre Erlösung sein oder sie mit ins Verderben reißen? Verliere dich zwischen Rache, Liebe und Verrat in der magischen Welt der Fae.   //Dies ist der zweite Band von Beatrice Jacobys magischer »Wicked Hearts«-Reihe. Alle Bände der Reihe bei Impress:  -- Wicked Hearts 1: Fae Curse -- Wicked Hearts 2: Fae Revenge  Diese Reihe ist abgeschlossen.//

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Impress

Die Macht der Gefühle

Impress ist ein Imprint des Carlsen Verlags und publiziert romantische und fantastische Romane für junge Erwachsene.

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Beatrice Jacoby

Wicked Hearts: Fae Revenge

**The enemy of my enemy is my friend**

Nachdem Valentina aufgrund ihres außergewöhnlichen Fluchs in das Kabinett einer Fae verschleppt wurde und ihr die Flucht von dort nur knapp geglückt ist, muss sie bereits einen Plan schmieden, der sie in noch größere Gefahren führt. Denn der Bruder ihrer Freundin Eugenia ist durch einen Bann in die Intrigen einer mächtigen Fae verstrickt, mit der auch Valentina noch eine Rechnung offen hat. Ausgerechnet ihr mysteriöser Widersacher Nox bietet dabei die Chance, das Blatt zu wenden und endlich Rache zu üben. Valentina hat keine andere Wahl, als eine widerwillige Zusammenarbeit mit ihm einzugehen. Wird der viel zu attraktive Nekromant diesmal ihre Erlösung sein oder sie mit ins Verderben reißen?

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Vita

Danksagung

© Michael Neumann

Die 1992 geborene Münchnerin Beatrice Jacoby absolvierte eine Ausbildung zur Incentive- und Eventmanagerin sowie zur Fremdsprachenkorrespondentin. 2022 absolvierte sie außerdem eine Weiterbildung im Bereich Schreibtherapie. Heute lebt und arbeitet sie in Düsseldorf. Sie liebt es, mit ihrem Mann zu debattieren, Buchcharaktere zu illustrieren und bei einer guten Tasse Tee in fantastische Welten abzutauschen.

Für Janetti und Nana.Ihr seid wundervoll, lasst euch niemals etwas anderes einreden.

Vorbemerkung für die Leser*innen

Liebe*r Leser*in,

dieser Roman enthält potenziell triggernde Inhalte. Aus diesem Grund befindet sich hier eine Triggerwarnung. Am Romanende findest du eine Themenübersicht, die demzufolge Spoiler für den Roman enthält.

Entscheide bitte für dich selbst, ob du diese Warnung liest. Gehe während des Lesens achtsam mit dir um. Falls du während des Lesens auf Probleme stößt und/oder betroffen bist, bleib damit nicht allein. Wende dich an deine Familie, Freunde oder auch professionelle Hilfestellen.

Wir wünschen dir alles Gute und das bestmögliche Erlebnis beim Lesen dieser besonderen Geschichte.

Beatrice Jacoby und das Impress-Team

Prolog

Eine erledigt, eine fehlt noch. Während die geflügelte Raubkatze über dem brennenden Kabinett emporsteigt, breiten sich vor mir die Weiten von Oberas und Titanias Reich mit seinen Höfen, Wäldern und Seen aus. Die Welt liegt uns buchstäblich zu Füßen. Dieser Moment ist genauso flüchtig wie die Tierwesen, die aus der schwarzen Villa strömen. Der Troll bricht durch eine Außenwand in die Freiheit, als die Raubkatze abdreht.

Eine Lügnerin, eine Spionin und ein Eindringling – kaum zu glauben, wie weit wir drei es geschafft haben.

Ein Teil von mir, den ich der dreiköpfigen Katze Saoirse nie vorstellen würde, hat fest damit gerechnet, dass wir nicht lebend aus Mimosas Fängen kommen. Jetzt sieh uns an.

Mimosas Kabinett existiert nicht mehr. Wir haben es von innen heraus zerstört wie mein Fluch einen Apfel.

Sobald ich unser Werk nicht mehr sehen kann, flaut das Hoch durch die Rache an Nox’ verkorkster Tante ab.

Ich brauche mehr.

Ich will Ivra brennen sehen.

»Wir müssen zurück zum Hof der Dornen und Skyler holen. Wir können ihn nicht zurücklassen!«, ruft Eugenia gegen den Wind, der an uns vorbeipeitscht. Doch im Gefecht zwischen Unsternen und Titanias Gefolge werden wir sie nicht mehr finden.

»Wir wissen nicht einmal, wohin Ivra mit ihm geflohen ist«, werfe ich ein. Dank den Portalen der Unsterne könnten sie inzwischen überall sein.

Das letzte Mal, als wir ihn gesehen haben, war auf Morgans Empfang. Er stand an Ivras Seite und ist wie hypnotisiert auf die Gäste losgegangen – Eugenia inklusive. Ich habe sie nur mit Müh und Not aus dem umkämpften Hof herausbekommen. Kein Wunder, dass ihre Gedanken sofort wieder zu ihrem kleinen Bruder schnellen.

Schlagartig überkommt mich Gänsehaut.

»Was, wenn Ivras Unsterne am Hof der Dornen im letzten Moment das Blatt wenden konnten? Wenn sie ihn nicht nur erobert, sondern auch Morgan und Titania getötet haben?«

Plum wirft mir einen besorgten Blick über die Schulter zu. »Wenn uns das jemand sagen kann, dann Obera.«

Die schwarze Raubkatze schlägt kraftvoll mit ihren Flügeln, bevor sie weiter emporsteigt. Den Wolken und dem royalen Hof entgegen.

Kapitel 1

Die letzten Tage des Sommers am Elderhügel sind ein Aufbäumen gegen den Herbst. Bis in den letzen Winkel unseres Verstecks dringt der reiche Duft von überreifen Früchten. Bald werden sie zu schwer für ihre Äste sein und sie werden fallen. Dann wandelt sich ihre Süße in Säure, während über ihnen die Blätterdächer ihr Orange, Rot und das für diese Region typische Violett annehmen. Doch mir kommt es vor, als steckten wir für immer in diesem schwülwarmen bis morgenkühlen Blinzeln vor dem Jahreszeitenumschwung fest.

Der Gedanke an Stillstand treibt mir noch mehr Unruhe unter die Haut. Sie entlädt sich in meinem Zeigefinger, dessen Nagel im Sekundentakt auf die abgenutzte Tischplatte klopft, in die allerlei Rezepte für Zaubertränke, symbolische Geheimcodes und Kürzel eingeritzt worden sind. Manche davon sind hell, andere Narben hat die Zeit bereits vergilbt. Wie diesen Tisch stelle ich mir auch mein Inneres vor – und ebenso leicht entflammbar.

Welche der eingeritzten Nachrichten wohl von Plum stammen? Welche hat sie anderen hinterlassen, die für die Krone spionieren? Es hat ein paar Tage gedauert, bis ich verinnerlicht habe, dass sie die ganze Zeit eine Spionin für Titania höchstpersönlich war. Ist. Wir haben seitdem nicht oft darüber geredet, meistens auch nur in Häppchen. Was sie in den Dienst der Krone gebracht hat, geht ihr schwer über die Lippen. Anscheinend wurde Plum damit gelockt, als Spionin hinter Türen blicken zu dürfen, die sonst verschlossen blieben. Die Hoffnung, mehr über das plötzliche Verschwinden ihres Bruder zu erfahren, ließ sie dem Pakt zustimmen. Als Eugenia schließlich ans Kabinett kam und mich zu Racheplänen anstachelte, sah sie zunächst eine Chance, endlich eine brauchbare Spur zu finden. Ich trage ihr nicht nach, dass sie uns darüber im Dunkeln gelassen hat. Plum hat nicht geplant, uns wirklich ins Herz zu schließen, ebenso wenig wie Eugenia geplant hat, ein besonderes Band in der Anderwelt zu knüpfen.

Ich hoffe, endlich offen darüber zu sprechen, Plum mehr Raum zum Luftholen zu verschaffen, wie damals, als ich Eugenia und ihr endlich die Wahrheit über meinen Fluch anvertraut habe.

Dieser geheime Unterschlupf dient als Anlaufstelle für Spionierende wie Plum. Hier sind wir sicher, bis sie Nachricht von der Krone erhält. Das Warten fällt mir von Tag zu Tag schwerer. Allerdings könnten wir es schlechter haben.

Das Versteck ist recht geräumig. Jede von uns hat eine eigene Hängematte, die zwischen Balken gespannt ist. In der Mitte des Raumes brodelt immer etwas auf Plums Hexenkessel. Die Regale hinter mir sind leer bis auf ein paar angestaubte Bücher und Einmachgläser ohne Inhalt. Alles an eingelegten Fühlern, Tentakeln, Froschaugen und getrockneten Kräutern haben Plum und Eugenia auf die andere Seite des Raumes gebracht, damit ich ihnen nicht zu nahekomme und mich freier bewegen kann. Die Einraumwohnung mit Mini-Waschraum hinter der Tür dort drüben erinnert mich an das Gewächshaus der schwarzen Villa. Allerdings herrschte darin nur ein Hauch von Plum, dieser Ort ist voll von ihr. Forsch. Geheimnisvoll. Ruhig brodelnd. Zig scharfe Kanten, wenn man genau hinsieht.

Draußen surrt unterdessen die royale Stadt. Durch die violetten, moosgrünen und ocker verglasten Fenster brennt die Sonne und lässt Lichter über Eugenias düstere Miene tanzen. Müde beäugt von dem geflügelten Raubtier, das ein Viertel des Zimmers einnimmt, braut Eugenia an ihrem x-ten Versuch eines Ortungszaubers. Spritzer von misslungenen Mixturen sitzen zwischen ihren Sommersprossen. Ihre wilden Locken springen aus dem Knoten, den sie mit einem von Plums Seidentüchern gebunden hat. Sie hat ein weites Hemd unter ihrem Rippenbogen zusammengeknotet, damit es ihr besser passt, was ihre Kurven betont. Zum Glück lagern hier Kleidungsstücke von mehreren Spionen und Spioninnen unterschiedlichster Statur. Viel Auswahl haben wir nicht, aber so findet immerhin jede von uns dreien etwas, das ihr passt.

Auch heute hat Plum, bevor sie sich auf die Jagd nach Neuigkeiten aus dem royalen Hof begeben hat, Eugenia sanft, aber bestimmt darauf hingewiesen, dass ein Ortungszauber ohne etwas Persönliches von Skyler nicht wirken wird. Auch heute hat Eugenia ihr einen verstohlenen Abschiedskuss aufgedrückt und den Appell ignoriert. Unermüdlich probiert Eugenia ihr Glück wieder und wieder. Sie scheint mit jedem Fehlversuch entschlossener statt entmutigt zu sein, also rede ich ihr nicht rein. Trotzdem hat Plum wohl recht. Auf diese Weise werden wir weder Skyler noch Ivra finden.

Es dennoch zu versuchen, ist jedoch alles, was Eugenia bleibt. Alles, was uns bleibt. Wir können bloß unsere Zähne und Krallen schärfen und auf Nachricht aus dem Palast warten. Es ist zum Kotzen.

So lange habe ich bereits ausgehalten, da sollten ein paar Tage mehr auch nichts ausmachen, oder? Nichtsdestotrotz bin ich ungeduldig. Ich habe Blut geleckt und jetzt will ich meine Fänge in etwas schlagen. Ich will, dass der Stillstand ein Ende hat!

Mein langer, spitz gefeilter Fingernagel klopft fester auf die Tischplatte.

Was bringt es, die Gestaltwandlerin endlich an ihren Augen in jeder erdenklichen Gestalt erkennen zu können, wenn wir keine Ahnung haben, wo sie sich aufhält?

Stirnrunzelnd starre ich die geschnitzten Spielsteine, die Schachfiguren ähneln, auf dem Brett vor mir an. Plum hat mir gezeigt, wie dieses Strategiespiel funktioniert und wie man seine Figuren über die eingeschnitzten schnökeligen Linien und Felder führt. Seitdem spielen wir nach dem Aufstehen, bis Plum sich auf den Weg macht. Die Runde, die wir heute Vormittag begonnen haben, steht unvollendet vor mir. Meine wichtigste Figur ist frei beweglich und dennoch umzingelt. Es wäre ein Leichtes, durch Plums Ränge zu brechen und so viele ihrer Spielsteine wie möglich vom Brett zu fegen. Aber wenn ich das tue, wird sie meine wichtigste Figur schlagen und die Partie ist vorbei. Eine übereilte Bewegung und ich verliere alles. Noch dazu spielt meine Gegnerin seit Jahren, im Gegensatz zu mir.

Etwas im Hexenkessel verpufft in einer senfgelben Wolke. Hustend fächelt Eugenia den Rauch vor ihrer Nase weg und sackt fluchend auf den Stuhl mir gegenüber.

»Nächstes Mal«, lüge ich, um sie aufzuheitern.

»Nächstes Mal«, wiederholt sie entschlossen.

Die Raubkatze, die Eugenia Aoife getauft hat, rollt mit den Augen, bevor sie das Feuer unter dem Kessel mit einem einzigen Flügelschlag auspustet.

Sind Eugenias Augenringe dunkler geworden? Ist ihre blasse Haut fahl unterlegt? Zeigt sie irgendwelche Anzeichen davon, dass das ständige Herumhantieren mit Magie ihr zu Kopf steigt? Plum ist die Expertin für Magie in unserem Trio und beobachtet Eugenia ganz genau. Ich vertraue ihr. Trotzdem bin ich besorgt.

Ob Eugenia das besser wegsteckt als andere Menschen, weil sie von einem Mann abstammt, der während der Gefangenschaft in der Anderwelt in seiner Jugend Magie ausgesetzt war? Eigentlich dürfte ihr Großvater darauf keinen Einfluss haben. Manche Menschen verbringen ihr halbes Leben hier und sind so anfällig für das Suchtpotenzial von Magie wie am ersten Tag.

»Plum ist ein Fuchs.« Eugenia grinst in sich hinein, während sie das Spielbrett zwischen uns studiert. Dabei glitzern ihre Augen und ihre Wagen laufen verliebt rosa an.

»Schön, dass meine missliche Lage dir so viel Freude bereitet«, scherze ich und stupse Eugenia unter dem Tisch mit dem Fuß an.

»Plum ist wirklich klasse …« Zu meiner Überraschung seufzt sie ernst.

Sie fährt sich mit beiden Händen über das errötete Gesicht. Bevor ich nachfragen kann, was los ist, spricht sie von sich aus weiter. Die Gedanken müssen sich angestaut und dabei Druck in ihr aufgebaut haben, denn jetzt drängen sie nach draußen.

»Ich weiß, man soll sich nicht in Fae verlieben. Grandpa hat mich immer davor gewarnt. Aber wir reden hier von Plum! Wie kann man ihr nicht verfallen, ihrer Cleverness, ihren Mysterien, ihrer mitfühlenden Art, allem an ihr? Sie braucht keine Tränke, um einen Raum mit Magie zu füllen.«

Da ist es wieder, das Glitzern.

»Es ist Plum«, wiederhole ich mit einem bestärkenden Lächeln.

Ich habe dank meines Fluchs nicht viel mit Magie am Hut. Mir ist diese Fernbeziehung zu ihr lieber. Was Plum und Eugenia verbindet, finde ich ohnehin wertvoller – es ist echt. Egal wie kurz oder lang sie sich schon kennen. Ich weiß auch nicht viel über die Liebe, es ist eher eine distanzierte Beziehung durch Geschichten anderer (danke nochmals an meinen Fluch). Doch selbst mir fällt auf, wie meine Freundinnen einander ansehen. Ich kann mir nicht vorstellen, mutig genug zu sein, um so unbefangen und frei zu lieben. Besonders da Ivra die Namen der beiden kennt und weiß, was sie einander bedeuten.

Den Namen des- oder derjenigen zu kennen, die man am meisten liebt, sollte großes Glück bedeuten. Allerdings nicht in Ivras Nähe, die damit Macht über jemanden erlangt.

Mein Blick fällt zurück auf die Spielfiguren, die meine umzingelt haben.

Bevor Eugenia und ich unsere Unterhaltung fortsetzen können, öffnet sich die Geheimtür im Bücherregal hinter mir. Plum schlägt die cremefarbene Kapuze ihres Umhangs von ihren fliederfarbenen Locken, wodurch Feenstaub aufgewirbelt wird. Besonders viel von der royalen Stadt habe ich noch nicht gesehen, aber dieser gelbgoldene Staub ist hier wirklich überall. Die Spätsommersonne lässt Plums terracottafarbene Haut satt leuchten, nur ihr Lächeln strahlt im Kontrast dazu noch mehr.

»Gute Neuigkeiten?«, platzt es aus Eugenia und mir simultan heraus. Anscheinend ist es nach dem Anschlag auf den Hof der Dornen schwieriger geworden, eine Audienz bei Obera und Titania zu erhalten, selbst für ihre Spionin. Plums selbstzufriedenes Grinsen verspricht nach langgezogenen Tagen des Wartens endlich Hoffnung.

»Kämmt euch die Haare und macht euch frisch, Mädels. In zwei Stunden tretet ihr vor die Krone persönlich.«

Kapitel 2

Als wir vor mehreren Tagen in die Stadt auf dem Elderhügel kamen, lag eine beunruhigende Nervosität in der Luft. Laut Plum wäre es nicht das erste Mal, dass die Krone einen Skandal unter den Teppich kehrt. Obera verschwieg womöglich den Tod ihrer Partnerin, um ihre Position nicht zu gefährden. Dieser Gedanke lag mir schwer im Magen. Besonders weil Plum in den letzten Tagen über Mittelsleute mit Titania kommunizierte, statt mit der Fae-Königin selbst.

Doch Tote laden nicht zur Audienz ein. Titania lebt.

Wenn uns jemand Anhaltspunkte zu Ivras Verbleib geben kann, dann sicher die Person, der sie auf den Fersen ist. Welche uralte Fehde die beiden auch verbindet, sie wird hoffentlich nützlich dafür sein, Ivra zu Fall zu bringen und Skyler zu retten.

»Plum, wohin führst du uns? Der Palast liegt sicher nicht mitten im Nirgendwo.« Mit gerunzelter Stirn blickt Eugenia über ihre Schulter. Wir sind in einer heruntergekommenen Ecke der Elderstadt gelandet. Von kleinsten Mengen Metall und anderen Rauschgiften benebelte Gestalten lungern in den Ecken des niedrigsten der Ringe, die sich um den Elderhügel winden. In der Ferne sind die riesigen Libellen zu hören, die Fae von einer Ebene zur anderen bringen, wenn es mit den purpurnen Reitschnecken zu langsam geht, die die Tunnel im Inneren des Hügels nutzen. Es ist ein einziges Surren und Flirren. Doch während der Staub, den Plum täglich heimbringt, hell schimmert, wirkt er hier eher altgold. Niemand, der nicht muss, sucht in dieser Gegend etwas. Nicht einmal uns. Das gefällt mir an unserem Versteck, das hinter einer Geheimtür in einer Spelunke liegt. Plum führt uns nicht den Hügel hinauf Richtung Elderpalast, sondern tiefer in die labyrinthartigen Verzweigungen dieses Stadtrings. Mit einem mulmigen Gefühl spiegele ich Eugenias Blick den Hügel hinauf, wo ich nur ein Stück der bemoosten Palasttürme erspähen kann.

»Vertraut mir«, sagt Plum und winkt uns in einen Kanaleingang in einer dämmrigen Gasse.

Ich vertraue ihr ja, aber meine Nase nicht. Der Gestank bricht mit den feinen Kleidern, die wir für die Audienz angezogen haben.

»Wir dürfen nicht riskieren, dass uns jemand folgt.« Plum nickt streng in Richtung Kanal. Eugenia und ich sehen einander wortlos an, schlucken, und steigen mit ihr hinab.

Der Kanal hat zum Glück Wege an der Seite. Schmale und glitschige Wege, aber immerhin. Plum hat Stofftaschentücher eingepackt, die wir uns vor die Nasen drücken, um den Gestank zu mindern. Sobald wir nach einer Weile wieder an die Oberfläche klettern, reiße ich mir das Tuch vom Gesicht und sauge gierig frische Luft ein.

»Ihr beiden seid so dramatisch.«

Ich weiß nicht, was Plum als Spionin schon alles für Behausungen und Umstände zu ertragen hatte. Ihre Nase kann auf jeden Fall einiges wegstecken. Beneidenswert.

Wir finden uns ein gutes Stück abseits vom Fuß des Elderhügels wieder, am Rand eines Waldes aus dünnen, blassen Bäumen. Ein Blick zurück und es ist klar, warum wir durch den Kanal gekommen sind. Zwischen uns und dem Elderhügel liegt nun eine Wiese mit hohem Gras, über der allerlei Pixie und andere kleine Fae schwirren. Auf meinem Weg hierher hätte mein Fluch eine unübersehbare Spur der Verwüstung hinterlassen.

»Nichts für ungut, aber wo soll diese Audienz noch mal stattfinden?«, fragt Eugenia mit halb skeptischem, halb neckendem Ausdruck.

»An einem sicheren Ort. Nach dem Anschlag auf den Hof der Dornen ist die Krone vorsichtiger geworden als ohnehin schon. Obera und Titania wollen nicht riskieren, Unsterne in den Palast zu bitten«, fügt Plum gedämpft hinzu.

Sie hat die letzten Tage bereits erzählt, dass der Palast sämtliche Türen und Tore geschlossen hält. Keine ausgelassenen Feste mehr, über deren Opulenz bis in meinen Sumpf getratscht wurde. Jetzt, wo ich darüber nachdenke, kam darin hauptsächlich Obera vor. Titania scheint deutlich zurückhaltender mit der Öffentlichkeit zu sein. Nach dem Anschlag auf Morgan und sie im Hof der Dornen bekommt diese Information eine andere Tiefe.

Umso beeindruckender finde ich, dass Plum es geschafft hat, Obera und Titania zu diesem Treffen zu bewegen. Beim Umziehen vorhin erwähnte sie, dass wir als Zeuginnen für den Vorfall am Hof der Dornen vorsprechen dürfen. Nur die Krone und die Vorsitzenden ihrer neun Höfe werden dort sein.

Fast kein Druck.

Als sicherer Ort dafür erscheint mir diese Wiese am Waldrand trotz enorm hohem Gras jedoch nicht. Diese Bemerkung zaubert Plum ein verschmitztes Lächeln ins Gesicht.

»Ungeduldig wie eh und je«, schmunzelt sie, bevor sie Eugenia und mich zu einem der dürren Bäume führt. Anders als die anderen wächst er nicht gen Himmel, sondern ist mit einem weiteren wie ein Bogen verzwirbelt. Sie rahmen eine kleine Höhle im Dornengewächs dahinter ein.

Meine Kinnlade klappt herunter. Ich trete noch einen Schritt zurück, der den Sicherheitsabstand zwischen den Bäumen und mir vergrößert. Die Gräser hinter mir fallen dafür in sich zusammen.

»Ein unwirklicher Raum?«, sage ich atemlos.

»Ein was?«, stutzt Eugenia.

»Ein magisch errichteter Raum, der in unsere Wirklichkeit gefaltet ist. Darin verbirgt sich deutlich mehr Platz, als er beherbergen dürfte. Würde man ihn beispielsweise in einer Tasche errichten, könnte man eine ganze Bibliothek oder seine ganze Stube hineinpacken«, erklärt Plum.

»Wie bei Mary Poppins?«

»Wem?«

»Wie bei Mary Poppins«, wiederhole ich bloß, ohne den staunenden Blick vom unscheinbaren Baum vor uns zu nehmen. Als ich noch mit den Schaustellenden in den unabhängigen Regionen herumgereist bin, haben wir neben Märchen aus der Menschenwelt auch einmal diese Geschichte aufgeführt. Ein Junge, der damals neu zu uns gestoßen war, hatte es sich gewünscht. Das Buch war alles, was ihm von daheim geblieben war. Er hat es gelesen, bevor er darüber eingeschlafen ist – ausgerechnet in einem Pilzring.

Der dünne gezwirbelte Bogen, den die beiden birkenähnlichen Bäume bilden, ist gerade breit genug, dass ich seitlich wie ein Krebs hindurchschleichen kann. Mein Fluch hascht nach ihren Stämmen. Mir stockt für einen Moment der Atem. Auch Eugenia und Plum atmen harsch ein. Das Schwarz der Fäulnis kriecht über die Grasnarbe bis kurz vor die erste Wurzel. Ein Halm kippt noch in quälender Zeitlupe gegen den Stamm, bevor die Reichweite meines Fluchs endlich ausgeschöpft ist.

Den Eingang zu einem unwirklichen Raum im Besitz des royalen Hofes zu zerstören, würde Titanias Vertrauen in uns nicht steigern. Und wir brauchen sie! Sie ist die Einzige, die wir kennen, die Antworten zu Ivra liefern kann.

Ich traue mich nicht mehr auszuatmen. Mit eingezogenem Bauch, die Arme fest an meine Seiten gepresst, schiebe ich mich den letzten Schritt durch das magische Portal.

Kaum hindurch erschreckt mich ein kühler Schauer. Es ist nicht mehr als ein feuchter Nebel, der jedoch mit Wucht über mich fährt. Verdutzt stolpere ich einige Schritte weiter und wirble zum Portal herum. Plum folgt mir mit Grazie und erhobenem Haupt durch den Nebelschauer, der auf dieser Seite das Portal verhängt. Sie blinzelt und schüttelt die glitzernden Tröpfchen aus ihren Locken, die zu zwei Bögen drapiert mit ihrem Gesicht beinah ein Herz bilden. Eugenia dagegen quietscht erschrocken auf und schlägt sich direkt eine Hand vor den Mund.

»Das ist nur ein Zauber, der für den Moment Sterntalente betäubt. Der Nebel ist nämlich mit feinstem Staub des Mondes Ecliptis versetzt.«

»Hat Titania dich vorgewarnt?«, fragt Eugenia.

Plum schüttelt den Kopf mit selbstbewusstem Blick. »Ich bin gut genug in meinem Beruf, dass sie das nicht musste.«

Wie stolz Eugenia sie dafür anlächelt, erwärmt mir das Herz. Während die beiden kurz in ihren Blicken versinken, kribbelt es in meiner Nasenspitze, zum ersten Mal einen unwirklichen Raum zu betreten.

Wo draußen der Waldrand stand, verlaufen die birkenähnlichen Stämme hier ein paar Köpfe über mir nicht in Baumkronen. Stattdessen wachsen sie als Stiele riesiger transparenter Glasblätter empor, die den Himmel wie ein bauchiges Zelt begrenzen. Darunter erstreckt sich kein Wald, sondern ein flacher Teich mit dunklem Wasser. Steine führen vom Portal darin weiter zu einem Fels, auf dem eine Orangerie steht. Ihre bunte gläserne Fassade ist kunstvoll gestaltet wie viele Fenster in der Elderstadt.

Die Steine sind so weit voneinander entfernt, dass wir alle einen leichten Satz machen müssen, um von einem zum anderen zu kommen. Einige vorbeischwimmende Seerosen erwischt dabei mein Fluch, auf den der Mondstaub keinen Einfluss hatte. Die zierlichen Libellen, die sie umschwirren, scheinen es mir übel zu nehmen.

Wieder muss ich bei aller Dringlichkeit, die unter meiner Haut juckt, staunend innehalten. Die Glasfassade der Orangerie ist nicht einfach nur in einem bunten Muster gesetzt. Jetzt, da ich direkt davorstehe, erkenne ich Porträts, die daraus zusammengesetzt wurden.

»Scheint, als wären wir die ersten«, murmelt Eugenia ungeduldig und sieht sich um.

Plum legt ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter, die Eugenias beerenfarbene, bestickte Corsage freilässt. »Wir sind früh dran.«

»Ich komme gleich nach«, sagte ich abwesender als beabsichtigt, als meine Freundinnen ansetzen, die Flügeltür der Orangerie zu öffnen. »Ich will mich noch kurz umsehen.«

»Aber verlier dich nicht hier drin, okay? Weder Obera noch Titania schätzen es, wenn man sie warten lässt.« Plums Stimme klingt sanft, ihr Blick drückt dafür umso bestimmter aus, dass es nicht zur Diskussion steht.

Ich nicke eifrig, bevor sie mich alleinlassen. Eine Libelle fliegt mir vor die Nase und schwirrt aufgebracht davor herum. Sanft wedle ich sie zur Seite.

»Das war keine Lüge«, flüstere ich dem Insekt zu. »Ich will mich wirklich nur kurz umsehen.«

Gleichzeitig brauche ich auch noch einen Moment, um mich zu sammeln. Erst jetzt lasse ich zu, dass ich das zittrige Gefühl in meinen Fingern bewusst fühle. Mein Herz pocht, aber zum Glück nicht panisch. Nur aufgeregt. Meine Krallen sind geschärft, mein Blick ist klar auf das Ziel gerichtet, kein Zweifel. Ich kann es kaum erwarten, Ivra alles verlieren zu sehen. Mich für meinen vermaledeiten Fluch zu rächen oder ihn sogar durch ihren Fall endlich loszuwerden. Trotzdem spüre ich die Nervosität vor dem erneuten Sprung ins Ungewisse. Diese Audienz kann alles verändern. Sie kann Türen öffnen oder zuschlagen. Ich stehe auf solidem Boden, dabei habe ich das Gefühl, nie von dem Drahtseil abgestiegen zu sein, auf das ich damals gewankt bin, um meinen Irrlicht-Bruder Yannis aus Mimosas Fängen zu befreien.

Ich will nur einen Moment den Kopf in den Nacken werfen und das Kribbeln aus meinen Fingern schütteln. Dann geht es wieder. Nur eine Runde um die Orangerie drehen, dann bin ich bereit.

Ich folge den Glaseinsätzen des Gebäudes und entdecke die Porträts der einzelnen Hoheiten der Höfe. Bisher habe ich niemanden davon je gesehen, außer Morgan natürlich, aber sie ähneln den Geschichten, die ich gehört habe. Der Hintergrund zeigt außerdem jeweils Symbole für ihre Höfe. Ein Glück, dass die meisten Fae Jahrhunderte lang leben, je nachdem ob viele Menschen in ihrem Stammbaum sind, wie bei Plum beispielsweise, wodurch sich Alterung und Lebenserwartung an unsereins angleichen. Es muss ein heiden Aufwand sein, diese Fenster auszutauschen.

Morgan prangt auf der ersten Tür, umgeben von Dornen und dem roten und goldenen Wald rund um den gefallenen Hof. Sie jagen mir die Erinnerung an Ivras Gestalt darin unter die Haut, dicht gefolgt von Nox und mir, wie wir auf dem verfaulten Waldboden kauern, während seine Stimme mich aus meiner Panikflut zurück ans rettende Ufer des Hier und Jetzt führt. Kurz bevor ich ihn mit meinem Dolch an einen Baum pinne.

Meine Finger streifen die Stelle an meinem Oberschenkel, wo das Messer mir Sicherheit spenden würde, hätte Plum uns nicht beschworen, keinerlei Waffen mitzubringen.

Diese Erinnerungen kratzen mich mehr auf, als mich zu beruhigen, darum biege ich schnell um die Ecke der Glasfassade. Dort erwarten mich die Porträts eines Goblins, dessen Körper halb in die Unsichtbarkeit entschwindet. Das muss der Lord des Hofes der Schatten sein. Neben ihm steht der einzige Mensch in dieser Runde, an der Spitze des Hofs der Lügen, gefolgt vom Hof der Klauen, dessen nicht-binäre Hoheit Ffionn Harpye-Krallen und Flügel in Szene gesetzt bekommen hat. Der Vierte und Letzte auf dieser Seite ist Imai, ein Steinbock-Faun, gesäumt von Gebeinen derjenigen, deren Todeszeitpunkt sein Sterntalent ihm weit im Voraus zugeflüstert hat. Der Lord des Hofs der Knochen selbst soll Gerüchten zufolge eher schreien, wenn er einen Tod voraussieht.

Ich hoffe, hinter der nächsten Ecke erwartet mich das Abbild der Lady des Unseelie-Hofs der Albträume. Sie soll einen langen Trollschwanz mit üppigem Büschel am Ende haben und große senkrecht abstehende Ohren. Ihr Sterntalent lässt sie Träume verschlingen, indem sie die Schlafenden auf die Stirn küsst. Ich habe sie mir immer etwas wie meine Troll-Tante vorgestellt, nur mit weicher rosa Haut, wie meiner, statt aus bemoostem Stein.

Doch was mich hinter der Orangerie erwartet, habe ich nicht erwartet. Auf einer Steinbank vor den Glas-Ebenbildern der eulenhaften Obera und ihrer neuen Titania sitz niemand Geringeres als Morgan. Royal des Hofes der Dornen.

Das letzte Mal, als wir einander gesehen haben, hing dey über Posies reglosem blutendem Körper und Eugenia und ich sind um unser Leben gerannt, während Ivras verächtliche Stimme in meinen Ohren nachgehallt hat.

Bevor ich meine Fassung wiederfinde, hebt Morgan das Gesicht aus den Händen und sieht mich an. In deren Blick lese ich die Erinnerung an den gleichen herzzerreißenden Moment, nur aus einer anderen Perspektive.

»Valentina.« Morgan klingt heiser. Fahler als früher. Genauso wie deren sonst lebendige grünliche, borkenhafte Haut. Dafür wirken die wurzelhaften Verknöcherungen über deren Wangenknochen härter als früher.

»Morgan«, antworte ich. Irgendwie flieht jedes andere Wort gerade von meiner Zunge. Dey blickt an mir herunter und wieder zu meinen Augen.

»Du hast die Blumen gegen Dornen getauscht. Gut. Sie stehen dir.«

Das finde ich ehrlich gesagt auch. Ich hätte Plum dafür küssen können, dass sie mir diese Corsage mitgebracht hat. Sie ist dunkelviolett und umrankt von blauen Dornen mit tiefroten Spitzen. Sie säumen meinen Torso, bis das Kleid in einen violett-schwarzen Rock übergeht. Ähnlich bauschig wie dieser sind auch die Tüllärmel in der gleichen Farbe, die bloß über meine Arme gestülpt wurden, statt mit dem Kleid vernäht zu sein. Könnte ich den zugegeben schönen Rock gegen etwas Geschlitztes über einer Hose, an der ich meinen Dolch tragen kann, austauschen, wäre das Outfit perfekt.

Mit ironischem, melodielosem Auflachen schüttelt Morgan den Kopf. »Ich habe dich unterschätzt. Genauso wie Mimosa. Genauso wie alles. Ich wusste ja nicht, wer ich war, und nun ist Posie …«

»Wie geht es ihr?«, platzt es aus mir heraus.

Morgan lächelt verhalten. »Sie ist wohlauf. Naja, am Leben zumindest.«

»Ein Glück.«

Sicher war der Malviling, der Giftpilz, mit dem Posie eine Symbiose eingegangen ist, noch nicht bereit, seine Wirtin zu verlieren. Gut – oder? Was hat der Malviling ihr wohl dafür abverlangt?

»Wo ist sie jetzt?«, frage ich.

»In Sicherheit. Mein innerer Kreis ist mit ihr untergetaucht, die vermaledeiten Unsterne können ihr nichts mehr anhaben.«

Diese Wortwahl aus dem Mund der personifizierten Eleganz. Allerdings kann ich es Morgan nicht verübeln, nach allem, was dey in den letzten Tagen durchgemacht haben muss.

»Es tut mir leid, was passiert ist.«

Morgan erhebt sich. Dey überragt mich im Stehen um mehrere Köpfe und strahlt eine ungebrochene, vereinnahmende Präsenz aus. Inzwischen sehen wir einander anders als damals, als ich in Mimosas Kabinett für eine Feier ihrem inneren Kreis mein angebliches Sterntalent zur Schau stellen musste. Ausgerechnet zusammen mit Mimosas Neffen.

Nox.

Ich mag nicht, wie oft der Gedanke an ihn heute hochkommt.

»Posie hat mir erzählt, dass du versucht hast, uns zu warnen. Ohne dich hätte es noch viel schlimmer enden können.« Morgan neigt den Kopf wie in Zeitlupe, während dey mich mustert. »Was hat es mit dir und Ivra auf sich?«

Mein Herz setzt so plötzlich einen Schlag aus, dass ich kurz ein Stechen in der Brust spüre. Ich will nicht mehr aus Scham meinen Fluch verleugnen. Das bedeutet allerdings nicht, dass ich ihn allen unter die Nase reiben möchte. Ich habe ihn noch nicht genug verarbeitet, um mich dem wahllosen, unkontrollierbaren Urteil aller anderen auszusetzen. Ich würde nicht vor allen verletzlich und aufgelöst wie damals auf dem Waldboden gefunden werden wollen oder ihnen dieses Bild von mir in den Kopf setzen.

Morgans Vertrauen könnte jedoch nützlich sein, und der verständliche Hunger nach Antworten und Ehrlichkeit ist dey sichtbar ins Gesicht geschrieben.

»Wir haben Geschichte.« Ich überspiele meine Überforderung bestmöglich, indem ich den Blickkontakt nicht breche, ihn aber auch nicht zu krampfhaft halte.

»Geheimnisse, die hast du. So wie alle. Es scheint der neueste Schrei zu Hofe zu sein.« Morgan atmet hörbar frustriert aus, fährt sich mit einer borkigen Hand übers Gesicht. »Verzeih, es ist gerade einfach …«

»Viel?«, biete ich bei deren Stocken an.

Morgan nickt, offensichtlich erleichtert darüber, keine schmerzhaften oder bitteren Worte zur Erklärung mehr über die dunkel geschminkten Lippen zwingen zu müssen. Das Gefühl ist mir bestens vertraut.

Entfernt japst eine Baritonstimme auf, wie unter kaltem Wasser. Einem Klacken auf Stein folgt eine gedämpfte Unterhaltung.

Schlagartig habe ich das Gefühl, dass mir die Zeit durch die Finger rinnt. Dabei hatte ich gar nicht geplant, etwas aus Titanias Günstling, ich meine Sprössling, herauszubekommen.

Doch wer weiß, ob ich jemals wieder die Chance dazu bekommen werde!

»Morgan, hast du mit Titania gesprochen? Über Ivra?«

»Ja«, seufzt dey mit gehobener Augenbraue. »Mutter macht sich jedoch rar und wenn sie jemandem die Ehre erweist, wählt sie ihre Worte sorgfältig. Bisher verrät sie mir nicht einmal, wie sie hieß, bevor sie den Titel der Titania annahm. Nach welchen Antworten auch immer du suchst, Valentina, du wärst die erste von uns beiden, der sie mit diesem Wunsch weiterhilft.«

Kapitel 3

»Der Hof der Dornen ist gefallen.«

Oberas Stimme schwebt wie eine Wolke über uns und lädt die Luft elektrisch auf. Die Erinnerungen an die Schlacht zwischen Morgans Hofstaat und den Unsternen hallt in meinen Ohren wider. Mir ist für eine Sekunde, als würden die Glaswände um uns herum davon zerbersten. Doch das Geräusch von brechendem Glas und Chaos ist nur in meinem Kopf.

Oberas Aussagen schicken ein Raunen durch die Orangerie. Als hätte nicht mindestens eine Handvoll der anwesenden royalen Vasallen bereits davon gewusst. Die Edelleute auf Morgans Fest werden getratscht haben, bevor der Mantel des Schweigens über den Vorfall gelegt wurde. Darauf würde ich meinen Fluch verwetten. Schön, wenn es so einfach wäre, ihn loszuwerden. Dann wäre ich nur einen Hütchentrick von meinem Wunsch entfernt, statt unter acht von neun Hoheiten der Höfen zu sitzen und meinen Rock unter der Tischplatte zwischen meinen klammen Fingern zu wringen.

Vor nicht allzu langer Zeit habe ich auf einer edlen Holztafel Blumen verwelkt und als kuriose Dekoration dienen müssen. (Naja, der Tisch damals war nicht ganz so edel, höchtens in Mimosas Träumen). Ich war in einem gläsernen Käfig gefangen. Jetzt sitze ich mit an der Tafel und alles fühlt sich neu an, alles scheint erreichbar. Ich muss nur zugreifen. Muss nur den Mund aufmachen. Doch die Worte stecken mir im Hals fest.

Oberas drei Augen blicken von der Stirnseite des Raumes über den Tisch, außer dem und dessen Stühlen keine weiteren Möbelstücke hier drinstehen. Vom Seelie-Hof der Lügen bis zum Unseelie-Hof der Phantome, alle bis auf einer sind dem Ruf der Krone hierher gefolgt.

Alle bis auf den Hof der Splitter, worüber niemand auch nur ein Wort verliert, ebensowenig wie darüber, wer noch fehlt: Titania selbst.

Ihre Gemahlin steht alleine vor der illustren Runde. Wenn Obera nicht spricht, fällt besonders auf, dass ihre Lippen zu einem Schnabelansatz geformt sind, den goldener Lippenstift ziert. Das Gefieder an Oberas langen, durch das hohe Alter leicht absinkenden Ohren erinnert mich in Kombination mit ihren drei Augen an eine weise Eule, die über ihren Wald wacht.

In ihren Krallen hält sie eine filigrane Krone aus brombeerfarbenen Blättern und bunten Kristallen. Sie ähnelt der, die ihre eigene Stirn ziert. Nur dass der Schmuck der Obera beziehungsweise des Oberons, der immer weitergereicht wird, ein mächtiges Geweih formt. Diese Krone ist (sofern man das über Juwelen sagen kann) zurückhaltender.

»Titania und ich werden nicht eher ruhen, bis diese Gefahr für euch, meine Vertrauten, gebannt ist. Eine von uns persönlich selektierte Spezialeinheit wird sich dieser Farce annehmen«, versichert Obera mütterlich-hoheitlich. Mit einer galanten Handbewegung bedeutet sie Morgan, sich zu erheben.

Dey überragt die mit Falten und goldenen Altersflecken übersäte Obera bei Weitem. Selbst als sie die Krone hochhält, reicht sie gerade einmal bis zu Morgans Kinn.

Obera verwendet nicht das Wort Spross, um Morgan in Bezug zu Titania zu beschreiben. Mit einlullenden Worten verkündet sie, dass Morgan als Kompensation für das Schicksal des Hofs der Dornen in den inneren Kreis des royalen Hofes aufgenommen wird.

Titanias Leibgarde konnte die Unsterne vom Hof der Dornen vertreiben – damit schließt Obera Eugenias und meine Aussage über die Schlacht ab. Bei dem Gedanken daran kehrt der Knoten in meinem Magen wieder zurück. Denn so sicher bin ich mir da nicht. Nachdem Ivra sich mit Skyler davongestohlen hat, ist es gut möglich, dass die Unsterne nur noch als Ablenkungsmanöver dienten. Der Hass und die Entschlossenheit, mit der Ivra den gesamten Raum auf dem Balkon füllte, gibt mir nicht das Gefühl, dass sie einfach aufgegeben hätte. Sie will Titania. Auf sie hatte Ivra es zu meiner Überraschung wirklich abgesehen. Nur das stillt ihren Rachedurst für die Herzhälfte, die ihr entrissen wurde.

Wie, das will oder kann mir niemand sagen. Obera erwähnt nicht einmal am Rande, dass eine Verbindung zwischen Ivra und Titania besteht, und Plum hat uns auf dem Weg hierher beschworen, nichts über die Krone preiszugeben, das sie nicht selbst veröffentlicht. Unsere Aussagen dienen rein dazu, ein Bild von den Unsternen und einer vermeintlich rein machthungrigen Ivra zu zeichnen. Plum dagegen wurde als normales Kabinettsmitglied unter dem falschen Namen Foxglove Humblebriar vorgestellt und vor allem zu dem Identitätsdiebstahl durch die Gestaltwandlerin befragt, um auf Mimosa zu sprechen zu kommen. Nox’ Tante ist seit dem Zusammenbruch des Kabinetts wie vom Erdboden verschluckt. Die ehemaligen Kompaniemitglieder, die laut Plum ausfindig gemacht und befragt wurden, wissen nichts oder sind mindestens genug Mensch, um sich aus der Affäre lügen zu können. Eine weitere Sackgasse.

Obera lässt sich auch in Bezug auf Morgan nicht lumpen. Sie weist alle Hoheiten ihrer Höfe an, aufzustehen und nacheinander den Treueschwur, den sie ihr und Titania geschworen haben, zu erneuern. Auch Morgan gegenüber. Ein bindender Pakt mit der Krone, bevor Morgan niederkniet und sich selbige aufsetzen lässt, als hätte dey nie mit etwas anderem gerechnet. Ich scheine Schauspielkonkurrenz in dieser Runde zu haben.

Ob es für den Hof der Splitter Konsequenzen haben wird, auch hierfür nicht anwesend zu sein?

Es wäre zu auffällig, Eugenia neben mir anzustoßen, um vielsagende Blicke auszutauschen. Eifrig versuche ich, im Augenwinkel einen Hauch ihres Ausdrucks zu erhaschen. Ich glaube, ihr perlt Schweiß auf der Schläfe. Ihr Fuß tippt unentwegt unter dem Tisch.

Ihr scheint die Gemächlichkeit dieses Treffens ebenfalls unter die Haut zu gehen.

Wo ist Titania? Was weiß sie über Ivra und Skyler?!

Ich mustere Obera genau, während ich das süßeste ehrfüchtigste Lächeln aufsetze, das ich je heraufbeschworen habe.

Was weiß sie? Welche Geheimnisse ihrer Gemahlin hütet sie unter ihrer gefiederten Schleppe?

Als alle wieder sitzen, fährt Obera fort. »Bis die Verantwortlichen gefasst und zur Rechenschaft gezogen sind, werden wir keine weiteren Bälle geben. Die Tore des Palastes bleiben geschlossen. Je eher wir durch euer Mitwirken diese Farce beendet haben, desto eher, liebe Freude, stoßen wir wieder gemeinsam an.«