Wie die Seele uns durchs Leben führt - Thomas Schäfer - E-Book

Wie die Seele uns durchs Leben führt E-Book

Thomas Schäfer

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Beschreibung

Thomas Schäfer, der bekannte Experte im Familienstellen, bündelt seine Erkenntnisse aus jahrzehntelanger Praxis. Er fasst alles Wissenswerte zusammen und zeigt, was genau während einer Aufstellung geschieht. Der Autor geht auf die häufigsten Problemfelder wie Partnerschaft, Familie, Kinder und Kindererziehung, Krankheit und Berufsleben ein. Die Schlüsselrolle kommt dabei immer der Seele zu: Wie hilft sie bei schwerwiegenden Problemen, in Krisenzeiten oder bei wichtigen Entscheidungen? Welchen konkreten Einfluss hat es auf eine Aufstellung, wenn man die Seele direkt als »Person« dazustellt? Ein Buch, das Einsteiger mit dem Thema vertraut macht und Fortgeschrittenen ganz neue Einblicke in die Aufstellungspraxis ermöglicht.

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Seitenzahl: 258

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Thomas Schäfer

Wie die Seele uns durchs Leben führt

Die Essenz des Familien-Stellens

Knaur e-books

Inhaltsübersicht

Die EwigkeitDankVorwortEinführung in das Familien-StellenDie SeeleDer »katastrophale« Stammbaum: Florian»Gehe ich in Zukunft mit der Seele oder ohne sie?«: Sieglinde»Du hast es dir selbst ausgesucht«: Peter»Ich traue mir selbst nicht«: Heiner»Ich stehe neben mir«: JeanetteDie Haltung zu den Eltern»Ich könnte Mama eins in die Fresse hauen!«: Michelle»Ich bin nicht mehr das Opfer«: Marisa»Ich kann die Eltern wieder in den Arm nehmen«: YvonneDie Segnung durch die Eltern: Wolfgang»Hör auf mit diesem ›Sich-etwas-Vormachen‹!«: GinaMann und Frau»Gibt es noch Hoffnung?«: Doris und Bernhard»So viel Zeit kann ich ihm nicht mehr geben!«: Edeltraud und Heribert»Ich liebe sie noch zu sehr!«: VincentHeirat aus Mitleid: ErwinDie Früchte aus der früheren Partnerschaft: Kathrin»Sollen wir ein zweites Mal heiraten?«: Senta und Maurice»Ich habe Ja zu diesem Missbrauch gesagt«: Magdalena»Sind immer nur die Partner schuld?«: Die Geschichten von Letizia und CorneliaEltern und KinderExkurs: Die Haltung der Eltern zu ihren KindernBeispiele: morgendliches Bummeln und das Thema »Ernährung«Konsequente Erziehung statt einer Familienaufstellung: Heinz und Marianne»Am liebsten würde ich Papa ohrfeigen!«: Norbert»Eigentlich brauche ich die Stütze, nicht die Mama!«: Cindy und Fred»Ich will deine Seele!«: Angelika»Das kann ich meinem Kind doch nicht antun!«: AlbertDer BerufKein Erfolg als Musikerin: Gesine»Warum kann ich vom Geistheilen nicht leben?«: Vivienne»Übe ich als Ärztin meinen Beruf richtig aus?«: BelindaWenn berufliches Schicksal krank macht: MonikaDer eigene Schatten: WilliGesundheit und Krankheit»Ich will meine Seele nicht!«: ThorstenDrogenmissbrauch: StefanieDie kranke Niere und der Ehemann: NadineDer Pakt an der Jerusalemer Klagemauer: JasminVom Partner übernommenes Asthma: MelanieGrenzbereiche der SeeleOpfer eines schwarzmagischen Fluchrituals: Jumila und GerlindeDie missglückte Reinkarnationstherapie: Udo»Es kommt von ganz weit her«: Jeffrey»Die Toten verfolgen mich!«: RasmusDie mangelnde Erdung: FelicitasVerschiedenesZwei Länder und ein Vorschlag der Seele: MiriamDer Ehering des Großvaters: SofieWie kann ich die Haltung meiner Seele wahrnehmen? – Praktische ÜbungenAusblickLiteraturAnmerkungen
Die Ewigkeit

Sie sagen, daß wir uns im Tode nicht vermissen

Und nicht begehren. Daß wir, hingegeben

Der Ewigkeit, mit anderen Sinnen leben

Und also nicht mehr voneinander wissen.

 

Und Lust und Angst und Sehnsucht nicht verstehen,

Die zwischen uns ein Leben lang gebrannt,

Und so wie Fremde uns vorübergehen,

Gleichgültig Aug dem Auge, Hand der Hand.

 

Wie rührt mich schon das kleine Licht der Sphären,

Die wir ermessen können, eisig an,

Und treibt mich dir ans Herz in wilder Klage.

 

O halt uns Welt im süßen Licht der Tage,

Und laß solang ein Leben währen kann

Die Liebe währen.1

 

Marie Luise Kaschnitz

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Dank

Dieses Buch ist in Dankbarkeit allen Frauen, Männern und Kindern gewidmet, die mir ihr Vertrauen schenkten und meinen Rat in Anspruch nahmen. Zu ihrem Schutz wurden Namen, Orte und unwesentliche Einzelheiten im Text verändert.

Mein besonderer Dank gilt Norbert Linz, der im persönlichen Austausch die Saat zu diesem Buch in mir legte.

Auch meinem Freund und Kollegen Wolfgang Kasper danke ich für die kritische Durchsicht des Manuskripts.

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Vorwort

Wohin können wir gelangen, wenn wir den Weg durchs Leben ohne die Seele gehen? Können wir auch nur in einem einzigen Lebensbereich tiefe Erfüllung finden?

Nie hatte ich geplant, ein Buch wie dieses zu schreiben. Doch es hatte mich nachdenklich gemacht, dass mir mehrere Klienten zum selben Zeitpunkt Briefe oder E-Mails schickten, um mir zu berichten, wie das Leben fünf oder sieben Jahre nach einer Aufstellung für sie weitergegangen war.

Beim Lesen dieser Rückmeldungen kann jedermann deutlich werden, dass es beim Familien-Stellen letztlich nicht um das geistige Verständnis gewisser Familienzusammenhänge geht. Im Kern geht es nicht um das »Aufarbeiten von familiären Verstrickungen«, wie es in der Szene immer wieder so schön heißt – letztlich geht es vor allem um eine innere Haltung, die der Seele gemäß ist. Außerdem wurde klar: Manche Aufstellungen wenden innerhalb kürzester Zeit Dinge zum Guten, andere dagegen vermögen dies erst nach vielen Monaten oder sogar Jahren, weil das Unbewusste viel Zeit zum Verarbeiten der Aufstellung benötigt. Und zuweilen wird auch gar nichts zum Guten gewendet, weil der Klient sich innerlich (unbewusst) für ein weiteres Leiden entschieden hat.

Ebenfalls im selben Zeitraum hatte ich ein Telefonat mit meinem Freund, dem Journalisten Norbert Linz. Er skizzierte mir damals eher beiläufig ein Buch wie das vorliegende und meinte, dass es so etwas noch nicht gäbe. Ein solcher Ratgeber über die wesentlichen Punkte des Familien-Stellens könne für viele wertvoll sein. Und er fragte, ob ich so etwas nicht schreiben könne. Im Nachhinein muss ich gestehen: Seine Ausführungen haben in meinem Unbewussten gut gewirkt! Erst nachdem ich schon einige Zeit mit diesem Projekt begonnen hatte, fiel mir auf, dass ich umsetzte, was Norbert mir damals ausgemalt hatte.

 

Systemische Aufstellungen helfen, einen völlig neuen Blick auf das menschliche Leben und unser Eingebundensein in ein größeres Ganzes zu werfen. Wenn man sich diesem Erkenntnisprozess hingibt, wird man demütig – sehr sogar. Wer in eine Aufstellungsgruppe kommt, gerät oft schnell in Kontakt mit der Demut und ist häufig verblüfft darüber, wie bald man in Resonanz mit der Seele treten kann.

Viele Menschen, die zum ersten Mal in eine meiner Gruppen kommen, sind erstaunt, wenn ich sage: »Der Sinn dieses Seminars ist nicht eure Aufstellung. Wenn ihr nur kommt, um etwas Familiäres möglichst rasch aufzulösen, seid ihr hier nicht richtig! Ganz Zentrales und Wesentliches geschieht oft im Nebenbei und hilft euch psychisch weiter: Wenn ihr euch berühren lasst als Zuschauer, ändert sich zuweilen sehr viel zum Positiven, manchmal sogar so viel wie bei einer eigenen Aufstellung. Wichtig sind aber auch die Rollen, die ihr als Stellvertreter übernehmt. Wenn euch diese Rollen sehr berühren und beschäftigen, seid ihr möglicherweise auf einer Spur zu eurem Herkunftsfamiliensystem, in dem es Ähnlichkeiten mit der Aufstellung gibt.«

Kommen wir weg vom eigenen Anspruchsdenken und schauen wir nur nach der Aufgabe, die die eigene Seele uns gestellt hat, dann fließen uns die helfenden Kräfte nur so zu.

Diese Sichtweise bestätigte mir ein Mann, der sich zunächst als Beobachter zu einem Seminar angemeldet hatte. Am Ende des Kurses kam er zu mir und sagte: »Für das nächste Wochenendseminar bin ich ja angemeldet. Ist es möglich, dass ich mich wieder abmelde?«

Erstaunt fragte ich: »Warum? Was ist denn passiert?«

Er erklärte mir, sein Aufstellungsanliegen habe sich während des Seminars in Luft aufgelöst. Er fühle sich völlig in der Lösung, weil jemand im Kurs ein ähnliches Problem aufgestellt habe. Als Zuschauer sei er innerlich seelisch »mitgegangen«, habe geweint, auch am ersten Abend des Kurses habe er viel geweint. Am nächsten Morgen habe er innerlich gespürt: »Es ist gelöst – endlich!«

Deutlich war an der Körpersprache des Mannes ablesbar, dass er die Wahrheit sprach. Er bedurfte tatsächlich wegen dieses Themas keiner Aufstellung mehr.

 

Auf den folgenden Seiten kommen Themen vor, über die ich in der Vergangenheit einzelne Bücher geschrieben habe: Partnerschaft, Kinder und Kindererziehung, der Tod und das Sterben, Krankheit und Gesundheit und schließlich auch berufliche Fragen. Diesmal bestand die Aufgabe darin, bei all diesen Lebensthemen das aufzuzeigen, was jeweils die Essenz ausmacht: der Standpunkt der Seele und die innere Haltung. Bei allen Lebensproblemen zählt in erster Linie die Frage: »Wie ist die Sicht meiner Seele dazu?« Das »Mit-der-Seele-Gehen« ist denn auch der rote Faden, der sich durch alle Kapitel dieses Buches zieht.

Deswegen ist es nicht verwunderlich, dass hier gleich zwei Kapitel das Wort »Seele« in ihrer Überschrift aufweisen. Im ersten geht es ganz allgemein um die Stellung der Seele im Familien-Stellen. Was ist die Seele und was kann durch ihr Aufstellen als Person im Familien-Stellen deutlich werden? In dem zweiten Kapitel über die Seele, gegen Ende des Buches, wenden wir uns dagegen den »letzten« spirituellen Fragen zu.

Wenn man den Standpunkt der Seele zu wichtigen Fragen erfahren möchte, kommt man oft nicht darum herum, sie direkt als Person aufzustellen, auch wenn sie keine Person ist. In den letzten Jahren habe ich immer öfter die Seele mit einem Stellvertreter zum erarbeiteten Aufstellungsbild dazugestellt, denn die innere Haltung eines Menschen ist an seiner Einstellung zur Seele ablesbar. Mit »Seele« meine ich keinesfalls die Psyche oder das Unbewusste des Menschen, sondern sein »höheres Selbst«. Dieses höhere Selbst ist aus meiner Sichtweise und Erfahrung mit der spirituellen Ebene verbunden. Das, was wir oft mit »Ich« bezeichnen, ist jedoch nur unser »Ego«, das mit unseren egoistischen Antrieben verknüpft ist.

Oft konnte bei einer stockenden Aufstellung noch etwas zur Lösungsfindung bewirkt werden, wenn man eine Person als Seele dazustellte. Um keinen Vorurteilen Vorschub zu leisten, stelle ich die Seele fast immer anonym dazu: Ich erkläre weder dem Ratsuchenden noch der Gruppe, wofür der Stellvertreter tatsächlich steht. Der Person selbst sage ich: »Du stehst für etwas Bestimmtes. Verhalte dich ganz nach deinen inneren Impulsen.«

Pro Seminar kommt es oft nur ein- oder zweimal vor, dass die Seele aufgestellt wird. Noch öfter stelle ich anonym andere Dinge auf, so dass niemand ahnen kann, für wen der neue Stellvertreter aufgestellt wird: Gesundheit, Krankheit, der Tod, Schuld, persönliche Charakterzüge wie Geiz, Neid, Rachsucht und so weiter werden ebenfalls häufig aufgestellt.

Wenn sich beispielsweise ein Unternehmer beklagt, dass seine Geschäftspartner geizig und aggressiv sind und ihn übers Ohr hauen, lohnt es sich, anonym den »Schatten« aufzustellen (siehe die Aufstellung von Willi im Kapitel »Beruf«). Als mögliche Ursache von Willis Angelegenheit wurden keine familiären Probleme, sondern ein Haltungsproblem ausgemacht. Der anonym aufgestellte Schatten verbrüderte sich sofort mit dem Stellvertreter Willis. Der heilsame Schock sitzt tief, wenn der Ratsuchende erfährt, dass die anonyme Person keineswegs das »Böse« der anderen Menschen verkörpert, sondern seine eigenen ausgeblendeten, dunklen Antriebe! Ähnlich heilsam ist es für die Ratsuchenden, zu erleben, wie sich die Seele in einer Aufstellung verhält. Sehr oft agiert sie völlig anders, als der Klient erwartet hat!

 

Die hier geschilderte veränderte Vorgangsweise in meiner praktischen Arbeit hat sich völlig ungeplant schon vor einigen Jahren nach und nach ergeben. Wer des Öfteren die Seele als Stellvertreter aufstellt, kommt fast zwangsläufig im Laufe der Zeit mit ganz neuen Themen in Kontakt. In diesem Buch finden sich deshalb nicht nur Aufstellungen über die Seele und die Haltung zu ihr, sondern auch Aufstellungen, in denen es um spirituelle Grenzbereiche geht. Doch natürlich kann sich das Essenzielle auch dann zeigen, wenn die Seele als Stellvertreter nicht dazugestellt wird. Im Kapitel »Kinder« geben die Kinder in den Aufstellungen ganz direkt Rückmeldung, was denn jeweils das Zentrale ist!

Wer nach allem Gesagten jedoch glaubt, die Arbeit mit der Seele sei ein »Selbstläufer«, der täuscht sich. Auch der Wille und das Bewusstsein müssen mit angesprochen werden. Im Gegensatz zu früheren Jahren rate ich heute deswegen ausdrücklich dazu, sich nach einer Aufstellung einige Notizen zu machen. So kann man sich schneller an den Kern einer Aufstellung erinnern. Da nach meiner Beobachtung nicht gerade wenige Menschen nach einer Aufstellung aus der gefundenen Lösung wieder herausgehen, kann man sich anhand seiner Notizen an das Heilende erinnern und sich bewusst erneut in den lösenden Bildern verankern. So mag man genauso schnell wieder in eine Lösung hineingehen, wie man vorher aus ihr herausgegangen war! Auch damals bei der Aufstellung gesprochene Lösungssätze kann man später noch einmal innerlich wiederholen, wenn man spürt, dass man nicht mehr in der Lösung ist.

Gerade in der ersten Zeit nach einer Aufstellung kann es wichtig sein, häufiger bewusst in die heilenden Bilder einzutauchen. Anja zum Beispiel schrieb mir nach einem Kurs über ihre Erfahrung mit dem bewusst immer wieder erinnerten Lösungsbild: »Nachdem du gesagt hast, dass du dich über eine Rückmeldung freust, möchte ich dies heute in ein wenig verkürzter Form tun. Meine letzte Aufstellung war vor sechs Monaten, bei der ich meinen mangelnden Selbstwert aufgestellt habe. In der Aufstellung zeigte sich, dass dieser mit der Kriegsvergangenheit meines Großvaters zu tun hatte. Ich habe seit der Aufstellung zum ersten Mal in meinem Leben das Gefühl, wertvoll zu sein. Und das meine ich nicht vom Kopf her, sondern vom Herzen. Es fühlt sich so an. Seit April rufe ich mir immer wieder das Lösungsbild auf und sehe in meinen Gedanken die Opfer, die mir wohlwollend entgegenblicken. Ich fühle seit April zum ersten Mal, dass ich glücklich sein darf, dass ich nicht weniger wert bin als andere, dass ich meinen Selbstwert nicht künstlich anheben muss, indem ich immer mehr leiste als andere. Ich fühle mich gut damit. Und ich bin unendlich dankbar, dass ich endlich in der Aufstellung eine Erklärung für meinen mangelnden Selbstwert, den ich seit meiner Kindergartenzeit immer wieder gefühlt habe, erhalten konnte.«

 

Selbstverständlich spricht die Seele nicht nur in Familienaufstellungen zu uns, sondern dies geschieht ständig in unserem Alltag. Dummerweise sind wir aber oft taub und blind für die Ansprache und die Signale der Seele! Sie hat es so schwer, zu uns durchzudringen und von uns gehört zu werden! Gerade wenn lebenswichtige Entscheidungen anstehen, wäre es aber sehr wichtig, die Sichtweise der Seele mit zu berücksichtigen. Aus diesem Grund wird das Buch abgerundet durch ein Kapitel mit mehreren praktischen Übungen, die uns helfen, unsere Seele besser wahrzunehmen.

Auch ohne Übungen kann sich die Seele uns vernehmlich nähern. Allerdings müssen wir unser Herz für sie öffnen! Wenn wir uns öffnen, vermag die Seele sich überraschend klar zu äußern. Nicht selten erlebte ich beispielsweise, dass Ratsuchende in der Nacht vor dem Aufstellungsseminar einen Traum hatten, in dem ein Familientabu oder ein anderes wichtiges Familienthema gezeigt wurde. Genau diese Information wurde dann oft dringend in der Aufstellung gebraucht. Wenn wir uns innerlich »von der Seele führen lassen« und auf sie schauen, fließt uns alles zu, was wir benötigen.

Doch nicht nur im Traum kann die Seele zu uns sprechen: Beispielsweise gibt uns ein Verwandter, den wir schon lange nicht mehr gesehen haben, eine wichtige Information, die wir zur Heilung benötigen. Ich erinnere mich noch gut an einen Mann, dem ich bei der Aufstellung (sinngemäß) den Hinweis gab: »In der Familie deines Vaters gibt es, wie die Aufstellung zeigt, ein Verbrechen, das totgeschwiegen wird. Wenn es dir gelingt, in die Demut zu kommen, wirst du vielleicht eines schönen Tages einen Hinweis darauf erhalten.« Nur einen Tag nach dem Ende des Seminars wurde dieser Mann von einer Schwester des Vaters angerufen, mit der er vierzehn Jahre keinen Kontakt gehabt hatte. Sie erzählte, dass sie während des Wochenendes (an dem die Aufstellung stattfand!) andauernd an den Neffen denken musste. Sie hatte stets den Gedanken, dass der Neffe die Informationen über dieses Verbrechen benötigte, und so griff sie zum Telefon! Mit Hilfe dieser Informationen konnten wir dann Monate später tatsächlich in einer Aufstellung eine Lösung finden.

Aber nicht nur durch Verwandte kann die Seele zu uns sprechen. Oft bedient sie sich auch völlig »unbeteiligter« Menschen, die keine Kenntnis der Familieninterna haben können. Ein beliebiger Mensch in unserem Umfeld, beispielsweise jemand aus dem weiteren Kollegenkreis oder eine »zufällige« Zugbekanntschaft, gibt uns dann beiläufig zum richtigen Zeitpunkt den richtigen Hinweis, der uns schließlich einer Lösung unseres Problems näher bringt …

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Einführung in das Familien-Stellen

Im Lauf der letzten zehn Jahre ist das Familien-Stellen immer bekannter geworden. Eigentlich ist es nicht mehr notwendig, jeder Veröffentlichung zu diesem Thema eine Einführung der Methode voranzustellen. Und dennoch wäre mancher Leser, der noch nie zuvor etwas über Aufstellungen gehört hat, mit diesem Buch überfordert. Damit dies nicht passiert, soll nun eine kurze Einführung ins Familien-Stellen folgen. Wer sich intensiver vorbereiten möchte, der sei als einführende Lektüre auf mein Buch Was die Seele krank macht und was sie heilt2 verwiesen. An dieser Stelle soll nur das Wesentliche zur Vorgangsweise aufgezeigt werden.

Zwar lassen sich Aufstellungen auch mit Hilfe von Papierscheiben und Holzfiguren3 in der Einzeltherapie durchführen, doch die wesentlich kraftvollere Möglichkeit ist stets das Aufstellen in der Gruppe.

Nachdem der Ratsuchende vor dem therapeutischen Begleiter und der Gruppe kurz sein Anliegen geschildert hat, entscheidet der Seminarleiter, auf welche Weise die Aufstellung durchgeführt werden kann. Nicht immer wird die ganze Familie aufgestellt. Falls einzelne ihrer Mitglieder in Frage kommen, wählt der Betreffende sowohl für seine Verwandten als auch für sich selbst Stellvertreter aus der Gruppe aus und stellt sie nach seinem inneren Bild auf.

Anschließend setzt er sich. Immer wieder zeigt sich dann, dass völlig Fremde genau darstellen können, wie sich das jeweilige Familienmitglied in der Tiefe fühlt. Was häufig sichtbar wird, ist die bislang verborgene seelische Dynamik hinter einer Krankheit, einem Paarproblem oder einer psychischen Störung.

Nachdem der Seminarleiter durch verschiedene Schritte eine Lösung gefunden hat, kann der Ratsuchende sich oft auch selbst an seine Position stellen. Am Schluss ist es für ihn zuweilen notwendig, bestimmten Personen noch etwas Wichtiges mitzuteilen.

Sofern es nicht ausdrücklich anders gesagt wird, ist in den Aufstellungsbeschreibungen mit Bezeichnungen wie »Partner«, »Ehefrau« oder dem Namen des Aufstellenden immer der betreffende Stellvertreter gemeint. Wenn ein Ratsuchender selbst in die Aufstellung tritt und damit seinen eigenen Platz einnimmt, wird besonders darauf hingewiesen.

 

Das Familien-Stellen hat sich später weiterentwickelt zu den »Bewegungen der Seele«. Wer innerlich gesammelt in Kontakt mit der Person geht, die er darstellt, kommt in eine sehr langsame, aber dennoch intensive Bewegung. Wenn der Gruppenleiter diesen Bewegungen der Stellvertreter Raum gibt, kann er zeitweise auf Anweisungen verzichten, auch auf sprachliche. Dennoch muss auch der Therapeut gesammelt bleiben, um an kritischen Punkten der Aufstellung eingreifen zu können.

Aus den Bewegungen der Stellvertreter ergeben sich Lösungen, die oft überraschend und für niemanden vorhersehbar sind. Auch in vielen Aufstellungen, die in diesem Buch dargestellt werden, überließen sich die Stellvertreter stumm ihren von innen kommenden Bewegungen.

In jüngster Zeit wurden die »Bewegungen der Seele« von Bert Hellinger weiterentwickelt zu den »Bewegungen des Geistes«. Diese finden jedoch in meiner Arbeit keinerlei Anwendung und werden deswegen hier auch nicht dargestellt.

 

Trotz all dieser neuen methodischen Formen besitzen die »klassischen Familienaufstellungen« nach wie vor ihre Berechtigung. Denn wenn man beispielsweise eine sogenannte Patchworkfamilie mit Halbgeschwistern, Stiefeltern und weiteren Personen aufstellt, entsteht oft so viel Verwirrung, dass zur Strukturierung bestimmte Dinge ausgesprochen werden müssen. Hier liegt der Vorteil der Familienaufstellungen. Doch insbesondere wenn es um Täter und Opfer in einer Familie geht, sind die »Bewegungen der Seele« sehr wirksam, weil Familienaufstellungen das Geschehen in seiner ganzen Tiefe nur teilweise erfassen; die »Bewegungen der Seele« aber gehen über die Ordnungen der Familie weit hinaus und deuten hin auf unser Eingebundensein in das größere Ganze der Welt. Dazu gehört auch, dass die Einteilung in »Gut« und »Böse« aus einem größeren Blickwinkel betrachtet werden muss, genauso wie die Unterscheidung zwischen Schuld und Unschuld. Jeder Einzelne ist nicht nur in seine Familie eingebunden, sondern auch in größere Gruppen, deren Schicksal uns mitbestimmt. Was in diesen letzten Bereichen des Seins gilt, liegt jenseits von traditionellen Wertvorstellungen.

 

Neben den Familienaufstellungen in der Gruppe und den »Bewegungen der Seele«, die ebenfalls in der Gemeinschaft stattfinden, arbeite ich in der Einzeltherapie auch mit den bereits genannten Papierscheiben und Holzfiguren. Diese Figuren sind für die Geschlechter unterschiedlich geschnitzt und mit Auskerbungen für die Blickrichtung versehen. Sowohl der Ratsuchende als auch der therapeutische Begleiter stellen sich nacheinander über jene Figuren. Auf diese Weise lässt sich körperlich wahrnehmen, wie sich das Familienmitglied in der Seele fühlt. Wie schon erwähnt wurde, hat diese Form des Familien-Stellens nicht dieselbe Intensität wie die in einer Gruppe, doch lässt sich auch auf solche Weise Heilsames erfahren. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass man sämtliche Vorannahmen aufgibt und sich innerlich sammelt. Mit der angemessenen Aufmerksamkeit kann man dann sehr schnell eine körperliche Wahrnehmung erleben, die wichtige Hinweise für den weiteren therapeutischen Weg gibt.

 

Immer wieder werde ich gefragt, warum Aufstellungen tatsächlich »funktionieren«? Wie kann man erklären, dass fremde Menschen als Stellvertreter in einer Familienaufstellung detaillierte, korrekte Angaben über die Familiendynamik machen können? Bedeutsam in diesem Zusammenhang ist die Arbeit des Biologen Rupert Sheldrake über »morphogenetische Felder«.

Meiner Erfahrung nach hat jeder Ort sein eigenes Kraftfeld: Wenn an einem Ort etwas Bestimmtes geschehen ist, können sensible Menschen mit der dort herrschenden Kraft in Kontakt kommen. Rupert Sheldrake hat in seinen Büchern beeindruckende Fallgeschichten gesammelt. Er spricht im Zusammenhang mit solchen Phänomenen von »morphogenetischen« oder »morphischen Feldern«. Sheldrake geht davon aus, dass morphische Felder raumzeitliche Organisationsmuster sind. Diese Felder »besitzen ein Art eingebautes Gedächtnis. Das Gedächtnis beruht auf dem Prozess der morphischen Resonanz, des Einflusses von Gleichem auf Gleiches über Raum und Zeit.«4

In diesen Feldern sind somit alle Informationen gespeichert, die auf dem betreffenden Stück Erde bedeutsam waren. Auf Schlachtfeldern der Weltkriege beispielsweise sind immer noch die Informationen der damaligen Schrecken präsent. Auch wer in Auschwitz über die Wiesen geht, auf denen früher die Baracken der Häftlinge standen, kann das damalige Grauen noch spüren.

Mit der Resonanz dieser morphogenetischen Felder kann man bewusst arbeiten. Ein Beispiel: Bei einem Aufstellungsseminar, das ich auf einer Mittelmeerinsel leitete, passierte am dritten Tag etwas Merkwürdiges: Es wurde die Familie einer jüdischen Frau aufgestellt, die über zehn Verwandte in Konzentrationslagern verloren hatte. Einige Minuten nachdem Stellvertreter gebeten wurden, in die Rollen von Opfern und Tätern zu gehen, liefen sehr viele Hunde der Insel wie auf Kommando von allen Seiten zusammen und umlagerten den ebenerdig gelegenen Seminarraum mit extremem Bellen, so dass man sein eigenes Wort nicht mehr verstand.

Vergleichbares hatte ich bislang noch nicht erlebt. Alle Stellvertreter mussten vorübergehend aus den Rollen gehen. Sowohl der Gruppenleiter selbst als auch einige Teilnehmer der Gruppe gingen hinaus zu der Hundemeute, um sie wegzuscheuchen. Doch das blieb erfolglos. Nun wurde beraten, was man noch tun könnte. Plötzlich kam dem Leiter eine Eingebung.

Die Tür nach draußen wurde geschlossen. Alle setzten sich auf die Stühle, und wir machten eine Gruppenübung, indem wir den Hunden »sagten«, dass wir uns »als menschliche Gruppe« ganz allein um dieses hier eben entstandene (morphische) Feld kümmern würden. Sie sollten dahin zurückgehen, wo sie hergekommen waren, damit wir uns wieder unserer Aufgabe zuwenden könnten. Zu unser aller Verblüffung verschwanden die Hunde sofort wieder und ließen uns ungestört arbeiten.

Weitere zwei Tage später geschah das Gleiche noch einmal. Wieder wurde eine Familie aufgestellt, die im Holocaust gelitten hatte, und erneut kamen kurz nach dem Aufstellen von Opfern und Tätern wie auf Kommando viele Hunde zusammengerannt und bellten laut. Nach unserem erneuten kurzen Gruppenritual verschwanden die Hunde sogleich wieder … Manch einer mag hier von »Zufall« reden, doch wer Erfahrung mit Aufstellungsfeldern hat, wer erlebt hat, wie sich solche Felder im Moment einer Aufstellung entfalten und sich am Ende auch wieder auflösen, wird diese Geschichte nachvollziehen können.

Offensichtlich wird durch die räumliche Plazierung eines Familiensystems in der Dimension des Raums etwas geschaffen, was einem morphogenetischen Feld extrem ähnlich ist. Durch Menschen als Stellvertreter können sich die Informationen schnell und eindrücklich »zeigen«, da extrem viel Energie freigesetzt wird. Beim Familien-Stellen handelt es sich somit um einen Sonderfall der Wahrnehmung eines Kraftfelds.

 

Ebenfalls immer wieder wurde ich in der Vergangenheit gefragt, ob es sich bei den Teilnehmern meiner Seminare um Menschen handele, die schon jahrelange »therapeutische Vorarbeit« geleistet hätten. Wie ließe sich sonst erklären, dass die Aufstellungen oft so erstaunlich positive Wirkungen zeitigten, wurde nicht selten vermutet. Viele sind verwundert, wenn ich diese Fragen mit Nein beantworte. Die meisten Teilnehmer meiner Gruppen hatten keine längere Psychotherapie hinter sich, und nicht wenige hatten noch nie eine solche in Anspruch genommen.

Bei zahlreichen Aufstellungen in diesem Buch wird anschließend dargestellt, wie es im Leben des Ratsuchenden weiterging. Dies ist aber nicht bei allen Geschichten so, weil sich nicht jeder später noch einmal meldet. Um den seelischen Prozess nicht zu unterbrechen, denn Aufstellungen wirken oft über Jahre, würde ich nie aus Neugier oder »wissenschaftlichem Überprüfungsdrang« nachfragen. Häufig erhalte ich aber Rückmeldungen durch »Zufall« oder erst Jahre später, wenn sich die Betreffenden wegen eines ganz anderen Themas bei mir melden, zum Beispiel wegen einer familiären oder gesundheitlichen Frage. (In den Seminaren duzen sich die Teilnehmer und der Therapeut immer, denn etwas anderes lassen die Aufstellungen nicht zu. Wenn ich später Kontakt mit Klienten habe, entscheidet meist der Klient, wie er mich anreden will. Einige gehen dann wieder zum »Sie« über.)

Es sei hier auch noch ein Hinweis über den Umgang mit Aufstellungsbildern gegeben. Allen, die zu mir kommen, rate ich, das Aufstellungsbild in der Zeit nach dem Seminar nicht mit dem Kopf verstehen zu wollen. Es handelt sich ja ohnehin nicht um eine »reale« Abbildung der Wirklichkeit, sondern um ein »Bild der Seele«. Dieses Seelenbild benötigt Ruhe, damit es sich in der Stille entfalten kann. In keiner Weise stellt es eine konkrete Handlungsanweisung dar, man solle sich beispielsweise vom Partner trennen, die Stelle wechseln – oder was auch immer die Aufstellung nahezulegen schien. Erst wenn man nach einer längeren Zeit im Herzen eine Übereinstimmung mit dem Aufstellungsbild spürt, darf man sich in seinen Lebensentscheidungen davon leiten lassen.

Es erübrigt sich wohl der Hinweis, dass es nie gut sein kann, wider besseres Wissen, gutgläubig beziehungsweise ohne eigene Prüfung dem Wort oder dem Rat eines Therapeuten zu folgen, unabhängig davon, welche Methode er auch angewendet hat.

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Die Seele

Das Wort »Seele« ist in aller Munde. Doch niemand weiß so recht, um was es sich dabei eigentlich handelt. Viele benutzen den Begriff zur Benennung von etwas Konstruiertem, Theoretischem … Für mich als Familien-Steller ist »Seele« hingegen etwas Konkretes, da ich sie als Person aufstelle und beobachten kann, wie sie auf den Menschen und seine Probleme reagiert. Aus alldem kann man bestimmte Rückschlüsse ziehen. Wenn ich die »Seele« hier als den »kosmischen Teil« in uns verstehe, der sich mit einer Psyche und einem physischen Körper für eine gewisse Zeit – die menschliche Lebensspanne – verbunden hat, so ist dies nichts Außergewöhnliches. Sowohl Religionen als auch unzählige philosophische und religiöse Denker teilen ein ähnliches Verständnis der Seele. Ohne auf die Seele zu schauen, kann man jedenfalls nach meinem Verständnis in den meisten Fällen nur eine oberflächliche Psychotherapie durchführen. Dies ist auch eine Kernaussage in der Psychoanalyse nach C. G. Jung.

Statt zuerst auf die Familie zu sehen, lohnt es sich manchmal mehr, auf die Seele zu blicken. Wie uns die Aufstellungen von Sieglinde und Florian zeigen, kann der direkte Blick auf die Seele Vorrang haben vor anderen Fragen. Die Geschichte von Peter dagegen macht uns deutlich, dass wir in unserer Seele allem schlimmen Schicksal zuvor innerlich zugestimmt haben und wir es deswegen auch bewältigen können.

Aufstellungen zu machen bedeutet, sich auf einen seelischen Entwicklungsweg zu begeben. Erst nachdem Heiner eine Reihe von Aufstellungen hinter sich hatte, zeigte sich ihm etwas ganz Entscheidendes durch seine Seele. Wir werden diese Aufstellung zum Ausgangspunkt dafür nehmen, um uns einige grundsätzliche Fragen zu stellen: Gibt es einen roten Faden zwischen den Aufstellungen ein und derselben Person innerhalb mehrerer Jahre? Warum tauchen besonders tief verborgene Themen sehr oft nicht gleich in der ersten Aufstellung auf?

Beschlossen wird dieses Kapitel durch Jeanettes Aufstellung. Hier werden wir Zeuge davon, wie wichtig in der seelischen Entwicklung der freie Wille ist. Wenn ich mich meiner Seele nicht freiwillig unterordne, hat kein Therapeut der Welt auch nur die geringste Chance, mir erfolgreich Hilfestellung zu leisten!

Erst gegen Ende dieses Buches wenden wir uns ein zweites Mal direkt der Seele zu. Dann allerdings wird es um die »letzten« Fragen gehen, um die Grenzbereiche der Seele, zum Beispiel um Möglichkeiten der Reinkarnation.

Der »katastrophale« Stammbaum: Florian

Florian möchte in einem Seminar seine »Lebensverwirrung« und ein fortwährendes Isolationsgefühl aufstellen. Schon sehr viel Psychotherapie hat er in den letzten Jahren hinter sich gebracht. Er gehört zu jenen Menschen, bei denen die Gefahr besteht, »aufstellungssüchtig« zu werden. Ich kenne niemanden, der in seinem Leben mehr Aufstellungen gemacht hat als Florian: Er war bei vielen sehr bekannten und erfahrenen Therapeuten, um seine zahlreichen psychosomatischen Probleme zu lösen. Als er von seinen bisherigen Erfahrungen und seinem »katastrophalen« Stammbaum spricht, unterbreche ich ihn.

Der Seminarleiter: »Es gibt keine ›katastrophalen‹ Stammbäume. Man sucht sich alles selbst aus. Deine Sprache aber verrät, dass du zu wenig Achtung für deine Familie hast.«

Florian stimmt mir zu! Wir machen eine kleine Übung, damit er in eine bessere seelische Haltung kommt. Anschließend skizziert er mir, was alles in der Familie passiert ist: Abtreibungen, Inzestfehlgeburten, ungeklärte Vaterschaften, eine ermordete jüdische Freundin eines Urgroßvaters, Kindstötung und anderes mehr.

Einem inneren Impuls folgend, wählt der Seminarleiter drei Männer aus der Gruppe aus und stellt sie im Dreiecksverhältnis zueinander. Zu einem der drei sagt er: »Spüre, zu welchem von den beiden es dich hinzieht.« Es dauert keine zwei Sekunden, da zieht es diesen Mann zu dem rechts von ihm befindlichen der beiden anderen Männer hin.

Der Seminarleiter zu Florian: »Dein Stellvertreter hatte sich zu entscheiden, ob er eine Aufstellung mit Familienangehörigen braucht oder eine Aufstellung der inneren Ebene ohne Familienmitglieder. Was, glaubst du, kam heraus?«

Florian (ohne zu zögern): »Selbstverständlich brauchen wir meine Verwandten! Erst in den letzten Wochen stieß ich auf ein neues Familiengeheimnis. Wir brauchen Stellvertreter für …«

Der Seminarleiter (unterbricht ihn): »Nein, nein, ganz und gar nicht! Wir brauchen die innere Ebene!«

Florian reibt sich verwundert die Augen. Es werden nun drei Stellvertreter aufgestellt: ein Mann für ihn, ein Mann für seine Seele und eine Frau für das Symptom »seelische Verwirrung und Isolation«.

Die Stellvertreterin für die Isolation wird schnell immer steifer und steifer. Der Seminarleiter wählt eine weitere Frau aus der Gruppe aus und stellt sie hinzu. Sofort entspannt sich das Symptom.

Der Seminarleiter zu Florian, der auf dem Stuhl sitzt: »Du wirst es mir kaum glauben, wer diese neue Frau ist, die das Symptom so intensiv entspannen kann!«

Florian (ungeduldig): »Wer ist es? Meine Mutter?«

Der Seminarleiter: »Nein! Ich habe sie definiert als ›Aufhören mit dem Graben im Stammbaum‹. Wir Therapeuten gehen dir alle auf den Leim! Und natürlich legst du dich auch selbst herein.«

Die Stellvertreter für die Seele und Florian lachen leise.

Der Seminarleiter: »Was ist bei euch?«

Die Seele: »Seit die neue Frau da ist, geht es mir mit Florian richtig gut! Wir blühen jetzt auf!«

Florians Stellvertreter bestätigt es: »Endlich können wir aufatmen!«

Die Seele: »Darf ich Florian was sagen?«

Der Seminarleiter: »Ja bitte!«

Die Seele: »Schau nur noch auf das Einfache, deinen Alltag, was du im Supermarkt noch einkaufen wolltest, deine Freunde anrufen, Urlaub planen … Geforscht und aufgestellt hast du mehr als genug. Du musst es endlich umsetzen, was dir alles gezeigt wurde!«

Der Seminarleiter fragt den »richtigen« Florian: »Möchtest du dich an deinen Platz in der Aufstellung stellen?«

Florian: »Ja.«

Während sich Florian ins Aufstellungsfeld begibt, setzt sich sein Stellvertreter. Florian ist sprachlos. Er schaut hin und her zwischen der Seele, dem Symptom und »keine weiteren Aufstellungen machen«: »Unglaublich!«, murmelt er vor sich hin.

Der Seminarleiter zu Florian: »Wie geht es dir? – Was ist los?«

Florian: »Ich kann das alles noch gar nicht realisieren. Es ist einfach unglaublich!«

Der Seminarleiter: »Spür doch mal in deinen Körper. Wie geht es dir denn?«

Florian: »Ich weiß nicht, ich weiß nicht …«