Wie aus Beruf Berufung wird - Thomas Schäfer - E-Book

Wie aus Beruf Berufung wird E-Book

Thomas Schäfer

0,0
7,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Selbstverwirklichung im Beruf: Berufliche Tätigkeit und seelische Entwicklung sind eng miteinander verknüpft. Thomas Schäfer beschreibt anhand von Beispielen aus seiner Aufstellungsarbeit, wie man persönliche Bedürfnisse, Stärken und Überzeugungen mehr in seinen Beruf einbringt und nutzt. Indem man sich von seiner Seele leiten lässt, findet man Lösungen bei den unterschiedlichsten beruflichen Fragen wie Mobbing, Arbeitslosigkeit, Jobwechsel, Selbständigkeit oder allgemeinen Konflikten am Arbeitsplatz. Mit vielen richtungweisenden Denkanstößen, um seine eigene Berufung zu erkennen und sie im Arbeitsalltag zu leben. Wie aus Beruf Berufung wird von Thomas Schäfer: als eBook erhältlich!

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 269

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Thomas Schäfer

Wie aus Beruf Berufung wird

Knaur e-books

Inhaltsübersicht

DankVorwortEinführung in das Familien-Stellen1. Allgemeine berufliche ProblemeStimmt die Einstellung zum Beruf?»Übe ich als Ärztin meinen Beruf richtig aus?«: Belinda»Soll ich zurück in meinen alten Beruf?«: Johanna»Soll ich als Kartenlegerin arbeiten?«: NataschaSchweres aus der Familie wirkt auf die Arbeit»Wann kommt mein Durchbruch als Filmemacher?«: CarstenDie Krankheit des Vaters: Jochen»Ich bin stets auf der Flucht«: WenzelDie Wirkung der Eltern auf den BerufErfolglos als Malerin: Silke»Ich bin immer nur der Ersatzmann«: NorbertDie verachtete Mutter: Carmen»Die Mitarbeiter warten auf meine Führung«: Sven»Warum komme ich immer zu spät zur Arbeit?«: SabrinaTalente und Fähigkeiten»Reicht mein Talent als Künstler?«: Thomas»Aber mein Vater ist dagegen!«: Jennifer»Ich habe zu viele berufliche Projekte«: Eduard»Wo liegt mein Talent?«: MichaelAusbildung und StudiumLernblockade und Prüfungsangst: Marianne»Mit dieser Wut kann ich nicht mehr lernen«: JudithPrüfungsangst und Wortfindungsstörung: TiborArbeitslosigkeitSeit vier Jahren arbeitslos: Christine»Ich bin so lustlos«: Frederik»Ich bin des Lebens und Arbeitens müde!«: ElsaJahrelange Arbeitslosigkeit: Lambert2. Praktische BerufsproblemeBerufs- und Stellenwechsel»Mein Beruf bereitet mir Übelkeit«: Udo»Soll ich meine Firma verlassen?«: Claude»Als Arzt bin ich im falschen Beruf«: VeitDie Arbeit mit den Männern: Rahel»Landpraxis oder Bielefeld?«: RobertBeruf und KrankheitDas Gift: RainerWenn berufliches Schicksal krank macht: MonikaAlpträume als Feuerwehrmann: GiovanniFrühberentung»Ich wollte nie eine Frühpension«: Reinhilde»Soll ich mich jetzt frühpensionieren lassen?«: HorstDie falsche Lebenseinstellung: FelicitasDas Spannungsfeld Vorgesetzte–UntergebeneWenn der Chef sich wie ein Vater verhalten soll: Fritz»Der Chef wertet mich ab!«: Erich»Man sieht mich nur als halbe Portion«: Raimund»Unsere Chefin nervt alle«: Jürgen»Unser Chef missbraucht die Behinderten«: NadineMobbing»Immer werde ich für dich kämpfen, Mama«: JasminDie Bombe: Nina»Überall, wo ich arbeite, werde ich kritisiert«: LisaSelbständigkeit und damit verbundene Probleme»Muss ich das Geschäft aufgeben?«: Bärbel»Soll ich den Kosmetiksalon schließen?«: Angelika»Ich bin lustlos während der Arbeit«: Wolfgang»Wer bestimmt in unserem kleinen Betrieb?«: AxelVerwicklungen in Familienbetrieben»Mit meiner Mutter kann ich keine Firma leiten«: RalfSeit zehn Jahren im elterlichen Betrieb: BjörnDer Verkauf von Vaters Firma: Beat und Jörg»Die Firma meines kranken Mannes nimmt mir die Luft weg«: Violetta»Auf dem Bauernhof geht es immer schlimmer und schlimmer!«: HubertArbeitssucht und berufliche Besessenheit»Das Berufliche lässt mich nie los«: RicardoNachts werden Steuerakten geprüft: RogerLiebe am Arbeitsplatz»Soll ich im Verlag meiner Freundin noch tiefer einsteigen?«: VolkmarDie Praxisgemeinschaft mit dem Partner: Joyce»Wie geht es nach unserer Trennung mit der Firma weiter?«: MelanieSonstiges»Australien oder Deutschland?«: Yvonne»Budapest oder Hamburg?«: Zoltan»Ich bin immer Opfer und bringe es zu nichts«: Silvan»Warum bin ich so verwahrlost?«: Konstantin»Ich habe Sterbehilfe geleistet«: Virginia»Siemens-Manager oder Geistheiler?«: WladimirAnhangErbschaften»Meine Mutter hat mich vom Erbe ausgeschlossen!«: SieglindeDie Erpressung des Vaters: RasmusFinanzielle Probleme»Endlich soll mal einer von uns Erfolg haben!«: Sergej»Warum erleide ich schon immer schlimme Geldnot?«: Ulf»Soll ich für meinen Sohn haften?«: AntonDie Last von Vaters Schulden: LindaDer Finanzvertrag mit dem Vater: ClarissaHäuser und GrundstückeDas morphogenetische Feld: MargittaDas verfluchte zwangsversteigerte Haus: Magdalena»Seit siebzehn Jahren will ich ausziehen«: Christian»Warum lässt sich unser Haus nicht verkaufen?«: Julia und Richard»Seit ich dort lebe, bin ich wütend«: Thorsten»Soll ich aus dem geerbten Haus ausziehen?«: VeronikaVeröffentlichungen des AutorsAdressen
[home]

Dank

Allen Ratsuchenden, die zur beruflichen Beratung oder zur Beratung in Immobilien-, Finanz- und Erbschaftsfragen zu mir gekommen sind, möchte ich für das entgegengebrachte Vertrauen danken. Zu ihrem Schutz wurden Namen, Orte und unwesentliche Einzelheiten im Text verändert.

Ich danke meinem Kollegen Claus Caspers für seine fachlichen Hinweise zum Manuskript dieses Buches. Meiner Frau Christine danke ich ebenfalls für die kritische Durchsicht des Textes.

[home]

Vorwort

Außer der Liebe zwischen Mann und Frau wird wohl kein anderer Lebensbereich so tief mit dem Sinn unseres Lebens in Verbindung gebracht wie der Beruf. Ähnlich wie mit der Liebe hadern viele Menschen auch mit ihrer täglichen Arbeit. Was für den Erfolg in der Liebe gilt, gilt aber auch für den Erfolg im Beruf.[1]

Aus Beruf wird Berufung, wenn wir dem folgen, was die eigene Seele von uns fordert. Ähnlich wie in der Liebe hören wir jedoch oft nur auf selbstbezogene Einflüsterungen. Wir hören nur auf uns, statt uns in den anderen und die Umwelt hineinzuversetzen: Wir wollen erfolgreich sein, ohne nach links und rechts zu schauen. Wie einige der Geschichten dieses Buches zeigen, kann man davon mitunter sogar krank werden.

Wenn wir uns sowohl im Einklang mit unseren familiären Wurzeln befinden und sie achten als auch unsere eigenen Talente fördern und zugleich ethische Maßstäbe berücksichtigen, kann aus Beruf Berufung werden. Fast alle der im Folgenden aufgeführten Fallbeispiele zeigen, dass es einen Missstand bei mindestens einem dieser drei Kernbereiche gibt, manchmal hapert es sogar bei mehreren von ihnen.

Ähnlich wie in der Liebe erleben und erleiden wir auch im Berufsleben viel Schicksalhaftes. Wenn aber aus Beruf Berufung werden soll, verneigt man sich in Demut vor den Prüfungen, denen man ausgesetzt wird, und begreift sie als das, was sie sind: Lernaufgaben, an denen wir seelisch wachsen können.

Die hier aufgezeigten beruflichen Fragen mit ihren seelischen Hintergründen sind weit gefächert: Berufs- und Stellenwechsel, Arbeit und Krankheit, Arbeitslosigkeit, Probleme mit dem Chef, Liebschaften in der Firma, Frühberentung, Mobbing, Prüfungsängste, Firmengründungen und –verwicklungen, familiäres Leid – und wie es auf das Berufsleben wirkt.

Aber auch oft nicht beachteten Fragestellungen wird nachgegangen: Passt meine berufliche Tätigkeit zu meinen Talenten und Fähigkeiten? Entspricht mein Beruf dem, was meine Seele von mir fordert? Habe ich tief im Herzen meiner jetzigen Tätigkeit zugestimmt, oder übe ich sie nur routinemäßig aus?

Wenn ich dem Beruf nicht innerlich zugestimmt habe, wird es immer wieder zu Problemen und Konflikten kommen. Auch der Arbeitsstress ist nur dann gut zu verarbeiten, wenn ich weiß, dass ich mit meinem beruflichen Tun in seelischer Übereinstimmung stehe.

 

Dieses Buch soll dabei keine Werke über »Organisationsaufstellungen« ersetzen, wie sie beispielsweise von Gunthard Weber, Kristine Alex und anderen verfasst wurden. Im Zentrum stehen weniger Aufstellungen von Teams und speziellen berufsspezifischen Fragen, sondern mehr allgemeine Probleme am Arbeitsplatz, wie sie viele von uns betreffen. Mir ging es auch darum, zu zeigen, in welchem Rahmen Themen des Erwerbslebens in die »normale Aufstellungsarbeit« einfließen und welche wertvollen Lösungsmöglichkeiten sich dabei gezeigt haben. Selbst auf die Paarbeziehung wirkt der Beruf ein, zuweilen sogar ganz unmittelbar, wie es im Kapitel »Liebe am Arbeitsplatz« dargestellt wird.

 

Der »Job« dient jedem von uns dazu, Geld zu verdienen und uns materiell abzusichern. Arbeit und Beruf sorgen für die Erfüllung seelischer Bedürfnisse ebenso wie für materielles Glück. Auch Erbschaften, Immobilien und Vermögensprobleme beeinflussen unsere materielle Sicherheit und unser seelisches Wohlbefinden. Zur Abrundung habe ich deswegen einen Anhang aufgenommen, in dem auch diese wichtigen benachbarten Themen behandelt werden; denn nicht selten wird unser Berufsleben stark durch Erbschaften, Geldprobleme oder Immobilienfragen beeinflusst. Ein Beispiel dafür ist die Aufstellung der Brüder Beat und Jörg aus dem Kapitel »Verwicklungen in Familienbetrieben«, die fast ebenso gut in den Anhang (»Erbschaften«) hätte aufgenommen werden können. Da es sich aber um den Nachlass eines Firmenimperiums handelt, finden Sie diese Aufstellung im beruflichen Hauptteil dieses Buches.

Auch ohne auf die Seele Rücksicht zu nehmen, mag man im Beruf erfolgreich sein und auch materielles Glück erleben – kann man dabei aber auch gleichzeitig dauerhaft inneres Glück erfahren, wenn man nur auf Kosten von anderen lebt und sich um keinerlei seelische Orientierung bemüht? Meine tägliche Erfahrung als Psychotherapeut zeigt mir, dass dies nicht möglich ist.

Methodisch ist noch anzumerken, dass ich in der Arbeit mit Ratsuchenden nicht ausschließlich mit Aufstellungen gearbeitet habe. Dort, wo andere Methoden zum Einsatz kamen, habe ich das eigens erwähnt.

[home]

Einführung in das Familien-Stellen

Einem Buch wie diesem müsste eigentlich ein umfangreiches Kapitel über die systemische Aufstellungsarbeit vorangestellt werden. Angesichts der weiten Verbreitung der ursprünglich von Bert Hellinger entwickelten Methode kann hier aber auf eine ausführliche Darstellung verzichtet werden. Als einführende Lektüre sei auf mein Buch Was die Seele krank macht und was sie heilt[2] verwiesen. An dieser Stelle soll nur das Wesentliche zur Vorgehensweise aufgezeigt werden.

Zwar lassen sich Aufstellungen auch mit Hilfe von Papierscheiben und Holzfiguren[3] in der Einzeltherapie durchführen, doch die viel kraftvollere Möglichkeit ist das Aufstellen in der Gruppe.

Nachdem der Ratsuchende vor dem Seminarleiter und der Gruppe kurz sein Anliegen geschildert hat, entscheidet der Therapeut, auf welche Weise die Aufstellung durchgeführt werden kann. Nicht immer wird die ganze Familie aufgestellt. Falls einzelne ihrer Mitglieder in Frage kommen, wählt der Betreffende sowohl für seine Verwandten als auch für sich selbst Stellvertreter aus der Gruppe aus und stellt sie nach seinem inneren Bild auf.

Anschließend setzt er sich. Immer wieder zeigt sich dann, dass völlig Fremde genau darstellen können, wie sich das jeweilige Familienmitglied in der Tiefe fühlt. Was häufig sichtbar wird, ist die bislang verborgene seelische Dynamik hinter einer Krankheit, einem Paar- oder beruflichen Problem.

Nachdem der Seminarleiter durch verschiedene Schritte eine Lösung gefunden hat, kann der Ratsuchende sich oft auch selbst an seine Position stellen. Am Schluss ist es für ihn zuweilen notwendig, bestimmten Personen noch etwas Wichtiges mitzuteilen.

Sofern es nicht ausdrücklich anders gesagt wird, ist in den Aufstellungsbeschreibungen mit Bezeichnungen wie »Partner«, »Ehefrau« oder dem Namen des Aufstellenden immer der betreffende Stellvertreter gemeint. Wenn ein Ratsuchender selbst in die Aufstellung tritt und damit seinen eigenen Platz einnimmt, wird besonders darauf hingewiesen.

 

Das Familien-Stellen hat sich in den letzten Jahren weiterentwickelt zu den »Bewegungen der Seele«. Wer innerlich gesammelt in Kontakt mit der Person geht, die er darstellt, kommt in eine sehr langsame, aber dennoch intensive Bewegung. Wenn der Therapeut diesen Bewegungen der Stellvertreter Raum gibt, kann er zeitweise auf Anweisungen verzichten, auch auf sprachliche. Dennoch muss der Therapeut gesammelt bleiben, um an kritischen Punkten der Aufstellung eingreifen zu können.

Aus den Bewegungen der Stellvertreter ergeben sich Lösungen, die oft überraschend und für niemanden vorhersehbar sind. Auch in einigen Aufstellungen, die hier dargestellt werden, überließen sich die Stellvertreter stumm gänzlich ihren aus dem Inneren kommenden Bewegungen.

In jüngster Zeit hat Bert Hellinger die »Bewegungen des Geistes« entwickelt, die in meiner Arbeit jedoch keine Anwendung finden und deswegen hier auch nicht dargestellt werden.

 

Trotz all dieser neuen methodischen Formen hat das »klassische« Familien-Stellen nach wie vor seine Berechtigung. Denn wenn man beispielsweise eine sogenannte Patchworkfamilie mit Halbgeschwistern, Stiefeltern und dergleichen aufstellt, besteht oft so viel Verwirrung, dass zur Strukturierung bestimmte Themen ausgesprochen werden müssen. Hier liegt der Vorteil der Familienaufstellungen. Doch insbesondere wenn es um Täter und Opfer in einer Familie geht, sind die »Bewegungen der Seele« sehr wirksam, weil Aufstellungen das Geschehen in seiner ganzen Tiefe nur teilweise erfassen; die »Bewegungen der Seele« aber gehen über die Ordnungen der Familie weit hinaus und deuten hin auf unser Eingebundensein in das größere Ganze der Welt. Dazu gehört auch, dass die Klassifizierung in »Gut« und »Böse« in einem anderen Licht betrachtet werden muss, genauso wie die Unterscheidung zwischen Schuld und Unschuld, die im Hinblick auf das persönliche Gewissen wichtig ist. Jeder Einzelne ist nicht nur in seine Familie eingebunden, sondern auch in größere Gruppen, deren Schicksal uns mitbestimmt. Was in diesen letzten Bereichen des Seins gilt, liegt jenseits von traditionellen Wertvorstellungen.

 

Neben den Familienaufstellungen in der Gruppe und den »Bewegungen der Seele«, die ebenfalls in der Gemeinschaft stattfinden, arbeite ich in der Einzeltherapie auch mit den bereits genannten Papierscheiben und Holzfiguren. Diese Figuren sind für die Geschlechter unterschiedlich geformt und mit Auskerbungen für die Blickrichtung versehen. Sowohl der Ratsuchende als auch der therapeutische Begleiter stellen sich nacheinander über jene Figuren. Auf diese Weise lässt sich körperlich wahrnehmen, wie sich das Familienmitglied in der Seele fühlt. Es wurde schon gesagt, dass diese Form des Familien-Stellens nicht dieselbe Intensität hat wie die in einer Gruppe, doch lässt sich auch auf solche Weise Heilsames erfahren. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass man sämtliche Vorannahmen aufgibt und sich innerlich sammelt. Mit der angemessenen Aufmerksamkeit kann man dann sehr schnell eine körperliche Wahrnehmung erleben, die wichtige Hinweise für den weiteren therapeutischen Weg gibt.

 

Die Leser meiner Bücher haben in der Vergangenheit immer wieder gefragt, ob es sich bei den Teilnehmern der Seminare um Menschen handle, die schon jahrelange »therapeutische Vorarbeit« geleistet hätten. Wie ließe sich sonst erklären, dass die Aufstellungen so erstaunlich positive Wirkungen zeitigten, wurde oft vermutet.

Viele sind verwundert, wenn ich diese Fragen mit Nein beantworte. Die meisten Teilnehmer meiner Gruppen hatten keine längere Psychotherapie hinter sich, und nicht wenige hatten noch nie eine in Anspruch genommen.

 

Bei zahlreichen Aufstellungen in diesem Buch wird anschließend dargestellt, wie es im Leben des Ratsuchenden weiterging. Dies ist aber nicht bei allen Fällen so, weil sich nicht jeder später noch einmal meldet. Aufstellungen wirken oft über Jahre, deshalb würde ich nie aus Neugier oder »wissenschaftlichem Überprüfungsdrang« nachfragen, denn das könnte den seelischen Prozess unterbrechen.

Oft erhalte ich aber Rückmeldungen durch »Zufall« oder erst Jahre später, wenn sich die Betreffenden wegen eines ganz anderen Themas an mich wenden, zum Beispiel um eine familiäre oder gesundheitliche Frage zu klären.

 

Es sei hier auch noch ein Hinweis zum Umgang mit Aufstellungsbildern gegeben. Allen, die zu mir kommen, rate ich, das Aufstellungsbild in der Zeit nach dem Seminar nicht »mit dem Kopf« verstehen zu wollen. Es handelt sich ja ohnehin um keine »reale« Abbildung der Wirklichkeit, sondern um ein »Bild der Seele«. Dieses Seelenbild benötigt Ruhe, damit es sich in der Stille entfalten kann. Es stellt keine Handlungsanweisung dar, man solle beispielsweise nun auch direkt den Arbeitsplatz wechseln bzw. sich anderweitig bewerben. Erst wenn man nach einer längeren Zeit im Herzen eine Übereinstimmung mit dem Aufstellungsbild spürt, darf man sich in seinen Lebensentscheidungen davon leiten lassen.

Es erübrigt sich wohl der Hinweis, dass es nie gut sein kann, wider besseres Wissen, gutgläubig oder ohne eigene Prüfung dem Wort oder dem Rat eines Therapeuten zu folgen, gleich, welche Methode er auch angewendet hat.

[home]

1.Allgemeine berufliche Probleme

Stimmt die Einstellung zum Beruf?

Die wichtigste Frage, die man sich zum Thema »Beruf« stellen sollte, lautet: »Entspricht meine berufliche Tätigkeit dem, was meine Seele von mir fordert?« In den folgenden Beispielen geht es genau um dieses Thema. Als Zweites lohnt es sich, zu fragen: »Habe ich tief im Herzen meiner jetzigen beruflichen Tätigkeit zugestimmt, oder übe ich sie nur gewohnheitsmäßig aus?«

Wenn ich dem Beruf innerlich nicht zugestimmt habe, wird es immer wieder zu Problemen und Konflikten kommen. Auch der Stress bei der Arbeit ist nur dann gut zu verarbeiten, wenn ich weiß, dass ich mit meinem beruflichen Tun in seelischer Übereinstimmung bin. Das Beispiel von Belinda unterstreicht dies.

Außerdem geht es hier um konkurrierende Berufsmöglichkeiten (Johanna) und auch um so außergewöhnliche Berufe wie Hellseherin (Natascha) und Heilerin (Ellen).

»Übe ich als Ärztin meinen Beruf richtig aus?«: Belinda

Belinda arbeitet seit fünf Jahren als Klinikärztin. Wie weithin bekannt ist, verdienen Krankenhausärzte relativ wenig, müssen dafür aber hart arbeiten. Weder körperlich noch psychisch ist dies leicht zu verkraften. Als der Berufsstress für Belinda anfing, entwickelte sich bei ihr eine Schuppenflechte (Psoriasis).

Belinda: »Ich habe in einer medizinischen Veröffentlichung gelesen, es komme gar nicht so selten vor, dass angehende Ärzte durch beruflichen Stress an Psoriasis erkranken. Das würde ich gern mit einer Aufstellung überprüfen … [Nach einer Pause:] Bin ich in Übereinstimmung mit meinem Beruf, oder hat die Psoriasis einen anderen Hintergrund?«

Der Seminarleiter: »Von einem solchen Hintergrund der Psoriasis habe ich noch nie etwas gehört. Ehrlich gesagt, kann ich mir das auch nicht so gut vorstellen … Hautkrankheiten haben oft mit der Mann-Frau-Beziehungsdynamik oder dem Intimleben der Eltern zu tun, von dem sich Kinder nicht abgrenzen können. Aber wir schauen es uns vorurteilsfrei an.«

Belinda wählt eine Stellvertreterin für die Psoriasis, eine für den Arztberuf und eine für alle anderen möglichen Ursachen der Krankheit und stellt sie auf.

Der Seminarleiter (als er sieht, wie die Psoriasis ohne Zögern auf den Arztberuf zugeht): »Das ist verblüffend.«

Auf eine Handbewegung des Leiters setzen sich die »anderen möglichen Ursachen« wieder auf die Stühle. Ohne etwas zu erklären, stellt der Seminarleiter dem Arztberuf eine Frau in den Rücken, und es kommt auch eine Stellvertreterin für Belinda hinzu.

Der Arztberuf: »Die Frau in meinem Rücken ist extrem wichtig für mich, jedenfalls viel wichtiger als Belinda.«

Jetzt wird die anonyme Frau gebeten, sich hinter Belinda zu stellen.

Belinda: »Ich werde ganz stark. Plötzlich fühle ich mich nicht mehr so schwach, wenn ich den Arztberuf anschaue. Ich habe das Gefühl, ich kann jetzt alles gut bewältigen, auch wenn es stressig ist.«

Der Seminarleiter bittet Belinda, in ihre eigene Rolle zu kommen, und sagt: »Weißt du, wer da hinter dir steht und dir so viel Kraft gibt für den Beruf?«

Belinda (lächelt): »Keine Ahnung!«

Der Seminarleiter: »Das ist deine Seele! Die Aufstellung zeigt, dass du tatsächlich einen Beruf gewählt hast, dem deine Seele zustimmt. Allerdings hast du selbst dieser anstrengenden Tätigkeit noch nicht zugestimmt. Du hast dich dem Auftrag deiner Seele noch nicht ergeben.«

Während der Seminarleiter spricht, nickt die Stellvertreterin der Psoriasis. Auf Befragung sagt sie: »Mit der Seele im Rücken braucht Belinda mich nicht mehr! Da kann ich verschwinden.«

Belinda bedankt sich bei der Krankheit für das Wichtige, das sie ihr gezeigt hat. Anschließend dreht sie sich um und schaut der Seele in die Augen. Sie strahlen sich an. Auf Vorschlag sagt Belinda, indem sie eine Hand auf ihr Herz legt: »Mit dir im Rücken bin ich allen Anforderungen meines schweren Berufs gut gewachsen. Ich werde jetzt öfter auf dich schauen.«

Der Seminarleiter: »Das ist sehr gut. So, wie du es gesagt hast, hat es viel Kraft.«

Die Seele nickt bestätigend. Die beiden umarmen sich.

»Soll ich zurück in meinen alten Beruf?«: Johanna

Johanna arbeitet in einem Kindergarten als ausgebildete Erzieherin. Doch sie ist an ihrem Arbeitsplatz nicht mehr glücklich.

Johanna: »Von den Kindern fühle ich mich mehr genervt, als es in meinem Beruf sein dürfte«, sagt sie selbstkritisch.

Johanna war Bürokauffrau, und sie hat manchmal die Phantasie, sie solle wieder in ihren alten Beruf zurückkehren. Meinen Vorschlag, wir könnten die Berufsmöglichkeiten und sie selbst mit Holzfiguren aufstellen, lehnt sie ab. Sie fragt, ob es noch andere Möglichkeiten gebe. Die Idee, eine kleine Imaginationsreise zu unternehmen, nimmt sie sogleich begeistert auf.

Nachdem Johanna durch die Hinweise des Therapeuten gut entspannt ist, gelangt sie in ihrer Vorstellung in eine Mittelgebirgslandschaft. An einer Kreuzung sieht sie zwei Wege. Der Therapeut schlägt vor, dass einer der Wege für die Bürokauffrau und der andere für die Erzieherin steht. Johanna beschließt, dass der linke Weg ihren alten Weg darstellen soll. Diesen will sie auch als Erstes ausprobieren.

Wie sich schnell zeigt, ist der Weg hart und beschwerlich. Er wird immer steiler, und links klaffen große, gefährliche Abhänge. Hier kommt Johanna nicht so recht vorwärts. Nach endloser Qual beschließt sie, zum Ausgangspunkt zurückzugehen.

Nun wandert sie auf dem rechten Weg. Sie trifft ein kleines Häschen, das ihr den Tipp gibt, doch mal mit anderen Leuten ins Gespräch zu kommen. Tatsächlich trifft sie bald weitere Wanderer. Diese raten ihr, sie solle ins nächste Dorf zum Rathaus gehen. Als sie dort angekommen ist, sagt man ihr, es gebe im Ort drei Kindergärten, der in Rathausnähe sei der ihre. Als sie aus dem Rathaus heraustritt, stürmen ihr plötzlich einige Kinder aus dem Kindergarten entgegen. Sie rufen ihr zu: »Bei uns bist du richtig. Bleib einfach bei uns.«

Nachdem Johanna aus der Phantasiereise wieder zurückgekehrt ist, sprechen wir darüber. Die Bilder deuten an, dass es ein Fehler sein könnte, in den alten Beruf zurückzukehren. Vermutlich wäre es sogar eine Flucht. Der Erzieherberuf ist zwar anstrengend, doch er bietet anscheinend genau die Anreize zur seelischen Entwicklung, die Johanna im Moment benötigt.

Johanna ist von meinen Erläuterungen nicht sehr angetan. Der Gedanke, in ihrem jetzigen Beruf zu bleiben, gefällt ihr gar nicht. Die aktuellen Probleme mit den Kindern an der Arbeitsstelle weisen vielleicht darauf hin, dass Johanna sich ihrem eigenen inneren Kind zuwenden sollte. Was sie im Kindergarten erlebt, kann ihr helfen, alte Kindheitsverletzungen aufzuarbeiten. Ein Weglaufen vor diesen Problemen ist jedenfalls keine Lösung.

Johanna war nicht dazu bereit, sich ihrer eigenen Kindheit zu stellen. Ob sie zurück in den alten Beruf gegangen ist, muss ebenfalls offenbleiben, da wir keinen Kontakt mehr hatten. Immerhin erwähnte sie zum Schluss der Stunde, dass sie auf ganz andere Art und Weise denselben »therapeutischen« Rat erhalten habe wie durch mich. Vor kurzem hatte sie nämlich nachts einen Traum, in dem sie eindringlich davor gewarnt wurde, ihre alte Berufstätigkeit wieder aufzunehmen!

»Soll ich als Kartenlegerin arbeiten?«: Natascha

Natascha ist als Verkäuferin bei einem großen Kaufhaus angestellt. Sie sagt, diese Tätigkeit öde sie an. Da sie bei sich selbst hellseherische Fähigkeiten entdeckt habe und schon lange privat anderen Menschen die Karten lege, wolle sie ihre berufliche Zukunftsperspektive aufstellen.

Natascha wählt Stellvertreter für die Verkäuferin, die Kartenlegerin und jemanden für sich aus. Die beiden Berufe fühlen sich sehr schwach. Nataschas Stellvertreterin interessiert sich weder für den einen noch für den anderen. Sie dreht sich um, so dass sie sie beide nicht mehr sieht. Dann sinkt sie langsam auf den Boden.

Der Seminarleiter: »Deine Seele hat dich mit einer ganz anderen als einer beruflichen Frage hierhergeschickt.«

Natascha: »Ach ja? Das macht mich aber neugierig.«

Der Seminarleiter: »Die Frage lautet: Willst du überhaupt noch etwas vom Leben – oder hast du schon mit allem abgeschlossen?«

Natascha hat gemerkt, dass es jetzt ernst wird. Sie schweigt und blickt den Seminarleiter trotzig an. Dieser fragt sie nach schweren Schicksalen in der Gegenwarts- und in der Herkunftsfamilie. Natascha zählt einige unwesentliche Begebenheiten auf.

Der Seminarleiter: »Alles, was du mir jetzt erzählt hast, ist völlig kraftlos. Man sieht ganz deutlich in der Aufstellung, dass es dich zu den Toten zieht.«

Dann erwähnt Natascha drei Kinder von jeweils verschiedenen Vätern, die sie hat abtreiben lassen. Diese Kinder werden nun hinzugenommen. Es folgt ein sehr langer Prozess, in dem Natascha, die jetzt in die eigene Rolle kommt, ihre abgetriebenen Kinder ins Herz nimmt.

Danach geht es ihr sichtlich besser. Die Verkäuferin schaut neugierig lächelnd zu Natascha.

Natascha: »O nein, ich will nicht …«

Die Kartenlegerin hat sich unterdessen in den hintersten Winkel des Raums zurückgezogen und sich dann umgedreht.

Der Seminarleiter wählt eine Frau aus der Gruppe aus und stellt sie dazu. Diese Frau schaut sehr skeptisch zu der Kartenlegerin und dann zu Natascha.

Der Seminarleiter zu Natascha: »Komm mal mit und stell dich neben die Kartenlegerin.«

Natascha stellt sich neben sie, doch diese kratzt sich am Arm und sagt: »Ich will sie hier nicht …«

Die anonyme Frau: »Da wird es mir übel, wenn ich Natascha neben der Kartenlegerin sehe! Da gehört sie nicht hin!«

Der Seminarleiter zu Natascha: »Weißt du, wer diese Frau ist?«

Natascha: »Nein.«

Der Seminarleiter: »Das ist deine Seele. Offensichtlich stimmt sie nicht zu, wenn du Kartenlegerin wirst. Das Gewöhnliche ist in deinem Falle das Beste.«

Natascha (schmollt): »Keiner gönnt mir was …«

Der Seminarleiter: »Jetzt bist du wieder ein kleines trotziges Mädchen. Als Verkäuferin kannst du keinen großen Schaden anrichten, als Kartenlegerin schon!«

Natascha: »Nein, nein, ich sage nur gute Sachen!«

Der Seminarleiter: »Genau! Du nimmst das Geld der Leute und veräppelst sie! Was für eine Berufseinstellung …!«

Natascha schüttelt heftig den Kopf.

Der Seminarleiter: »Was du hier gesehen hast, sind Bilder der Seele. So wie jeder andere Teilnehmer musst du in den Wochen nach dem Seminar selbstverantwortlich prüfen, was du davon nehmen kannst und was nicht. Jedenfalls hast du dir über den ethischen Aspekt beim Kartenlegen noch keine Gedanken gemacht.«

 

Diese Aufstellung hat einige Ähnlichkeiten mit der Geschichte von Ellen. Ellen ist Lehrerin. Sie spielte mit dem Gedanken, nur noch als Heilerin zu arbeiten. Dies wollte sie insbesondere mit der Unterstützung von Engeln tun. In der Aufstellung stellte sie zunächst die Heilerin, sich selbst und das spirituelle Ziel auf. Die Heilerin schaute Ellen skeptisch an, und es entfuhr ihr spontan der Satz: »Du bist eine Betrügerin!«

Auf meine Frage an Ellen, ob es nicht auch sehr spirituell sei, wenn man den Kindern in der Schule Werte und Perspektiven für die Zukunft vermittle, zuckte sie nur die Schultern.

Es soll hier nicht das Kind mit dem Bad ausgeschüttet werden: Zuweilen ist jemand von der Seele berufen, als Heiler zu arbeiten. Auf diejenigen, die ich in meiner praktischen Arbeit kennengelernt habe, traf dies jedoch nur sehr selten zu. Vielen geht es allein um die Befriedigung des Egos. Diejenigen, die wirklich seelisch berufen sind, wissen es von selbst und verirren sich anscheinend selten in meine Seminare! Sie wissen um den Auftrag ihrer Seele, ohne dass sie dafür eine Bestätigung suchen. Wer als Hellseher, Heiler oder Ähnliches arbeitet, ohne von der Seele dazu berufen zu sein, zahlt dafür jedenfalls einen teuren Preis.

Schweres aus der Familie wirkt auf die Arbeit

Wenn es im Beruf gar nicht vorangeht, liegt das zuweilen daran, dass besonders schwere Schicksale auf die ganze Familie wirken. Nicht selten geht es um Familiengeheimnisse, die nie ganz gelüftet werden. Mit solchen Geheimnissen werden wir in der Geschichte von Carsten konfrontiert. Weitere Beispiele zeigen ein schweres persönliches Schicksal eines Elternteils (Jochen) und Opfer-Täter-Verbindungen aus der NS-Zeit (Wenzel). In fast allen der folgenden Aufstellungen gibt es sehr viele Tote in der Familie.

»Wann kommt mein Durchbruch als Filmemacher?«: Carsten

Carsten ist Anfang vierzig und er sprüht vor Charme, Witz und Kreativität. Er schreibt Bücher und produziert Filme, doch leider ernährt ihn seine Kunst mehr schlecht als recht.

Carsten: »Ich habe keine Lust mehr – alles, was ich mache, ist erfolglos. Meine Eltern waren schon als Künstler beruflich tätig. Vielleicht sollte ich mir einen anderen Beruf aussuchen.«

Carsten erzählt, seine Mutter beschäftige sich bereits lange mit dem Tod. Sie sei zwar noch gesund, habe aber panische Angst vor dem Sterben. In Gesprächen mit ihr habe er versucht, ihr die Angst zu nehmen; er sei jedoch erfolglos geblieben.

Der Seminarleiter: »Hat deine Mutter ein Geheimnis?«

Carsten: »Da gibt es dunkle Vermutungen von zwei Abtreibungen, eine jedenfalls ist sicher. Und auf meines Vaters Seite gibt es noch einen Sohn aus einer früheren Verbindung.«

Der Seminarleiter: »Ich schlage vor, wir stellen das Berufliche noch nicht auf, sondern erst einmal die Familiensituation. Vielleicht brauchen wir es dann ja auch gar nicht mehr.«

Es werden Carsten und seine Eltern aufgestellt. Die Mutter bricht sofort zusammen. Die Stellvertreterin krümmt sich auf dem Boden und schreit ununterbrochen.

Der Seminarleiter: »Geh sofort gut aus der Rolle, sie überfordert dich.«

Der Seminarleiter bittet eine andere Frau, in die Rolle der Mutter zu gehen. Auch diese Stellvertreterin lässt sich schluchzend fallen. Ein zusätzlicher Mann als Stellvertreter für das abgetriebene Kind kommt herein. Die Mutter schreit auf panische Weise und flüchtet vor dem toten Kind.

Der Seminarleiter: »Man sieht, dass dies keine normale Abtreibung war. Hier gibt es ein Geheimnis.«

Währenddessen hat der Vater die Hände nach Carsten ausgestreckt. Carsten stellt sich an seine Seite und strahlt. Dazu wird auch ein Mann für den Halbbruder aufgestellt. Er versteht sich auf Anhieb mit Carsten, der mittlerweile in die eigene Rolle gekommen ist. Die beiden Brüder umarmen sich. Spontan entschlüpft es dem Halbbruder: »Jetzt geht es mit dem Schreiben und den Filmen erst richtig los!«

Der Seminarleiter zu Carsten: »Kümmre dich nicht um die Geheimnisse deiner Mutter, schau nur auf deinen Vater und deinen Halbbruder. Das ist hier das Richtige! Das andere lässt du bei der Mutter.«

Die Mutter wirkt völlig abgedreht und ist nicht ansprechbar.

 

Carsten kommt nach zwei Jahren erneut in ein Seminar, um ein weiteres Familienthema aufzustellen. Sein Feedback liest sich wie ein modernes Märchen. Er erzählt, dass er bald nach der Familienaufstellung in Hollywood den Auftrag seines Lebens erhalten habe. In entscheidender Funktion hat er einen Vertrag bei einem bekannten US-Filmunternehmen unterschrieben: Der Streifen wurde ein Kassenhit. Aus Diskretionsgründen sei hier auf die Einzelheiten nicht eingegangen. Carsten geht es beruflich seitdem so gut wie nie in seinem Leben. Er ist persönlich davon überzeugt, dass die obige Aufstellung der Schlüssel zu seinem Erfolg war.

Die Krankheit des Vaters: Jochen

Jochen hat schon mehrere Berufe ausgeübt, aber nirgends den Erfolg erlebt, den er sich immer gewünscht hatte. Momentan arbeitet er als freier Unternehmer. Vor kurzem kam ihm eine Geschäftsidee, die sehr gute Perspektiven aufwies. Doch nun bläst ihm wieder Gegenwind ins Gesicht.

Jochen vermutet, dass es irgendetwas gibt, was seine Ängste vor großem Erfolg erklären könnte. In einer Aufstellung mit Hilfsmitteln wie Holzfiguren und Papierscheiben zeigt sich schnell, dass diese Probleme mit dem Vater verbunden sind. Auf Nachfrage erzählt Jochen, sein Vater habe mit Ende zwanzig all seine beruflichen Ambitionen beerdigen müssen. Er erkrankte an einem neurologischen Leiden, das kein normales Arbeitsleben mehr zuließ. Während Jochen darüber redet, wächst seine Betroffenheit. Ist er solidarisch mit ihm? Die Erfahrung zeigt, dass es in einem solchen Fall nicht leicht ist, mehr Erfolg als der Vater zu haben!

Jochen steht auf seiner eigenen Holzfigur und sagt dem Vater: »Ich verneige mich vor deiner Krankheit und den Auswirkungen, die sie auf deinen Beruf hatte. Bitte segne mich, wenn ich mich traue, in meinem Berufsleben erfolgreich und mutig zu sein!«

Jochen spürt, dass diese Sätze stimmen. Die weitere Arbeit macht aber noch tiefer liegende Wurzeln deutlich: Der Vater war unsichtbar nur von Toten umringt. Als kleines Kind hatte er seine Mutter durch einen Unfall von einem Tag auf den anderen verloren. Exakt das gleiche Schicksal erlebte der Vater dann mit seiner ersten Frau. Sie war hochschwanger gewesen, als sie ums Leben kam. Das Kind, Jochens ungeborenes Halbgeschwister, starb ebenfalls bei diesem Unfall.

All diese Umstände wiegen so schwer, dass ich Jochen rate, sie in einer Gruppe aufzustellen. Es zeigt sich immer wieder, dass schweres Familienschicksal auf die eigene Lebenskraft einwirkt, die man für die berufliche Arbeit benötigt.

Ob Jochen sich tatsächlich später zum Aufstellen bei einem Kollegen angemeldet hat, ist mir unbekannt. In meine Gruppen kam er jedenfalls nicht, und so kann ich auch nicht sagen, wie es in seinem Leben weitergegangen ist.

»Ich bin stets auf der Flucht«: Wenzel

Wenzel erzählt, er stehe »ständig unter Strom«. Die letzten zwanzig Jahre seien dadurch geprägt, dass er in kurzen Abständen immer wieder sein Leben in panischer Angst neu organisiere, wie er es nennt. Ein gleichbleibender Zustand im Privat- oder Berufsleben sei für ihn nicht auszuhalten, so dass er stets den Wechsel suche: »Ich wechsle von Zeit zu Zeit meinen Arbeitsplatz und die Partnerin.« Jetzt, um sein vierzigstes Lebensjahr, bereitete ihm das mehr Sorgen als früher. Dieser stete Veränderungswille, so Wenzel, wird von einer massiven Nervosität begleitet, zuweilen von Panikzuständen und hemmungslosen Aggressionen. Außerdem leide er unter Höhenangst.

Wenzel ist der jüngste von vier Brüdern. Das erste Bild der Aufstellung zeigt, wie alle Familienmitglieder in dieselbe Richtung schauen, einige blicken dabei auf den Boden. Wie Wenzel auf Nachfrage berichtet, ist der Bruder des Vaters Opfer der NS-Euthanasie. Der Onkel war psychisch gestört und wurde von den Nazis in eine Anstalt gebracht. Dort töteten sie ihn.

Nach dieser Information werden ein Stellvertreter für den Onkel und einer für einen Täter hinzugenommen, die sich auf den Boden legen. Nach einiger Zeit der Stille kann der Täter den Blick nicht vom Opfer lassen. Die Mutter beginnt zu schluchzen.

Unvermittelt sagt der Täter zum Opfer: »Du bist sehr stark!«

Als Wenzels Stellvertreter sich dem Onkel nähern will, sagt dieser zu ihm und den anderen Verwandten: »Bleibt! Bitte!«

Nach sehr langer Zeit des Schweigens, in der Opfer und Täter in einem stummen Dialog sind, streckt der Täter dem toten Onkel die Hand hin. Doch dieser ergreift sie nicht. Erst nach einer längeren Zeitspanne hat er sich der Hand seines Mörders so weit angenähert, dass er sie schließlich ergreift und sie sich beide vereint von der Familie abwenden und die Augen schließen.