Wenn Dornröschen nicht mehr aufwacht - Thomas Schäfer - E-Book

Wenn Dornröschen nicht mehr aufwacht E-Book

Thomas Schäfer

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Beschreibung

Klassische Märchen spiegeln Familien- und Lebensskripte wider, die dem Einzelnen in der Regel nicht bewusst sind. Nach Bert Hellinger sind Märchen und das, was sie für den Einzelnen bedeuten, oft mit einem verborgenen familiären Lebensauftag verknüpft.  Das persönliche Lieblingsmärchen verrät demnach eine Menge über Ereignisse und Schicksale der Geburtsfamilie. Thomas Schäfer zeigt in seinem Buch anhand von aussagekräftigen Fallbeispielen, welche Lebenshintergründe mit bestimmten Märchen verknüpft sind und sucht in Verbindung mit Familienaufstellungen nach Lösungen und Hilfen bei psychischen Problemen.

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Thomas Schäfer

Wenn Dornröschen nicht mehr aufwacht

Die Botschaft der Märchen in Familienaufstellungen

Knaur e-books

Inhaltsübersicht

VorwortEinführung in die FamilienaufstellungenBindung und OrdnungDie FamilienaufstellungenDynamiken, die krank machenDie Bedeutung des SippengewissensDie Freude am LeidenDer methodische Umgang mit MärchenWie man Lebensskripte im Märchen findetMann und Frau»Dornröschen«: Die frühere Frau des VatersZusammenfassung des MärchensThesen zum »Dornröschen«Lebensgeschichten zum »Dornröschen«»Die zertanzten Schuhe«: Die früheren Männer der FrauZusammenfassung des MärchensThesen zu den »Zertanzten Schuhen«Lebensgeschichte zu den »Zertanzten Schuhen«»Der Froschkönig oder Der eiserne Heinrich«: Wenn Männer »an die Wand geklatscht« werdenZusammenfassung des MärchensThesen zum »Froschkönig«Lebensgeschichten zum »Froschkönig«»Die wilden Schwäne«: Die missachteten Kinder aus der früheren Ehe des PartnersZusammenfassung des MärchensThesen zu den »Wilden Schwänen«Lebensgeschichten zu den »Wilden Schwänen«Rotkäppchen: MissbrauchZusammenfassung des MärchensThesen zum »Rotkäppchen«Lebensgeschichten zum »Rotkäppchen«Söhne und Väter»Der Wolf und die sieben jungen Geißlein«: Der »böse« PapaZusammenfassung des MärchensThesen zum »Wolf und den sieben jungen Geißlein«Lebensgeschichten zum »Wolf und den sieben jungen Geißlein«»Hans im Glück«: Wen das Pech verfolgtZusammenfassung des MärchensThesen zum »Hans im Glück«Lebensgeschichten zum »Hans im Glück«Fehlende Eltern»Hänsel und Gretel«: Als hätt' ich keine Eltern …Zusammenfassung des MärchensThesen zu »Hänsel und Gretel«Lebensgeschichten zu »Hänsel und Gretel«»Das hässliche junge Entlein«: Bin ich ein verwechseltes Kind?Zusammenfassung des MärchensThesen zum »Hässlichen jungen Entlein«Lebensgeschichten zum »Hässlichen jungen Entlein«»Aschenputtel«: Allein in der StieffamilieZusammenfassung des MärchensThesen zum »Aschenputtel«Lebensgeschichten zum »Aschenputtel«»Die Sterntaler«: Alles verlorenZusammenfassung des MärchensThesen zu den »Sterntalern«Lebensgeschichten zu den »Sterntalern«Des Lebens müde»Der kleine Häwelmann«: Der Sog zum HimmelZusammenfassung des MärchensThesen zum »Kleinen Häwelmann«Lebensgeschichten zum »Kleinen Häwelmann«»Das kleine Mädchen mit den Streichhölzern«: Das Leben als QualZusammenfassung des MärchensThesen zum »Kleinen Mädchen mit den Streichhölzern«Lebensgeschichten zum »Kleinen Mädchen mit den Streichhölzern«Tote und weggegebene Kinder»Das Totenhemdchen«: Wenn die Trauer nicht enden willUngekürzter OriginaltextThesen zum »Totenhemdchen«Lebensgeschichte zum »Totenhemdchen«»Däumelinchen«: Fehl-, Früh- und TotgeburtenZusammenfassung des MärchensThesen zum »Däumelinchen«Lebensgeschichte zum »Däumelinchen«»Das Rumpelstilzchen«: TotgeschwiegenZusammenfassung des MärchensThesen zum »Rumpelstilzchen«Lebensgeschichten zum »Rumpelstilzchen«Ein traumatisches Erlebnis»Der Eisenhans«: Als ich acht Jahre war …Zusammenfassung des MärchensThesen zum »Eisenhans«Lebensgeschichte zum »Eisenhans«DankLiteratur über Familienaufstellungen nach Bert Hellinger
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Vorwort

Märchen bilden das Leben in Bildern ab. Goldene Kugeln, böse Wölfe und listige Zwerge laden dazu ein, sich über die Urbilder der Märchen Gedanken zu machen. Dieser Weg über die Symbolik war bislang in fast allen einschlägigen Veröffentlichungen der Königsweg ins Märchenreich. Insbesondere die psychoanalytische Literatur bietet umfangreiche Analysen[1] über Märchen an. Vor allem die Jung’sche Psychologie mit ihrem Ansatz der »Archetypen« scheint geeignet, die verzweigten mythologischen Bezüge dieser Literaturgattung aufzuzeigen. Und in den gängigen Büchern werden Fallgeschichten mit der Grundstruktur bestimmter Märchen in Verbindung gebracht.

Diese Vorgehensweise hat sicherlich ihren Wert, doch es wird dabei etwas für die Praxis Wichtiges außer Acht gelassen: In der Regel haben die Rat Suchenden das betreffende Märchen nicht selbst in die Therapie eingebracht. Oft war es für den Betroffenen in keiner Weise prägend gewesen. Es handelt sich weder um ein Märchen, das er als sein Lieblingsmärchen bezeichnen würde, noch hat er es gehasst oder war in anderer Weise tief beeindruckt gewesen. Mit anderen Worten: Der Therapeut stellt nur einen allgemeinen Bezug zwischen dem menschlichen Leben und dem Märchen dar. Der empirische Bezug bei dieser Form von Märchenanalyse wird nicht berücksichtigt.

Das Problem in der traditionellen Sichtweise von Märchen besteht darin, dass man nach bestehenden Vorstellungen und Konzepten ein Märchen in eine bestimmte Perspektive bringt, statt sich an der Realität zu orientieren: Was findet man in der Lebensgeschichte von Menschen, die in ihrer Kindheit genau von diesem Märchen beeinflusst waren? Es muss sich dabei keineswegs um ein geliebtes Märchen handeln. So sagte zum Beispiel eine Frau, dass sie den »Froschkönig« überhaupt nicht mochte, doch es habe sie tief beeindruckt und nicht mehr losgelassen – gegen ihren Willen. Es kann sogar vorkommen, dass jemand ein Märchen »gehasst« hat. Die Chance, dass es sich als bedeutsam erweist, ist sehr groß.

 

Es ist das Verdienst des Psychotherapeuten Bert Hellinger, als Erster eine systemische Betrachtungsweise der Märchen entdeckt zu haben. Mit der von ihm weiterentwickelten Skriptanalyse Eric Bernes und den von ihm später praktizierten Familienaufstellungen wurde deutlich, dass Märchen oft mit familiären Skripten verknüpft sind. (Ein Skript ist ein »verborgener familiärer Lebensauftrag«, der mit achtender und wissender Liebe, wie sie durch Aufstellungen sichtbar wird, verändert werden kann.)

Um Bert Hellingers Weg zu einer neuen Sicht von Märchen zu verdeutlichen, muss kurz auf seine Entwicklung als Psychotherapeut eingegangen werden. Nachdem er Erfahrungen in Gruppendynamik-Trainings gesammelt hatte, kam er über die Gestalttherapie und Janovs Urschreitherapie zur Transaktionsanalyse. Ein Schlüsselerlebnis für die Entwicklung seiner späteren Form der Familienaufstellungen war die Auseinandersetzung mit Eric Bernes Buch Was sagst du, wenn du guten Tag gesagt hast?. In Bernes Arbeit geht es vor allem um die Suche nach den Skriptgeschichten eines Menschen. Dieses Muster kann man herausfinden, wenn man nach der bevorzugten Geschichte oder dem favorisierten Roman, Film, Comic, Märchen oder Mythos fragt, der ihn einmal in der frühesten Kindheit beeindruckt hat, und einer zweiten Geschichte, die ihn heute beschäftigt. Wenn man diese beiden Geschichten vergleicht, findet man häufig gemeinsame Elemente, die auf einen versteckten Lebensplan hinweisen. Nach Eric Berne haben diese Skriptgeschichten ihre Wurzeln in den verbalen und nonverbalen Botschaften, die Eltern ihren Kindern geben.

Hellinger jedoch fand bald heraus, dass man nur einen kleineren Teil der Skriptgeschichten mit den Botschaften der Eltern in Verbindung bringen kann. Skripte gehen zurück auf frühe Erlebnisse, die oft unabhängig sind von dem, wie die Eltern uns geprägt haben; es sind einschneidende Ereignisse, die im Familiensystem geschahen, zum Beispiel der Selbstmord eines Bruders der Mutter, der tabuisiert worden ist. Hellinger fügte somit der Berne’schen Sichtweise eine »Mehrgenerationenperspektive« hinzu. Nach längerer Beschäftigung mit dieser Arbeit fand er heraus, wie es im Familiensystem zur Identifizierung mit früheren Ereignissen und Schicksalen kommt. Seiner Ansicht nach sind weit mehr als die Hälfte aller Probleme, mit denen Menschen in die Psychotherapie kommen, nicht entwicklungspsychologisch, sondern systemisch bedingt. Viele Probleme gehen somit nicht zurück auf eigenes Erleben, sondern auf die Wiederholung von »fremdem« Schicksal in der Familie.

 

An dem bekannten Märchen »Hans im Glück« lässt sich der Unterschied zwischen »empirischer« Vorgehensweise und traditioneller Märchensicht gut verdeutlichen. Bert Hellinger hat herausgefunden, dass bei Menschen, die »Hans im Glück« als ihr wichtigstes Märchen aus der Kindheit bezeichnen, der Vater oder ein Großvater oft sein Vermögen verloren hat. Die Lösung besteht dann darin, den Opa innerlich zu bitten: »Bitte segne mich, wenn ich es behalte.« Ganz anders wird das Märchen von tiefenpsychologisch arbeitenden Autoren gesehen: Man sieht in Hans ein Vorbild, weil er so viel einfache Weisheit besitzt, dass er mit immer weniger Materiellem auskommt. Wie wir später sehen werden, ist »Hans im Glück« zusätzlich ein »Männermärchen«, bei dem auch eigenes biographisches Erleben mitberücksichtigt werden muss.

Unerwartet ist ebenso die Sichtweise des Märchens »Der Wolf und die sieben jungen Geißlein«. Untersucht man die Fallgeschichten, kommt man zu dem Schluss, dass hier die Mutter zu den Kindern sagt: »Hütet euch vor dem bösen Papa!« Der Vater ist in solchen Familien ausgeklammert.

Ein Seminarteilnehmer war schon immer von Othello begeistert. Doch Othellos Geschichte kann man als kleines Kind noch nicht erlebt haben, und so fragte Hellinger den Betreffenden: »Welcher Mann aus deiner Familie hat aus Eifersucht jemanden umgebracht?« Es war der Großvater gewesen. Nachdem seine Frau ihm untreu gewesen war, hatte er ihren Liebhaber erschossen. Seit dieser Zeit stellt sich Hellinger bei Skriptgeschichten immer die Frage, ob sie sich entweder auf persönliche Erlebnisse beziehen oder auf Erlebnisse anderer Familienangehöriger.

 

Alle in diesem Buch erwähnten Fallgeschichten beziehen sich auf Personen, die tatsächlich das besprochene als ihr wichtigstes Märchen aus der Kindheit bezeichnet haben. Mir ging es hier um den empirischen Bezug: Welche familiensystemischen und lebensgeschichtlichen Hintergründe kann man bei bestimmten Märchen antreffen? Mit dieser Fragestellung empfand ich es als unproblematisch, Grimms Volksmärchen und Andersens Kunstmärchen in einem Band zusammenzuführen. Sogar eine Geschichte von Theodor Storm, die besonders im norddeutschen Raum bekannt ist, »Der kleine Häwelmann«, habe ich aufgenommen. Eine solche Vorgehensweise muss jedem Germanisten ein Gräuel sein. Aus psychotherapeutischer Sicht ist sie jedoch vertretbar.

Da die Grimm’schen Märchen in fast jedem Bücherregal stehen, habe ich auf die vollständige Wiedergabe der Texte verzichtet und mich stattdessen jeweils für eine Zusammenfassung entschieden. Eine Ausnahme bildet wegen seiner Kürze »Das Totenhemdchen«. Als Zitate gekennzeichnete Textstellen in diesen Zusammenfassungen stammen aus dem Original-Märchentext. Auch die literarischen Märchen von Andersen und Storm wurden für dieses Buch zusammengefasst.

Manche Märchendarstellungen dieses Bandes sind länger als andere. Der Grund liegt darin, dass einige nicht nur eine wichtige Dynamik aufweisen, wie es die Regel ist, sondern zwei oder in seltenen Fällen sogar drei, die anhand der Lebensgeschichten von Rat Suchenden erläutert werden. Dies gilt zum Beispiel für »Rumpelstilzchen«, »Aschenputtel« und »Der Froschkönig oder Der eiserne Heinrich«.

Alle Märchen wurden bestimmten Themen zugeordnet, wobei man Märchen, die verschiedene Dynamiken aufzeigen, auch anders hätte zuordnen können. Beispielsweise gehört das »Aschenputtel« nicht nur in die Kategorie »Fehlende Eltern«, sondern auch in das Kapitel »Mann und Frau«, weil hier die Rivalität von Frauen um einen Mann beschrieben wird.

Ein traumatisches Erlebnis wird im Zusammenhang mit dem Märchen »Der Eisenhans« geschildert. Nicht zufällig steht dieses Märchen am Schluss des Bandes. Denn die Geschichte von Jonathan (siehe das Kapitel »Ein traumatisches Erlebnis«) zeigt, welche Haltung zu Leben und Tod Heilung bringt.

 

Wichtig ist auch der Hinweis, dass sich dieses Buch ausschließlich aus psychotherapeutischem Blickwinkel mit Märchen beschäftigt. Jenseits dieser Anwendung sind die kreativen Möglichkeiten mit Märchen fast unbegrenzt: Man kann sie als wertvolles Kulturgut durch Theater, aber auch für Kinder als Puppentheater beleben. Sie können vorgelesen werden, Märchenfiguren oder bestimmte Szenen lassen sich malen, und anschließend kann man in der Gruppe darüber reden; psychotherapeutisch lässt sich auch in der Imagination ein intensiver Zugang zu Märchen finden.

In früheren Seminaren habe ich oft Märchen bis zu einer bestimmten spannenden Szene erzählt, und jeder Teilnehmer musste den Schluss selbst erfinden und ihn dann vor der Gruppe erzählen. Dabei zeigte sich die enge Verzahnung der eigenen Lebens- und Familiengeschichte mit dem jeweils erdichteten Ende.

Märchen bieten für die Psyche ideale Projektionsflächen. Genau aus diesem Grund ist es nachvollziehbar, warum Kinder sich von bestimmten Märchen gefangen nehmen lassen und von anderen nicht. Sie spüren, dass genau das sie interessierende Märchen in Bildern Inhalte aus dem biographischen Erleben oder Familiengeschichtliches wiedergibt. Meist ist Letzteres der Fall. Die Bilder eines Märchens sind wie unsichtbare Keime eines Planes, der dem Menschen unbewusst ist und der sich dennoch im Laufe des Lebens auf oft problematische Weise verwirklicht. Im Kontakt mit den Märchen können sich diese Lebenspläne enthüllen und in Verbindung mit Familienaufstellungen Lösungen finden lassen.

Schließlich möchte ich noch darauf hinweisen, dass diese Veröffentlichung aus der therapeutischen Arbeit mit Menschen schöpft. Sie verdankt sehr viel der von Bert Hellinger entwickelten Methode der Familienaufstellungen, doch das hier Vertretene steht in meiner Verantwortung.

 

Damit sich Leser, die bislang noch keinen Kontakt zu den Familienaufstellungen hatten, ein Bild von dieser Methode machen können, folgt als Erstes eine kurze Einführung in diese Arbeit.

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Einführung in die Familienaufstellungen

Selten wurde eine psychotherapeutische Vorgehensweise in solch kurzer Zeit von einer so großen Zahl Therapeuten als Methode anerkannt und in die eigene Arbeit integriert wie die Familienaufstellungen nach Bert Hellinger. Zu vielen Feldern menschlichen Lebens macht diese Therapie hilfreiche Aussagen: Partnerschaft, Erziehungsfragen, sexueller Missbrauch, Adoption, körperliche und seelische Störungen, berufliche Fragen und viele andere mehr.

Wer sich jedoch unbedarft dieser neuen Form von Therapie annähert, stößt auf Begriffe, die dem zeitgenössischen Denken zu widersprechen scheinen: Demut, Schuld, Gewissen, Ordnung, Bindung und das Ehren der Eltern. Es erstaunt nicht, dass Kritiker Hellinger ein antiquiertes und rückschrittliches Weltbild vorwerfen. Doch dem hält er entgegen, dass alle seine Gedanken das Ergebnis der Familienaufstellungen sind und somit nicht theoretischer Überlegung entstammen. Bert Hellinger fühlt sich einem auf die Wirklichkeit bezogenen Vorgehen verpflichtet und weniger der Theoriebildung. Durch die von ihm entwickelte Form des Familien-Stellens hat er einige zentrale Zusammenhänge zwischen den Problemen eines Menschen und seiner Familie herausgefunden.

Bindung und Ordnung

Jeder Mensch ist in einer primären Form von Liebe auf tiefste Weise mit seinen Eltern und Geschwistern, aber auch mit allen anderen Mitgliedern seines Familiensystems verbunden: Durch unser Gewissen sind wir gebunden an die Gruppe von Menschen, in die wir hineingeboren wurden. Diese Aussage mag manchem befremdlich erscheinen. Doch wenn wir das Band, das uns mit den Familienmitgliedern verbindet, nicht oder nur selten spüren, bedeutet dies keinesfalls, dass es nicht existiert. Selbst zu Menschen, deren Existenz uns völlig unbekannt ist, kann eine tiefe Bindung bestehen. Ein Beispiel: In einer Aufstellung ging es um zwei Großonkel eines Mannes, von denen ihm erst kürzlich erzählt worden war. Der eine war »aus politischen Gründen« lebendigen Leibes verbrannt worden, und den anderen hatte man aus dem gleichen Grund in einen Brunnen geworfen, wo er verdurstete. Die intensive Bindung der Spätergeborenen an diese tabuisierten Familienmitglieder war unübersehbar. Alle schauten wie gebannt nur auf die Toten, alles andere war belanglos. Es ist also wichtig, sich klar darüber zu werden, dass die Bindung an Familienmitglieder nicht immer bewusst sein muss.

Durch eine unbewusste Loyalität mit der Herkunftsfamilie nehmen wir Schuld und Unschuld von Frühergeborenen auf uns. So entsteht stellvertretendes Leid, auch Krankheit dadurch, dass man den tiefen Wunsch in sich trägt, das Leid eines früheren Familienmitglieds nachzuahmen. Dieses Bedürfnis hängt damit zusammen, dass es ein unbewusstes Familiengewissen gibt. Die Lösung wird möglich durch die liebende Achtung jener Familienmitglieder, die ein schweres Los hatten.

Durch die Bindung an einen Partner entsteht dann später ein zweites Familiensystem: die gegenwärtige Familie mit Mann, Frau und Kindern. Sowohl hier als auch in der Herkunftsfamilie gibt es eine natürliche Ordnung, deren Kenntnis für alle Beteiligten segensreich ist.

Das Wort »Ordnung« mag bei vielen unangenehme Erinnerungen wecken. Bei den Familienaufstellungen handelt es sich bei diesem Begriff aber nicht um eine Überbetonung von zweifelhaften Tugenden, sondern »Ordnung« bezieht sich insbesondere auf die Rangfolge der Familienmitglieder. Unabhängig davon, ob wir die Ordnung kennen oder nicht, ist sie vorhanden und wirkt. In der Familie ist die Ordnung begründet durch die Zeit, dadurch, ob jemand früher oder später dazukam. Auf diese Weise haben Eltern Vorrang vor den Kindern, und ältere Geschwister haben mehr Rechte als jüngere. Zur Ordnung gehört auch, dass tatsächlich dazugehören darf, wem dies zukommt, zum Beispiel einem totgeschwiegenen unehelichen Geschwister.

Die richtige Ordnung ist nicht beliebig veränderbar, sondern sie ist als Tatsache vorhanden und kann im Familien-Stellen erfahren werden. Auch Stellvertreter, die zum ersten Mal an einer Familienkonstellation mitwirken, können diese Ordnung klar und deutlich abbilden. Wenn man sich in der eigenen Familie der Ordnung fügt, stellt sich ein Gefühl der Erleichterung ein.

Anders als Eltern und Kinder sind in der Paarbeziehung Mann und Frau gleichberechtigt. Zur Ordnung gehört hier, dass ein früherer Partner Vorrang vor einem späteren hat. Wenn der frühere Partner nicht gewürdigt wird, hat dies auf die spätere Partnerschaft und den daraus entstandenen Kindern Auswirkungen. Wie wir noch genauer sehen werden, ist dies das Thema von »Dornröschen«.

Die Familienaufstellungen

Bert Hellinger entwickelte seine eigene Form von Familienaufstellungen in Gruppen. Nachdem kurz das Problem geschildert worden ist, wählt man nacheinander sowohl für sich als auch für die Familienmitglieder Stellvertreter aus der Gruppe und stellt sie nach seinem inneren Bild im Raum auf. Danach setzt man sich wieder auf seinen Stuhl.

Anschließend lässt sich erleben, wie völlig fremde Menschen genau darstellen können, wie die Familienmitglieder sich fühlen. Was sich nun häufig offenbart, ist die bislang verborgene seelische Dynamik hinter dem benannten Problem, zum Beispiel einem psychosomatischen Leiden. Nachdem der Therapeut durch verschiedene Schritte eine Lösung gefunden hat, bei der sich alle Familienmitglieder gut fühlen, kann der Betreffende sich zumeist auch selbst an seine Position stellen. Oft ist es am Schluss notwendig, bestimmten Personen, zum Beispiel den Eltern oder einem Onkel, noch Wichtiges zu sagen.

Es ist erstaunlich, dass sich fremde Menschen so gut in eine Person einfühlen können, von der sie nichts wissen. Bei einem Seminar stellte eine Frau, Marina, ihren Mann und ihre drei Kinder auf. Das erstgeborene Kind, ein Junge, behandelte den Vater nicht wie einen Vater, sondern wie einen völlig Fremden. Auf meine Frage, ob denn ein anderer Mann als Vater infrage kommen könnte, sagte Marina: »Theoretisch könnte das der Fall sein, denn ich bin damals fremdgegangen. Praktisch ist das jedoch ganz unmöglich. Ich bin ganz sicher, dass mein Mann der Vater des Kindes ist.« Probeweise kam nun der Liebhaber in die Aufstellung herein. Sofort veränderte sich das Familienbild: Der Stellvertreter des Kindes erwachte nun aus seiner Lethargie und sagte: »Endlich! Wenn ich ihn anschaue, geht es mir gut.« Der Stellvertreter des Liebhabers meinte, er fühle eine Wärme zu dem Kind, und der Ehemann gab zu, dass der Liebhaber zu Recht einen Platz hier habe. Auch die Stellvertreterin Marinas war erleichtert, dass der Liebhaber in die Aufstellung gekommen war.

An dieser Stelle brach ich die Aufstellung ab und riet der Frau dringend, einen Vaterschaftstest durchführen zu lassen. Es wäre fatal, mit Spekulationen zu arbeiten. Man kann sich in einem solchen Fall nicht einfach auf die Rückmeldung der Stellvertreter verlassen. Zunächst muss der Frau Gelegenheit zur Klärung gegeben werden. Erst wenn alles auf dem Tisch liegt, kann man weiterarbeiten. Marina war sich ganz sicher, dass der medizinische Test dem Ergebnis der Aufstellung widersprechen würde. Nach einigen Wochen rief sie mich an: Der Liebhaber war tatsächlich der Vater des Kindes. Daran anschließend, konnte später ein gutes Lösungsbild für alle Beteiligten entwickelt werden.[2]

Nach einem drei viertel Jahr erhielt ich von der Frau das Feedback, dass in der Familie eine positive Veränderung aller festzustellen sei. Insbesondere die Ehe sei viel besser geworden als zuvor. Es bestätigt sich immer wieder, dass die Aufrechterhaltung von Familientabus eine schlimmere Wirkung hat, als wenn die Tatsachen allen bekannt sein dürfen.

Aus der Perspektive des betroffenen Kindes wäre hier ein typisches Märchen »Das hässliche junge Entlein« von Andersen gewesen, in dem es um ein »untergeschobenes« Kind geht. In Familien, deren Thematik ein solches Kind ist, findet man zuweilen dieses Märchen. Doch auch wenn es von Marina als Märchen des Kindes erwähnt worden wäre, hätte man die Aufstellung wie oben beschrieben an einem bestimmten Punkt abbrechen müssen. Man kann sich nie allein auf das Feedback der Stellvertreter verlassen, denn ein Fremdheitsgefühl eines Elternteils einem Kind gegenüber kann auch andere systemische Ursachen haben. Ebenso wenig kann man sich allein auf die Nennung eines Märchens verlassen: Diese müssen der Aufstellung dienen, nicht umgekehrt! Ein Festhalten am Märchen, wenn die Aufstellung in eine andere Richtung geht, kann nur Schaden anrichten.

Dynamiken, die krank machen

Es ist die tiefe Bindung unter den Familienmitgliedern, die bewirkt, dass Spätergeborene sich nicht trauen, im Angesicht des Leides Frühergeborener ihr Glück anzunehmen. So fühlen sich beispielsweise Kinder schuldig, wenn sie im Angesicht von behinderten oder schwer kranken Eltern glücklich sind. Kinder mischen sich aber auch in die Schuld ihrer Eltern ein.

Ein Beispiel: Jerome war Alkoholiker gewesen und hatte mehrere Selbstmordversuche hinter sich. Schon mit sechs Jahren stürzte er sich von einem Balkon, doch wie durch ein Wunder überlebte er. Als Erwachsener folgten weitere Suizidversuche. Sein Vater war Zuhälter gewesen. Er hatte Jeromes Mutter gezwungen, ihren Körper zu verkaufen. Als Jerome drei Jahre alt gewesen war, trennten sich die Eltern. Jerome wuchs einige Jahre bei der Mutter auf und lebte später dann wieder beim Vater. Vor der Verbindung mit Jeromes Mutter war der Vater mit einer Frau zusammen gewesen, die ein Kind von ihm hatte, Jeromes unbekannten Halbbruder. Was aus der Frau und dem Halbbruder geworden war, wusste Jerome nicht.

Die Aufstellung zeigte, dass der Vater die erste Frau und das erste Kind leichtfertig verlassen hatte. Sie war sehr wütend auf ihn, wie auch die zweite Frau, Jeromes Mutter, sehr wütend auf den Mann war. Den Vater konnte nichts berühren, er wollte nur weg. Er war so sehr in kriminellen Verwicklungen verstrickt, dass er für nichts anderes Interesse zeigen konnte. Er war es, der sich umbringen wollte! Doch Jerome war bereit, alle Schuld für seinen Vater auf sich zu nehmen. Er war willens, sich für den Vater umzubringen.

Im Lösungsbild standen die beiden vom Vater verlassenen Frauen mit ihren Kindern zusammen. Alle waren erleichtert, dass sich der Mann außer Sichtweite befand. Jerome war zu ihm hingegangen und hatte ihm gesagt: »Ich bin nur ein Kind. Für mich ist es zu schwer, ich lasse es in Liebe bei dir und gehe zu meiner Mutter und zu meinem Halbbruder.« Der Vater stimmte weder zu, noch widersprach er. Er war völlig von anderen Dingen in Anspruch genommen und konnte nicht reagieren. Die Mutter allerdings seufzte tief, als ihr Sohn diese Worte gesprochen hatte. Das Bewegendste allerdings war die Begegnung mit dem Halbbruder, den Jerome bislang völlig ausgeklammert hatte. Der Ältere schaute dem Jüngeren in die Augen und weinte. »Wir brauchen uns!«, sagte er. Beide waren in tiefer Liebe verbunden. Jerome muss sich nun aufmachen, den Aufenthaltsort seines Halbbruders ausfindig zu machen. Mit ihm zusammen kann das Wort »Familie« für Jerome eine neue Bedeutung erlangen.

Bert Hellinger nennt die hier geschilderte Dynamik »Lieber ich als du«. Meist stimmt in der Aufstellung der Elternteil erleichtert zu, wenn ein Kind das »Lieber ich als du« verwandelt in »Ich lasse es in Achtung und Liebe bei dir«. Neben dem »Lieber ich als du« gibt es noch andere Dynamiken, die krank machen können. Wenn zum Beispiel ein Elternteil im Sterben liegt und das noch junge Kind den Vater oder die Mutter nicht gehen lassen will und schwer erkrankt, lautet die Dynamik »Ich komme mit«.

Eine weitere Dynamik, »Ich folge dir nach«, findet man beispielsweise, wenn jemand sich angesichts des frühen Todes eines Geschwisters nicht traut, das eigene Leben zu »nehmen«.

Eigene Sühne für persönliche Schuld ist im Spiel, wenn jemand schuldhaft bei einem Autounfall den Tod eines Menschen verursacht hat. In den Familien von Kriegsverbrechern findet man dagegen oft die Sühne für die fremde Schuld eines vorgeordneten Familienmitglieds: Der Kriegsverbrecher steht nicht zu seiner Schuld, stattdessen trägt sie eines seiner Kinder.

Schließlich sei noch das stellvertretende Leiden in Paarbeziehungen erwähnt, bei dem sich im äußersten Fall ein Partner für den anderen umbringt, und als weitere Dynamik »Unglück als Preis für Errettung aus der Gefahr«.

Zunächst ein Beispiel für die Paardynamik: Ein Mann, Victor, litt, seit er verheiratet war, an schwerem Rheuma. Da sein Schwiegervater mit im Haus lebte und offensichtlich sehr bedeutsam für ihn war, wurde er bald in die Aufstellung hineingenommen. Auch eine Stellvertreterin für das Rheuma wurde aufgestellt, die Victor direkt neben sich platzierte. Schon nach kurzer Zeit sagte der Stellvertreter des Schwiegervaters energisch: »Die da [das Rheuma] gehört zu mir!« – »Das Rheuma« wechselte von Victor zur Frau, dann zum Schwiegervater und stimmte zu: »Hier ist mein Platz, mit dem Mann [Victor] habe ich gar nichts zu tun!«

Auf nähere Fragen erzählte Victor nun, dass die Mutter seiner Frau früh an einer Lungenentzündung gestorben war, als seine Frau zwei Jahre alt war. Der Witwer, Victors Schwiegervater, war nicht über den Verlust seiner Frau hinweggekommen. Er klammerte sich an das vermeintlich Einzige, was ihm geblieben war – seine Tochter. Eifersüchtig auf den Schwiegersohn, bestand er darauf, mit in das Haus des Paares zu ziehen.

Bei den nun folgenden Lösungsschritten wurde die Trauer des Schwiegervaters um seine Frau und auch die Trauer von Victors Frau um ihre früh verstorbene Mutter nachgeholt. Als die Eltern der Frau bewegt Abschied voneinander nahmen, sagte der Stellvertreter des Rheumas: »Jetzt bin ich überflüssig!«

Bei dieser Dynamik ist es häufig wichtig, dass der Partner, der die Last für den anderen trägt, ihm in die Augen schaut und sagt: »Ich achte dein Schweres, und ich lasse es bei dir«, statt es für den anderen zu tragen, indem er beispielsweise krank wird.

Wer dies nicht vollzieht, braucht sich nicht zu wundern, wenn der Partner sogar wütend wird. Einem anderen das Schwere abnehmen zu wollen ist letztlich eine Anmaßung, auch wenn es aus Liebe geschieht. In der hier geschilderten Aufstellung antwortete die Frau auf das »Ich lass es jetzt bei dir«: »Es wird endlich Zeit! Es geht dich nichts an. Es ist mein Schmerz, meine Mutter, nicht deine!« Dann strahlten sie sich an.

Die Dynamik »Unglück als Preis für Errettung aus der Gefahr« kann beispielsweise bei einem Bergwerksunglück eintreten, bei dem nur einer überlebt, während alle anderen umgekommen sind. Ein solcher Mann wird sich quälen mit der Frage: »Warum habe ausgerechnet ich überlebt und keiner der anderen?« In der Regel fällt es den Betreffenden schwer, angesichts des Todes ihrer Kollegen ihr neues Leben als Geschenk zu nehmen.

Die Bedeutung des Sippengewissens

Die Gruppe von Menschen, aus der wir hervorgegangen sind, ist unausweichlich und schicksalhaft mit uns verbunden. Was andere in der Gruppe erlitten oder verschuldet haben, wird durch ein besonderes Gewissen, das Sippen- oder Gruppengewissen, für uns als Anspruch oder Verpflichtung spürbar, wenn auch meist unbewusst. Es gilt, das, was wir gewöhnlicherweise mit (persönlichem) »Gewissen« beschreiben, zu unterscheiden vom meist unbewusst wirkenden Gruppengewissen. Das persönliche Gewissen wird uns direkt als Last und Unbehagen spürbar, Letzteres zum Beispiel, wenn man jemanden anlügt. Das Sippengewissen dagegen wird in der Regel nicht gefühlt.

Das individuelle oder persönliche Gewissen könnte man auch als vordergründiges Gewissen bezeichnen; es bezieht sich auf die direkt mit uns verbundenen Personen: Partner, Kinder, Eltern, Geschwister, Freunde. Dieses persönliche Gewissen fühlen wir zwar unmittelbar, aber dennoch ist es dem Gruppengewissen nachgeordnet, und oft verstoßen wir sogar gegen das Gruppengewissen, indem wir dem persönlichen Gewissen folgen.

Das Gruppengewissen ist ein verborgenes, ein hintergründiges Gewissen. Es ist ein Ordnungs- und Gleichgewichtssinn für alle Mitglieder einer Sippe, der jedes Unrecht an Früheren später an den Nachgeordneten ahndet und ausgleicht, auch dann, wenn diese von den Früheren nichts wissen und unschuldig sind. Dieses Gewissen nimmt sich der Ausgeschlossenen an, bis auch sie in unserem Herzen einen Platz finden. Doch auch wenn die Früheren selber ein Unrecht getan haben, wollen Spätere die Folgen auf sich nehmen und anstelle der Früheren ausgleichen. Somit werden sie durch das Gruppengewissen in fremde Schuld und Unschuld und auch in fremdes Denken und Fühlen verstrickt. Alle Ausgestoßenen, Verkannten, Vergessenen und unter schlimmen Umständen Verstorbenen sind auf diese Weise mit uns verbunden.

Die Freude am Leiden

Mancher tut sich schwer, in einer Familienaufstellung die lösenden Worte zu sagen, denn es ist wesentlich leichter, zu leiden, als das Lösende zu tun. Wenn man dann den Betreffenden »in die Augen des Toten« blicken und ihn statt des Lösenden sagen lässt: »Aus Liebe zu dir folge ich dir nach«, oder: »Ich tue es für dich!«, kann etwas in Bewegung kommen, denn solche Sätze spiegeln die Wirklichkeit wider. Durch das Aussprechen dessen, was ist, was mancher Zuschauer als Provokation empfindet, wird dem Kranken im Angesicht des Toten möglicherweise etwas klar: Sein Opfer bringt weder dem Toten noch ihm selbst Nutzen.

Ich mache des Öfteren die Erfahrung, dass manch einer, der im Seminar das Lösende noch nicht tun konnte, es später vollzieht: »Erst in den Wochen und Monaten danach verstand ich langsam …« Man darf hier nicht übersehen, dass Familienaufstellungen tiefe Erfahrungen sind, für die die Seele Zeit braucht. Es kann eine Weile dauern, bis es dem Menschen gelingt, den Familienmitgliedern aus dem Lösungsbild heraus zu begegnen. Das Heilende kann sich aber auch zügig vollziehen.

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Der methodische Umgang mit Märchen

Was spricht dafür, Märchen des Rat Suchenden in Familienaufstellungen mit einzubeziehen? Sowohl in Familienaufstellungen mit Papierscheiben[3] als auch in Gruppenaufstellungen gibt es manchmal einen »toten Punkt«. Der Hinweis auf das Märchen kann möglicherweise ein Tor öffnen, das bislang übersehen wurde. Ein gutes Beispiel dafür ist die Geschichte von Manuela (siehe das Kapitel »Dornröschen«), die unter starken Allergien litt. Die als Person aufgestellte Allergie wollte der Mutter Manuela wegnehmen. Die Rivalität unter den Frauen wurde im wahrsten Sinne des Wortes handgreiflich ausgetragen. Auf die jetzt gestellte Frage nach dem Märchen gab Manuela »Dornröschen« an, in dem es fast immer um eine nicht gewürdigte frühere Frau des Vaters geht. Anschließend konnte dann schnell eine Lösung gefunden werden, indem die frühere Frau geachtet wurde.

Wie schon gesagt, sollen die Einsichten in die Skriptzusammenhänge eines Märchens dem Rat Suchenden und seiner Familienaufstellung dienen und nicht umgekehrt. Ein Beispiel dafür ist die Aufstellung von Fritz (Kapitel »Hans im Glück«). Obwohl hier der typische Skripthintergrund des männlichen Verwandten, der sein Vermögen verloren hatte, gegeben war, so wurde diese Person dennoch nicht aufgestellt. Es war deutlich wahrzunehmen, dass Fritz schon alles für seine Lösung hatte: die wieder gefundene Liebe zu seinem verstorbenen Vater. Eine zusätzliche Arbeit im Sinne von »Vollständigkeit« hätte nur Kraft genommen statt Nutzen gebracht.