Wenn der Körper Signale gibt - Thomas Schäfer - E-Book

Wenn der Körper Signale gibt E-Book

Thomas Schäfer

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Beschreibung

Wer krank wird, fragt sich: »Warum? Warum gerade jetzt? Warum habe ausgerechnet ich Herzrhythmusstörungen?« Durch Systemische Aufstellungen nach Bert Hellinger kann der tiefere persönliche oder familiäre Hintergrund eines Leidens aufgezeigt werden, denn Symptome und Krankheiten sind oft ein Hilferuf der Seele. Mit vielen Beispielen und Aufstellungsbeschreibungen.

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Thomas Schäfer

Wenn der Körper Signale gibt

Wege zur Gesundheit durch Familienaufstellungen

Knaur e-books

Inhaltsübersicht

DankVorwortÜber Aufstellungen und KrankheitClaus | Das GiftSignale des Körpers1. RückenschmerzenHerbert | Dem Vater den Tod gewünschtRüdiger | Der Telefonanruf der TanteEdwin | Die Verbeugung seines ZwillingsbrudersLiselotte | Die Verbeugung vor dem SchicksalEleonore | »Ihre Schmerzen werden niemals besser werden …«Thorsten | »Ich will meine Seele nicht«2. Kopfschmerzen und MigräneOlga | Seit 46 Jahren MigräneKarsten | Die nicht betrauerte SchwesterTraudl | Die HypnoseübungMelanie | Migräne als Tradition3. HautkrankheitenSieglinde (Neurodermitis) | Der Ehering von Vaters erster FrauJochen (Unterhautentzündung) | Unerlöste Wut der MutterGerhard | Die Warze am Fuß4. TinnitusCorinna | Drei abgetriebene KinderWolfram | Die Schuld gegenüber der FreundinCharlotte | Die verachteten MännerMarika | Die Kriegsverbrechen5. Asthma bronchiale und AllergienWieland | Der fehlende VaterCamilla | Das Verbot, zum Vater zu gehenMagda | Als Kind für ein Jahr weggegebenElena | Die Erlaubnis der SchwesternManuela | Der Weg zur Mutter6. HerzbeschwerdenMarion | Das abgetriebene KindRosi | Die Furcht vor der SchuldHelene | Sohn und Vater durch Krebs verloren7. Chronische MüdigkeitSibylle | Der tote BruderGünter | Die im Krieg vergewaltigte Tante8. SchlafproblemeVolker | Die verstorbene TanteLuis | Der Selbstmord des VatersDoris | Alpträume durch eine KindstötungRobert | Die UnfalltoteMargitta | Das morphogenetische Feld9. Sucht: Alkoholismus und DrogenDietrich | Ernte einer reifen FruchtRalf | Endlich an Vaters SeiteStefanie | Die Seele will keine Aufstellung10. DepressionenMartina | Den Eltern den Tod gewünschtMonika | Die Verlobte des VatersBernd | Der Unfall des VatersIrene | Der NameSiegfried | Trennung von der Ehefrau und ein abgetriebenes KindClaudio | Das Geheimnis der Eltern11. KrebsNathalie (Brustkrebs) | Die Mutter starb bei der eigenen GeburtBurkhardt (Nierenkrebs) | Das FamiliengeheimnisRegina (Darmkrebs) | Schlimmes FamilienschicksalGundula (Brustkrebs und Depressionen) | Hass auf die MutterVeronika (Brustkrebs) | »Ich nehme das Leben, solange ich darf!«Drei Schwestern | Heilender Abschied von der krebskranken Mutter12. Ängste, Panik und PhobienStefan | Angst und ständig wechselnde LeidenHelga | Angst vor SchwangerschaftRebekka | Furcht, jemanden im Straßenverkehr zu tötenAlbrecht | Angst vor der Öffentlichkeit und WortfindungsstörungenIris | Seit Jahren aus Angst nicht mehr auf der Autobahn gefahrenMustafa (Phobie) | Von den Dorfgrenzen gefangenCarola | Bus- und StraßenbahnphobieJean (Höhenangst und Panik) | Euthanasie im Dritten Reich13. Zwänge und ZwangsbilderJuliane | Der kleine Sohn und das MesserAnke | Kontrollzwänge und Bilder von Konzentrationslagern14. PsychosenBjörn | Leben im Angesicht der SelbstmörderRaffaela | Die manisch-depressive TantePaul | Die jüdische Halbschwester des Vaters15. Stellvertretendes Leiden in PaarbeziehungenAlexandra (Panik) | Drei Frauen aus der Familie des MannesVictor (Rheuma) | Der Schmerz des Schwiegervaters und der EhefrauAlbert (Rheuma) | Die Spenderniere der EhefrauRamona (Schlafprobleme und Depression) | Die Liebe des MannesVerena (Trennungsschmerz und Schwindel) | »Mein Schwesterherz«Valerie (Sprechangst und Depression) | Selbstmord der Schwiegermutter16. Unerfüllter KinderwunschLisa | Schwangerschaft ausgeschlossenShirley | »Kein zweites Enkelkind, bitte!«17. VerschiedenesWolfgang | Ohnmachtsähnliche AnfälleJohannes | Schwere Unfälle in immer kürzeren AbständenWilfried | Extreme Aggression gegen NeonazismusWerner | Das kranke Bein und die AhnenAngelika | Das kranke Bein und der »Schatten«Andrea | Nicht enden wollende Trauer um einen geliebten HundAnhangLiteratur
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Dank

Meinen Dank spreche ich allen Menschen gegenüber aus, die mit ihren Symptomen und Krankheiten zu mir gekommen sind. Sie haben es mir ermöglicht, mich tiefer mit den seelischen Hintergründen von Leiden auseinanderzusetzen.

Zum Schutz all dieser Menschen wurden Namen, Orte und unwesentliche Details im Text verändert.

Meiner verstorbenen Frau Elisabeth und Wolfgang Kasper danke ich für die kritische Durchsicht des Erstmanuskripts und die vielen fachlichen Hinweise. Die hier vorliegende Neuausgabe wurde sowohl vom Umfang als auch inhaltlich stark erweitert und verändert. Auch ein neues Kapitel kam hinzu.

Wie immer danke ich Norbert Linz für seine Hilfe bei der Gliederung und der Titelfindung.

Professor Helm Stierlin (Universität Heidelberg) verdanke ich das Interesse an familiensystemischen Fragen. Unvergessen ist mir der tiefe Eindruck, den sowohl sein Scharfsinn als auch sein achtsamer, einfühlsamer Umgang mit Patienten auf mich als jungen Studenten ausgeübt haben. In seiner Haltung als Therapeut ist er mir bis heute stets Vorbild geblieben.

Anfang der neunziger Jahre dann hat Gunthard Weber in Heidelberg für den damals nur in Insiderkreisen bekannten Bert Hellinger ein großes Seminar organisiert. Auch Helm Stierlin hat an diesem Seminar teilgenommen und damals Neugier an dieser Form der familiensystemischen Arbeit bekundet. Diese ganz neue und andere Art, auf Familiensysteme zu schauen, hat mich sogleich fasziniert und mich als Lernenden lange begleitet. Bei Angelika Glöckler schließlich habe ich Mitte der neunziger Jahre eine mehrjährige Ausbildung im Familien-Stellen beendet.

Dr. Peter Levine, Dr. Laurence Heller, Jeff Zeig, Dan van Kampenhout und viele andere haben später dann dazu beigetragen, mein eigenes Verständnis von Psychotherapie und auch vom Familien-Stellen zu entwickeln.

Stockach-Wahlwies, im April 2012

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Vorwort

Wer krank wird, fragt sich nicht selten, warum es ausgerechnet ihn trifft oder weshalb gerade er zu diesem bestimmten Zeitpunkt betroffen ist. Der Kranke möchte die Ursachen für seine Beschwerden erfahren und geeignete Therapiemöglichkeiten finden, um sich möglichst bald wieder wohl zu fühlen und ohne gesundheitliche Beschwerden leben zu können.

Dieses Buch will Gedanken zu der Entstehung von bestimmten Krankheiten vermitteln und berichtet von Therapieerfahrungen, die mögliche Heilungswege aufzeigen. Dabei geht es darum, sich für die Kräfte des Zusammenspiels von Körper und Seele zu öffnen und ein übergeordnetes Verständnis davon zu entwickeln, wie Heilung geschieht.

Ein wichtiges Zeichen dafür, dass wir hier auf einen geeigneten Pfad gestoßen sind, gibt uns die Resonanz des Lesers, dass seine Seele beim Lesen berührt wird. Da, wo eine solche Regung ausgelöst wird, öffnet sich das Herz, und es kommen Lösungsmöglichkeiten in den Blick. Das können sicher keine rezeptbuchartigen Hinweise und Schubladendeutungen sein. Vielmehr will das Buch dazu beitragen, ein ganzheitliches Denken zu fördern, so dass der Leser selbständig wahrnimmt, was für seine Gesundheit auf allen Ebenen seines Seins von Bedeutung ist.

In den zurückliegenden knapp zwei Jahrzehnten suchten mich viele Menschen auf, weil ihnen die ausschließlich medizinische Behandlung einer Krankheit nicht helfen konnte. Oft kam es auch vor, dass ihr behandelnder Arzt eine Psychotherapie angeraten oder direkt eine Familienaufstellung empfohlen hatte. Und viele Patienten mit körperlichen Leiden suchten mich erst dann auf, »wenn nichts anderes mehr half«.

Die Psychotherapie wie auch das Familien-Stellen sind aber kein bloßer Notnagel, und sie lassen sich auch nicht auf die Funktion reduzieren, Heilung allein auf der körperlichen Ebene zu finden. Da Heilung immer ein ganzheitlicher Prozess ist, der Körper und Psyche gleichermaßen betrifft, hat es oft auch positive Auswirkungen auf unseren Organismus, wenn wir in der Seele berührt werden. Eine Gewähr dafür gibt es freilich nicht!

Keine schriftliche Darstellung von »typischen Hintergründen« einer Krankheit kann und darf den unverbauten und vorurteilslosen Blick auf die individuelle Geschichte eines Ratsuchenden verstellen. Es ist wichtig, dass jeder, der mit dem Familien-Stellen Menschen hilft, seine eigenen Entdeckungen macht. Nur so kann Neues überhaupt entstehen! Dennoch benötigen die Therapeuten den Mut mitzuteilen, was sie bei dieser Arbeit herausgefunden haben, damit es von anderen geprüft werden kann. Denn das Familien-Stellen ist immer noch eine vergleichsweise junge Vorgehensweise.

 

Was die Methodik anbelangt, wird auf den kommenden Seiten nicht ausschließlich vom Familien-Stellen die Rede sein, sondern in einigen Zusammenhängen auch von der modernen Hypnotherapie, die Milton Erickson entwickelt hat. Bei bestimmten Leiden empfiehlt sich diese Heilmethode als ausgesprochen chancenreich, beispielsweise bei der Warzen-, Migräne- oder Schmerzbehandlung. Besonders gute Erfahrungen habe ich mit der Raucherentwöhnung durch die Hypnotherapie gemacht.

Wenn hier in der Betrachtung von Krankheiten und Symptomen in der Hauptsache systemische Zusammenhänge aufgezeigt werden, heißt das keineswegs, dass andere Blickwinkel und Methoden nicht ebenfalls zu einem tieferen Verständnis führen können! Die in meiner Arbeit bislang wirkungsvollste Methode, um Menschen nachhaltig Hilfe anbieten zu können, ist jedoch das Familien-Stellen. Durch eine Aufstellung kann oft in kürzester Zeit der tiefere persönliche oder familiäre Hintergrund eines Leidens aufgezeigt werden, der sich mit Hilfe anderer Verfahren oft wesentlich später oder umständlicher erschließt.

Die Symptome und Krankheiten sind ja fast immer als ein Hilferuf zu verstehen, der aus dem tiefsten Inneren kommt: Sie sind Signale, die sich auf der körperlichen Ebene bemerkbar machen und uns die Chance eröffnen, ein verdrängtes Geschehen aus der Vergangenheit mit Liebe in das eigene Leben hineinzunehmen. Dabei kann es darum gehen, dass man ein Kind verloren und den seelischen Schmerz noch nicht verarbeitet hat; es mag der Verlust eines Geschwisters sein, das früh verstarb; es kann sein, dass der Großvater ermordet wurde; oder man hat einem früheren Verlobten großes Unrecht getan – um nur einige Beispiele zu nennen.

Über unseren Körper stehen wir in Resonanz mit der eigenen Seele wie auch der Familienseele. Und man spürt es in Familienaufstellungen oft recht schnell, wenn in diesem Bereich etwas nach Heilung ruft.

 

In den letzten Jahren ist immer mehr die Seele in den Blickpunkt meiner Arbeit getreten. Wenn man den Standpunkt der Seele zu wichtigen Fragen erfahren möchte, kommt man oft nicht darum herum, sie direkt als Person aufzustellen, auch wenn sie keine Person ist.

Zuweilen stelle ich die Seele mit einem Stellvertreter zum erarbeiteten Aufstellungsbild dazu, denn die innere Haltung eines Menschen ist an seiner Einstellung zur Seele ablesbar. Mit »Seele« meine ich keinesfalls die Psyche oder das Unbewusste des Menschen, sondern sein »höheres Selbst«. Dieses höhere Selbst ist aus meiner Sichtweise und Erfahrung mit der spirituellen Ebene verbunden. Das, was wir oft mit »Ich« bezeichnen, ist jedoch nur unser »Ego«, das mit unseren egoistischen Antrieben verknüpft ist.

Oft konnte bei einer stockenden Aufstellung, auch bei Krankheitsaufstellungen, noch etwas zur Lösungsfindung bewirkt werden, wenn man eine Person als Seele dazustellte. Um keinen Vorurteilen Vorschub zu leisten, stelle ich die Seele fast immer anonym dazu: Ich erkläre weder dem Ratsuchenden noch der Gruppe, wofür die Person tatsächlich steht. Der Person selbst sage ich: »Du stehst für etwas Bestimmtes. Verhalte dich ganz nach deinen inneren Impulsen.«

Pro Seminar kommt es im Schnitt nur ein- oder zweimal vor, dass die Seele aufgestellt wird. Noch öfter stelle ich anonym andere Dinge auf, so dass niemand ahnen kann, für wen die neue Person aufgestellt wird: Gesundheit, Krankheit, der Tod, Schuld, persönliche Charakterzüge wie Geiz, Neid, Rachsucht und so weiter werden ebenfalls häufig aufgestellt. Die Aufstellung »Thorsten« im Kapitel über die Rückenschmerzen und jene von »Stefanie« im Kapitel über Sucht machen anschaulich, was passieren kann, wenn die Seele aufgestellt wird.

Neu aufgenommen wurden in dieser stark überarbeiteten Neuausgabe nicht nur zahlreiche Aufstellungen, sondern auch ein eigenes Kapitel über unerfüllten Kinderwunsch.

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Über Aufstellungen und Krankheit

Vor etwas über zwanzig Jahren hat Bert Hellinger den Impuls zur Verbreitung des Familien-Stellens als Methode gegeben. Mittlerweile haben viele Therapeuten Familienaufstellungen als Methode aufgegriffen. Sowohl Hellinger selbst als auch zahlreiche Therapeuten der ersten Stunde sind jedoch methodisch nicht stehengeblieben. Die unterschiedlichsten Konzepte von Aufstellungen haben sich entwickelt. Es gibt mittlerweile sogar Aufstellungen, die der Klient selbst »leitet« (»Aufstellungen ohne Therapeut«) … Was man also unter dem Wort »Aufstellung« zu verstehen hat, ist heute mehr denn je abhängig vom Einzelnen, der es anbietet.

Auch ich habe so wie viele andere Kollegen die Aufstellungsarbeit selbstverantwortlich in meinen eigenen therapeutischen Hintergrund integriert (Hypnotherapie nach Erickson, Traumatherapie, NLP und andere). Naturgemäß stelle ich in diesem Buch die von mir selbst angewandte Form von Aufstellungen vor, die sich heute sehr stark von jener Form aus der Anfangszeit unterscheidet.

Da das Familien-Stellen mittlerweile sehr bekannt geworden ist, braucht man nicht mehr jeder Veröffentlichung zu diesem Thema eine lange Einführung der Methode vorauszuschicken.[1] Und dennoch wäre mancher Leser, der noch nie zuvor etwas über Aufstellungen gehört hat, mit diesem Buch überfordert. Damit dies nicht passiert, soll nun eine kurze Einführung ins Familien-Stellen folgen. An dieser Stelle sollen jedoch nur die wesentlichen Dinge zur Vorgangsweise aufgezeigt werden.

 

Aufstellungen kann man mit Hilfe von Papierscheiben oder Figuren in der Einzeltherapie durchführen. Doch die wesentlich kraftvollere Möglichkeit ist das Familien-Stellen in der Gruppe. Nachdem der Ratsuchende vor dem therapeutischen Begleiter und der Gruppe kurz sein Anliegen geschildert hat, entscheidet der Seminarleiter, auf welche Weise die Aufstellung durchgeführt werden kann. Nicht immer wird die ganze Familie aufgestellt. Wenn jemand beispielsweise vor der Frage steht, wie es angesichts einer lebensbedrohlichen Nierenerkrankung für ihn weitergehen soll, wird aus der Gruppe möglicherweise nur jemand ausgewählt, der für die Niere steht, und ein anderer Teilnehmer für den Betreffenden selbst. Falls die Familie zur Aufstellung kommt, wählt der Ratsuchende sowohl für die einzelnen Familienmitglieder als auch für sich Stellvertreter aus der Gruppe aus und stellt sie nach seinem inneren Bild auf.

Anschließend setzt er sich. Immer wieder zeigt sich dann, dass völlig Fremde genau darstellen können, wie sich das jeweilige Familienmitglied tief in seinem Inneren fühlt. Was nun häufig sichtbar wird, ist die bislang verborgene seelische Dynamik hinter einer Krankheit oder einem psychischen Problem.

Nachdem der Seminarleiter durch verschiedene Schritte eine Lösung gefunden hat, kann der Ratsuchende sich oft auch selbst auf die Position seines Stellvertreters begeben. Am Schluss ist es für ihn zuweilen notwendig, bestimmten Personen noch etwas Wichtiges mitzuteilen.

Sofern es nicht ausdrücklich anders gesagt wird, ist mit Bezeichnungen wie »Vater«, »Mutter«, »Bruder« oder dem Namen des Aufstellenden immer der betreffende Stellvertreter gemeint. Wenn ein Ratsuchender selbst in die Aufstellung tritt und damit seinen eigenen Platz im Familiensystem einnimmt, wird besonders darauf hingewiesen.

 

Das Familien-Stellen hat sich später weiterentwickelt zu den »Bewegungen der Seele«. Wer innerlich gesammelt in Kontakt mit der Person geht, die er darstellt, kommt in eine sehr langsame, aber dennoch intensive Bewegung. Wenn der Gruppenleiter diesen Bewegungen der Stellvertreter Raum gibt, kann er zeitweise auf Anweisungen verzichten, auch auf sprachliche. Dennoch muss auch der Seminarleiter gesammelt bleiben, um an kritischen Punkten der Aufstellung eingreifen zu können.

Aus den Bewegungen der Stellvertreter ergeben sich Lösungen, die oft überraschend und für niemanden vorhersehbar sind. Auch in vielen Aufstellungen, die in diesem Buch dargestellt sind, überließen sich die Stellvertreter stumm ihren von innen kommenden Bewegungen. Beispiele für die »Bewegungen der Seele« finden sich im Text an verschiedenen Stellen: im Kapitel »Verschiedenes« die Fallgeschichten von Wilfried und Johannes, im Kapitel »Ängste, Panik und Phobien« die Aufstellung von Jean, im Kapitel »Depressionen« die Geschichte von Claudio und beispielsweise im Kapitel »Tinnitus« jene von Wolfram.

In jüngster Zeit wurden die »Bewegungen der Seele« von Bert Hellinger weiterentwickelt zu den »Bewegungen des Geistes«. Diese finden jedoch in meiner Arbeit keinerlei Anwendung und werden deswegen hier auch nicht dargestellt.

Trotz all dieser neuen methodischen Formen besitzen die »klassischen Familienaufstellungen« nach wie vor ihre Berechtigung. Denn wenn man beispielsweise eine sogenannte Patchworkfamilie mit Halbgeschwistern, Stiefeltern und weiteren Personen aufstellt, entsteht oft so viel Verwirrung, dass zur Strukturierung bestimmte Dinge ausgesprochen werden müssen. Hierin liegt der Vorteil der Familienaufstellungen. Doch insbesondere, wenn es um Täter und Opfer in einer Familie geht, sind die »Bewegungen der Seele« sehr wirksam, weil sie oft tiefer in verborgene Hintergründe vordringen können. Dies kann auch Bereiche jenseits von Familiensystemen betreffen, zum Beispiel Fragen des größeren Kollektivs oder der einzelnen Seele.

 

Wie schon erwähnt wurde, arbeite ich in der Einzeltherapie mit Papierscheiben und Holzfiguren. Diese Figuren (»Strukties«) wurden von Frau Helga Mack-Hamprecht für therapeutische Zwecke entworfen. Sie sind für die Geschlechter unterschiedlich geschnitzt und mit Auskerbungen für die Blickrichtung versehen. Sowohl der Ratsuchende als auch der therapeutische Begleiter stellen sich nacheinander über jene Figuren. Auf diese Weise lässt sich körperlich wahrnehmen, wie sich das Familienmitglied in der Seele fühlt. Wie gesagt hat diese Form des Familien-Stellens nicht dieselbe Intensität wie die in einer Gruppe, doch lässt sich auch auf solche Weise Heilsames erfahren. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass man sämtliche Vorannahmen aufgibt und sich innerlich sammelt. Mit einer inneren Aufmerksamkeit kann man dann sehr schnell eine körperliche Wahrnehmung erleben, die wichtige Hinweise für den weiteren therapeutischen Weg geben kann.

Auch wenn fast alle Aufstellungen dieses Buches in der Gruppe stattfanden, so möchte ich hier doch schon mal ein Beispiel für eine solche »Platzhalteraufstellung« geben, weil gerade in dieser Geschichte auch noch ein weiterer wichtiger Aspekt zutage tritt, der bei der psychotherapeutischen Arbeit beachtet werden muss: Nicht alle Symptome haben systemische oder psychische Ursachen!

Claus | Das Gift

Claus arbeitet in einem chemischen Betrieb. Er sagt, er sei glücklich verheiratet, und macht einen sehr bodenständigen Eindruck. Doch erzählt er auch von unerklärlichen extremen Blutdruckschwankungen, von nervlicher Schwäche, kleinen Zitteranfällen, häufig auftretender Bronchitis und zunehmenden Atembeschwerden.

Meine erste Frage gilt der schulmedizinischen Abklärung. Claus berichtet, sein Hausarzt habe Routineuntersuchungen mit ihm durchgeführt, die jedoch alle ergaben, dass er völlig gesund sei. Sind also die Beschwerden mehr im psychischen Bereich zu suchen? Dies jedenfalls ist die Vermutung des Arztes.

In einer Aufstellung sucht Claus Papierscheiben für sich, für das Familiensystem und eines für ein Fragezeichen. Letzteres stellt in meiner Arbeit etwas dar, was möglicherweise eine Bedeutung hat, dem Betreffenden und auch dem therapeutischen Begleiter aber bislang noch nicht bewusst ist. Sowohl Claus als auch mir wird es schwindlig, wenn wir auf das Fragezeichen gehen oder wenn wir von Claus’ Platzhalter aus zu dem Zeichen hinüberschauen.

Spätestens an dieser Stelle ist es angezeigt, über Claus’ berufliche Situation zu sprechen. Erst jetzt berichtet er davon, dass die Symptome immer im Urlaub verschwänden. Sobald er jedoch in die Firma zurückgehe, träten sie wieder auf. Nun sei er seit sechs Jahren bei dem Unternehmen, und wenn er es recht überdenke, begannen die Probleme erst seit dieser Zeit. Außerdem erzählt er noch von einer weiteren Besonderheit, die ihm erst kürzlich bewusst geworden war: Je näher er in der Firma an der Produktionsstätte jener chemischen Substanz eingesetzt war, die dort vornehmlich hergestellt wird, desto schlechter ging es ihm hinterher, wenn er nach Hause kam! Außerdem sei er nicht der einzige Mitarbeiter dort, der solche Symptome entwickle. Viele seiner Kollegen seien ähnlich gesundheitlich belastet wie er selbst.

In einem weiteren Schritt stellen wir nun die Firma auf und auch eine berufliche Alternative, bei der die Herstellung dieses chemischen Produkts ausgeschlossen wird. Das Ergebnis ist für Claus verblüffend: Er fühlt ganz deutlich eine ungeheure Erleichterung, als er sich auf die Papierscheibe eines möglichen neuen Arbeitgebers stellt.

Einige Wochen vor dem Gespräch mit Claus hatte ich einen Arzt kennengelernt, der auf Umweltmedizin spezialisiert ist. Der Arzt machte einen sehr kompetenten Eindruck auf mich. Somit gab ich Claus seine Adresse und bat ihn, sich dort einmal gründlich untersuchen zu lassen. Die Befunde waren so, wie Claus und ich es jetzt erwartet hatten: Im Blut konnten mehrere Gifte isoliert werden, die auf Haut, Bronchien und auch auf den Kreislauf wirken, insbesondere ein spezieller gefährlicher Stoff. Diese toxische Substanz ist seit vielen Jahren in der Umwelt- und Arbeitsmedizin bekannt und war für die gesundheitlichen Probleme verantwortlich. Natürlich empfahl der Arzt Claus, sich umgehend einen neuen Arbeitsplatz zu suchen!

Interessanterweise war Claus noch vor dem Besuch meiner Praxis von seinem Schwager eine Stelle in einem gesundheitlich unbedenklichen Umfeld angeboten worden. Er selbst hatte zu dieser Zeit jedoch noch nicht daran gedacht, dass seine Symptome beruflich bedingt sein könnten. Für Claus ist nun klar, dass er auf alle Fälle die Firma verlassen muss.

 

Der Schwerpunkt dieses Buches liegt ganz klar auf dem Entdecken der verborgenen familiensystemischen Hintergründe von Krankheiten und Beschwerden. Dennoch soll hier nicht vermittelt werden, dass die Symptome stets und ausschließlich psychisch oder systemisch bedingt sind. In Zeiten steigender Umweltbelastung ist vielmehr auch die Gefahr gegeben, dass man sein Problem in einem bestimmten psychosomatischen Zusammenhang sieht, obwohl des Rätsels Lösung, so wie im Fall von Claus, eigentlich viel näher liegt!

***

Neben schädlichen Umwelteinflüssen müssen bei der Ursachenforschung noch weitere Faktoren berücksichtigt werden, die nicht oder nicht allein familiär bedingt sind: Bei zahlreichen der hier besprochenen Symptome kann es durchaus auch sein, dass sie durch eine schwere körperliche Traumatisierung hervorgerufen wurden. Das mag in Extremfällen im Zusammenhang mit Foltermaßnahmen, einer Entführung, dem erzwungenen Mitwirken in Satanismussekten im Kindesalter, mit schwerer Kindesmisshandlung oder traumatischen Kriegserlebnissen geschehen sein.

Magen-Darm-Beschwerden, Kopfschmerzen und Migräne, Rückenschmerzen, Zittern, Herzrasen, sexuelle Probleme, Schlafstörungen, Essprobleme, Tinnitus, Depressionen, Ängste, Phobien und Zwangsbilder treten möglicherweise als direkte oder verzögert einsetzende Folgen einer starken körperlichen Schockwirkung auf. Hier kann es sinnvoll sein, nicht nur systemische Hintergründe zu beleuchten, sondern zusätzlich traumatherapeutisch vorzugehen. Besonders für die Opfer von Folterungen, Psychosekten, Satanismuspraktiken und Gefangenenlagern sollte man als Therapeut nur dann arbeiten, wenn man die speziellen Kenntnisse dafür erworben hat, die sich von denjenigen der »normalen« Traumatherapie deutlich unterscheiden. Die psychischen Anforderungen bei der Behandlung von schwer Traumatisierten sind enorm. Unerfahrene Therapeuten bekommen dann oft dieselben Symptome der »posttraumatischen Belastungsstörungen«, die ihre Klienten aufweisen!

In den meisten Beispielen dieses Buches geht es natürlich nicht oder weniger um gravierende Umwelteinflüsse oder ein schweres, persönlich erlebtes Trauma, doch diese Fragestellungen sollten vom therapeutischen Begleiter immer mitbedacht werden!

Genauso muss bei vielen Beschwerden oder Krankheiten die erste Frage an den Ratsuchenden lauten, ob er die Symptome medizinisch hat abklären lassen. Erst wenn dies getan ist, kann man nach psychischen Zusammenhängen Ausschau halten. Sonst besteht nämlich die Gefahr, dass man das medizinisch Notwendige unterlässt – unabhängig davon, ob es eine psychische Komponente bei den Symptomen gibt oder nicht. Herzbeschwerden können beispielsweise ihre Ursache zuweilen in einer Lungenkrankheit haben, die zunächst einmal entdeckt und als Erstes behandelt werden muss. Die möglichen psychischen Hintergründe, die an dem Krankheitsgeschehen beteiligt sind, können dann im Anschluss beleuchtet werden.

Aber auch bei anderen Organen muss man die medizinischen Ursachen stets im Auge behalten. So habe ich beispielsweise schon des Öfteren erlebt, dass mich Paare aufsuchten, weil ihr Kinderwunsch seit langem unerfüllt geblieben war und sie nun nach »psychischen Ursachen« fahnden wollten. Einige dieser Paare hatten sich nicht ärztlich untersuchen lassen; und häufig kam dann bei einer späteren Untersuchung heraus, dass der Samen des Mannes unfruchtbar oder der Eileiter der Frau verklebt war.

 

Die Leser meiner Bücher haben in der Vergangenheit immer wieder gefragt, ob es sich bei den Teilnehmern meiner Seminare um Menschen handle, die schon jahrelange »therapeutische Vorarbeit« geleistet hätten. Wie denn sonst ließe sich erklären, dass die Aufstellungen so erstaunlich positive Wirkungen zeitigten?, wurde oft vermutet.

Viele sind verwundert, wenn ich diese Fragen mit Nein beantworte. Die meisten Teilnehmer meiner Gruppen hatten keine jahrelange Psychotherapie hinter sich, und nicht wenige hatten noch nie in ihrem Leben eine solche in Anspruch genommen.

Allerdings gibt es immer auch einige Ausnahmen, beispielsweise bei psychisch kranken Menschen. Bei ihnen ist es freilich wichtig, vorher zu prüfen, ob eine Gruppenaufstellung zum gewünschten Zeitpunkt überhaupt die richtige Maßnahme ist und von wem sie gegebenenfalls unterstützend begleitet werden könnte. Ideal wäre es hier beispielsweise, wenn der behandelnde Arzt oder Psychiater dem Kranken zur Seite steht oder wenn dieser zuvor zumindest eine Prüfung vornimmt.

 

Das Familien-Stellen ist eine kurzzeittherapeutische Methode. Das gilt auch für die Einzelarbeit. Es gibt zwar Ratsuchende, die über einen Zeitraum von einigen Jahren regelmäßig zu mir gekommen sind, doch die meisten sehe ich durchschnittlich nur ein- bis höchstens achtmal. So hat denn auch eine psychotherapeutische Studie aus den USA herausgefunden, dass die kurzzeittherapeutische Arbeit wirkungsvoller ist als eine Langzeittherapie. Bei Letzterer besteht immer die Gefahr, sich vom Behandler psychisch abhängig zu machen. Wem in relativ kurzer Zeit nicht geholfen werden kann, der wird es in der Regel über lange Zeiträume ebenfalls schwer haben. Doch auch hier gibt es natürlich zahlreiche Ausnahmen, man denke nur einmal an gravierende psychische Störungen wie beispielsweise die Schizophrenie.

In meiner Arbeit steht jedenfalls die Kurzzeittherapie ganz im Vordergrund. Ich mache zwar Vorschläge über den zeitlichen Ablauf, doch ich überlasse die Entscheidung für den nächsten Praxistermin in der Regel den Ratsuchenden. Sie sollen selbst prüfen, nach wie vielen Wochen oder Monaten eine weitere Sitzung oder ein Seminarbesuch notwendig ist oder ob es vielleicht auch gar keines weiteren Kontaktes mehr bedarf. Meist liegen die Selbsteinschätzung des Hilfesuchenden und meine Einschätzung über den zeitlichen Ablauf eng beieinander, so dass ich selten jemanden bremsen muss, mich zu oft in Anspruch zu nehmen.

 

Bei vielen Aufstellungen in diesem Buch wird anschließend erwähnt, wie es im Leben des Ratsuchenden weiterging. Dies ist aber nicht bei allen Lebensgeschichten der Fall, weil sich nicht jeder Klient später noch einmal meldet. Um den seelischen Prozess nicht zu stören, würde ich nie aus Neugier bei jemandem anrufen und ihn fragen, ob seine Symptome mittlerweile verschwunden sind. Nicht selten erhalte ich Rückmeldungen erst nach vielen Jahren, beispielsweise wenn sich der Betreffende wieder einmal wegen eines anderen Themas zu einer Aufstellung anmeldet und mir dann in einer Seminarpause eine Rückmeldung gibt.

 

Manch einer wird in diesem Buch vielleicht etwas über die Probleme von Kindern suchen, zum Beispiel Magersucht, Bettnässen, Schulschwierigkeiten oder AD(H)S/Hyperaktivität. Da dies das Thema meines Buches Wenn Liebe allein den Kindern nicht hilft ist, soll an dieser Stelle auf ein eigenständiges Kapitel für Kinder verzichtet werden.

 

Zum Schluss dieser Einführung sei noch ein Hinweis über den Umgang mit den Aufstellungsbildern gegeben. Allen, die zu mir kommen, rate ich, das Aufstellungsbild in der Zeit nach dem Seminar nicht »mit dem Kopf« zu analysieren. Es handelt sich ja ohnehin nicht um eine »reale« Abbildung der Wirklichkeit, sondern ein »Bild der Seele«. Dieses Seelenbild braucht Ruhe, damit es sich im Stillen entfalten kann. In keinem Fall stellt es eine Handlungsanweisung dar, nun auch direkt etwas Konkretes zu tun oder zu unterlassen. Erst wenn man nach einer längeren Zeit im Herzen eine Übereinstimmung mit dem Aufstellungsbild spürt, darf man sich in seinen Lebensentscheidungen davon leiten lassen. Es erübrigt sich wohl der Hinweis, dass es unter Umständen fatal sein kann, wider besseres Wissen, gutgläubig bzw. ohne eigene Prüfung dem Wort oder dem Rat eines Therapeuten zu folgen.

Beispielhaft für die Verarbeitung einer Aufstellung ist der Umgang einer Seminarteilnehmerin namens Rita mit ihrem Schlussbild: Sie war ungehalten nach ihrer Aufstellung, da sie in keiner Weise den erhofften Ergebnissen entsprach, und sie stellte mehrere »analytische Fragen« dazu. Geduldig wiederholte der Seminarleiter stets die Antwort: »Lass das Bild wirken und hör auf, es zu analysieren. Ansonsten wird es keine Chance haben, in dein Herz vorzudringen, um etwas zu bewirken.«

Sechs Monate nach der Aufstellung schrieb sie mir den folgenden Brief:

»Bei dem Seminar vor einem halben Jahr war ich eine Zweiflerin, vorübergehend auch eine der Verzweifelten. Es passte, so glaubte ich damals, nicht zu meiner aktuellen Lebenssituation.

Nach der Aufstellung fiel ich in ein Tief. Das Bild der Aufstellung … traf mich mit unerwarteter Wucht und zwang mich zu innerer Konfrontation. Ich fühlte mich bodenlos einsam und ausgeliefert. Trotzdem wollte ich mich dem Bild stellen, wollte seine Wirkung, so gut es ging, auf mich zukommen lassen.

In den darauffolgenden Tagen entdeckte ich plötzlich das Muster einer dunklen selbstzerstörerischen Energie. Sie zu erkennen schmerzte mich zutiefst. Ich habe sie all die Jahre trotz abgeschlossener Psychotherapien nicht beseitigen können … Jetzt erst beginne ich, sie als einen Teil von mir wahrzunehmen.

Nach einigen Wochen hellte sich mein Leben dann auf. Ich fühlte mich plötzlich stärker und voller Zuversicht. Es fiel mir leichter, anderen Menschen voll Zuversicht entgegenzukommen. Mein Selbstwertgefühl stieg. Zwischen mir und meinen Familienmitgliedern entwickelte sich viel mehr Nähe. Ebenso sei mein Gesichtsausdruck, wie man mir sagte, ›lebendiger‹ und ›nahbarer‹ geworden. Auch in meinem Beruf ging es wieder aufwärts. Etwas in mir war aufgebrochen.«

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Signale des Körpers

1. Rückenschmerzen

Abgesehen von somatischen Ursachen wie zum Beispiel angeborener Wirbelsäulenverkrümmung lassen sich Rückenschmerzen nicht selten einfach heilen: Mit dem Blick auf den Boden verbeugt man sich tief! Es gilt natürlich herauszufinden, vor wem. Denn sich verbeugen bedeutet, jemandem die Ehre zu erweisen.

Die heute weitverbreitete Deutung von Rückenschmerzen geht aber in eine ganz andere Richtung: Jemand habe zu schwer zu tragen oder könne bestimmte Dinge kaum noch ertragen. Wer zu viel auf seine Schultern lade und sich dieses Zuviel nicht bewusstmache, der spüre diesen Druck eben im Körper als Rücken- oder Bandscheibenschmerz. Was in einer solchen Situation nottue, so der oft gehörte Rat, sei das Nachdenken darüber, was man sich alles aufgeladen habe und warum, und dann solle man sich dessen möglichst entledigen.

Die Erfahrungen mit dem Familien-Stellen stützen diese Vermutungen nicht. Wenn das die richtige Sichtweise wäre, hätten wahrscheinlich bedeutend weniger Menschen Rückenschmerzen. Diese Symptome lassen sich häufig bessern, wenn man sich vorstellt, dass man sich vor jemandem verneigt. Diese Person ist oft der Vater oder die Mutter, manchmal aber sind es auch beide Eltern. In der Fallgeschichte von Herbert, die im Folgenden wiedergegeben wird, ist es die Verbeugung vor dem Vater, auf die die Seele gewartet hat.

Diese hier aufgezeigten Hintergründe von Rückenschmerzen habe ich erstmals in meinem Buch Was die Seele krank macht und was sie heilt dargestellt. Ein Leser dieses Buches schrieb mir: »Nach dem Lesen Ihres Kapitels ›Rückenschmerzen‹ wusste ich sofort, vor wem ich mich verneigen musste. Meine jahrzehntelangen Schmerzen sind dauerhaft verschwunden!«

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Natürlich lassen sich nicht alle Rückenschmerzen und Bandscheibenvorfälle auf diese Weise heilen. Abgesehen von angeborenen Wirbelsäulendefekten spielt bei chronischen Rückenschmerzen zuweilen eine Schuld oder ein Verbrechen in der Familie eine Rolle, mit denen der Leidende verbunden ist.

Wie im Fall von Rüdiger mag eine anstehende Verbeugung vor den Eltern erst die innere Voraussetzung sein, um auf die seelische Verknüpfung schauen zu können, die mit den Rückenschmerzen gekoppelt ist. Nach der Verbeugung gab das Familiensystem die bedeutsame Information preis.

 

Wenn bei Rückenschmerzen eine Verbeugung ansteht, so handelt es sich aber nicht immer um Vater oder Mutter. In einem Seminar war eine Frau, die schon lange unter Rückenschmerzen litt. In der Aufstellung zeigte sich, dass sie ihren ersten Freund tief verachtete. Sie hatten einen dreijährigen Sohn, und sie verließ den Partner. Auf die Frage, was denn der Grund gewesen sei, rümpfte sie die Nase und sagte: »Er war mir nicht mehr gut genug.«

Betroffen konnte sie zusehen, wie schwindlig es ihrer Stellvertreterin wurde, als der Seminarleiter diese aufforderte, den Blick des Mannes auszuhalten. Der Mann war sehr wütend auf sie. Schließlich kam die Frau in ihre eigene Rolle und konnte sich vor dem Mann verbeugen und Reue über ihr Verhalten zulassen.

Noch während dieses Seminars verschwanden die Rückenschmerzen und traten auch in Zukunft nicht mehr auf.

 

Wieder anders sind die Zusammenhänge in der Geschichte Edwins. Hier ziehen sich die Schmerzen zurück, nachdem das Zwillingsgeschwister sich vor ihm verbeugt hat.

Manchmal ist es kein Mensch, der auf eine Verbeugung wartet, sondern das Schicksal, so wie im Fall von Liselotte. Wer bei einem schweren Unglück überlebt, vergisst oft den Dank an das Schicksal.

Doch es gibt noch ganz andere Hintergründe, die man nicht vermuten würde, etwa wie in diesem Beispiel: Eine Frau litt seit einigen Monaten an Rückenschmerzen. Niemand konnte ihr helfen. Eines Tages stellte sie durch Zufall fest, dass ihr Mann seit Monaten eine Geliebte hatte. Genau in dem Augenblick, in dem sie diese kränkende Entdeckung machte, waren ihre gesundheitlichen Probleme verschwunden …

In der medizinischen und psychotherapeutischen Therapie von chronischen Rückenschmerzen kann auch die Haltung des Behandlers eine große Rolle spielen. Davon erzählt die Geschichte von Eleonore. Außerdem wird hier deutlich, wie man mit anderen psychotherapeutischen Methoden ebenfalls wirksame Impulse zur Selbsthilfe setzen kann.

Erst in den letzten Jahren wurde mir bewusst, dass manchmal bei Rückenschmerzen eine Verbeugung vor der eigenen Seele ansteht (siehe das Schlussbeispiel »Thorsten«).

Herbert | Dem Vater den Tod gewünscht

Der erste Kontakt mit Herbert kam über das Telefon zustande. Er wollte in die Praxis kommen, doch der Seminarleiter hatte den Eindruck, er solle gleich in eine Gruppe gehen.

Herbert klagt im Seminar über jahrelange Kopf- und Rückenschmerzen. Ständige Bandscheibenvorfälle machen ihm einen geregelten Alltag unmöglich. Der Seminarleiter bittet Herbert, einfach zu schweigen und ihm in die Augen zu schauen.

Dann fragt der Seminarleiter: »Hast du einem deiner Eltern den Tod gewünscht?«

Herbert nickt: »Ich hasse ihn … schon sehr lange … und den Tod habe ich ihm auch schon gewünscht.«

Herbert wählt zwei Männer aus der Gruppe, einen für sich und einen für den Vater. Herberts Stellvertreter windet sich vor Schmerz und greift mit der Hand unterstützend in die Lendenregion. Er taumelt, als ziehe es ihm den Boden unter den Füßen weg. Auf einen inneren Impuls hin wählt der Seminarleiter einen Mann aus der Gruppe und stellt ihn als Rückenschmerz neben Herbert. Schlagartig beruhigt sich Herbert.

Während Vater und Sohn sich anblicken, weicht der Vater einen Schritt vom Sohn zurück. Der Seminarleiter fragt Herbert, der noch neben ihm auf dem Stuhl sitzt: »Bist du bereit, jetzt in deine eigene Rolle zu gehen?« Herbert sagt ja, doch der Seminarleiter bemerkt, wie er dabei kaum merklich den Kopf schüttelt. Er sagt ihm: »Schau einfach weiter zu und lass das Bild in deine Seele.«

Herberts Stellvertreter blickt zum Vater und beginnt, leicht den Kopf zu beugen. Der Seminarleiter ermuntert den Stellvertreter, diese Bewegung zuzulassen. Es erfolgt nun eine tiefe Verbeugung, wobei sich die Rückenschmerzen langsam von selbst zurückzuziehen beginnen.

Nachdem Herberts Stellvertreter mit dem Oberkörper wieder nach oben gekommen ist, schaut der Vater zwar immer noch ernst, doch man sieht, dass etwas bei ihm ankam. Man kann aber auch erkennen, dass der Weg noch weit ist.

Der Stellvertreter der Rückenschmerzen hebt die Hand, weil er etwas sagen will: »Ich könnte jetzt aus der Rolle gehen. Es ist nun in Ordnung.«

Manchmal ist ein Stellvertreter nicht ganz gesammelt und will es »zu gut« für den Aufstellenden machen, wie hier derjenige für die Rückenschmerzen. Deswegen achtet der Therapeut stets auf die eigene Wahrnehmung. In diesem Fall, wie in den meisten anderen ähnlichen Fällen, korrigiert sich vieles von allein, denn Herberts Stellvertreter schüttelt energisch den Kopf und sagt zu den Schmerzen: »So schnell nicht. Ich brauche ihn nach wie vor. Du darfst noch nicht gehen!«

Auch der Vater nickt: »Es war ein Anfang, aber es ist noch nicht fertig!«

Die Aufstellung endet, indem der Vater dem Sohn sagt: »Ich gebe dir Zeit!« Daraufhin wird Herbert ganz ruhig.

Rüdiger | Der Telefonanruf der Tante